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Brüssel, den 8.11.2006<br />

ARBEITSDOKUMENT <strong>DE</strong>R KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN<br />

Türkei Fortschrittsbericht 2006<br />

<strong>DE</strong> <strong>DE</strong>


INHALTSVERZEICHNIS<br />

1. Einleitung ..................................................................................................................... 4<br />

1.1. Vorbemerkung.............................................................................................................. 4<br />

1.2. Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei..................................................... 5<br />

2. Verstärkter politischer Dialog und politische Kriterien............................................... 5<br />

2.1. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit............................................................................. 5<br />

2.2. Menschenrechte und Minderheitenschutz.................................................................. 12<br />

2.3. Regionale Fragen und internationale Verpflichtungen .............................................. 26<br />

3. Wirtschaftliche Kriterien............................................................................................ 28<br />

3.1. Einleitung ................................................................................................................... 28<br />

3.2. Bewertung anhand der Kopenhagener Kriterien........................................................ 28<br />

3.2.1. Funktionierende Marktwirtschaft............................................................................... 28<br />

3.2.2. Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union<br />

standzuhalten.............................................................................................................. 32<br />

4. Fähigkeit zur Erfüllung der aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen 35<br />

4.1. Kapitel 1: Freier Warenverkehr ................................................................................. 37<br />

4.2. Kapitel 2: Freizügigkeit der Arbeitnehmer ................................................................ 39<br />

4.3. Kapitel 3: Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr............................ 39<br />

4.4. Kapitel 4: Freier Kapitalverkehr ................................................................................ 40<br />

4.5. Kapitel 5: Öffentliches Beschaffungswesen .............................................................. 41<br />

4.6. Kapitel 6: Gesellschaftsrecht...................................................................................... 42<br />

4.7. Kapitel 7: Rechte an geistigem Eigentum.................................................................. 44<br />

4.8. Kapitel 8: Wettbewerbspolitik ................................................................................... 45<br />

4.9. Kapitel 9: Finanzdienstleistungen.............................................................................. 46<br />

4.10. Kapitel 10: Informationsgesellschaft und Medien ..................................................... 48<br />

4.11. Kapitel 11: Landwirtschaft......................................................................................... 50<br />

4.12. Kapitel 12: Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit ........................... 51<br />

4.13. Kapitel 13: Fischerei .................................................................................................. 53<br />

4.14. Kapitel 14: Verkehrspolitik........................................................................................ 54<br />

4.15. Kapitel 15: Energie .................................................................................................... 56<br />

4.16. Kapitel 16: Steuern..................................................................................................... 57<br />

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4.17. Kapitel 17: Wirtschafts- und Währungsunion............................................................ 58<br />

4.18. Kapitel 18: Statistik.................................................................................................... 59<br />

4.19. Kapitel 19: Beschäftigung und Soziales .................................................................... 60<br />

4.20. Kapitel 20: Unternehmens- und Industriepolitik........................................................ 62<br />

4.21. Kapitel 21: Transeuropäische Netze .......................................................................... 63<br />

4.22. Kapitel 22: Regionalpolitik und Koordinierung der strukturpolitischen Instrumente64<br />

4.23. Kapitel 23: Justiz und Grundrechte............................................................................ 66<br />

4.24. Kapitel 24: Recht, Freiheit und Sicherheit................................................................. 71<br />

4.25. Kapitel 25: Wissenschaft und Forschung................................................................... 75<br />

4.26. Kapitel 26: Bildung und Kultur.................................................................................. 76<br />

4.27. Kapitel 27: Umwelt.................................................................................................... 77<br />

4.28. Kapitel 28: Verbraucher- und Gesundheitsschutz...................................................... 79<br />

4.29. Kapitel 29: Zollunion ................................................................................................. 80<br />

4.30. Kapitel 30: Außenbeziehungen.................................................................................. 81<br />

4.31. Kapitel 31: Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik....................................... 82<br />

4.32. Kapitel 32: Finanzkontrolle........................................................................................ 85<br />

4.33. Kapitel 33: Finanz- und Haushaltsbestimmungen ..................................................... 86<br />

STATISTISCHER ANHANG<br />

<strong>DE</strong> 3 <strong>DE</strong>


1. EINLEITUNG<br />

ARBEITSDOKUMENT <strong>DE</strong>R KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN<br />

1.1. Vorbemerkung<br />

Türkei Fortschrittsbericht 2006<br />

Die Kommission erstattet auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates<br />

Luxemburg) vom Dezember 1997 dem Rat und dem Parlament regelmäßig Bericht.<br />

Der vorliegende Bericht über die von der Türkei bei der Vorbereitung auf eine EU-<br />

Mitgliedschaft erzielten Fortschritte folgt in seiner Gliederung dem seit Jahren für Berichte<br />

dieser Art üblichen Schema und enthält somit:<br />

– einen kurze Darstellung der Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen<br />

Union,<br />

– eine Prüfung der Lage in der Türkei anhand der eine Mitgliedschaft bedingenden<br />

politischen Kriterien,<br />

– eine Prüfung der Lage in der Türkei anhand der eine Mitgliedschaft bedingenden<br />

wirtschaftlichen Kriterien,<br />

– eine Bewertung der Fähigkeit der Türkei, die aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden<br />

Verpflichtungen, d.h. den Besitzstand - die Verträge, das Sekundarrecht und die sektorale<br />

Politik der Union – zu übernehmen.<br />

Der Berichtszeitraum reicht vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006. Die<br />

Fortschritte werden anhand gefasster Beschlüsse, verabschiedeter Rechtsvorschriften und<br />

umgesetzter Maßnahmen gemessen. Rechtsvorschriften und Maßnahmen, die sich in<br />

Vorbereitung befinden bzw. dem Parlament zur Annahme vorliegen, bleiben grundsätzlich<br />

unberücksichtigt. Dieses Vorgehen gewährleistet die methodische Einheitlichkeit sämtlicher<br />

Berichte und lässt eine objektive Bewertung zu.<br />

Dieser Bericht beruht auf Informationen, die die Kommission zusammengestellt und überprüft<br />

hat. Als Quelle für zahlreiche weitere Informationen dienten u.a. Beiträge der türkischen<br />

Regierung und der Mitgliedstaaten einschließlich Berichte des Europäischen Parlaments 1<br />

sowie verschiedene internationale und regierungsunabhängige Organisationen.<br />

Die Kommission legt ihre Schlussfolgerungen bezüglich der Türkei in einer gesonderten<br />

Mitteilung zur Erweiterung vor 2 , die anhand der technischen Bewertungen dieses Berichts<br />

erstellt wird.<br />

1 Berichterstatter für die Türkei: C. Eurlings.<br />

2 Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen für den Zeitraum 2006 – 2007.<br />

<strong>DE</strong> 4 <strong>DE</strong>


1.2. Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei<br />

Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden im Oktober 2005 aufgenommen. Die<br />

analytische Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands ("Screening") wurde als erste<br />

Phase des Beitrittsprozesses im Oktober 2006 abgeschlossen. Die Verhandlungen zum Kapitel<br />

Wissenschaft und Forschung wurden bereits eingeleitet und im Juni vorläufig abgeschlossen.<br />

Der verstärkte politische Dialog wurde unter britischem, österreichischem und finnischen<br />

Ratsvorsitz fortgesetzt.<br />

Das Assoziationsabkommen wird weiterhin zufrieden stellend umgesetzt.<br />

Der Handel zwischen der Gemeinschaft und der Türkei nahm im Rahmen der Zollunion<br />

weiter zu und erreichte im Jahr 2005 ein Volumen von 75 Mrd. EUR. Die EU forderte die<br />

Türkei bei allen sich bietenden Gelegenheiten auf, sämtliche Beschränkungen des freien<br />

Warenverkehrs, einschließlich der Beschränkungen im Bereich der Transportmittel im<br />

Hinblick auf die Republik Zypern, aufzuheben. Darüber hinaus werden noch weitere<br />

Verpflichtungen bislang nicht von der Türkei erfüllt. Dies gilt für die Bereiche technische<br />

Handelshemmnisse, Einfuhrlizenzen, staatliche Beihilfen, Rechte an geistigem Eigentum<br />

sowie für weitere diskriminierende Bestimmungen. Als positiver Schritt ist jedoch zu werten,<br />

dass ein Teil der verbindlichen Normen abgeschafft wurde. Die EU hofft, dass die<br />

Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion im Bereich öffentliches<br />

Beschaffungswesen und Dienstleistungen bald wieder aufgenommen werden können. Im<br />

Handelssektor wurden im September die Verhandlungen über landwirtschaftliche<br />

Verarbeitungserzeugnisse abgeschlossen. Ziel dieser Verhandlungen war es, den<br />

Marktzugang zu verbessern und die Bestimmungen der Zollunion mit der 2004 erfolgten EU-<br />

Erweiterung in Einklang zu bringen. Hinsichtlich des von der Türkei seit längerem verhängten<br />

Einfuhrverbots für lebende Rinder, Rindfleisch und andere tierische Erzeugnisse sind keine<br />

Fortschritte erzielt worden.<br />

Im Januar 2006 wurde die überarbeitete Beitrittspartnerschaft verabschiedet, die die<br />

Prioritäten setzt, die die Türkei im Zuge ihrer Vorbereitungen auf den Beitritt kurz- und<br />

mittelfristig verwirklichen muss.<br />

Die im Hinblick auf den Beitritt von der Gemeinschaft geleistete Finanzhilfe beläuft sich für<br />

2006 auf 500 Mio. EUR. Das Gesamtvolumen der EIB-Darlehen für die Türkei beträgt 4,2<br />

Mrd. EUR.<br />

2. VERSTÄRKTER POLITISCHER DIALOG UND POLITISCHE KRITERIEN<br />

In diesem Abschnitt werden die Fortschritte einer Prüfung unterzogen, die die Türkei in<br />

Bezug auf die Erfüllung der in Kopenhagen aufgestellten politischen Beitrittskriterien erzielt<br />

hat, denen zufolge institutionelle Stabilität als Garant für eine demokratische und<br />

rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von<br />

Minderheiten gewährleistet sein muss. Ferner werden hier die Einhaltung internationaler<br />

Verpflichtungen, die Zusammenarbeit mit den Staaten der Region und der Stand der<br />

gutnachbarlichen Beziehungen bewertet.<br />

2.1. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit<br />

Parlament<br />

<strong>DE</strong> 5 <strong>DE</strong>


Die Große Türkische Nationalversammlung, in der sechs Parteien vertreten sind, hat<br />

insgesamt 148 der 429 Gesetzesvorlagen, die seit Oktober 2005 im Parlament eingebracht<br />

wurden, verabschiedet. Die nächsten Wahlen sind für November 2007 angesetzt.<br />

Der EU-Harmonisierungsausschuss und der Menschenrechtsausschuss spielten während des<br />

gesamten Berichtszeitraums eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Fragen, die für die<br />

politischen Kriterien von Kopenhagen relevant sind (zum Menschenrechtsausschuss s.<br />

Abschnitt "Menschenrechte").<br />

In der Öffentlichkeit wurde eine Debatte darüber geführt, ob die Wahlrechtsbestimmung, der<br />

zufolge politische Parteien landesweit mindestens 10% der Stimmen erreichen müssen, um<br />

ins Parlament einziehen zu können, geändert werden sollte.<br />

Im Juni legte die Regierung ein neues Reformpaket vor, das Maßnahmen in einer Reihe von<br />

für die politischen Kriterien von Kopenhagen relevanten Bereichen vorsieht. Das Parlament<br />

verabschiedete mehrere die politischen Kriterien betreffende Gesetze.<br />

Einige der im Reformpaket der Regierung enthaltenen Gesetzesvorlagen waren zum Ende des<br />

Berichtszeitraums jedoch noch nicht verabschiedet.<br />

Angesichts der Eskalation terroristischer Gewalttaten wurden im Juni 2006 Änderungen des<br />

Antiterrorgesetzes verabschiedet. In den neuen Vorschriften wurde die Liste terroristischer<br />

Straftaten erweitert und an einer weit gefassten Definition von "Terrorismus" festgehalten.<br />

Das Gesetz ermöglicht rechtliche Beschränkungen der Meinungs-, Presse- und<br />

Medienfreiheit 3 . Im August beantragte Staatspräsident Sezer beim Verfassungsgericht die<br />

Aufhebung der Artikel 5 und 6, die die genannten Beschränkungen vorsehen. Das neue<br />

Antiterrorgesetz senkt auch die Verfahrensgarantien für Personen herab, die terroristischer<br />

Straftaten beschuldigt werden. So kann der Zugang zu einem Anwalt über einen Zeitraum von<br />

24 Stunden hinweg verweigert werden und unter bestimmten Umständen ist es<br />

Sicherheitsbeamten erlaubt, Gesprächen zwischen Verdächtigen und ihren Anwälten<br />

beizuwohnen. Noch Dienst tuenden und ehemaligen Staatsbediensteten hingegen wird<br />

hinsichtlich der Rechte der Verteidigung eine andere Behandlung zugestanden. Außerdem<br />

wird ihnen größerer Ermessensspielraum beim Gebrauch von Schusswaffen gewährt.<br />

Regierung<br />

Die seit November 2002 amtierende Regierung hat ihre Entschlossenheit, den EU-<br />

Beitrittsprozess fortzusetzen, wiederholt bekräftigt. Mit dieser Motivation wurde von der<br />

Regierung im Juni ein neues Reformpaket vorgelegt (s. Abschnitt "Parlament").<br />

Im Oktober 2005 stellte der Chefunterhändler für die Beitrittsverhandlungen mit der EU die<br />

Struktur des Verhandlungsteams vor, dessen Leitung dem Außenminister übertragen wurde.<br />

In die Zuständigkeit des Chefunterhändlers fallen die Steuerung und Umsetzung der<br />

beitrittsbezogenen Arbeiten. Es wurde ein Monitoring- und Lenkungsausschuss eingerichtet,<br />

3 Das neue Gesetz sieht eine Verschärfung der Strafen für "terroristische Propaganda" und<br />

"Verherrlichung" von Terrorismus" vor. Die darin vorgenommene Definition dieser Straftaten steht<br />

jedoch nicht mit der Übereinkommen des Europarats zur Verhütung von Terrorismus (SEV Nr. 196) in<br />

Einklang. Die Presse- und die Medienfreiheit könnten durch Bestimmungen untergraben werden, die<br />

Publikationsverbote für Zeitschriften ermöglichen und Chefredakteure und Eigentümer von Presse- und<br />

Medienunternehmen für die Veröffentlichung terroristischer Propaganda oder die Verherrlichung von<br />

Terrorismus in Presse- oder Medienorganen haftbar machen.<br />

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dem der Generalsekretär für EU-Angelegenheiten, der Unterstaatssekretär im<br />

Außenministerium, der Unterstaatsekretär der Staatlichen Planungsorganisation, der<br />

Unterstaatsekretär im Amt des Premierministers und der Ständige Vertreter der Türkei bei der<br />

EU angehören.<br />

Das Generalsekretariat für EU-Angelegenheiten (EUSG) hat Koordinierungsaufgaben<br />

übernommen, namentlich bei der Angleichung der für die politischen Kriterien relevanten<br />

Rechtvorschriften und bei der finanziellen Zusammenarbeit und seit dem 3. Oktober auch im<br />

Zusammenhang mit dem Screening und den Verhandlungen über einzelne Kapitel des<br />

Besitzstands.<br />

Allerdings müssen angesichts der deutlichen Ausweitung der Zuständigkeiten des EUSG auch<br />

dessen Personal und Mittelausstattung entsprechend aufgestockt werden. In dieser Hinsicht<br />

wurde bislang zu wenig unternommen.<br />

Öffentliche Verwaltung<br />

Das Parlament hat das Gesetz zur Schaffung des Amtes eines Ombudsmanns verabschiedet.<br />

Der Ombudsmann wird Verwaltungsmaßnahmen betreffende Eingaben nachgehen, die von<br />

natürlichen und rechtlichen Personen gemacht wurden. Die Schaffung dieses Amtes gehört zu<br />

den Prioritäten der Beitrittspartnerschaft und bedeutet einen wichtigen Fortschritt, da damit<br />

die institutionellen Voraussetzungen für eine Kontrolle der öffentlichen Verwaltung durch die<br />

Bürger der Türkei geschaffen werden.<br />

Im November 2005 wurde die Verfassung geändert, um der im Gesetz über die öffentliche<br />

Finanzverwaltung und Finanzkontrolle enthaltenen erweiterten Definition des<br />

Staatshaushaltes Rechnung zu tragen. Dem Staatshaushalt werden jetzt neben den aus dem<br />

Gesamthaushaltsplan finanzierten Einrichtungen auch die aus Sonderhaushalten finanzierten<br />

Einrichtungen sowie die Haushalte von Regulierungsbehörden und<br />

Sozialversicherungsträgern zugerechnet.<br />

Die Türkei hat einige Fortschritte bei der Verbesserung der Rechtssetzung erzielt. Im Februar<br />

2006 nahm die Regierung eine Verordnung an, mit der Folgenabschätzungen zu<br />

Gesetzesvorhaben (Regulatory Impact Assesment – RIA) in das türkische Rechtssystem<br />

eingeführt werden. Diese RIA dürften der Türkei auch die Bewältigung der<br />

Beitrittsverhandlungen erleichtern.<br />

Eine Reihe von Punkten bedarf jedoch weiterer Aufmerksamkeit. So muss das Gesetz über<br />

die öffentliche Finanzverwaltung und Finanzkontrolle in vollem Umgang umgesetzt werden.<br />

Ferner müssen die institutionellen Kapazitäten für die Durchführung von<br />

Folgenabschätzungen zu Gesetzesvorhaben ausgebaut werden.<br />

Hinsichtlich der Verabschiedung des Rahmengesetzes für die öffentliche Verwaltung, gegen<br />

das der Staatspräsident 2004 sein Veto eingelegt hatte, wurden keine Fortschritte erzielt. Dies<br />

behinderte die Übertragung von Zuständigkeiten von der Zentralregierung auf die lokalen<br />

Gebietskörperschaften. Auch die steuerliche Dezentralisierung wurde nicht verwirklicht. Bei<br />

der Schaffung von Stadtbeiräten wurden keine Fortschritte erzielt.<br />

Im Juni 2006 wurde das Gesetz über Zusammenschlüsse lokaler Gebietskörperschaften<br />

geändert, das Dörfern, Gemeinden und besonderen Provinzverwaltungen gestattet,<br />

gemeinsame Projekte durchzuführen. Aufgrund der Gesetzesänderung unterliegen die<br />

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Ausgaben und Etats dieser gemeinsamen Projekte nicht mehr den Rechnungsprüfungen des<br />

Rechnungshofes, was den Grundsätzen der externen Rechnungsprüfung widerspricht.<br />

Bei der Novellierung des Beamtengesetzes sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Im Zuge<br />

seiner Neufassung soll ein Teil der bestehenden Vorschriften aufgehoben und ein stärker an<br />

den Verwaltungserfordernissen orientiertes Rechtsinstrument geschaffen werden.<br />

Ingesamt gesehen wurden bei den Rechtsvorschriften für die Reform der öffentlichen<br />

Verwaltung einige Fortschritte erzielt. Die Umsetzung der in den vergangenen Jahren<br />

beschlossenen Reformen wurde fortgeführt. Im Bereich Dezentralisierung sind weitere<br />

Anstrengungen erforderlich.<br />

Beziehungen zwischen Zivilsphäre und Militär<br />

Hinsichtlich der Einschränkung der Strafverfolgung von Zivilisten durch Militärgerichte<br />

wurden Fortschritte erzielt. Das im Juni 2006 verabschiedete Gesetz zur Änderung der<br />

einschlägigen Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuches sieht vor, dass Zivilisten in<br />

Friedenszeiten nicht mehr vor Militärgerichte gestellt werden können, außer in Fällen, in<br />

denen Angehörige der Streitkräfte und Zivilisten gemeinsam eine Straftat begangenen haben.<br />

Das neue Gesetz führt darüber hinaus das Recht auf Berufung vor Militärgerichten ein. Somit<br />

können Angehörige der Streitkräfte oder Zivilisten, die von einem Militärgericht verurteilt<br />

worden sind, z.B. Berufung gegen dieses Urteil einlegen, wenn der Europäische Gerichtshof<br />

für Menschenrechte (EGMR) eine Entscheidung zu ihren Gunsten gefällt hat.<br />

Der Nationale Sicherheitsrat (NSR) trat weiterhin alle zwei Monate zusammen, wie dies bei<br />

der Neufestlegung seiner Rolle vorgesehen wurde. Der NSR erörterte innen- und<br />

außenpolitische Themen u.a. in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, innere Sicherheit,<br />

Sicherheit der Energieversorgung, Migration, Wasserpolitik und Außenhilfe. Der NSR hat der<br />

Regierung Berichte vorgelegt, die auch Empfehlungen enthielten.<br />

Eines dieser Dokumente, die im November 2005 von der Regierung verabschiedete geänderte<br />

nationale Sicherheitsstrategie, wurde als Verschlusssache nicht im Parlament erörtert.<br />

Die Streitkräfte haben weiterhin erheblichen politischen Einfluss ausgeübt. Hochrangige<br />

Armeeangehörige haben sich öffentlich zu innen- und außenpolitischen Angelegenheiten<br />

geäußert, wie etwa zu Zypern, zum Laizismus, zur Kurdenfrage und zur Anklageerhebung im<br />

Falle des Bombenanschlags von Şemdinli.<br />

Das Innendienstgesetz der Türkische Streitkräfte, das Rolle und Aufgaben der türkischen<br />

Streitkräfte festlegt und Artikel enthält, die dem Militär einen weiten Handlungsspielraum<br />

verleihen, wurde nach wie vor nicht geändert. Unverändert geblieben ist auch - wie bereits im<br />

Vorjahresbericht angemerkt - Artikel 2 a des Gesetzes über den Nationalen Sicherheitsrat, in<br />

dem der Begriff „nationale Sicherheit“ überaus weit definiert wird. Es wurden keine<br />

Maßnahmen zur Stärkung der zivilen Kontrolle über die Gendarmerie getroffen. Diese ist Teil<br />

der Armee und dem Generalstab zugeordnet, untersteht jedoch hinsichtlich ihrer<br />

Vollzugsaufgaben dem Innenministerium.<br />

Im März brachte der Entwurf des Berichts des parlamentarischen Untersuchungsausschusses<br />

zu den Ereignissen in Şemdinli die Existenz eines Geheimprotokolls über die Einheiten für<br />

Sicherheit, öffentliche Ordnung und Zusammenarbeit (die so genannten "EMASYA") zu<br />

Tage. Das im Jahr 1997 zwischen dem Generalstab und dem Innenministerium unterzeichnete<br />

„Emasya“-Protokoll erlaubt, dass aus Gründen der inneren Sicherheit unter bestimmten<br />

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Bedingungen Militäroperationen auch ohne entsprechende Anordnung der zivilen Behörden<br />

durchgeführt werden. Das Protokoll gestattet dem Militär zudem, zur Abwehr von Gefahren<br />

für die innere Sicherheit Informationen zu sammeln.<br />

Die Umsetzung der in den Vorjahren beschlossenen Reformen im Bereich der<br />

Verteidigungsausgaben wurde eingeleitet. Die Haushaltsmittel für den Nachrichtendienst, den<br />

Nationalen Sicherheitsrat sowie der Verwaltungshaushalt des für die Verteidigungsindustrie<br />

zuständigen Unterstaatssekretariats wurden in den Gesamthaushaltsplan 2006 einbezogen. Die<br />

meisten Beschaffungsvorhaben werden jedoch aus außerbudgetären Mittel finanziert.<br />

Bei der parlamentarischen Kontrolle des Verteidigungshaushalts und der<br />

Verteidigungsausgaben sind keine weiteren Fortschritte zu verzeichnen. Der Planungs- und<br />

Haushaltsauschuss des Parlaments prüft den Verteidigungshaushalt zwar ganz allgemein,<br />

nicht jedoch die einzelnen Programme und Projekte. Zudem unterliegen die außerbudgetären<br />

Mittel nicht der parlamentarischen Kontrolle.<br />

Da noch keine Durchführungsvorschriften zum Gesetz über Verwaltung und Kontrolle der<br />

öffentlichen Finanzen erlassen wurden, unterblieb bisher auch eine interne Rechnungsprüfung<br />

des militärischen Eigentums. Gemäß Artikel 160 der Verfassung kann der Rechnungshof<br />

zwar Ex-post-Kontrollen der Verteidigungsausgaben durchführen, doch aufgrund der<br />

fehlenden Durchführungsvorschriften kann er diesen Aufgaben nicht nachkommen.<br />

Ingesamt wurden bei der Gestaltung der Beziehungen zwischen Zivilsphäre und Militär nach<br />

dem Vorbild der EU-Praxis nur begrenzte Fortschritte erzielt. Die Streitkräfte sollten sich bei<br />

ihren Erklärungen auf militärische Aspekte sowie Verteidigungs- und Sicherheitsfragen<br />

beschränken und derartige Erklärungen nur mit Zustimmung der zivilen Behörden abgeben.<br />

Die zivilen Behörden ihrerseits sollten ihre Überwachungsaufgaben in vollem Umfang<br />

wahrnehmen, insbesondere was die Formulierung der nationalen Sicherheitsstrategie und<br />

deren Umsetzung anbelangt, einschließlich im Hinblick auf die Beziehungen zu den<br />

Nachbarländern.<br />

Justizwesen<br />

Die Tätigkeit der Behörden konzentrierte sich auf die Umsetzung des neuen<br />

Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Gesetzes über die Vollstreckung von<br />

Urteilen, nachdem diese Gesetze 2005 in Kraft getreten sind.<br />

In diesem Zusammenhang aktualisierte das Justizministerium alle vorhandenen<br />

Rundschreiben, die im Januar 2006 durch etwa 100 neue, überwiegend an die<br />

Staatsanwaltschaften gerichtete Rundschreiben ersetzt wurden. Damit sollte mehr Klarheit<br />

und ein überschaubarer Rahmen für die Umsetzung der neuen Strafprozessordnung und des<br />

Gesetzes über die Vollstreckung von Urteilen geschaffen werden. Besondere Bedeutung<br />

kommt dem Rundschreiben zur Umsetzung der Rechtsvorschriften über Verhaftung, Haft und<br />

Aufnahme von Aussagen zu, in dem auch auf die Verhinderung von<br />

Menschenrechtsverletzungen in diesem Kontext eingegangen wird. In dem Rundschreiben<br />

wird hervorgehoben, dass die Staatsanwälte verpflichtet sind, sich durch regelmäßige Besuche<br />

in den Haftanstalten über die Haftbedingungen von Inhaftierten zu informieren. Gemäß dem<br />

Rundschreiben müssen die Staatsanwälte zudem dem Justizministerium regelmäßig über die<br />

Umsetzung der Bestimmungen seitens der Strafverfolgungsbehörden Bericht erstatten.<br />

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Im November 2005 und. im Januar 2006 gaben das Innenministerium bzw. das<br />

Justizministerium jeweils ein Rundschreiben zur genaueren Festlegung der Modalitäten für<br />

die Interaktion zwischen den Staatsanwaltschaften und der Kriminalpolizei heraus.<br />

Die Gerichte haben die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) weiterhin<br />

angewandt.<br />

Im Berichtszeitraum wurden 620 neue Richter eingestellt. Die Schulungsmaßnahmen zur<br />

Gewährleistung der Umsetzung der in den letzten drei Jahren eingeleiteten Reformen wurden<br />

fortgesetzt. Der Haushalt des Justizministeriums wurde aufgestockt und das Programm für<br />

den Aufbau von Gerichten erster Instanz fortgesetzt. Der Aufbau der regionalen<br />

Berufungsgerichte kommt voran.<br />

Allerdings ist noch eine Reihe von Problemen zu bewältigen. So wurden einige<br />

Bestimmungen des Strafgesetzbuches, so insbesondere Artikel 301, herangezogen, um das<br />

Recht auf friedliche Meinungsäußerung zu beschneiden. (s. Abschnitt "Meinungsfreiheit")<br />

In einer Reihe von Fällen zeigte sich, dass Rechtsvorschriften von der Justiz nicht einheitlich<br />

ausgelegt werden.<br />

Was die Anwendung der neuen Strafprozessordnung anbelangt, so hat die Schaffung der<br />

Kriminalpolizei zu Spannungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den<br />

Staatsanwaltschaften geführt. Trotz der beiden Rundschreiben des Innenministeriums und des<br />

Justizministeriums gestaltet sich Berichten der Staatsanwaltschaften zufolge die effektive<br />

Aufsicht über die Kriminalpolizei schwierig.<br />

Die Unabhängigkeit der Justiz wird durch eine Reihe von Bestimmungen der türkischen<br />

Verfassung und türkischer Gesetze gewährleistet. Eine Reihe von Faktoren scheinen diesen<br />

Grundsatz jedoch auszuhöhlen. Richter und Staatsanwälte sind, was die Ausübung ihrer<br />

Verwaltungsaufgaben betrifft, dem Justizministerium unterstellt. Das oberste Aufsichtsorgan<br />

der Justiz, der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte, verfügt weder über ein eigenes<br />

Sekretariat noch über separate Räumlichkeiten und hat auch kein eigenes Budget. Die<br />

Justizinspektoren, die beauftragt sind, die Leistungen der Richter und Staatsanwälte zu<br />

beurteilen, sind nicht dem Hohen Rat, sondern dem Justizministerium unterstellt. Der<br />

Justizminister und der Unterstaatssekretär des Justizministeriums gehören mit je einer Stimme<br />

zu den insgesamt sieben stimmberechtigten Mitgliedern des Hohen Rates. Die anderen fünf<br />

Mitglieder werden aus dem Kreis der Richter des Kassationshofes und des Staatsrates<br />

bestimmt. Diese Zusammensetzung ist allem Anschein nach für die Justiz als Ganzes nicht<br />

repräsentativ, was zusammen mit den oben genannten Punkten dazu führen könnte, dass die<br />

Exekutive auf Beschlüsse über die Laufbahn türkischer Richter Einfluss nimmt, sofern die<br />

Exekutive an den Sitzungen teilnimmt. 4<br />

Zweifel an der Unabhängigkeit des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte wurden im<br />

Anschluss an die im März 2006 erfolgte Veröffentlichung der Anklageschrift zu dem<br />

Bombenanschlag in Şemdlinli laut (s. Abschnitt "Südosten der Türkei"). In dieser<br />

4 Obwohl der Justizminister eigentlich den Vorsitz bei den Sitzungen des Hohen Rates der Richter und<br />

Staatsanwälte führt, nimmt er nur selten an diesen Sitzungen teil. In den vergangenen sechs Jahren<br />

führte der Justizminister mit folgender Häufigkeit den Vorsitz im Hohen Rat: neunmal im Jahr 2001,<br />

elfmal im Jahr 2002, achtmal im Jahr 2004, viermal im Jahr 2005 und zweimal (Stand zum 26.09.2006)<br />

im Jahr 2006.<br />

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Anklageschrift wurden auch Vorwürfe gegen den Oberkommandierenden des Heeres und<br />

andere hochrangige Militärbefehlshaber erhoben. Der Generalstab kritisierte die<br />

Anklageschrift in einer Presseerklärung und forderte die gemäß der Verfassung zuständigen<br />

Instanzen auf, tätig zu werden. Im April prüfte der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte<br />

Vorwürfe, die gegen den für die Anklageschrift zuständigen Staatsanwalt erhoben worden<br />

waren, und verhängte gegen ihn die schärfste der möglichen Disziplinarmaßnahmen, d.h. die<br />

Entfernung aus dem Amt. Im November will der Hohe Rat diesen Fall abschließend prüfen.<br />

Bei der Justizreform sind insgesamt kontinuierliche Fortschritte zu verzeichnen. Allerdings<br />

wurden die neuen Rechtsvorschriften bislang nicht immer mit der erforderlichen Konsequenz<br />

von der Justiz umgesetzt und die Unabhängigkeit der Justiz muss noch mit größerem<br />

Nachdruck durchgesetzt werden.<br />

Weitere Angaben zum Justizwesen sind in Kapitel 23 – „Justiz und Grundrechte“ zu finden.<br />

Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen<br />

Was die Transparenz in der öffentlichen Verwaltung anbelangt, so räumt eine Änderung des<br />

Gesetzes über den Zugang zu Informationen den Bürgern das Recht ein, sämtliche<br />

Entscheidungen anzufechten, in denen staatliche Stellen ein Auskunftsersuchen abgelehnt<br />

haben.<br />

Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum Thema "Erdölschmuggel" bzw. zu den<br />

illegalen öffentlichen Zeichnungsangeboten haben ihre Berichte vorgelegt. In beiden<br />

Berichten wird eine Vielzahl von korrupter Praktika angeprangert. Der erste Fall, in den ein<br />

ehemaliger Finanz- und Staatsminister verwickelt war, hat gravierende wirtschaftliche und<br />

finanzielle Auswirkungen. Die Berichte enthalten Empfehlungen zu unbedingt notwendigen<br />

Maßnahmen der öffentlichen Stellen.<br />

Allerdings ist noch eine Reihe von Problemen zu bewältigen. Trotz der in den vergangenen<br />

Jahren unternommenen Anstrengungen ist die Korruption in der Türkei im öffentlichen Sektor<br />

und in der Justiz nach wie vor ein weit verbreitetes Problem. Die Türkei muss die<br />

gesetzlichen Regelungen für die Parteienfinanzierung und die diesbezüglichen<br />

Rechnungsprüfungen verbessern.<br />

Das weit gefasste Immunitätsrecht der Parlamentsabgeordneten stellt weiterhin ein<br />

erhebliches Problem im Zusammenhang mit der Korruptionsbekämpfung in der Türkei dar.<br />

Die von den Kontrollausschüssen durchgeführten Ermittlungen zu Korruptionsverdachtsfällen<br />

wurden durch die Tatsache behindert, dass Ermittlungen gegen bestimmte Kategorien von<br />

öffentlichen Bediensteten zunächst von den Vorgesetzten genehmigt werden müssen.<br />

Das derzeitige System der Korruptionsbekämpfung muss besser koordiniert werden. Hilfreich<br />

könnte in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer weitgehend unabhängigen Stelle sein,<br />

die für die Konzeption von Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen und die Überwachung ihrer<br />

Umsetzung zuständig wäre.<br />

Insgesamt wurden bei der Korruptionsbekämpfung einige begrenzte Fortschritte erzielt,<br />

insbesondere durch größere Transparenz in der öffentlichen Verwaltung. Die Korruption ist<br />

jedoch nach wie vor ein weit verbreitetes Problem und die für Korruptionsbekämpfung<br />

zuständigen Behörden und die Korruptionsbekämpfungsstrategien sind weiterhin<br />

unzulänglich.<br />

<strong>DE</strong> 11 <strong>DE</strong>


2.2. Menschenrechte und Minderheitenschutz<br />

Achtung der internationalen Menschenrechtsübereinkommen<br />

Im Zusammenhang mit der Ratifizierung von Menschenrechtsübereinkommen ist<br />

festzustellen, dass die Türkei im März 2006 das Zweite Fakultativprotokoll zum<br />

Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe<br />

ratifiziert hat. Im Februar 2006 ratifizierte sie das Protokoll Nr. 13 zur EMRK betreffend die<br />

vollständige Abschaffung der Todesstrafe. Das Protokoll Nr. 14 zur EMRK über die<br />

Änderung des Kontrollsystems der Konvention trat im Mai 2006 in Kraft. Das<br />

Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Korruption wurde in der Türkei<br />

im Juni 2006 in Kraft gesetzt.<br />

Die Türkei hat die revidierte Europäische Sozialcharta am 27. September 2006 ratifiziert, ihre<br />

Vorbehalte in Bezug auf Artikel 5 (Vereinigungsrecht) und Artikel 6 (Recht auf<br />

Kollektivverhandlungen) sowie in Bezug auf Artikel 2 Absatz 3 (Mindestjahresurlaub) und<br />

Artikel 4 Absatz 1 (Arbeitsentgelt und angemessener Lebensstandard) jedoch<br />

aufrechterhalten. Einige bisherige Vorbehalte zu bestimmten Bestimmungen der<br />

Europäischen Sozialcharta, insbesondere zum Recht der Kinder und Jugendlichen auf Schutz<br />

und zu den Rechten behinderter Menschen, hat die Türkei jedoch aufgehoben.<br />

Insgesamt muss die Türkei noch vier Zusatzprotokolle zur EMRK ratifizieren, einschließlich<br />

des Protokolls Nr. 12 über ein grundsätzliches Diskriminierungsverbot durch staatliche<br />

Behörden, das sie 2001 unterzeichnet hat. Das Erste Fakultativprotokoll zum Internationalen<br />

Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Fakultativprotokoll zum VN-<br />

Übereinkommen gegen Folter hat die Türkei zwar 2004 bzw. im September 2005<br />

unterzeichnet, aber bislang noch nicht ratifiziert. Die Ratifizierung dieser Protokolle gehört zu<br />

den Prioritäten der Beitrittspartnerschaft.<br />

In den ersten acht Monaten des Jahres 2006 hat der Europäische Gerichtshof für<br />

Menschenrechte (EGMR) 196 rechtkräftige Urteile zur Türkei gesprochen, in denen der<br />

Türkei ein Verstoß gegen mindestens einen Artikel der EMRK angelastet wird. In fünf Fällen<br />

befand der EGMR, dass die Türkei nicht gegen die EMRK verstoßen hat. Die Urteile<br />

betreffen überwiegend Klagen, die vor 1999 eingereicht wurden.<br />

Zwischen dem 1. September 2005 und dem 31. August 2006 wurden beim EGMR 2.100 neue<br />

die Türkei betreffende Beschwerden eingereicht. Mehr als zwei Drittel der beim EGMR<br />

eingereichten Beschwerden beziehen sich auf das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6) bzw.<br />

den Schutz des Eigentums (Zusatzprotokoll Nr. 1 Art. 1). 78 Fälle betreffen das Recht auf<br />

Leben (Art. 2) und 142 Fälle das Verbot der Folter (Art. 3).<br />

In Bezug auf die Lage im Südosten der Türkei stellte der EGMR im Fall Icyer gegen die<br />

Türkei 5 fest, dass das Gesetz über die Entschädigung für Verluste aus Terroranschlägen eine<br />

angemessene Wiedergutmachung gewährleistet, da außer Frage steht, dass der<br />

Beschwerdeführer mittlerweile ungehindert in sein Dorf zurückkehren könnte (s. Abschnitt<br />

"Südosten der Türkei"). Im Anschluss an diese Entscheidung erklärte der Gerichtshof rund<br />

1.500 Beschwerden, die sich auf die Möglichkeit der Rückkehr in die Dörfer bezogen, für<br />

unzulässig.<br />

5 Fall Icyer gegen die Türkei (Beschwerde Nr. 18888/02).<br />

<strong>DE</strong> 12 <strong>DE</strong>


Die von der Türkei in den Jahren 2004 und 2005 ergriffenen Reformmaßnahmen hatten<br />

positive Auswirkungen auf die Vollstreckung von Urteilen des EGMR. Die Türkei<br />

betreffende Fälle machen jedoch immer noch 14,4% aller Fälle aus, die beim Ministerkomitee<br />

aufgrund der Überwachung der Umsetzung von Urteilen des EGMR anhängig sind.<br />

Die türkischen Rechtsvorschriften enthalten Beschränkungen, die es unter bestimmten<br />

Umständen unmöglich machen, ein in der Türkei durchgeführtes Gerichtsverfahren wieder<br />

aufzunehmen, obwohl der EGMR eine Rechtsverletzung festgestellt hat. 6 Dies verhindert die<br />

Durchführung des EGMR-Urteils im Fall Hulki Güneş 7 sowie in weiteren 113 Fällen, die die<br />

Fairness des Verfahrens vor den inzwischen abgeschafften Staatssicherheitsgerichten<br />

betreffen.<br />

Im Fall Öcalan hat der Gerichtshof die Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens weitgehend<br />

in das Ermessen der türkischen Behörden gestellt, allerdings unter der Kontrolle des<br />

Ministerkomitees, das die Umsetzung der Urteile des EGMR überwacht. Im Juli lehnte ein<br />

Istanbuler Gericht die Neuverhandlung des Falls Öcalan ab. Bei einer seiner nächsten<br />

Sitzungen wird das Ministerkomitee die Begründung des abschlägigen Bescheids des<br />

Istanbuler Gerichts prüfen.<br />

Einige weitere vor dem Ministerkomitee anhängige Fälle, in denen noch die nötigen<br />

Umsetzungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, betreffen die Kontrolle von Maßnahmen<br />

der Sicherheitskräfte sowie die Frage effektiver Beschwerdemöglichkeiten bei<br />

Rechtsverletzungen (93 anhängige Fälle). Diese Fälle beziehen sich hauptsächlich auf<br />

Menschenrechtsverletzungen, die vor dem Hintergrund der Bekämpfung des Terrorismus in<br />

der ersten Hälfe der neunziger Jahre begangenen wurden, davon auch einige im Rahmen der<br />

normalen Polizeitätigkeit. Seit Verkündung der Urteile wurde eine Reihe positiv zu wertender<br />

Reformen der Rechtsvorschriften verabschiedet. Das Ministerkomitee überwacht weiterhin<br />

genau, inwieweit diese umgesetzt werden.<br />

Außerdem sind vor dem Ministerkomitee im Rahmen der Überwachung der Umsetzung von<br />

Urteilen des EGMR 115 Fälle im Bereich der Meinungsfreiheit anhängig. Die meisten Fälle<br />

stehen mit Artikeln des alten türkischen Strafgesetzbuchs vor seiner Änderung im Jahr 2004<br />

in Zusammenhang. Einige Fälle berühren Bestimmungen des Antiterrorgesetzes. Bei der<br />

Beurteilung der Umsetzung der Urteile wird das Ministerkomitee jedoch die Rechtssprechung<br />

der türkischen Gerichte und die Strafverfolgungspraxis berücksichtigen (s. Abschnitt<br />

"Meinungsfreiheit").<br />

Was Zypern anbelangt, so hat das Ministerkomitee beschlossen, die Maßnahmen zu prüfen,<br />

die in den Bereichen Bildung und Religionsfreiheit ergriffen wurden, um diese Fragen bei<br />

seiner Sitzung im Dezember 2006 abschließend zu behandeln. Der Ausschuss für Vermisste<br />

hat seine Tätigkeit im Jahr 2004 wieder aufgenommen. Das Ministerkomitee vertritt jedoch<br />

die Auffassung, dass zusätzliche Maßnahmen zur Klärung des Schicksals der Vermissten<br />

ergriffen werden sollten. 8<br />

6 Die Strafprozessordnung sieht die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens nur bei EGMR-<br />

Urteilen vor, die vor dem 4. Februar 2003 rechtskräftig wurden sowie bei Urteilen, die nach dem 4.<br />

Februar 2003 beim Gerichtshof eingereichte Beschwerden betreffen.<br />

7 Fall Hulki Günes gegen die Türkei (Beschwerde Nr. 28490/95).<br />

8 Interimsresolution DH (2005)44 zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom<br />

10. Mai 2001 im Fall Zypern gegen die Türkei.<br />

<strong>DE</strong> 13 <strong>DE</strong>


Was die Eigentumsrechte 9 anbelangt, so hat der EGMR im Fall Xenides-Arestis gegen die<br />

Türkei entschieden, dass Abhilfe zu schaffen ist und angemessene Entschädigungen für die<br />

Verstöße in diesem Fall sowie in allen anderen vergleichbaren Fällen, die noch vor Gericht<br />

anhängig sind, zu leisten sind. Der EGMR hat bislang noch keine Entscheidung darüber<br />

gefällt, ob in der Zwischenzeit angemessene Entschädigung geleistet wurde.<br />

Was die Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte betrifft, so haben die<br />

Menschenrechtspräsidentschaft und die 931 Menschenrechtsbüros auf Bezirksebene weitere<br />

Schulungsmaßnahmen zu Menschenrechtsfragen und zur Bearbeitung von Beschwerden über<br />

mutmaßliche Menschenrechtsverletzung durchgeführt. Zwischen Januar und Juni 2006 sind<br />

778 Beschwerden eingegangen. Der Großteil der Beschwerden betraf Verstöße gegen<br />

Gesundheits- und Patientenrechte, gegen das Recht auf Eigentum und Rechte im Bereich der<br />

sozialen Sicherheit sowie gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung.<br />

Allerdings ist die Unabhängigkeit der Menschenrechtspräsidentschaft von der Regierung nicht<br />

hinreichend gewährleistet; zudem ist sie personell unterbesetzt und ihre finanziellen Mittel<br />

sind begrenzt. Außerdem wurde seit dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden im September<br />

2005 kein neuer Vorsitzender ernannt. Der beratende Ausschuss für Menschenrechte, der dem<br />

Amt des Premierministers untersteht, ist seit der Veröffentlichung eines Berichts über<br />

Minderheitenrechte in der Türkei im Oktober 2004 nicht mehr tätig geworden. Dieses<br />

Gremium setzt sich aus Vertretern der NRO, Sachverständigen und Mitarbeitern der<br />

Ministerien zusammen.<br />

Der Menschenrechtsausschuss des Parlaments spielte als Anlaufstelle für die Erfassung von<br />

Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen und bei Untersuchungsmissionen in den<br />

türkischen Regionen weiterhin eine aktive Rolle. Zwischen Oktober 2005 und Juni 2006<br />

gingen bei diesem Ausschuss 846 Beschwerden ein. Er hat in mehreren Fällen von<br />

Menschenrechtsverletzungen ermittelt und seit Januar 2006 drei Berichte vorgelegt. Der<br />

Ausschuss hat keine legislative Funktion und wird daher bei Rechtsvorschriften, die<br />

Menschenrechtsfragen berühren, nicht konsultiert.<br />

Ingesamt hat die Türkei bei der Ratifizierung von internationalen<br />

Menschenrechtsübereinkommen und bei der Umsetzung von EGMR-Urteilen Fortschritte<br />

gemacht. Allerdings müssen die institutionellen Rahmenbedingungen im<br />

Menschenrechtsbereich weiter modernisiert werden.<br />

Bürgerliche und politische Rechte<br />

Was das Vorgehen gegen Folter und Misshandlung anbelangt, so ist bereits ein umfassender<br />

Rechtsrahmen vorhanden. Die Fälle von Folter und Misshandlung sind weiter rückläufig.<br />

