DE - Navend
DE - Navend
DE - Navend
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>DE</strong><br />
<strong>DE</strong> <strong>DE</strong>
Brüssel, den 8.11.2006<br />
ARBEITSDOKUMENT <strong>DE</strong>R KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN<br />
Türkei Fortschrittsbericht 2006<br />
<strong>DE</strong> <strong>DE</strong>
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1. Einleitung ..................................................................................................................... 4<br />
1.1. Vorbemerkung.............................................................................................................. 4<br />
1.2. Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei..................................................... 5<br />
2. Verstärkter politischer Dialog und politische Kriterien............................................... 5<br />
2.1. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit............................................................................. 5<br />
2.2. Menschenrechte und Minderheitenschutz.................................................................. 12<br />
2.3. Regionale Fragen und internationale Verpflichtungen .............................................. 26<br />
3. Wirtschaftliche Kriterien............................................................................................ 28<br />
3.1. Einleitung ................................................................................................................... 28<br />
3.2. Bewertung anhand der Kopenhagener Kriterien........................................................ 28<br />
3.2.1. Funktionierende Marktwirtschaft............................................................................... 28<br />
3.2.2. Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union<br />
standzuhalten.............................................................................................................. 32<br />
4. Fähigkeit zur Erfüllung der aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen 35<br />
4.1. Kapitel 1: Freier Warenverkehr ................................................................................. 37<br />
4.2. Kapitel 2: Freizügigkeit der Arbeitnehmer ................................................................ 39<br />
4.3. Kapitel 3: Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr............................ 39<br />
4.4. Kapitel 4: Freier Kapitalverkehr ................................................................................ 40<br />
4.5. Kapitel 5: Öffentliches Beschaffungswesen .............................................................. 41<br />
4.6. Kapitel 6: Gesellschaftsrecht...................................................................................... 42<br />
4.7. Kapitel 7: Rechte an geistigem Eigentum.................................................................. 44<br />
4.8. Kapitel 8: Wettbewerbspolitik ................................................................................... 45<br />
4.9. Kapitel 9: Finanzdienstleistungen.............................................................................. 46<br />
4.10. Kapitel 10: Informationsgesellschaft und Medien ..................................................... 48<br />
4.11. Kapitel 11: Landwirtschaft......................................................................................... 50<br />
4.12. Kapitel 12: Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit ........................... 51<br />
4.13. Kapitel 13: Fischerei .................................................................................................. 53<br />
4.14. Kapitel 14: Verkehrspolitik........................................................................................ 54<br />
4.15. Kapitel 15: Energie .................................................................................................... 56<br />
4.16. Kapitel 16: Steuern..................................................................................................... 57<br />
<strong>DE</strong> 2 <strong>DE</strong>
4.17. Kapitel 17: Wirtschafts- und Währungsunion............................................................ 58<br />
4.18. Kapitel 18: Statistik.................................................................................................... 59<br />
4.19. Kapitel 19: Beschäftigung und Soziales .................................................................... 60<br />
4.20. Kapitel 20: Unternehmens- und Industriepolitik........................................................ 62<br />
4.21. Kapitel 21: Transeuropäische Netze .......................................................................... 63<br />
4.22. Kapitel 22: Regionalpolitik und Koordinierung der strukturpolitischen Instrumente64<br />
4.23. Kapitel 23: Justiz und Grundrechte............................................................................ 66<br />
4.24. Kapitel 24: Recht, Freiheit und Sicherheit................................................................. 71<br />
4.25. Kapitel 25: Wissenschaft und Forschung................................................................... 75<br />
4.26. Kapitel 26: Bildung und Kultur.................................................................................. 76<br />
4.27. Kapitel 27: Umwelt.................................................................................................... 77<br />
4.28. Kapitel 28: Verbraucher- und Gesundheitsschutz...................................................... 79<br />
4.29. Kapitel 29: Zollunion ................................................................................................. 80<br />
