Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam
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ständnis für Geschichte und Gegenwart, den künftigen Zwecken der Gesetzgebung, Verwaltung<br />
und Rechtsprechung sowie an der Sicherung berechtigter Belange einzelner Bürger.<br />
Orientierung fehlt aber auch insofern, als es sich bei den Beständen der BStU um Registratur-<br />
und Archivgut handelt, für das es weder Akten- noch Abgabepläne in traditioneller Form<br />
gab. Blickt man aus den Unmengen an Ablagen des Archivbestands der BStU in die Archivlandschaft,<br />
so erscheint zur eigenen Vergewisserung am ehesten ein Vergleich mit dem<br />
Bundesarchiv oder dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes angebracht. Beim Bundesarchiv<br />
sind im Hinblick auf Archivwürdigkeit, Bewertung und Kassation die ministeriale<br />
Ebene und die Mengenverhältnisse der Überlieferung heranziehbar, im Auswärtigen Amt an<br />
erster Stelle das spezialarchivische Profil. In letzter Konsequenz aber bleiben die Archivare<br />
der Behörde im Umgang mit den speziellen Aktenkategorien und Vorgangsarten wie mit der<br />
geheimdienstlichen Schriftgutverwaltung auf sich selbst gestellt. Lediglich die Arbeiten der<br />
internen Forscher bieten, wo es um die Struktur und Arbeitsweise des Dienstes und den<br />
Wert und den Wahrheitsgehalt der MfS-Akten geht, eine Hilfe. 33<br />
Orientieren heißt zugleich zu bedenken, dass von den spezialgesetzlichen Festlegungen des<br />
StUG her unstrittig ist, dass die Struktur und Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes für die<br />
Forschung an erster Stelle steht. Die BStU-interne Lesart dieser Vorgabe reicht wie in anderen<br />
staatlichen oder kommunalen Archiven auch von einer eher nach Evidenzwerten hin<br />
ausgerichteten Auslegung bis zu einer sehr viel umfassenderen, vorzugsweise an Informationswerten<br />
interessierten Überlieferungsbildung. Der Grad an Ausrichtung auf das SOLL-IST-<br />
Verhältnis des „Verwaltungshandelns" ist im StUG expressis verbis nicht vorgegeben, was<br />
den Archivaren, die nach den speziellen Vorgaben in den Erschließungskonzeptionen und<br />
Richtlinien arbeiten, einigen Gestaltungsraum belässt. Die archivtheoretischen Kontroversen<br />
um die Bewertung wurden in letzter Zeit in zwei Beiträgen von Robert Kretzschmar zusammengefasst,<br />
bezogen auf vergleichbare Ansätze über das abgelaufene 20. Jahrhundert hinweg<br />
sowie unter dem Gesichtspunkt der Einbeziehung der Forscher über den Zeitraum der<br />
letzten zehn Jahre. 34 Anders als Zeithistoriker sind Archivare es gewohnt, im Hinblick auf die<br />
Bewertung in größeren Zeitspannen zu denken. Will man eine generelle Aussage zur Bewertung<br />
von MfS-Unterlagen unter den Bedingungen des StUG treffen, könnte man auf zwei<br />
Punkte aufmerksam machen: Angesichts solch aufwendiger und langfristiger Erschließungs-<br />
33 Siehe dazu: Roger Engelmann. Zu Struktur, Charakter und Bedeutung der Unterlagen des Ministeriums für<br />
Staatssicherheit, in: Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen<br />
DDR, (BF informiert Nr. 3) Berlin 1994, sowie: Derselbe. Die Unterlagen des MfS. Ihr Wert als historische<br />
Quelle, in: Die Akten und die Wahrheit. Fünf Jahre Stasi-Unterlagen-Gesetz, St. Augustin 1997.<br />
34 Robert Kretzschmar. Die neue archivische Bewertungsdiskussion und ihre Fußnoten, in: Archivalische Zeitschrift<br />
Band 82, 1999, S. 215ff, sowie: Derselbe. Spuren zukünftiger Vergangenheit. Archivische Überlieferungsbildung<br />
im Jahr 2000 und die Möglichkeiten einer Beteiligung der Forschung, in: Der Archivar 53, 2000.<br />
Die mittlerweile regelmäßig erfolgenden Wortmeldungen zum Thema kommen inhaltlich stets auf einige wenige<br />
Schlüsseltexte aus der Vergangenheit zurück. Das sind die in der Literaturliste genannten Texte von Hans<br />
Booms aus 1972, Bodo Uhl und Botho Brachmann sowie die 1990 durch Angelika Menne-Haritz erfolgte Neuübersetzung<br />
des ebenfalls angeführten Textes von Theodore R. Schellenberg aus dem Jahre 1956.<br />
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