Die die Inhaftierungsverfahren und die Dauer der Inhaftierung betreffenden<br />

Reformmaßnahmen haben zu konkreten positiven Ergebnissen geführt. Die Verordnung über<br />

die ärztliche Untersuchung von Personen, die sich in Gewahrsam der Polizei oder der<br />

Gendarmerie befinden, entspricht den Empfehlungen des Ausschusses zur Verhütung von<br />

Folter.<br />

9 Fall Zypern gegen die Türkei, (Beschwerde Nr. 25781/94), Fall Loizidou gegen die Türkei (Beschwerde<br />

Nr. 15318/89), Fall Xenides-Arestis gegen die Türkei (Beschwerde Nr. 46347/99).<br />

<strong>DE</strong> 14 <strong>DE</strong>


Die Umsetzung der in den vergangenen Jahren beschlossenen Rechtsreformen stellt jedoch<br />

nach wie vor eine Herausforderung dar. Immer noch werden Fälle von Folter und<br />

Misshandlung - vor allem außerhalb regulärer Haft - gemeldet.<br />

Die Bestimmungen der Strafprozessordnung und des Gesetzes über die Vollstreckung von<br />

Urteilen, die die Benachrichtigung der Angehörigen des Inhaftierten und den Anspruch auf<br />

einen Anwalt gewährleisten, werden nicht überall einheitlich angewandt. Außerdem sieht die<br />

Strafprozessordnung zwar vor, dass unter Folter zustande gekommene Aussagen nicht<br />

verwendet werden dürften, doch der Umgang mit den vor ihrem Inkrafttreten gewonnenen<br />

Aussagen gibt Anlass zur Sorge (s. auch Zugang zur Justiz).<br />

Bedenken bestehen auch weiterhin bezüglich der Vertraulichkeit und der Qualität der<br />

ärztlichen Untersuchungen. Die Unabhängigkeit des Gerichtsmedizinischen Instituts muss<br />

weiter gestärkt werden und es bedarf weiterer Anstrengungen, um das Istanbuler Protokoll 10<br />

landesweit umzusetzen. Die Menschenrechtsbüros müssen stärker an der Vor-Ort-<br />

Überwachung der Verhältnisse in den Strafvollzugsanstalten beteiligt werden. Seit Oktober<br />

2005 nahmen die Büros 992 Kontrollbesuche in Polizeistationen und Haftanstalten vor.<br />

Besonderen Anlass zur Sorge gibt die Menschenrechtslage im Südosten des Landes, nachdem<br />

es dort im März und April in mehreren Städten zu schweren Unruhen gekommen war (s.<br />

Abschnitt über den Südosten der Türkei). Diese führten zur Verhaftung von mehr als 550<br />

Personen, darunter mehr als 200 Kinder. Die Anwaltskammer Diyarbakir reichte bei den<br />

Behörden mehr als 70 Beschwerden wegen Misshandlung ein. In 39 Fällen wurden daraufhin<br />

Ermittlungen aufgenommen.<br />

Während der Unruhen in Diyarbakir wurden Inhaftierte in Haftanstalten<br />

gerichtsmedizinischen Untersuchungen unterzogen. Damit wurde gegen die Anordnungen und<br />

Rundschreiben des Justizministeriums und des Gesundheitsministeriums sowie gegen den<br />

Grundsatz der Unabhängigkeit der Ärzteschaft verstoßen.<br />

Die im Zuge der Novellierung des Antiterrorgesetzes eingeführten neuen Bestimmungen<br />

könnten die Bemühungen um die Bekämpfung von Folter und Misshandlung untergraben (s.<br />

Abschnitt "Parlament")<br />

Obwohl die Zahl der einschlägigen Verurteilungen seit 2003 gestiegen ist, stellt die<br />

Straffreiheit weiterhin ein Problem dar.<br />

Insgesamt gesehen bietet die türkische Gesetzgebung umfassende Garantien gegen die<br />

Anwendung von Folter und Misshandlung. Im Berichtszeitraum ist die Zahl der Fälle von<br />

Folter und Misshandlung zurückgegangen. Anlass zur Sorge geben jedoch weiterhin die Fälle<br />

von Folter und Misshandlung außerhalb regulärer Haft, die Menschenrechtsverletzungen im<br />

Südosten und das Problem der Straffreiheit.<br />

Was den Zugang zur Justiz und das Recht auf Verteidigung anbelangt, so haben Verhaftete<br />

Anspruch auf einen Rechtsbeistand und gemäß der neuen Strafprozessordnung dürfen<br />

Aussagen, die in Abwesenheit eines Anwalts gemacht wurden, vor Gericht nicht als<br />

10 Istanbul Protocol: Manual on the effective Investigation and Documentation of Torture and Other<br />

Cruel, Inhuman or Degrading Treatment of Punishment ("Istanbuler Protokoll. Handbuch über die<br />

wirksame Untersuchung und Dokumentierung von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder<br />

erniedrigender Behandlung oder Strafe“), vorgelegt vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für<br />

Menschenrechte am 9. August 1999.<br />

<strong>DE</strong> 15 <strong>DE</strong>


Beweismittel verwendet werden. Anlass zur Sorge gibt jedoch die Nichtüberprüfung von<br />

Aussagen, die vor Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung gemacht wurden (s. Abschnitt<br />

"Folter und Misshandlung").<br />

Was die Prozesskostenhilfe anbelangt, so ist die Zahl der in diesem Rahmen als<br />

Rechtsbeistand registrierten Anwälte seit Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung<br />

erheblich gestiegen. Was die Haftanstalten anbetrifft, so hat die Türkei<br />

Durchführungsverordnungen zu den 2004 für diesen Bereich beschlossenen Rechtsreformen<br />

verabschiedet. Die materielle Ausstattung der Haftanstalten hat sich weiter verbessert; auch<br />

die Ausbildungsmaßnahmen wurden verstärkt.<br />

Zu den noch ungelösten Problemen in den Haftanstalten gehören der Mangel an<br />

Gemeinschaftsaktivitäten, die begrenzte Interaktion zwischen Gefängnispersonal und<br />

Inhaftierten, die unzureichende Gesundheitsversorgung, einschließlich im psychiatrischen<br />

Bereich, sowie die Überbelegung der Zellen.<br />

Es liegen auch Berichte über Fälle von Misshandlung durch das Gefängnispersonal vor. Da<br />

die Türkei das Fakultativprotokoll zum VN-Übereinkommen gegen Folter noch nicht<br />

ratifiziert hat, sind die zivilen und militärischen Haftanstalten noch nicht für unabhängige<br />

Beobachter zugänglich.<br />

Die Einzelhaft für Häftlinge, die zu einer erschwerten lebenslänglichen Haft verurteilt worden<br />

sind, wird zu extensiv angewandt. Derartige Haftbedingungen dürfen nur über einen<br />

möglichst kurzen Zeitraum hinweg angeordnet werden, wobei eine individuelle<br />

Risikobewertung in Bezug auf den jeweiligen Gefangenen vorzunehmen ist.<br />

Im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit (einschließlich der Medienfreiheit)<br />

veröffentlichte das Justizministerium im Januar 2006 ein Rundschreiben zur Meinungsfreiheit<br />

in Printmedien und visuellen Medien. Darin wurden die Staatsanwaltschaften angewiesen,<br />

sowohl die türkischen Rechtsvorschriften als auch die EGMR-Rechtssprechung zu beachten.<br />

In dem Rundschreiben wurde auch ein monatliches Monitoring der gegen Presse und Medien<br />

laufenden strafrechtlichen Ermittlungen und Gerichtsverfahren eingeführt.<br />

Im Bereich der Rundfunksendungen in anderen Sprachen als Türkisch sind auf lokaler und<br />

regionaler Ebene einige Fortschritte zu verzeichnen (s. Abschnitt "kulturelle Rechte" sowie<br />

Kapitel 10).<br />

Anlass zu ernster Besorgnis geben jedoch die auf bestimmten Vorschriften des neuen<br />

Strafgesetzbuches basierenden Strafverfahren und Verurteilungen im Falle friedlicher<br />

Meinungsäußerungen, die zudem ein Klima der Selbstzensur schaffen könnten. Dies gilt<br />

insbesondere für Artikel 301, der die Beleidigung des Türkentums, der türkischen Republik<br />

sowie ihrer Organe und Institutionen unter Strafe stellt. Obwohl der Artikel die<br />

Einschränkung enthält, dass Meinungsäußerungen, die lediglich Kritik beinhalten, keinen<br />

Straftatbestand darstellen, wurde er wiederholt herangezogen, um Journalisten, Schriftsteller,<br />

Verleger, Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivisten für friedliche Meinungsäußerungen<br />

strafrechtlich zu belangen.<br />

Im Juli legte das Plenum der Zivil- und Strafrechtskammern des Kassationshofs Artikel 301<br />

restriktiv aus. Der Kassationshof bestätigte eine zunächst ausgesetzte sechsmonatige<br />

Gefängnisstrafe gegen Hrant Dink, der auf der Grundlage von Artikel 301 des türkischen<br />

Strafgesetzbuches verurteilt worden war, da er in einer Reihe von Artikel über die armenische<br />

Identität das "Türkentum" öffentlich herabgesetzt habe.<br />

<strong>DE</strong> 16 <strong>DE</strong>


Dies verdeutlicht, dass Artikel 301 mit den einschlägigen europäischen Standards in Einklang<br />

gebracht werden muss. Das Gleiche gilt auch für andere Bestimmungen des<br />

Strafgesetzbuches, die ebenfalls zur strafrechtlichen Verfolgung im Falle friedlicher<br />

Meinungsäußerungen herangezogen wurden und daher die Meinungsfreiheit einschränken<br />

könnten. Anlass zur Sorge im Bereich der Meinungsfreiheit bieten auch die möglichen<br />

diesbezüglichen Folgen des Antiterrorgesetzes (s. Abschnitt "Parlament").<br />

Die jüngsten Beschlüsse der Regierung zu den Verfahren für die Ernennung der Mitglieder<br />

des Hohen Rundfunk- und Fernsehrats (RTÜK) geben insofern Anlass zur Besorgnis als sie<br />

die Unabhängigkeit der Medienaufsichtsbehörde schwächen könnten.<br />

Insgesamt ist festzustellen, dass in der türkischen Gesellschaft der offene Meinungsaustausch<br />

zu einem breiten Spektrum von Themen zugenommen hat. Trotz dieser Entwicklung<br />

gewährleistet der geltende Rechtsrahmen noch keinen Schutz der Meinungsfreiheit nach<br />

europäischen Standards.<br />

Im Bereich der Versammlungsfreiheit ist festzustellen, dass öffentliche Demonstrationen<br />

weniger Beschränkungen unterliegen als früher. Es gab jedoch Fälle von übermäßiger<br />

Gewaltanwendung seitens der Polizei, insbesondere bei unangemeldeten Demonstrationen.<br />

Die Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen, die sich bei einer<br />

Demonstration von Frauenrechtlerinnen im März 2005 ereignet haben, wurden abgeschlossen.<br />

Drei Angehörige der Istanbuler Direktion für Sicherheit erhielten einen Verweis, weil sie<br />

"ihren Pflichten zur Ausbildung und Überwachung der unter ihrer Befehlsgewalt stehenden<br />

Mitarbeiter nicht nachgekommen sind". Weitere sechs Mitarbeiter wurden mit einer<br />

Gehaltskürzung bestraft, da sie sich der "übermäßigen Gewaltanwendung bei Auflösung einer<br />

Demonstration sowie verbal oder physisch einer herabsetzenden Behandlung von Bürgern"<br />

schuldig gemacht haben. Die von der Generalstaatsanwaltschaft Istanbul gegen sieben<br />

Polizeioffiziere eingeleiteten Ermittlungen laufen noch.<br />

Was die Vereinigungsfreiheit anbelangt, so steht der Rechtsrahmen im Großen und Ganzen<br />

mit den internationalen Standards in Einklang. Die praktischen Auswirkungen der Reformen<br />

des Vereinsrechts sind als positiv zu werten, insbesondere seit Verabschiedung des<br />

Vereinsgesetzes im November 2004<br />

Die Verpflichtung, den Behörden Einnahmen aus dem Ausland zu melden, ist jedoch mit<br />

schwerfälligen Verfahren verbunden und bringt Komplikationen für die NRO mit sich.<br />

Zudem benötigen Stiftungen - anders als Vereine - weiterhin eine Genehmigung, wenn sie an<br />

Projekten außerhalb der Türkei teilnehmen wollen, die von internationalen Organisationen<br />

finanziert werden.<br />

Auch die Eintragung von Vereinigungen bereitet weiterhin einige Schwierigkeiten. Der<br />

Antrag der protestantischen Kirche in Diyarbakir und der Antrag der Zeugen Jehovas auf<br />

Gründung einer Vereinigung wurden vor Gericht angefochten. In beiden Fällen entschied das<br />

Gericht zugunsten dieser Vereinigungen. Im April 2006 ordnete ein Gericht in Diyarbakir die<br />

Auflösung einer kurdischen Vereinigung an, mit der Begründung, dass laut Statut zu ihren<br />

Zielen der Aufbau eines Archivs, eines Museums und einer Bibliothek über die Kurden und<br />

die Durchführung von Aktivitäten auch in kurdischer Sprache gehörten. Homosexuellen- und<br />

Lesbenorganisationen sind mit weniger Schwierigkeiten als in der Vergangenheit<br />

konfrontiert. Allerdings werden gelegentlich immer noch Gerichtsverfahren gegen sie<br />

angestrengt.<br />

<strong>DE</strong> 17 <strong>DE</strong>


Was die politischen Parteien anbelangt, so laufen gegen mehrere Parteien noch<br />

Gerichtsverfahren, so u.a. gegen <strong>DE</strong>HAP und HAPKAR. Bei der Angleichung des türkischen<br />

Parteiengesetzes an die EU-Praxis wurden noch keine Fortschritte erzielt. Parteien dürfen<br />

keine andere Sprache als Türkisch verwenden. Das Parteiengesetz muss dahingehend geändert<br />

werden, dass sich politische Parteien entsprechend den Normen der EMRK und der<br />

Rechtsprechung des EGMR betätigen können.<br />

Was die Organisationen der Zivilgesellschaft anbetrifft, so führte das in jüngster Zeit<br />

vorherrschende Reformklima zu positiven Entwicklungen. Insbesondere seit der Annahme<br />

des neuen Vereinsgesetzes melden sich die Organisationen der Zivilgesellschaft verstärkt zu<br />

Wort und haben ihre Strukturen gestärkt. Es gibt ein immer breiteres Spektrum solcher<br />

Organisationen in der Türkei, zu denen ungefähr 80.000 eingetragene Vereine gehören sowie<br />

mehrere hundert Gewerkschaften und Kammern (einschließlich Berufs- und Fachverbänden).<br />

Zur Religionsfreiheit ist anzumerken, dass die freie Religionsausübung in der Regel nicht<br />

behindert wird.<br />

Im April traf eine Delegation von Vertretern des Innen-, des Bildungs- und des<br />

Außenministeriums, des Generalsekretariat für EU-Angelegenheiten (EUSG) und der Provinz<br />

Istanbul mit den führenden Vertretern der nicht-muslimischen Glaubensgemeinschaften in<br />

Istanbul zusammen, um deren Probleme und etwaige Lösungsmöglichkeiten zu erörtern.<br />

Obwohl die Angabe der Religionszugehörigkeit in personenbezogenen Papieren, wie dem<br />

Personalausweis, seit April 2006 nicht mehr verbindlich vorgeschrieben ist, sind solche<br />

Informationen noch immer in diesen Dokumenten vermerkt, was weiterhin der<br />

Diskriminierung Vorschub leistet. Dieser Bereich gibt Anlass zur Besorgnis.<br />

Darüber hinaus bestehen noch eine Reihe weiterer Probleme. So können nicht-muslimische<br />

Glaubensgemeinschaften immer noch keine Rechtspersönlichkeit erwerben und ihre<br />

Eigentumsrechte sind nach wie vor eingeschränkt. Sie hatten sowohl bei der Verwaltung ihrer<br />

Stiftungen und als auch bei der gerichtlichen Durchsetzung von Eigentumsansprüchen mit<br />

Probleme zu kämpfen. Das Urteil des Staatsrates vom Juni 2005, mit dem die Möglichkeiten<br />

der Generaldirektion für das Stiftungswesen, die Leitung einer Stiftung zu übernehmen,<br />

beträchtlich beschnitten wurden, ist im Berichtszeitraum nicht umgesetzt worden. Auch im<br />

Fall des griechisch-orthodoxen Waisenhauses auf der Insel Büyükada, das der Leitung der<br />

Generaldirektion für das Stiftungswesen unterstellt wurde, sind keine Fortschritte zu<br />

verzeichnen.<br />

Welche Auswirkungen das neue Stiftungsgesetz in dieser Hinsicht hat, kann erst nach seiner<br />

Verabschiedung beurteilt werden.<br />

Die Ausbildung von Geistlichen und die Tätigkeit nicht-türkischer Geistlicher unterliegen in<br />

der Türkei weiterhin Beschränkungen. Theologische Studien nicht-muslimischer<br />

Glaubensgemeinschaften an privaten Hochschulen sind in den türkischen Rechtsvorschriften<br />

nicht vorgesehen. Das griechisch-orthodoxe Seminar von Halki (Heybeliada) bleibt<br />

geschlossen und die öffentliche Verwendung des kirchlichen Titels „Ökumenischer Patriarch“<br />

ist nach wie vor verboten.<br />

Noch immer gibt es Anfeindungen gegen Missionstätigkeiten in Predigten und<br />

Veröffentlichungen des Amtes für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) und lokaler religiöser<br />

Instanzen. Zudem wurden auch Angriffe auf Geistliche und Gebetsstätten nicht-muslimischer<br />

Glaubensgemeinschaften gemeldet. Im Fall der Ermordung des katholischen Priesters Andrea<br />

<strong>DE</strong> 18 <strong>DE</strong>


Santoro, der im Februar 2006 in einer Kirche in der Provinz Trabzon am Schwarzen Meer<br />

getötet wurde, ist gegen den Täter ein äußerst hartes Urteil verhängt worden. Es kam auch zu<br />

einigen Übergriffe auf Assyrer.<br />

Die Lage der Aleviten hat sich nicht gebessert. und sie stoßen bei der Einrichtung ihrer<br />

Gebetshäuser (Cemhäuser) nach wie vor auf Schwierigkeiten . Die Cemhäuser sind nicht als<br />

Gebetsstätten anerkannt und erhalten keine finanzielle Unterstützung vom Staat.<br />

Kinder von Aleviten sind verpflichtet in der Schule am Religionsunterricht teilnehmen, der<br />

ihre Glaubensrichtung nicht berücksichtigt. Derzeit ist eine Klage gegen diesen<br />

obligatorischen Religionsunterricht vor dem EGMR anhängig Vom nächsten Jahr an soll der<br />

Alevitismus in die Lehrpläne für die Sekundarstufe einbezogen werden.<br />

Insgesamt ist festzustellen, dass die freie Religionsausübung in der Regel auch weiterhin<br />

gewährleistet ist. Die Schwierigkeiten, mit denen nicht-muslimische Glaubensgemeinschaften<br />

in der Türkei konfrontiert sind, bestehen jedoch unverändert fort. Insbesondere die Aleviten<br />

werden weiterhin durch diskriminierende Praktiken benachteiligt.<br />

Wirtschaftliche und soziale Rechte<br />

Was die Rechte der Frau anbetrifft, so wurde der Bericht des parlamentarischen Ad-hoc-<br />

Ausschusses zur Verhütung von Ehrenmorden und zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen<br />

und Kinder vorgelegt. Dieser Bericht umfasst praktische Empfehlungen, über die in den<br />

Medien ausführlich berichtet wurde. Daraufhin gab das Amt des Ministerpräsidenten im März<br />

2005 ein Rundschreiben heraus, in dem die Bekämpfung der Gewalt als prioritäre Aufgabe<br />

herausgestellt wurde und die erforderlichen Maßnahmen sowie die hierfür zuständigen<br />

staatlichen Stellen aufgeführt waren. Die Gesamtkoordinierung der Maßnahmen wurde der<br />

Generaldirektion für den Status der Frauen übertragen.<br />

Außerdem ist die zweite Phase der Kampagne gegen häusliche Gewalt angelaufen, die im<br />

Oktober 2004 von der Tageszeitung Hürriyet in Zusammenarbeit mit Stiftung für moderne<br />

Erziehung und dem Amt des Gouverneurs von Istanbul ins Leben gerufen wurde. Die meisten<br />

Tageszeitungen und Fernsehsender unterstützten auch die Kampagne für die Verbesserung<br />

der Ausbildung von Mädchen.<br />

Der Rechtsrahmen in diesem Bereich ist insgesamt zufrieden stellend, allerdings ist die<br />

Umsetzung nach wie vor problematisch. Das Gesetz über den Schutz der Familie wird nur<br />

zum Teil umgesetzt. Obwohl Ehrenmorde gemäß den neuen strafrechtlichen Bestimmungen<br />

als Mord in besonders schwerem Fall gelten, sind die Gerichtsurteile in solchen Fällen nicht<br />

einheitlich. Während in einige Fällen die Höchststrafe (lebenslängliche Haft) verhängt wurde,<br />

erhielten andere, insbesondere minderjährige Täter, wesentlich mildere Strafen.<br />

Vor allem im Osten und Südosten des Landes ereignen sich weiterhin Verbrechen im Namen<br />

der Ehre oder werden Frauen von der Familie in den Selbstmord getrieben. Allerdings stehen<br />

immer noch keine verlässlichen Statistiken zu diesen Vorkommnissen und zur häuslichen<br />

Gewalt im Allgemeinen zur Verfügung. Aus den vorläufigen Ergebnissen der Untersuchung<br />

des UN-Sonderberichterstatters zur Gewalt gegen Frauen geht hervor, dass die Gründe für<br />

diese Suizide frühe und erzwungene Heiraten, häusliche Gewalt und die Verweigerung des<br />

Rechts auf Geburtenkontrolle sind. Den Hintergrund für diese Selbstmorde bilden Armut,<br />

Abwanderung in die Stadt, Vertreibung und Binnenmigration und die damit verbundenen<br />

Konsequenzen für die sozioökonomische Lage der Frauen. Selbstmorde von Frauen werden<br />

vor allem im Südosten der Türkei nicht immer sorgfältig untersucht.<br />

<strong>DE</strong> 19 <strong>DE</strong>


In bestimmten Gebieten der Südosttürkei werden nach wie vor nicht alle Mädchen bei der<br />

Geburt registriert. Dadurch wird ein wirksames Vorgehen gegen Zwangsheiraten und<br />

Ehrenmorde erschwert, weil die Identität dieser Mädchen und Frauen nicht zurückverfolgt<br />

werden kann.<br />

Es besteht noch erheblicher Bedarf an Frauenhäusern, die Opfern häuslicher Gewalt Schutz<br />

bieten 11 . Das im Juli 2004 vom Parlament verabschiedete Gesetz über die<br />

Gemeindeverwaltungen, demzufolge alle Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern ein<br />

Frauenhaus einrichten müssen, ist bislang noch nicht vollständig umgesetzt worden.<br />

Frauen sind weiterhin Benachteiligungen ausgesetzt, was hauptsächlich auf ihre mangelnde<br />

Bildung und die hohe Analphabetenrate unter der weiblichen Bevölkerung zurückzuführen ist.<br />

Nach der vom Bildungsministerium und UNICEF durchgeführte Aufklärungskampagne zur<br />

Förderung der Bildung wurden 2005 62.000 Mädchen eingeschult, die sonst keine Schule<br />

besucht hätten. 2006 wurde diese Kampagne auf alle 81 Provinzen ausgedehnt. Auch<br />

Kampagnen von Privatunternehmen zur Steigerung der Schulbesuchsquote und zur<br />

Modernisierung der Schulen wurden fortgesetzt.<br />

Im Parlament und in den Gebietskörperschaften sind Frauen nach wie vor kaum vertreten und<br />

auch auf dem Arbeitsmarkt werden sie weiterhin benachteiligt. Der Anteil der Frauen an den<br />

Erwerbstätigen gehört zu den niedrigsten der OECD-Länder (siehe Kapitel 19 Beschäftigung<br />

und Soziales).<br />

Was die Verwaltungskapazität anbetrifft, so ist die Generaldirektion für den Status der Frauen<br />

noch immer personell unterbesetzt. Der beratende Ausschusses für den Status der Frauen ist<br />

während des Berichtszeitraums nicht einberufen worden.<br />

Insgesamt finden die Rechte der Frau in der türkischen Öffentlichkeit zunehmend Beachtung.<br />

Allerdings erweist sich der vollständige Schutz der Rechte der Frau vor allem in den ärmsten<br />

Gegenden des Landes weiterhin als äußerst problematisch. Der Rechtsrahmen in diesem<br />

Bereich ist zwar insgesamt zufrieden stellend, wird jedoch immer noch nicht ordnungsgemäß<br />

umgesetzt.<br />

Was die Rechte des Kindes betrifft, so wird das Recht auf Bildung, insbesondere bei<br />

Mädchen, in einigen Regionen nach wie vor nicht geachtet. Über das unlängst aufgelegte<br />

Programm für an Bedingungen geknüpfte Bargeldzuschüsse, das vom Sozialhilfe und<br />

Solidaritätsfonds umgesetzt wird, erhalten Familien gezielt Bargeldzuschüsse als Anreiz und<br />

Kompensation, wenn sie ihre schulpflichtigen Kinder zur Schule schicken. Die Kampagnen<br />

zur Förderung des Schulbesuchs müssen fortgesetzt und intensiviert werden, um vor allem in<br />

den ländlichen Gebieten des Südostens für eine höher Schulbesuchsquote zu sorgen.<br />

Die Lage der Straßenkinder, die Kinderarmut und die Kinderarbeit werfen weiterhin<br />

erhebliche Problem auf. Nach dem türkischen Arbeitsrecht ist die Beschäftigung von Kindern<br />

unter 15 Jahren verboten. Allerdings kommt es immer wieder zu Verstößen gegen diese<br />

Bestimmung.<br />

11 Offiziellen Quellen zufolge existieren derzeit 17 Frauenhäuser, die von der Kinderschutzstelle der<br />

staatlichen Fürsorge eingerichtet wurden, und sogar 30, wenn die von anderen Stellen eingerichteten<br />

Häuser mit berücksichtigt werden. Allerdings handelt es sich nur um vorläufige Zahlen.<br />

<strong>DE</strong> 20 <strong>DE</strong>


Das Jugendschutzgesetz vom Juli 2005 bietet einen Rechtsrahmen für den Schutz der Rechte<br />

und das Wohl von Kindern mit besonderen Problemen und von Minderjährigen, gegen die<br />

Ermittlungen laufen oder die wegen Straftaten verurteilt wurden. Die Umsetzung dieses<br />

Gesetzes im Einklang mit den einschlägigen IAO-Übereinkommen muss stärker<br />

vorangetrieben werden.<br />

Die Ende 2005 aufgedeckte Misshandlung von Kindern in einem Waisenhaus der<br />

Kinderschutzstelle des staatlichen Fürsorgeamtes in Malayta ist ein deutlicher Beweis für die<br />

Unzulänglichkeiten des Kinderschutzes in der Türkei.<br />

Was die Rechte der Menschen mit Behinderung betrifft, so wurden mehrere<br />

Durchführungsvorschriften zu dem 2005 in Kraft getretenen Gesetz über Menschen mit<br />

Behinderungen erlassen. Sie betreffen Bereiche wie Arbeitsplätze und Bildungsmaßnahmen<br />

für Behinderte. Weiterer Handlungsbedarf besteht beim Aufbau dezentraler Strukturen und<br />

Dienste für Behinderte und bei der Verbesserung des Zugangs zur Bildung für Kinder mit<br />

Behinderungen.<br />

Bei den Diensten für Menschen mit geistigen Behinderungen gibt es gravierende<br />

Qualitätsunterschiede. So ist vor allem in ländlichen Gebieten ihre Betreuung völlig<br />

unzureichend. Immerhin verzichtet die größte psychiatrische Klinik der Türkei mittlerweile<br />

auf die Anwendung der unmodifizierten Elektrokrampftherapie (EKT). Dieses Verfahren<br />

muss allerdings noch landesweit verboten und es müssen schriftliche Leitlinien für die<br />

Anwendung der modifizierten EKT im Rahmen eines individuell abgestimmten<br />

Behandlungsplans festgelegt werden. Die gemeinsam mit der Weltbank durchgeführten<br />

Vorarbeiten für eine Strategie in diesem Bereich müssen intensiviert werden, vor allem im<br />

Hinblick auf die Ausarbeitung eines Gesetzes für Menschen mit geistiger Behinderung. Die<br />

Rehabilitationszentren verfügen im Allgemeinen weder über die erforderliche Infrastruktur<br />

noch über eine angemessene finanzielle Ausstattung und entsprechend qualifiziertes Personal.<br />

Menschen mit Behinderungen, die von ihren Familien betreut werden, erhalten meist nur eine<br />

geringe finanzielle Unterstützung vom Staat.<br />

Bei den Rechten der Gewerkschaften sind keine Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Die Regierung unterbreitete den Sozialpartnern zwei Vorschläge zur Änderung der beiden<br />

geltenden Gesetze in diesem Bereich. Hier sind jedoch keine weiteren Fortschritte zu<br />

verzeichnen und die Regierung hat offiziell keine Gesetzesvorlage eingebracht.<br />

Daher bestehen auch weiterhin erhebliche Mängel in Bezug auf das Vereinigungsrecht und<br />

das Recht auf Kollektivverhandlungen einschließlich des Streikrechts. Nach wie vor gelten<br />

restriktive unternehmens- und branchenspezifische Schwellenwerte für den Abschluss von<br />

Kollektivvereinbarungen und besonders langwierige Verfahren für den Gewerkschaftsbeitritt.<br />

Mit spezifischen Problemen bei der Inanspruchnahme des Vereinigungsrechtes und des<br />

Rechtes auf Kollektivverhandlungen sind vor allem Journalisten konfrontiert.<br />

Die Türkei erfüllt immer noch nicht die IAO-Normen; dies gilt insbesondere für die<br />

Übereinkommen Nr. 87 (Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes) und Nr.<br />

98 (Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes auf<br />

Kollektivverhandlungen). Die Türkei hat die überarbeitete Europäische Sozialcharta im<br />

September 2006 ratifiziert, aber ihre Vorbehalte in Bezug auf Artikel 5 (Vereinigungsrecht)<br />

und Artikel 6 (Recht auf Kollektivverhandlungen) aufrechterhalten (siehe Kapitel 19 -<br />

Beschäftigung und Soziales).<br />

<strong>DE</strong> 21 <strong>DE</strong>


Im April 2006 verklagte das Ministerium für Arbeit und Soziales die Gewerkschaft Gıda-İş,<br />

da einer der gewählten Gewerkschaftsvertreter nicht über die gesetzlich vorgeschriebene<br />

Mindestzugehörigkeit von 10 Jahren verfügte. Das Arbeitsgericht beschloss daraufhin die<br />

Auflösung der Gewerkschaft; das Urteil wurde allerdings vom Kassationshof aufgrund von<br />

Verfahrensfehlern aufgehoben.<br />

Minderheitenrechte, kulturelle Rechte und Minderheitenschutz<br />

Auch in Bezug auf die Rechte von Minderheiten verfolgt die Türkei nach wie vor einen<br />

restriktiven Ansatz. Nach Angaben der türkischen Behörden gibt es in der Türkei, gemäß dem<br />

Abkommen von Lausanne von 1923, ausschließlich nicht-muslimische Minderheiten. In der<br />

Praxis werden ausschließlich Juden, Armenier und Griechen von den Behörden als<br />

Minderheiten im Sinne des Abkommens von Lausanne betrachtet. Es gibt jedoch andere<br />

Gemeinschaften in der Türkei, die nach den einschlägigen internationalen und europäischen<br />

Standards ebenfalls als Minderheiten gelten müssten.<br />

Auch nach dem Besuch des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten (HKNM) der<br />

OSZE im Februar 2005 waren diesbezüglich keine Änderungen zu verzeichnen und bei der<br />

Aufnahme des geplanten Dialogs über die Lage nationaler Minderheiten in der Türkei gab es<br />

keine Fortschritte. Die Intensivierung eines solchen Dialogs zwischen der Türkei und dem<br />

HKNM ist jedoch dringend erforderlich, wobei alle für Minderheiten relevanten Bereiche wie<br />

Bildung, Sprachen, Teilnahme am öffentlichen Leben und Rundfunksendungen in<br />

Minderheitensprachen einbezogen werden müssen. Dies würde der Türkei die Anpassung an<br />

internationale Standards und an die bewährten Praktiken der EU-Mitgliedstaaten erleichtern,<br />

die die Wahrung der kulturellen Vielfalt und die Förderung der Achtung vor und des Schutzes<br />

von Minderheiten zum Ziel haben.<br />

Anlass zur Sorge gibt in diesem Zusammenhang auch der Vorbehalt, den die Türkei wegen<br />

der Minderheitenrechte gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte<br />

(ICCPR) eingelegt hat – und gegen den einige EU-Mitgliedstaaten protestiert haben, weil er<br />

aus ihrer Sicht dem Sinn und Zweck des Pakts zuwiderläuft – sowie der Vorbehalt, den die<br />

Türkei gegen den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte<br />

(ICESCR) bezüglich des Rechts auf Bildung 12 angemeldet hat.<br />

Die Türkei hat weder das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler<br />

Minderheiten noch die Europäische Charta zum Schutz der Regional- und<br />

Minderheitensprachen unterzeichnet.<br />

Im Bereich Bildung sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Die Empfehlungen der<br />

Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates (ECRI) zu<br />

Lehrplänen und Schulbüchern sowie zum Lehrbetrieb in Minderheitenschulen aus dem Jahr<br />

2005 haben nach wie vor Gültigkeit. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um<br />

diskriminierende Passagen aus Schulbüchern zu entfernen. Problematisch ist weiterhin die<br />

12 Auszug aus dem türkischen Vorbehalt zum ICCPR: „Die Republik Türkei behält sich das Recht vor,<br />

Artikel 27 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte gemäß den betreffenden<br />

Bestimmungen und Vorschriften ihrer Verfassung und gemäß dem Abkommen von Lausanne vom 24.<br />

Juli 1923 und den Anhängen dazu auszulegen und anzuwenden." Auszug aus dem türkischen Vorbehalt<br />

zum ICESCR: „Die Republik Türkei behält sich das Recht vor, Artikel 13 Absätze 3 und 4 des Pakts<br />

über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gemäß den Artikeln 3, 14 und 42 ihrer<br />

Verfassung auszulegen und anzuwenden.“<br />

<strong>DE</strong> 22 <strong>DE</strong>


Verwaltung der Minderheitenschulen, insbesondere die Frage der doppelten<br />

Verwaltungsspitze.<br />

Die Schwierigkeiten, mit denen die Assyrer bei der Durchsetzung von Eigentumsrechten zu<br />

kämpfen haben, bestehen unvermindert fort. So können Assyrer, die nicht mehr die türkische<br />

Staatsangehörigkeit besitzen, ihren Besitz nicht im Kataster eintragen lassen. In diesem<br />

Zusammenhang haben die Beschwerden über die Beschlagnahmung von Eigentum<br />

zugenommen.<br />

Auch die griechische Minderheit ist nach wie vor mit Problemen konfrontiert, die vorrangig<br />

den Schulunterricht und Eigentumsrechte betreffen. So besteht für die griechische Minderheit<br />

auf den Inseln Gökçeada (Imvros) und Bozcaada (Tenedos) weiterhin die Gefahr, dass ihr<br />

Eigentum von den türkischen Behörden beschlagnahmt und enteignet wird.<br />

Was die kulturellen Rechte anbetrifft, so wurde zwei lokalen Fernsehsendern in Diyarbakır<br />

und einem Hörfunksender in Şanlıurfa die Genehmigung zur Ausstrahlung von Sendungen in<br />

Kurdisch erteilt. Allerdings sind die Sendezeiten begrenzt; hiervon ausgenommen sind nur<br />

Spielfilme und Musiksendungen. Außerdem müssen alle Sendungen, mit Ausnahme von<br />

Liedern, ins Türkische übersetzt oder mit türkischen Untertiteln gezeigt werden, was bei<br />

Lifesendungen große technische Probleme aufwirft. Kurdische Sprachkurse dürfen nicht<br />

gesendet werden. (siehe Kapitel 10)<br />

Das staatliche türkische Fernsehen (TRT) strahlt weiterhin Sendungen in fünf Sprachen,<br />

einschließlich Kurdisch aus. Sendezeit und Themenspektrum dieser Sendungen sind jedoch<br />

sehr begrenzt. Seit Inkrafttreten der Rechtsvorschriften von 2004 hat kein privater<br />

landesweiter Fernseh- und Radiosender beantragt, Sendungen in anderen Sprachen als<br />

Türkisch ausstrahlen zu dürfen.<br />

Kinder mit einer anderen Muttersprache als Türkisch können diese nicht im Rahmen des<br />

staatlichen Schulsystems erlernen. Dieser Unterricht darf nur von Privatschulen erteilt<br />

werden. Alle kurdischen Sprachkurse wurden 2004 eingestellt. Kurdisch wird derzeit weder<br />

an einer staatlichen noch an einer privaten Schule unterrichtet. Außerdem wurden keine<br />

Anstrengungen unternommen, um Personen, die kein Türkisch sprechen, den Zugang zu<br />

öffentlichen Diensten zu erleichtern.<br />

Wie vorstehend erwähnt, untersagt das Parteiengesetz die Verwendung anderer Sprachen als<br />

Türkisch im politischen Leben. Das Gerichtsverfahren gegen die Partei für Rechte und<br />

Freiheit (HAK-PAR) wegen einer Rede in kurdischer Sprache dauert noch an.<br />

Was die Lage in der Ost- und Südosttürkei betrifft, so sind hier bei der Entschädigung für<br />

Verluste aus Terroranschlägen Fortschritte zu verzeichnen. Laut Urteil des Europäischen<br />

Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sieht das Entschädigungsgesetz eine angemessene<br />

Wiedergutmachung für Personen vor, denen der Zugang zu ihrem Besitz an ihrem Wohnort<br />

verwehrt ist.<br />

Die Entschädigungsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Bei den für die Bearbeitung der<br />

Entschädigungsansprüche eingerichteten Ausschüssen für die Schadensbewertung wurden<br />

bislang 215.981 Anträge eingereicht. Bis September 2006 wurden 33.299 dieser Anträge<br />

bearbeitet.<br />

Die Lage im Südosten hat sich seit dem Wiederaufflammen der Gewalt durch die Anschläge<br />

der PKK, die auf der EU-Liste der terroristischen Vereinigungen aufgeführt ist,<br />

<strong>DE</strong> 23 <strong>DE</strong>


verschlechtert. Von November 2005 bis Juni 2006 wurden 774 Terroranschläge gemeldet,<br />

denen 44 Armeeangehörige, 5 Polizisten und 13 Zivilisten zum Opfer fielen.<br />

Die Beerdigungen einiger PKK Terroristen Ende März waren der Auslöser für Unruhen in<br />

Diyarbakir, die auch auf andere Städte der Region übergriffen. Dabei griffen Demonstranten<br />

Angehörige der Polizei, Bewohner und Geschäfte an. Bei Zusammenstößen mit der Polizei<br />

und den Sicherheitskräften kamen zehn Zivilisten ums Leben, darunter drei Kinder. Viele<br />

Zivilisten erlitten außerdem Schussverletzungen. In zahlreichen Berichten wird die<br />

willkürliche und unverhältnismäßige Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte, die sich<br />

sogar gegen Krankenwagen richtete, kritisiert. Die Ermittlungen zur Klärung der Ursache der<br />

Todesfälle laufen noch.<br />

Das durch die Unruhen im März ausgelöste Wiederaufflammen der Gewalt wirkte sich<br />

negativ auf die Menschenrechtslage aus. So wurden über 700 Personen inhaftiert und es<br />

wurden auch Fälle von Misshandlungen gemeldet.<br />

Angesichts der Eskalation terroristischer Gewalttaten wurde in einigen Provinzen der<br />

Südosttürkei eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, wie Straßenblockaden und<br />

Kontrollposten, wieder eingeführt. Im Bereich der Gesetzgebung wurden im Juni 2006<br />

Änderungen des Anti-Terrorgesetzes angenommen. (s. Abschnitt "Parlament")<br />

Auch der Bombenanschlag von Şemdinli im November 2005, der einen Toten und zahlreiche<br />

Verletzte forderte, führte zu einer Verschlechterung der Lage in der Region. Von einem<br />

Gericht in Van wurden langjährige Gefängnisstrafen gegen zwei Angehörige der Gendarmerie<br />

und ihren Informanten, ein ehemaliges Mitglied der PKK, verhängt, die als Verantwortliche<br />

für den Bombenanschlag für schuldig befunden wurden. Im November 2005 wurde ein<br />

parlamentarischer Ausschuss eingerichtet und mit der Untersuchung der Ereignisse von<br />

Şemdinli betraut. Der Bericht dieses Ausschusses liegt noch nicht vor.<br />

Nach wie vor ist die sozio-ökonomische Lage in der Südosttürkei insgesamt schwierig und es<br />

fehlt ein umfassender Plan zur Bewältigung der dortigen Probleme. Der positiven Erklärung<br />

von Premierminister Erdogan aus dem Jahr 2005, in der er die Lösung der so genannten<br />

"Kurdenfrage" mit demokratischen Mitteln forderte, folgten keine entsprechenden<br />

Maßnahmen. Zwischen der Regierung und den gewählten lokalen Politikern ist kaum ein<br />

Dialog möglich. Darüber hinaus laufen gegen viele der lokalen Politiker Gerichtsverfahren.<br />

Zudem sind aufgrund der im Wahlgesetz festgelegten 10%-Hürde fast nur die landesweit<br />

größten Parteien im Parlament vertreten.<br />

Trotz des EGMR-Urteils im Fall Icyer gegen die Türkei vom Januar 2006 gibt die Umsetzung<br />

des Gesetzes über die Entschädigung für Verluste aus Terroranschlägen in verschiedener<br />

Hinsicht Anlass zur Besorgnis. So scheinen die für die Entschädigungsansprüche zuständigen<br />

Ausschüsse generell unterschiedliche Methoden anzuwenden. Sie verfügen über einen großen<br />

Ermessensspielraum und die Verfahren sind oft sehr langwierig. Die Entschädigungszahlung<br />

verläuft daher äußerst schleppend. Auch die Höhe der Entschädigungen gibt Anlass zur<br />

Besorgnis.<br />

Außerdem sind die zu erfüllenden Bedingungen so streng, dass sehr viele Geschädigte<br />

möglicherweise nicht in den Genuss einer Entschädigung kommen. Zudem besteht eine hohe<br />

Beweislast für die Antragsteller, denn sie müssen Dokumente, insbesondere Eigentumstitel,<br />

beibringen, die sie vielfach nie besessen haben.<br />

<strong>DE</strong> 24 <strong>DE</strong>


Der Aspekt der "Aussöhnung" in Zusammenhang mit früheren Verstößen gegen die<br />

Menschenrechte von Binnenvertriebenen - wie etwa durch Ermordung, Verschleppung und<br />

Folter sowie durch das Niederbrennen und die Zerstörung ihres Eigentums - wird in dem<br />

Entschädigungskonzept nicht berücksichtigt.<br />

Die Lage der Binnenvertriebenen gibt weiterhin Anlass zur Besorgnis. Keine weiteren<br />

Fortschritte sind bei der Einrichtung einer neuen Regierungsstelle, die für die Umsetzung des<br />

"Programms für die Rückkehr in die Dörfer und Rehabilitation“ und die Ausarbeitung einer<br />

Strategie zur Förderung der Rückkehr von Binnenvertriebenen zuständig sein soll, zu<br />

verzeichnen. Eine Studie der Universität Haceteppe über Binnenvertriebene dürfte eine<br />

gründliche Analyse und politische Vorgaben liefern, ihre Veröffentlichung verzögert sich<br />

jedoch.<br />

Folgende Faktoren stehen der Rückkehr von Binnenvertriebenen im Wege: das Fehlen<br />

grundlegender Infrastrukturen, der Mangel an Kapital, begrenzte<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten und die Sicherheitslage. Auch die zahlreichen Landminen 13<br />

halten viele Menschen von einer Rückkehr ab. Zudem liegt es weitgehend im Ermessen des<br />

jeweiligen Gouverneurs, wie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Rückkehr der<br />

Binnenvertriebenen umgesetzt werden.<br />

Keine Fortschritte gab es im Hinblick auf das Problem der Dorfschützer 14 . Es wurden keine<br />

Anstrengungen unternommen, um ihre Zahl allmählich zu reduzieren.<br />

Eine Rückkehr zur Normalität ist im Südosten der Türkei nur über den Dialog mit den lokalen<br />

Partnern möglich. Im Rahmen einer umfassenden Strategie sollten die sozio-ökonomische<br />

Entwicklung der Region vorangetrieben und Voraussetzungen geschaffen werden, die der<br />

kurdischen Bevölkerung die uneingeschränkte Wahrnehmung ihrer Rechte und Freiheiten<br />

ermöglichen. Die Probleme, die es dabei zu lösen gilt, betreffen u.a. die Rückkehr der<br />

Binnenvertriebenen, die Entschädigung für Verluste aus Terroranschlägen, die Räumung von<br />

Landminen sowie die Dorfschützer.<br />

Was die Roma anbetrifft, so wurden die diskriminierenden Bestimmungen des<br />

Niederlassungsrechts im Zuge einer Gesetzesänderung im September 2006 abgeschafft.<br />

Allerdings sind die diskriminierenden Bestimmungen des Gesetzes über die Freizügigkeit und<br />

den Aufenthaltsort von Ausländern nach wie vor in Kraft.<br />

Nach neuesten Schätzungen der Universität von Bilgi leben in der Türkei ungefähr 2 Mio.<br />

Roma, denen durch die diskriminierende Behandlung der Zugang zu angemessener<br />

Unterkunft, Bildung, Gesundheitsfürsorge und Beschäftigung erschwert wird. Zudem sind sie<br />

häufig Opfer von Zwangsausweisungen. Im Rahmen von Sanierungsprojekten für historische<br />

Stadtviertel (z.B. Ankara-Çinçin, Zonguldak-Ere, Istanbul-Sulukule) wurde die dort lebende<br />

Roma-Bevölkerung umgesiedelt.<br />

Während des Berichtszeitraums wurden weitere Interessenvertretungen der Roma und zwei<br />