4.30. Kapitel 30: Außenbeziehungen.................................................................................. 81<br />
4.31. Kapitel 31: Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik....................................... 82<br />
4.32. Kapitel 32: Finanzkontrolle........................................................................................ 85<br />
4.33. Kapitel 33: Finanz- und Haushaltsbestimmungen ..................................................... 86<br />
STATISTISCHER ANHANG<br />
<strong>DE</strong> 3 <strong>DE</strong>
1. EINLEITUNG<br />
ARBEITSDOKUMENT <strong>DE</strong>R KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN<br />
1.1. Vorbemerkung<br />
Türkei Fortschrittsbericht 2006<br />
Die Kommission erstattet auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates<br />
Luxemburg) vom Dezember 1997 dem Rat und dem Parlament regelmäßig Bericht.<br />
Der vorliegende Bericht über die von der Türkei bei der Vorbereitung auf eine EU-<br />
Mitgliedschaft erzielten Fortschritte folgt in seiner Gliederung dem seit Jahren für Berichte<br />
dieser Art üblichen Schema und enthält somit:<br />
– einen kurze Darstellung der Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen<br />
Union,<br />
– eine Prüfung der Lage in der Türkei anhand der eine Mitgliedschaft bedingenden<br />
politischen Kriterien,<br />
– eine Prüfung der Lage in der Türkei anhand der eine Mitgliedschaft bedingenden<br />
wirtschaftlichen Kriterien,<br />
– eine Bewertung der Fähigkeit der Türkei, die aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden<br />
Verpflichtungen, d.h. den Besitzstand - die Verträge, das Sekundarrecht und die sektorale<br />
Politik der Union – zu übernehmen.<br />
Der Berichtszeitraum reicht vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006. Die<br />
Fortschritte werden anhand gefasster Beschlüsse, verabschiedeter Rechtsvorschriften und<br />
umgesetzter Maßnahmen gemessen. Rechtsvorschriften und Maßnahmen, die sich in<br />
Vorbereitung befinden bzw. dem Parlament zur Annahme vorliegen, bleiben grundsätzlich<br />
unberücksichtigt. Dieses Vorgehen gewährleistet die methodische Einheitlichkeit sämtlicher<br />
Berichte und lässt eine objektive Bewertung zu.<br />
Dieser Bericht beruht auf Informationen, die die Kommission zusammengestellt und überprüft<br />
hat. Als Quelle für zahlreiche weitere Informationen dienten u.a. Beiträge der türkischen<br />
Regierung und der Mitgliedstaaten einschließlich Berichte des Europäischen Parlaments 1<br />
sowie verschiedene internationale und regierungsunabhängige Organisationen.<br />
Die Kommission legt ihre Schlussfolgerungen bezüglich der Türkei in einer gesonderten<br />
Mitteilung zur Erweiterung vor 2 , die anhand der technischen Bewertungen dieses Berichts<br />
erstellt wird.<br />
1 Berichterstatter für die Türkei: C. Eurlings.<br />
2 Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen für den Zeitraum 2006 – 2007.<br />
<strong>DE</strong> 4 <strong>DE</strong>
1.2. Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei<br />
Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden im Oktober 2005 aufgenommen. Die<br />
analytische Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands ("Screening") wurde als erste<br />
Phase des Beitrittsprozesses im Oktober 2006 abgeschlossen. Die Verhandlungen zum Kapitel<br />
Wissenschaft und Forschung wurden bereits eingeleitet und im Juni vorläufig abgeschlossen.<br />
Der verstärkte politische Dialog wurde unter britischem, österreichischem und finnischen<br />
Ratsvorsitz fortgesetzt.<br />
Das Assoziationsabkommen wird weiterhin zufrieden stellend umgesetzt.<br />
Der Handel zwischen der Gemeinschaft und der Türkei nahm im Rahmen der Zollunion<br />
weiter zu und erreichte im Jahr 2005 ein Volumen von 75 Mrd. EUR. Die EU forderte die<br />
Türkei bei allen sich bietenden Gelegenheiten auf, sämtliche Beschränkungen des freien<br />
Warenverkehrs, einschließlich der Beschränkungen im Bereich der Transportmittel im<br />
Hinblick auf die Republik Zypern, aufzuheben. Darüber hinaus werden noch weitere<br />
Verpflichtungen bislang nicht von der Türkei erfüllt. Dies gilt für die Bereiche technische<br />
Handelshemmnisse, Einfuhrlizenzen, staatliche Beihilfen, Rechte an geistigem Eigentum<br />
sowie für weitere diskriminierende Bestimmungen. Als positiver Schritt ist jedoch zu werten,<br />
dass ein Teil der verbindlichen Normen abgeschafft wurde. Die EU hofft, dass die<br />
Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion im Bereich öffentliches<br />
Beschaffungswesen und Dienstleistungen bald wieder aufgenommen werden können. Im<br />
Handelssektor wurden im September die Verhandlungen über landwirtschaftliche<br />
Verarbeitungserzeugnisse abgeschlossen. Ziel dieser Verhandlungen war es, den<br />
Marktzugang zu verbessern und die Bestimmungen der Zollunion mit der 2004 erfolgten EU-<br />
Erweiterung in Einklang zu bringen. Hinsichtlich des von der Türkei seit längerem verhängten<br />
Einfuhrverbots für lebende Rinder, Rindfleisch und andere tierische Erzeugnisse sind keine<br />
Fortschritte erzielt worden.<br />
Im Januar 2006 wurde die überarbeitete Beitrittspartnerschaft verabschiedet, die die<br />
Prioritäten setzt, die die Türkei im Zuge ihrer Vorbereitungen auf den Beitritt kurz- und<br />
mittelfristig verwirklichen muss.<br />
Die im Hinblick auf den Beitritt von der Gemeinschaft geleistete Finanzhilfe beläuft sich für<br />
2006 auf 500 Mio. EUR. Das Gesamtvolumen der EIB-Darlehen für die Türkei beträgt 4,2<br />
Mrd. EUR.<br />
