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Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam

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sung für die Bewertung und Kassation von Unterlagen in Kraft. 46 Hier sind die Archivwürdigkeitsentscheidungen<br />

noch verschränkt mit der laufenden Aufgabenerledigung, und die Kassation<br />

stellt vorerst nur eine negative Wertauslese dar. Kassiert werden Unterlagen, die die<br />

Eigenschaft, Träger von Information zu sein, nicht mehr besitzen. Dazu zählen u. a. leere<br />

Formulare und Vordrucke, nachdem Musterexemplare gesichert wurden, sowie nicht mehr<br />

rekonstruierbares Material. Eine zweite Gruppe stellen Unterlagen MfS-fremder Provenienz<br />

dar, die keine Bearbeitung durch die Staatssicherheit erkennen lassen, nicht vorgangsbildend<br />

waren und nicht an öffentliche bzw. nichtöffentliche Stellen herauszugeben sind.<br />

Drittens können jene Unterlagen der Inneren Verwaltung des MfS ausgesondert werden, die<br />

keine Rückschlüsse auf die spezifische Tätigkeit der Staatssicherheit gewähren. Dazu zählen<br />

u. a. Nachweise zu Bekleidung/Ausrüstung und zur Kantine, Laufzettel bei Entlassung,<br />

Geschenkabrechnungen und Saunabücher. Schließlich werden jene Unterlagen kassiert, die<br />

für die Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden und keine Archivwürdigkeit besitzen,<br />

wie Wandzeitungen und Schießkladden, nachdem Beispiele gesichert wurden.<br />

Die heutigen Auffassungen zur Überlieferungsbildung in der Behörde sind ein Abbild der allgemeinen<br />

Diskussion unter den Archivaren um den schlüssigen Bewertungsansatz. Hier<br />

wurden die beiden gegensätzlichsten theoretischen Grundsätze in einer Erwiderung Volker<br />

Schockenhoffs auf eine Veröffentlichung der Marburger Institutsleiterin Angelika Menne-<br />

Haritz erörtert. 47 Die vorgetragenen Positionen berühren die verschiedenen Sichtweisen auf<br />

das Berufsbild „Archivar“ und die entsprechenden Ansätze in der Ausbildung. Es geht darum,<br />

ob Evidenz von Verwaltungshandeln das oberste Ziel archivischer Bewertung sein soll oder<br />

ob mittels Informationswerten ein gesamtgesellschaftliches Abbild angestrebt werden sollte.<br />

Für die Entwicklung des Bewertungsansatzes und die künftige Wertauslese unter den Unterlagen<br />

des MfS erachte ich den Inhalt eines Aufsatzes von Hans Booms aus dem Jahr 1972<br />

als nach wie vor bedeutsam. Booms legte darin den Archivaren als Lösung des Überlieferungsproblems<br />

die Erstellung von „Dokumentationsplänen” nahe. 48 Für Booms waren die<br />

Pläne ein nützliches Hilfsmittel zur Schaffung einer „gesellschaftlich relevanten” Überliefe-<br />

46<br />

Siehe: BStU-Dienstregistratur. Arbeitsanweisung für die Bewertung und Kassation von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes<br />

(Bewertungskatalog).<br />

47<br />

Die regelmäßig erfolgenden Wortmeldungen in der Fachliteratur kommen inhaltlich stets auf einige wenige<br />

Schlüsseltexte zurück. Siehe dazu: Robert Kretzschmar. Die neue archivische Bewertungsdiskussion und ihre<br />

Fußnoten, in: Archivalische Zeitschrift, Band 82, 1999. Derselbe. Spuren zukünftiger Vergangenheit. Archivische<br />

Überlieferungsbildung im Jahr 2000 und die Möglichkeiten einer Beteiligung der Forschung, in: Der Archivar<br />

53, 2000; Angelika Menne-Haritz. Das Provenienzprinzip - ein Bewertungssurrogat? Neue Fragen einer alten<br />

Diskussion, in: Der Archivar 47, 1994; Volker Schockenhoff: Nur „zölibatäre Vereinsamung?“ – Zur Situation<br />

der Archivwissenschaft in der Bundesrepublik 1946-1996, in: 50 Jahre Verein deutscher Archivare. Bilanz und<br />

Perspektiven des Archivwesens in Deutschland. Referate des 67. Deutschen Archivtags 1996 in Darmstadt, in:<br />

Der Archivar 49, Beiband 2, Siegburg 1997; Derselbe. Nur keine falsche Bescheidenheit. Tendenzen und Perspektiven<br />

der gegenwärtigen archivarischen Bewertungsdikussion in der BRD, in: Friedrich Beck, Wolfgang<br />

Hempel und Eckart Henning (Hrsg.). Archivistica docet, Beiträge zur Archivwissenschaft und ihres interdisziplinären<br />

Umfeldes, <strong>Potsdam</strong> 1999.<br />

48<br />

Hans Booms: Gesellschaftsordnung und Überlieferungsbildung - Zur Problematik archivischer Quellenbewertung,<br />

in: Archivalische Zeitschrift, 1972 S. 3-40.<br />

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