Roma-Verbände gegründet. Außerdem wurden mehrere NRO-Projekte durchgeführt, um die<br />

13 Obwohl bereits viele Landminen geräumt wurden, schätzen internationale NRO die Gesamtzahl der<br />

noch verbleibenden Minen auf 900.000.<br />

14 Nach amtlichen Angaben sind derzeit noch 57.601 Dorfschützer im Dienst<br />

<strong>DE</strong> 25 <strong>DE</strong>


Kapazitäten von Roma-Organisationen zu stärken und einen klareren Überblick über die<br />

Probleme dieser Minderheit zu gewinnen.<br />

Insgesamt hat die Türkei bei der Wahrung der kulturellen Vielfalt und der Förderung der<br />

Achtung vor und des Schutzes von Minderheiten im Einklang mit den internationalen<br />

Standards nur geringe Fortschritte erzielt.<br />

2.3. Regionale Fragen und internationale Verpflichtungen<br />

Zypern<br />

Von der Türkei wird erwartet, dass sie im Rahmen der Verhandlungen und der<br />

Beitrittspartnerschaft die Bemühungen der VN um eine umfassende Lösung des Zypern-<br />

Problems im Einklang mit den Grundsätzen, auf denen die Union beruht, weiter unterstützt<br />

und einen Beitrag zur Schaffung eines besseren Klimas für eine solche umfassende Lösung<br />

leistet. Ferner wird erwartet, dass sie das Protokoll zur Anpassung des Abkommens von<br />

Ankara zur Berücksichtigung des Beitritts der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten einschließlich<br />

Zyperns vollständig umsetzt und konkrete Schritte zur möglichst raschen Normalisierung der<br />

bilateralen Beziehungen zwischen der Türkei und allen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der<br />

Republik Zypern unternimmt.<br />

Die EU geht gemäß ihrer Erklärung vom 21. September 2005 außerdem davon aus, dass das<br />

Zusatzprotokoll uneingeschränkt und ohne Diskriminierungen angewandt wird und dass alle<br />

Hindernisse für den freien Warenverkehr, einschließlich Beschränkungen im Bereich der<br />

Transportmittel, beseitigt werden. Vorgesehen ist außerdem, dass die EU dies aufmerksam<br />

beobachten und 2006 die vollständige Anwendung prüfen wird. Des Weiteren wurde in der<br />

Erklärung hervorgehoben, dass die Anerkennung sämtlicher Mitgliedstaaten eine<br />

Voraussetzung für den Beitritt ist und dass einer baldmöglichen Normalisierung der<br />

Beziehungen zwischen der Türkei und allen Mitgliedstaaten große Bedeutung beigemessen<br />

wird.<br />

Die Türkei erklärte mehrfach, dass sie die VN-Bemühungen um eine umfassende Lösung der<br />

Zypernfrage weiterhin unterstützen wird. Die Türkei sicherte ihre Unterstützung bei der<br />

Einsetzung von Fachausschüssen mit Angehörigen beider zyprischer Gemeinschaften zu, die<br />

in Gesprächen unter der Schirmherrschaft der VN im Juli vereinbart wurde. Diesen<br />

Gesprächen ging ein Treffen von VN-Generalsekretär Kofi Annan und Präsident<br />

Papadopoulos im Februar in Paris voraus.<br />

Die Türkei hat das im Juli 2005 unterzeichnete Zusatzprotokoll, mit dem das<br />

Assoziationsabkommen EG-Türkei auf die am 1. Mai 2004 beigetretenen zehn neuen<br />

Mitgliedstaaten ausgeweitet und die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ermöglicht wurde,<br />

noch nicht vollständig umgesetzt. Die Türkei verweigert auch weiterhin unter zyprischer<br />

Flagge fahrenden Schiffen und Schiffen, die zuletzt einen zyprischen Hafen angelaufen<br />

hatten, den Zugang zu ihren Häfen. Durch solche Beschränkungen wird häufig der<br />

wirtschaftlichste Beförderungsweg ausgeschlossen, was den freien Warenverkehr und den<br />

Handel behindert und gegen das Abkommen über die Zollunion verstößt.<br />

Ähnliche Beschränkungen werden auch im Luftverkehr angewandt.<br />

Der türkische Premierminister wie auch der Außenminister erklärten mehrfach, dass das<br />

Zusatzprotokoll erst nach Beendigung der Isolierung der türkisch-zyprischen Gemeinschaft<br />

umgesetzt werde. Denselben Ansatz verfolgt auch der im Januar von dem türkischen<br />

<strong>DE</strong> 26 <strong>DE</strong>


Außenminister vorgelegte "Aktionsplan für Zypern". Die Vertreter der EU haben die<br />

türkische Regierung wiederholt darauf hingewiesen, dass sie zur Umsetzung des Protokolls<br />

rechtlich verpflichtet ist und die Erfüllung dieser Verpflichtung nicht mit der Lage der<br />

türkisch-zyprischen Gemeinschaft verknüpfen kann.<br />

Bei der Normalisierung der Beziehungen zur Republik Zypern sind in keiner Hinsicht<br />

Fortschritte zu verzeichnen. Die Türkei verhindert nach wie vor durch ihr Veto den Beitritt<br />

Zyperns zu bestimmten internationalen Organisationen wie der OECD und zum Wasenaar-<br />

Arrangement über Ausfuhrkontrollen für konventionelle Waffen sowie Güter und<br />

Technologien mit doppeltem Verwendungszweck.<br />

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom Dezember im Fall<br />

Myra Xenides-Arestis gegen die Türkei entschieden, dass die Türkei gegen den Schutz des<br />

Eigentums (Artikel 1 des Protokolls Nr. 1) und gegen das Recht auf Achtung der Wohnung<br />

der Beschwerdeführerin (Artikel 8) verstoßen hat. Der Gerichtshof forderte die Türkei auf,<br />

innerhalb der festgesetzten Fristen und im Einklang mit der Menschenrechtskonvention<br />

Abhilfe zu schaffen und angemessene Entschädigungen für die Verstöße in diesem Fall sowie<br />

in allen anderen vergleichbaren Fällen, die noch vor Gericht anhängig sind, zu leisten. Der<br />

EGMR hat sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob in der Zwischenzeit angemessene<br />

Entschädigung geleistet wurde.<br />

Friedliche Beilegung von Grenzstreitigkeiten<br />

Die Türkei und Griechenland haben sich weiterhin um eine positive Entwicklung ihrer<br />

bilateralen Beziehungen bemüht. So wurden die Kontakte auf hoher Ebene im letzten Jahr mit<br />

zwei informellen Treffen der Premierminister fortgesetzt.<br />

Im Mai fand in Athen die 34. Gesprächsrunde der Außenminister im Rahmen der 2002<br />

eingeleiteten Sondergespräche statt. Im Juni wurde während des Besuchs des griechischen<br />

Außenministers in Istanbul ein weiteres Paket vertrauensbildender Maßnahmen vereinbart.<br />

Diese Maßnahmen umfassen den Bau einer neuen Brücke über den Grenzfluss Evros/Meriç<br />

und die Einsetzung einer gemeinsamen zivilen Task Force für die Prävention von<br />

Naturkatastrophen. In Kürze ist die direkte Telefonverbindung zwischen den beiden<br />

Luftangriffs- und Luftverteidigungsgefechtsständen in der türkischen Stadt Eskişehir und der<br />

griechischen Stadt Larissa funktionsfähig. Außerdem wurde die Einrichtung einer zweiten<br />

Direktleitung zwischen den jeweiligen Chefs der Generalstäbe beschlossen. Das Moratorium<br />

über die Aussetzung von Militärübungen in der Ägäis während der Sommermonate wurde um<br />

einen Monat verlängert. Im Juli besuchte der griechische Generalstabschef seinen<br />

Amtskollegen in der Türkei.<br />

Nach dem Zusammenstoß eines türkischen und eines griechischen Militärflugzeugs über der<br />

Ägäis im Mai, der einem griechischen Piloten das Leben kostete, vereinbarten beide<br />

Außenminister eine Untersuchung des Vorfalls.<br />

Gemessen werden die Fortschritte der Türkei - wie im Verhandlungsrahmen festgelegt -<br />

insbesondere an "… dem unzweifelhaften Engagement (…) für gutnachbarliche Beziehungen<br />

und ihrer Bereitschaft, im Einklang mit dem in der Charta der Vereinten Nationen verankerten<br />

Grundsatz der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten auf die Beilegung ungelöster<br />

Grenzstreitigkeiten hinzuarbeiten, erforderlichenfalls gemäß einer Rechtsprechung des<br />

Internationalen Gerichtshofs". Darüber hinaus sieht auch eine kurzfristige Priorität der<br />

Beitrittspartnerschaft für die Türkei vor, dass die Türkei sich eindeutig für gutnachbarliche<br />

<strong>DE</strong> 27 <strong>DE</strong>


Beziehungen engagiert, Probleme löst, die zu Irritationen im Verhältnis zu Nachbarn führen,<br />

und Maßnahmen unterlässt, die den Prozess einer friedlichen Beilegung von<br />

Grenzstreitigkeiten negativ beeinflussen könnten. In diesem Zusammenhang ist festzustellen,<br />

dass der Hinweis in der Entschließung des türkischen Parlaments von 1995, dass eine<br />

Ausdehnung der griechischen Hoheitsgewässer als „casus belli“ zu betrachten wäre, dennoch<br />

unverändert beibehalten wurde.<br />

Siehe Kapitel 31 - Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

3. WIRTSCHAFTLICHE KRITERIEN<br />

3.1. Einleitung<br />

Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Entwicklungen in der Türkei stützte sich die<br />

Kommission auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 1993 in<br />

Kopenhagen, wonach die Mitgliedschaft in der Union eine funktionierende Marktwirtschaft<br />

und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union<br />

standzuhalten, voraussetzt.<br />

3.2. Bewertung anhand der Kopenhagener Kriterien<br />

3.2.1. Funktionierende Marktwirtschaft<br />

Wesentliche Elemente der Wirtschaftspolitik<br />

Die Regierung konnte ihre wirtschaftspolitischen Anstrengungen durch die jüngsten<br />

Vereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen, insbesondere durch die<br />

Bereitschaftskreditvereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und das<br />

Weltbank-Darlehen für Entwicklungsprojekte des öffentlichen Sektors intensivieren. Das<br />

Wirtschaftsprogramm zur Beitrittsvorbereitung (PEP), das der Kommission im Dezember<br />

2005 vorgelegt wurde, lässt gute Fortschritte beim Ausbau der institutionellen Kapazitäten<br />

und nachdrückliches Engagement für weitere Reformen erkennen. Die Regierung verfolgte<br />

einen stetigen Reformkurs, auch wenn gelegentlich politische Erwägungen zu Verzögerungen<br />

bei den Reformmaßnahmen geführt haben. Die Haushaltsplanung und –koordinierung und die<br />

Festlegung des mittelfristigen wirtschaftspolitischen Rahmens wird durch die Verteilung der<br />

Kompetenzen auf verschiedene Regierungsbehörden behindert. So werden vereinzelte<br />

Beschlüsse auf Ad-hoc-Basis gefasst. Folgenabschätzungen fehlen entweder ganz oder<br />

werden anhand von lückenhaften Informationen durchgeführt. Insgesamt konnte die<br />

Regierung den Konsens über die makroökonomische Stabilisierung und die Strukturreformen<br />

weitgehend wahren.<br />

Makroökonomische Stabilität<br />

Im ersten Halbjahr 2006 ging das hohe reale BIP-Wachstum von 7,4%, im Jahr 2005 auf 7%<br />

zurück. Der private Verbrauch und die zunehmenden Investitionen trugen auf der<br />

Ausgabenseite zur Stärkung des BIP bei. In demselben Zeitraum war auch ein Nachlassen der<br />

Bruttoanlageinvestitionen von 24% im Jahr 2005 auf 19% zu beobachten. Da das<br />

Exportwachstum von 7,4% im Vorjahr auf 3,9% abgesunken war, fiel der Beitrag der<br />

Außenwirtschaft zum BIP negativ aus. Die rasch wachsende türkische Wirtschaft ist daher mit<br />

einem ebenfalls rapide zunehmenden außenwirtschaftlichen Ungleichgewicht konfrontiert.<br />

Verantwortlich dafür sind insbesondere die nur schleppend voranschreitenden<br />

<strong>DE</strong> 28 <strong>DE</strong>


Strukturreformen und der erhebliche Anstieg der Investitionsausgaben. Die Regierung<br />

reagierte unverzüglich durch eine Straffung der Haushalts- und Währungspolitik. Anhand von<br />

mit hoher Periodizität gemessenen Indikatoren lässt sich erkennen, dass diese Maßnahme<br />

Erfolg haben dürfte. Auch die Stärkung der Auslandsnachfrage könnte zur Belebung des<br />

Wachstums beitragen. Das türkische Pro-Kopf-Einkommen lag 2005 geringfügig über 25%<br />

des EU-25-Durchschnitts Insgesamt war also ein weiterhin starkes und ausgewogenes<br />

Wirtschaftswachstum zu verzeichnen.<br />

Das Leistungsbilanzdefizit verzeichnete 2005 einen drastischen Anstieg auf 6,3 % des BIP.<br />

Durch die starke Inlandsnachfrage, höhere Ölpreise und geringere Einnahmen aus dem<br />

Tourismus nahm das Defizit im ersten Halbjahr 2006 weiter zu und erreichte 7% des BIP.<br />

Gleichwohl kann die Türkei ihr Leistungsbilanzdefizit weiterhin problemlos finanzieren. In<br />

jüngster Zeit stiegen die Währungsreserven des Landes durch den hohen Kapitalzufluss aus<br />

Privatisierungen - auch von ausländischen Investoren - erheblich an. Der Anstieg der<br />

Investitionen wirkte sich auch auf das Leistungsbilanzdefizit aus, was mittelfristig die<br />

Exportkapazität der Wirtschaft stärken und ihre Anfälligkeit für Einflüsse von außen<br />

verringern dürfte.<br />

Trotz des starken Wachstums wurden nur wenige neue Arbeitsplätze geschaffen. Die<br />

Arbeitslosenquote schwankt zwischen 8% und 10%. Die Förderung der Beschäftigung<br />

scheitert nach wie vor an dem Missverhältnis zwischen vorhandenen und geforderten<br />

Qualifikationen sowie an der in mancher Hinsicht mangelnden Flexibilität des<br />

Arbeitsmarktes. Die Arbeitslosenquote ist bei den Jugendlichen noch sehr viel höher (ca. 18%<br />

) zudem sind mehr als die Hälfte der Arbeitsuchenden Langzeitarbeitslose. Die niedrigere<br />

Arbeitslosenquote in der Landwirtschaft, die auch unentlohnt arbeitende Familienangehörige<br />

einschließt, deutet auf ein hohes Maß an Unterbeschäftigung in der Wirtschaft hin. Überdies<br />

ging die Beschäftigungsquote bis Mitte 2006 geringfügig auf 43% zurück. Insbesondere bei<br />

den Frauen ist mit 23% weiterhin eine sehr niedrige Beschäftigungsquote zu verzeichnen.<br />

Insgesamt bleibt die Arbeitslosigkeit konstant auf hohem Niveau, bei nur geringer und weiter<br />

abnehmender Beteiligung am Arbeitsmarkt.<br />

Trotz der Anhebung der Steuern auf Alkohol und Tabakwaren und des rasanten Anstiegs der<br />

Ölpreise konnte die Inflationsrate aufgrund der erfolgreichen Inflationsbekämpfung im<br />

Dezember 2005 auf 7,7% gesenkt werden. Diese Entwicklung wurde von einer straffen<br />

Finanzpolitik, erheblichen Verbesserungen der Produktivität und der Stärkung der Lira<br />

getragen. Allerdings führten die jüngste Währungsschwäche und Energiepreiserhöhungen zu<br />

einer Umkehrung des Prozesses. Die durchschnittliche jährliche Verbraucherpreisinflation<br />

stieg bis August 2006 auf ungefähr 10% an. Zusätzlicher Druck, insbesondere durch die<br />

Wechselkursschwäche, dürfte somit die Erreichung des offiziellen Jahresendziels von 5% für<br />

die Verbraucherpreisinflation sehr schwierig machen. Trotz der energischen<br />

Inflationsbekämpfung ist die Inflation in letzter Zeit wieder angestiegen.<br />

In den Vorjahren ist es der Zentralbank der Türkei gelungen, den Inflationsdruck sehr<br />

erfolgreich zu dämpfen. Am 1. Januar 2006 führte die Zentralbank einen neuen<br />

finanzpolitischen Rahmen für die Festlegung des Inflationsziels ein, durch den die Strategie<br />

der Zentralbank an Transparenz gewinnen soll. Sie setzt als Hauptsteuerungsinstrument nach<br />

wie vor kurzfristige Zinssätze ein. Die meisten Mitglieder des Währungsausschusses und des<br />

Zentralbankvorstands sowie der Zentralbankgouverneur wurden erst vor Kurzem ernannt. Der<br />

neue strategische Rahmen und die Zusammensetzung des neuen Vorstands führten zu einer<br />

Neubeurteilung des Währungsrisikos am Markt. Diese veränderte Einschätzung, die mit einer<br />

generell schlechteren Bewertung der Schwellenländer einherging, führte zu einer drastischen<br />

<strong>DE</strong> 29 <strong>DE</strong>


Abwertung der Lira. Der Wechselkurs fiel im Mai und Juni 2006 gegenüber dem Euro um<br />

25%, erholte sich allerdings in den folgenden Monaten wieder. Die türkische Zentralbank<br />

erhöhte den Tagessollzins um 425 und die Ausleihesätze der Banken um 625 Basispunkte.<br />

Die Finanzmärkte zeigten sich jedoch in letzter Zeit sehr instabil.<br />

Die Konsolidierung des Staatshaushalt verläuft erwartungsgemäß. Das Ziel, 2005 einen<br />

Primärüberschuss von 6,5 % des BIP (IWF-Methode) zu erwirtschaften, wurde im Großen<br />

und Ganzen erreicht, und das Haushaltsdefizit ging von 5,7% des BIP im Jahr 2004 auf 1,2%<br />

des BIP im Jahr 2005 (gemäß EU-Standards) zurück. Die beschleunigte<br />

Haushaltskonsolidierung im Jahr 2005 ist in erster Linie auf die rasche Senkung der<br />

inländischen Realzinssätze zurückzuführen. Der Haushalt von 2006 sieht die Erwirtschaftung<br />

eines vergleichbaren Primärüberschusses im öffentlichen Sektor vor. Trotz der erheblichen<br />

Anhebung der Zinssätze wurde dieses Ziel im ersten Halbjahr 2006 fast erreicht. Im Frühjahr<br />

2006 wurde das Sozialversicherungsgesetz angenommen. Damit kann ein wichtiger Beitrag<br />

zur Konsolidierung geleistet werden, sofern es vollständig umgesetzt wird. Insgesamt war<br />

eine deutliche finanzpolitische Konsolidierung zu verzeichnen.<br />

Die Bruttostaatsverschuldung ging von 76,9% des BIP Ende 2004 auf 69,6 % Ende 2005<br />

zurück (gemäß EU-Rechnungslegungsstandards, ESVG 95). Dies war in erster Linie auf den<br />

erheblichen Primärüberschuss, ein kräftiges BIP-Wachstum und sinkende Zinsen<br />

zurückzuführen. Die Türkei erhielt von verschiedenen Ratingagenturen höhere<br />

Bonitätsbewertungen und nutzte dies für die Ausgabe mehrerer Staatsanleihen auf dem<br />

internationalen Markt. Die Laufzeiten haben sich, auch bei inländischen Anleihen, in der<br />

Folge beträchtlich verlängert und lagen zur Jahresmitte 2006 bei 30 Monaten. Mitte 2006<br />

waren rund 40% der Staatsverschuldung in Fremdwährung denominiert, gegenüber 45% im<br />

Jahr 2003. Dies weist daraufhin, dass die einheimische Währung an Boden gewinnt und die<br />

Anfälligkeit für exogene Störungen abnimmt. Die Änderungen der Schuldenstruktur und die<br />

längeren Laufzeiten verringerten auch das Risiko für die makroökonomische und finanzielle<br />

Stabilität.<br />

Die Maßnahmen zur Erhöhung der haushaltspolitischen Transparenz wurden fortgesetzt.<br />

Großer Nachdruck wurde auf die Umsetzung der angenommenen Gesetze, insbesondere des<br />

Gesetzes über die öffentliche Finanzverwaltung und Finanzkontrolle gelegt. Innerhalb des<br />

Finanzministeriums wurden mehrere Koordinierungs- und Kontrollgremien eingerichtet, um<br />

die Effizienz und Transparenz zu erhöhen. Dies hat sich auch auf die Aufstellung des<br />

Haushaltsplans positiv ausgewirkt. Insgesamt nahm die finanzpolitische Transparenz zu.<br />

Freies Spiel der Marktkräfte<br />

Die Regierung ist deutlich für die Unabhängigkeit der Regulierungs- und Aufsichtsbehörden<br />

der verschiedenen Wirtschaftszweige eingetreten. Die Sonderprivilegien der Staatsbanken<br />

werden schrittweise abgeschafft. Auf staatliche Unternehmen entfallen rund 5 % des BIP und<br />

etwa 15% der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe. Die Staatsbanken erwirtschaften<br />

fast ein Drittel der Wertschöpfung im Bankensektor Die staatlichen Unternehmen und Banken<br />

beschäftigen jedoch nur 2,5% aller Erwerbstätigen. Insgesamt konnten sich die Marktkräfte<br />

weiter frei entfalten.<br />

Der Anteil der staatlich festgelegten Preise am Gesamtwert des Warenkorbs des<br />

Verbraucherpreisindexes (VPI) beträgt derzeit 10,2%. Die Preisreformen sind noch nicht<br />

abgeschlossen. So liegen die Strompreise nach wie vor deutlich unter den Produktionskosten<br />

und werden über Quersubventionen finanziert. Die Liberalisierung der Preise ist bereits weit<br />

<strong>DE</strong> 30 <strong>DE</strong>


vorangeschritten, stagniert jedoch und konnte keine weiteren nennenswerten Fortschritte<br />

verzeichnen.<br />

Ungehinderter Marktzu- und -austritt<br />

Die Gesamteinnahmen aus Privatisierungen beliefen sich 2005 auf 2,8% des BIP. Zu den<br />

bedeutendsten Privatisierungsprojekten zählten die Ölraffinerie Tupras und das Eisen- und<br />

Stahlunternehmen Erdemir. Auch die Privatisierung der Turk Telekom ist abgeschlossen. Bei<br />

der Privatisierung des türkischen Stromversorgungsunternehmens kam es dagegen zu<br />

Verzögerungen. Außerhalb der Landwirtschaft befinden sich nur noch 5% der Unternehmen<br />

in staatlicher Hand. Insgesamt wurden die Privatisierungen in großem Umfang fortgesetzt.<br />

2005 wurden fast 100.000 Unternehmensneugründungen verzeichnet, gleichzeitig meldeten<br />

mehr als 26.000 Unternehmen Konkurs an - in beiden Fällen ein Zuwachs von 5% gegenüber<br />

2004. Beschränkungen für ausländische Beteiligungen bestehen nach wie vor in den<br />

Bereichen Zivilluftfahrt, Seeverkehr, Straßenverkehr, Bodenabfertigungsdienste,<br />

Bootsvermietung, Rundfunksendungen, Stromversorgung, finanzielle Kapitalgesellschaften,<br />

private Arbeitsvermittlung, Fremdenverkehr, sowie im Bildungssektor und im<br />

Verteidigungssektor. Beim Abbau der Markaustrittsschranken gab es keine wesentlichen<br />

Fortschritte.<br />

Angemessenes Rechtssystem<br />

Die rechtlichen Grundlagen einschließlich für die Regelung der Eigentumsrechte sind<br />

vorhanden. Allerdings liegt zwischen der Verabschiedung von Gesetzen und ihrer<br />

tatsächlichen Umsetzung oft eine große Zeitspanne. Die Gerichte, insbesondere die<br />

Handelsgerichte, arbeiten relativ langsam. Entscheidungen der Behörden und Gerichte, sind<br />

auch für ausländische Investoren nach wie vor nur sehr schwer durchsetzbar. . Das<br />

Sachverständigensystem hat sich zu einer quasi-justiziellen Parallelstruktur entwickelt. In<br />

mancher Hinsicht ist die juristische Ausbildung immer noch unzulänglich, was dazu führt,<br />

dass sich Verfahren in Handelssachen in die Länge ziehen. Die Umsetzung der Vorschriften<br />

über Eigentumsrechte, einschließlich der Rechte an geistigem Eigentum, lässt nach wie vor zu<br />

wünschen übrig Insgesamt ist die Umsetzung von Rechtsvorschriften und Verträgen noch<br />

verbesserungsbedürftig.<br />

Hinreichend entwickelter Finanzsektor<br />

Die Bankdarlehen stiegen im ersten Quartal 2006 auf 110% des BIP an, gegenüber 82% im<br />

entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Leistungsfähigkeit der Finanzintermediation hat<br />

zugenommen, wie aus der schrittweisen Verringerung der Spanne zwischen Einlagen- und<br />

Kreditzinsen von 6 % im Jahr 2004 auf 4,6 % Ende 2005 ersichtlich ist. Durch die Zunahme<br />

ausländischer Beteiligungen im Bankensektor entwickelte sich ein stärkerer Wettbewerb. Der<br />

Anteil der Banken mit ausländischer Mehrheitsbeteiligung am gesamten Anlagevermögen der<br />

türkischen Banken ist von 5% im Jahr 2004 auf 15% Mitte 2006 angestiegen. Allerdings ging<br />

die Kapitalrendite und die Eigenkapitalrendite zurück, was auf sinkende Gewinnspannen im<br />

Bankensektor hinweist. Der Bankensektor hat erheblich an Bedeutung gewonnen und die<br />

Finanzintermediation wurde deutlich ausgebaut.<br />

Auch der Börsenhandel hat zwar in den letzten Jahren zugenommen, bleibt aber mit nur 289<br />

Gesellschaften, die Ende September 2006 börsennotiert waren, relativ unbedeutend. Zu den<br />

börsennotierten Gesellschaften gehören auch große Konglomerate und Banken sowie einige<br />

staatliche Großunternehmen. Trotz des 2003 bis 2005 verzeichneten massiven Anstiegs des<br />

<strong>DE</strong> 31 <strong>DE</strong>


Aktienindexes, wurde 2006 nur eine relativ geringe Marktkapitalisierung von 50% des BIP<br />

erreicht. Der kleine Versicherungssektor ist klein und wird von Banken und multinationalen<br />

Unternehmen dominiert. Für seine Regulierung ist das Schatzamt zuständig. Der<br />

Nichtbankensektor hat weiter zugelegt.<br />

Die Aufsicht über den Finanzsektor wird durch ein neues Bankengesetz gestärkt, das im<br />

Oktober 2005 vom Parlament angenommen wurde. Sobald alle Bestimmungen des Gesetzes<br />

vollständig umgesetzt sind, werden deutlich höhere Anforderungen und strengere Regeln für<br />

die Finanzaufsicht gelten. Die meisten sekundärrechtlichen Vorschriften wurden 2006<br />

eingeführt. Auch die entsprechenden Vorschriften, mit denen die Regulierungs- und<br />

Aufsichtszuständigkeiten für Finanz-Holdinggesellschaften, Leasinggesellschaften,<br />

Factoringgesellschaften und Verbraucherkreditbanken auf die Regulierungs- und<br />

Aufsichtsbehörde für das Bankenwesen übertragen werden, wurden bereits erlassen.<br />

Insgesamt wurde die Aufsicht über den Finanzsektor weiter gestärkt.<br />

3.2.2. Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union<br />

standzuhalten<br />

Funktionierende Marktwirtschaft<br />

Dank der Strukturreformen und der makroökonomischen Stabilisierung konnte das Klima für<br />

Unternehmen und Investitionen schrittweise verbessert werden. Bestimmte Mängel, die das<br />

Funktionieren des Marktes beeinträchtigen, wie die geringe Transparenz der<br />

Beihilferegelungen, wurden allerdings noch nicht beseitigt und beeinträchtigen auch die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft´. Die in jüngster Zeit aufgetretenen Fluktuationen auf<br />

dem Finanzmarkt haben zwar das Vertrauen in die Rahmenbedingungen des privaten und des<br />

öffentlichen Sektors erschüttert, aber gleichzeitig einen Beweis für die Widerstandskraft der<br />

Wirtschaft geliefert. Insgesamt ist eine weitere Verbesserung des Funktionierens der<br />

Marktkräfte festzustellen.<br />

Ausreichende personelle und materielle Ressourcen<br />

Die Bildungsausgaben nahmen zu und es wurden auch einige Reformen durchgeführt. Die<br />

Regierung beabsichtigt die Bildungsausgaben von 8,8% der Gesamtausgaben im Jahr 2004<br />

auf 12,4 % im Jahr 2006 anzuheben. Diese Erhöhung entspricht nicht nur dem steigenden<br />

Finanzierungsbedarf durch die wachsende junge Bevölkerung, sondern soll auch eine größere<br />

Abdeckung des Bildungsbedarfs und eine Verbesserung der Qualität der Bildung einleiten.<br />

Die Reformen sehen auch eine Verlängerung der Sekundarstufe von drei auf vier Jahre vor.<br />

Allerdings sind das Bildungsniveau und die Qualität der Bildung weiterhin maßgeblich vom<br />

Einkommen, dem Geschlecht und der Region abhängig. Der Wissensstand der Schüler in der<br />

Sekundarstufe ist in der Regel nach wie vor niedrig. Qualität, Transparenz und der Zugang zu<br />

der Hochschulbildung sind weiterhin äußerst verbesserungsbedürftig. Insgesamt lässt sich<br />

feststellen, dass sich die Reformen und die höheren Ausgaben im Bildungsbereich zwar<br />

positiv auf das Bildungsniveau ausgewirkt haben, hier jedoch noch gravierende Probleme zu<br />

lösen sind.<br />

Die Erwerbsquoten sind insbesondere bei Frauen und älteren Menschen niedrig und gingen<br />

2005 und 2006 weiter zurück. Zusätzlicher Druck wird durch die rasche Zunahme der<br />

Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und die Abwanderung aus dem Agrarsektor ausgeübt,<br />

durch die ein massiver Bedarf an Arbeitsplätzen entstanden ist. Bisher wurde das Problem der<br />

ausgeprägten Schattenwirtschaft kaum systematisch angegangen. An dem<br />

<strong>DE</strong> 32 <strong>DE</strong>


Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes wurden keine nennenswerten Änderungen<br />

vorgenommen. Hier liegt der Schwerpunkt weiterhin auf der Sicherung der Arbeitsplätze. Zu<br />

berücksichtigen ist auch, dass weniger als 4% der Arbeitslosen Arbeitslosenunterstützung<br />

erhalten. Die Lohnnebenkosten sind nach wie vor hoch. Da die aktiven<br />

arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu punktuell sind, wurden nur begrenzte Erfolge bei der<br />

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erzielt. Auf die weiterhin problematische Situation auf dem<br />

Arbeitsmarkt wurde also nur in begrenztem Umfang durch beschäftigungspolitische<br />

Maßnahmen reagiert.<br />

Auch 2005 wurde die starke Investitionstätigkeit fortgesetzt. Die Bruttoanlageinvestitionen<br />

verzeichneten einen Anstieg auf rund 20% des nominalen BIP, in dem sich die starke private<br />

Kapitalbildung von rund 15,3% des nominalen BIP niederschlägt. Der ADI-Nettozufluss<br />

nahm 2005 deutlich zu und erreichte 2,8% des BIP nach nur 0,8% im Jahr 2004. . Der<br />

Privatisierungsprozess wurde im ersten Halbjahr 2006 fortgesetzt, so dass der starke<br />

Kapitalzufluss anhielt. Der Gesamtbestand an ausländischen Direktinvestitionen belief sich<br />

2005 auf rund 1.300 EUR pro Kopf. Vor allem im Groß- und Einzelhandel spielen<br />

ausländische Beteiligungen eine wichtige Rolle - fast 36% aller Unternehmen mit<br />

ausländischer Beteiligung sind in diesem Sektor tätig. Insgesamt nahmen sowohl die<br />

inländischen als auch die ausländischen Investitionen deutlich zu.<br />

Um den angestrebten Zielwert für den Primärüberschuss zu erreichen, wurden die<br />

Infrastrukturinvestitionen zurückgefahren. Weder beim Straßen- noch beim Schienennetz sind<br />

nennenswerten Entwicklungen zu verzeichnen. Mit der Fertigstellung der Ölpipeline Baku-<br />

Tbilisi-Ceyhan wurde die Energieinfrastruktur erheblich ausgebaut. Der Versorgungsgrad bei<br />

den Mobilfunkanschlüssen ist bis März 2006 auf 64% angestiegen. Bei den<br />

Internetanschlüssen hat sich der Anteil von 1% auf 2% der Bevölkerung erhöht. Die F&E -<br />

Ausgaben sind weiterhin niedrig. Allerdings wurde eine Strategie zur Intensivierung der<br />

Anstrengungen und Verbesserung der Ergebnisse in diesem Bereich festgelegt. Für 2006 ist<br />

eine Aufstockung der im Staatshaushalt veranschlagten F&E-Mittel um 20% vorgesehen.<br />

Bislang konnten nur mäßige Fortschritte bei der Modernisierung der Infrastruktur erzielt<br />

werden.<br />

Angemessene sektorspezifische und unternehmenspezifische Strukturen<br />

Fortschritte konnten bei der strukturellen Umgestaltung der Wirtschaft erzielt werden. Der<br />

Anteil der Erwerbstätigen im Agrarsektor ging 2005 deutlich von 33% auf 26% zurück. Diese<br />

Entwicklung hielt auch 2006 an. Neue Arbeitsplätze entstanden in der Industrie,<br />

einschließlich dem Baugewerbe, so dass der Anteil der Erwerbstätigen in diesem Sektor 2005<br />

von 18% auf 26% anstieg. Durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Industrie- und<br />

Dienstleistungssektor konnte jedoch der Rückgang der Beschäftigung in der Landwirtschaft<br />

nicht vollständig ausgeglichen werden. Der Anteil des Agrarsektors am BIP sank von 11,7 auf<br />

10,7%, während der Industriesektor zulegte und seinen Anteil am BIP von 29,7% auf 31,2<br />

steigerte. Der Anteil des Dienstleistungssektors am BIP blieb mit rund 58% unverändert.<br />

Insgesamt kam die wirtschaftliche Umstrukturierung rascher voran.<br />

Obwohl die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) rund 75% aller Erwerbstätigen<br />

beschäftigen, liegt ihr Wertschöpfungsanteil 15 lediglich bei 27%. Viele KMU sind der<br />

Schattenwirtschaft zuzurechnen, was ihren Spielraum für Produktivitätssteigerungen<br />

15 Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2004, neuere Angaben liegen nicht vor.<br />

<strong>DE</strong> 33 <strong>DE</strong>


einschränkt. Der Zugang zu Finanzmitteln hat sich für die KMU jedoch verbessert, da der<br />

Bankensektor seine Darlehenstätigkeit ausgeweitet hat. Trotzdem decken Bankdarlehen<br />

bislang nur ca. 10% des Finanzierungsbedarfs der KMU. Die wichtigste Finanzierungsquelle<br />

bleibt daher das Eigenkapital. Vor allem die zu erbringenden Sicherheitsleistungen und die<br />

hohen Zinsen stehen der Darlehensaufnahme im Wege. So sind die KMU zwar nach wie vor<br />

wichtige Leistungsträger der Wirtschaft, werden jedoch durch ihre geringe Effizienz und die<br />

ausgeprägte Schattenwirtschaft behindert.<br />

Die Umstrukturierung der Unternehmen schreitet voran und wurde in einigen Bereichen, wie<br />

im Telekommunikationssektor, durch Privatisierungen unterstützt. Trotz einiger Fortschritte<br />

bei der Umstrukturierung und den Vorbereitungsarbeiten für die Privatisierung der<br />

staatseigenen Banken ist die Türkei gegenüber dem festgelegten Zeitplan in Rückstand<br />

geraten. Auch die Umstrukturierung und Liberalisierung des Energiesektors kam nicht wie<br />

vorgesehen voran. Zu den wichtigsten noch ungelösten Problemen in diesem Sektor gehören<br />

die Quersubventionierungen und die hohen Stromverluste bei der Verteilung. Die deutlichen<br />

Produktivitätssteigerungen im Privatsektor lassen den Erfolg der voranschreitenden<br />

Umstrukturierungen erkennen. Insgesamt wurde der Umstrukturierungsprozess fortgesetzt.<br />

Einfluss des Staates auf die Wettbewerbsfähigkeit<br />

Die Arbeit der Wettbewerbsbehörde ist nach wie vor als zufrieden stellend zu bewerten und<br />

ihre Rolle wurde durch den Privatisierungsprozess weiter gestärkt. Die Transparenz im<br />

Unternehmenssektor nahm zu und die Rechnungslegungsstandards wurden angepasst,<br />

allerdings noch nicht vollständig angewandt. Keine Fortschritte sind bei der Schaffung einer<br />

Aufsichtsbehörde für staatliche Beihilfen zu verzeichnen. Das Wettbewerbsklima wird durch<br />

das Fehlen einer transparenten Überwachung und einer politischen Strategie zur Vermeidung<br />

von Wettbewerbsverzerrungen beeinträchtigt. Die Strategie für das öffentliche<br />

Beschaffungswesen wird durch weitere Ausnahmen, die von dem Regulierungsrahmen<br />

abweichen, untergraben. So sind insgesamt zwar einige Fortschritte in Bezug auf die<br />

Wettbewerbspolitik zu verzeichnen, in bestimmten Bereichen bestehen die Mängel jedoch fort<br />

oder haben sogar zugenommen.<br />

Integration in den EU-Handel<br />

2005 verzeichneten die Ein- und Ausfuhren einen Anstieg um 3% auf und entsprachen damit<br />

rund 54% des BIP. Der Anteil der türkischen Ausfuhren in die EU an den Gesamtausfuhren<br />

ging von 54,5% im Jahr 2004 auf 52,4% im Jahr 2005 zurück, da die Ausfuhren in andere<br />

Märkte sprunghaft zugenommen hatten. Gleichzeitig ist auch der Anteil der Einfuhren aus der<br />

EU an den türkischen Gesamteinfuhren von 46,5% auf 42,2% zurückgegangen. Die EU ist<br />

nach wie vor der wichtigste Handelspartner der EU, aber auch andere Märkte gewinnen an<br />

Bedeutung. Insgesamt setzte sich die handelspolitische Öffnung des Landes fort und die Zahl<br />

der Handelspartner nahm zu.<br />

Die Arbeitsproduktivität hat sich verbessert und stieg im verarbeitenden Gewerbe während<br />

des Berichtszeitraums um 8% an. Auch im öffentlichen Sektor nahm die Produktivität weiter<br />

zu und verzeichnete eine Steigerung um 10%, während gleichzeitig 7% der Stellen abgebaut<br />

wurden. Der auf den Lohnstückkosten basierende reale effektive Wechselkurs ist bis Februar<br />

2006 deutlich angestiegen. Die massive Abwertung der Währung, die im Mai einsetzte,<br />

bewirkte eine Umkehrung der Entwicklung Im Juli und August war erneut ein leichter<br />

Aufwärtstrend festzustellen, aber der reale effektive Wechselkurs kam nicht über das Niveau<br />

des Jahresendes 2004 hinaus. Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Arbeitsproduktivität<br />

<strong>DE</strong> 34 <strong>DE</strong>


weiter verbessert hat und die bisherige Entwicklung des realen effektiven Wechselkurses<br />

durch einen drastischen Abwärtstrend umgekehrt wurde.<br />

4. FÄHIGKEIT ZUR ERFÜLLUNG <strong>DE</strong>R AUS <strong>DE</strong>R MITGLIEDSCHAFT ERWACHSEN<strong>DE</strong>N<br />

VERPFLICHTUNGEN<br />

In diesem Teil wird bewertet, inwieweit die Türkei fähig ist, die aus der EU-Mitgliedschaft<br />

erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen und den Besitzstand, d. h. die Verträge, das<br />

Sekundärrecht und die sektoralen Politiken der Union zu übernehmen. Außerdem wird die<br />

Fähigkeit der türkischen Verwaltungen zur Umsetzung des Besitzstands bewertet. Dabei<br />

werden die 33 Kapitel des Besitzstands nacheinander behandelt.<br />

<strong>DE</strong> 35 <strong>DE</strong>


<strong>DE</strong> 36 <strong>DE</strong>


4.1. Kapitel 1: Freier Warenverkehr<br />

Begrenzte Fortschritte sind im Bereich der allgemeinen Grundsätze für den freien<br />

Warenverkehr zu vermelden.<br />

Das neue Systeme für technische Vorschriften und Normung zielt auf die Angleichung an die<br />

EU-Vorschriften über die Sicherheit von aus Drittländern eingeführten Erzeugnissen<br />

(Verordnung (EWG) Nr. 339/93) sowie an die allgemeinen Grundsätze ab. Dadurch wurde<br />

die Anzahl der Erzeugnisse, die bei der Einfuhr verbindliche Normen oder technische<br />

Spezifikationen einhalten müssen, sektorenübergreifend um mehr als die Hälfte reduziert.<br />

Grundsätzlich sind Erzeugnisse, die sich im freien Verkehr in der EU befinden und die<br />

Kennzeichnung „e”, „E” oder „CE” tragen, von Konformitätsbewertungsverfahren befreit.<br />

Durchführungsvorschriften und administrative Anforderungen führen jedoch zu<br />

Einschränkungen des freien Verkehrs dieser Erzeugnisse.<br />

Gute Fortschritte wurden bei den horizontalen Maßnahmen erzielt. Auf dem Gebiet der<br />

Normung sank die Anzahl der verbindlichen Normen erheblich, vor allem im Bereich des<br />

neuen Konzepts, wo sie von 300 im Jahr 2005 auf 29 im Jahr 2006 zurückging. Die übrigen<br />

verbindlichen Normen betreffen vor allem Bauprodukte. Das türkische Normungsinstitut<br />

(TSE) nahm außerdem EN-Normen des Europäischen Komitees für Normung (CEN), des<br />

Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung (CENELEC) und des Europäischen<br />

Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI) an. Rund 90 % der CEN- und 88 % der<br />

CENELEC-Normen wurden inzwischen übernommen.<br />

Was die Konformitätsbewertung anbelangt, so wurden erhebliche Fortschritte erzielt, die<br />

allerdings eine begrenzte Anzahl von Aktivitäten und Sektoren betreffen. Die Türkei kann der<br />

Europäischen Kommission nun Konformitätsbewertungsstellen melden.<br />

Bei der Akkreditierung sind einige Fortschritte zu verzeichnen. TURKAK, die türkische<br />

Akkreditierungsbehörde, unterzeichnete die multilateralen Übereinkommen der Europäischen<br />

Kooperation für Akkreditierung (EA) in den Bereichen Eich- und Prüflabors,<br />

Qualitätssicherungszertifizierungsstellen und Inspektionsstellen.<br />

Begrenzte Fortschritte wurden auf dem Gebiet des Messwesens und der zugehörigen<br />

Verwaltungskapazitäten erzielt. Bei der Marktaufsicht konnte eine gewisse Entwicklung<br />

festgestellt werden. Das Ministerium für Industrie und Handel übte über das Netz seiner<br />

Provinzämter Marktaufsichtstätigkeiten aus. Das Gesundheitsministerium begann mit der<br />

Umsetzung seiner Marktaufsichtsstrategie in den Bereichen Spielzeug und Medizinprodukte<br />

und die Telekommunikationsbehörde setzte ihre umfassende Marktaufsichtstätigkeit fort.<br />

Äußerst begrenzte Fortschritte machte die Marktaufsicht im Bauwesen und auf dem Gebiet<br />

der persönlichen Schutzausrüstungen. An der Marktaufsicht sind zahlreiche Einrichtungen<br />

beteiligt. Die erforderlichen Verwaltungskapazitäten sind in den zuständigen Ministerien<br />

vorhanden, doch die Organisation und Koordinierung reichen für eine wirksame<br />

Durchführung der Marktaufsicht nicht aus.<br />

Einige Fortschritte wurden im Bereich der Produktvorschriften des neuen Konzepts erzielt.<br />

So traten Vorschriften über Schiffsausrüstungen sowie über Baby- und Spielzeugartikel aus<br />

Weich-PVC in Kraft. Im Amtsblatt wurden zur Information der Industrie harmonisierte<br />

Normen für Spielzeug, Druckbehälter und Gasverbrauchseinrichtungen sowie Gewichte<br />

veröffentlicht, die der näheren Erläuterung der Rechtsvorschriften dienen. Allerdings wurden<br />

Praktiken, die zu technischen Handelsschranken führen, weiter fortgesetzt. Dazu gehören<br />

<strong>DE</strong> 37 <strong>DE</strong>


Prüfgebühren für Messinstrumente. Die Vorschriften über Fertigpackungen werden<br />

angewandt.<br />

Bedingte Fortschritte sind bei Arzneimitteln zu verzeichnen. Die Vorschriften über<br />

Humanarzneimittel sind auf einem guten Stand. Allerdings bietet die Ungewissheit<br />

hinsichtlich der Zulassungsregelung für eine Reihe von Generika, für die vor dem 1. Januar<br />

2005 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt wurde, nach wie vor Anlass zu<br />

Besorgnis und Meinungsverschiedenheiten. In weiteren Bereichen, vor allem bei<br />

Tierarzneimitteln, Chemikalien und Kosmetika, sind keinerlei Entwicklungen zu vermelden.<br />

Weitere Fortschritte wurden bei den sektoralen Vorschriften des neuen Konzepts erzielt. Die<br />

Rechtsangleichung ist generell weit fortgeschritten und in einigen Sektoren bereits<br />

abgeschlossen.<br />

Die Angleichung an die Produktvorschriften des alten Konzepts ist recht weit<br />

fortgeschritten und kam in begrenztem Maß weiter voran. Einige Fortschritte wurden bei<br />

Kraftfahrzeugen erzielt. Allerdings stehen die Anforderungen der Kontrollbescheinigungen<br />

teilweise nicht mit dem Besitzstand im Einklang und stellen somit eine technische<br />

Handelsschranke dar, die mit den aus der Zollunion erwachsenden Verpflichtungen der<br />