2. VERSTÄRKTER POLITISCHER DIALOG UND POLITISCHE KRITERIEN<br />
In diesem Abschnitt werden die Fortschritte einer Prüfung unterzogen, die die Türkei in<br />
Bezug auf die Erfüllung der in Kopenhagen aufgestellten politischen Beitrittskriterien erzielt<br />
hat, denen zufolge institutionelle Stabilität als Garant für eine demokratische und<br />
rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von<br />
Minderheiten gewährleistet sein muss. Ferner werden hier die Einhaltung internationaler<br />
Verpflichtungen, die Zusammenarbeit mit den Staaten der Region und der Stand der<br />
gutnachbarlichen Beziehungen bewertet.<br />
2.1. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit<br />
Parlament<br />
<strong>DE</strong> 5 <strong>DE</strong>
Die Große Türkische Nationalversammlung, in der sechs Parteien vertreten sind, hat<br />
insgesamt 148 der 429 Gesetzesvorlagen, die seit Oktober 2005 im Parlament eingebracht<br />
wurden, verabschiedet. Die nächsten Wahlen sind für November 2007 angesetzt.<br />
Der EU-Harmonisierungsausschuss und der Menschenrechtsausschuss spielten während des<br />
gesamten Berichtszeitraums eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Fragen, die für die<br />
politischen Kriterien von Kopenhagen relevant sind (zum Menschenrechtsausschuss s.<br />
Abschnitt "Menschenrechte").<br />
In der Öffentlichkeit wurde eine Debatte darüber geführt, ob die Wahlrechtsbestimmung, der<br />
zufolge politische Parteien landesweit mindestens 10% der Stimmen erreichen müssen, um<br />
ins Parlament einziehen zu können, geändert werden sollte.<br />
Im Juni legte die Regierung ein neues Reformpaket vor, das Maßnahmen in einer Reihe von<br />
für die politischen Kriterien von Kopenhagen relevanten Bereichen vorsieht. Das Parlament<br />
verabschiedete mehrere die politischen Kriterien betreffende Gesetze.<br />
Einige der im Reformpaket der Regierung enthaltenen Gesetzesvorlagen waren zum Ende des<br />
Berichtszeitraums jedoch noch nicht verabschiedet.<br />
Angesichts der Eskalation terroristischer Gewalttaten wurden im Juni 2006 Änderungen des<br />
Antiterrorgesetzes verabschiedet. In den neuen Vorschriften wurde die Liste terroristischer<br />
Straftaten erweitert und an einer weit gefassten Definition von "Terrorismus" festgehalten.<br />
Das Gesetz ermöglicht rechtliche Beschränkungen der Meinungs-, Presse- und<br />
Medienfreiheit 3 . Im August beantragte Staatspräsident Sezer beim Verfassungsgericht die<br />
Aufhebung der Artikel 5 und 6, die die genannten Beschränkungen vorsehen. Das neue<br />
Antiterrorgesetz senkt auch die Verfahrensgarantien für Personen herab, die terroristischer<br />
Straftaten beschuldigt werden. So kann der Zugang zu einem Anwalt über einen Zeitraum von<br />
24 Stunden hinweg verweigert werden und unter bestimmten Umständen ist es<br />
Sicherheitsbeamten erlaubt, Gesprächen zwischen Verdächtigen und ihren Anwälten<br />
beizuwohnen. Noch Dienst tuenden und ehemaligen Staatsbediensteten hingegen wird<br />
hinsichtlich der Rechte der Verteidigung eine andere Behandlung zugestanden. Außerdem<br />
wird ihnen größerer Ermessensspielraum beim Gebrauch von Schusswaffen gewährt.<br />
Regierung<br />
Die seit November 2002 amtierende Regierung hat ihre Entschlossenheit, den EU-<br />
Beitrittsprozess fortzusetzen, wiederholt bekräftigt. Mit dieser Motivation wurde von der<br />
Regierung im Juni ein neues Reformpaket vorgelegt (s. Abschnitt "Parlament").<br />
Im Oktober 2005 stellte der Chefunterhändler für die Beitrittsverhandlungen mit der EU die<br />
Struktur des Verhandlungsteams vor, dessen Leitung dem Außenminister übertragen wurde.<br />
In die Zuständigkeit des Chefunterhändlers fallen die Steuerung und Umsetzung der<br />
beitrittsbezogenen Arbeiten. Es wurde ein Monitoring- und Lenkungsausschuss eingerichtet,<br />
3 Das neue Gesetz sieht eine Verschärfung der Strafen für "terroristische Propaganda" und<br />
"Verherrlichung" von Terrorismus" vor. Die darin vorgenommene Definition dieser Straftaten steht<br />
jedoch nicht mit der Übereinkommen des Europarats zur Verhütung von Terrorismus (SEV Nr. 196) in<br />
Einklang. Die Presse- und die Medienfreiheit könnten durch Bestimmungen untergraben werden, die<br />
Publikationsverbote für Zeitschriften ermöglichen und Chefredakteure und Eigentümer von Presse- und<br />
Medienunternehmen für die Veröffentlichung terroristischer Propaganda oder die Verherrlichung von<br />
Terrorismus in Presse- oder Medienorganen haftbar machen.<br />
<strong>DE</strong> 6 <strong>DE</strong>
dem der Generalsekretär für EU-Angelegenheiten, der Unterstaatssekretär im<br />
Außenministerium, der Unterstaatsekretär der Staatlichen Planungsorganisation, der<br />
Unterstaatsekretär im Amt des Premierministers und der Ständige Vertreter der Türkei bei der<br />
EU angehören.<br />
Das Generalsekretariat für EU-Angelegenheiten (EUSG) hat Koordinierungsaufgaben<br />
übernommen, namentlich bei der Angleichung der für die politischen Kriterien relevanten<br />
Rechtvorschriften und bei der finanziellen Zusammenarbeit und seit dem 3. Oktober auch im<br />
Zusammenhang mit dem Screening und den Verhandlungen über einzelne Kapitel des<br />
Besitzstands.<br />
Allerdings müssen angesichts der deutlichen Ausweitung der Zuständigkeiten des EUSG auch<br />
dessen Personal und Mittelausstattung entsprechend aufgestockt werden. In dieser Hinsicht<br />
wurde bislang zu wenig unternommen.<br />
Öffentliche Verwaltung<br />
Das Parlament hat das Gesetz zur Schaffung des Amtes eines Ombudsmanns verabschiedet.<br />
Der Ombudsmann wird Verwaltungsmaßnahmen betreffende Eingaben nachgehen, die von<br />
