Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam
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Kenntnissen nur so lange sinnvoll, als der Benutzer über die Frage nach der Behördenkompetenz<br />
auf möglichst direktem Weg an das gesuchte Quellenmaterial kommt. Bei der Schriftgutverwaltung<br />
und dem archivierten Schriftgut des MfS lebte jenseits der Entstehungszusammenhänge<br />
das ältere Pertinenzprinzip wieder auf und wird beim Ordnen mittels Beifügung<br />
und Neueinstellung bis heute beibehalten. Der schriftliche Niederschlag der Tätigkeit<br />
des Ministeriums für Staatssicherheit in seiner Dreiteilung als Nachrichtendienst, politische<br />
Geheimpolizei und Ermittlungsorgan gemäß DDR-StPO hatte mit der Schriftgutproduktion<br />
aus einer legitimen, aktenmäßig und gesetzeskonform arbeitenden Verwaltung wenig gemein.<br />
Erfassung, Registrierung, Karteiführung, Ausleihe, Auskunftserteilung, sichere Aufbewahrung<br />
und selbst die Archivierung einschließlich Sicherheitsverfilmung und Restaurierung<br />
hatten sich stets unter Wahrung der Konspiration vollzogen. 36 Vorgänge waren vorrangig<br />
personenbezogen angelegt und Informationen vorrangig personenbezogen ausgewertet<br />
worden. Selbst die aus der Zeit vor 1945 angesammelten Akten waren systematisch nach<br />
personellen Gesichtspunkten durchforstet und teilweise nach Art von Personenpertinenzen<br />
zerlegt worden. Die wichtigsten Vorgangsarten des MfS und deren Archivierungsbezeichnungen<br />
finden sich u. a. im Abkürzungsverzeichnis in der Homepage der BStU. 37<br />
Ruft man sich das Ausmaß an Verunordnung in den Archiven bei Auflösung des Dienstes in<br />
Erinnerung, so wird klar, dass für theoretische Erwägungen von den Höhen der traditionellen<br />
Archivwissenschaft herab anfangs wenig Zeit blieb. Es war nicht einmal möglich, sich einen<br />
stimmigen Überblick über die im Zentralarchiv des MfS vorhanden gewesenen Bestände, die<br />
Tektonik des MfS-Archivs zu verschaffen. Einige Zeit war man der irrigen Auffassung, im<br />
ehemaligen MfS-Zentralarchiv habe es lediglich sechs und nicht, wie man heute weiß, neun<br />
Archivbestände gegeben. Insofern sind die Darstellungen im 1. Tätigkeitsbericht und in den<br />
Informationen der BStU-Abteilung für Bildung und Forschung (BF) 38 zu aktualisieren. 39<br />
Die archivischen Erschließungsarbeiten unter den Bedingungen der sofortigen Aktenöffnung<br />
und Bereitstellung für die private Akteneinsicht und die Auskunftserteilung mussten sich notgedrungen<br />
der vorgefundenen Mittel und Abläufe aus der Zeit des MfS bedienen. Sie vollzogen<br />
sich rein äußerlich ähnlich den Verfahrensweisen im Staatssicherheitsdienst. Alle vorhandenen<br />
personenbezogenen Karteien dienten dem schnellen Befriedigen aktueller Informationsbedürfnisse<br />
von vergleichsweise riesigen Nutzergruppen, ein nicht abreißen wollender<br />
Zustand seit dem ersten Tag der Stasi-Akten-Öffnung. Der effizienten Befriedigung so<br />
36<br />
Detaillierte Aussagen zur Schriftgutverwaltung des MfS und zur Bewertung aus archivwissenschaftlicher Sicht<br />
enthalten die in der Bibliografie genannten Veröffentlichungen von Dagmar Unverhau, der Leiterin der Abteilung<br />
Archivbestände der BStU. Ich verweise insbesondere auf die in der Archivalischen Zeitschrift erschienene<br />
Kommentierung eines Schulungsvortrages von Joachim Hinz, der ab 1980 das Zentralarchivs des MfS leitete.<br />
37<br />
Siehe: (8/2001).<br />
38<br />
Vgl.: Roger Engelmann. Zu Struktur, Charakter und Bedeutung der Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit,<br />
a.a.O., S. 35ff.<br />
39<br />
Siehe: BStU-Dienstregistratur. Hinweise zu den „Archivbeständen" der Abt. XII, gemäß Festlegung auf der<br />
Referatsleiterbesprechung am 28.05.01. AR 1-interner Vermerk vom 31.05.01.<br />
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