Türkei unvereinbar ist.<br />

Was die Verfahren und vor allem das Meldeverfahren betrifft, so schritt die Angleichung an<br />

die Richtlinie über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen<br />

Vorschriften fort. Die Anzahl der Meldungen stieg an.<br />

Im nichtharmonisierten Bereich wurden keine Fortschritte verzeichnet. Die Vorschriften<br />

über die gegenseitige Anerkennung und Notifizierung müssen noch verabschiedet werden.<br />

Keine Fortschritte gab es bei Kulturgütern und Schusswaffen.<br />

Die Türkei verweigerte Schiffen und Flugzeugen unter zyprischer Flagge oder deren letzter<br />

Anlaufhafen in Zypern lag, nach wie vor den Zugang zu ihren Häfen und Flughäfen. Diese<br />

Einschränkungen verhindern häufig, dass die wirtschaftlichste Art der Beförderung gewählt<br />

werden kann, und führen damit zu einer Behinderung des freien Warenverkehrs und des<br />

Handels. Sie verstoßen gegen den Zollunionbeschluss.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Fortschritte waren unterschiedlich. Verbesserungen gab es auf Gebieten wie<br />

Akkreditierung, Normung und Konformitätsbewertung sowie in den unter die Richtlinien des<br />

neuen Konzepts fallenden Bereichen, wo die Anzahl der verbindlichen Normen drastisch<br />

gesenkt wurde. Allerdings wurde die Ermittlung und Aufhebung von Vorschriften, die den<br />

allgemeinen Grundsätzen des freien Verkehrs von Erzeugnissen und der gegenseitigen<br />

Anerkennung zuwiderlaufen, noch nicht abgeschlossen. Die verbleibenden<br />

Einfuhrlizenzanforderungen verstoßen gegen die Artikel 28 bis 30 des EG-Vertrags.<br />

Technische Handelsschranken bestehen fort.<br />

Die Konformitätsbewertungsstrukturen wurden weiter ausgebaut und ermöglichen in einigen<br />

Bereichen für eine begrenzte Anzahl von Tätigkeiten die Benennung zugelassener Behörden.<br />

<strong>DE</strong> 38 <strong>DE</strong>


Die betroffenen Ministerien, vor allem das Ministerium für Industrie und Handel,<br />

intensivierten ihre Bemühungen um die Ausübung der Marktaufsicht. Dennoch gibt es noch<br />

kein wirksames landesweites Marktaufsichtssystem, das mit den Grundsätzen des neuen<br />

Konzepts im Einklang steht.<br />

4.2. Kapitel 2: Freizügigkeit der Arbeitnehmer<br />

Beim Zugang zum Arbeitsmarkt gab es keine Neuentwicklungen. Die Freizügigkeit der<br />

Arbeitnehmer ist durch mehrere Gesetze sowie den Status der Berufsverbände eingeschränkt.<br />

Die Modernisierung der Arbeitsämter wurde fortgesetzt. Mit Blick auf die künftige<br />

Beteiligung am EURES (European Employment Services)-Netz ist darauf zu achten, dass das<br />

Personal entsprechend geschult wird.<br />

Was die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme betrifft, so enthalten die neuen<br />

Reformgesetze Elemente, die die Arbeitsbedingungen und die Sozialversicherungsrechte<br />

ausländischer Staatsbürger regeln. Ausländische Staatsbürger, die länger als ein Jahr in der<br />

Türkei wohnen, werden unter das Allgemeine Krankenversicherungsgesetz fallen.<br />

Schlussfolgerung<br />

In diesem Kapitel wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Diese betrafen vor allem die<br />

Koordinierung der Sozialversicherungssysteme. Die Rechtsangleichung befindet sich in<br />

einem frühen Stadium. Die Verwaltungskapazitäten müssen ausgebaut werden.<br />

4.3. Kapitel 3: Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr<br />

Auf dem Gebiet des Niederlassungsrechts sind keine Neuentwicklungen zu vermelden. Das<br />

Gesetz über Arbeitsgenehmigungen für Ausländer befreit selbständige EU-Staatsbürger<br />

grundsätzlich von der Pflicht, eine Arbeitsgenehmigung zu beantragen. Diese Befreiung ist<br />

jedoch nach Auslegung der türkischen Verwaltung von der Gewährung von Gegenseitigkeit<br />

abhängig. Das Ministerium für Arbeit und Sozialversicherung ist für die<br />

Arbeitsgenehmigungen für Ausländer zuständig.<br />

Was die Anforderungen für die Eintragung von Unternehmen anbelangt, so blieb das<br />

Niederlassungsrecht für Ausländer eingeschränkt. Die sektoralen Rechtsvorschriften<br />

verlangen von Unternehmen, dass sie im Besitz einer Lizenz oder Genehmigung sind, die sie<br />

nur erhalten können, wenn sie Mitglied in einer Handelskammer, einem Handelsverband oder<br />

einer anderen berufsständischen Organisation sind. In einigen Sektoren dürfen Ausländer<br />

selbst dann keine Dienstleistungen erbringen, wenn ihr Unternehmen in der Türkei<br />

niedergelassen ist. Bestimmte Berufe dürfen nicht von Ausländern ausgeübt werden. Auf<br />

diesem Gebiet ist die Rechtsangleichung an den Besitzstand insgesamt begrenzt.<br />

Im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs sind keine nennenswerten Fortschritte zu<br />

verzeichnen. Dienstleister müssen grundsätzlich eine Lizenz oder Genehmigung beantragen,<br />

auch wenn sie die Dienstleistungen nur vorübergehend anbieten. Dies ist meist an die<br />

obligatorische Mitgliedschaft in einer berufständischen Organisation geknüpft. Ausländische<br />

Unternehmen, die vorübergehend Dienstleistungen anbieten, müssen sich auch bei der<br />

zuständigen Vereinigung registrieren lassen, d. h. beim Verband der türkischen<br />

Handelskammern und Rohstoffbörsen. Das Gesetz über Handwerker und Kunsthandwerker<br />

wurde geändert. Handwerkern und Händlern, die bei einer Handelskammer Mitglied sind,<br />

steht es nun frei, ihre Tätigkeit im ganzen Land auszuüben. Die Genehmigungsverfahren sind<br />

allerdings langwierig. Ingesamt ist die Rechtsangleichung in diesem Bereich noch begrenzt.<br />

<strong>DE</strong> 39 <strong>DE</strong>


Auf dem Gebiet der Postdienste gab es keine besonderen Entwicklungen. Die Türkei hat<br />

noch nicht mit der Angleichung ihrer Rechtsvorschriften begonnen. Es gibt immer noch ein<br />

gesetzliches Postmonopol (ohne Höchstgewicht). Die Generaldirektion für Post und<br />

Telekommunikation ist der einzige Erbringer von Universaldiensten. In der Praxis gibt es<br />

jedoch de facto privatwirtschaftliche Aktivitäten im Bereich der Eilkurierdienste und der<br />

privaten Paketdienste. Die Türkei verfügt nicht über eine unabhängige Regulierungsbehörde<br />

für die Gewährleistung der Einhaltung der Post-Richtlinie und des lauteren Wettbewerbs. Die<br />

mangelnde Transparenz des Buchführungssystems verhindert die Aufdeckung potenzieller<br />

Verzerrungen, die sich aus Missbräuchen beherrschender Marktstellungen oder aus<br />

Quersubventionierungen ergeben. Ingesamt ist in diesem Bereich noch keine<br />

Rechtsangleichung erfolgt.<br />

Die Türkei hat den in der Beitrittspartnerschaft erwähnten „Fahrplan“ für die Umsetzung des<br />

Besitzstands im Bereich der Postdienste nicht ausgearbeitet.<br />

Im Bereich der reglementierten Berufe wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Die<br />

Rechtsvorschriften der Türkei beinhalten keine allgemeine Regelung für die Anerkennung<br />

ausländischer Berufsqualifikationen im Unterschied zu Bildungsqualifikationen. Im<br />

September 2006 wurde ein Gesetz erlassen, durch das eine neue unabhängige Behörde die<br />

Zuständigkeit für Berufsstandards erhält. Die sektoralen Richtlinien über reglementierte<br />

Berufe wurden jedoch nicht umgesetzt und die Mindestausbildungsanforderungen für die<br />

Berufe des Gesundheitswesens wurden nicht an den Besitzstand angepasst. Die<br />

Verwaltungsstellen für die Anerkennung ausländischer Befähigungsnachweise beschränken<br />

sich auf die akademische Anerkennung, während für die Bescheinigung der beruflichen<br />

Befähigung und die Bearbeitung der von Ausländern vorgelegten Anerkennungsanträge keine<br />

Strukturen vorhanden sind. Die Staatsangehörigkeitserfordernisse für Berufe wie<br />

Rechtsanwälte, Ärzte, Zahnärzte und Hebammen sowie für Fluglotsen und private<br />

Sicherheitsdienste stehen nicht mit dem Besitzstand im Einklang. Ingesamt wurden die<br />

Rechtsvorschriften in diesem Bereich nur geringfügig an den Besitzstand angeglichen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Angleichung an den Besitzstand ist in diesem Bereich insgesamt begrenzt. Die EG-<br />

Grundsätze auf dem Gebiet des Niederlassungsrechts und der Dienstleistungsfreiheit wurden<br />

nicht vollständig übernommen. Bei der Liberalisierung der Postdienste und der Errichtung<br />

einer unabhängigen Regulierungsbehörde wurden keine Fortschritte erzielt. Im Bereich der<br />

reglementierten Berufe wurden begrenzte Fortschritte verzeichnet, doch die türkischen<br />

Rechtsvorschriften basieren auf einem anderen Konzept als der Besitzstand.<br />

4.4. Kapitel 4: Freier Kapitalverkehr<br />

Im Bereich des Kapital- und Zahlungsverkehrs sind keine Fortschritte zu vermelden. In der<br />

Türkei bestehen erhebliche Beschränkungen in Bereichen wie Kapitalabflüsse ins Ausland,<br />

Kredit- und Bargeldgeschäfte, ausländische Direktinvestitionen in einer Reihe von Sektoren,<br />

staatliche Sonderrechte an privatisierten Unternehmen und Grundbesitzerwerb durch<br />

Ausländer.<br />

Auf dem Gebiet des Grundbesitzes bedeuten die unlängst verabschiedeten Rechtsvorschriften<br />

einen Rückschritt. Mit dem geänderten Grundbuchgesetz werden der Grundsatz der<br />

Gegenseitigkeit für den Erwerb von Grundbesitz in der Türkei durch Ausländer sowie<br />

stärkere Einschränkungen dieses Rechts eingeführt, die u. a. die Größe und Lage des<br />

<strong>DE</strong> 40 <strong>DE</strong>


Grundbesitzes betreffen, der von Ausländern gekauft werden darf. Für ausländische<br />

Handelsunternehmen gelten beim Erwerb von Grundbesitz neben den Beschränkungen des<br />

Grundbuchgesetzes auch sektorale Vorschriften. Dazu zählen das Erdölgesetz, das<br />

Tourismusförderungsgesetz und das Gesetz über Industriegebiete. Der Ministerrat kann zum<br />

Schutz des öffentlichen Interesses und der nationalen Sicherheit den Verkauf bestimmter<br />

Grundstücke einschränken.<br />

Die Vorbereitungen auf die Rechtsangleichung im Bereich des Kapital- und Zahlungsverkehrs<br />

sind im Gange. In Bezug auf die Zahlungssysteme und die grenzüberschreitenden<br />

Überweisungen hat es begrenzte Fortschritte gegeben. Das neue Bankengesetz gestattet dem<br />

türkischen Bankenverband, ein außergerichtliches Streitbeilegungsorgan für Beschwerden<br />

über grenzüberschreitende Überweisungen einzurichten. Noch wurde diese Stelle jedoch nicht<br />

errichtet.<br />

Auf dem Gebiet der Bekämpfung der Geldwäsche wurden bei der Angleichung der immer<br />

noch lückenhaften Rechtsvorschriften an den Besitzstand keine Fortschritte erzielt. Das größte<br />

Problem im Zusammenhang mit der Geldwäsche in der Türkei ist das Fehlen wirksamer<br />

Durchsetzungsmechanismen. Einige Fortschritte wurden bei der Meldung verdächtiger<br />

Überweisungen verzeichnet (352 Meldungen an die Ermittlungsbehörde für<br />

Wirtschaftskriminalität, MASAK, verglichen mit 290 im Jahr 2004). Dennoch ist die Anzahl<br />

der Meldungen gering und sie beschränken sich auf den Bankensektor. In 33 Fällen wurden<br />

Strafverfahren eingeleitet, verglichen mit 41 im Jahr 2004. Auch Verurteilungen sowie die<br />

Beschlagnahme, Einziehung und das Einfrieren von Vermögenswerten blieben selten.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Fortschritte waren äußerst begrenzt. Auf dem Gebiet des Kapitalverkehrs bestehen<br />

wesentliche Beschränkungen, darunter bezüglich des Erwerbs von Grundbesitz durch<br />

Ausländer. Im Bereich der Zahlungssysteme ist die Rechtsangleichung auf einem niedrigen<br />

Stand. Die Angleichung der Rechtsvorschriften über Geldwäsche ist unvollständig. Die<br />

Ermittlungskapazitäten der Strafverfolgungsbehörden sind unzureichend und eine<br />

behördenübergreifende und internationale Zusammenarbeit findet kaum statt. Insgesamt ist<br />

die Rechtsangleichung begrenzt. Die Vorbereitungen auf die Rechtsangleichung im Bereich<br />

des Kapital- und Zahlungsverkehrs bedürfen weiterer Aufmerksamkeit.<br />

4.5. Kapitel 5: Öffentliches Beschaffungswesen<br />

Bei den allgemeinen Grundsätzen können keine Fortschritte vermeldet werden. Durch<br />

verschiedene sektorale Gesetze wurde eine Reihe von Ausnahmen zum Besitzstand in das<br />

türkische Gesetz über öffentliche Beschaffungen eingeführt. Unter anderem wurde durch ein<br />

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Finanzverwaltung und Finanzkontrolle<br />

eine Ausnahme für bestimmte Auftragsvergabeverfahren der türkischen Erdölgesellschaft<br />

eingeführt. Das Gesetz über die Agenturen für Regionalentwicklung (die die<br />

Entwicklungstätigkeiten in der gesamten Türkei koordinieren sollen) nimmt jeglichen von<br />

diesen Agenturen getätigten Erwerb von Waren und Dienstleistungen vom Geltungsbereich<br />

des Gesetzes über öffentliche Beschaffungen aus. Das Gesetz zur Errichtung einer Agentur<br />

für die Unterstützung und Förderung von Investitionen sieht für diese Agentur die gleiche<br />

Ausnahme vor. Darüber hinaus enthält das Gesetz über öffentliche Beschaffungen nach wie<br />

vor Elemente, durch die ausländische Bieter diskriminiert werden.<br />

<strong>DE</strong> 41 <strong>DE</strong>


In Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge können keine Fortschritte vermeldet<br />

werden. Das Amt für öffentliche Beschaffungen hat die Schwellen und finanziellen<br />

Höchstgrenzen für Beschaffungen aktualisiert; diese liegen immer noch über dem in der EG<br />

üblichen Niveau. Dadurch werden die Teilnahmemöglichkeiten ausländischer Bieter<br />

eingeschränkt. Darüber hinaus stellten komplizierte und kostspielige Qualifizierungsverfahren<br />

weiterhin ein bürokratisches Hindernis für einen größeren Wettbewerb bei öffentlichen<br />

Ausschreibungen dar.<br />

Zwischen den türkischen Rechtsvorschriften über öffentliche Beschaffungen und dem<br />

Besitzstand bestehen in mehrerer Hinsicht Diskrepanzen. Einige grundlegende Definitionen<br />

wie die der Begriffe „Auftraggeber“ und „Beschaffungsaufträge“ stimmen nicht mit den<br />

einschlägigen EU-Richtlinien überein. Weder für Konzessionen im Allgemeinen noch für<br />

Versorgungsleistungen gibt es einen klaren Rechtsrahmen. Im Gesetz über öffentliche<br />

Beschaffungen fehlen Bestimmungen über öffentliche Baukonzessionen.<br />

Was die Verwaltungskapazitäten anbelangt, so wird eine wirksame Arbeit des Amts für<br />

öffentliche Beschaffungen durch die unzulängliche Koordinierung auf Ebene der<br />

Politikgestaltung unterminiert. Das Beschaffungsamt und die Wirtschafts- und<br />

Technologiehochschule des TOBB führen ein Schulungsprogramm für potenzielle Bieter zu<br />

Vorgehensweisen im öffentlichen Beschaffungswesen durch.<br />

In Bezug auf die Rechtsbehelfe sind keine neuen Entwicklungen zu verzeichnen. Die<br />

Überprüfungsverfahren stehen nicht mit dem Besitzstand in Einklang. Bei der<br />

Beschwerdekammer für öffentliche Beschaffungen wurden 2 135 Beschwerden im<br />

Zusammenhang mit den 115 639 Ausschreibungen eingereicht, die 2005 veröffentlicht<br />

wurden. Damit stieg die Anzahl der Beschwerden im Vergleich zum Vorjahr um 47%.<br />

Schlussfolgerung<br />

In Bezug auf dieses Kapitel wurden nur äußerst geringe Fortschritte erzielt. Das<br />

Beschaffungssystem in der Türkei wurde in einigen Aspekten geschwächt, vor allem wurde<br />

der Anwendungsbereich der Beschaffungsvorschriften durch die Einführung sektoraler<br />

Ausnahmen eingeengt.<br />

Die Kapazitäten der durch das Gesetz über öffentliche Beschaffungen eingeführten<br />

Verwaltungsstrukturen reichen nicht aus. Das Beschaffungsamt ist weder in der Lage, eine<br />

schlüssige Politik in allen Bereichen des öffentlichen Beschaffungswesens sicherzustellen,<br />

noch die Anwendung der Beschaffungsvorschriften wirksam zu steuern. Es müssen<br />

Fortschritte gemacht werden, indem eine Einrichtung für das Beschaffungswesen eingeführt<br />

wird, die für eine kohärente Politik in allen Bereichen des öffentlichen Beschaffungswesens<br />

sorgt, indem eine umfassende Strategie eingeführt wird und indem der Anwendungsbereich<br />

der Rechtsvorschriften dahingehend geändert wird, dass alle einschlägigen Fragen erfasst<br />

werden.<br />

4.6. Kapitel 6: Gesellschaftsrecht<br />

Auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts gab es in Erwartung der Verabschiedung des neuen<br />

Handelsgesetzbuchs keine Fortschritte bei der Angleichung des türkischen Rechtsrahmens.<br />

Die (von den Handelskammern geführten) Unternehmensregister verfügen nicht über die<br />

technische Infrastruktur für die Erfüllung der einschlägigen Anforderungen des Besitzstands.<br />

<strong>DE</strong> 42 <strong>DE</strong>


Im Bereich der Rechnungslegung wurden einige Fortschritte erzielt. Das türkische Amt für<br />

Rechnungslegungsstandards (TASB) hat fast alle der International Accounting Standards<br />

(IAS) und International Financial Reporting Standards (IFRS) übernommen. Diese sind<br />

jedoch weder rechtsverbindlich noch werden sie generell von türkischen Unternehmen<br />

angewandt. Darüber hinaus sind die Angehörigen der Rechnungslegungs- und<br />

Rechnungsprüfungsberufe in der Türkei aufgrund von Lücken in den allgemeinen und<br />

beruflichen Bildungsprogrammen nicht in der Lage, den Besitzstand anzuwenden.<br />

Die Türkei verfügt nicht über einen allgemeinen Rechnungslegungsrahmen, der international<br />

anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen entsprechen würde. Die meisten Unternehmen<br />

erstatten auf der Grundlage steuerbezogener Anforderungen Bericht. Öffentliche<br />

Unternehmen arbeiten ihre Berichte im Einklang mit den von der Kapitalmarktbehörde<br />

festgelegten Anforderungen aus. Die Rechnungslegungspflichten für Banken werden von der<br />

Regulierungs- und Aufsichtbehörde für den Bankensektor festgelegt. Beide stehen<br />

weitgehend im Einklang mit den IAS/IFRS. Die Vorschriften weichen jedoch in einigen<br />

Aspekten ab, vor allem hinsichtlich des Umfangs der Konsolidierung, von dem<br />

Nichtfinanzunternehmen einer Gruppe ausgenommen sind.<br />

Bei den Verwaltungskapazitäten des TASB gab es einige Fortschritte. Das Amt zog in<br />

endgültige Räumlichkeiten ein, das Personal wurde aufgestockt und weitere Einstellungen<br />

sind im Gange. Die Offenlegungspflichten müssen verstärkt werden.<br />

Im Bereich der Rechnungsprüfung wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Im Juni 2006 gab<br />

die Kapitalmarktbehörde ein Kommuniqué über unabhängige Rechnungsprüfungsstandards<br />

im Kapitalmarkt heraus, mit dem die „International Standards of Audit (ISA)“ der<br />

International Federation of Accountants eingeführt wurden. Die Regulierungs- und<br />

Aufsichtsbehörde für den Bankensektor verabschiedete Durchführungsvorschriften zu<br />

Rechnungsprüfungsgrundsätzen. Die Kapitalmarktbehörde und die Regulierungs- und<br />

Aufsichtsbehörde für den Bankensektor schreiben vor, dass die Abschlüsse von<br />

börsennotierten Unternehmen bzw. von Banken geprüft werden. Allerdings gibt es keinen<br />

allgemeingültigen Rahmen, der international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen<br />

entsprechen würde, und der Reglementierungsrahmen für den Beruf des Rechnungsprüfers<br />

bedarf erheblicher Verbesserungen.<br />

Die Berichte unabhängiger Rechnungsprüfungsgesellschaften über staatliche<br />

Aktiengesellschaften unterliegen Qualitätskontrollen der Kapitalmarktbehörde. Die<br />

Kontrollen werden auf Zufallsbasis oder bei Bedenken hinsichtlich der Qualität der Berichte<br />

durchgeführt. Zuständig dafür ist die Abteilung für Rechungslegung und Rechnungsprüfung<br />

der Kapitalmarktbehörde, die 2005 über 7 Bedienstete verfügte (2004 waren es 9). Allerdings<br />

sind nur 613 (2005) von etwa 2 048 059 (2005) Unternehmen staatliche Aktiengesellschaften<br />

(s. Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen).<br />

Schlussfolgerung<br />

In Bezug auf dieses Kapitel gab es begrenzte Fortschritte, die sich auf den Bereich der<br />

Rechnungslegung konzentrierten.<br />

Die internationalen Rechnungslegungsstandards der IFRS und der ISA wurden angenommen.<br />

Sie sind für die Mehrheit der türkischen Unternehmen jedoch nicht rechtsverbindlich und<br />

wurden nicht konsequent durchgesetzt. Wirtschaft, Investoren und die Öffentlichkeit sind<br />

nicht ausreichend aufgeklärt. Der allgemeine Stand der Rechtsangleichung ist sowohl auf dem<br />

<strong>DE</strong> 43 <strong>DE</strong>


Gebiet des Gesellschaftsrechts als auch hinsichtlich der Vorlage von<br />

Unternehmensabschlüssen niedrig.<br />

4.7. Kapitel 7: Rechte an geistigem Eigentum<br />

Bei der Angleichung der Rechtsvorschriften an die Gemeinschaftsvorschriften über<br />

Urheberrechte und verwandte Schutzrechte wurden in begrenztem Maß weitere<br />

Fortschritte erzielt. Was die Anwendung betrifft, so wurde die Verordnung über Verfahren<br />

und Grundsätze für die Verwendung von Banderolen geändert, wodurch die Bedingungen für<br />

die Anbringung von Banderolen gelockert wurden. Es wurde eine Verordnung über die<br />

Aufzeichnung und Registrierung von geistigen und künstlerischen Werken veröffentlicht.<br />

Bestimmte Werke müssen nun registriert sein, um geschützt zu werden, was dem Abkommen<br />

von Rom zuwiderläuft.<br />

Die häufige Änderung der Rechtsvorschriften schränkte deren Vorhersehbarkeit und<br />

Durchsetzbarkeit ein. Der Regulierungsrahmen für Verwertungsgesellschaften ist<br />

unzulänglich und ungenau. Die Verwertungsgesellschaften werden nicht ausreichend<br />

überwacht. Die Auseinandersetzungen zwischen Verwertungsgesellschaften über die<br />

Vertretung von Rechteinhabern halten an.<br />

Insgesamt hat die Türkei ihre Rechtsvorschriften über Urheberrecht und verwandte<br />

Schutzrechte weitgehend angeglichen. Problembereiche waren nach wie vor die<br />

unzulänglichen Verwaltungskapazitäten, häufige und widersprüchliche Änderungen der<br />

Rechtsvorschriften sowie Auseinandersetzungen über die kollektive Rechtewahrnehmung.<br />

Bei den gewerblichen Schutzrechten wurden wenig Fortschritte erzielt. Es fanden weitere<br />

Seminare zur Sensibilisierung von KMU, Rechteinhabern und der Öffentlichkeit statt. Was<br />

die Verwaltungskapazitäten betrifft, so hat das türkische Patentamt seine IT-Strukturen und<br />

Online-Dienste verbessert. Die Datenbanken für eingetragene gewerbliche Muster,<br />

Handelsmarken und Patente wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, damit vorab nach<br />

früheren Rechten und dem Stand der Rechte gesucht werden kann. Dadurch sinken die Kosten<br />

für die Anmelder deutlich und das Anmeldeverfahren wird verkürzt. Allerdings gibt es einige<br />

Schwachstellen im Funktionieren des Patentamts, die vor allem Berufungs- und<br />

Einspruchsverfahren für Markenanmeldungen betreffen. Diese sind langwierig und die<br />

Entscheidungen oft unzureichend begründet. Darüber hinaus wurden einige bösgläubig<br />

vorgenommene und/oder keine unterscheidungskräftigen Bestandteile enthaltenden<br />

Musteranmeldungen registriert, die nur durch Gerichtsurteile annulliert werden können.<br />

Was die Durchsetzung der Rechtsvorschriften betrifft, so leisten die für die Bekämpfung von<br />

Nachahmungen zuständigen Kommissionen der Provinzen keine wirksame Arbeit. Das dritte<br />

Zivilgericht für gewerbliche Schutzrechte wurde eingerichtet, doch die Anzahl derartiger<br />

Gerichte und ihre logistische Infrastruktur reichen nicht aus. So kam es weiter zu<br />

Schwierigkeiten bei der Erwirkung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsbefehlen bei<br />

nicht spezialisierten niedrigeren Gerichten. Die Ausbildung der Richter muss verbessert<br />

werden.<br />

Die nationale Polizei setzte ihre Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte an geistigem und<br />

gewerblichem Eigentum und die Schulung ihres Personals fort. Gegen Produktpiraterie und<br />

Nachahmung wird jedoch nicht im Kontext der Bekämpfung der organisierten Kriminalität<br />

vorgegangen und die Gesamtkapazitäten der Strafverfolgungsbehörden reichen nach wie vor<br />

<strong>DE</strong> 44 <strong>DE</strong>


nicht aus. Dies hat zur Folge, dass ein wesentlicher Anteil des türkischen Markts für Bücher<br />

und Musik in den Händen von Piraterie-Händlern liegt.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Rechtsangleichung ist in diesem Kapitel bereits weit fortgeschritten. Es wurden keine<br />

weiteren Verbesserungen bei der Angleichung der Vorschriften über Urheberrecht und<br />

verwandte Schutzrechte vorgenommen. Die Verwaltungskapazitäten wurden ausgebaut,<br />

reichen jedoch vor allem beim Urheberrecht und bei den verwandten Schutzrechten noch<br />

immer nicht aus. Insgesamt werden die Rechtsvorschriften nicht wirksam genug durchgesetzt.<br />

Mängel gibt es noch bei der Anwendung der Rechtsvorschriften durch nichtspezialisierte<br />

niedrigere Gerichte, und es wird zu starker Gebrauch von der Möglichkeit gemacht,<br />

Sachverständige als Zeugen heranzuziehen. Die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen<br />

den zuständigen Einrichtungen, d. h. dem Justizministerium, der Justiz, der Polizei, dem<br />

Finanzministerium, dem Unterstaatssekretariat für Zoll, den Gemeinden und den<br />

Rechteinhabern, müssen weiter verstärkt werden.<br />

4.8. Kapitel 8: Wettbewerbspolitik<br />

Die seit dem letzten Bericht erzielten Fortschritte bei der Wettbewerbspolitik ergeben ein<br />

uneinheitliches Bild.<br />

Was den Kartellbereich sowie die Fusionen betrifft, so schritt die Rechtsangleichung voran.<br />

Die Wettbewerbsbehörde glich ihre Gruppenfreistellungsvorschriften auf dem Gebiet des<br />

Kraftfahrzeugvertriebs an den Besitzstand an. Darüber hinaus änderte sie ihr Kommuniqué<br />

über Bußgelder, um deren Höhe ab Ende 2006 heraufzusetzen. Die sektorspezifischen<br />

Gruppenfreistellungsvorschriften im Versicherungs-, Telekommunikations- und Postwesen<br />

müssen noch an den Besitzstand angeglichen werden und die Vorschriften für<br />

Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit und die De-minimis-Regeln sind noch in<br />

das Wettbewerbsrecht aufzunehmen. Was die Rechtsdurchsetzung anbelangt, so verhängte die<br />

Wettbewerbsbehörde weiter Geldbußen für die Verletzung der Wettbewerbsregeln,<br />

beispielsweise in der Stahlindustrie. Der Stand der Rechtsangleichung bei den<br />

Kartellvorschriften ist hoch.<br />

Die Wettbewerbsbehörde spielte weiter eine aktive Rolle in der Fusionskontrolle; wichtig<br />

waren vor allem Privatisierungsfälle, durch die ihre Präsenz für die Marktteilnehmer besser<br />

sichtbar wurde. Was die Rechtsangleichung betrifft, so änderte die Wettbewerbsbehörde die<br />

Fusionskontrollvorschriften, um Geldbußen für nicht bei ihr angemeldete Fusionen<br />

einzuführen. Falls festgestellt wird, dass die Genehmigung einer Fusion auf falschen Angaben<br />

der Antragsteller beruht, kann die Wettbewerbsbehörde darüber hinaus die Ermittlungen<br />

wieder aufnehmen und die Fusion gegebenenfalls untersagen.<br />

Die Wettbewerbsbehörde ist verwaltungstechnisch wie operationell unabhängig. Sie verfügt<br />

über ausreichende Verwaltungskapazitäten für die Durchsetzung der kartellrechtlichen<br />

Bestimmungen und der Fusionskontrolle. Die Behörde misst der regelmäßigen Schulung ihres<br />

Personals große Bedeutung bei. Die Verpflichtung von Staat und Legislative zur Beseitigung<br />

und Vermeidung gesetzlicher Wettbewerbsschranken kann besser eingehalten werden, wenn<br />

die Stellungnahmen der Behörde zu allen Gesetzentwürfen, die sich auf den Wettbewerb<br />

auswirken können, konsequent berücksichtigt werden.<br />

Die Verwaltungskapazitäten des Obersten Verwaltungsgerichts bereiten immer noch Sorge.<br />

Die Bearbeitung von Berufungsfällen im Wettbewerbsbereich erfolgt nur langsam.<br />

<strong>DE</strong> 45 <strong>DE</strong>


Hinsichtlich der Angleichung der Vorschriften über öffentliche Unternehmen und<br />

Unternehmen mit Ausschließlichkeits- und Sonderrechten kann keine Neuentwicklung<br />

vermeldet werden. Die Türkei muss die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen<br />

Behörden und öffentlichen Unternehmen sicherstellen.<br />

Was die Durchsetzungsbilanz anbelangt, so erließ die Wettbewerbsbehörde 2005 insgesamt<br />

317 Entscheidungen, von denen 97 Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln, 50 Negativatteste<br />

und 170 Fusionen und Übernahmen betrafen. Die Wettbewerbsbehörde verhängte in 12 Fällen<br />

Geldbußen in Höhe von insgesamt 25 040 479 TRL (rund 12,5 Mio. EUR).<br />

Die Angleichung der Rechtsvorschriften über staatliche Beihilfen stagniert und auch die<br />

Einrichtung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde für staatliche Beihilfen macht keine<br />

Fortschritte. Dadurch verzögert sich nicht nur die Annahme von Durchführungsvorschriften<br />

zum Wettbewerbsgesetz, zu der die Türkei gemäß Assoziationsratsbeschluss 1/95 verpflichtet<br />

ist, sondern es werden auch erhebliche Wettbewerbsverzerrungen verursacht.<br />

Die Rechtsvorschriften wurden geändert, um die Möglichkeit der Ausgabe neuer<br />

Investitionsförderungszertifikate an die Stahlindustrie auszusetzen. Die Unternehmen<br />

profitierten allerdings weiter von der Wirkung früherer Zertifikate. Die Türkei hat entgegen<br />

ihren Verpflichtungen aus dem 1996 mit der EGKS geschlossen Freihandelsabkommen keine<br />

ausreichende Transparenz der im Stahlsektor gewährten Beihilfen sichergestellt. Am 31.<br />

August 2006 übermittelte die Türkei der Kommission ein nationales<br />

Umstrukturierungsprogramm für den Stahlsektor. Es wird derzeit von den<br />

Kommissionsdienststellen geprüft.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Angleichung der Kartellvorschriften an den Besitzstand ist weit vorangeschritten. Das<br />

Gesetz über den Schutz des Wettbewerbs und die Verordnung über Fusionen und<br />

Übernahmen spiegeln die wichtigsten Grundsätze der Gemeinschaftsvorschriften wider. Die<br />

Durchsetzung der Vorschriften durch die Wettbewerbsbehörde ist weiter als zufrieden<br />

stellend zu bewerten. Auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen wurden seit dem letzten<br />

Bericht keine Fortschritte erzielt. Die Türkei verfügt weder über den erforderlichen<br />

Rechtsrahmen noch über die Verwaltungsstrukturen für die Gewährleistung von Transparenz<br />

und die Umsetzung der einschlägigen EU-Vorschriften.<br />

4.9. Kapitel 9: Finanzdienstleistungen<br />

Im Bankwesen gab es einige Fortschritte. Es trat ein neues Bankengesetz in Kraft, mit dem<br />

die Kredithöchstgrenze für Mutterunternehmen auf den EU-Standard gesenkt wurde. Darüber<br />

hinaus wurde mit diesem Gesetz eine risikobasierte Beaufsichtigung eingeführt, das Monopol<br />

der vereidigten Bankprüfer für innerbetriebliche Prüfungen aufgehoben und eine Kommission<br />

für den Finanzsektor eingesetzt, um die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsstellen des<br />

Finanzsektors zu verbessern. Einige Fortschritte wurden hinsichtlich der Annahme neuer<br />

Durchführungsbestimmungen durch die Regulierungs- und Aufsichtbehörde für den<br />

Bankensektor erzielt, einschließlich sekundärer Vorschriften über die Grundsätze für<br />

Systemprüfungen. Der Ausschluss der Nichtfinanzunternehmen einer Gruppe aus den<br />

konsolidierten Abschlüssen von Banken unterminiert die wirksame Beaufsichtigung von<br />

Banken, die Teile von Mischkonzernen sind (s. Kapitel 6 – Gesellschaftsrecht). Die<br />

Regulierungs- und Aufsichtsbehörde für den Bankensektor stockte ihr Personal auf und<br />

veröffentlichte einen Strategischen Plan für 2006-2009 mit den wesentlichen strategischen<br />

<strong>DE</strong> 46 <strong>DE</strong>


Zielen. Das Inkrafttreten einer neuen Satzung des türkischen Bankenverbands stellt eine<br />

positive Entwicklung dar, da damit bezweckt wird, die Diskriminierung gegenüber Banken in<br />

ausländischem Besitz abzuschaffen. Die Aufsichtsverfahren, vor allem die konsolidierte<br />

Beaufsichtigung, befinden sich noch in einem frühen Stadium. Ingesamt wurde die<br />

Rechtsangleichung an den Besitzstand im Banksektor nur teilweise vollzogen.<br />

Im Versicherungssektor und bei den Zusatzrenten gab es einige Fortschritte. Für<br />

Versicherungen, Rückversicherungen und Rentenversicherungsgesellschaften wurde eine<br />

neue Solvabilitätsregelung verabschiedet. Sie ähnelt dem derzeit geltenden EU-Rahmen<br />

„Solvabilität I“, orientiert sich jedoch auch an der laufenden Studie zu „Solvabilität II“. Das<br />

geltende Versicherungsaufsichtsgesetz ist veraltet; mehrere Bestimmungen wurden durch<br />

Gerichtsurteile aufgehoben. In der Türkei gibt es keine spezifischen Rechtsvorschriften über<br />

die Beaufsichtigung von Versicherungskonzernen, über konsolidierte Abschlüsse von<br />

Versicherungen und über Rückversicherungen. Letztere fallen derzeit unter die Vorschriften<br />

für Schadensversicherungen. Was den Besitzstand auf dem Gebiet der spezifischen<br />

Schadensversicherungen betrifft, so verfügt die Türkei nicht über Vorschriften für<br />

Mitversicherungen, Kreditversicherungen, Rechtsschutzversicherungen und<br />

Reiseversicherungen. Das Untersekretariat des Schatzamtes reguliert und beaufsichtigt den<br />

Versicherungssektor, einschließlich der Zusatzrenten. Innerhalb des Schatzamts ist die<br />

Generaldirektion Versicherungen für die Regulierungstätigkeit und die externe<br />

Beaufsichtigung zuständig, während das Versicherungsaufsichtsgremium interne Kontrollen<br />

in den Unternehmen durchführt. Die Durchsetzungskapazität und Unabhängigkeit dieser<br />

Stellen sowie die Koordinierung zwischen ihnen befinden sich noch in einem frühen<br />

Entwicklungsstadium. Trotz gewisser Fortschritte ist die Angleichung der Rechtsvorschriften<br />

an den Besitzstand im Versicherungsbereich noch begrenzt.<br />

Einige Fortschritte sind auf dem Gebiet der Wertpapiermärkte und –dienstleistungen zu<br />

verzeichnen. Die Ausgabe der ersten Unternehmensobligationen des Privatsektors seit zehn<br />

Jahren stellt eine begrüßenswerte Entwicklung dar. Als positiv ist auch die Verabschiedung<br />

von Vorschriften zu bewerten, die eine bessere Information der Kunden vorsehen und die<br />

Beschränkungen hinsichtlich der Beteiligungsgrenzen für Brokerfirmen aufheben. Allerdings<br />

sind die Fortschritte noch gering, vor allem bei den Anlegerentschädigungssystemen, der<br />

grenzübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen, den Offenlegungspflichten und den<br />

Emissionsprospekten. Die Angleichung an die Marktmissbrauchsrichtlinie ist begrenzt. Die<br />

Kapazitäten von Verwaltung und Justiz zur Durchsetzung der Kapitalmarktvorschriften<br />

reichen nicht ganz aus. Die Kapitalmarktbehörde reguliert und überwacht die<br />

Wertpapierdienstleistungen und -märkte in der Türkei. Ihre Verwaltungskapazitäten als<br />

Regulierungsbehörde sind recht zufrieden stellend, müssen jedoch im Auge behalten werden,<br />

wenn die türkischen Rechtsvorschriften weiter an den Besitzstand angeglichen werden. Die<br />

Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden ist unterentwickelt.<br />

Die Vorschriften über Wertpapierdienstleistungen und –märkte sind teilweise an den<br />

Besitzstand angeglichen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Türkei hat in diesem Kapitel Fortschritte erzielt. Sie erließ ein neues Bankengesetz. Im<br />

Bereich Versicherungen und Zusatzrenten stellt die Verabschiedung einschlägiger<br />

Solvabilitätsvorschriften eine Verbesserung dar. Insgesamt wurden die<br />

Versicherungsvorschriften jedoch nur in geringem Maß an den Besitzstand angepasst. Auf<br />

dem Gebiet der Wertpapierdienstleistungen und –märkte bedarf es einer weiteren Anpassung<br />

<strong>DE</strong> 47 <strong>DE</strong>


ei den Anlegerentschädigungssystemen, der grenzübergreifenden Erbringung von<br />

Dienstleistungen, den Offenlegungspflichten und den Emissionsprospekten. Die<br />

Aufsichtskapazitäten befinden sich in einem frühen Aufbaustadium, vor allem im<br />

Versicherungssektor und auf den Wertpapiermärkten.<br />

4.10. Kapitel 10: Informationsgesellschaft und Medien<br />

Im Bereich elektronische Kommunikation und Informationstechnologien wurden einige<br />

Fortschritte erzielt. Die Türkei setzte ihre Bemühungen um die Rechtsangleichung mit der<br />

Verabschiedung neuer Durchführungsvorschriften fort. So erließ sie im Mai 2006 eine<br />

Durchführungsverordnung über „Wegerechte“. Darüber hinaus erteilte sie eine große Anzahl<br />

entsprechender Lizenzen, einschließlich Infrastrukturlizenzen. Die Betreiberauswahl und<br />

Betreibervorauswahl sind in einigen kürzlich geschlossenen<br />

Zusammenschaltungsvereinbarungen enthalten. Allerdings ist bisher nur eine geringe Anzahl<br />

neuer Anbieter operationell. Dies bedeutet, dass der effektive Wettbewerb auf dem<br />

Festnetztelefonmarkt sich noch im Anfangsstadium befindet. Außerdem steht die Umsetzung<br />

von Vorkehrungen zur Sicherung des Wettbewerbs, wie Teilnehmeranschlussentbündelung<br />

und Nummernübertragbarkeit, noch aus. In diesem Bereich basieren die türkischen<br />

Rechtsvorschriften auf dem EU-Regulierungsrahmen von 1998. Die<br />

Telekommunikationsbehörde hat auf dieser Grundlage Beschlüsse über Marktanalysen<br />

gefasst. Diese wurden allerdings im Geltungsbereich des Regulierungsrahmens von 2002<br />

durchgeführt. Die Türkei hat noch keine neuen Rechtsvorschriften erlassen, die an den<br />

Rahmen von 2002 angepasst sind.<br />

Neue Beschlüsse, den Universaldienst auszuweiten, indem eine nationale Strategie zur<br />

Bekämpfung der Computerinkompetenz (einschließlich der Gewährung eines Exklusivrechts<br />

an einen Betreiber für die Erbringung dieser Dienste) sowie die Entwicklung des digitalen<br />

Fernsehens in der Türkei einbezogen werden, stehen nicht im Einklang mit dem geltenden<br />

EU-Recht.<br />

Die einheitliche europäische Notrufnummer 112 wurde – neben anderen Notrufnummern – als<br />

einheitliche Notrufnummer eingeführt und kann kostenlos angerufen werden.<br />

Die Mehrheit der Anteile an Türk Telekom wurde an den Privatsektor veräußert. Im Mai 2006<br />

erwarb Vodafon den Mobilfunkbetreiber Telsim. Auf dem Mobiltelefonmarkt herrscht mit<br />

drei Anbietern und einer Marktpenetration von 63,7 % (Stand: Mai 2006) Wettbewerb. Auf<br />

dem Festnetzmarkt fällt dieser vor allem deswegen geringer aus, weil die entsprechenden<br />

wettbewerbssichernden Vorkehrungen noch nicht eingeführt wurden. Die Penetration bei<br />

Internetdiensten erreichte im Mai 15,5 %. Der Mangel an Wettbewerb ist der Hauptgrund für<br />

die geringe Breitbandabdeckung, die mit ständigen Qualitätsproblemen und hohen Gebühren<br />

verbunden ist.<br />

Die Telekommunikationsbehörde stockte ihr Personal auf und 128 Personen sind nun<br />

unmittelbar mit Regulierungsaufgaben befasst. Angesichts des erwarteten Zutritts neuer<br />

Anbieter und der zunehmenden Angleichung an den Regulierungsrahmen der EU müssen ihre<br />

Verwaltungskapazitäten weiter überwacht werden. Bei den Verwaltungskapazitäten des<br />

Verkehrsministeriums gab es keine Fortschritte. Die Rechtsangleichung in diesem Bereich ist<br />

derzeit insgesamt als zufrieden stellend zu bezeichnen.<br />

Die Marktentwicklung wurde weiter durch sehr hohe Steuern für Kommunikationen<br />

beeinträchtigt, nämlich 15 % im Festnetztelefonbereich und 25 % im Mobiltelefonbereich<br />

<strong>DE</strong> 48 <strong>DE</strong>


zusätzlich zu der Mehrwertsteuer von 18 %. Darüber hinaus werden verschiedene Abgaben<br />

erhoben, vor allem von den Mobiltelefonbetreibern.<br />

Was die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft anbelangt, so verabschiedete die<br />

Türkei im Juni 2006 einen Strategie- und Aktionsplan für die Informationsgesellschaft. Die<br />

Türkei hat die EU-Standards für den elektronischen Geschäftsverkehr und für<br />

zugangskontrollierte Dienste noch nicht übernommen. Rechtsvorschriften über<br />

Computerkriminalität wurden nicht verabschiedet. Ingesamt ist die Rechtsangleichung in<br />

diesem Bereich begrenzt.<br />

Auf dem Gebiet Medien und audiovisuelle Politik sind die türkischen Rechtsvorschriften<br />

nur in geringem Maß an die europäischen Standards und den einschlägigen Besitzstand<br />

angeglichen. Die Fortschritte entsprechen bei den meisten entsprechenden Prioritäten der<br />

Beitrittspartnerschaft nicht den Vorgaben.<br />

Trotz eines Vorankommens bei den Rechtsvorschriften und des Inkrafttretens des neuen<br />

Strafgesetzbuchs wird die freie Meinungsäußerung durch den derzeitigen gesetzlichen<br />

Rahmen nicht garantiert. Diffamierung gilt als Straftat, die Gefängnisstrafen nach sich zieht.<br />

Darüber hinaus dehnt das unlängst vom Parlament verabschiedete Antiterrorgesetz den<br />

Umfang der als terroristische Akte verfolgbaren Straftaten aus und beinhaltet Beschränkungen<br />

für die Nachrichtenmedien. Bisher haben die vom Justizminister an das Justizwesen<br />

gerichteten Rundschreiben nicht dafür gesorgt, dass die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs<br />

gemäß den europäischen Standards angewandt werden (s. Abschnitt „Menschenrechte und<br />

Minderheitenschutz“). Die Angleichung an diese Standards ist im Medienbereich äußerst<br />

begrenzt.<br />

Die Angleichung der türkischen Rechtsvorschriften an den Besitzstand im audiovisuellen<br />