natürlichen und rechtlichen Personen gemacht wurden. Die Schaffung dieses Amtes gehört zu<br />
den Prioritäten der Beitrittspartnerschaft und bedeutet einen wichtigen Fortschritt, da damit<br />
die institutionellen Voraussetzungen für eine Kontrolle der öffentlichen Verwaltung durch die<br />
Bürger der Türkei geschaffen werden.<br />
Im November 2005 wurde die Verfassung geändert, um der im Gesetz über die öffentliche<br />
Finanzverwaltung und Finanzkontrolle enthaltenen erweiterten Definition des<br />
Staatshaushaltes Rechnung zu tragen. Dem Staatshaushalt werden jetzt neben den aus dem<br />
Gesamthaushaltsplan finanzierten Einrichtungen auch die aus Sonderhaushalten finanzierten<br />
Einrichtungen sowie die Haushalte von Regulierungsbehörden und<br />
Sozialversicherungsträgern zugerechnet.<br />
Die Türkei hat einige Fortschritte bei der Verbesserung der Rechtssetzung erzielt. Im Februar<br />
2006 nahm die Regierung eine Verordnung an, mit der Folgenabschätzungen zu<br />
Gesetzesvorhaben (Regulatory Impact Assesment – RIA) in das türkische Rechtssystem<br />
eingeführt werden. Diese RIA dürften der Türkei auch die Bewältigung der<br />
Beitrittsverhandlungen erleichtern.<br />
Eine Reihe von Punkten bedarf jedoch weiterer Aufmerksamkeit. So muss das Gesetz über<br />
die öffentliche Finanzverwaltung und Finanzkontrolle in vollem Umgang umgesetzt werden.<br />
Ferner müssen die institutionellen Kapazitäten für die Durchführung von<br />
Folgenabschätzungen zu Gesetzesvorhaben ausgebaut werden.<br />
Hinsichtlich der Verabschiedung des Rahmengesetzes für die öffentliche Verwaltung, gegen<br />
das der Staatspräsident 2004 sein Veto eingelegt hatte, wurden keine Fortschritte erzielt. Dies<br />
behinderte die Übertragung von Zuständigkeiten von der Zentralregierung auf die lokalen<br />
Gebietskörperschaften. Auch die steuerliche Dezentralisierung wurde nicht verwirklicht. Bei<br />
der Schaffung von Stadtbeiräten wurden keine Fortschritte erzielt.<br />
Im Juni 2006 wurde das Gesetz über Zusammenschlüsse lokaler Gebietskörperschaften<br />
geändert, das Dörfern, Gemeinden und besonderen Provinzverwaltungen gestattet,<br />
gemeinsame Projekte durchzuführen. Aufgrund der Gesetzesänderung unterliegen die<br />
<strong>DE</strong> 7 <strong>DE</strong>
Ausgaben und Etats dieser gemeinsamen Projekte nicht mehr den Rechnungsprüfungen des<br />
Rechnungshofes, was den Grundsätzen der externen Rechnungsprüfung widerspricht.<br />
Bei der Novellierung des Beamtengesetzes sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Im Zuge<br />
seiner Neufassung soll ein Teil der bestehenden Vorschriften aufgehoben und ein stärker an<br />
den Verwaltungserfordernissen orientiertes Rechtsinstrument geschaffen werden.<br />
Ingesamt gesehen wurden bei den Rechtsvorschriften für die Reform der öffentlichen<br />
Verwaltung einige Fortschritte erzielt. Die Umsetzung der in den vergangenen Jahren<br />
beschlossenen Reformen wurde fortgeführt. Im Bereich Dezentralisierung sind weitere<br />
Anstrengungen erforderlich.<br />
Beziehungen zwischen Zivilsphäre und Militär<br />
Hinsichtlich der Einschränkung der Strafverfolgung von Zivilisten durch Militärgerichte<br />
wurden Fortschritte erzielt. Das im Juni 2006 verabschiedete Gesetz zur Änderung der<br />
einschlägigen Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuches sieht vor, dass Zivilisten in<br />
Friedenszeiten nicht mehr vor Militärgerichte gestellt werden können, außer in Fällen, in<br />
denen Angehörige der Streitkräfte und Zivilisten gemeinsam eine Straftat begangenen haben.<br />
Das neue Gesetz führt darüber hinaus das Recht auf Berufung vor Militärgerichten ein. Somit<br />
können Angehörige der Streitkräfte oder Zivilisten, die von einem Militärgericht verurteilt<br />
worden sind, z.B. Berufung gegen dieses Urteil einlegen, wenn der Europäische Gerichtshof<br />
für Menschenrechte (EGMR) eine Entscheidung zu ihren Gunsten gefällt hat.<br />
Der Nationale Sicherheitsrat (NSR) trat weiterhin alle zwei Monate zusammen, wie dies bei<br />
der Neufestlegung seiner Rolle vorgesehen wurde. Der NSR erörterte innen- und<br />
außenpolitische Themen u.a. in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, innere Sicherheit,<br />
Sicherheit der Energieversorgung, Migration, Wasserpolitik und Außenhilfe. Der NSR hat der<br />
Regierung Berichte vorgelegt, die auch Empfehlungen enthielten.<br />
Eines dieser Dokumente, die im November 2005 von der Regierung verabschiedete geänderte<br />
nationale Sicherheitsstrategie, wurde als Verschlusssache nicht im Parlament erörtert.<br />
Die Streitkräfte haben weiterhin erheblichen politischen Einfluss ausgeübt. Hochrangige<br />
Armeeangehörige haben sich öffentlich zu innen- und außenpolitischen Angelegenheiten<br />
geäußert, wie etwa zu Zypern, zum Laizismus, zur Kurdenfrage und zur Anklageerhebung im<br />
Falle des Bombenanschlags von Şemdinli.<br />
Das Innendienstgesetz der Türkische Streitkräfte, das Rolle und Aufgaben der türkischen<br />
Streitkräfte festlegt und Artikel enthält, die dem Militär einen weiten Handlungsspielraum<br />
verleihen, wurde nach wie vor nicht geändert. Unverändert geblieben ist auch - wie bereits im<br />
Vorjahresbericht angemerkt - Artikel 2 a des Gesetzes über den Nationalen Sicherheitsrat, in<br />
dem der Begriff „nationale Sicherheit“ überaus weit definiert wird. Es wurden keine<br />
Maßnahmen zur Stärkung der zivilen Kontrolle über die Gendarmerie getroffen. Diese ist Teil<br />
der Armee und dem Generalstab zugeordnet, untersteht jedoch hinsichtlich ihrer<br />
Vollzugsaufgaben dem Innenministerium.<br />
Im März brachte der Entwurf des Berichts des parlamentarischen Untersuchungsausschusses<br />
