2003 Regelmäßiger Bericht über die Fortschritte der Türkei auf dem ...

2003 Regelmäßiger Bericht über die Fortschritte der Türkei auf dem ... 2003 Regelmäßiger Bericht über die Fortschritte der Türkei auf dem ...

10.03.2013 Aufrufe

Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle festgestellt hat. Die Änderungen sehen nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine einjährige Frist für die Einreichung eines Berufungsantrags vor. (siehe Abschnitt B.1.3 – Menschenrechte und Minderheitenschutz unter "Bürgerliche und politische Rechte") Das Strafregistersystem wurde mit Artikel 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes in Einklang gebracht. Das Strafregister von Kindern unter 18 Jahren kann nun der Staatsanwaltschaft nur unter strengen Auflagen zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Gesetz über Jugendgerichte wurde das Alter für die Behandlung der Fälle von Jugendlichen vor Jugendgerichten von 15 auf 18 Jahre heraufgesetzt. Das System der Notifizierung von Gerichtsurteilen und -entscheidungen wurde gestärkt, um sicherzustellen, dass angeklagte oder verurteilte Personen ordnungsgemäß unterrichtet werden. Das Gesetz über das Institut für Gerichtsmedizin wurde geändert, um die Gerichtsverfahren zu beschleunigen. Eine Aufgabe des Instituts für Gerichtsmedizin ist es, Personen, die behaupten in Polizeigewahrsam misshandelt worden zu sein, ärztlich zu untersuchen, um den Wahrheitsgehalt der Aussagen zu prüfen. Die Verwaltungskapazitäten in diesem Bereich wurden gestärkt und im Haushalt wurde die Einstellung zusätzlichen Personals vorgesehen. Ferner sehen die Änderungen die Einrichtung gerichtsmedizinischer Direktorate in allen Strafgerichtsbezirken vor. Außerdem wurden drei neue Direktorate für Gerichtsmedizin eingerichtet und technisch neu ausgestattet. Die Bedingungen in vielen gerichtsmedizinischen Untersuchungsräumen bei Gerichten jedoch sind nach wie vor unangemessen. Das Gesetz über die Einrichtung von und Gerichtsverfahren vor Militärgerichten wurde geändert, um die Gerichtsbarkeit des Militärs über Zivilisten zu begrenzen und das militärische Verfahrensgesetzbuch an die Reformen früherer Pakete in Bezug auf die Meinungsfreiheit anzupassen. Folglich urteilen Militärgerichte nicht länger über Zivilisten und auch nicht über Jugendliche, denen vorgeworfen wird, nach Artikel 58 Strafgesetzbuch "Soldaten zu Meuterei und Ungehorsam aufzuwiegeln, die Öffentlichkeit vor militärischen Pflichten abzuschrecken und die nationale Verteidigung zu untergraben". Was die Arbeitsweise der Justiz betrifft, so stehen Richter und Staatsanwaltschaft vor einem großen Rückstand unbearbeiteter Fälle. Die Verfahrensdauer vor Staatssicherheitsgerichten hat sich geringfügig erhöht. Bei Jugendgerichten hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer verringert, liegt aber immer noch höher als bei anderen Strafgerichten. Die überwältigende Arbeitsbelastung der Gerichte mit Fällen gestattet nicht genügend Zeit für Anhörungen und führt zu einer unangemessenen Lektüre der Fallakten, was wiederum Auswirkungen auf die Rechte der Verteidigung hat. Die Anzahl der Richter und Staatsanwälte in der Türkei stieg im Berichtszeitraum von 9020 auf 9162. Das Projekt des Nationalen Justiznetzes zur Entwicklung eines Datenverarbeitungsprogramms ist weiter vorangeschritten. Die Einrichtung der Infrastruktur und der Software in den meisten Provinzeinheiten des Landes wurde fertiggestellt und die Zusammenschaltung mit dem zentralstaatlichen Ministerium in 22