Bereich beschränkt sich auf einige Bestimmungen über Werbung und Jugendschutz. Das<br />

Gesetz über die Einrichtung von Radio- und Fernsehgesellschaften und ihre Sendungen<br />

bereitet außerdem Probleme in Bezug auf Definitionen, Gerichtsbarkeit, Übertragungsfreiheit,<br />

Großveranstaltungen, Förderung unabhängiger Werke und Beschränkungen für ausländische<br />

Beteiligungen an Fernsehgesellschaften. Was die Verwaltung des Rundfunksektors anbelangt,<br />

so war der Oberste Rat der Radio- und Fernsehanstalten (RTÜK) bisher nicht in der Lage<br />

Frequenzen neu zuzuweisen und die befristeten Lizenzen wirksam zu überprüfen.<br />

Was den Zugang zu Radio- und Fernsehdiensten betrifft, so wurden Fortschritte bei lokalen<br />

und regionalen Sendungen in anderen Sprachen als Türkisch erzielt. Aufgrund der<br />

Verordnung von 2004 über Fernseh- und Radiosendungen in anderen von türkischen Bürgern<br />

gesprochenen Sprachen und Dialekten sind solche Fernsehsendungen allerdings auf 45<br />

Minuten täglich und vier Stunden wöchentlich beschränkt, Radiosendungen auf 60 Minuten<br />

täglich und fünf Stunden wöchentlich. RTÜK beschloss im Mai 2006, diese Beschränkungen<br />

für Musik und Kinofilme aufzuheben. Da dieser Beschluss den Rundfunkanstalten jedoch<br />

nicht offiziell mitgeteilt wurde, nahmen sie aus Angst vor Sanktionen von der Überschreitung<br />

der vorherigen Grenzen Abstand. Nachrichten und laufende Ereignisse unterliegen weiterhin<br />

Beschränkungen. Live-Sendungen sind nicht verboten, werden aber in der Praxis durch das<br />

Erfordernis der Untertitelung oder Verdolmetschung sämtlicher Programme sehr erschwert.<br />

Es dürfen keine Bildungsprogramme zum Erlernen der kurdischen Sprache oder für Kinder<br />

ausgestrahlt werden und alle Sendungen müssen türkische Untertitel haben. Gegen diese<br />

Verordnung ist eine Beschwerde anhängig. Bei 12 Anträgen erhielten drei Medienbetriebe<br />

Genehmigungen für Sendungen in kurdischen Dialekten und begannen mit der Ausstrahlung<br />

(s. Abschnitt „Menschenrechte und Minderheitenschutz“).<br />

<strong>DE</strong> 49 <strong>DE</strong>


Auf nationaler Ebene strahlt die öffentliche türkische Radio- und Fernsehanstalt (TRT)<br />

Sendungen auf Bosnisch, Arabisch, Chakassisch, Kurmandschi und Zazaisch aus. Allerdings<br />

sind diese Sendungen auf fünf Tage wöchentlich und 30-35 Minuten täglich beschränkt und<br />

betreffen lediglich Nachrichten, Sport, Musik und Dokumentarfilme, nicht aber<br />

beispielsweise Kinderprogramme.<br />

Die Frage der Unabhängigkeit der öffentlichen Sendeanstalt TRT und des Obersten Rats der<br />

Radio- und Fernsehanstalten, einschließlich einer angemessenen Finanzierung, bereitet immer<br />

noch Sorge.<br />

Schlussfolgerung<br />

Auf diesem Gebiet wurden Fortschritte erzielt. Die Türkei hat eine gute Grundlage für eine<br />

weitere Rechtsangleichung im Bereich der elektronischen Kommunikation und der<br />

Informationstechnologien geschaffen. Die Angleichung der Vorschriften über Medien und<br />

audiovisuelle Politik blieb jedoch äußerst begrenzt.<br />

4.11. Kapitel 11: Landwirtschaft<br />

Die Fortschritte bei der Rechtsangleichung sind uneinheitlich. Die Türkei nahm ein neues<br />

Landwirtschaftsgesetz zur Umsetzung ihres Strategiepapiers 2006-2010 für die<br />

Landwirtschaft an. Das Gesetz legt Nachdruck auf die Erhöhung der Produktivität sowie die<br />

Gewährleistung der Nahrungsmittelversorgung und räumt der Lebensmittelsicherheit und<br />

Verbraucherfragen Priorität ein. Es lässt die Türkei weiter von den Grundsätzen der<br />

reformierten GAP abrücken, da die Subventionierung der Produktion zum<br />

Schlüsselinstrument der Agrarpolitik erklärt wird. Als positiv ist hervorzuheben, dass die<br />

Wettbewerbsfähigkeit und Modernisierung des Agrarsektors und der ländlichen Gebiete<br />

Priorität erhalten. Darüber hinaus bildet das Gesetz die Rechtsgrundlage für bestimmte<br />

Verwaltungssysteme (Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem, Informationsnetz<br />

landwirtschaftlicher Buchführungen), die für die Umsetzung des Besitzstands erforderlich<br />

sind.<br />

Die Verwaltungskapazitäten des Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche<br />

Angelegenheiten wurden nicht ausgebaut, was die Durchführung einer Reihe der von der EU<br />

finanzierten Projekte beeinträchtigte. Die Umstrukturierung des Ministeriums hat sich<br />

verzögert. Es gibt immer noch keine klare Aufgabenteilung und die Kompetenzkonflikte<br />

zwischen verschiedenen Stellen bestehen fort. Was die horizontalen Maßnahmen anbelangt,<br />

so hat die Türkei bei der Anpassung ihrer Rechtsvorschriften an den Besitzstand begrenzte<br />

Fortschritte erzielt. Es wurden erste Schritte unternommen, um den Einsatz des Integrierten<br />

Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKOs) vorzubereiten. Das Register der<br />

landwirtschaftlichen Betriebe steht nicht im Einklang mit den EU-Verordnungen. Bei der<br />

Errichtung des Informationsnetzes landwirtschaftlicher Buchführungen wurden keine<br />

Fortschritte erzielt.<br />

Was die bilateralen Handelsbeziehungen anbelangt, so stellen die gegen die bilateralen<br />

Verpflichtungen verstoßenden technischen Handelsschranken der Türkei für Rindfleisch und<br />

lebende Rinder nach wie vor das größte Problem dar. Darüber hinaus bedarf der vom TMO<br />

betriebene Mechanismus für die Unterstützung von Weizenmehlausfuhren besonderer<br />

Aufmerksamkeit. Der Unterschied zwischen dem auf dem Inlandsmarkt erzielten Preis und<br />

dem Preis, zu dem Ausführer Weizen erwerben, ist als prohibitive Ausfuhrsubvention<br />

anzusehen. Ferner ist die Übereinstimmung des Mechanismus mit den Verpflichtungen der<br />

Türkei im Rahmen der WTO zu prüfen.<br />

<strong>DE</strong> 50 <strong>DE</strong>


Bei der Angleichung an die gemeinsamen Marktorganisationen wurden begrenzte<br />

Fortschritte erzielt, was im jetzigen Stadium des Erweiterungsprozesses verständlich ist.<br />

Allerdings ist eine größere Transparenz der bestehenden Interventionssysteme erforderlich;<br />

besonderes Augenmerk ist auf die öffentliche Unterstützung für staatliche<br />

Wirtschaftsunternehmen wie das Turkish Grain Board (TMO) zu richten. Mit der bilateralen<br />

Unterstützung für die Umsetzung der Vermarktungsstandards für Oliven und Olivenöl wurde<br />

begonnen. Was Obst und Gemüse betrifft, so läuft das Genehmigungsverfahren für die<br />

Konformitätsprüfungen, die die Türkei bei der Ausfuhr in die EU durchführt. Dies wird die<br />

Zollverwaltungsverfahren vereinfachen.<br />

Im Bereich der ländlichen Entwicklung sind begrenzte Fortschritte zu vermelden. Es wurde<br />

eine nationale Strategie verabschiedet, die die Grundlage für einen Aktionsplan und für die<br />

finanzielle Heranführungshilfe (IPARD) bilden muss. Die Programmierung für IPARD wurde<br />

eingeleitet. Mit der Einbeziehung der entsprechenden Akteure wurde erst begonnen. Was die<br />

Verwaltungsstrukturen anbelangt, so wurde das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche<br />

Angelegenheiten zur Verwaltungsstelle für das IPARD-Programm ernannt. Ihm wurde<br />

Personal zugeteilt, das nun weiter geschult und in bestimmte Aufgabenbereiche eingewiesen<br />

werden muss. Allerdings wurden die Rechtssetzungsarbeiten zu den operationellen Strukturen<br />

noch nicht abgeschlossen; dies gilt auch für die Rechtsgrundlage für die IPARD-Stelle.<br />

Dadurch könnte sich der Beginn des Akkreditierungsprozesses und damit der Einsatz von<br />

IPARD-Mitteln in der Türkei erheblich verzögern.<br />

Im Bereich der Qualitätssicherung gab es keine Neuentwicklungen. Einige Fortschritte<br />

wurden in Bezug auf den ökologischen Landbau erzielt. Mit den Ausbildungsprogrammen<br />

wurde begonnen. Die Diskussionen über die künftige Aufnahme der Türkei in die<br />

Drittländerliste der EU kamen voran. Die Aufnahme wird die Anerkennung des türkischen<br />

Zertifizierungssystems für die Ausfuhr türkischer ökologischer Erzeugnisse in die EU<br />

ermöglichen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Angleichung an den Besitzstand ist nach wie vor begrenzt. Einige geringfügige<br />

Fortschritte wurden bei der ländlichen Entwicklung erzielt, doch die Verzögerungen bei der<br />

Einführung der erforderlichen Rechtsvorschriften und Verwaltungsstrukturen gefährden den<br />

rechtzeitigen Einsatz von IPARD erheblich. Die meisten Verwaltungsstrukturen für die GAP<br />

fehlen noch. Der Trend zu einer stärkeren Unterstützung der Produktion läuft der GAP-<br />

Reform von 2003 zuwider. Insgesamt befinden sich die Vorbereitungen in diesem Kapitel<br />

noch im Anfangsstadium.<br />

4.12. Kapitel 12: Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit<br />

Was die Rechtsvorschriften anbelangt, so wurde das Paket „Nahrungsmittel, Futtermittel und<br />

Veterinärvorschriften“ noch nicht verabschiedet.<br />

Auf Ebene der allgemeinen Lebensmittelpolitik wurden bei der Übernahme und Umsetzung<br />

des Besitzstands begrenzte Fortschritte erzielt. Was die Beteiligung am Schnellwarnsystem<br />

für Nahrungs- und Futtermittel betrifft, so werden die Warnungen nach wie vor nicht<br />

ausreichend überwacht, und das Netz für den Informationsaustausch zwischen den zentralen<br />

und lokalen Stellen ist immer noch lückenhaft.<br />

Auf dem Gebiet der Veterinärpolitik wurden keine Fortschritte bei der Rechtsangleichung<br />

erzielt. Die Türkei konzentrierte sich auf die Bekämpfung ausgebrochener Tierseuchen wie<br />

<strong>DE</strong> 51 <strong>DE</strong>


der Vogelgrippe. Im Bereich der transmissiblen spongiformen Enzephalopathie (TSE) und bei<br />

den tierischen Nebenprodukten sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Die Türkei musste sich<br />

zunehmend mit Tierseuchenkontrollen befassen. Die ersten Ausbrüche der Vogelgrippe im<br />

Oktober 2005 wurden mit Hilfe eines Notfallplans effizient bekämpft. Weitere Ausbrüche<br />

bestätigten jedoch, dass Schwachstellen vorhanden sind. In der Koordinierung zwischen dem<br />

Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten und dem<br />

Gesundheitsministerium zeigten sich Mängel. Positiv war jedoch, dass Informationen über die<br />

Vogelgrippe in transparenter Weise an die EU und andere internationale Organisationen<br />

weitergeleitet wurden. Auch die technischen Kapazitäten der Referenzlabors für Vogelgrippe<br />

wurden ausgebaut. Es wurden Impfkampagnen gegen neue Stämme der Maul- und<br />

Klauenseuche durchgeführt. Allerdings geriet der freie Status von Thrakien durch weitere<br />

Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche in Gefahr. Darüber hinaus fanden zusätzliche<br />

Impfkampagnen gegen folgende Tierkrankheiten statt: Brucellose, Pest der kleinen<br />

Wiederkäuer, Anthrax, Schaf- und Ziegenpocken, Blauzungenkrankheit, Newcastle-Krankheit<br />

und Tollwut.<br />

Die Identifizierung und Registrierung von Rindern sowie die Registrierung ihrer Verbringung<br />

schreiten voran, doch die Vereinbarkeit mit dem Besitzstand muss überprüft werden. Darüber<br />

hinaus bedarf auch die Kontrolle der Verbringung lebender Tiere weiterer Aufmerksamkeit.<br />

Bei der Registrierung von Schafen und Ziegen wurden keine Fortschritte erzielt, wenngleich<br />

die Vorarbeiten eingeleitet wurden. Im Bereich der Finanzierung von veterinärmedizinischen<br />

Inspektionen und Kontrollen sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Das derzeitige System<br />

der Türkei steht nicht mit der EU-Praxis im Einklang. Die Durchführung der<br />

Veterinärkontrollen bei Drittlandeinfuhren und die Regeln für Einfuhren stimmen nicht mit<br />

den EU-Vorschriften überein. Die Rechtsangleichung ist in diesem Bereich begrenzt.<br />

Die Türkei als Drittland hat erhebliche Verbesserungen bei der Ausarbeitung des nationalen<br />

Rückständekontrollplans vorgenommen. Alle in den EU-Vorschriften genannten Wirkstoffe<br />

wurden in die Jahrespläne aufgenommen. Der Rückständeplan wurde von der EU für Milch<br />

und Milchprodukte sowie Geflügel genehmigt. Beim Tierschutz sind keine Fortschritte zu<br />

vermelden.<br />

Bei den Vorschriften für das Inverkehrbringen von Nahrungsmitteln und Futtermitteln<br />

sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Die überwiegende Mehrheit der land- und<br />

ernährungswirtschaftlichen Betriebe müssen entsprechend den EU-Hygieneanforderungen<br />

modernisiert werden. Das Lebensmittelgesetz muss geändert werden und die Kompetenzen<br />

müssen klar zwischen den zentralen und kommunalen Behörden aufgeteilt werden, um<br />

Lücken in den Hygiene- und Lebensmittelkontrollen zu vermeiden und die Umsetzung des<br />

Besitzstands sicherzustellen.<br />

Was die spezifischen Bestimmungen für Lebensmittel anbelangt, so stehen die Vorschriften<br />

in den Bereichen Etikettierung, Aufmachung und Werbung, Zusatzstoffe und<br />

Reinheitskriterien sowie Extraktionslösungsmittel, tiefgekühlte Lebensmittel und bestrahlte<br />

Lebensmittel weitgehend mit dem Besitzstand im Einklang und werden angewandt. Die<br />

Rechtsangleichung bei Mineralwässern ist recht weit fortgeschritten. Die Türkei hat ihre<br />

Rechtsvorschriften im Bereich Lebensmittel für besondere Ernährung an die EU-Vorschriften<br />

angepasst. Was Aromastoffe und die Durchführungsvorschriften für Materialien mit<br />

Lebensmittelkontakt anbelangt, so ist die Umsetzung des Besitzstands noch nicht<br />

abgeschlossen. Mit der Übernahme des Besitzstands im Bereich Nahrungsergänzungen wurde<br />

noch nicht begonnen. Die Umsetzung des Besitzstands im Bereich Hygiene und amtliche<br />

Kontrollen ist nicht weit gediehen. Die Verordnung über Marktkontrollen bei Lebensmitteln<br />

<strong>DE</strong> 52 <strong>DE</strong>


und Verpackungsmaterial steht nicht vollständig mit dem Besitzstand im Einklang. Die<br />

Verordnung über die Festsetzung von Höchstgrenzen für bestimmte Kontaminanten ist in<br />

Kraft. Um der EU-Praxis Rechnung zu tragen, müssen jedoch noch weitere Anpassungen<br />

vorgenommen werden. Die Vorschriften über die amtliche Kontrolle von Kontaminanten<br />

stimmen mit dem Besitzstand überein. Der Plan zur Verhütung der Aflatoxinkontamination<br />

wurde weiter umgesetzt. Allerdings bestehen in der Praxis noch Probleme. Im Bereich der<br />

genetisch veränderten Organismen und der neuartigen Lebensmittel können keine Fortschritte<br />

bei der Übernahme des Besitzstands vermeldet werden.<br />

Bei den spezifischen Vorschriften für Futtermittel wurden einige Fortschritte erzielt. Auf<br />

dem Gebiet der Tierernährung kam die Türkei in gewissem Maß voran. Die Vorschriften über<br />

Futtermittelzusatzstoffe wurden weiter an den Besitzstand angeglichen.<br />

Im Pflanzenschutzbereich wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Die Türkei hat ihre<br />

Vorschriften über die Qualität von Saatgut und Vermehrungsmaterial, Pflanzengesundheit,<br />

Pflanzenschutz und landwirtschaftliche Quarantänemaßnahmen nicht an den Besitzstand<br />

angepasst. Es wurde ein Handbuch für Inspektionen ausgearbeitet und die Inspektionen an<br />

den Grenzen wurden vereinheitlicht. Die Diagnosekapazitäten der Institute für<br />

Pflanzenkrankheiten wurden ausgebaut und mit den EU-Standards in Einklang gebracht. Mit<br />

der Durchführung der Schädlingsrisikoanalyse wurde begonnen. Es wurden Schulungen für<br />

das Personal des Ministeriums, Landwirte und andere Akteure des Privatsektors veranstaltet.<br />

In Bezug auf die internationalen Übereinkommen können keine Neuentwicklungen vermeldet<br />

werden.<br />

Was die Verwaltungskapazitäten anbelangt, so muss das Ministerium für Landwirtschaft und<br />

ländliche Angelegenheiten auf zentraler und lokaler Ebene gestärkt werden. Dies ist<br />

besonders wichtig für die Wahrnehmung der allgemeinen Kontrollaufgaben und die Erfüllung<br />

der Anforderungen der EU im Zusammenhang mit der Identifizierung von Tieren und den<br />

Tierseuchen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Bei der Angleichung der Rechtsvorschriften in den Bereichen Tier- und Pflanzengesundheit<br />

und Lebensmittelsicherheit sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Der Rechtsrahmen und<br />

die Verwaltungsstrukturen für die vollständige Umsetzung des einschlägigen Besitzstands<br />

fehlen immer noch. Die Kontrollsysteme sind nach wie vor unzulänglich. Vor allem im<br />

Veterinärsektor gibt es noch Schwierigkeiten, die hauptsächlich die Ausmerzung und<br />

Kontrolle von Tierseuchen betreffen.<br />

4.13. Kapitel 13: Fischerei<br />

Die Türkei hat bei der Angleichung ihrer Rechtsvorschriften an den Besitzstand im<br />

Fischereisektor keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Von der erneuten Verzögerung der<br />

Änderung des Fischereigesetzes sind auch die angekündigten Durchführungsvorschriften und<br />

verwaltungstechnischen Änderungen betroffen.<br />

Die Türkei verfügt nach wie vor nicht über zufrieden stellende Verwaltungsstrukturen für den<br />

Fischereisektor, was auf unzureichende Kapazitäten und die Aufteilung der Zuständigkeiten<br />

auf verschiedene Ministerien zurückzuführen ist. Für die Überwachung der<br />

Rechtsdurchsetzung und die Inspektions- und Kontrollmaßnahmen sind sowohl das<br />

Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten als auch die (dem<br />

Innenministerium unterstehende) Küstenwache zuständig. Das (dem Ministerpräsidenten<br />

<strong>DE</strong> 53 <strong>DE</strong>


unterstehende) Untersekretariat für maritime Angelegenheiten ist für die Registrierung von<br />

Schiffen zuständig. Die geplante Neuorganisation des Landwirtschaftsministeriums, in deren<br />

Zuge eine zentrale Generaldirektion für Fischereierzeugnisse eingerichtet werden soll, hat<br />

noch nicht stattgefunden. Die Verwaltungskapazitäten werden derzeit auf lokaler Ebene<br />

ausgebaut, indem für die Überwachung und Erfassung der Anlandungen 30<br />

Fischereihafenbüros errichtet werden, für die auch neues Personal eingestellt wird.<br />

Keine Weiterentwicklung gab es in Bezug auf die Bestands- und Flottenbewirtschaftung<br />

sowie die Überwachung und Kontrolle der Fischereitätigkeiten. Insgesamt fehlt es an<br />

adäquater wissenschaftlicher Forschung im Bereich der Bestandsbewertung und an einer<br />

angemessenen Bestandsbewirtschaftung, vor allem bei bestimmten wichtigen Arten. Die<br />

Umsetzung des Besitzstands steckt noch in den Anfängen.<br />

Auch bei den strukturpolitischen Maßnahmen gab es keine Fortschritte. Die Türkei hat die<br />

Umsetzung des Besitzstands noch nicht in Angriff genommen. Was die Marktpolitik<br />

anbelangt, so gibt es kein dem Besitzstand entsprechendes Marktinterventionssystem. Es<br />

wurden fünf Erzeugervereinigungen für Fischerei und Aquakultur gegründet, die jedoch nur<br />

teilweise mit dem einschlägigen Besitzstand im Einklang stehen. Bezüglich der Vorschriften<br />

über staatliche Beihilfen in der Fischerei sind keine Fortschritte zu vermelden. Die Türkei ist<br />

keinen neuen internationalen Übereinkommen beigetreten.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Türkei hat im Bereich Fischerei keine Fortschritte erzielt. Ihre Rechtsvorschriften weisen<br />

im Vergleich zum Besitzstand noch große Lücken auf und die Verwaltungsstrukturen reichen<br />

für die künftige Anwendung der Gemeinsamen Fischereipolitik noch nicht aus.<br />

4.14. Kapitel 14: Verkehrspolitik<br />

Auf dem Gebiet des Straßenverkehrs können Fortschritte vermeldet werden, vor allem<br />

gesetzliche Entwicklungen. Die Genehmigungen für die internationale Fahrzeugflotte wurden<br />

erteilt, wobei die Anforderungen des Besitzstands weitgehend erfüllt wurden. Der<br />

Genehmigungsprozess für die nationale Flotte ist jedoch unvollständig. Zwischen dem<br />

nationalen und internationalen Verkehr bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede. Diese<br />

betreffen hauptsächlich die Kriterien der beruflichen Kompetenz und der finanziellen<br />

Leistungsfähigkeit. Die Vorschriften über Steuern und Straßenbenutzungsgebühren müssen<br />

weiter an den Besitzstand angeglichen werden. Die Sozialvorschriften und zugehörigen<br />

Durchführungsbestimmungen stimmen noch nicht mit den neuesten Vorschriften des<br />

Besitzstands überein. Digitale Fahrtenschreiber werden noch nicht eingesetzt. Die<br />

Anforderungen an Geschwindigkeitsbegrenzungsvorrichtungen gelten nicht für leichtere<br />

Busse und Nutzfahrzeuge. Keine Fortschritte gab es bei privatisierten Einrichtungen für die<br />

technische Überwachung von Fahrzeugen, wo der Staatsrat einen Vollstreckungsaufschub<br />

anordnete. Die Anzahl dieser Einrichtungen ist sehr gering. Die Verwaltungskapazitäten<br />

müssen ausgebaut und die Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden muss<br />

verbessert werden. Die Vorbereitungen in diesem Bereich sind weit fortgeschritten.<br />

Im Schienenverkehr sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Die Rechtsangleichung und die<br />

Verwaltungskapazitäten sind begrenzt und es gibt keine Regulierungsbehörde. Die staatliche<br />

Eisenbahngesellschaft TCDD verfügt über ein Monopol und ist stark von staatlichen<br />

Subventionen abhängig. Die Infrastruktur muss gründlich modernisiert werden, um die<br />

Interoperabilität mit dem europäischen Eisenbahnnetz zu gewährleisten. Die<br />

<strong>DE</strong> 54 <strong>DE</strong>


Rechtsangleichung ist in diesem Bereich im Rückstand und weist große Schwachstellen bei<br />

der erforderlichen Trennung wesentlicher Funktionen, der Sicherheitsbescheinigung, der<br />

verwaltungstechnischen Unabhängigkeit des etablierten Betreibers und in der administrativen<br />

und institutionellen Struktur auf, die für das Entstehen eines Schienenverkehrsmarktes<br />

notwendig wäre.<br />

Eine Binnenschifffahrt im Sinne des Besitzstands gibt es in der Türkei nicht.<br />

Im Bereich des Luftverkehrs sind einige Fortschritte zu vermelden. Der Generaldirektion für<br />

Zivilluftfahrt (GDCA) wurde gesetzlich finanzielle und technische Autonomie gewährt. Die<br />

entsprechenden Umstrukturierungsmaßnahmen und Einstellungen stehen noch aus. Eine<br />

Zweigstelle der GDCA wurde in Istanbul eingerichtet und eine weitere ist in Antalya<br />

vorgesehen. Einige Durchführungsvorschriften wurden erlassen. Es wurde eine dem Minister<br />

beigeordnete unabhängige Stelle für die Ermittlung von Unfallursachen eingerichtet. Zu den<br />

Grundsätzen für die Zuweisung von Slots wurde eine Anweisung herausgegeben. Darüber<br />

hinaus wurden der Posten eines Slot-Koordinators, Evaluierungsausschüsse und technische<br />

Ausschüsse eingerichtet. Die Rechtsangleichung in diesem Bereich ist im Gange. Die Türkei<br />

hat mit der Kommission noch keine Verhandlungen über ein „horizontales<br />

Luftverkehrsabkommen“ aufgenommen und akzeptiert die Gemeinschaftsbenennung nicht,<br />

die ein grundlegendes Erfordernis des Gemeinschaftsrechts darstellt.<br />

Was den Seeverkehr betrifft, so hat die Türkei bei der Rechtsangleichung und beim Ausbau<br />

der Verwaltungskapazitäten gute Fortschritte erzielt, vor allem im Bereich der Sicherheit. Es<br />

wurden Verordnungen über die Sicherheit von Fischereifahrzeugen, die Untersuchung von<br />

Seeverkehrsunfällen, die Überwachung und Qualität der Ausbildung von Seeleuten, das<br />

sichere Be- und Entladen von Massengutschiffen, Schiffsausrüstungen und die<br />

Hafenstaatkontrolle erlassen. Darüber hinaus wurde eine Stelle für die Untersuchung von<br />

Seeverkehrsunfällen mit 49 Bediensteten eingerichtet. 200 Sachverständige wurden als<br />

Flaggenstaat- und Hafenstaatinspektoren rekrutiert.<br />

Bei den Verfahren für den Beitritt zu bestimmten internationalen Übereinkommen (SOLAS-<br />

Protokollen Nr. 78 und 88 (SOLAS = Internationales Übereinkommen zum Schutz des<br />

menschlichen Lebens auf See), zum Protokoll von 1988 zum Internationalen Freibord-<br />

Übereinkommen sowie zu den Anhängen III und IV des Internationalen Übereinkommens zur<br />

Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) wurden keine Fortschritte<br />

erzielt. Der Anteil der zurückgehaltenen türkischen Schiffe sank 2005 auf 7,5 %. Dennoch<br />

fällt das Land immer noch in die Kategorie mit mittlerer bis hoher Gefährdung der schwarzen<br />

Liste der Pariser Vereinbarung. Was die Sicherheit im Seeverkehr anbelangt, so wurden außer<br />

der Einleitung von Studien keine Schritte unternommen, um die Rechtsvorschriften über die<br />

Verbesserung der Sicherheit von Häfen anzugleichen. Was den Marktzugang anbelangt, so<br />

stehen die Vorschriften über die Kabotage und die Registrierung von Schiffen in Konflikt<br />

zum Gemeinschaftsrecht. Weitere Verbesserungen in diesem Bereich sind in Vorbereitung.<br />

Keine Fortschritte können hinsichtlich der Öffnung türkischer Häfen für unter zyprischer<br />

Flagge fahrende und/oder von Zypern kontrollierte Schiffe und Schiffe, die zuletzt einen<br />

zyprischen Hafen angelaufen hatten, vermeldet werden. Ebenso wenig gab es Fortschritte bei<br />

der Aufhebung der Beschränkungen für zyprische Flugzeuge, die den türkischen Luftraum<br />

nutzen wollen, oder der Beschränkungen in der Kommunikation zwischen den türkischen und<br />

zyprischen Zivilluftfahrtbehörden und den Flugsicherungsorganisationen.<br />

<strong>DE</strong> 55 <strong>DE</strong>


Bei den staatlichen Beihilfen wurden keine Fortschritte erzielt. Die Türkei verfügt weder<br />

über eine Behörde noch über einen Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Türkei hat einige Fortschritte erzielt. Die Angleichung der Vorschriften für den<br />

Straßenverkehr ist recht weit vorangeschritten, was in den anderen Verkehrssektoren nicht<br />

überall der Fall ist. Den Um- und Durchsetzungskapazitäten muss weitere Aufmerksamkeit<br />

gewidmet werden. Über die Strukturierung des Eisenbahnsektors wurde noch nicht<br />

entschieden. Im See- und im Luftverkehr ist die Türkei bereits einer Reihe von internationalen<br />

Übereinkommen und Regelungen beigetreten, hat die entsprechenden<br />

Gemeinschaftsvorschriften jedoch noch nicht übernommen. Sie hat nicht alle Beschränkungen<br />

des freien Warenverkehrs, darunter die Beschränkungen für Transportmittel, aufgehoben.<br />

4.15. Kapitel 15: Energie<br />

Die Vorbereitungen im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit sind recht weit<br />

fortgeschritten. Die türkischen Ölvorräte werden allerdings nicht anhand der EU-Methode<br />

berechnet. Die Ölpipeline Baku-Tbilisi-Ceyhan wurde in Betrieb genommen.<br />

In Bezug auf den Energiebinnenmarkt wurden einige Fortschritte erzielt. Die Privatisierung<br />

der Vertriebssparten wurde in drei Regionen eingeleitet. Es wurden<br />

Durchführungsverordnungen über Bedarfsprognosen für Elektrizität und über den<br />

grenzübergreifenden Handel mit Elektrizität erlassen. Die Schwelle für zugelassene Kunden<br />

wurde auf 6 GWh gesenkt. Eine neue Änderung ermöglicht jedoch die Quersubventionierung<br />

und die vertikale Integration. Die hohen Elektrizitätsverluste, darunter durch Diebstahl,<br />

hielten an. Im Juli waren 13 Städte von zwei sechsstündigen Stromausfällen betroffen, die<br />

hauptsächlich auf die mangelnde Erzeugungskapazität zurückzuführen waren. Unveränderte<br />

Stromtarife vor dem Hintergrund der steigenden Preise für Gaseinfuhren könnten kurzfristig<br />

zu echten Kapazitätsengpässen führen. Die Türkei ist noch nicht Mitglied der Union für die<br />

Koordinierung der Übertragung elektrischer Energie. Sie hat den Vertrag über die<br />

Energiegemeinschaft zur Errichtung eines regionalen Energiemarkts in Südosteuropa nicht<br />

unterzeichnet.<br />

Für den Erdgasbinnenmarkt wurden keine neuen Durchführungsvorschriften erlassen. Eine<br />

gewisse Liberalisierung fand statt: In 54 Städten wurden Ausschreibungen für die<br />

innerstädtische Erdgasversorgung durchgeführt. Der Marktanteil für einzelne Einführer oder<br />

Großhändler ist gesetzlich auf 20 % begrenzt. Das staatseigene Unternehmen BOTAS hat<br />

bestehende Verträge nicht abgegeben und seine Monopolstellung behalten. Insgesamt ist die<br />

Rechtsangleichung in diesen Bereichen im Gange, doch mit der Umsetzung ist die Türkei<br />

noch im Rückstand.<br />

In Bezug auf die staatlichen Beihilfen für die Kohleindustrie können keine Fortschritte<br />

vermeldet werden. In diesem Bereich ist der Umfang der Rechtsangleichung gering.<br />

Bei der Energieeffizienz wurden keine Fortschritte erzielt. Die Türkei verfügt nicht über ein<br />

Rahmengesetz zu ihrer Förderung. Im Zusammenhang mit den erneuerbaren<br />

Energiequellen sind einige Fortschritte zu verzeichnen. Die Türkei hat sich jedoch noch kein<br />

ehrgeiziges Ziel für eine verstärkte Nutzung gesetzt. Eine Durchführungsverordnung über den<br />

Herkunftsnachweis wurde erlassen. Die Türkei hat die Rechtsangleichung in diesem Bereich<br />

teilweise vollzogen. Was die Kernenergie betrifft, so ist die Fähigkeit der Türkei zur<br />

Erfüllung der Anforderungen des Besitzstands recht weit entwickelt. Das Land verfügt bisher<br />

<strong>DE</strong> 56 <strong>DE</strong>


nicht über Kernkraftwerke, will jedoch die Errichtung von Kapazitäten von 5000 MW bis<br />

2020 fördern. Die Unabhängigkeit der türkischen Atomenergiebehörde (TAEK) muss<br />

beobachtet werden. Die Überwachungsfunktionen sind nicht von der Forschungsarbeit und<br />

der Förderung der Kernenergie getrennt. Die Türkei hat die Vorschriften über nukleare<br />

Sicherheit und Strahlenschutz weitgehend angeglichen. Neue Durchführungsvorschriften<br />

wurden nicht erlassen. Es bedarf einer erheblichen Modernisierung der vorhandenen<br />

Fazilitäten, einschließlich der Behandlung radioaktiver Abfälle und der Lagerstätten. Die<br />

Türkei ist dem Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung<br />

abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle<br />

noch nicht beigetreten, während Euratom im Januar 2006 Vertragspartei wurde.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Türkei hat im Energiebereich einige Fortschritte erzielt. Insgesamt ist der Stand der<br />

Rechtsangleichung uneinheitlich. Ein Rahmengesetz über Energieeffizienz muss noch<br />

ausgearbeitet werden. Die Verwaltungskapazität und die Unabhängigkeit der<br />

Regulierungsbehörden müssen gestärkt werden.<br />

4.16. Kapitel 16: Steuern<br />

Auf dem Gebiet der indirekten Steuern waren die Fortschritte sehr begrenzt. Die Türkei hat<br />

ihre Rechtsvorschriften teilweise angeglichen. Was die Mehrwertsteuer anbelangt, so sind die<br />

Abweichungen vom Besitzstand struktureller Art und umfassen unter anderem Befreiungen,<br />

Sonderregelungen und ermäßigte Sätze. Mit der Einführung eines ermäßigten Satzes von 8 %<br />

für Textilerzeugnisse entfernte sich die Türke noch weiter vom Besitzstand.<br />

Bei den Verbrauchsteuern sind keine Fortschritte zu vermelden. Mit einem neuen<br />

Steuergesetz wurde die spezifische Abgabe auf Tabakwaren abgeschafft, wobei lediglich<br />

Wertsätze und Mindestverbrauchsteuersätze festgelegt wurden. Diese Struktur steht nicht mit<br />

dem Besitzstand in Einklang. Darüber hinaus wurde eine Abgabe für eingeführte Tabakwaren<br />

und Zigaretten mit dem Gesetz nicht abgeschafft. Diese diskriminierende Vorgehensweise<br />

steht nicht im Einklang mit dem Besitzstand und stellt einen Verstoß im Rahmen der<br />

Zollunion und der WTO-Regeln dar. Die Türkei hat noch keine Regelung über die<br />

Steueraussetzung für die inländische Beförderung von Waren und für Steuerlager eingeführt.<br />

Auf alkoholische Getränke wendet die Türkei einen Wertsatz an, der durch einen spezifischen<br />

Steuersatz ergänzt wird, wenn ein bestimmter Betrag unterschritten wird. Auch diese<br />

Regelung stimmt nicht mit dem Besitzstand überein, da sie nach der Art des Erzeugnisses und<br />

nicht nach dem Alkoholgehalt differenziert. In der Folge werden eingeführte Erzeugnisse<br />

höher besteuert als vergleichbare einheimische Produkte. Die Türkei hat den Spielraum<br />

verringert, innerhalb dessen der Ministerrat Steuersätze erhöhen kann, wodurch eine größere<br />

Vorhersehbarkeit künftiger Sätze gewährleistet wird.<br />

Auf dem Gebiet der direkten Steuern wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Das<br />

Körperschaftsteuergesetz wurde geringfügig angepasst, um Fragen wie<br />

Unternehmensabtrennungen und -aufspaltungen anzugehen. Die Türkei muss die Einführung<br />

von Maßnahmen vermeiden, die nicht dem Verhaltenskodex für die<br />

Unternehmensbesteuerung entsprechen. Insgesamt ist die Rechtsangleichung begrenzt.<br />

Auf dem Gebiet der Verwaltungszusammenarbeit und der Amtshilfe sind nur geringe<br />

Fortschritte zu vermelden.<br />

<strong>DE</strong> 57 <strong>DE</strong>


Die neue Finanzverwaltung, eine halbautonome, dem Finanzministerium beigeordnete<br />

Behörde, nahm ihre Tätigkeit auf. Es ist geplant, die hierarchischen Schichten zu reduzieren<br />

und die Rechenschaftspflicht der lokalen Finanzämter gegenüber der zentralen Verwaltung zu<br />

verstärken. Darüber hinaus wurde die Politikgestaltung im Finanzministerium einer neu<br />

gegründeten Generaldirektion für Steuerpolitik übertragen. Die Auswirkungen können noch<br />

nicht beurteilt werden.<br />

Die Umstellung der Finanzämter auf EDV schritt weiter voran, ebenso die Ausgabe von<br />

Steuernummern an Steuerpflichtige. Bisher erhielten 41 Millionen Steuerzahler<br />

Steuernummern, und fast 75 % der Steuererklärungen wurden elektronisch eingereicht. Die<br />

Planung der weiteren Rechtsangleichung im Rahmen einer fristgebundenen und<br />

ergebnisorientierten Steuerstrategie, einschließlich der Vorbereitung der IT-Systeme auf die<br />

Zusammenschaltung mit den Gemeinschaftssystemen, befindet sich noch im Anfangsstadium.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Türkei hat begrenzte Fortschritte erzielt. Das türkische Steuersystem entspricht zum Teil<br />

dem Besitzstand. Lücken bestehen insbesondere noch beim Anwendungsbereich und den<br />

Sätzen der Mehrwertsteuer, der Struktur und den Sätzen der Verbrauchsteuern sowie bei den<br />

direkten Steuern insgesamt. Außerdem müssen alle diskriminierenden Elemente der<br />

Steuervorschriften für Tabakwaren und alkoholische Getränke dringend beseitigt werden.<br />

4.17. Kapitel 17: Wirtschafts- und Währungsunion<br />

Auf dem Gebiet der Geldpolitik hat die Türkei begrenzte Fortschritte erzielt. Sie erließ neue<br />

Rechtsvorschriften, die den bevorrechtigten Zugang von Behörden zu Finanzinstituten in<br />

bestimmten Bereichen untersagen. Die Türkei muss weitere Änderungen an ihrem<br />

institutionellen und rechtlichen Rahmen vornehmen. Insbesondere hat die Zentralbank noch<br />

kein sekundäres Ziel verabschiedet, das den allgemeinen Wirtschaftszielen der Europäischen<br />

Gemeinschaft Vorrang vor inländischen Zielen einräumen würde. Darüber hinaus hat sie die<br />

Bestimmungen und Strukturen noch nicht eingeführt, die für die Einbindung der Zentralbank<br />

in das Europäische Zentralbanksystem erforderlich sind. Einige Fortschritte gab es in Bezug<br />

auf die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der Finanzierung des öffentlichen<br />

Sektors und das Verbot des bevorrechtigten Zugangs des öffentlichen Sektors zu den<br />

Finanzinstituten. Die Zentralbank ersetzte ihre Methode der Gewinn- und Verlustrechnung für<br />

den An- und Verkauf von Devisen durch die „Durchschnittskostenmethode“, wie es der<br />

Leitlinie der Europäischen Zentralbank über die Rechnungslegungsgrundsätze und das<br />

Berichtswesen im Europäischen System der Zentralbanken entspricht. So müssen die Banken<br />

nicht länger eine bestimmte Pflichtreserve in Form von türkischen Staatsanleihen hinterlegen.<br />

Allerdings ist der Anlegerschutzfonds, ein Garantiesystem für Anlagen in Wertpapieren,<br />

verpflichtet, sein Kapital in Staatsanleihen oder –einlagen zu investieren, die darüber hinaus<br />

bei staatseigenen Banken hinterlegt werden müssen. Schließlich müssen alle öffentlichen<br />

Einrichtungen mit Ausnahme der Zentralregierung ihre Vermögenswerte entweder bei<br />

staatlichen Banken hinterlegen oder in Staatspapieren anlegen. Insgesamt ist der Stand der<br />

Rechtsangleichung auf dem Gebiet der Geldpolitik fortgeschritten.<br />

Im Bereich der Wirtschaftspolitik sind einige Fortschritte zu verzeichnen. Die Errichtung der<br />

Finanzverwaltung und die Verabschiedung des Gesetzes über die öffentliche<br />

Finanzverwaltung und Finanzkontrolle tragen zur Stärkung der Verwaltungskapazitäten auf<br />

dem Gebiet der Finanzpolitik bei. Allerdings verfügen mehrere Ministerien und<br />

Untersekretariate über Zuständigkeiten unterschiedlichen Grades in wichtigen miteinander<br />

<strong>DE</strong> 58 <strong>DE</strong>


verknüpften Wirtschaftsbereichen. Durch diese Kompetenzaufsplitterung wird die<br />

Formulierung der Wirtschaftspolitik auf allen Ebenen in ihrer Effizienz und Wirksamkeit<br />

beeinträchtigt, vor allem was die Entscheidungsfindung, Koordinierung und Umsetzung<br />

betrifft. Dies ist teilweise dafür verantwortlich, dass wichtige wirtschaftliche Entscheidungen<br />

ad hoc getroffen und die wirtschaftlichen Auswirkungen der grundlegenden Vorschriften nur<br />

partiell bewertet werden.<br />

Schlussfolgerung<br />

Im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion konnte die Türkei Fortschritte verzeichnen.<br />

Allerdings ist die Unabhängigkeit der Zentralbank noch nicht vollständig gewährleistet und<br />

die Vorschriften über das Verbot der monetären Finanzierung des öffentlichen Sektors und<br />

über das Verbot des bevorrechtigten Zugangs des öffentlichen Sektors zu den Finanzinstituten<br />

stehen noch nicht im Einklang mit dem Besitzstand. Außerdem fehlt es an Untersuchungen<br />

der wirtschaftlichen Auswirkungen und an einer effizienten Koordinierung und Kooperation,<br />

was einer wirksamen Wirtschaftspolitik im Wege steht.<br />

4.18. Kapitel 18: Statistik<br />

Was die statistische Infrastruktur anbelangt, so erzielte die Türkei durch die<br />

Verabschiedung eines neuen Statistikgesetzes erhebliche Fortschritte bei der Übernahme des<br />

Besitzstands. Das Gesetz stärkt die Koordinierungsfunktion des türkischen Statistikinstituts<br />

(Turkstat). Die Einführung dieser Funktion in der Praxis befindet sich jedoch noch im<br />

Anfangsstadium. Die Verwaltungskapazitäten müssen weiter ausgebaut werden. Damit der<br />

Besitzstand angewandt werden kann, müssen die Entscheidungsverfahren gestrafft werden.<br />

Außerdem sind aufgrund der methodologischen und operationellen Änderungen Schulungen<br />

für das Personal erforderlich.<br />

Im Bereich der Klassifikationen wurden bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Die<br />

Klassifikationen des Statistikinstituts, die sich an der europäischen Praxis orientieren, sind<br />

nun auf einem Server verfügbar und finden breitere Anwendung. Mehrere Klassifikationen,<br />

wie diejenigen für Wirtschaftstätigkeiten, Erzeugnisse je Wirtschaftstätigkeit, Bauwesen,<br />

Berufe und Ausbildung, wurden übersetzt und werden angewandt. Sie werden auch von<br />

anderen Regierungsstellen zunehmend genutzt.<br />

Was die Verfügbarkeit von sektoralen Statistiken anbelangt, so wurden in einer Reihe von<br />

Bereichen Fortschritte erzielt. Auf dem Gebiet der Bevölkerungs- und Sozialstatistiken wurde<br />

der Rechtsakt über die Einführung eines wohnsitzbasierten Bevölkerungserfassungssystems<br />

verabschiedet. Eine Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) wurde<br />

durchgeführt. Im Bereich der Unternehmensstatistiken wurde die Erhebung struktureller<br />

Unternehmensstatistiken eingeführt. Was die Erhebung über die Wirtschaftsrechnungen der<br />

privaten Haushalte betrifft, so wurden die monatlichen Erhebungen fortgesetzt. Auf dem<br />

Gebiet der Kaufkraftstatistiken wurden mehrere Studien im Einklang mit EU-Standards<br />

durchgeführt. Bei den Außenhandelsstatistiken und den harmonisierten<br />

Verbraucherpreisindices wurde ein hoher Grad an Übereinstimmung mit dem Besitzstand<br />

erreicht und es werden Daten an Eurostat übermittelt. Im Bereich der Agrarstatistik werden<br />

die Arbeiten an der Einführung eines Registers der landwirtschaftlichen Betriebe fortgesetzt.<br />

Der Zugang der Öffentlichkeit zu statistischen Informationen wurde verbessert.<br />

Die Entwicklungen in den Bereichen Unternehmensregister, Unternehmensstatistiken,<br />

öffentliche Finanzen, Landwirtschaft und volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen befinden<br />

<strong>DE</strong> 59 <strong>DE</strong>


sich noch im Anfangsstadium. Für den Übergang zum ESVG 95 ist eine umfassende<br />

Überprüfung und Neufestsetzung von Benchmarks erforderlich.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Türkei hat bei der Anwendung von Klassifikationen und bei der Verfügbarkeit sektoraler<br />

Statistiken einige Fortschritte erzielt. Das neue Statistikgesetz stellt einen wichtigen Schritt<br />

auf dem Weg zur Harmonisierung dar. Die Rechtsangleichung ist jedoch noch unvollständig.<br />

4.19. Kapitel 19: Beschäftigung und Soziales<br />

Im Bereich des Arbeitsrechts wurden keine Fortschritte erzielt. Einige Richtlinien wurden<br />

immer noch nicht vollständig übernommen. Zu den Schwachstellen zählt der begrenzte<br />