zu den Ereignissen in Şemdinli die Existenz eines Geheimprotokolls über die Einheiten für<br />
Sicherheit, öffentliche Ordnung und Zusammenarbeit (die so genannten "EMASYA") zu<br />
Tage. Das im Jahr 1997 zwischen dem Generalstab und dem Innenministerium unterzeichnete<br />
„Emasya“-Protokoll erlaubt, dass aus Gründen der inneren Sicherheit unter bestimmten<br />
<strong>DE</strong> 8 <strong>DE</strong>
Bedingungen Militäroperationen auch ohne entsprechende Anordnung der zivilen Behörden<br />
durchgeführt werden. Das Protokoll gestattet dem Militär zudem, zur Abwehr von Gefahren<br />
für die innere Sicherheit Informationen zu sammeln.<br />
Die Umsetzung der in den Vorjahren beschlossenen Reformen im Bereich der<br />
Verteidigungsausgaben wurde eingeleitet. Die Haushaltsmittel für den Nachrichtendienst, den<br />
Nationalen Sicherheitsrat sowie der Verwaltungshaushalt des für die Verteidigungsindustrie<br />
zuständigen Unterstaatssekretariats wurden in den Gesamthaushaltsplan 2006 einbezogen. Die<br />
meisten Beschaffungsvorhaben werden jedoch aus außerbudgetären Mittel finanziert.<br />
Bei der parlamentarischen Kontrolle des Verteidigungshaushalts und der<br />
Verteidigungsausgaben sind keine weiteren Fortschritte zu verzeichnen. Der Planungs- und<br />
Haushaltsauschuss des Parlaments prüft den Verteidigungshaushalt zwar ganz allgemein,<br />
nicht jedoch die einzelnen Programme und Projekte. Zudem unterliegen die außerbudgetären<br />
Mittel nicht der parlamentarischen Kontrolle.<br />
Da noch keine Durchführungsvorschriften zum Gesetz über Verwaltung und Kontrolle der<br />
öffentlichen Finanzen erlassen wurden, unterblieb bisher auch eine interne Rechnungsprüfung<br />
des militärischen Eigentums. Gemäß Artikel 160 der Verfassung kann der Rechnungshof<br />
zwar Ex-post-Kontrollen der Verteidigungsausgaben durchführen, doch aufgrund der<br />
fehlenden Durchführungsvorschriften kann er diesen Aufgaben nicht nachkommen.<br />
Ingesamt wurden bei der Gestaltung der Beziehungen zwischen Zivilsphäre und Militär nach<br />
dem Vorbild der EU-Praxis nur begrenzte Fortschritte erzielt. Die Streitkräfte sollten sich bei<br />
ihren Erklärungen auf militärische Aspekte sowie Verteidigungs- und Sicherheitsfragen<br />
beschränken und derartige Erklärungen nur mit Zustimmung der zivilen Behörden abgeben.<br />
Die zivilen Behörden ihrerseits sollten ihre Überwachungsaufgaben in vollem Umfang<br />
wahrnehmen, insbesondere was die Formulierung der nationalen Sicherheitsstrategie und<br />
deren Umsetzung anbelangt, einschließlich im Hinblick auf die Beziehungen zu den<br />
Nachbarländern.<br />
Justizwesen<br />
Die Tätigkeit der Behörden konzentrierte sich auf die Umsetzung des neuen<br />
Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Gesetzes über die Vollstreckung von<br />
Urteilen, nachdem diese Gesetze 2005 in Kraft getreten sind.<br />
In diesem Zusammenhang aktualisierte das Justizministerium alle vorhandenen<br />
Rundschreiben, die im Januar 2006 durch etwa 100 neue, überwiegend an die<br />
Staatsanwaltschaften gerichtete Rundschreiben ersetzt wurden. Damit sollte mehr Klarheit<br />
und ein überschaubarer Rahmen für die Umsetzung der neuen Strafprozessordnung und des<br />
Gesetzes über die Vollstreckung von Urteilen geschaffen werden. Besondere Bedeutung<br />
kommt dem Rundschreiben zur Umsetzung der Rechtsvorschriften über Verhaftung, Haft und<br />
Aufnahme von Aussagen zu, in dem auch auf die Verhinderung von<br />
Menschenrechtsverletzungen in diesem Kontext eingegangen wird. In dem Rundschreiben<br />
wird hervorgehoben, dass die Staatsanwälte verpflichtet sind, sich durch regelmäßige Besuche<br />
in den Haftanstalten über die Haftbedingungen von Inhaftierten zu informieren. Gemäß dem<br />
Rundschreiben müssen die Staatsanwälte zudem dem Justizministerium regelmäßig über die<br />
Umsetzung der Bestimmungen seitens der Strafverfolgungsbehörden Bericht erstatten.<br />
<strong>DE</strong> 9 <strong>DE</strong>
Im November 2005 und. im Januar 2006 gaben das Innenministerium bzw. das<br />
Justizministerium jeweils ein Rundschreiben zur genaueren Festlegung der Modalitäten für<br />
die Interaktion zwischen den Staatsanwaltschaften und der Kriminalpolizei heraus.<br />
Die Gerichte haben die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) weiterhin<br />
angewandt.<br />
Im Berichtszeitraum wurden 620 neue Richter eingestellt. Die Schulungsmaßnahmen zur<br />
Gewährleistung der Umsetzung der in den letzten drei Jahren eingeleiteten Reformen wurden<br />
fortgesetzt. Der Haushalt des Justizministeriums wurde aufgestockt und das Programm für<br />
den Aufbau von Gerichten erster Instanz fortgesetzt. Der Aufbau der regionalen<br />
Berufungsgerichte kommt voran.<br />
Allerdings ist noch eine Reihe von Problemen zu bewältigen. So wurden einige<br />
Bestimmungen des Strafgesetzbuches, so insbesondere Artikel 301, herangezogen, um das<br />
Recht auf friedliche Meinungsäußerung zu beschneiden. (s. Abschnitt "Meinungsfreiheit")<br />
In einer Reihe von Fällen zeigte sich, dass Rechtsvorschriften von der Justiz nicht einheitlich<br />
ausgelegt werden.<br />
Was die Anwendung der neuen Strafprozessordnung anbelangt, so hat die Schaffung der<br />
Kriminalpolizei zu Spannungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den<br />
Staatsanwaltschaften geführt. Trotz der beiden Rundschreiben des Innenministeriums und des<br />
Justizministeriums gestaltet sich Berichten der Staatsanwaltschaften zufolge die effektive<br />
Aufsicht über die Kriminalpolizei schwierig.<br />
Die Unabhängigkeit der Justiz wird durch eine Reihe von Bestimmungen der türkischen<br />
