2003 Regelmäßiger Bericht über die Fortschritte der Türkei auf dem ...

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10.03.2013 Aufrufe

Verfassungsbestimmungen ausgehöhlt, die eine organische Verbindung zwischen der Judikative und der Exekutive herstellen. Die Verfassung sieht vor, dass Richter und Staatsanwälte im Hinblick auf ihre Verwaltungsaufgaben dem Justizministerium angegliedert sind. Darüber hinaus werden Ernennungen, Beförderungen und Disziplinarverfahren und insgesamt die Laufbahn aller Richter und Staatsanwälte in der Türkei vom Obersten Rat der Richter und Staatsanwälte entschieden, in dem der Justizminister den Vorsitz führt und dem auch der Unterstaatssekretär des Justizministeriums angehört. Die Möglichkeit der Absetzung und Versetzungen in weniger attraktive Regionen der Türkei durch den Obersten Rat kann die Einstellung und Urteile der Richter beeinflussen. Neben der Zusammensetzung des Rates selbst stärkt den Einfluss der Exekutive noch mehr die Tatsache, dass der Oberste Rat über kein eigenes Sekretariat verfügt und seinen Sitz in den Gebäuden des Justizministeriums hat. Der Rat hängt im Hinblick auf seine Verwaltungsaufgaben voll von einer Personaldirektion und einem Kontrollgremium des Justizministeriums ab. Eine weitere Schwierigkeit des türkischen Justizsystems hängt mit der Beweiserbringung zusammen. Zwar ist die Staatsanwaltschaft rechtlich für die Kontrolle aller Phasen des Strafprozesses zuständig, doch die Alltagspraxis zeigt tendenziell, dass sie von den Sicherheitskräften über die Haftbedingungen nicht immer angemessen informiert wird. Ferner scheint eine starke Überlastung Ursache dafür zu sein, dass die Staatsanwaltschaft während der Untersuchungshaft über die Sicherheitskräfte wenig oder keine Kontrolle ausübt und dass viele Fälle ohne angemessene Vorbereitung vor Gericht kommen. Die Staatsanwaltschaft sollte daher die Ermittlungsarbeiten und die Vorbereitung der Strafverfolgung genauer kontrollieren. Trotz einiger Fortschritte im Zusammenhang mit der Verbesserung der Rechte von Häftlingen und der Beseitigung der Haft ohne jeden Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado-Haft") (siehe Abschnitt B.1.3 – Menschenrechte und Minderheitenschutz - "Bürgerliche und politische Rechte"), müssen die Befugnisse, Zuständigkeiten und Arbeitsweise der Staatssicherheitsgerichte im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und insbesondere das Recht auf Verteidigung noch mit den europäischen Standards in Einklang gebracht werden. Die Abschaffung dieser Gerichte wurde von hochrangigen Mitgliedern der Justiz öffentlich gefordert und sogar von Mitgliedern der türkischen Regierung angekündigt. Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung Bei der Annahme von Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung wurden einige Fortschritte erzielt. Umfragen zeigen jedoch weiterhin, dass Korruption in der Türkei nach wie vor ein ernstes Problem ist. Die am stärksten korruptionsanfälligen Sektoren sind Berichten zufolge die Medien, die Regierung, das Bauwesen und das Gesundheitswesen. Darüber hinaus sind über 80 % der Unternehmer der Ansicht, dass Korruption das wichtigste Hindernis für ausländische Investitionen darstellt. Im April 2003 ratifizierte das Parlament das Zivilrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption und bereitete so den Weg für die Teilnahme der Türkei an der Gruppe von Staaten gegen Korruption (GRECO), die die Einhaltung der europäischen Standards zur Korruptionsbekämpfung überwacht. 24