Ankara ist erfolgt. Mit dem Projekt soll die Automatisierung aller Provinzeinheiten bis Ende 2003 abgeschlossen sein. Offiziellen Zahlen zufolge wurden 2002 und 2003 1132 Richter und Staatsanwälte in der Anwendung des im November 2001 verabschiedeten neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs geschult, 731 in der Harmonisierung der Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht, 4594 in Menschenrechten, 350 in gerichtsmedizinischen Anwendungen und 519 in Strafsachen und Menschenrechten. Daneben fanden zahlreiche kleinere Schulungsmaßnahmen in anderen Fachgebieten wie internationales Asylrecht statt. Zur Ausbildung der Richter und Staatsanwälte sowie anderer Justizbeamte wie Notare wurde eine Justizakademie gegründet. Seit Oktober 2002 fanden in verschiedenen Städten sechs Schulungen zur Umsetzung der "Reformpakete" statt, an denen rund 1100 Richter und Staatsanwälte teilgenommen haben. Das Justizministerium hat einen Leitfaden mit der türkischen Übersetzung des Fallrechts des EGMR veröffentlicht und an Richter und Staatsanwälte verteilt. Darüber hinaus werden alle Entscheidungen des EGMR auf der offiziellen Webseite des Justizministeriums zur Verfügung gestellt. Die Justiz spielt bei der Umsetzung politischer Reformen eine wichtige Rolle. Die Gerichte haben mit der Anwendung der Reformen begonnen. Die gegen Einzelpersonen gemäß Artikel 312 (Anstachelung zu rassischer, ethnischer oder religiöser Zwietracht) und Artikel 159 (Verunglimpfung staatlicher Institutionen) eröffneten Verfahren endeten in der Regel mit Freispruch. Die Gericht haben begonnen, Urteile gegen gemäß Artikel 8 Antiterrorgesetz verurteilte Personen zu überprüfen und ihre Entlassung aus der Haft anzuordnen. Außerdem haben die Gerichte begonnen, Urteile gegen gemäß dem inzwischen geänderten Artikel 169 des türkischen Strafgesetzbuchs verurteilte Personen zu überprüfen und gegebenenfalls ihre Entlassung aus der Haft anzuordnen. Es gibt jedoch noch immer Anzeichen für eine uneinheitliche Anwendung des Strafgesetzbuchs bei Fällen im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit, wie der umfassende Rückgriff auf Artikel 312 und 169 Strafgesetzbuch und Artikel 7 Antiterrorgesetz zeigt. (siehe Abschnitt B.1.3 – Menschenrechte und Minderheitenschutz - Bürgerliche und politische Rechte). Wie schon im letzten Jahr gab es keine Fortschritte im Hinblick auf die Einrichtung von Berufungsgerichten auf mittlerer Ebene, obwohl entsprechende Gesetzgebung in Vorbereitung ist. Der Oberste Gerichtshof nimmt weiterhin die Aufgaben eines Gerichtshofs zweiter Instanz wahr. Der Oberste Gerichtshof bearbeitet durchschnittlich 500 000 Fälle im Jahr, die normalerweise vor Berufungsgerichten verhandelt würden. Die Einrichtung von Berufungsgerichten würde nicht nur die Geschwindigkeit und Effizienz des Justizwesens erhöhen, sondern wäre auch ein wichtiger Schritt zur Gewährleistung des Rechts auf einen fairen Prozess. Gleichzeitig würde die Einrichtung von Berufungsgerichten die hohe Aufgabenlast des Obersten Gerichtshofs verringern und es ihm ermöglichen, sich stärker seiner Aufgabe der Vereinheitlichung und Klarstellung seiner Präzedenzrechtsprechung zu widmen. Es wird weiterhin berichtet, dass das Justizwesen nicht immer unbefangen und kohärent arbeitet. Der Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz ist in der türkischen Verfassung verankert. In der Praxis jedoch wird ihre Unabhängigkeit durch mehrere andere 23

Ankara ist erfolgt. Mit <strong>dem</strong> Projekt soll <strong>die</strong> Automatisierung aller Provinzeinheiten bis<br />

Ende <strong>2003</strong> abgeschlossen sein.<br />

Offiziellen Zahlen zufolge wurden 2002 und <strong>2003</strong> 1132 Richter und Staatsanwälte in <strong>der</strong><br />

Anwendung des im November 2001 verabschiedeten neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />

geschult, 731 in <strong>der</strong> Harmonisierung <strong>der</strong> Rechtsvorschriften mit <strong>dem</strong> EU-Recht, 4594 in<br />

Menschenrechten, 350 in gerichtsmedizinischen Anwendungen und 519 in Strafsachen<br />

und Menschenrechten. Daneben fanden zahlreiche kleinere Schulungsmaßnahmen in<br />

an<strong>der</strong>en Fachgebieten wie internationales Asylrecht statt. Zur Ausbildung <strong>der</strong> Richter<br />

und Staatsanwälte sowie an<strong>der</strong>er Justizbeamte wie Notare wurde eine Justizaka<strong>dem</strong>ie<br />

gegründet.<br />

Seit Oktober 2002 fanden in verschiedenen Städten sechs Schulungen zur Umsetzung <strong>der</strong><br />