Verfassung und türkischer Gesetze gewährleistet. Eine Reihe von Faktoren scheinen diesen<br />
Grundsatz jedoch auszuhöhlen. Richter und Staatsanwälte sind, was die Ausübung ihrer<br />
Verwaltungsaufgaben betrifft, dem Justizministerium unterstellt. Das oberste Aufsichtsorgan<br />
der Justiz, der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte, verfügt weder über ein eigenes<br />
Sekretariat noch über separate Räumlichkeiten und hat auch kein eigenes Budget. Die<br />
Justizinspektoren, die beauftragt sind, die Leistungen der Richter und Staatsanwälte zu<br />
beurteilen, sind nicht dem Hohen Rat, sondern dem Justizministerium unterstellt. Der<br />
Justizminister und der Unterstaatssekretär des Justizministeriums gehören mit je einer Stimme<br />
zu den insgesamt sieben stimmberechtigten Mitgliedern des Hohen Rates. Die anderen fünf<br />
Mitglieder werden aus dem Kreis der Richter des Kassationshofes und des Staatsrates<br />
bestimmt. Diese Zusammensetzung ist allem Anschein nach für die Justiz als Ganzes nicht<br />
repräsentativ, was zusammen mit den oben genannten Punkten dazu führen könnte, dass die<br />
Exekutive auf Beschlüsse über die Laufbahn türkischer Richter Einfluss nimmt, sofern die<br />
Exekutive an den Sitzungen teilnimmt. 4<br />
Zweifel an der Unabhängigkeit des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte wurden im<br />
Anschluss an die im März 2006 erfolgte Veröffentlichung der Anklageschrift zu dem<br />
Bombenanschlag in Şemdlinli laut (s. Abschnitt "Südosten der Türkei"). In dieser<br />
4 Obwohl der Justizminister eigentlich den Vorsitz bei den Sitzungen des Hohen Rates der Richter und<br />
Staatsanwälte führt, nimmt er nur selten an diesen Sitzungen teil. In den vergangenen sechs Jahren<br />
führte der Justizminister mit folgender Häufigkeit den Vorsitz im Hohen Rat: neunmal im Jahr 2001,<br />
elfmal im Jahr 2002, achtmal im Jahr 2004, viermal im Jahr 2005 und zweimal (Stand zum 26.09.2006)<br />
im Jahr 2006.<br />
<strong>DE</strong> 10 <strong>DE</strong>
Anklageschrift wurden auch Vorwürfe gegen den Oberkommandierenden des Heeres und<br />
andere hochrangige Militärbefehlshaber erhoben. Der Generalstab kritisierte die<br />
Anklageschrift in einer Presseerklärung und forderte die gemäß der Verfassung zuständigen<br />
Instanzen auf, tätig zu werden. Im April prüfte der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte<br />
Vorwürfe, die gegen den für die Anklageschrift zuständigen Staatsanwalt erhoben worden<br />
waren, und verhängte gegen ihn die schärfste der möglichen Disziplinarmaßnahmen, d.h. die<br />
Entfernung aus dem Amt. Im November will der Hohe Rat diesen Fall abschließend prüfen.<br />
Bei der Justizreform sind insgesamt kontinuierliche Fortschritte zu verzeichnen. Allerdings<br />
wurden die neuen Rechtsvorschriften bislang nicht immer mit der erforderlichen Konsequenz<br />
von der Justiz umgesetzt und die Unabhängigkeit der Justiz muss noch mit größerem<br />
Nachdruck durchgesetzt werden.<br />
Weitere Angaben zum Justizwesen sind in Kapitel 23 – „Justiz und Grundrechte“ zu finden.<br />
Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen<br />
Was die Transparenz in der öffentlichen Verwaltung anbelangt, so räumt eine Änderung des<br />
Gesetzes über den Zugang zu Informationen den Bürgern das Recht ein, sämtliche<br />
Entscheidungen anzufechten, in denen staatliche Stellen ein Auskunftsersuchen abgelehnt<br />
haben.<br />
Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum Thema "Erdölschmuggel" bzw. zu den<br />
illegalen öffentlichen Zeichnungsangeboten haben ihre Berichte vorgelegt. In beiden<br />
Berichten wird eine Vielzahl von korrupter Praktika angeprangert. Der erste Fall, in den ein<br />
ehemaliger Finanz- und Staatsminister verwickelt war, hat gravierende wirtschaftliche und<br />
finanzielle Auswirkungen. Die Berichte enthalten Empfehlungen zu unbedingt notwendigen<br />
Maßnahmen der öffentlichen Stellen.<br />
Allerdings ist noch eine Reihe von Problemen zu bewältigen. Trotz der in den vergangenen<br />
Jahren unternommenen Anstrengungen ist die Korruption in der Türkei im öffentlichen Sektor<br />
und in der Justiz nach wie vor ein weit verbreitetes Problem. Die Türkei muss die<br />
gesetzlichen Regelungen für die Parteienfinanzierung und die diesbezüglichen<br />
Rechnungsprüfungen verbessern.<br />
Das weit gefasste Immunitätsrecht der Parlamentsabgeordneten stellt weiterhin ein<br />
erhebliches Problem im Zusammenhang mit der Korruptionsbekämpfung in der Türkei dar.<br />
Die von den Kontrollausschüssen durchgeführten Ermittlungen zu Korruptionsverdachtsfällen<br />
wurden durch die Tatsache behindert, dass Ermittlungen gegen bestimmte Kategorien von<br />
öffentlichen Bediensteten zunächst von den Vorgesetzten genehmigt werden müssen.<br />
Das derzeitige System der Korruptionsbekämpfung muss besser koordiniert werden. Hilfreich<br />
könnte in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer weitgehend unabhängigen Stelle sein,<br />
die für die Konzeption von Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen und die Überwachung ihrer<br />
Umsetzung zuständig wäre.<br />
Insgesamt wurden bei der Korruptionsbekämpfung einige begrenzte Fortschritte erzielt,<br />
insbesondere durch größere Transparenz in der öffentlichen Verwaltung. Die Korruption ist<br />
jedoch nach wie vor ein weit verbreitetes Problem und die für Korruptionsbekämpfung<br />
zuständigen Behörden und die Korruptionsbekämpfungsstrategien sind weiterhin<br />
unzulänglich.<br />
<strong>DE</strong> 11 <strong>DE</strong>
2.2. Menschenrechte und Minderheitenschutz<br />
