Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam
Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam
Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Privatpersonen. Hier gibt es einen wichtigen Grund, bis ins Detail gehend über die künftige<br />
Praxis der Erschließung, Bewertung und damit auch über Kassation bei der BStU nachzudenken:<br />
Private Antragsteller können ab 2003 von ihrem in § 14 StUG bestimmten Recht auf<br />
Löschung der Betroffenendaten in den Originalunterlagen Gebrauch machen. 30 Zur Erledigung<br />
einer solchen Antragstellung müssen die Informationen zu den verschiedenen Betroffenen<br />
untereinander und von denen der Mitarbeiter im Sinne des StUG getrennt werden. In<br />
der Praxis der Behörde wird dies den Juristen und Archivaren noch einiges an Überlegung<br />
und an Kreativität abverlangen. 31<br />
Erschließung und Bewertung nach dem StUG haben sich aber nicht nur den zeitnahen Aufgaben,<br />
d. h. den momentanen Interessenkonflikten im Begehr von unterschiedlicher Seite<br />
und dem spezialgesetzlich eingeschränkten Forschungszweck zu stellen. Ein gewichtiger<br />
Umstand ist die wieder und wieder erhobene Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Informationen<br />
in den MfS-Unterlagen, die mitbedacht werden sollte. Sie wurde von Gerichten dahingehend<br />
bestimmt, dass der Beweiswert der Informationen in Unterlagen des MfS denen von<br />
Tagebuchaufzeichnungen gleichkommt. Die undifferenzierte Feststellung bewegt sich eindeutig<br />
im unteren Bereich der möglichen Bemessung. Sie lässt die bisweilen akribischen<br />
Sachverhaltsermittlungen des Dienstes außer Acht. Auf die beim Staatssicherheitsdienst<br />
verwahrten, rechtsförmig entstandenen Justizakten kann sie ohnehin nicht übertragen werden.<br />
Die Rechtsprechung hat sich den Wahrheitsgehalt betreffend auch zur Außenwirkung<br />
der Behörde geäußert, und zwar dahingehend, dass die BStU nicht verpflichtet ist, nachzuprüfen,<br />
ob die Informationen in den Unterlagen wahr sind. Ihr komme nur die Rolle des Archivars<br />
zu. 32 Die eigentliche Überlieferungsbildung, d. h. das aus dem Archivierungsauftrag<br />
ableitbare spezielle Dokumentationsprofil und die mit der archivischen Bewertung einhergehende<br />
Kassation bleiben also sowohl in den Formulierungen des StUG wie auch in denen<br />
der Rechtsprechung völlig unscharf.<br />
Perspektivisch erfolgt die Erschließung bei der BStU wie in anderen Archiven auch für die<br />
zeitlich unbefristeten Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und für bestimmte Nachweiszwecke<br />
privater Antragsteller, wie z. B. denen für die Rentenversicherer. Hier kann man<br />
sich in den Fragen der Bewertung ganz allgemein an der Praxis der Archive des Bundes und<br />
der einzelnen Länder orientieren, die solche Unterlagen als archivwürdig einstufen, die auf<br />
Grund ihrer Bedeutung dauernd aufbewahrt werden müssen. Die Kriterien der Archivwürdigkeit<br />
sind festgemacht an der Bedeutsamkeit für Wissenschaft und Forschung, dem Ver-<br />
30 Zurzeit besteht kein Anspruch auf Vernichtung, Tonbandmitschnitte von Telefonaten inbegriffen, da der Zeitpunkt<br />
eines Vernichtungsanspruchs in § 14 Abs. 1 Satz 2 StUG spezialgesetzlich geregelt ist. § 14 ist insofern<br />
Schrankengesetz entsprechend Art. 10 Abs. 2 Grundgesetz (GG), weshalb der Grundrechtsschutz aus Art. 10 GG<br />
dem nicht entgegen steht. Siehe: Verwaltungsgericht Berlin. Urteil vom 29.04.1998, Leitsatz (VG 1 A 194.95).<br />
31 Es handelt sich bei diesem Anspruch auf Löschung unrechtmäßig erhobener Daten um ein Zugeständnis aus<br />
den Tagen der DDR-Bürgerrechtsbewegung, von dem man schlecht abgehen kann, nur weil mit dem heutigen<br />
zeitlichen Abstand die eine oder andere Information für die Forschung als unverzichtbar erscheint.<br />
32 Siehe dazu: Verwaltungsgericht Berlin. Urteil vom 23.11.1994, Leitsatz (VG 1 A 632.92).<br />
11