Anwendungsbereich des Arbeitsrechts. Was die Verwaltungskapazitäten anbelangt, so stellte<br />

das Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit zusätzliches qualifiziertes Personal ein.<br />

Die Türkei muss ihre Bemühungen um die Bekämpfung der Kinderarbeit mit Unterstützung<br />

der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) fortsetzen.<br />

Im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist die Türkei mit der<br />

Übernahme des Besitzstands gut vorangekommen, doch die im vergangenen Jahr<br />

beanstandeten Schwachstellen wurden noch nicht beseitigt. Vor allem die Verordnung zur<br />

Umsetzung der Rahmenrichtlinie ist noch ausgesetzt, obwohl andere Verordnungen in diesem<br />

Bereich in Kraft bleiben. Von den Vorschriften werden nicht sämtliche Beschäftigten des<br />

Privatsektors und des öffentlichen Sektors erfasst. Der nationale Rat für Sicherheit und<br />

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, ein beratendes Gremium, dem öffentliche Einrichtungen,<br />

die Sozialpartner und andere einschlägige Akteure angehören, hat eine nationale Strategie für<br />

Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz verabschiedet. Maßnahmen zur Um- und<br />

Durchsetzung der einschlägigen Rechtsvorschriften wurden während des gesamten<br />

Berichtszeitraums ergriffen. Allerdings bedarf es weiterer Bemühungen, vor allem durch die<br />

Sensibilisierung, Ausbildung und Stärkung der Kapazitäten der Aufsichtsstellen<br />

(Arbeitsaufsicht und Beaufsichtigung der sozialen Sicherheit).<br />

Was den sozialen Dialog anbelangt, so gab es keine Fortschritte in Bezug auf die<br />

Gesetzentwürfe, die darauf abzielen, die derzeitigen Gesetze über Gewerkschaften und<br />

Tarifverhandlungen, Streik und Aussperrung mit den Standards der IAO und der EU in<br />

Einklang zu bringen. Vollwertige Gewerkschaftsrechte müssen in der Türkei noch eingeführt<br />

werden. Der soziale Dialog ist unzureichend und die Leistungsfähigkeit des Wirtschafts- und<br />

Sozialrats muss verbessert werden (s. Abschnitt „Wirtschaftliche und soziale Rechte“).<br />

Was die Beschäftigungspolitik betrifft, so können geringfügige Fortschritte vermeldet<br />

werden. Die niedrigen Erwerbs- und Beschäftigungsquoten, vor allem bei Frauen, die hohe<br />

Jugendarbeitslosigkeit, der Umfang der informellen Wirtschaft und die starke Spaltung<br />

zwischen ländlichem und städtischem Arbeitsmarkt stellen weiterhin die größten<br />

Herausforderungen dar. Die Beschäftigungsquote sank 2005 auf 43,4 %, während die<br />

Arbeitslosenquote bei 10,3 % blieb. Der Umfang der nicht registrierten Beschäftigung bereitet<br />

nach wie vor Sorge. Sie macht 50,1 % der Beschäftigung insgesamt und 88,2 % der<br />

Beschäftigung in der Landwirtschaft aus. Die türkische Arbeitsanstalt IŞKUR setzte die<br />

Bemühungen um einen Ausbau ihrer institutionellen Kapazitäten fort. Fortschritte wurden bei<br />

der Vorbereitung der gemeinsamen Bewertung der beschäftigungspolitischen Prioritäten<br />

erzielt.<br />

<strong>DE</strong> 60 <strong>DE</strong>


Die Rechtsangleichung mit Blick auf den Europäischen Sozialfonds (ESF) war begrenzt.<br />

Die Verwaltungsstrukturen und Rechtsvorschriften müssen angepasst werden, um adäquate<br />

institutionelle Kapazitäten für die künftige Verwaltung, Umsetzung, Überwachung,<br />

Rechnungsprüfung und Kontrolle von ESF-Maßnahmen auf nationaler und gegebenenfalls<br />

regionaler und lokaler Ebene zu schaffen. In diesem Zusammenhang muss die Türkei<br />

zunächst ihre Strukturen und Rechtsvorschriften für die Umsetzung der Komponente<br />

„Entwicklung der Humanressourcen“ des Instruments für Heranführungshilfe (IPA)<br />

angleichen.<br />

Was die soziale Eingliederung anbelangt, so wurden die Arbeiten im Rahmen der<br />

Gemeinsamen Erklärung zur sozialen Eingliederung fortgesetzt. Allerdings wurden<br />

hinsichtlich einer integrierten nationalen Strategie keine Fortschritte erzielt. Nach den<br />

Ergebnissen einer von TURKSTAT durchgeführten Armutsstudie leben 1,29% der<br />

Bevölkerung unter der Hungergrenze und 25,5% unter der Armutsgrenze. In den ländlichen<br />

Gebieten stieg letzterer Prozentsatz auf 40 %. Derselben Studie zufolge beträgt die<br />

Armutsrate bei Kindern (unter 6 Jahren) 34 %, während es in ländlichen Gebieten fast 40 %<br />

sind. Beim Ausbau der Verwaltungsstrukturen und der Koordinierung zwischen ihnen gab es<br />

keine Fortschritte.<br />

Es wurde ein Aktionsplan für die Beschäftigung von Behinderten ausgearbeitet und zum<br />

Behindertengesetz wurden mehrere Durchführungsverordnungen erlassen, die Bereiche wie<br />

Arbeitsplätze und Bildungsmaßnahmen für diese Menschen betreffen.<br />

Auf dem Gebiet des Sozialschutzes nahm das Parlament im Mai und im Juni 2006<br />

Rechtsvorschriften über die Reform der Sozialversicherungssysteme an, mit denen für eine<br />

komplette Überholung des türkischen Sozialversicherungssystems gesorgt wird. Dieses wird<br />

vereinfacht und die Bürokratie verringert; die Sozialleistungen werden für alle gleich sein und<br />

die Gesundheitsversorgung für Kinder unter 18 Jahren wird kostenlos sein. Die Reform zielt<br />

auf die Gewährleistung einer langfristigen finanziellen Stabilität des<br />

Sozialversicherungssystems und auf die Reglementierung der Unterstützung für die Ärmsten<br />

ab. Der Ausbau der Verwaltungskapazitäten der neu errichteten<br />

Sozialversicherungseinrichtung läuft. Die Aufsichtskapazitäten des<br />

Sozialversicherungssystems müssen ausgebaut werden.<br />

Im Bereich der Antidiskriminierungsvorschriften wurden keinerlei Entwicklungen<br />

verzeichnet. Die Gemeinschaftsrichtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus<br />

Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer<br />

Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung wurden immer noch nicht vollständig<br />

umgesetzt. Vor allem fehlt noch eine Umsetzung der nicht-beschäftigungsbezogenen Aspekte<br />

der Richtlinie über die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse. Es muss eine wirksame<br />

und unabhängige Gleichbehandlungsstelle eingerichtet werden, um die Nichtdiskriminierung<br />

und Gleichbehandlung zu fördern. Große Herausforderungen stellen sich noch im<br />

Zusammenhang mit der Lage der Minderheiten (s. Abschnitt „Menschenrechte und<br />

Minderheitenschutz“).<br />

Was die Chancengleichheit anbelangt, so ist eine weitere Rechtsangleichung vor allem in<br />

Bezug auf Elternurlaub, gleiches Entgelt, den gleichberechtigten Zugang zur Beschäftigung,<br />

die Beweislast und die gesetzlichen und betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit<br />

erforderlich. Auch wurde die nach dem Besitzstand vorgeschriebene Gleichstellungsstelle<br />

noch nicht eingerichtet. Der Frauenanteil an der Beschäftigung ist äußerst gering (unter 25 %)<br />

und die Frauenerwerbsquote sank auf etwa 20 % (s. Abschnitt „Wirtschaftliche und soziale<br />

<strong>DE</strong> 61 <strong>DE</strong>


Rechte“). Die Verwaltungskapazitäten der Generaldirektion für die Stellung der Frau müssen<br />

ausgebaut werden.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Türkei ist bei der Angleichung an den Besitzstand geringfügig vorangekommen. Sie hat<br />

einige Fortschritte beim Sozialschutz und bei der Umsetzung des neuen Behindertengesetzes<br />

erzielt. Es sind weitere Anstrengungen erforderlich, um die Dokumente über die gemeinsame<br />

Bewertung der beschäftigungspolitischen Prioritäten und die Erklärung zur sozialen<br />

Eingliederung fertig zu stellen. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen die Gewährleistung<br />

vollwertiger Gewerkschaftsrechte und die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Die<br />

Verwaltungskapazitäten müssen in den meisten Bereichen gestärkt werden, um eine wirksame<br />

Rechtsumsetzung zu gewährleisten.<br />

4.20. Kapitel 20: Unternehmens- und Industriepolitik<br />

In Bezug auf die unternehmens- und industriepolitischen Grundsätze hat die Türkei einige<br />

Fortschritte erzielt. Mit politischen Papieren wie dem 9. Entwicklungsplan (2007-2013), dem<br />

mittelfristigen Programm (2006-20008) und dem Jahresprogramm (2006) befolgt die Türkei<br />

weitgehend die unternehmens- und industriepolitischen Grundsätze der EU.<br />

Der Rat für Investitionsberatung, der sich aus Aufsichtsratsvorsitzenden wichtiger<br />

ausländischer Investoren und Vertretern von Industrieverbänden unter Vorsitz des<br />

Ministerpräsidenten zusammensetzt, gab eine Reihe politischer Empfehlungen ab. Das<br />

Schatzamt richtete ein Investitionsportal ein, um internationalen Investoren Informationen zu<br />

bieten. Die Nettozuflüsse ausländischer Direktinvestitionen haben sich 2005 mehr als<br />

verdoppelt und erreichten 7,8 Mrd. EUR. Das Gesetz zur Errichtung einer Agentur für die<br />

Unterstützung und Förderung von Investitionen trat in Kraft. Die Agentur wird ihren Sitz in<br />

Ankara haben und dem Ministerpräsidenten beigeordnet, administrativ und finanziell jedoch<br />

unabhängig sein. Der Zeitraum für die Gründung eines Unternehmens wurde auf einen Tag<br />

verkürzt. Allerdings bedarf es einer weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen für<br />

Unternehmen, vor allem der Verringerung des bürokratischen Aufwands. Die Grundsätze der<br />

Corporate Governance werden nicht vollständig angewandt.<br />

Die KMU-Strategie der Türkei steht im Einklang mit der Europäischen Charta für kleine<br />

Unternehmen. In allen türkischen Einrichtungen wurde eine gemeinsame Definition der KMU<br />

eingeführt. Sie stimmt bis auf niedrigere Schwellenwerte für Umsatz und Vermögen mit dem<br />

Besitzstand überein. Die Antragsverfahren wurden vereinfacht.<br />

Es wurden ein Hoher Rat für Wissenschaft und Forschung errichtet und eine nationale<br />

Strategie für Wissenschaft und Forschung (2005-2010) verabschiedet (s. Kapitel 25 –<br />

Wissenschaft und Forschung). Die Kreditgarantieregelung für Händler und Handwerker sowie<br />

die Mikrofinanzierungen haben noch keine konkreten Ergebnisse erbracht. Die staatlichen<br />

Banken gewähren KMU zinsgünstige Darlehen.<br />

Auf dem Gebiet der unternehmens- und industriepolitischen Instrumente hat die Türkei<br />

gute Fortschritte erzielt. Sie hat sich am Mehrjahresprogramm für KMU beteiligt, wobei sie<br />

neun Euro-Infozentren errichtete, einen Kreditgarantiefonds gründete und an 22 BEST-<br />

Projekten teilnahm. Außerdem beteiligte sich die Türkei an den Programmen LIFE und e-<br />

CONTENT und wird künftig am Programm e-TEN teilnehmen. Es werden finanzielle<br />

Anreize für Unternehmen angeboten, vor allem durch Darlehens- und Kreditprogramme<br />

sowie durch einen von KOSGEB verwalteten Kreditgarantiefonds.<br />

<strong>DE</strong> 62 <strong>DE</strong>


Die derzeitigen Rechtsvorschriften der Türkei (einschließlich des Schuldrechtsgesetzes, des<br />

Handelsgesetzbuchs, des Gesetzes über gesetzliche Zinsen und Verzugszinsen und des<br />

Vollstreckungs- und Konkursgesetzes) enthalten Bestimmungen, die mit der Richtlinie<br />

2000/35/EG des EP und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr<br />

im Einklang stehen. Allerdings bestehen noch Lücken und es fehlt an Klarheit, vor allem<br />

hinsichtlich des Geltungsbereichs, der Begriffsbestimmungen und der Zahlungsfristen. Die<br />

Vorbereitungen in diesem Bereich verlaufen planmäßig.<br />

Einige Fortschritte wurden bei den sektoralen Politiken erzielt. Die Türkei hat<br />

sektorspezifische Prioritäten in ihre jüngsten wichtigen Planungs- und<br />

Programmierungsdokumente aufgenommen (s. unternehmens- und industriepolitische<br />

Grundsätze). In bestimmten Bereichen wurden Gesetze verabschiedet, um einen<br />

sektorspezifischen Politikrahmen und entsprechende Konsultationsmechanismen einzuführen.<br />

Sektorspezifische Strategien existieren allerdings nicht. Die Privatisierungserlöse, die sich<br />

2004 auf 1 Mrd. EUR beliefen, lagen 2005 bei über 10 Mrd. EUR. Was Ausschreibungen<br />

betrifft, so wurden die Offenlegungspflichten nicht immer ausreichend erfüllt. Am 31. August<br />

2006 legte die Türkei der Kommission ein nationales Umstrukturierungsprogramm für die<br />

türkische Stahlindustrie vor. Es wird derzeit von den Kommissionsdienststellen analysiert (s.<br />

Kapitel 8 – Wettbewerbspolitik).<br />

Die Vorbereitungen in diesem Bereich sind erst mäßig fortgeschritten. Die Türkei verfügt<br />

über ausreichende Kapazitäten für die Formulierung angemessener sektorpolitischer<br />

Maßnahmen. Ihre Fähigkeit zur Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit und der Auswirkungen<br />

politischer Maßnahmen muss jedoch verbessert werden.<br />

Schlussfolgerung<br />

Insgesamt hat die Türkei in diesem Kapitel gute Fortschritte erzielt, vor allem hinsichtlich der<br />

gesetzlichen Maßnahmen zur Einführung einer Agentur für die Unterstützung und Förderung<br />

von Investitionen, der Privatisierung, der Anpassung der KMU-Definition an den Besitzstand<br />

und der strategischen Planung. Das Land hat bei der Angleichung an dem Besitzstand dieses<br />

Kapitels einen angemessenen Stand erreicht.<br />

4.21. Kapitel 21: Transeuropäische Netze<br />

Bei den Transeuropäischen Netzen sind einige geringfügige Fortschritte zu verzeichnen. Die<br />

Infrastrukturbedarfsanalyse im Bereich der Verkehrsnetze wurde noch nicht abgeschlossen.<br />

Die Türkei muss verlässliche und qualitativ hochwertige Verkehrsprognosen liefern, die<br />

wesentlich für die Definition eines möglichen Verkehrsnetzes mit denselben Eigenschaften<br />

wie das TEN-T sind. Es besteht ein Mangel an klassifizierten Verkehrsdaten. Die Türkei<br />

nahm an den Beratungen der Hochrangigen Gruppe für die Ausdehnung der wichtigsten<br />

transeuropäischen Verkehrsachsen auf die EU-Nachbarländer teil und wird die Empfehlungen<br />

der Gruppe voraussichtlich umsetzen.<br />

Im Rahmen des Programms für transeuropäische Energienetze unterstützt die Kommission<br />

Durchführbarkeitsstudien für Strom- und Gasleitungen mit Blick auf die Steigerung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit auf dem Elektrizitäts- und Gasmarkt der EU bei gleichzeitiger<br />

Verbesserung der Versorgungssicherheit. Die Errichtung der türkisch-griechischen Gasleitung<br />

verzögert sich. Der Bau der Gaspipeline „Nabucco“, die Erdgas vom Kaspischen Meer und<br />

aus Zentralasien über die Türkei in andere europäische Länder befördern soll, gehört zu den<br />

<strong>DE</strong> 63 <strong>DE</strong>


prioritären Projekten der Europäischen Union. Die Türkei sollte die Bemühungen um die<br />

Unterstützung dieses Projekts fortsetzen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Es wurden begrenzte Fortschritte erzielt und die Rechtsangleichung in diesem Bereich<br />

befindet sich noch in einem relativ frühen Stadium.<br />

4.22. Kapitel 22: Regionalpolitik und Koordinierung der strukturpolitischen<br />

Instrumente<br />

In Bezug auf die Gebietsgliederung sind keine besonderen Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Angesichts der Anforderungen der Verordnung über die Klassifikation von Gebietseinheiten<br />

für die Statistik (NUTS) und aus Gründen der wirksamen Umsetzung der Regionalpolitik<br />

könnte eine Verbesserung der derzeitigen provisorischen Klassifikation der statistischen<br />

Regionen (NUTS-Ebene II) notwendig sein. Parallel zu den NUTS-II-Gebietseinheiten<br />

verwenden die meisten Institutionen in der Türkei nach wie vor die traditionellen<br />

geographischen Regionen als wichtigsten Bezugsrahmen. Im Bereich der regionalen Statistik<br />

waren Fortschritte zu verzeichnen. Die Vorbereitungen in diesem Bereich sind mäßig weit<br />

fortgeschritten.<br />

Bei der Weiterentwicklung des Rechtsrahmens waren einige Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Das Gesetz über Einrichtung, Koordinierung und Aufgaben von<br />

Regionalentwicklungsagenturen wurde ratifiziert und trat im Februar 2006 in Kraft. Dieses<br />

Gesetz legt neben den Gründsätzen und Verfahren im Zusammenhang mit der Einrichtung,<br />

der Koordinierung und den Aufgaben der Entwicklungsagenturen auch deren<br />

Einstellungspolitik, Budget und Auditverfahren fest. Zur Einrichtung der einzelnen Agenturen<br />

ist noch der Erlass von Durchführungsvorschriften erforderlich.<br />

Nach diesem Gesetz ist die staatliche Planungsorganisation (SPO) für die Koordinierung der<br />

Entwicklungsagenturen auf nationaler Ebene zuständig. Ziel ist es, in jeder der 26 NUTS-II-<br />

Regionen eine Entwicklungsagentur per Regierungserlass einzurichten, doch dieser Prozess<br />

wird sich über mehrere Jahre hinziehen. Der Hauptzweck der Agenturen besteht darin, die<br />

regionale Entwicklung voranzutreiben, die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und<br />

dem Privatsektor zu fördern und zur Verringerung der regionalen Unterschiede beizutragen.<br />

Die Agentur sollen teils durch Transferleistungen aus dem Staatshaushalt und teils durch die<br />

Provinz- und Kommunalverwaltungen finanziert werden. Von den Agenturen wird auch<br />

erwartet, eigene operationelle Einnahmen zu erzeugen, auch wenn dies in den ärmeren<br />

Regionen unrealistisch erscheint. Die Rolle und die Funktionen der Entwicklungsagenturen<br />

geben gewissen Anlass zur Besorgnis.<br />

Der Rechtsrahmen für die Finanzkontrolle und die Vereinbarkeit mit anderen<br />

Gemeinschaftspolitiken werden in anderen Kapiteln bewertet. Die Vorbereitungen in diesem<br />

Bereich befinden noch in einem frühen Stadium.<br />

In Bezug auf den institutionellen Rahmen waren keine wesentlichen Veränderungen zu<br />

verzeichnen. Der wichtigste Fortschritt bestand in der verstärkten Zusammenarbeit zwischen<br />

den sektoralen und regionalen Abteilungen der SPO. In den beiden Regionen Adana und<br />

Izmir wurde jeweils eine Entwicklungsagentur eingerichtet. Doch noch bestehen keine<br />

Strukturen, wie z.B. eine ressortübergreifende Koordinierungsstelle, für die Abstimmung mit<br />

den anderen Fachministerien – die Zusammenarbeit mit diesen Ministerien im Bereich der<br />

Regionalentwicklung beschränkt sich in der Regel auf eine Konsultation zu im Wesentlichen<br />

<strong>DE</strong> 64 <strong>DE</strong>


fertigen Dokumenten und sieht keine Beteiligung von Beginn an vor. In den einschlägigen<br />

Fachministerien wurden bisher keine Verwaltungsbehörden für die Umsetzung der IPA-<br />

Komponente "Regionale Entwicklung" eingerichtet. Für eine Übergangzeit ist vorgesehen, die<br />

zentrale Finanz- und Vergabeeinheit (Central Finance and Contracts Unit - CFCU), die<br />

einzige bisher für die Durchführung der Heranführungshilfe zugunsten der Türkei<br />

akkreditierte Stelle, mit diesen Aufgaben zu betrauen. Die Vorbereitungen in diesem Bereich<br />

befinden sich in einem frühen Stadium.<br />

In Bezug auf die Verwaltungskapazitäten in diesem Bereich waren begrenzte Fortschritte zu<br />

verzeichnen. Die CFCU hat viel neues Personal eingestellt – der Nachhaltigkeit halber<br />

müssen diese Neueinstellungen durch die Abstellung von Mitarbeitern aus den<br />

Fachministerien ergänzt werden, in denen die künftigen Verwaltungsbehörden eingerichtet<br />

werden sollen. Innerhalb der SPO sind die Verwaltungskapazitäten in Bezug auf das Personal<br />

ausreichend, doch die Entscheidungsfindung liegt nach wie vor in den Händen einer kleinen<br />

Zahl von Beamten. Die Übertragung von Zuständigkeiten auf die Fachministerien und<br />

Regionalbehörden war bisher sehr begrenzt. In den kommenden Jahren sollen die neuen<br />

Entwicklungsagenturen für die notwendigen Verwaltungskapazitäten auf regionaler Ebene<br />

sorgen und die Dienstleistungsstellen ersetzen, die in allen Regionen einrichtet wurden, in<br />

denen von der EU unterstützte regionale Entwicklungsprogramme aufgelegt wurden. Die<br />

Vorbereitungen in diesem Bereich befinden sich noch in einem frühen Stadium.<br />

In Bezug auf die Programmierung waren einige Fortschritte zu verzeichnen. Der neunte<br />

siebenjährige (früher fünfjährige) Entwicklungsplan wurde Anfang 2006 von der SPO<br />

vorgelegt und trägt der zunehmenden Bedeutung Rechnung, die der regionalen Dimension bei<br />

der Entwicklung des Landes beigemessen wird. Die SPO und die Fachministerien beteiligen<br />

sich an der Erstellung der Programmierungsdokumente, nämlich des Strategierahmens und<br />

der operationellen Programme.<br />

Im Rahmen der regionalen Komponente des IPA soll für eine stärkere Fokussierung der<br />

Programmierung gesorgt werden: Mit den Dienststellen der Kommission wurde vereinbart,<br />

dass maximal drei operationelle Programme vorgelegt werden sollen, die jeweils die Bereiche<br />

Umwelt, Verkehr und regionale Wettbewerbsfähigkeit abdecken. Obwohl die SPO über große<br />

Planungserfahrung verfügt, bestehen weiterhin erhebliche Probleme beim Übergang von der<br />

strategischen Planung zur Ausarbeitung operationeller Programme. Die Vorbereitungen in<br />

diesem Bereich sind mäßig weit fortgeschritten.<br />

In Bezug auf Monitoring und Evaluierung waren gute Fortschritte zu verzeichnen. Nach der<br />

Einrichtung einer Monitoring- und Evaluierungsabteilung im Jahr 2004 beschloss die SPO<br />

2006 einen Monitoring- und Evaluierungsrahmen, der die Zuständigkeit der an diesem<br />

Prozess beteiligten Stellen festlegt. Ein Monitoring-Leitfaden wurde erstellt und ein<br />

gemeinsames webgestütztes Monitoring-Informationssystem (MIS) entwickelt und in Betrieb<br />

genommen. Die Vorbereitungen in diesem Bereich fangen erst an.<br />

Für die Entwicklungen im Bereich Finanzverwaltung und -kontrolle siehe Kapitel 32.<br />

Schlussfolgerung<br />

Bei der Anpassung des Rechtsrahmens und bei der Festlegung von regionalen Strukturen für<br />

die Umsetzung der Regionalpolitik waren Fortschritte zu verzeichnen. Doch in Bezug auf die<br />

Rolle und Funktionsweise der vorgesehenen Agenturen ist weiteres Handeln erforderlich.<br />

Eigenverantwortung und Rechenschaftspflicht müssen gestärkt werden, u.a. durch eine<br />

<strong>DE</strong> 65 <strong>DE</strong>


Neuaufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Ministerien auf zentraler und regionaler<br />

Ebene. Die Vorbereitung der Programmierungsdokumente für die Umsetzung des IPA sollte<br />

beschleunigt werden. Insgesamt hat die Türkei in diesem Bereich nur eine bescheidenes Maß<br />

an Angleichung an den Besitzstand erreicht.<br />

4.23. Kapitel 23: Justiz und Grundrechte<br />

Grundsätzlich wird die Unabhängigkeit der Justiz durch verschiedene Bestimmungen der<br />

türkischen Verfassung und sonstige innerstaatliche Rechtsvorschriften garantiert. Doch dieser<br />

Grundsatz wird anscheinend durch einige Faktoren ausgehöhlt. Im Hinblick auf ihre<br />

administrativen Funktionen sind Richter und Staatsanwälte dem Justizministerium unterstellt.<br />

Der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte, oberstes Verwaltungs- und Aufsichtsgremium<br />

des Gerichtswesens, verfügt nicht über ein eigenes Sekretariat oder Budget. Seine<br />

Räumlichkeiten befinden sich nach wie vor im Gebäude des Justizministeriums. Die<br />

Justizinspektoren, die für die Bewertung der Arbeitsleistung von Richtern und Staatsanwälten<br />

zuständig sind, sind nicht dem Hohen Rat, sondern dem Justizministerium unterstellt. Der<br />

Justizminister und der Staatsminister im Justizministerium sind zwei der sieben<br />

Ratsmitglieder mit Stimmrecht. Die restlichen fünf werden aus den Richtern ernannt, die am<br />

Kassationsgerichtshof und im Staatsrat sitzen. Die Zusammensetzung erscheint nicht<br />

repräsentativ für das Gerichtswesen insgesamt und - zusammen mit den oben genannten<br />

Faktoren – könnte womöglich die Exekutive in die Lage versetzen, Einfluss auf<br />

Entscheidungen im Zusammenhang mit der Laufbahn von Richtern in der Türkei Einfluss zu<br />

nehmen, vorausgesetzt, dass die Exekutive bei den entsprechenden Sitzungen vertreten ist. 16<br />

Am 26. Juni 2006 gründeten 501 Richter und Staatsanwälte die "Vereinigung von Richtern<br />

und Staatsanwälten" (YARSAV). Bei den Gründungsmitgliedern handelt es sich überwiegend<br />

um Mitglieder des Kassationsgerichtshofs und des Staatsrats sowie um Richter und<br />

Staatsanwälte aus Ankara und Istanbul. Hauptziel von YARSAV ist der Schutz der<br />

richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und der Arbeitsplatzsicherheit von<br />

Richtern und Staatsanwälten sowie die Förderung von Standesregeln und einer Standesethik.<br />

Richter und Staatsanwälte haben inzwischen Zugang zu ihren Personalbewertungsakten.<br />

In Bezug auf die richterliche Unabhängigkeit waren einige Fortschritte zu verzeichnen. Die<br />

Änderungen des Gesetzes über Richter und Staatsanwälte, die im Dezember 2005 in Kraft<br />

traten, sehen vor, dass Richter und Staatsanwälte, die ihr Amt niederlegen, um bei<br />

Parlaments- oder Kommunalwahlen zu kandidieren, nicht in ihr Amt zurückkehren dürfen,<br />

wenn sie bei der Wahl unterliegen.<br />

Nach einer Entscheidung des Justizministeriums fallen Anwärter auf das Amt eines Richters<br />

oder Staatsanwalts nun in den Geltungsbereich des Gesetzes über den Ethikrat für<br />

Staatsbedienstete. Der Bangalore-Verhaltenskodex für Justizbeamte steht auf dem Lehrplan<br />

der Justizakademie und alle Anwärter auf das Amt eines Richter oder Staatsanwalts nehmen<br />

an einem vierstündigen Seminar zum Thema Standesethik teil.<br />

16 Obwohl der Justizminister Vorsitzender des Hohen Rates ist, nimm er nur selten an dessen Tagungen<br />

teil. Zahl der Tagungen, bei denen der Justizminister in den letzten sechs Jahren den Vorsitz führte:<br />

2001 – 9, 2002 – 11, 2003 – 12, 2004 – 8, 2005 – 4 und 2006 (bis 26.09.2006) – 2.<br />

<strong>DE</strong> 66 <strong>DE</strong>


Mit Beschluss Nr. 424 vom 10. Oktober 2006 erkannte der Hohe Rat der Richter und<br />

Staatsanwälte die von der Konferenz der europäischen Generalstaatsanwälte in Budapest<br />

verabschiedeten Grundsätze an, die er an alle Zweige des Justizwesens verteilen wird.<br />

Nach der Verabschiedung eines Gesetzes über die Besoldung von Richtern und<br />

Staatsanwälten im Juni 2006 wurden die Gehälter um ca. 40 % erhöht. Insbesondere die<br />

Gehälter der Präsidenten der obersten Gerichte wurden, entsprechend dem Wunsch der Justiz,<br />

auf das Gehaltsniveau des Staatssekretärs im Amts des Ministerpräsidenten angehoben.<br />

In Bezug auf die Professionalität und Kompetenz der Justiz setzte das Justizministerium<br />

und die Justizakademie die umfassende Schulung zum neuen Strafgesetzbuch und zur<br />

Strafprozessordnung sowie zu Themen wie Verhinderung von Folter und Misshandlung,<br />

Meinungsfreiheit und Wirksamkeit der gerichtlichen Verfahren fort. Auch der<br />

Fremdsprachenunterricht und die Schulung zu Fragen des EU-Rechts und der internationalen<br />

Menschenrechtsbestimmungen wurden fortgesetzt. In diesem Zusammenhang erhielten einige<br />

Richter und Staatsanwälte die Möglichkeit, an Schulungsmaßnahmen im Ausland<br />

teilzunehmen. Die Justizakademie sollte sich allerdings zu einem leistungsstarken,<br />

unabhängigen Schulungszentrum für das gesamte Gerichtswesen, d.h. auch auf regionaler<br />

Ebene, entwickeln.<br />

In Bezug auf die Effizienz des Justizwesens waren weitere Fortschritte zu verzeichnen. Was<br />

Durchführungsmaßnahmen anbetrifft, so aktualisierte das Justizministerium im Januar 2006<br />

sämtliche Runderlässe durch die Herausgabe von rund 100 neuen, die überwiegend an die<br />

Staatsanwälte gerichtet waren. Ziel dabei war die Schaffung eines übersichtlicheren Rahmens<br />

für die Umsetzung insbesondere der neuen Strafprozessordnung und des Gesetzes über die<br />

Vollstreckung von Gerichtsurteilen.<br />

Ein Gesetz, das es praktizierenden Rechtsanwälten ermöglichen sollte, Richter oder<br />

Staatsanwalt zu werden, wurde abgelehnt. Die 4.000 freien Stellen werden also mittels der<br />

üblichen Einstellungsverfahren besetzt werden. In diesem Zusammenhang wurde die auf das<br />

Amt eines Richters oder Staatsanwalts vorbereitende Ausbildung von zwei auf ein Jahr<br />

verkürzt. Es müsste darauf geachtet werden, die Richter von allen Verwaltungsfunktionen zu<br />

befreien und diese ausreichend qualifiziertem Gerichtspersonal zu übertragen. Das Etat des<br />

Justizministeriums wurde erheblich aufgestockt und macht derzeit über 1% des gesamten<br />

Staatshaushalts aus. Was die Computerisierung anbetrifft, so kam das Projekt zum Aufbau<br />

eines nationalen Justiznetzwerks weiter voran - das System wurde in weiteten Gerichten und<br />

Strafvollzugsanstalten eingeführt. Die wichtigsten Gerichtsgebäude sowie alle Richter und<br />

Staatsanwälte verfügen inzwischen über Laptops und Internet-Zugang. Die<br />

Gerichtsverhandlungen werden über das nationale Justiznetzwerk verfolgt werden können und<br />

auch die Rechtsprechung wird über das Netz zugänglich sein. Über das Netzwerk wird das<br />

Gerichtswesen mit allen staatlichen Institutionen elektronisch verbunden sein. Seit<br />

Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung nutzen Staatsanwälte zunehmend ihren<br />

Ermessensspielraum zur Einstellung aussichtsloser Verfahren. Zudem wird über viele Fälle<br />

berichtet, in denen Richter Anklagen, die nicht auf ausreichenden Beweismitteln beruhten,<br />

abgewiesen haben.<br />

Mit der neuen Strafprozessordnung wurde das System der Absprachen zur Strafmilderung<br />

eingeführt. Das Justizministerium hat eine Kommission eingesetzt, die das System weiter<br />

verbessern soll.<br />

<strong>DE</strong> 67 <strong>DE</strong>


Im Bereich der Justizreform sind Fortschritte zu verzeichnen<br />

Bei der Bekämpfung von Korruption sind insgesamt einige Fortschritte zu verzeichnen. Das<br />

Gesetz über den Zugang zu Informationen wurde 2006 geändert, um den Bürgern die<br />

Möglichkeit zu geben, alle Entscheidungen staatlicher Stellen zur Ablehnung von Anträgen<br />

auf Zugang zu Informationen anzufechten. Öffentliche Organisationen nehmen die geänderte<br />

gesetzliche Regelung in Anspruch. Nach der amtlichen Statistik wurden 626.789 Anträge auf<br />

Zugang zu Informationen gestellt, denen die staatlichen Stellen zu 86,5 % stattgaben. Das<br />

UN-Übereinkommen über die Korruptionsbekämpfung wurde vom Parlament angenommen<br />

und trat im Mai 2006 in Kraft.<br />

Es bestehen weiterhin keine Gesamtstrategie und kein umfassender Aktionsplan zur<br />

Verhütung und Bekämpfung von Korruption.<br />

In der Türkei ist die Korruption jedoch nach wie vor weit verbreitet. Die Effizienz und<br />

Wirksamkeit der verschiedenen exekutiven, parlamentarischen und sonstigen Stellen, die zur<br />

Korruptionsbekämpfung eingesetzt werden, ist, wie auch die Zusammenarbeit und<br />

Koordinierung zwischen ihnen, weiterhin unzureichend. Das Zusammenwirken zwischen<br />

Staat, Privatsektor und Zivilgesellschaft muss verbessert werden. Verstärkte<br />

Sensibilisierungsmaßnahmen sind erforderlich, damit die Öffentlichkeit die Korruption als<br />

schwere Straftat erkennt. Es muss gewährleistet werden, dass die höchste politische Ebene die<br />

Korruptionsbekämpfung nachhaltig unterstützt.<br />

Die Funktionsfähigkeit des 2004 eingesetzten Ethikausschusses für Staatsbedienstete wird<br />

durch Personal- und Finanzmangel beeinträchtigt. Der Ausschuss muss gestärkt werden, um<br />

seine Aufgaben bei der Überwachung der Einhaltung ethischer Grundsätze und bei der<br />

Prüfung von Beschwerden wahrnehmen zu können.<br />

Die Umsetzung des 2003 verabschiedeten Gesetzes über die öffentliche Finanzverwaltung und<br />

–kontrolle ist unzureichend, insbesondere in Bezug auf Innenrevision und<br />

Leistungskontrollen. Eine weitere Frage, die angegangen werden muss, ist die mangelnde<br />

Rechnungsprüfungskompetenz des türkischen Rechnungshofs in Bezug auf die<br />

Verteidigungsausgaben. (Siehe Kapitel 28: Finanzkontrolle für weitere Einzelheiten.)<br />

Obwohl erkannt wurde, dass vor dem Hintergrund der Korruption im öffentlichen Leben in<br />

der Türkei die Anwendung der parlamentarischen Immunität ein erhebliches Problem<br />

darstellt, kam es in dieser Frage zu keinen Fortschritten. Auch in Bezug auf die Finanzierung<br />

politischer Parteien waren keine Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Im Bereich der Grundrechte waren die Fortschritte bei der Gesetzgebung begrenzt. Die<br />

Umsetzung von Reformen wurden jedoch fortgesetzt. Die Verabschiedung des Gesetze zur<br />

Einrichtung einer Ombudsstelle ist ein willkommener Schritt, da diese neue Institution<br />

voraussichtlich zur verstärkten Transparenz und Rechenschaftspflicht staatlicher Stellen<br />

beitragen wird.<br />

In Bezug auf die Institutionen, die wie das Menschenrechtspräsidium die Achtung der<br />

Menschenrechte überwachen und fördern sollen, waren keine Entwicklungen zu verzeichnen.<br />

<strong>DE</strong> 68 <strong>DE</strong>


Was das Recht auf Leben und insbesondere die Abschaffung der Todesstrafe betrifft, so<br />

ratifizierte die Türkei im März 2006 das zweite Fakultativprotokoll des Internationalen Pakts<br />

über bürgerliche und politische Rechte, das auf die Abschaffung der Todesstrafe abzielt. Das<br />

Protokoll Nr. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das die grundsätzliche<br />

Abschaffung der Todesstrafe vorsieht, wurde im Februar 2006 ratifiziert. Was ihr nationales<br />

Recht angeht, so schaffte die Türkei 2004 die Todesstrafe in allen Fällen ab.<br />

In Bezug auf Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe wurde<br />

die Umsetzung des gesetzlichen Rahmens fortgesetzt. Die Zahl der gemeldeten Fälle von<br />

Folter und Misshandlung gingen gegenüber dem Vorjahr zurück. Doch Fälle außerhalb<br />

regulärer Haft werden nach wie vor gemeldet. Außerdem geben die<br />

Menschenrechtsverletzungen im Südosten des Landes und das Problem der Straflosigkeit<br />

weiterhin Anlass zur Besorgnis. Das 2004 unterzeichnete erste Fakultativprotokoll des<br />

Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie das im September 2005<br />

unterzeichnete Fakultativprotokoll des UN-Übereinkommens gegen Folter wurden noch nicht<br />

ratifiziert.<br />

In Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten waren keine Entwicklungen zu<br />

verzeichnen.<br />

Was die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit anbetrifft, so wird die Freiheit der<br />

Religionsausübung im Allgemeinen geachtet. Doch bei der Überwindung der Probleme, vor<br />

denen die zum Teil staatlich nicht anerkannten nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften<br />

und die ebenfalls staatlich nicht anerkannte muslimische Gemeinschaft der Aleviten stehen,<br />

wurden keine Fortschritte erzielt. Auch in Bezug auf das Recht auf Wehrdienstverweigerung<br />

aus Gewissensgründen, das von der Türkei nicht anerkannt wird, waren keine Fortschritte zu<br />

verzeichnen.<br />

Im Allgemeinen findet in der türkischen Gesellschaft verstärkt eine offene Debatte statt. Doch<br />

bestimmte Bestimmungen des neuen Strafgesetzbuchs lassen der Justiz einen erheblichen<br />

Auslegungsspielraum. Insbesondere die restriktive Auslegung des Artikels 301 hat zur<br />

Anklageerhebung gegen und zur Verurteilung von Personen geführt, die gewaltlos ihre<br />

Meinung geäußert haben.<br />

In Bezug auf die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit setzte sich der Trend zur<br />

Beseitigung von Beschränkungen fort. Berichten zufolge haben die Sicherheitskräfte jedoch<br />

bei Demonstrationen übertriebene Gewalt angewandt. Außerdem bestehen weiterhin einige<br />

Beschränkungen im Hinblick auf die Einrichtung von Vereinigung zur Vertretung religiöser<br />

oder kultureller Partikularinteressen.<br />

Hinsichtlich des Rechts auf Bildung müssen die Bemühungen um Verbesserung der sozialen<br />

Wahrnehmung von Frauen sowie um Förderung der Rolle von Frauen in der Gesellschaft und<br />

der Teilnahme von Mädchen am Bildungswesen, insbesondere im Südosten des Landes,<br />

fortgesetzt werden.<br />

In Bezug auf das Recht auf Eigentum waren keine Maßnahmen zur Verbesserung der Lage<br />

der nichtmuslimischen Gemeinschaften zu verzeichnen. Dies gilt auch im Hinblick auf die<br />

<strong>DE</strong> 69 <strong>DE</strong>


estehenden Probleme von griechischen Staatsbürgern und Assyrern bei der Beerbung und<br />

Eintragung von Eigentum.<br />

Im Bereich der Antidiskriminierung waren keine gesetzlichen Entwicklungen zu verzeichnen<br />

(siehe auch Kapitel 19 für die beschäftigungspolitischen Aspekte). Das 2001 unterzeichnete<br />

Protokoll Nr. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das ein allgemeines<br />

Diskriminierungsverbot im öffentlichen Sektor vorsieht, wurde noch nicht ratifiziert.<br />

Die türkische Öffentlichkeit schenkt Fragen im Zusammenhang mit der Gleichstellung der<br />

Geschlechter und den Rechten der Frau zunehmend Aufmerksamkeit. Der rechtliche Rahmen<br />

ist im Großen und Ganzen zufrieden stellend. Doch in der Praxis werden die Rechte von<br />

Frauen nicht immer geschützt, vor allem in den ärmsten Regionen des Landes.<br />

"Ehrenverbrechen" müssen systematischer untersucht und ggf. mit einer Anklageerhebung<br />

und Verurteilung geahndet werden.<br />

In Bezug auf die Rechte des Kindes hat sich die Lage kaum verändert. Die Durchsetzung der<br />

gesetzlichen Bestimmungen über Bildung und Beschäftigung bei Kindern unter 15 Jahren<br />

muss verbessert werden.<br />

Im Hinblick auf das Recht auf wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht ist<br />

festzustellen, dass sich die durchschnittliche Dauer eines Strafverfahrens zwischen 2004 und<br />

2005 von 210 auf 234 Tage erhöhte; bei den Zivilverfahren erhöhte sich die durchschnittliche<br />

Dauer im selben Zeitraum von 177 auf 184 Tage. Die Zahl der an den Gerichten anhängigen<br />

Verfahren blieb konstant: 1 050 754 Strafsachen wurden von 2004 auf 2005 übertragen und 1<br />

050 250 von 2005 auf 2006.<br />

Die Zahl der an den Zivilgerichten anhängigen Verfahren stieg leicht an: 757 560 Zivilsachen<br />

wurden von 2005 auf 2006 übertragen gegenüber 717 960 von 2004 auf 2005.<br />

Untersuchungshäftlinge haben Anspruch auf Rechtsbeistand, und Aussagen, die in<br />

Abwesenheit eines Rechtsanwalts gemacht werden, sind nach der neuen Strafprozessordnung<br />

nicht mehr als Beweismittel vor Gericht zulässig. Mit dem neuen Antiterrorgesetz wurden<br />

allerdings Beschränkungen dieses Anspruchs eingeführt: So kann in den ersten 24 Stunden<br />

nach der Verhaftung der Zugang zu einem Rechtsanwalt verwehrt werden. Auch die<br />

mangelnde Prüfung von Fällen, in denen Aussagen ursprünglich in Abwesenheit eines<br />

Rechtsanwalts gemacht wurden und die Angeklagten später behauptet haben, sie seien unter<br />

Folter erzwungen worden, gibt Anlass zur Besorgnis.<br />

In Bezug auf das Recht auf Verteidigung ist seit Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung<br />

ein deutlicher Anstieg der Zahl der für den kostenlosen Rechtsbeistand bestellten<br />

Rechtsanwälte zu verzeichnen. Doch der Staat zahlt niedrige Anwaltshonorare. Dies gibt<br />

Anlass zur Besorgnis im Hinblick auf die Qualität des geleisteten Rechtsbeistands. Außerdem<br />

haben sich die Anwaltsvereinigung und das Justizministerium auf eine Reihe von<br />

Gesetzesänderungen verständigt, mit denen der Anspruch auf kostenlosen Rechtsbeistand<br />

eingeschränkt werden soll. Dadurch würde sich die Zahl der Verdächtigten und<br />

Untersuchungshäftlinge, die automatisch dafür in Frage kommen, verringern.<br />

<strong>DE</strong> 70 <strong>DE</strong>


Gemäß den strengeren Bestimmungen der neuen Strafprozessordnung in Bezug auf das<br />

kostenlose Gerichtsdolmetschen zwischen Türkisch und den von nicht türkischsprachigen<br />

Bürgern verwendeten Sprachen sind die Gerichte verpflichtet, Listen von Sachverständigen -<br />

einschließlich Dolmetschern – aufzustellen.<br />

Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Kreuzverhörprinzips werden gemeldet. Richter und<br />

Anwälte müssen gezielt geschult und ausreichend Zeit muss für die mündliche Verhandlung<br />

vorgesehen werden. Die Fähigkeit der Gerichte, der hohen Arbeitsbelastung gerecht zu<br />

werden, stößt an ihre Grenzen<br />

Der Ansatz der Türkei im Bereich der Minderheitenrechte bleibt unverändert. Bei der<br />

Angleichung der türkischen Praxis an internationale und europäische Normen waren keine<br />

Fortschritte zu verzeichnen.<br />

In Bezug auf die Rechte von EU-Bürgern waren keine Entwicklungen zu verzeichnen.<br />

Schlussfolgerung<br />

In Bezug auf das Justizwesen setzte sich die Umsetzung der bereits verabschiedeten Gesetze<br />

fort. Zur Gewährleistung einer unabhängigen, unparteiischen und effektiven Justiz sind<br />

jedoch weitere Maßnahmen erforderlich. Die Einstellungen zur Unabhängigkeit der Justiz,<br />

und insbesondere die Einflussnahme durch staatliche Stellen, geben weiterhin Anlass zur<br />

Besorgnis. Außerdem sind Maßnahmen zur Gewährleistung eines ausgeglichenen<br />

Kräfteverhältnisses zwischen Anklage und Verteidigung vor Gericht erforderlich.<br />

Bei der Bekämpfung von Korruption waren vor allem im Hinblick auf erhöhte Transparenz<br />

der öffentlichen Verwaltung einige Fortschritte zu verzeichnen. Die Korruption ist trotzdem<br />

nach wie vor weit verbreitet, und die einschlägigen Behörden und Strategien sind weiterhin<br />

wenig leistungsfähig bzw. unzureichend. Als vorrangige Aufgabe muss die parlamentarische<br />