Achtung der internationalen Menschenrechtsübereinkommen<br />
Im Zusammenhang mit der Ratifizierung von Menschenrechtsübereinkommen ist<br />
festzustellen, dass die Türkei im März 2006 das Zweite Fakultativprotokoll zum<br />
Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe<br />
ratifiziert hat. Im Februar 2006 ratifizierte sie das Protokoll Nr. 13 zur EMRK betreffend die<br />
vollständige Abschaffung der Todesstrafe. Das Protokoll Nr. 14 zur EMRK über die<br />
Änderung des Kontrollsystems der Konvention trat im Mai 2006 in Kraft. Das<br />
Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Korruption wurde in der Türkei<br />
im Juni 2006 in Kraft gesetzt.<br />
Die Türkei hat die revidierte Europäische Sozialcharta am 27. September 2006 ratifiziert, ihre<br />
Vorbehalte in Bezug auf Artikel 5 (Vereinigungsrecht) und Artikel 6 (Recht auf<br />
Kollektivverhandlungen) sowie in Bezug auf Artikel 2 Absatz 3 (Mindestjahresurlaub) und<br />
Artikel 4 Absatz 1 (Arbeitsentgelt und angemessener Lebensstandard) jedoch<br />
aufrechterhalten. Einige bisherige Vorbehalte zu bestimmten Bestimmungen der<br />
Europäischen Sozialcharta, insbesondere zum Recht der Kinder und Jugendlichen auf Schutz<br />
und zu den Rechten behinderter Menschen, hat die Türkei jedoch aufgehoben.<br />
Insgesamt muss die Türkei noch vier Zusatzprotokolle zur EMRK ratifizieren, einschließlich<br />
des Protokolls Nr. 12 über ein grundsätzliches Diskriminierungsverbot durch staatliche<br />
Behörden, das sie 2001 unterzeichnet hat. Das Erste Fakultativprotokoll zum Internationalen<br />
Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Fakultativprotokoll zum VN-<br />
Übereinkommen gegen Folter hat die Türkei zwar 2004 bzw. im September 2005<br />
unterzeichnet, aber bislang noch nicht ratifiziert. Die Ratifizierung dieser Protokolle gehört zu<br />
den Prioritäten der Beitrittspartnerschaft.<br />
In den ersten acht Monaten des Jahres 2006 hat der Europäische Gerichtshof für<br />
Menschenrechte (EGMR) 196 rechtkräftige Urteile zur Türkei gesprochen, in denen der<br />
Türkei ein Verstoß gegen mindestens einen Artikel der EMRK angelastet wird. In fünf Fällen<br />
befand der EGMR, dass die Türkei nicht gegen die EMRK verstoßen hat. Die Urteile<br />
betreffen überwiegend Klagen, die vor 1999 eingereicht wurden.<br />
Zwischen dem 1. September 2005 und dem 31. August 2006 wurden beim EGMR 2.100 neue<br />
die Türkei betreffende Beschwerden eingereicht. Mehr als zwei Drittel der beim EGMR<br />
eingereichten Beschwerden beziehen sich auf das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6) bzw.<br />
den Schutz des Eigentums (Zusatzprotokoll Nr. 1 Art. 1). 78 Fälle betreffen das Recht auf<br />
Leben (Art. 2) und 142 Fälle das Verbot der Folter (Art. 3).<br />
In Bezug auf die Lage im Südosten der Türkei stellte der EGMR im Fall Icyer gegen die<br />
Türkei 5 fest, dass das Gesetz über die Entschädigung für Verluste aus Terroranschlägen eine<br />
angemessene Wiedergutmachung gewährleistet, da außer Frage steht, dass der<br />
Beschwerdeführer mittlerweile ungehindert in sein Dorf zurückkehren könnte (s. Abschnitt<br />
"Südosten der Türkei"). Im Anschluss an diese Entscheidung erklärte der Gerichtshof rund<br />
1.500 Beschwerden, die sich auf die Möglichkeit der Rückkehr in die Dörfer bezogen, für<br />
unzulässig.<br />
5 Fall Icyer gegen die Türkei (Beschwerde Nr. 18888/02).<br />
<strong>DE</strong> 12 <strong>DE</strong>
Die von der Türkei in den Jahren 2004 und 2005 ergriffenen Reformmaßnahmen hatten<br />
positive Auswirkungen auf die Vollstreckung von Urteilen des EGMR. Die Türkei<br />
betreffende Fälle machen jedoch immer noch 14,4% aller Fälle aus, die beim Ministerkomitee<br />
aufgrund der Überwachung der Umsetzung von Urteilen des EGMR anhängig sind.<br />
Die türkischen Rechtsvorschriften enthalten Beschränkungen, die es unter bestimmten<br />
Umständen unmöglich machen, ein in der Türkei durchgeführtes Gerichtsverfahren wieder<br />
aufzunehmen, obwohl der EGMR eine Rechtsverletzung festgestellt hat. 6 Dies verhindert die<br />
Durchführung des EGMR-Urteils im Fall Hulki Güneş 7 sowie in weiteren 113 Fällen, die die<br />
Fairness des Verfahrens vor den inzwischen abgeschafften Staatssicherheitsgerichten<br />
betreffen.<br />
Im Fall Öcalan hat der Gerichtshof die Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens weitgehend<br />
in das Ermessen der türkischen Behörden gestellt, allerdings unter der Kontrolle des<br />
Ministerkomitees, das die Umsetzung der Urteile des EGMR überwacht. Im Juli lehnte ein<br />
Istanbuler Gericht die Neuverhandlung des Falls Öcalan ab. Bei einer seiner nächsten<br />
Sitzungen wird das Ministerkomitee die Begründung des abschlägigen Bescheids des<br />
Istanbuler Gerichts prüfen.<br />
Einige weitere vor dem Ministerkomitee anhängige Fälle, in denen noch die nötigen<br />
Umsetzungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, betreffen die Kontrolle von Maßnahmen<br />
der Sicherheitskräfte sowie die Frage effektiver Beschwerdemöglichkeiten bei<br />
Rechtsverletzungen (93 anhängige Fälle). Diese Fälle beziehen sich hauptsächlich auf<br />
Menschenrechtsverletzungen, die vor dem Hintergrund der Bekämpfung des Terrorismus in<br />
der ersten Hälfe der neunziger Jahre begangenen wurden, davon auch einige im Rahmen der<br />
normalen Polizeitätigkeit. Seit Verkündung der Urteile wurde eine Reihe positiv zu wertender<br />
Reformen der Rechtsvorschriften verabschiedet. Das Ministerkomitee überwacht weiterhin<br />
genau, inwieweit diese umgesetzt werden.<br />
Außerdem sind vor dem Ministerkomitee im Rahmen der Überwachung der Umsetzung von<br />