"Reformpakete" statt, an denen rund 1100 Richter und Staatsanwälte teilgenommen<br />

haben.<br />

Das Justizministerium hat einen Leitfaden mit <strong>der</strong> türkischen Übersetzung des Fallrechts<br />

des EGMR veröffentlicht und an Richter und Staatsanwälte verteilt. Dar<strong>über</strong> hinaus<br />

werden alle Entscheidungen des EGMR <strong>auf</strong> <strong>der</strong> offiziellen Webseite des<br />

Justizministeriums zur Verfügung gestellt.<br />

Die Justiz spielt bei <strong>der</strong> Umsetzung politischer Reformen eine wichtige Rolle. Die<br />

Gerichte haben mit <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> Reformen begonnen. Die gegen Einzelpersonen<br />

gemäß Artikel 312 (Anstachelung zu rassischer, ethnischer o<strong>der</strong> religiöser Zwietracht)<br />

und Artikel 159 (Verunglimpfung staatlicher Institutionen) eröffneten Verfahren endeten<br />

in <strong>der</strong> Regel mit Freispruch. Die Gericht haben begonnen, Urteile gegen gemäß Artikel 8<br />

Antiterrorgesetz verurteilte Personen zu <strong>über</strong>prüfen und ihre Entlassung aus <strong>der</strong> Haft<br />

anzuordnen. Außer<strong>dem</strong> haben <strong>die</strong> Gerichte begonnen, Urteile gegen gemäß <strong>dem</strong><br />

inzwischen geän<strong>der</strong>ten Artikel 169 des türkischen Strafgesetzbuchs verurteilte Personen<br />

zu <strong>über</strong>prüfen und gegebenenfalls ihre Entlassung aus <strong>der</strong> Haft anzuordnen.<br />

Es gibt jedoch noch immer Anzeichen für eine uneinheitliche Anwendung des<br />

Strafgesetzbuchs bei Fällen im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Meinungsfreiheit, wie <strong>der</strong><br />

umfassende Rückgriff <strong>auf</strong> Artikel 312 und 169 Strafgesetzbuch und Artikel 7<br />

Antiterrorgesetz zeigt. (siehe Abschnitt B.1.3 – Menschenrechte und Min<strong>der</strong>heitenschutz<br />

- Bürgerliche und politische Rechte).<br />

Wie schon im letzten Jahr gab es keine <strong>Fortschritte</strong> im Hinblick <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Einrichtung von<br />

Berufungsgerichten <strong>auf</strong> mittlerer Ebene, obwohl entsprechende Gesetzgebung in<br />

Vorbereitung ist. Der Oberste Gerichtshof nimmt weiterhin <strong>die</strong> Aufgaben eines<br />

Gerichtshofs zweiter Instanz wahr. Der Oberste Gerichtshof bearbeitet durchschnittlich<br />

500 000 Fälle im Jahr, <strong>die</strong> normalerweise vor Berufungsgerichten verhandelt würden.<br />

Die Einrichtung von Berufungsgerichten würde nicht nur <strong>die</strong> Geschwindigkeit und<br />

Effizienz des Justizwesens erhöhen, son<strong>der</strong>n wäre auch ein wichtiger Schritt zur<br />

Gewährleistung des Rechts <strong>auf</strong> einen fairen Prozess. Gleichzeitig würde <strong>die</strong> Einrichtung<br />

von Berufungsgerichten <strong>die</strong> hohe Aufgabenlast des Obersten Gerichtshofs verringern und<br />

es ihm ermöglichen, sich stärker seiner Aufgabe <strong>der</strong> Vereinheitlichung und Klarstellung<br />

seiner Präzedenzrechtsprechung zu widmen.<br />

Es wird weiterhin berichtet, dass das Justizwesen nicht immer unbefangen und kohärent<br />

arbeitet. Der Grundsatz <strong>der</strong> Unabhängigkeit <strong>der</strong> Justiz ist in <strong>der</strong> türkischen Verfassung<br />

verankert. In <strong>der</strong> Praxis jedoch wird ihre Unabhängigkeit durch mehrere an<strong>der</strong>e<br />

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