Myrthe Hilkens: McSex. Die Pornofizierung unserer ... - Pro Familia
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<strong>Myrthe</strong> <strong>Hilkens</strong>: <strong>McSex</strong>. <strong>Die</strong> <strong>Pornofizierung</strong> <strong>unserer</strong> Gesellschaft.<br />
Orlanda Verlag 2010. 207 Seiten. ISBN 978-3936937725. 18€.<br />
<strong>Die</strong> niederländische Musik-Journalistin <strong>Myrthe</strong> <strong>Hilkens</strong> ist 31 Jahre alt und mag Hiphop. Vom<br />
Leben ihrer nur sieben Jahre jüngeren Schwester fühlt <strong>Hilkens</strong> sich weiter entfernt als von der<br />
Generation ihrer Mutter. <strong>Hilkens</strong> Schwester wuchs mit Musik-Videos auf, in denen Frauen als<br />
Huren bezeichnet oder in unterwürfiger Pose gezeigt werden. Was die Schwestern trennt, nennt<br />
<strong>Hilkens</strong> die <strong>Pornofizierung</strong> <strong>unserer</strong> Gesellschaft. Als <strong>Pornofizierung</strong> definiert sie die Bemessung<br />
des Werts einer Person an ihrer sexuellen Attraktivität, die Verbreitung unrealistischer, stereotyper<br />
Schönheitsideale, sowie zunehmende Fälle sexuellen Missbrauchs und wachsenden Konsum von<br />
Kinderpornografie. Rap-Texte vermitteln, dass Schmerzen zum Sex gehören und dass Männer<br />
über Frauen wie über ihren Besitz verfügen. In Musik-Videos, in Werbe-Spots und im Internet<br />
erhalten Kinder und Jugendliche Zugang zu pornografischen Darstellungen lange ehe sie selbst<br />
zum ersten Mal Schmetterlinge im Bauch haben, kritisiert die niederländische Journalistin. <strong>Hilkens</strong><br />
stört sich nicht daran, dass Sex in den Medien gezeigt wird, sondern wie er gezeigt wird. Wer als<br />
Musikkritikerin Texte bemängelt, die Sexualität im gleichen Atemzug mit Hass und Gewalt<br />
nennen, wird in den Niederlanden schnell in die rechte Ecke gedrängt. <strong>Hilkens</strong> hat den Kampf<br />
gegen die <strong>Pornofizierung</strong> der Gesellschaft dennoch aufgenommen und bietet inzwischen<br />
Workshops an Schulen an, um Lehrer für das Thema zu sensibilisieren und Schülern ein<br />
realistisches Verhältnis zu ihrer Sexualität zu vermitteln.<br />
Dass sexualisierte Körperrepräsentation in Werbebotschaften junge Frauen unzufrieden mit dem<br />
eigenen Körper macht, lässt sich empirisch belegen. Digital bearbeitete Fotos üben Druck auf<br />
Frauen aus, ihren Körper diesen Bildern anzupassen. Frauen sind umgeben von Bildern, die sie<br />
selbst abstoßend finden und die von Männern bewundert werden. Schon früh nehmen Mädchen<br />
aus Bildern von Frauen in unterwürfigen Posen die Botschaft auf, dass Sex eine Ware ist und sich<br />
verkaufen muss, wer in der Musik- oder Modeszene Erfolg haben will. Anpassung und<br />
Unterordnung als Überlebensstrategien werden so früh gelernt. <strong>Die</strong> Zufriedenheit mit ihrer<br />
Partner-Beziehung geht bei Mädchen wie Jungen zurück, wenn sie unrealistische Darstellung von<br />
Sexualität in den Medien konsumieren. - Der neue Macho tragt Baggy-Pants und Kappe;<br />
männliche Konsumenten von Musikvideos vertreten deutlich patriarchalischere Ansichten als ihre<br />
Altersgenossen. Neue Erkenntnisse über jugendliche Sexualtäter zeigen, dass viele nicht gestört<br />
sind, sondern aus den Botschaften der Medien lernten, Sex sei etwas, das Männer sich einfach<br />
nehmen.
<strong>Hilkens</strong> stellt im Gespräch mit Journalistik-Studenten eine ernüchternde Qualität ihrer Partner-<br />
Beziehungen fest, die der von dieser Generation verbal vertretenen Genussfreudigkeit völlig<br />
widerspricht. 20% aller niederländischen Jugendlichen geben an, schon zum Sex gezwungen<br />
worden zu sein. <strong>Die</strong> Autorin beklagt, dass Kinder über Sex reden, obwohl viele von ihnen kaum<br />
etwas über ihren Körper wissen, dass sie Sex haben, ohne etwas dabei zu fühlen. <strong>Hilkens</strong> lässt in<br />
ihrem Buch Mütter zu Wort kommen, die das unbeschwerte Aufwachsen ihrer Kinder gefährdet<br />
sehen. Wenn Rap-Musiker Kinder hätten, würden sie ihre eigenen Kinder die Texte konsumieren<br />
lassen, mit denen sie ihr Geld verdienen? fragt <strong>Hilkens</strong>. Sie beklagt den Einfluss falscher<br />
Vorbilder auf die Entwicklung Jugendlicher und die Verantwortungsscheu beliebter Musiksender.<br />
<strong>Myrthe</strong> <strong>Hilkens</strong> von allen Interessierten leicht zu lesende Streitschrift lässt in Kurzinterviews<br />
Gesprächspartner zwischen 15 und 50 Jahren zu Wort kommen. (Neben zahlreichen Quellen aus<br />
der niederländischen Fachliteratur enthält der Anhang Hinweise auf aktuelle deutschsprachige<br />
Literatur zum Thema.) <strong>Die</strong> in Siggelkows Buch (ISBN 978-3865913463) dargestellte sexuelle<br />
Verwahrlosung Jugendlicher konnte noch als Teil genereller Verwahrlosung interpretiert werden.<br />
<strong>Hilkens</strong> warnender Einwurf verdeutlicht, dass eine von den Medien verzerrt als Konsumartikel<br />
dargestellte Sexualität alle Eltern und Erzieher angeht.