Immunität begrenzt werden. Auch die Finanzierung politischer Parteien muss angegangen<br />

werden.<br />

Im Hinblick auf die Grundrechte waren die Fortschritte im Bereich der Gesetzgebung<br />

begrenzt, die Umsetzung der in den vergangenen Jahren eingeleiteten Reformen wurde<br />

allerdings fortgesetzt. Die Türkei muss in einigen Bereichen die Menschenrechtslage<br />

wesentlich verbessern und die Probleme, vor denen die Minderheiten stehen, angehen.<br />

4.24. Kapitel 24: Recht, Freiheit und Sicherheit<br />

Im Hinblick auf die Außengrenzen und den Schengenbesitzstand waren einige Fortschritte<br />

zu verzeichnen. Im März 2006 wurde ein nationaler Aktionsplan zur Umsetzung der von der<br />

Türkei aufgestellten Strategie im Bereich der integrierten Grenzverwaltung verabschiedet.<br />

Dieser Plan ist ein Schritt zur Angleichung an die EU-Normen, denn die Entwicklung eines<br />

integrierten Konzepts der Grenzverwaltung stellt ein wesentliches Element der<br />

Beitrittsverhandlungen zu diesem Kapitel dar.<br />

Trotzdem besteht weiterhin eine Reihe gravierender Mängel.<br />

<strong>DE</strong> 71 <strong>DE</strong>


Derzeit sind die Armee, die Polizei, die Gendarmerie und die Küstenwache jeweils für<br />

bestimmte Grenzabschnitte zuständig. Außerdem ist die dem Amt des Ministerpräsidenten<br />

unterstellte Zollverwaltung für die Waren- und Personenkontrollen zuständig. Insgesamt<br />

steckt die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden noch in den Anfängen, und sowohl<br />

der Informationsaustausch als auch die Kompetenzabgrenzung zwischen ihnen muss<br />

wesentlich verbessert werden.<br />

Ausbildung und Professionalität des Grenzpersonals muss vor allem im Hinblick auf den<br />

Einsatz von Wehrpflichtigen verbessert werden. Als vorrangige Aufgabe müssen die<br />

Kapazitäten im Bereich der Risikoanalyse weiter ausgebaut werden. Die bei den Fahrzeug-<br />

und Warenkontrollen angewandten Verfahren müssen überprüft werden. An einigen<br />

Grenzübergängen ist eine wesentliche Verbesserung der Infrastruktur erforderlich. Sowohl die<br />

nachgelagerten Ausrüstungen als auch die vorgelagerten Geräte zur Dokumentenkontrolle<br />

fehlen oder sind unterentwickelt. Die Überwachungsgeräte an den Grenzübergängen und<br />

entlang der grünen Grenze müssen den Besonderheiten der Türkei besser angepasst werden.<br />

Im Bereich der Visapolitik sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Was die Angleichung<br />

an die EU-Positivlist betrifft, so traten Abkommen mit Venezuela und Paraguay über die<br />

Befreiung von der Visumspflicht in Kraft. Auch mit Kolumbien wurde ein derartiges<br />

Abkommen unterzeichnet, und gegenüber Andorra wurde die Visumspflicht aufgehoben. Bei<br />

der Angleichung an die Negativliste waren keine Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Obwohl die Harmonisierung mit der einheitlichen EU-Visummarke begonnen hat, gestattete<br />

es die Türkei Staatsangehörigen aus 35 Ländern, einschließlich 17 EU-Mitgliedstaaten, ein<br />

Visum an der Grenze zu beantragen. Diese Praxis muss schrittweise eingestellt werden – die<br />

Visen sollten nur noch von Botschaften/Konsulaten erteilt werden. Was die Kapazitäten der<br />

türkischen Konsulate anbelangt, so wurden zwar Geräte zur Erkennung von gefälschten<br />

Dokumenten verteilt, doch eine weitere Schulung des Personals ist erforderlich. Die<br />

Angleichung an die EU-Sicherheitsmerkmale und Visanormen muss mit Dringlichkeit in<br />

Angriff genommen werden.<br />

Im Bereich der Migration waren nur begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Der nationale<br />

Aktionsplan für Asyl und Migration wird umgesetzt. Doch darin sind weder Fristen für die<br />

Umsetzung des Besitzstands in nationales Recht noch der Ausbau der<br />

Verwaltungskapazitäten, insbesondere durch Einrichtung einer Sonderbehörde, vorgesehen.<br />

Die Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen mit der EG setzten sich in langsamem<br />

Tempo fort. Um den rechtzeitigen und erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zu<br />

gewährleisten, muss die Türkei ihre Anstrengungen wesentlich verstärken.<br />

2005 wurden in der Türkei 57.428 illegale Einwanderer aufgegriffen gegenüber 61.228 im<br />

Jahr 2004 - in der ersten Jahreshälfte 2006 lag diese Zahl bei 18.441.<br />

Erhebliche Anstrengungen sind noch erforderlich, um die türkischen Gesetze dem Besitzstand<br />

anzugleichen und die zur Umsetzung dieser Gesetze notwendigen Verwaltungskapazitäten<br />

weiter auszubauen.<br />

Im Bereich Asyl wurden durch die Änderung der wichtigsten Gesetze einige Fortschritte<br />

erzielt. Die Zehntagesfrist für die Einreichung eines Asylantrags wurde aufgehoben. Die<br />

Möglichkeit, ausgewählte Provinzen zur Entscheidung über Asylanträge zu ermächtigen,<br />

wurde eingeführt – bisher war nur das Innenministerium dazu befugt.<br />

<strong>DE</strong> 72 <strong>DE</strong>


Es wurde allerdings kein Ad-hoc-Forum eingerichtet, in dem Vertreter aller beteiligten Stellen<br />

zusammenkommen, um die wirksame Umsetzung des Aktionsplans für Migration und Asyl<br />

sicherzustellen und die künftigen institutionellen Strukturen zu klären. Um einerseits den<br />

Zugang aller Asylbewerber zu einem fairen Verfahren und andererseits die einheitliche<br />

Anwendung der einschlägigen Vorschriften zu gewährleisten, sind neue Gesetze insbesondere<br />

über die Verfahren an den internationalen Flughäfen erforderlich.<br />

Die Kapazität der Aufnahmezentren für Asylbewerber muss vergrößert und die dortigen<br />

Einrichtungen müssen verbessert werden. Die institutionelle Zuständigkeit für die Verwaltung<br />

dieser Zentren ist unklar.<br />

Die vollständige Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und des dazu<br />

gehörigen Protokolls von 1967 ist in Vorbereitung – die Aufhebung der geographischen<br />

Beschränkung ist für 2012 vorgesehen.<br />

Die Vorbereitungen auf die Rechtsangleichung und der Aufbau der erforderlichen<br />

Verwaltungskapazitäten befinden sich in einem sehr frühen Stadium.<br />

Im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit waren einige, bei der Bekämpfung der<br />

organisierten Kriminalität begrenzte Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Die Türkei hat alle wichtigen internationalen Übereinkommen im Bereich der polizeilichen<br />

Zusammenarbeit unterzeichnet. Die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und die<br />

polizeiliche Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten ist meistens gut. Sie wird allerdings<br />

durch den Mangel an gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz beeinträchtigt. Die<br />

Kapazitäten im Bereich der Gerichtsmedizin sind, was das vorhandene Fachwissen angeht,<br />

zufrieden stellend, doch der Aufbau einer modernen Infrastruktur einschließlich einer<br />

besseren Ausrüstung insbesondere der Polizei befindet sich in einem frühen Stadium. Ein<br />

stärker integriertes Konzept für die Schulung des Personals, vor allem im Bereich der<br />

Kriminalanalyse, ist erforderlich. Ein Verhaltskodex für die Strafverfolgungsbehörden muss<br />

noch im Einklang mit den bewährten internationalen Standards entwickelt werden. Eine<br />

nationale Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die im Einklang mit der<br />

bewährten Praxis der EU steht, wurde noch nicht verabschiedet. Die Maßnahmen zur<br />

Verbesserung der Zusammenarbeit, Kommunikation und Koordinierung zwischen den<br />

verschiedenen Strafverfolgungsbehörden untereinander sowie zwischen ihnen und der<br />

Staatsanwaltschaft befinden sind in einem frühen Stadium.<br />

Bei der Bekämpfung des Menschenhandels waren weitere Fortschritte zu verzeichnen. In<br />

diesem Bereich arbeitete die Regierung nach wie vor mit der Internationalen Organisation für<br />

Migration zusammen. Die Umsetzung des Programms zur Bekämpfung des Menschenhandels<br />

wurde fortgesetzt. Über den kostlosen Notruf konnten bis August 2006 98 Opfer des<br />

Menschenhandels gerettet werden. Die Zahl der Personen, denen bei der Rückkehr ins<br />

Herkunftsland geholfen wurde, nahm stark zu. 2005 erhielt von den 256 festgestellten Opfern<br />

des Menschenhandels 220 direkte Rückkehrhilfe. 2005 wurden 125, bis September 2006 330<br />

Menschenhändler verhaftet. Neben dem 2004 in Istanbul eingerichteten Heim für Opfer des<br />

Menschenhandels wurde auch in Ankara eine solche Einrichtung eröffnet. Im Februar wurde<br />

ein Protokoll über Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit Moldau unterzeichnet. Die<br />

türkischen Gesetze wurden zwar bereits in hohem Maße den EU-Rechtsvorschriften zur<br />

Bekämpfung des Menschenhandels angeglichen, doch müssen die Maßnahmen zur Steigerung<br />

der Leistungsfähigkeit der Behörden bei der Verhütung und Bekämpfung des<br />

<strong>DE</strong> 73 <strong>DE</strong>


Menschenhandels verstärkt werden, da das Problem des Menschenhandels in der Region<br />

zunimmt.<br />

Bei der Bekämpfung der Geldwäsche sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Im<br />

geänderten Antiterrorgesetz wird die "Finanzierung von Terrorismus" als gesonderter<br />

Tatbestand eingestuft. Der Entwurf eines Gesetzes, mit dem das türkische Recht dem<br />

Besitzstand weiter angeglichen werden soll, befindet sich in der parlamentarischen Beratung.<br />

Die Rechtsangleichung an internationale Übereinkommen war bisher begrenzt. Die Türkei hat<br />

das Übereinkommen des Europarats über Geldwäsche sowie die Ermittlung, Beschlagnahme<br />

und Einziehung von Erträgen aus Straftaten noch nicht unterzeichnet.<br />

Im Bereich der Terrorismusbekämpfung unterzeichnete die Türkei das Internationale<br />

Übereinkommen zur Bekämpfung des Nuklearterrorismus und das Übereinkommen des<br />

Europarats über die Verhütung von Terrorismus. Ein Hoher Rat für Terrorismusbekämpfung<br />

wurde eingerichtet, der sich aus Vertretern aller einschlägigen Institutionen zusammensetzt.<br />

Aufgabe des Rates ist es, die notwendigen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung zu<br />

ergreifen und Empfehlungen zu erarbeiten, die dann vom Ministerrat erteilt werden. Im Juli<br />

2006 wurde ein Antiterrorgesetz verabschiedet, das sich auf eine viel umfassendere Definition<br />

von terroristischen Aktivitäten und Terroristen stützt. Mit diesem Gesetz wird das Strafmaß<br />

für zu terroristischen Zwecken begangene Straftaten erhöht und der Tatbestand der<br />

Finanzierung von Terrorismus eingeführt – darin wird allerdings das Recht auf Verteidigung<br />

eingeschränkt. (Siehe auch "Politische Kriterien".)<br />

Bei der Drogenbekämpfung sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Eine nationale<br />

Strategie, die mit der EU-Drogenstrategie 2005-2012 und dem EU-Drogenaktionsplan 2005-<br />

2012 im Einklang steht, wurde noch nicht aufgestellt. Der Drogenhandel gibt weiterhin<br />

Anlass zur Besorgnis. Durch die internationale Zusammenarbeit mit der Polizei in den EU-<br />

Mitgliedstaaten und durch kontrollierte Lieferungen ist es allerdings in einigen Fällen<br />

gelungen, Drogen zu beschlagnahmen. Bei der Einrichtung einer Mini-Dublin-Gruppe in<br />

Ankara wurden keine Fortschritte erzielt. Die Entwicklung eines Netzwerks zur<br />

Datensammlung nach dem Modell der EMCDDA muss fortgesetzt werden. Die Reitox-<br />

Anlaufstelle wurde eingerichtet, doch muss ihre Ressourcenausstattung verbessert werden.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen den vielen staatlichen Stellen, die an der Drogenbekämpfung<br />

beteiligt sind, muss durch Bereitstellung der notwendigen Finanz- und Humanressourcen<br />

nachhaltig verbessert werden. In diesem Bereich bleibt die Rechtsangleichung nach wie vor<br />

begrenzt.<br />

Bei der Zusammenarbeit im Zollwesen sind einige Fortschritte zu verzeichnen. In Bezug auf<br />

Schulungsmaßnahmen und Verhaltensregeln für das Personal wurden gute Fortschritte erzielt.<br />

Verstärkte Anstrengungen sind allerdings erforderlich, um eine engere Zusammenarbeit<br />

zwischen Polizei und Zolldiensten bei der Verbrechensverhütung und –bekämpfung zu<br />

gewährleisten. Die Vorbereitungen auf die Umsetzung des Übereinkommens über Amtshilfe<br />

und Zusammenarbeit zwischen Zollverwaltungen (Zweites Übereinkommen von Neapel)<br />

müssen intensiviert werden. Was die Rechtsangleichung an den Besitzstand anbetrifft, so<br />

behindert das Fehlen eines Datenschutzgesetzes die wirksame Strafverfolgung im Rahmen der<br />

Zusammenarbeit im Zollwesen.<br />

Bei der justiziellen Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen sind begrenzte Fortschritte<br />

zu verzeichnen. Folgende Elemente sind nicht im türkischen Rechtssystem vorgesehen:<br />

direkte Zusammenarbeit der Justizbehörden, unmittelbarer Vollzug ausländischer<br />

<strong>DE</strong> 74 <strong>DE</strong>


Gerichtsurteile, Abschaffung des Grundsatzes der beiderseitigen Strafbarkeit sowie<br />

Einschränkung der Ablehnungsgründe. Eine allmähliche Angleichung an das private<br />

Völkerrecht sowie an die Vorschriften über Konkursverfahren und den Zugang zu den<br />

Gerichten muss gewährleisten werden. Die Rechtsvorschriften über die justizielle<br />

Zusammenarbeit in Strafsachen stehen in folgenden Bereichen nicht mit den EU-Normen im<br />

Einklang: Auslieferung türkischer und ausländischer Staatsbürger, Anwendung des<br />

Grundsatzes, dass niemand wegen einer Straftat zweimal bestraft werden darf,<br />

Umweltverbrechen, Rechte von Tatopfern im Rahmen von Strafverfahren sowie Umsetzung<br />

des Europäischen Haftbefehls. Die Türkei ist dem Europäischen Übereinkommen über<br />

Amtshilfe in Strafsachen (1959) und dem dazugehörigen Protokoll (1978) beigetreten. Sie hat<br />

das Zusatzprotokoll des Übereinkommens (2001) allerdings nicht unterzeichnet. Durch<br />

Ratifizierung des Zusatzprotokolls würde die Türkei im Hinblick auf die Bestimmungen über<br />

gemeinsame Ermittlungsteams ein höheres Maß an Angleichung an den Besitzstand erreichen.<br />

Die Türkei bereitet sich auf die Teilnahme an Eurojust vor. Vor allem aufgrund des Fehlens<br />

eines Gesetzes über die Rechtshilfe ist die Rechtangleichung im Bereich der justiziellen<br />

Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen nach wie vor begrenzt.<br />

Schlussfolgerung<br />

Vor allem in den Bereichen Asyl, Grenzverwaltung, Bekämpfung des Menschenhandels, Zoll<br />

und polizeiliche Zusammenarbeit waren insgesamt einige Fortschritte zu verzeichnen. Die<br />

Angleichung an den Besitzstand hat zwar begonnen, doch in Bereichen wie Migration,<br />

Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Geldwäsche und justizielle Zusammenarbeit in<br />

Zivil- und Strafsachen sind noch erhebliche, nachhaltige Bemühungen erforderlich<br />

4.25. Kapitel 25: Wissenschaft und Forschung<br />

Sowohl im Hinblick auf Maßnahmen zur Schaffung günstigerer Rahmenbedingungen für die<br />

Forschung als auch in Bezug auf die Forschungszusammenarbeit mit der EU wurden im<br />

Bereich der Wissenschaft und Forschung weitere gute Fortschritte erzielt. Die Türkei nahm<br />

weiterhin am sechsten Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung,<br />

jedoch noch nicht am Euratom-Rahmenprogramm teil. Die Türkei arbeitet auch aktiv mit der<br />

Gemeinsamen Forschungsstelle (direkte Maßnahmen) zusammen.<br />

Als Ergebnis der türkischen Forschungspolitik wurde das Forschungs- und Entwicklungsetat<br />

erheblich aufgestockt und zwar um fast das Fünffache gegenüber 2002. In 15 Städten wurden<br />

neue Hochschulen eröffnet. Die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der Türkei wurden<br />

weiter ausgebaut, was wiederum zu einer erfolgreicheren Teilnahme am sechsten<br />

Rahmenprogramm führte. Die Erfolgsquote der türkischen Projektvorschläge zum sechsten<br />

Rahmenprogramm ist gestiegen und liegt inzwischen bei 17 %. Sie liegt allerdings unter dem<br />

EU-Durchschnitt von ca. 20 %. Die Türkei erhielt eine Finanzierung vor allem für kleine<br />

Projekte. Doch die Finanzierung durch die EU entfaltet nicht ihr volles Potential.<br />

Aufgrund der Maßnahmen der Türkei in Bezug auf die Mobilität von Forschern, die<br />

Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sowie die Zweckbindung von 3 % des<br />

BIP für die Umsetzung des Aktionsplans Wissenschaft und Technologie lässt sich feststellen,<br />

dass die Türkei sich bereits gut in den Europäischen Forschungsraum integriert hat.<br />

Die Beteiligung des Privatsektors und von KMU an Forschungsaktivitäten – und am Sechsten<br />

Rahmenprogramm – ist sehr gering. Die Zahl der Wissenschaftler liegt unter dem EU-<br />

Durchschnitt. Die Forschung ist nicht in ausreichendem Maße in die Lehrpläne von Schulen<br />

<strong>DE</strong> 75 <strong>DE</strong>


und Hochschulen integriert. Der türkische Rat für Wissenschaft und technologische<br />

Forschung TÜBITAK hat neue Unterstützungsprogramme aufgelegt und 50<br />

Nachwuchswissenschaftler eingestellt. Über die Verfassungsmäßigkeit der jüngsten<br />

Änderungen der Gesetze, die die Ernennung der 14 Mitglieder und des Vorsitzenden des<br />

Wissenschaftsrates wie auch der Hochschulrektoren regeln, herrscht weiterhin rechtliche<br />

Unklarheit.<br />

Schlussfolgerung<br />

Insbesondere in Bezug auf die Teilnahme an EU-Forschungsprogrammen und die<br />

Mittelzuweisungen aus dem Staatshaushalt wurden in diesem Bereich einige weitere<br />

Fortschritte erzielt. Insgesamt ist festzustellen, dass die Türkei im Bereich Wissenschaft und<br />

Forschung auf den Beitritt gut vorbereitet und bei der Entwicklung und Umsetzung einer<br />

integrierten Forschungsstrategie ziemlich weit vorangekommen ist.<br />

4.26. Kapitel 26: Bildung und Kultur<br />

Im Bereich Bildung, Kultur und Jugend sind gute Fortschritte zu verzeichnen. Die Türkei<br />

nimmt erfolgreich an den Gemeinschaftsprogrammen Leonardo da Vinci, Sokrates und<br />

Jugend teil und bemüht sich darum, dass die türkischen Teilnehmer aus allen Landesteilen<br />

stammen. Angesichts der stark steigenden Bewerberzahlen und der Absicht der Türkei, für<br />

eine wesentliche breitere Beteiligung an den künftigen Programmen "Lebenslanges Lernen"<br />

und "Jugend in Aktion" bedarf die zuständige nationale Behörde einer weiteren<br />

Konsolidierung und Verfahrensvereinfachung. Die Türkei hat begonnen, aktiv an der Arbeit<br />

der für das Arbeitsprogramme "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" zuständigen<br />

Koordinierungsgruppe wie auch an mehreren Clustern teilzunehmen. Bei der Erhöhung der<br />

Besuchsquote auf allen Ebenen des Bildungswesens waren Fortschritte zu verzeichnen, auch<br />

wenn diese Quote nach wie vor erheblich unter dem OECD-Durchschnitt liegt. Eine mit viel<br />

Öffentlichkeitsarbeit betriebene Kampagne zur Förderung der Bildungsteilnahme von<br />

Mädchen hat Erfolge gezeitigt. Überarbeitete Lehrpläne für die Primarstufe wie auch für die<br />

berufliche Bildung werden umgesetzt oder in Pilotprojekten erprobt. Die Türkei beteiligt sich<br />

an der Entwicklung eines Europäischen Qualifikationsrahmens, hat es jedoch bisher versäumt,<br />

ein nationales Qualifikationssystem einzurichten. Die Teilnahmequote am lebenslangen<br />

Lernen ist zwar sehr niedrig, stieg jedoch 2005 auf 2 % gegenüber 1,1 % im Jahr 2004. Bei<br />

der Umsetzung der Vorgaben des Prozesses von Bologna im Bereich der Hochschulbildung<br />

erzielte die Türkei durch die Einführung des Europäischen Systems zur Anrechnung von<br />

Studienleistungen weitere Fortschritte.<br />

Inzwischen nimmt die Türkei auch am Gemeinschaftsprogramme "Kultur 2000" teil. Die<br />

Türkei setzt sich für die Annahme des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz und zur<br />

Förderung der Vielfalt kulturellen Ausdrucks ein und hat die innerstaatlichen Verfahren zur<br />

Ratifizierung eingeleitet. Istanbul bewirbt sich als europäische Kulturhauptstadt 2010.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Türkei hat weitere gute Fortschritte erzielt. Die Rechtsangleichung ist nahezu<br />

abgeschlossen, und die Türkei ist in diesem Bereich insgesamt gut auf den Beitritt vorbereitet.<br />

Die Bemühungen im Zusammenhang mit der Lissabonner Strategie müssen vor allem im<br />

Hinblick auf lebenslanges Lernen fortgesetzt werden.<br />

<strong>DE</strong> 76 <strong>DE</strong>


4.27. Kapitel 27: Umwelt<br />

Bei den horizontalen Rechtsvorschriften sind keine wesentlichen Fortschritte zu<br />

verzeichnen. Ingesamt ist die Rechtsangleichung in diesem Bereich begrenzt. Die Türkei hat<br />

weder das Protokoll von Kyoto ratifiziert noch die Richtlinie über den Emissionenhandel und<br />

die damit verbundenen Beschlüsse umgesetzt. Hinsichtlich der Umsetzung und Anwendung<br />

der Richtlinien über Umwelthaftung und -berichterstattung sind keine Fortschritte zu<br />

verzeichnen, auch wenn gewisse Elemente bereits im türkischen Rechtssystem vorhanden<br />

sind. Bei der weiterem Umsetzung der Richtlinie über den öffentlichen Zugang zu<br />

Umweltinformationen wurden keine Fortschritte erzielt. Einige Teile der Richtlinie über die<br />

Beteiligung der Öffentlichkeit wurden durch das neue im Mai 2006 verabschiedete<br />

Umweltgesetz in nationales Recht umgesetzt. Die türkischen Rechtsvorschriften über<br />

Umweltverträglichkeitsprüfungen sehen weiterhin kein Erfordernis zur grenzübergreifenden<br />

Konsultation vor. Einige Aktivitäten wie Bergbau werden nicht berücksichtigt, und die<br />

Konsultation der Öffentlichkeit muss verbessert werden. Die Türkei hat bisher weder das<br />

Übereinkommen von Espoo noch das Übereinkommen von Aarhus unterzeichnet. Es liegt<br />

kein Zeitplan für den Beitritt zu diesen beiden Übereinkommen vor. Die Richtlinie über die<br />

strategische Umweltverträglichkeitsprüfung wurde noch nicht umgesetzt. Die Vorbereitungen<br />

in diesem Bereich sind begrenzt.<br />

In Bezug auf die Rechtsvorschriften über Luftqualität können einige Fortschritte vermeldet<br />

werden. Bei der Angleichung an die Luftqualität-Rahmenrichtlinie und die damit<br />

verbundenen Richtlinien wurden keine Fortschritte erzielt. Allerdings wird zurzeit ein<br />

Twinning-Projekt durchgeführt. Gemäß den Anforderungen des Besitzstands wurde ein 36<br />

Städte umspannendes Netz von Messstationen eingerichtet. Bei der Umsetzung der<br />

Richtlinien über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und die Reduzierung des<br />

Schwefelgehalts bestimmter Flüssigbrennstoffe wurden gute Fortschritte erzielt. Bei der<br />

Umsetzung der Richtlinie über die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen wurden<br />

keine weiteren Fortschritte erzielt. Die Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen<br />

wurde noch nicht umgesetzt. Die Vorbereitungen in diesem Bereich erfordern noch erhebliche<br />

Anstrengungen.<br />

Im Bereich Abfallwirtschaft ist die Türkei ist bei der Umsetzung des Besitzstands bereits<br />

weit vorangekommen. Ein hohes Maß an Angleichung an die Abfall-Rahmenrichtlinie wurde<br />

erreicht, und die Richtlinie über gefährliche Abfälle wurde in nationales Recht umgesetzt. In<br />

folgenden Bereichen ist eine weitere Angleichung der Rechtsvorschriften erforderlich:<br />

polychlorierte Biphenyle, Altfahrzeuge, Elektro- und Elektronik-Altgeräte, Beschränkung der<br />

Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, Mülldeponien<br />

und Müllverbrennungsanlagen. Im Rahmen eines Twinning-Projekts werden technische<br />

Studien über die weitere Umsetzung und Anwendung einer Reihe von Richtlinie über<br />

Abfallströme sowie der Richtlinie über Mülldeponien durchgeführt. Die noch bestehenden<br />

Defizite sollen im Rahmen eines nationalen Plans zur Abfallbewirtschaftung in Angriff<br />

genommen werden. Ein Finanzierungsplan muss ausgearbeitet werden. Die Vorbereitungen in<br />

diesem Bereich haben bereits angefangen.<br />

In Bezug auf den Besitzstand im Bereich Wasserqualität sind Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Durch die Umsetzung von Rechtsvorschriften über die Behandlung städtischer Abfälle und<br />

die Qualität von Badegewässern wurden gute Fortschritte erzielt. Allerdings wurde bisher<br />

keine Finanzierungspläne ausgearbeitet. Keine Maßnahmen wurden ergriffen, um die<br />

Angleichung an die Wasser-Rahmenrichtlinie voranzubringen und dadurch die neuen<br />

Investitionen zu ermöglichen, die zur Einhaltung des Besitzstands erforderlich sind. Die<br />

<strong>DE</strong> 77 <strong>DE</strong>


Türkei hat auch keine Schritte unternommen, um die grenzübergreifende Zusammenarbeit im<br />

Wasserbereich, insbesondere mit den EU-Mitgliedstaaten, auszubauen. Bei der Angleichung<br />

bzw. der weiteren Angleichung an andere Richtlinien im Bereich Wasserqualität wurden<br />

keine Fortschritte erzielt. Vor allem in Bezug auf Nitrate, Bodenwasser und Trinkwasser ist<br />

der Umsetzungsgrad niedrig. Insgesamt wird die institutionelle Leistungsfähigkeit nach wie<br />

vor durch eine unklare Kompetenzverteilung beeinträchtigt.<br />

Durch die Annahme der Verordnung zum Schutz von Lebensräumen wild lebender Tiere<br />

wurden bei der Angleichung an den Besitzstand im Bereich Naturschutz einige Fortschritte<br />

gemacht. Die Umsetzung, Anwendung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften bleibt<br />

allerdings unzureichend. Der fortschreitende Verlust an Lebensräumen gibt Anlass zur<br />

Besorgnis. Der Gesetzgebung in den mit dem Naturschutz verbundenen Politikbereichen muss<br />

mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die institutionelle Leistungsfähigkeit wird durch<br />

eine unklare Kompetenzabgrenzung zwischen den beteiligten Behörden beeinträchtigt.<br />

Keine Fortschritte gab es bei der Bekämpfung der Umweltverschmutzung durch<br />

Industrieanlagen und beim Risikomanagement. Die Angleichung an den Besitzstand ist<br />

nach wie vor gering. Eine Reihe von technischen Studien wird durchgeführt. Die Seveso- und<br />

IVVU-Richtlinien wie auch die Richtlinien über Großfeuerungsanlagen und Lösemittel<br />

wurden noch nicht umgesetzt. Die Rechtsangleichung, -anwendung und –durchsetzung<br />

erfordern noch erhebliche Anstrengungen einschließlich der Bereitstellung beträchtlicher<br />

Finanzressourcen.<br />

Die Rechtsangleichung an den Besitzstand im Bereich Lärm ist weit fortgeschritten. Die<br />

Umsetzung hinkt allerdings hinterher, vor allem in Bezug auf die Bereitstellung von<br />

Finanzmitteln und die Stärkung der Verwaltungskapazitäten der zuständigen Behörden bei der<br />

Erstellung von strategischen Lärmkarten und Aktionsplänen. Ein Zeitplan für die Erstellung<br />

von Plänen wurde festgelegt. Die Vorbereitungen in diesem Bereich verlaufen planmäßig.<br />

Im Bereich Chemikalien sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Hier ist der<br />

Harmonisierungsgrad insgesamt niedrig. Die vorhandenen Verwaltungskapazitäten reichen<br />

nicht zur wirksamen Um- und Durchsetzung von Rechtsvorschriften aus.<br />

Keine Fortschritte gab es bei den genetisch veränderten Organismen. Auch im Bereich<br />

Forstwirtschaft war keine Rechtsangleichung an den Besitzstand zu verzeichnen. Die Türkei<br />

verfügt über hoch entwickelte Verwaltungskapazitäten, allerdings muss der<br />

Rechtsdurchsetzung erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden.<br />

In Bezug auf die Verwaltungskapazitäten wurde weitere Fortschritte erzielt. Das geänderte<br />

Umweltgesetz sieht u.a. eine präziser definierte Rolle des Ministeriums für Umwelt und<br />

Forstwirtschaft, die Einstellung zusätzlichen Personals und die Bereitstellung zusätzlicher<br />

Finanzmittel für den Umweltbereich vor. Die Einführung höherer Bußgelder und das<br />

Inkrafttreten der Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über Sanktionen bei Umweltvergehen<br />

werden voraussichtlich zur verbesserten Kontrolle und Rechtsdurchsetzung beitragen. Die<br />

nachhaltige Entwicklung muss als Querschnittsthema Eingang vor allem in die Energie-,<br />

Verkehrs- und Agrarpolitik finden. Das geänderte Gesetz sieht auch die Verbesserung des<br />

öffentlichen Zugangs zu Informationen und die Stärkung der Umwelthaftung vor. Die Türkei<br />

hat allerdings noch kein überarbeitetes Programm zur Umsetzung und Anwendung des<br />

Besitzstands verabschiedet, obwohl dies als kurzfristige Priorität gilt. Die institutionelle<br />

Leistungsfähigkeit der regionalen Umweltbehörden muss gesteigert werden. Die<br />

Personalverwaltung bedarf erhöhter Aufmerksamkeit.<br />

<strong>DE</strong> 78 <strong>DE</strong>


Schlussfolgerung<br />

Außer in den Bereichen Abfallwirtschaft und Lärm bleibt die Umsetzung des Besitzstands im<br />

Umweltbereich insgesamt unzureichend. Die mangelnden Fortschritte bei den horizontalen<br />

Rechtsvorschriften, insbesondere über grenzübergreifende Umweltverschmutzung und die<br />

Durchführung öffentlicher Konsultationen, geben verstärkt Anlass zur Besorgnis. Bei der<br />

Umsetzung des für Luftqualität, Naturschutz und Wasserqualität relevanten Besitzstands sind<br />

begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Mit dem Inkrafttreten des geänderten<br />

Umweltschutzgesetzes wird die Leistungsfähigkeit der institutionellen Struktur gestärkt<br />

werden. Die Rechtsvorschriften werden allerdings nach wie vor nur unzureichend<br />

durchgesetzt.<br />

4.28. Kapitel 28: Verbraucher- und Gesundheitsschutz<br />

Bei den sicherheitsrelevanten Maßnahmen kam die Rechtsangleichung nicht weiter voran.<br />

Für die spezifischen Produktsicherheitsnormen fehlt eine angemessene Rechtsgrundlage. Die<br />

alte Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit wurde umgesetzt, aber nicht die neue.<br />

Die Koordinierung zwischen den Ministerien, einschließlich der Zollverwaltung, muss<br />

verbessert werden.<br />

Bei der Marktüberwachung hinsichtlich der Produktsicherheit sind einige Fortschritte zu<br />

verzeichnen. Mehrere Ministerien, die inzwischen über mehr Ressourcen und ausgebildetes<br />

Personal verfügen, führten eine Marktüberwachung nach den Vorgaben der Richtlinien des so<br />

genannten neuen Konzepts durch. Im Einklang mit den Prioritäten der Beitrittspartnerschaft<br />

wurden die institutionellen Strukturen verbessert. Eine etwas verstärkte Abstimmung<br />

zwischen den zuständigen Behörden war festzustellen. Darüber hinaus entwickelte die<br />

Behörde für die Koordinierung der Marktüberwachung einschlägige Leitlinien. Das<br />

Ministerium für Handel und Industrie konsultierte einschlägige Interessengruppen, um den<br />

Gesetzgebungsprozess zu verbessern.<br />

Bei den Leitlinien zu den internen Verfahren für Inspektoren mangelt es an Klarheit. Bei<br />

vielen Produkten fehlt die CE-Kennzeichnung. Die Entwicklung eines kollektiven Systems<br />

zur Notifizierung gefährlicher Produkte und die Prüfung der Möglichkeiten für einen<br />

internationalen Informationsaustausch über nicht konforme Produkte sind beides kurzfristige<br />

Prioritäten der Beitrittspartnerschaft, die nicht verwirklicht wurden.<br />

In Bezug auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sind begrenzte<br />

Fortschritte zu verzeichnen, das Maß an Angleichung bleibt allerdings hoch. Ein neues Gesetz<br />

über die Verwendung von Kreditkarten trat in Kraft. Die Verwaltungskapazitäten wurden<br />

durch Schulung und Einstellungen gestärkt. Die hohe Personalfluktuation bei den<br />

Verbraucherschiedstellen in den einzelnen Bezirken zeigt allerdings, dass verstärkte<br />

Anstrengungen erforderlich sind, um den notwendigen Bestand an Fachwissen zu bewahren.<br />

Die Ansätze von Ministerien, Justiz, Schiedsstellen und Verbraucherorganisationen sind zum<br />

Teil widersprüchlich.<br />

Die Verbraucherorganisationen sind zwar in dem beratenden Verbraucherrat, der einmal im<br />

Jahr tagt, vertreten, doch insgesamt ist die Verbraucherbewegung nach wie vor nur schwach<br />

ausgeprägt.<br />

Im Bereich der öffentlichen Gesundheit wurden einige Fortschritte erzielt. Ein Gesetz zur<br />

Verringerung des Tabakkonsums wurde verabschiedet. Doch in Bezug auf den<br />

Teerhöchstgehalt von Zigaretten ist eine weitere Rechtsangleichung erforderlich. Die unklare<br />

<strong>DE</strong> 79 <strong>DE</strong>


Kompetenzverteilung zwischen dem Gesundheitsministerium und der Marktaufsichtsbehörde<br />

für Tabakerzeugnisse und alkoholische Getränke wirkt sich negativ auf die Leistungsfähigkeit<br />

der beiden Behörden aus.<br />

Die Türkei hat ihr System zur Überwachung übertragbarer Krankheiten den entsprechenden<br />

Listen der EU angepasst. Beim Aufbau eines Netzes für die epidemiologische Überwachung<br />

und Kontrolle wurden gute Fortschritte erzielt. Darüber hinaus setzte die Türkei in enger<br />

Zusammenarbeit mit den EU-Organen und –Agenturen die Aktualisierung ihres nationalen<br />

Plans zur Vorbereitung auf eine Influenzpandemie fort. Hinsichtlich der Definition von<br />

Krankheiten steckt die Angleichung jedoch noch in den Anfängen. Die Modernisierung der<br />

Prüflabors kommt nur schleppend voran. Das Gesundheitsministerium erstellt zurzeit einen<br />

nationalen Aktionsplan, der einen Zeitplan und eine entsprechende Kompetenzaufteilung zur<br />

Behebung der festgestellten Probleme vorsehen wird.<br />

In Bezug auf das Frühwarnsystem für Krankheitsausbrüche wurde Fortschritte erzielt –<br />

inzwischen geben Hausärzte in Echtzeit Daten in eine zentrale Datenbank des<br />

Gesundheitsministeriums ein. Hier muss allerdings darauf geachtet werden, dass es nicht zu<br />

einer Fragmentierung der Informationen kommt. Das Gesundheitsministerium ergreift<br />

weiterhin Folgemaßmaßnahmen zu den Strategien der WHO hinsichtlich der durch<br />

Impfschutz vermeidbaren Krankheiten. Bei HIV/AIDS weist die Türkei nach wie vor eine<br />

geringe Inzidenz auf. In den Bereichen Blut, Gewebe, Zellen, lebensrettende Organe und<br />

Substanzen menschlichen Ursprungs hat die Türkei ihre Rechtsvorschriften noch nicht dem<br />

Besitzstand angeglichen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Im Bereich Verbraucherschutz wurde vor allem beim System der Marktüberwachung<br />

Fortschritte erzielt. Doch die Umsetzung weist weiterhin Defizite auf. Im Bereich der<br />

öffentlichen Gesundheit kam die Türkei insbesondere durch die Errichtung eines Netzes für<br />

die epidemiologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten weiter<br />

voran.<br />

4.29. Kapitel 29: Zollunion<br />

Bei den Zollvorschriften sind Fortschritte zu verzeichnen. Im Juni 2006 begann die Türkei<br />

mit der Anwendung des internationalen Übereinkommens über die Harmonisierung von<br />

Warenkontrollen an den Grenzen. Die Türkei hat ihre Vorschriften über Zollbefreiung zwar<br />

geändert, aber noch nicht dem Besitzstand angeglichen. Die Einrichtung von Duty-free-Läden<br />

an den Einreisestellen ist nach wie vor gestattet; die Höchstwarenmengen, die jeder Reisende<br />

in den Duty-free-Läden kaufen kann, sind höher als in der EU erlaubt.<br />

Bei den Freihandelszonen wurden keine Fortschritte erzielt, obwohl dies eine kurzfristige<br />

Priorität der Beitrittspartnerschaft darstellt. Die Freihandelszonen sind nicht Teil des<br />

türkischen Zollgebiets – dies widerspricht dem Besitzstand. Darüber hinaus steht die<br />

Zollwertermittlung nicht vollständig mit den international anerkannten Regeln im Einklang.<br />

Aufgrund der Zollunion zwischen der EU und der Türkei hat das Land im Zollbereich ein<br />

hohes Maß an Rechtsangleichung erreicht. In einigen Bereich wie Freihandelszonen,<br />

Zollbefreiung, Versandverfahren, Bekämpfung der Produktfälschung und Nachprüfung muss<br />

die Türkei ihre Rechtsvorschriften noch dem Besitzstand anpassen. Für Einzelheiten über das<br />

Funktionieren der Zollunion EG-Türkei siehe auch Kapitel 1 – Freier Warenverkehr und<br />

<strong>DE</strong> 80 <strong>DE</strong>


Kapitel 30 – Außenbeziehungen. Darüber hinaus wendet die Türkei gegenüber der Republik<br />

Zypern die Bestimmungen der Zollunion nicht uneingeschränkt an.<br />

Im Berichtszeitraum setzte das Unterstaatssekretariat für das Zollwesen seine Maßnahmen zur<br />

Steigerung seiner administrativen und operationellen Leistungsfähigkeit nach den<br />

Vorgaben der Beitrittspartnerschaft fort.<br />

Insbesondere aufgrund der Effizienz des Zollsicherheitssystems GÜMSIS, der guten<br />

Risikoanalyse und des Sachverstands im Bereich Schmuggelbekämpfung verbesserte sich die<br />

Bilanz bei der Rechtsdurchsetzung erheblich. Die Zahl der mit EDV ausgestatteten Zollstellen<br />

und die Zahl der Zollstellen, die das elektronische Datenaustauschsystem EDIS einsetzen,<br />

stieg weiter an. Bis Dezember 2005 wurden nahezu 100 % der Vorgänge elektronisch<br />

bearbeitet. 2005 erfolgten die Ein- und Ausfuhranmeldungen zu 71 % über das EDIS.<br />

Durch die jüngsten Modernisierungsmaßnahmen konnte der türkische Zoll seine Bilanz bei<br />

der Rechtsdurchsetzung weiter verbessern. Die Türkei sollte allerdings umfassende<br />

Anstrengungen unternehmen, um die allgemeine Qualität der für Zollbeamte durchgeführten<br />

Schulungsmaßnahmen zu verbessern.<br />

Die Koordinierung zwischen der Zollverwaltung und anderen relevanten staatlichen Stellen<br />

wie dem Kulturministerium, dem Patentamt, der Polizei und den für die Rechte an geistigem<br />

Eigentum zuständigen Gerichten muss wesentlich verbessert werden.<br />

Die Türkei unterzeichnete ein Abkommen über Amtshilfe mit Bahrain.<br />

Schlussfolgerung<br />

Durch die Zollunion kann die Türkei bereits ein hohes Maß an Rechtsangleichung vorweisen.<br />

In einigen Bereichen wie z.B. Freihandelszonen, Zollbefreiung, Markenpiraterie und<br />

Nachprüfungen wurde die Rechtsvorschriften noch nicht dem Besitzstand angeglichen. Die<br />

Türkei muss die Duty-free-Läden an den Einreisestellen abschaffen. Weitere Maßnahme zur<br />

Stärkung der Verwaltungskapazität sind erforderlich - dazu gehört u.a. die rechtzeitige<br />

Vorbereitung auf die Zusammenschaltung mit und Benutzung von IT-Systemen der<br />

Gemeinschaft.<br />

4.30. Kapitel 30: Außenbeziehungen<br />

In Bezug auf die gemeinsame Handelspolitik hat die Türkei einige Fortschritte erzielt. Die<br />

Türkei änderte ihr Allgemeines Präferenzsystem gemäß den Vorgaben der<br />

Beitrittspartnerschaft. Es entspricht inzwischen weitgehend dem Präferenzsystem der EG. In<br />

Bezug auf die Graduierung ist die Angleichung jedoch noch unvollständig - die Türkei hat<br />

weder Armenien noch Myanmar in ihre Präferenzregelung einbezogen und Landwirtschaft<br />

und Stahlerzeugnisse zählen nicht zu dem erfassten Sektoren.<br />

Die Türkei machte zunehmend Gebrauch von Schutzmaßnahmen – derartige Maßnahmen<br />

wurden u.a. bei Salz, Dampfbügeleisen, Staubsaugern, Schuhen und Motorrädern eingeführt.<br />

Die Wahl der Schutzmaßnahmen, die Auswirkungen auf EU-Ausfuhren haben (auch wenn<br />

diese nicht Hauptursache des Problems sind), entspricht nicht dem Erfordernis der Zollunion,<br />

Maßnahmen zu wählen, die den beiderseitigen Handel am wenigsten verzerren. Darüber<br />

hinaus hat die Türkei bei bestimmten Produkten zusätzliche Ursprungszeugnisse eingeführt.<br />

<strong>DE</strong> 81 <strong>DE</strong>


Die Abstimmung zwischen der Türkei und der EU innerhalb der Welthandelsorganisation -<br />

insbesondere im Hinblick auf GATS und die Doha-Entwicklungsrunde - und der OECD<br />

bedarf erhöhter Aufmerksamkeit. Häufig richtet die Türkei ihre Position nicht an der der EU<br />

aus. Insgesamt ist die Angleichung an die gemeinsame Handelspolitik der EG weit<br />

fortgeschritten und entspricht den Verpflichtungen der Türkei im Rahmen der Zollunion. Es<br />

sei jedoch darauf hingewiesen, dass einige andauernde Verstöße gegen die Bestimmungen der<br />

Zollunion mit der EG (siehe Kapitel 1 – Freier Warenverkehr, Kapitel 29 – Zollunion)<br />

weiterhin den bilateralen Handel verzerren.<br />

Hinsichtlich der mittel- und langfristigen Exportkredite für Unternehmen und bei den Gütern<br />

mit doppeltem Verwendungszweck sind keine Entwicklungen zu vermelden. Die<br />

Angleichung an die bilateralen Abkommen der EG ist im Großen und Ganzen zufrieden<br />

stellend.<br />

In Bezug auf bilaterale Abkommen mit Drittstaaten wurden einige Fortschritte erzielt. So<br />

unterzeichnete die Türkei ein Freihandelsabkommen mit Ägypten. Das Freihandelsabkommen<br />

mit Marokko trat in Kraft. Die Verhandlungen mit Albanien wurden im Wesentlichen<br />

abgeschlossen. Die Türkei hat die Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit dem Golf-<br />

Kooperationsrat, Jordanien und Libanon fortgesetzt.<br />

Im Bereich Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe waren einige Fortschritte zu<br />

verzeichnen. 2005 leistete die Türkei öffentliche Entwicklungshilfe im Wert von 500 Mio.<br />

EUR. Begünstigte waren in erster Linie Kirgisien, Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan<br />

und Kosovo. Die von der Türkei geleistete Soforthilfe lag bei 37,4 Mio. EUR – die Mittel<br />

flossen überwiegend in die Bewältigung von Naturkatastrophen in Asien. Insgesamt ist die<br />

Angleichung an die Entwicklungspolitik und die humanitäre Hilfe der EG erheblich<br />

vorangekommen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Insgesamt hat die Türkei in diesem Bereich Fortschritte bei der Angleichung erzielt.<br />

