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Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam

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Auch insofern liefern die Unterlagen des Teilbestandes für die Forschung nichts grundsätzlich<br />

Neues. Sie zeigen, wie selbstverständlich sich das Wüten in den eigenen Reihen auch<br />

im Staatssicherheitsdienst unter den Augen und mit der Billigung der Parteimitglieder vollzog.<br />

Das vorhandene Bild von der Gesellschaft dieser Zeit lässt sich so auf die Zustände im<br />

Staatssicherheitsdienst erweitern und nach dort zurückführen.<br />

Recherchiert man zur SED im MfS übergreifend und damit auch nach anderer Provenienz,<br />

wird man auf die eine oder andere Unterlage des Personalaktenbestandes nicht verzichten.<br />

Im Fall des Mitarbeiters und späteren langjährigen 1. Sekretärs der Parteiorganisation Gerhard<br />

Heidenreich geht aus den personenbezogenen Unterlagen ein für Arbeiter aus einem<br />

kommunistischen Milieu eher durchschnittlicher Lebensbeginn hervor: Zugehörigkeit zum<br />

Spartakusbund und zum Kommunistischen Jugendverband, keine Lehrstelle, zweijährige<br />

Haft wegen illegaler Tätigkeit nach 1933. Von 1937 bis 1944 fand er Arbeit als Transportarbeiter<br />

in einer Ofenbaufirma, keine politische Betätigung bis Anfang 1944, wegen Kurzsichtigkeit<br />

kein Dienst in der Wehrmacht, Volkssturm viertes Aufgebot. Im März 1945 war Heidenreich<br />

an der Sprengung des Kellers der Ortsgruppenleitung der NSDAP in Breslau-<br />

Gneisenau beteiligt. Die Textstelle im handschriftlichen Lebenslauf Heidenreichs vom<br />

29.11.1953 lautet:<br />

„Vier Nazifunktionäre wurden getötet und 17 verletzt. Nach der Ein-<br />

nahme der Stadt durch die Sowjet Armee half ich dieser bei der Ver-<br />

haftung von aktiven Nazis und SS Leuten." 78<br />

Nach kurzzeitiger Inhaftierung, weil er als 28jähriger in Zivil Verdacht erregte, ging es im Juli<br />

1945 in einem Treck aus 200 "Genossen" unter sowjetischem Begleitschutz nach Dresden.<br />

Es folgte eine Zeit als FDJ-Funktionär in Plauen, dann beim Zentralrat in Berlin, eine begeistert<br />

erlebte Reise in die Sowjetunion, während der 1. Parteikonferenz die Sprungkarriere ins<br />

ZK der SED, ab August 1951 Arbeit im Außenpolitischen Nachrichtendienst der Deutschen<br />

Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften, im Institut für wirtschaftswissenschaftliche<br />

Forschung, nach dem 17. Juni 1953 der Einsatz als Instrukteur in der operativen Arbeit. In<br />

dieser Phase seiner Parteiarbeit war für Heidenreich kurzzeitig bedeutsam, dass er vor dem<br />

Wohnhaus in der Wolfshagener Straße 79 in Pankow im Gespräch mit einem Genossen seine<br />

Aktentasche stehen ließ, darin ein Situationsbericht über die Stimmung der Bevölkerung<br />

im Bezirk Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Das brachte ihm eine Rüge und einen Umzug ein, in<br />

die Roedernstraße in Hohenschönhausen. Danach geht der unaufhaltsame Aufstieg weiter,<br />

ohne Hemmung, was für die familiären Bindungen bedeutete, dass er im September 1955<br />

die Gesinnung seiner nach Westdeutschland verzogenen Verwandtschaft durchleuchten<br />

ließ. 79 Der Teilbestand enthält ausreichend vom MfS als streng geheim eingestufte Vermerke<br />

78 Siehe: Lebenslauf vom 29.11.1953, in: MfS KS 22 829/90, BStU 000 045.<br />

79 Siehe: Schreiben vom 04.09.1955 an Genossen Generalmajor Wolf, in: Ebenda, BStU 000 036.<br />

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