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Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam

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ung 49 , die räumlich noch aufhebbar ist und objektive Forschungsergebnisse ermöglicht. 50<br />

Booms Dokumentationspläne interessieren hier weniger als die dahinter stehende Logik und<br />

die damit verknüpften Überlegungen zur Praxis der Überlieferungsbildung. Der Boom’schen<br />

Auffassung nach soll der Archivar Unabhängigkeit von den wechselnden Forschungsrichtungen<br />

anstreben, indem er mittels „positiver Wertauslese“ ein gesamtgesellschaftliches Urbild<br />

der jeweiligen Zeit schafft. Es ging Booms um die Schaffung eines Instruments zur Bewertung<br />

von Schriftgut als einer potentiellen historischen Quelle, was einer Bewertung von<br />

Schriftgutkomplexen auf der Pertinenzbasis 51 entspricht und so dem MfS-Gebaren entgegenkommt.<br />

Eine solche Auswahl nach Pertinenzen kann an Hand der registrierten personenbezogenen<br />

Vorgänge des MfS ohne zusätzliche Trennung beliebig getroffen werden.<br />

Gemeinhin identifiziert Bewertung die erforderlichen Bestandteile des Schriftguts und verdichtet<br />

es auf die wesentlichen Aussagen, wobei schon 5% der Unterlagen als ausreichend<br />

gelten. Dass diese Vorgabe weder für die Bewertung bei der SAPMO noch für die bei der<br />

BStU ein durchgängiger Orientierungswert sein kann, ist völlig unstreitig. Nachdenklich<br />

stimmen dem gegenüber die aufwendigen Anstrengungen der Behörde, vom MfS vorvernichtete,<br />

zerrissene Akten durch eine Arbeitsgruppe der BStU beim Bundesamt für die Anerkennung<br />

ausländischer Flüchtlinge rekonstruieren zu lassen. Der Output dieser Tätigkeit erinnert<br />

an das Schicksal des armen dänischen Archivars Wegener aus dem vorletzten Jahrhundert,<br />

der mit seiner Art der Verzeichnung und Bewertung am Ende seines Lebens noch Arbeit für<br />

3500 „Mannjahre“ hinterließ. 52 Aus dem Teilbestand SED-Kreisleitung im MfS sind hiervon<br />

77 Säcke mit 2- bis 12fach zerrissenem Schriftgut betroffen. Hier stellt sich die Frage, ob die<br />

Wissenschaft durch die Kenntnis der letzten rekonstruierbaren Information um die<br />

Zusammenhänge und Mechanismen zwischen der Führung der SED und ihrer Gefolgschaft<br />

in der Geheimpolizei besser Bescheid wissen wird oder eben nur detaillierter in den bereits<br />

bekannten Punkten. Nach Unfehlbarkeits- und Vollständigkeitsprinzipien zu arbeiten ist für<br />

Archivare weder praktikabel noch effizient, und man sollte für den Teilbestand SED-KL im<br />

MfS auf diese Art der Rekonstruktion verzichten.<br />

Mit weniger Aufwand zu bewerkstelligen und der freien Forschung dienlich wäre demgegenüber<br />

eine Durchsicht der gesondert verwahrten, weggeschlossenen Unterlagen im Hinblick<br />

auf ihre weitere Einstufung in die Geheimhaltung gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 b-d StUG. Im Falle<br />

des TB SED-KL wurde dem Geheimschutzbeauftragten der BStU nur eine Unterlage angeboten,<br />

mit Informationen zu den westlichen Geheimdiensten. Von einer Einstufung in die<br />

49 Ebenda, S. 9.<br />

50 Ebenda, S. 38ff.<br />

51 Ebenda, S. 40.<br />

52 Siehe dazu: V.A. Secher, ´Om Proveniens-H(Hjemmelhors) Principer´, Meddelelser fra det Dankse Rigsarckivc<br />

I (1906) 191-240. Cited in: Land van Herkomst 48. Nach: Peter Horsman. Taming the Elephant. An orthodox<br />

approach to the Principle of Provenance in: ARCHIEVEN, ORDENINGSPRINCIPES EN ORDENINGS-<br />

STELSELS; ´s-Gravenhage, augustus 1996, in: <strong>Fachhochschule</strong> <strong>Potsdam</strong>. Fachbereich Archiv-Bibliothek-<br />

Dokumentation. Projekt Fernstudium Archiv. Reader für Modul M1, Mai 1999, S. 75-83.<br />

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