Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam
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3.2. Die Verzeichnung durch Aktentitel und Enthält-Vermerk<br />
Innerhalb der deutschen Archivwissenschaft erreichte das Bemühen um die Erhaltung bzw.<br />
Wiederherstellung der vorarchivischen Ordnung mit der bis in unsere Tage nachwirkenden<br />
Lehre von Johannes Papritz einen letzten Höhepunkt. An den heutigen Verhältnissen des<br />
Informationsaufkommens und den Möglichkeiten moderner Erschließungs- und Retrievaltechniken<br />
gemessen wirken die aus der Mitte des letzten Jahrhunderts stammenden Anleitungen<br />
allerdings reichlich antiquiert. 85 Selbstverständlich trifft es zu, dass Schriftgutermittlung<br />
eine hinreichende Kompetenzkenntnis der Behörde voraussetzt, damit keine kompetenzwidrigen<br />
Gruppen gebildet werden. Weiter ist es richtig, dass es vom Wert des Bestandes<br />
und der Arbeitsökonomie des Archivs abhängt, ob und wenn ja, was genau wie und in<br />
welcher Reihenfolge erschlossen wird. Natürlich kommen auf unterschiedliche Aktenstrukturen<br />
unterschiedliche Prinzipien der Formierung und der Titelaufnahme zur Anwendung.<br />
Auch bei den Unterlagen der SED-Kreisleitung ist es die Aufgabe jedes Archivars, die ursprünglichen<br />
Beziehungen zwischen den administrativen Strukturen, die die Akten schufen<br />
und den Informationen, die die Akten enthalten, sichtbar werden zu lassen, was mit der Aktentitelbildung<br />
und dem ggf. nötigen Enthält-Vermerk beginnt. Die ausdrücklich auf die Titelaufnahme<br />
bei Sachakten verfassten Vorgaben von Papritz (Einzelfallprinzip oder Betreffprinzip)<br />
sind für die <strong>Sachaktenerschließung</strong> der MfS-Unterlagen jedoch nicht 1:1 anwendbar. Ein<br />
wichtiger Grund dafür ist die weitgehend zusammenhanglose Überlieferung von Schriftgut in<br />
Form von Bündeln. Abweichend von der traditionellen Herangehensweise erfolgt die Formierung<br />
und Titelbildung durch eine größere Zahl unabhängig voneinander verzeichnender Mitarbeiter<br />
und nicht durch ein im Detail aufeinander abgestimmtes Vorgehen des Fachpersonals.<br />
Der Umstand, dass die „Ablieferungsprovenienzen" der Bündel aus den ehemaligen<br />
Diensteinheiten mit den Entstehungsprovenienzen der darin enthaltenen Unterlagen vielfach<br />
nicht identisch sind, ist Teil der archivischen Normalität der BStU. Leider war für ein geordnetes<br />
Vorgehen im Zuge der Nutzung der Unterlagen in den ersten Jahren wenig Zeit, und<br />
durch das wiederholte Herauslösen einzelner Unterlagen für Zwecke der Strafverfolgung und<br />
der Grundlagenforschung wurden im Ausnahmefall einzelne der anfänglich noch ersichtlichen<br />
Herkunftszusammenhänge für immer zerstört. Auch waren zusätzliche Umsortierungen<br />
im Zuge der Bestandsbildung gelegentlich unumgänglich. So finden sich heute im Teilbestand<br />
SED-Kreisleitung einige wenige Fälle der durch Gerichte oder Forscher herangezogenen<br />
Unterlagen, auf denen die erste Paginierung doppelt oder gar dreifach überklebt wurde.<br />
Anders als bei den Vorgängen aus der politisch-operativen Arbeit des MfS handelt es sich<br />
bei den Unterlagen des TB SED-KL im MfS um sehr unterschiedliches, inhomogenes<br />
85 Die umfänglichen Handlungsanleitungen führen das Für und Wider unter Berücksichtigung aller möglichen<br />
Eventualitäten an archivisch Vorfindbarem und im Zuge der Erschließung zu Bedenkendem minutiös auf. Selbst<br />
die jeweils ansetzbaren Gebrauchseigenschaften alter Hadernpapiere bleiben dabei nicht außer Acht. Siehe: Johannes<br />
Papritz. Archivwissenschaft Bd. 3, Teil III, 1. Archivische Ordnungslehre, Marburg 1983, S. 238f.<br />
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