Im Januar 2003 änderte das Parlament Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Bestechung ausländischer Beamter bei internationalen Geschäftsabschlüssen, um so das einschlägige OECD-Übereinkommen umzusetzen, dem die Türkei im Jahr 2000 beigetreten ist. Mit diesem Gesetz wird die Bestechung ausländischer Beamter nach dem türkischen Strafgesetzbuch zum Straftatbestand. Ferner macht das Gesetz Geldwäsche von Bestechungsgeldern zum Straftatbestand im Rahmen des türkischen Strafrechts. Außerdem wurde das Strafregistersystem im Hinblick auf die Dauer der Aufzeichnungen geändert, die für Verurteilungen wegen Wirtschaftskriminalität (Bestechung, Unterschlagung, Betrug usw.) von fünf auf zehn Jahre und für Haftstrafen auf über fünf Jahre erhöht wurde. Im Januar 2003 wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet, um die wirtschaftliche und soziale Dimension der Korruption zu untersuchen und die erforderlichen Maßnahmen zu benennen. Im Juli legte er seinen Bericht vor, in dem die Einrichtung von Unterausschüssen für Ermittlungen gegen zahlreiche Politiker und ehemalige Minister, darunter ein Premierminister, wegen einer Reihe an Korruptionsfällen bei öffentlichen Ausschreibungen, Privatisierungen und in anderen Bereichen vorgeschlagen wird. Ferner wird in dem Bericht vorgeschlagen, die Immunität zu begrenzen und die Wiederaufnahme von Verfahren gegen ehemalige Minister und Regierungschefs zu erleichtern. In den im Januar 2003 verabschiedeten Aktionsplan nahm die Regierung mehrere Maßnahmen und Initiativen zur Stärkung der Korruptionsbekämpfung auf, darunter ein Gesetz über die Information der Öffentlichkeit zur Stärkung der Transparenz des öffentlichen Lebens und einen Verhaltenskodex für den öffentlichen Dienst. Viele der in dem Plan vorgesehenen institutionellen Mechanismen sind jedoch noch nicht eingerichtet: Die Ministerien übergreifende Kommission aus neun Ministerien und Abteilungen wurde angekündigt, ist aber noch nicht zusammengekommen; der Lenkungsausschuss, der aus hohen Beamten (wie Abteilungsdirektoren) bestehen soll, ist noch nicht eingerichtet worden. Zwischen Mai 2002 und Mai 2003 erstellten die Zollinspektoren 170 Ermittlungsberichte und legten sie der Staatsanwaltschaft vor. Im selben Zeitraum erstellten die Zollkontrolleure 457 Ermittlungsberichte und legten sie der Staatsanwaltschaft vor. 1.3 Menschenrechte und Minderheitenschutz Wie bereits oben erwähnt, wurden seit August 2002 vier neue Reformpakete verabschiedet. Sie wurden im Januar 2003 mit dem Gesetz Nr. 4778 (viertes Paket), im Februar mit dem Gesetz Nr. 4793 (fünftes Paket) im Juli mit dem Gesetz Nr. 4928 (sechstes Paket) und im August mit dem Gesetz Nr. 4963 (siebtes Paket) umgesetzt. Die Reformpakete behandeln zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit den Menschenrechten und dem Minderheitenschutz. Sie umfassen die verstärkte Bekämpfung der Folter, die Ausweitung von Grundfreiheiten wie Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und des Rechts auf friedliche Versammlung, die Stärkung des Berufungsrechts und die Verbesserung der kulturellen Rechte. Ferner haben die Behörden zahlreiche Verordnungen und Rundschreiben veröffentlicht, um die Maßnahmen der Reformpakete von 2002 und 2003 umzusetzen. Diese Rechtsvorschriften werden im Folgenden eingehend bewertet. 25

Verfassungsbestimmungen ausgehöhlt, <strong>die</strong> eine organische Verbindung zwischen <strong>der</strong><br />

Judikative und <strong>der</strong> Exekutive herstellen. Die Verfassung sieht vor, dass Richter und<br />

Staatsanwälte im Hinblick <strong>auf</strong> ihre Verwaltungs<strong>auf</strong>gaben <strong>dem</strong> Justizministerium<br />

angeglie<strong>der</strong>t sind.<br />

Dar<strong>über</strong> hinaus werden Ernennungen, Beför<strong>der</strong>ungen und Disziplinarverfahren und<br />

insgesamt <strong>die</strong> L<strong>auf</strong>bahn aller Richter und Staatsanwälte in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> vom Obersten Rat<br />

<strong>der</strong> Richter und Staatsanwälte entschieden, in <strong>dem</strong> <strong>der</strong> Justizminister den Vorsitz führt<br />

und <strong>dem</strong> auch <strong>der</strong> Unterstaatssekretär des Justizministeriums angehört. Die Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Absetzung und Versetzungen in weniger attraktive Regionen <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> durch den<br />