Allerdings bleiben einige Fragen weiterhin offen.<br />

4.31. Kapitel 31: Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

Im Großen und Ganzen richtet die Türkei ihre Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin an der<br />

der Europäischen Union aus. Der verstärkte regelmäßige politische Dialog mit der Türkei, der<br />

im Rahmen der Heranführungsstrategie eingeführt wurde, setzte sich fort.<br />

Die Türkei zeigt ein starkes Interesse an der Weiterentwicklung der Europäischen<br />

Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Die Türkei beteiligt sich an der von der EU<br />

geleiteten Polizeimissionen in Bosnien-Herzegowina (EUPM), der ehemaligen<br />

jugoslawischen Republik Mazedonien (Proxima) und der Demokratischen Republik Kongo<br />

(EUROPOL KINSHASA). Auch an mehreren UN- und NATO-Friedensmissionen im<br />

westlichen Balkan nimmt sie weiterhin teil. Nach der Beteiligung an UNPROFOR, IFO,<br />

KFOR und SFOR leistet die Türkei seit Dezember 2004 einen Beitrag zur EUFOR-ALTHEA-<br />

Mission.<br />

Trotz des aktiven Beitrags der Türkei zur ESVP bestehen einige Schwierigkeiten. So<br />

widersetzt sich die Türkei bisher der Einbeziehung von Malta und der Republik Zypern in die<br />

strategische Zusammenarbeit zwischen EU und NATO auf der Grundlage des Abkommens<br />

"Berlin Plus". Was Zypern angeht, so verhindert die Türkei - aus politischen Gründen -<br />

<strong>DE</strong> 82 <strong>DE</strong>


weiterhin die Mitgliedschaft Zyperns in bestimmten Gruppen von Lieferländern wie z.B. dem<br />

Wassenaar-Arrangement über Ausfuhrkontrollen für konventionelle Waffen sowie Güter und<br />

Technologien mit doppeltem Verwendungszweck<br />

Die Türkei ist Vertragspartei der meisten internationalen Regimen für die Nichtverbreitung<br />

von Massenvernichtungswaffen, darunter vor allem des Atomwaffensperrvertrags und seines<br />

Zusatzprotokolls, und hat sich nach eigenen Angaben dem EU-Verhaltenskodex bei<br />

Waffenexporten angepasst, auch wenn dazu bisher kein förmlicher Regierungsbeschluss<br />

gefasst wurde. Die Maßnahmen zur vollständigen Anpassung der Türkei an das EU-System<br />

gehen weiter. Die durch wirksame Durchsetzungsmaßnahmen garantierte Einhaltung des<br />

Verhaltenskodexes und der Gemeinsamen Aktion zu Kleinwaffen und leichten Waffen dürfte<br />

die Türkei in die Lage versetzen, eine wirksame Kontrolle von Produktion, Handel, Transfer<br />

und Besitz von Kleinwaffen, leichten Waffen und ihrer Munition zu erreichen. Die Türkei hat<br />

das UN-Protokoll über Schusswaffen ratifiziert.<br />

Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik passt sich die Türkei<br />

weiterhin im Großen und Ganzen den Sanktionen, restriktiven Maßnahem, Erklärungen und<br />

Demarchen der EU an.<br />

Die Türkei unterstützt nach wie vor den Nahost-Friedensprozess. Im Februar 2006 erklärte<br />

die Türkei, dass sie die Ziele des Gemeinsamen Standpunkts der EU über die Anwendung<br />

besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus teilt und die Absicht hat, ihre<br />

Politik diesem Gemeinsamen Standpunkt anzupassen. Hamas steht auf der in diesem<br />

Gemeinsamen Standpunkt enthaltenen Liste. Die Türkei hat Interesse an einer Beteiligung an<br />

der EU-Polizeimission in den palästinensischen Gebieten geäußert. Die Türkei hat Interesse<br />

an einer Beteiligung an den Polizei- und sonstigen ESVP-Einsätzen in den palästinensischen<br />

Gebiete geäußert.<br />

Die Beziehungen zu Syrien entwickeln sich nach wie vor positiv. Die Türkei hat sich<br />

gegenüber Syrien dafür eingesetzt, dass das Land den Ersuchen der internationalen<br />

Gemeinschaft, insbesondere hinsichtlich des UN-Beschlusses 1636 im Zusammenhang mit<br />

der von der UN-Kommission durchgeführten Untersuchung des Mordanschlags auf den<br />

ehemaligen libanesischen Premierminister Hariri nachkommt. Im September nahm das<br />

Parlament den Antrag der Regierung über die Entsendung türkischer Truppen im Rahmen der<br />

UNIFIL-Mission im Libanon an.<br />

Die Türkei hat konkrete Initiativen ergriffen, um durch Erleichterung des Dialogs zwischen<br />

den US-Behörden und arabischen Sunniten die Stabilität im Irak zu fördern. Die Türkei<br />

vertritt den Standpunkt, dass die jüngste Eskalation der Gewalt im Südosten des Landes und<br />

die zunehmenden Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK direkt<br />

mit der "Infiltration von PKK-Mitgliedern" von jenseits der Grenze zum Irak<br />

zusammenhängt. Die Türkei hat entlang der Grenze zum Irak eine bedeutende Zahl von<br />

Truppen eingesetzt, um das Eindringen von PKK-Terroristen aus Nord-Irak zu verhindern.<br />

Die Türkei hat den Iran dazu angehalten, den Forderungen der internationalen Gemeinschaft<br />

nachzukommen. Die Türkei hat die Bemühungen der EU um langfristige Garantien für die<br />

Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags und des Abkommens über Sicherungsmaßnahmen<br />

mit der IAEO durch Teheran unterstützt.<br />

<strong>DE</strong> 83 <strong>DE</strong>


Die Türkei setzt ihre nachdrückliche Unterstützung für den Bonner Prozess zur Förderung des<br />

Wiederaufbaus in Afghanistan fort. Gemeinsam mit Frankreich und Italien übernahm die<br />

Türkei im August 2006 turnusmäßig das Regionalkommando in Kabul.<br />

Seit dem Briefwechsel zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten und dem Präsidenten<br />

Armeniens vom April 2005 sind in den Beziehungen zu Armenien keine wesentlichen<br />

Entwicklungen zu verzeichnen. Die Türkei hat ihre Grenze zu Armenien nicht geöffnet. Dies<br />

wäre jedoch ein wichtiger Schritt zum Aufbau gutnachbarlicher Beziehungen. Es würde<br />

beiden Seiten vor allem im Hinblick auf den Handelt zugute kommen.<br />

In den Beziehungen zu den Ländern des südlichen Kaukasus und Zentralasiens war eine<br />

stärkere Anpassung der offiziellen türkischen Position an die der EU festzustellen. Die Türkei<br />

hat ihre Unterstützung für die Europäische Nachbarschaftspolitik bekräftigt. Die Türkei<br />

beteiligt sich mit Beobachterstatus an der Initiative GUAM (Georgien, Ukraine,<br />

Aserbaidschan und Moldau). Die Türkei verfolgte die Wahlen in Aserbaidschan mit großer<br />

Aufmerksamkeit. Sie schloss sich der Erklärung der EU-Präsidentschaft zu den Wahlen in<br />

Aserbaidschan vom 10. November 2005 an.<br />

Hinsichtlich der Unterzeichnung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs durch die<br />

Türkei waren keine Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Die Türkei spielt nach wie vor eine aktive Rolle beim internationalen Kampf gegen den<br />

Terrorismus. Im September 2005 unterzeichnete sie das Internationale Übereinkommen zur<br />

Bekämpfung des Nuklearterrorismus und im Januar 2006 das Übereinkommen des Europarats<br />

über die Verhütung von Terrorismus. Die Türkei muss sich weiterhin den Positionen der EU<br />

anschließen. Auch die türkische Politik und Gesetzgebung im Bereich Terrorbekämpfung<br />

müssen der Praxis der EU angepasst werden.<br />

Was die Verwaltungskapazitäten angeht, so ist die Organisationsstruktur des türkischen<br />

Außenministeriums mit den Strukturen der EU im Bereich der GASP kompatibel. Der<br />

Unterstaatssekretär für Europa-Angelegenheiten übernimmt die Aufgaben eines politischen<br />

Direktors. Auch die Posten eines europäischen Korrespondenten und eines stellvertretenden<br />

Korrespondenten wurden geschaffen. Die Kommunikation der EU mit den assoziierten<br />

Partnern im Rahmen der GASP erfolgt über das ACN-Informationssystem, an das auch das<br />

türkische Außenministerium angeschlossen ist.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die allgemeine Anpassung der Türkei an die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der<br />

EU hat sich fortgesetzt. Um die regionale Stabilität zu fördern, hat die Türkei ihre<br />

außenpolitische Aktivität im Nahen Osten, im Iran und im Irak verstärkt. Die Türkei hält ihre<br />

Grenze zu Armenien weiterhin geschlossen. Die türkischen Behörden zeigten ein starkes<br />

Interesse an einer Beteiligung an ESVP-Missionen und an der Europäischen<br />

Verteidigungsagentur. Die Beteiligung der Türkei an der ESVP bereitet allerdings weiterhin<br />

gewisse Schwierigkeiten. So blockiert die Türkei nach wie vor die Einbeziehung Zyperns und<br />

Maltas in die strategische Zusammenarbeit zwischen EU und NATO. Die Türkei widersetzt<br />

sich ebenfalls nach wie vor dem Beitritt Zyperns zum Wassenaar-Arrangement. Die Türkei<br />

hat das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs noch nicht unterzeichnet. Die<br />

Beziehungen zu Griechenland haben sich weiterhin positiv entwickelt. Die Türkei sollte<br />

jedoch mögliche Reibungspunkte mit ihren Nachbarn beseitigen und Maßnahmen vermeiden,<br />

die der friedlichen Beilegung von Grenzkonflikten im Wege stehen könnten. Die Türkei sollte<br />

<strong>DE</strong> 84 <strong>DE</strong>


sich unmissverständlich für gutnachbarliche Beziehungen und für die Erfüllung der sonstigen<br />

Anforderungen einsetzen, an denen gemäß Absatz 6 des Verhandlungsrahmens die<br />

Fortschritte des Landes gemessen werden.<br />

4.32. Kapitel 32: Finanzkontrolle<br />

Im Bereich der internen Kontrolle der öffentlichen Finanzen sind einige Fortschritte zu<br />

verzeichnen. Das Gesetz über Verwaltung und Kontrolle der öffentlichen Finanzen und der<br />

Verfassungsartikel über den Staatshaushalt wurden geändert, und am 1. Januar 2006 traten<br />

alle Bestimmungen des Gesetzes - einschließlich der Bestimmungen über den<br />

Haushaltsvollzug – in Kraft.<br />

Diese Änderungen haben positive und negative Entwicklungen nach sich gezogen. Die<br />

geänderten Begriffsbestimmungen des Gesetzes stehen nunmehr mit Ausnahme der Definition<br />

von "Ex-ante-Kontrolle" mit den international anerkannten Definitionen im Einklang.<br />

Außerdem wird mit dem Gesetz ein Dreijahreshaushalt für den Zeitraum 2006-2006<br />

eingeführt. Die bloße Umstrukturierung der revolvierenden Fonds statt deren im<br />

ursprünglichen Gesetz vorgesehener Beseitigung sowie der Ausschluss vieler öffentlicher<br />

Institutionen vom Geltungsbereich des Gesetzes stellen eine erhebliche Abweichung von den<br />

Prinzipien einer ordnungsgemäßen Finanzkontrolle dar. Nach dem im Januar 2006 in Kraft<br />

getretenen Gesetz zur Einrichtung von Regionalentwicklungsagenturen (siehe Kapitel 22)<br />

werden auch diese neuen Agenturen vom Geltungsbereich des Gesetzes über Verwaltung und<br />

Kontrolle der öffentlichen Finanzen ausgeschlossen.<br />

Die Türkei erließ eine Reihe von Durchführungsvorschriften zum Gesetz über Verwaltung<br />

und Kontrolle der öffentlichen Finanzen, das bis Ende 2007 vollständig greifen soll. Mit der<br />

Einrichtung der Strategieentwicklungseinheiten und der Einstellung des notwendigen<br />

Personales wurde begonnen. Die erforderlichen Durchführungsvorschriften wurden zum<br />

größten Teil erlassen, doch bisher gelangten nicht alle zur Anwendung. Die Innenrevision -<br />

eine Hauptsäule der Reform – ist noch nicht funktionsfähig.<br />

Die 2004 eingerichtete Innenrevision-Koordinierungsstelle ist inzwischen funktionsfähig.<br />

Diese Stelle sollte jedoch als beratendes Gremium fungieren – ihre derzeitigen<br />

Harmonisierungs- und Koordinierungsaufgaben sollten einer ständigen zentralen<br />

Harmonisierungseinheit übertragen werden, um zu gewährleisten, dass sie in angemessener<br />

Weise wahrgenommen werden. Das Amt für staatliche Rechnungslegungsstandards wurde<br />

2005 eingerichtet und mit der Aufgabe betraut, Rechnungslegungs- und<br />

Berichterstattungsnormen für die dem allgemeinen Staatswesen zuzurechenden öffentlichen<br />

Einrichtungen festzulegen und zu veröffentlichen. Die notwendigen Strukturen wurden per<br />

Runderlass des Amts des Ministerpräsidenten von 2005 geschaffen.<br />

Im Bereich der externen Rechnungsprüfung sind seit dem letzten Regelmäßigen Bericht<br />

keine Entwicklungen zu verzeichnen. Das Gesetz über Verwaltung und Kontrolle der<br />

öffentlichen Finanzen weitet – von Umfang und Art her - den Prüfungsauftrag des türkischen<br />

Rechnungshofs weiter aus. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und die<br />

Angleichung an den Besitzstand zu gewährleisten, muss die Türkei die überarbeitete TCA-<br />

Charta (Total Cost Accounting), die auf den INTOSAI-Normen beruht und derzeit im<br />

Parlament beraten wird, verabschieden.<br />

Im Hinblick auf den Schutz der finanziellen Interessen der EU wurden einige Fortschritte<br />

erzielt. Die Türkei hat die Durchführungsvorschriften zu dem für den Schutz der finanziellen<br />

<strong>DE</strong> 85 <strong>DE</strong>


Interessen der EG notwendigen Gesetz über Verwaltung und Kontrolle der öffentlichen<br />

Finanzen noch nicht erlassen. Im Amt des Nationalen Anweisungsbefugten wurde allerdings<br />

ein Mechanismus zur Prüfung der Verwendung von EU-Mitteln geschaffen, das im Einklang<br />

mit den einschlägigen Abkommen zwischen der EU und der Türkei funktioniert. Es wird<br />

jedoch notwendig sein, eine klare Verbindung zum System der internen Finanzkontrolle der<br />

öffentlichen Hand herzustellen. Dieser Mechanismus muss durch eine operationell<br />

unabhängige Koordinierungsstelle für die Betrugsbekämpfung ergänzt werden, die alle<br />

legislativen, administrativen und operationellen Aspekte des Schutzes der finanziellen<br />

Interessen der Gemeinschaften koordiniert und die Kommissionsdienststellen von möglichen<br />

Betrugsfällen und Unregelmäßigkeiten in Kenntnis setzt. Die Kommission begrüßt daher die<br />

Benennung des Kontrollausschusses im Amt des Ministerpräsidenten als Anlaufstelle für<br />

OLAF bis zur Einrichtung einer solchen Koordinierungsstelle. Die Türkei muss die<br />

Anpassung ihrer Rechtsvorschriften an das Übereinkommen über den Schutz der finanziellen<br />

Interessen der Gemeinschaften abschließen. Die Vorbereitungen in diesem Bereich sind im<br />

Gange. Die türkischen Verwaltungsstrukturen wurden für die Verwaltung der<br />

Heranführungshilfe im Rahmen des System der dezentralen Durchführung akkreditiert, doch<br />

ihre Funktionsweise wies im Berichtszeitraum erhebliche Defizite auf. Diese werden von der<br />

türkischen Regierung angegangen.<br />

Was den Schutz des Euro vor Fälschung anbetrifft, so verfügt die Türkei über<br />

ausreichenden Sachverstand bei der Analyse und Klassifizierung von gefälschten Banknoten<br />

und Münzen. Auch die polizeilichen Kapazitäten der vier Strafverfolgungsbehörden sind<br />

ausreichend. Im August 2005 richtete die Türkei ein der Zentralbank unterstelltes<br />

Falschgeldüberwachungssystem ein. Dieses System muss durch die Einrichtung eines<br />

nationalen Analysezentrums, eines nationalen Münzanalysezentrums und eines nationalen<br />

Zentralbüros ergänzt werden. Gegen Kreditinstitute, die es versäumen, Falschgeld aus dem<br />

Verkehr zu ziehen, müssen Sanktionen eingeführt werden. Auch bei Medaillen und Marken,<br />

die den Euro-Münzen ähneln, müssen Sanktionen vorgesehen werden. Die Vorbereitungen in<br />

diesem Bereich verlaufen planmäßig.<br />

Schlussfolgerung<br />

Insgesamt waren in diesem Kapitel einige Fortschritte zu verzeichnen. Obwohl einige der<br />

notwendigen Verwaltungsstrukturen geschaffen und die Durchführungsvorschriften erlassen<br />

wurden, muss die Türkei ihre Strategie im Bereich der internen Finanzkontrolle der<br />

öffentlichen Hand aktualisieren und verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die<br />

uneingeschränkte Geltung des Gesetzes über Verwaltung und Kontrolle der öffentlichen<br />

Finanzen zu gewährleisten.<br />

Die Türkei muss noch die Behörden schaffen, die für die Zusammenarbeit mit dem<br />

Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung und den entsprechenden Dienststellen der<br />

Kommission beim Schutz des Euro vor Fälschung erforderlich sind.<br />

4.33. Kapitel 33: Finanz- und Haushaltsbestimmungen<br />

In Bezug auf die Anwendung des EU-Eigenmittelsystems waren einige Fortschritte zu<br />

verzeichnen.<br />

Hinsichtlich der traditionellen Eigenmittel stehen die Zollvorschriften weitgehend mit dem<br />

Besitzstand im Einklang. Im November 2005 verabschiedete die Türkei ein neues<br />

Statistikgesetz, mit dem die Rechtsangleichung in diesem Bereich verbessert werden, doch die<br />

<strong>DE</strong> 86 <strong>DE</strong>


erforderlichen Durchführungsvorschriften müssen noch erlassen werden. Um eine genaue<br />

Berechnung des Bruttonationaleinkommens zu gewährleisten, ist vor allem in Bezug auf die<br />

Anwendung der ESA95-Normen eine weitere Angleichung erforderlich.<br />

Die Türkei muss Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug bei der Mehrwertsteuer und den<br />

Zollabgaben ergreifen. Im Mai 2005 verabschiedete die Türkei ein Gesetz über die<br />

Finanzverwaltung, um die Einziehung der Steuern und die freiwillige Einhaltung der<br />

Vorschriften durch die Steuerzahler zu verbessern. Da noch nicht alle<br />

Durchführungsvorschriften erlassen wurden, ist noch unklar, welche Wirkung das Gesetz<br />

haben wird. Die Türkei wird eine einzige Stelle für die zentrale Koordinierung der<br />

ordnungsgemäßen Einnahme, Überwachung, Ein- und Auszahlung und Kontrolle von<br />

Haushaltsmitteln der EG benennen müssen. Sie wird auch die Verwaltungskapazitäten in<br />

anderen relevanten Politikbereichen wie Landwirtschaft, Zoll, Steuern, Statistik und<br />

Finanzkontrolle stärken müssen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Obwohl der Besitzstand in diesem Bereich grundsätzlich keine Umsetzung in nationales<br />

Recht erfordert, muss die Türkei rechtzeitig über die entsprechenden<br />

Koordinierungsstrukturen und Durchführungsbestimmungen verfügen, um die korrekte<br />

Berechnung, Erhebung, Zahlung und Kontrolle der Eigenmittel sowie die Berichterstattung an<br />

die EU sicherzustellen.<br />

<strong>DE</strong> 87 <strong>DE</strong>


STATISTISCHE DATEN (Stand 10. September 2006)<br />

Türkei<br />

Basisdaten<br />

Maßstab Einheit<br />

STATISTISCHER ANHANG<br />

Fußnote<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Bevölkerung: Insgesamt Tausend<br />

Einheit<br />

Zahl 1) 61763,0 62909,0 64064,0 65215,0 66350,0 67420,0 68365,0 69302,0 70231,0 71152,0 72065,0<br />

Gesamtfläche des Landes<br />

(x1) km² 2) 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0<br />

Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Maßstab Einheit<br />

Bruttoinlandsprodukt Mio.<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Landeswährung<br />

3) 7762.5e 14772.1e 28835.9e 52224.9e 77415.3e 124583.5e 178412.4e 277574.1e 359762.9e 430511.5e 487202.4e<br />

Bruttoinlandsprodukt Mio.<br />

Einheit<br />

EUR 4) 129979e 144583e 167916e 180612e 172765e 216372e 163210e 192905e 213052e 242045e 291031e<br />

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner<br />

(x1) EUR 5) 2109,0 2306,0 2688,0 2846,0 2685,0 3207,0 2379,0 2771,0 3013,0 3372,0 4038,0<br />

SI: Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts in konstanten Preisen Einheit<br />

(Landeswährung) gegenüber dem Vorjahr<br />

(x1) % 7,2 7,0 7,5 3,1 -4,7 7,4 -7,5 7,9 5,8 8,9 7,4<br />

SI: Beschäftigungswachstum (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen) Einheit<br />

gegenüber dem Vorjahr<br />

(x1) % : : : : : : : : : : :<br />

Wachstum der Arbeitsproduktivität: BIP-Wachstum (konstante Preise) je Einheit<br />

Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr<br />

(x1) % 6) : : : : : : -6,5 8,8 6,1 : :<br />

SI: Anstieg der Lohnstückkosten (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen) Einheit<br />

gegenüber dem Vorjahr<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 7) : : : : : : -4,6 : : : :<br />

Pro-Kopf-BIP in jeweiligen Preisen<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

KKS 8) 4600e 5000e 5500e 5700e 5500 6000 5300 5600 5800 6500 7200<br />

SI: Pro-Kopf-BIP in jeweiligen Preisen, KKS, EU-25=100<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 8) : 30.6e 32.2e 31.8e 29,2 29,8 25,6 26,1 26,5 28,5 30,7<br />

SI: Arbeitsproduktivität, KKS (BIP je Beschäftigten), EU-25=100<br />

(x1) % 8) : 36.5e 39.6e 39.2e 36,2 39.4f 35.2f 37.0f 38.5f 40.7f 43.8f<br />

Landwirtschaft (NACE-Abschnitte A+B): Anteil an der Bruttowertschöpfung Einheit<br />

insgesamt<br />

(x1) % 15,0 15,9 13,6 16,9 14,6 13,6 11,4 11,4 11,6 11,1 :<br />

Industrie (ohne Baugewerbe) (NACE-Abschnitte C bis E): Anteil an der Einheit<br />

Bruttowertschöpfung insgesamt<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 25,8 24,2 24,2 21,4 21,9 22,5 24,2 24,3 23,8 23,8 :<br />

Baugewerbe (NACE-Abschnitt F): Anteil an der Bruttowertschöpfung insgesamt (x1) % 5,4 5,6 5,8 5,6 5,4 5,1 4,8 3,9 3,3 3,4 :<br />

Dienstleistungen (NACE-Abschnitte G bis P): Anteil an der Einheit<br />

Bruttowertschöpfung insgesamt<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 53,8 54,3 56,4 56,1 58,1 58,8 59,6 60,5 61,3 61,7 :<br />

Anteil der Konsumausgaben am BIP<br />

(x1) % 79,4 81,2 80,6 79,9 81,6 83,4 81,8 80,2 80,5 79,9 81,6<br />

Anteil der Konsumausgaben der privaten Haushalte und der privaten Einheit<br />

Organisationen ohne Erwerbszweck am BIP<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 68,9 69,3 68,3 67,5 67,4 69,7 68,3 66,3 66,8 66,6 68,3<br />

Anteil der Konsumausgaben des Staates am BIP<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 10,6 11,9 12,3 12,4 14,2 13,7 13,5 13,9 13,7 13,3 13,2<br />

- Anteil der Bruttoanlageinvestitionen am BIP<br />

(x1) % 23,3 25,8 26,5 24,0 20,4 21,8 17,2 16,5 15,5 18,0 19,8<br />

<strong>DE</strong> 88 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>


- Anteil der Vorratsveränderungen am BIP<br />

Exporte von Waren und Dienstleistungen im Verhältnis zum BIP<br />

Importe von Waren und Dienstleistungen im Verhältnis zum BIP<br />

Einheit<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 1,6 -0,6 -1,3 -0,4 1,4 2,1 -1,3 4,7 7,3 8,0 5,3<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 19,5 22,2 24,7 23,8 21,7 23,4 32,0 29,2 27,5 29,1 27,8<br />

(x1) % 23,8 28,7 30,5 27,2 25,1 30,7 29,7 30,6 30,8 35,0 34,4<br />

Inflationsrate Maßstab<br />

Einheit<br />

Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

SI: Verbraucherpreisindex: insgesamt (VPI), Anstieg gegenüber dem Vorjahr (x1) % 9) 76,0 79,8 99,1 69,7 68,8 39,0 68,5 29,7 18,4 9,3 7,7<br />

Zahlungsbilanz Maßstab Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Zahlungsbilanz: Saldo der Leistungsbilanz Mio. EUR 10) -1788,2 -1919,3 -2326,2 1769,7 -1257,3 -10633,4 3787,4 -1611,7 -7104,0 -12544,4 -18611,8<br />

Leistungsbilanz: Handelsbilanz Mio. EUR 10) -10055,0 -8083,5 -13269,4 -12534,2 -9556,2 -23775,4 -4168,2 -7702,0 -12385,1 -19196,1 -26465,7<br />

Leistungsbilanz: Warenexporte Mio. EUR 10) 16541,2 25254,6 28314,7 27350,2 27061,4 33262,2 38379,9 42432,3 45267,0 53900,6 61851,1<br />

Leistungsbilanz: Warenimporte Mio. EUR 10) -26596,1 -33338,1 -41584,1 -39884,4 -36617,6 -57037,7 -42548,0 -50134,3 -57652,1 -73096,7 -88316,9<br />

Leistungsbilanz: Dienstleistungen, netto Mio. EUR 10) 7354,7 5242,8 9622,2 12047,2 7028,5 12306,2 10196,5 8332,3 9285,7 10277,4 11225,8<br />

Leistungsbilanz: Einkommen, netto Mio. EUR 10) -2450,3 -2305,2 -2656,9 -2662,6 -3318,6 -4333,0 -5582,8 -4818,1 -4912,5 -4531,7 -4551,9<br />

Leistungsbilanz: laufende Transfers, netto Mio. EUR 10) 3362,4 3226,6 3977,8 4919,3 4589,0 5168,9 3341,9 2576,1 907,9 906,0 1180,0<br />

Leistungsbilanz: laufende Transfers, netto – darunter staatliche Transfers Mio. EUR 10) 818,8 437,1 276,9 141,8 339,7 231,7 231,1 528,8 263,4 259,7 495,9<br />

Direktinvestitionen (DI) im Meldeland Mio. EUR 10) 676,6 568,6 709,9 838,5 734,7 1063,2 3742,7 1202,4 1548,8 2317,7 7880,4<br />

Öffentliche Finanzen Maßstab<br />

Einheit<br />

Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Defizit/Überschuss des Staates im Verhältnis zum BIP<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% : : : : : -14,5 -33,0 -12,9 -11,3 -5,7 -1,2<br />

SI: Schuldenstand des Staates im Verhältnis zum BIP<br />

(x1) % : : : : : 57,4 104,4 93,0 85,1 76,9 69,7<br />

Finanzindikatoren Maßstab<br />

Einheit<br />

Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Bruttoauslandsverschuldung der Volkswirtschaft im Verhältnis zum BIP (x1) % 11) 45,2 43,8 44,6 47,8 56,3 59,7 77,1 71,3 60,1 54,0 47,3<br />

Bruttoauslandsverschuldung der Volkswirtschaft im Verhältnis zu den Einheit<br />

Gesamtexporten<br />

(x1) % 12) 3,5 3,4 3,2 3,6 3,9 4,3 3,6 3,6 3,1 2,6 2,3<br />

Geldmenge: M1 Mio. EUR 4968,0 6733,8 7028,5 7000,2 8635,3 12204,5 8965,1 9291,4 13188,2 15761,7 26483,1<br />

Geldmenge: M2 Mio. EUR 16082,4 21960,6 25153,6 31205,8 41324,5 51590,9 37253,0 36325,6 47398,0 59415,0 96487,1<br />

Geldmenge: M3<br />

Kreditgewährung insgesamt: Kredite geldschöpfender Finanzinstitute (MFI) an<br />

Mio. EUR 16796,7 23537,5 27196,3 32878,4 42950,0 54207,4 38973,5 38041,1 50487,7 63410,9 103583,4<br />

inländische Kreditnehmer (konsolidiert) Mio.<br />

Einheit<br />

EUR 19992,3 26453,1 34081,6 30790,1 30856,1 44491,5 26976,9 20034,9 29025,2 43327,6 76195,0<br />

Zinssätze: Tagesgeldsatz, pro Jahr<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 13) 70,0 77,9 74,0 78,8 79,8 56,0 95,5 49,6 36,1 22,0 15,1<br />

Ausleihesatz (ein Jahr), pro Jahr<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 14) 105,1 99,2 99,4 79,5 86,1 51,2 78,8 53,7 42,8 29,1 23,8<br />

Einlagensatz (ein Jahr), pro Jahr<br />

(x1) % 15) 91,7 92,8 93,0 93,3 85,5 38,2 62,2 53,9 40,3 23,6 19,9<br />

<strong>DE</strong> 89 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>


EUR-Wechselkurse: Durchschnitt des Zeitraums – 1 Euro = … Landeswährung<br />

Einheit<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

Zahl 16) 59169,930 101979,910 170617,900 292797,660 445676,520 573942,460 1093683,470 1429766,050 1685301,160 1767685,880 1,66953<br />

EUR-Wechselkurse: Ende des Zeitraums – 1 Euro = … Landeswährung (x1)<br />

Einheit<br />

Zahl 16) 78137,000 133188,000 224970,000 366060,000 542096,000 618561,000 1268115,000 1703477,000 1745072,000 1826800,000 1,5904<br />

Index des effektiven Wechselkurses (1999=100)<br />

(x1) Zahl 652,0 384,8 232,0 145,5 100,0 74,0 40,0 30,7 27,3 26,6 :<br />

Wert der Währungsreserven (einschließlich Gold) Mio. EUR 10) 10530,3 13904,9 17233,3 18493,7 22695,1 25095,4 22129,5 29701,9 31093,8 30262,7 42143,0<br />

Wert der Währungsreserven (ohne Gold) Mio. EUR 10) 9472,9 12815,5 16241,8 17590,9 21746,5 24006,3 20977,1 28348,9 29716,9 28948,3 40603,8<br />

Außenhandel Maßstab Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Handelsbilanzsaldo: (alle Waren, alle Partner) Mio. EUR : : : : -13387,3 -29262,5 -11193,5 -16341,3 -18620,1 -27636,9 -34560,1<br />

Wert der Exporte: (alle Waren, alle Partner) Mio. EUR : : : : 24964,0 30181,9 35062,2 38137,1 41515,9 50891,1 58849,5<br />

Wert der Importe: (alle Waren, alle Partner) Mio.<br />

Einheit<br />

EUR : : : : 38351,3 59444,4 46255,8 54478,3 60136,0 78528,0 93409,5<br />

Terms of Trade (Exportpreisindex / Importpreisindex) gegenüber dem Vorjahr (x1)<br />

Einheit<br />

Zahl 17) 107,4 109,3 114,0 114,1 112,6 103,0 100,7 100,1 100,0 100,6 99,7<br />

Anteil der Exporte in EU-25-Länder am Wert der Gesamtexporte<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% : : : : 56,1 54,3 53,8 53,9 55,1 54,5 52,4<br />

Anteil der Importe aus EU-25-Ländern am Wert der Gesamtimporte<br />

(x1) % : : : : 53,7 50,3 45,8 47,5 48,2 46,6 42,2<br />

Bevölkerung Maßstab Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Natürliche Wachstumsziffer: Ziffer des natürlichen Bevölkerungswachstums Einheit<br />

(Geburten minus Sterbefälle)<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

je 1000 1) 16,8 16,8 16,5 16,0 15,4 14,1 13,8 13,5 13,2 12,9 12,6<br />

Nettowanderungsziffer: Zahl der Zuwanderer minus Zahl der Abwanderer (x1) je 1000 : : : : : : : : : : :<br />

Säuglingssterbeziffer: Zahl der im ersten Lebensjahr gestorbenen Kinder je<br />

1 000 Lebendgeburten<br />

Lebenserwartung bei der Geburt: Männer<br />

Lebenserwartung bei der Geburt: Frauen<br />

Arbeitsmarkt Maßstab Einheit<br />

Einheit<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

Zahl 1) 43,0 40,9 38,8 36,5 33,9 28,9 27,8 26,7 25,6 24,6 23,6<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

Jahre 1) 65,6 65,9 66,3 66,7 67,1 68,1 68,2 68,4 68,6 68,8 68,9<br />

(x1) Jahre 1) 70,2 70,6 70,9 71,3 71,8 72,8 73,0 73,2 73,4 73,6 73,8<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Erwerbsquote (15-64): Anteil der Erwerbspersonen an der Bevölkerung im Einheit<br />

Alter von 15-64 Jahren<br />

(x1) % 18) 56,8 56,4 55,2 55,3 55,2 52,4 52,3 52,3 51,1 51,5 51,3<br />

SI: Erwerbstätigenquote (15-64): Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung Einheit<br />

im Alter von 15-64 Jahren<br />

(x1) % 52,4 52,5 51,3 51,4 50,8 48,9 47,8 46,7 45,5 46,1 45,9<br />

SI: Erwerbstätigenquote (15-64), Männer: Anteil der Erwerbstätigen an der<br />

männlichen Bevölkerung im Alter von 15-64 Jahren<br />

SI: Erwerbstätigenquote (15-64), Frauen: Anteil der Erwerbstätigen an der<br />

weiblichen Bevölkerung im Alter von 15-64 Jahren<br />

SI: Erwerbstätigenquote älterer Arbeiter (55-64): Anteil der Erwerbstätigen an<br />

der Bevölkerung im Alter von 55-64 Jahren<br />

Einheit<br />

(x1) % 74,6 74,9 74,8 74,3 72,7 71,7 69,3 66,9 65,9 67,9 68,2<br />

Einheit<br />

(x1) % 30,2 30,3 28,0 28,5 28,9 26,2 26,3 26,6 25,2 24,3 23,7<br />

Einheit<br />

(x1) % 41,7 41,6 40,5 41,1 39,3 36,3 35,9 35,3 32,7 33,1 30,8<br />

<strong>DE</strong> 90 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>


Anteil von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei (NACE-Abschnitte Einheit<br />

A+B) an der Gesamtbeschäftigung<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 18) 44,1 43,7 41,7 41,5 40,2 36,0 37,6 34,9 33,9 34,0 29,5<br />

Anteil der Industrie (NACE-Abschnitte C bis E) an der Gesamtbeschäftigung (x1)<br />

Einheit<br />

% 18) 16,0 16,4 17,5 17,1 17,2 17,7 17,5 18,5 18,2 18,3 19,4<br />

Anteil des Baugewerbes (NACE-Abschnitt F) an der Gesamtbeschäftigung (x1) % 18) 6,0 6,1 6,2 6,1 6,2 6,3 5,2 4,5 4,6 4,7 5,3<br />

Anteil des Dienstleistungssektors (NACE-Abschnitte G bis P) an der Einheit<br />

Gesamtbeschäftigung<br />

(x1) % 19) 33,9 33,7 34,6 35,3 36,5 40,0 39,7 42,1 43,4 43,0 45,8<br />

SI: Arbeitslosenquote: Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Einheit<br />

Arbeitskräfte<br />

(x1) % 7,6 6,6 6,8 6,9 7,7 6,5 8,4 10,3 10,5 10,3 10,3<br />

SI: Arbeitslosenquote, Männer: Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Einheit<br />

männlichen Arbeitskräfte<br />

(x1) % 7,8 6,9 6,5 6,9 7,7 6,6 8,7 10,7 10,7 10,5 10,3<br />

SI: Arbeitslosenquote, Frauen: Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Einheit<br />

weiblichen Arbeitskräfte<br />

(x1) % 7,3 6,0 7,8 6,8 7,6 6,3 7,5 9,4 10,1 9,7 10,3<br />

Arbeitslosenquote von Personen < 25 Jahren: Anteil der Arbeitslosen an der Einheit<br />

Gesamtzahl der Arbeitskräfte unter 25 Jahren<br />

(x1) % 15,5 13,5 14,3 14,2 15,0 13,1 16,2 19,2 20,5 19,7 19,3<br />

SI: Langzeitarbeitslosenquote: Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Einheit<br />

Gesamtzahl der Arbeitskräfte<br />

(x1) % 2,7 2,9 2,7 2,7 2,1 1,3 1,7 2,9 2,5 4,0 4,1<br />

Sozialer Zusammenhalt Maßstab Einheit<br />

SI: Ungleichheit der Einkommensverteilung: Verhältnis oberstes Quintil zu<br />

unterstem Quintil<br />

SI: Frühzeitige Schulabgänger: Anteil der Bevölkerung von 18-24 Jahren ohne<br />

Bildungsabschluss der Sekundarstufe II, der gegenwärtig nicht an einer<br />

Ausbildungsmaßnahme teilnimmt<br />

SI: Kinder von 0-17 Jahren in erwerbslosen Haushalten: Anteil der Kinder von<br />

0-17 Jahren<br />

SI: Personen von 18-59 Jahren in erwerbslosen Haushalten: Anteil der<br />

Personen von 18-59 Jahren<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Einheit<br />

(x1) Zahl 20) : : : : : : : 10,8 9,9 9,9 :<br />

Einheit<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% 21) : : : : : 58,1 58,1 55,1 52,9 54,4 51,5<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

% : : : : : : : : : : :<br />

(x1) % : : : : : : : : : : :<br />

Lebensstandard Maßstab<br />

Einheit<br />

Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Zahl der Personenkraftwagen / Bevölkerung<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

je 1000 49,5 52,0 55,7 58,9 61,4 65,6 66,3 66,4 66,9 75,9 80,1<br />

Zahl der Haupttelefonleitungen (Festnetz) / Bevölkerung<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

je 1000 22) 215,8 227,1 245,8 260,1 272,1 272,8 276,5 272,9 269,3 268,8 263,3<br />

Zahl der Mobilfunkteilnehmer / Bevölkerung<br />

(x1) je 1000 22) 7,1 12,8 25,1 53,8 115,8 223,4 286,3 337,3 397,6 488,2 605,4<br />

Infrastruktur Maßstab Einheit<br />

Dichte des Eisenbahnnetzes (betriebene Strecken)<br />

Einheit<br />

(x1)<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

je 1000<br />

km² 23) 10,8 11,0 11,0 11,0 11,1 11,1 11,1 11,0 11,1 11,1 11,1<br />

Länge der Autobahnen Tausend km 24) 1,2 1,4 1,5 1,7 1,7 1,8 1,9 1,9 1,9 1,9 1,8<br />

Industrie und Landwirtschaft Maßstab<br />

Einheit<br />

Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Volumenindex der Industrieproduktion (2000=100)<br />

(x1) Zahl : : : : : 100,0 91,3 99,9 108,7 119,3 125,8<br />

Landwirtschaftliche Produktionsindizes für Waren und Dienstleistungen (zu<br />

Erzeugerpreisen) (Vorjahr = 100)<br />

Einheit<br />

(x1) Zahl 102,7 107,0 97,7 110,6 94,7 104,2 93,3 108,5 98,0 101,6 106,9<br />

<strong>DE</strong> 91 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>


Innovation und Forschung Maßstab Einheit<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

SI: Ausgaben für Humanressourcen (öffentliche Bildungsausgaben) als Anteil Einheit<br />

am BIP<br />

(x1) % 25) 2,3 2,4 2,4 3,1 3,6 3,5 3,7 3,6 3,8 3,8 :<br />

SI: Bruttoinlandsaufwendungen für Forschung und Entwicklung im Verhältnis Einheit<br />

zum BIP<br />

(x1) % 0,4 0,5 0,5 0,5 0,6 0,6 0,7 0,7 0,6 0,7 :<br />

SI: Prozentualer Anteil der Haushalte mit häuslichem Internetzugang. Alle<br />

Formen der Internetnutzung sind eingeschlossen. Berücksichtigt wird die<br />

Bevölkerung von 16-74 Jahren.<br />

Umwelt Maßstab Einheit<br />

SI: Treibhausgasemissionen insgesamt, CO2-Äquivalent (1990=100)<br />

SI: Energieintensität der Wirtschaft<br />

SI: Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch<br />

Einheit<br />

(x1) % : : : : : : : : : 7,0 8,7<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Einheit<br />

(x1) Tonnen 26) 136,3 173,5 198,2 203,9 197,0 200,3 187,8 207,1 216,0 239,4 :<br />

in kg Öl-<br />

Äquivalent<br />

je<br />

Einheit 1000 EUR<br />

(x1)<br />

Einheit<br />

BIP 27) 484,2 496,4 487,6 478,9 499,6 504,4 510,7 491,5 497,2 478,2 460.7p<br />

(x1) % 28) 41,6 43,0 38,9 38,3 30,0 25,0 19,9 26,3 25,2 30,8 26.02p<br />

SI: Anteil des Straßengüterverkehrs am inländischen Güterverkehr insgesamt Einheit<br />

(Verkehrsverteilung nach Verkehrsträgern)<br />

e : Schätzung<br />

f : Prognose<br />

p : vorläufig<br />

(x1) % 24) 93,0 93,8 93,6 94,8 94,8 94,3 95,3 95,5 94,6 95,3 95,5<br />

1) Bevölkerungsschätzwerte zur Jahresmitte.<br />

2) Gesamte Bodenfläche umfasst Seenoberflächen.<br />

3) Neu: Türkische Lira; 1 NTL (Neue Türkische Lira) = 1 000 000 TL (Türkische Lira).<br />

4) Daten zum BIP und BIP pro Kopf werden unter Heranziehung der gewichteten durchschnittlichen Wechselkurse für Einfuhren in Euro umgerechnet. Diese Wechselkurse werden von TURKSTAT für Schätzwerte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen<br />

herangezogen.<br />

5) Bevölkerungszahlen zur Jahresmitte, die für die Berechnung der Pro-Kopf-Werte zugrunde gelegt wurden; 1995-1996 Bevölkerungsprognosen von 1985-1990; 1997-1999: Volkszählung von 1997 2000-2005: Allgemeine Volkszählung. Daten zum BIP und BIP<br />

pro Kopf werden unter Heranziehung der gewichteten durchschnittlichen Wechselkurse für Einfuhren in Euro umgerechnet. Diese Wechselkurse werden von TURKSTAT für Schätzwerte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen herangezogen.<br />

6) Angaben zum Beschäftigungswachstum gemäß der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung liegen nicht vor.<br />

7) Angaben zum Anstieg der Lohnstückkosten gemäß der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung liegen nicht vor.<br />

8) Quelle:: Eurostat.<br />

9) Nationaler Verbraucherpreisindex (nicht im strengen Sinne vergleichbar mit vorläufigen harmonisierten Verbraucherpreisindizes).<br />

10) Die Daten wurden ursprünglich in US Dollar vorgelegt und unter Heranziehung der durchschnittlichen jährlichen Wechselkurse für 1995 bis 2005, die in der Eurostat-Verbreitungsdatenbank veröffentlicht werden, und in Euro umgerechnet.<br />

11) Die Zahlen zur Bruttoauslandsverschuldung werden in US Dollar veröffentlicht und unter Verwendung der Ende des Jahres gültigen US Dollar - EUR/ECU-Parität in Euro umgerechnet.<br />

12) Quelle für Ausfuhrdaten: Central Bank; Ausfuhrdaten (fob) ohne "Shuttle Trade und sonstige Waren".<br />

13) Durchschnitt der monatlichen Daten.<br />

14) Durchschnitt der monatlichen Daten; Kredite an Unternehmen über mehr als ein Jahr.<br />

15) Durchschnitt der monatlichen Daten; bis zu einem Jahr oder länger.<br />

16) Für den Zeitraum 1995-2004 bezieht sich die Landeswährung auf Türkische Lira (TL); für 2005 bezieht sich die Landeswährung auf die Neue Türkische Lira (NTL); 1 NTL (Neue Türkische Lira) = 1.000.000 TL (Turkish Lira).<br />

17) Berechnet auf der Grundlage der ISIC Rev.3, Basis 2003.<br />

18) Gewichtete Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung, keine vierteljährlichen Durchschnittswerte.<br />

19) Gewichtete Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung, keine vierteljährlichen Durchschnittswerte. Dienstleistungen definiert nach NACE Abschnitte G bis Q.<br />

20) Die Daten für 2002, 2003 und 2004 basieren auf den Erhebungen über die Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte.<br />

21)<br />

schaffen.<br />

Gewichtete Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung, keine vierteljährlichen Durchschnittswerte. In den AKE-Fregebogen 2004 wurden Fragen in Zusammenhang mit “Ausbildung” aufgenommen, um so Vergleichbarkeit mit der Definition des Indikators zu<br />

22) Die Daten liegen bei der Telecommunications Authority vor.<br />

23) Die Daten liegen bei Turkish State Railways vor.<br />

24) Die Daten liegen beim General Directorate of Highways vor.<br />

25) In den AKE-Fregebogen 2004 wurden Fragen in Zusammenhang mit “Ausbildung” aufgenommen, um so Vergleichbarkeit mit der Definition des Indikators zu schaffen.<br />

<strong>DE</strong> 92 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>


26) Treibhausgasemissionen insgesamt (CO2-Äquivalent) einschließlich Direktemissionen (CO2, CH4 und N20) von Treibstoffverbrennungen aus den Sektoren (u.a. Energieerzeugung, Verkehr, Industrie, private Haushalte) sowie aus agrarwirtschaftlichen Anlagen<br />

und Industrieprozessen/-produktion. Die Daten beinhalten FKW-Emissionen ab 2000 und SF6-Emissionen ab 1996.<br />

27) Quelle: Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen.<br />

28) Quelle: Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen; die Preise sind Durchschnittspreise für das Jahr.<br />

<strong>DE</strong> 93 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>

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