Obersten Rat kann <strong>die</strong> Einstellung und Urteile <strong>der</strong> Richter beeinflussen. Neben <strong>der</strong><br />

Zusammensetzung des Rates selbst stärkt den Einfluss <strong>der</strong> Exekutive noch mehr <strong>die</strong><br />

Tatsache, dass <strong>der</strong> Oberste Rat <strong>über</strong> kein eigenes Sekretariat verfügt und seinen Sitz in<br />

den Gebäuden des Justizministeriums hat. Der Rat hängt im Hinblick <strong>auf</strong> seine<br />

Verwaltungs<strong>auf</strong>gaben voll von einer Personaldirektion und einem Kontrollgremium des<br />

Justizministeriums ab.<br />

Eine weitere Schwierigkeit des türkischen Justizsystems hängt mit <strong>der</strong> Beweiserbringung<br />

zusammen. Zwar ist <strong>die</strong> Staatsanwaltschaft rechtlich für <strong>die</strong> Kontrolle aller Phasen des<br />

Strafprozesses zuständig, doch <strong>die</strong> Alltagspraxis zeigt tendenziell, dass sie von den<br />

Sicherheitskräften <strong>über</strong> <strong>die</strong> Haftbedingungen nicht immer angemessen informiert wird.<br />

Ferner scheint eine starke Überlastung Ursache dafür zu sein, dass <strong>die</strong> Staatsanwaltschaft<br />

während <strong>der</strong> Untersuchungshaft <strong>über</strong> <strong>die</strong> Sicherheitskräfte wenig o<strong>der</strong> keine Kontrolle<br />

ausübt und dass viele Fälle ohne angemessene Vorbereitung vor Gericht kommen. Die<br />

Staatsanwaltschaft sollte daher <strong>die</strong> Ermittlungsarbeiten und <strong>die</strong> Vorbereitung <strong>der</strong><br />

Strafverfolgung genauer kontrollieren.<br />

Trotz einiger <strong>Fortschritte</strong> im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Rechte von<br />

Häftlingen und <strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Haft ohne jeden Kontakt zur Außenwelt<br />

("incommunicado-Haft") (siehe Abschnitt B.1.3 – Menschenrechte und<br />

Min<strong>der</strong>heitenschutz - "Bürgerliche und politische Rechte"), müssen <strong>die</strong> Befugnisse,<br />

Zuständigkeiten und Arbeitsweise <strong>der</strong> Staatssicherheitsgerichte im Hinblick <strong>auf</strong> den<br />

Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten und insbeson<strong>der</strong>e das Recht <strong>auf</strong><br />

Verteidigung noch mit den europäischen Standards in Einklang gebracht werden. Die<br />

Abschaffung <strong>die</strong>ser Gerichte wurde von hochrangigen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Justiz öffentlich<br />

gefor<strong>der</strong>t und sogar von Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> türkischen Regierung angekündigt.<br />

Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung<br />

Bei <strong>der</strong> Annahme von Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung wurden einige<br />

<strong>Fortschritte</strong> erzielt. Umfragen zeigen jedoch weiterhin, dass Korruption in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong><br />

nach wie vor ein ernstes Problem ist. Die am stärksten korruptionsanfälligen Sektoren<br />

sind <strong>Bericht</strong>en zufolge <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> Regierung, das Bauwesen und das<br />

Gesundheitswesen. Dar<strong>über</strong> hinaus sind <strong>über</strong> 80 % <strong>der</strong> Unternehmer <strong>der</strong> Ansicht, dass<br />

Korruption das wichtigste Hin<strong>der</strong>nis für ausländische Investitionen darstellt.<br />

Im April <strong>2003</strong> ratifizierte das Parlament das Zivilrechts<strong>über</strong>einkommen des Europarates<br />

<strong>über</strong> Korruption und bereitete so den Weg für <strong>die</strong> Teilnahme <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> an <strong>der</strong> Gruppe<br />

von Staaten gegen Korruption (GRECO), <strong>die</strong> <strong>die</strong> Einhaltung <strong>der</strong> europäischen Standards<br />

zur Korruptionsbekämpfung <strong>über</strong>wacht.<br />

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