Urteilen des EGMR 115 Fälle im Bereich der Meinungsfreiheit anhängig. Die meisten Fälle<br />
stehen mit Artikeln des alten türkischen Strafgesetzbuchs vor seiner Änderung im Jahr 2004<br />
in Zusammenhang. Einige Fälle berühren Bestimmungen des Antiterrorgesetzes. Bei der<br />
Beurteilung der Umsetzung der Urteile wird das Ministerkomitee jedoch die Rechtssprechung<br />
der türkischen Gerichte und die Strafverfolgungspraxis berücksichtigen (s. Abschnitt<br />
"Meinungsfreiheit").<br />
Was Zypern anbelangt, so hat das Ministerkomitee beschlossen, die Maßnahmen zu prüfen,<br />
die in den Bereichen Bildung und Religionsfreiheit ergriffen wurden, um diese Fragen bei<br />
seiner Sitzung im Dezember 2006 abschließend zu behandeln. Der Ausschuss für Vermisste<br />
hat seine Tätigkeit im Jahr 2004 wieder aufgenommen. Das Ministerkomitee vertritt jedoch<br />
die Auffassung, dass zusätzliche Maßnahmen zur Klärung des Schicksals der Vermissten<br />
ergriffen werden sollten. 8<br />
6 Die Strafprozessordnung sieht die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens nur bei EGMR-<br />
Urteilen vor, die vor dem 4. Februar 2003 rechtskräftig wurden sowie bei Urteilen, die nach dem 4.<br />
Februar 2003 beim Gerichtshof eingereichte Beschwerden betreffen.<br />
7 Fall Hulki Günes gegen die Türkei (Beschwerde Nr. 28490/95).<br />
8 Interimsresolution DH (2005)44 zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom<br />
10. Mai 2001 im Fall Zypern gegen die Türkei.<br />
<strong>DE</strong> 13 <strong>DE</strong>
Was die Eigentumsrechte 9 anbelangt, so hat der EGMR im Fall Xenides-Arestis gegen die<br />
Türkei entschieden, dass Abhilfe zu schaffen ist und angemessene Entschädigungen für die<br />
Verstöße in diesem Fall sowie in allen anderen vergleichbaren Fällen, die noch vor Gericht<br />
anhängig sind, zu leisten sind. Der EGMR hat bislang noch keine Entscheidung darüber<br />
gefällt, ob in der Zwischenzeit angemessene Entschädigung geleistet wurde.<br />
Was die Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte betrifft, so haben die<br />
Menschenrechtspräsidentschaft und die 931 Menschenrechtsbüros auf Bezirksebene weitere<br />
Schulungsmaßnahmen zu Menschenrechtsfragen und zur Bearbeitung von Beschwerden über<br />
mutmaßliche Menschenrechtsverletzung durchgeführt. Zwischen Januar und Juni 2006 sind<br />
778 Beschwerden eingegangen. Der Großteil der Beschwerden betraf Verstöße gegen<br />
Gesundheits- und Patientenrechte, gegen das Recht auf Eigentum und Rechte im Bereich der<br />
sozialen Sicherheit sowie gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung.<br />
Allerdings ist die Unabhängigkeit der Menschenrechtspräsidentschaft von der Regierung nicht<br />
hinreichend gewährleistet; zudem ist sie personell unterbesetzt und ihre finanziellen Mittel<br />
sind begrenzt. Außerdem wurde seit dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden im September<br />
2005 kein neuer Vorsitzender ernannt. Der beratende Ausschuss für Menschenrechte, der dem<br />
Amt des Premierministers untersteht, ist seit der Veröffentlichung eines Berichts über<br />
Minderheitenrechte in der Türkei im Oktober 2004 nicht mehr tätig geworden. Dieses<br />
Gremium setzt sich aus Vertretern der NRO, Sachverständigen und Mitarbeitern der<br />
Ministerien zusammen.<br />
Der Menschenrechtsausschuss des Parlaments spielte als Anlaufstelle für die Erfassung von<br />
Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen und bei Untersuchungsmissionen in den<br />
türkischen Regionen weiterhin eine aktive Rolle. Zwischen Oktober 2005 und Juni 2006<br />
gingen bei diesem Ausschuss 846 Beschwerden ein. Er hat in mehreren Fällen von<br />
Menschenrechtsverletzungen ermittelt und seit Januar 2006 drei Berichte vorgelegt. Der<br />
Ausschuss hat keine legislative Funktion und wird daher bei Rechtsvorschriften, die<br />
Menschenrechtsfragen berühren, nicht konsultiert.<br />
Ingesamt hat die Türkei bei der Ratifizierung von internationalen<br />
Menschenrechtsübereinkommen und bei der Umsetzung von EGMR-Urteilen Fortschritte<br />
gemacht. Allerdings müssen die institutionellen Rahmenbedingungen im<br />
Menschenrechtsbereich weiter modernisiert werden.<br />
Bürgerliche und politische Rechte<br />
Was das Vorgehen gegen Folter und Misshandlung anbelangt, so ist bereits ein umfassender<br />
Rechtsrahmen vorhanden. Die Fälle von Folter und Misshandlung sind weiter rückläufig.<br />
Die die Inhaftierungsverfahren und die Dauer der Inhaftierung betreffenden<br />
Reformmaßnahmen haben zu konkreten positiven Ergebnissen geführt. Die Verordnung über<br />
die ärztliche Untersuchung von Personen, die sich in Gewahrsam der Polizei oder der<br />
Gendarmerie befinden, entspricht den Empfehlungen des Ausschusses zur Verhütung von<br />
Folter.<br />
9 Fall Zypern gegen die Türkei, (Beschwerde Nr. 25781/94), Fall Loizidou gegen die Türkei (Beschwerde<br />
Nr. 15318/89), Fall Xenides-Arestis gegen die Türkei (Beschwerde Nr. 46347/99).<br />
<strong>DE</strong> 14 <strong>DE</strong>
Die Umsetzung der in den vergangenen Jahren beschlossenen Rechtsreformen stellt jedoch<br />
nach wie vor eine Herausforderung dar. Immer noch werden Fälle von Folter und<br />
Misshandlung - vor allem außerhalb regulärer Haft - gemeldet.<br />
Die Bestimmungen der Strafprozessordnung und des Gesetzes über die Vollstreckung von<br />
Urteilen, die die Benachrichtigung der Angehörigen des Inhaftierten und den Anspruch auf<br />
einen Anwalt gewährleisten, werden nicht überall einheitlich angewandt. Außerdem sieht die<br />
Strafprozessordnung zwar vor, dass unter Folter zustande gekommene Aussagen nicht<br />
verwendet werden dürften, doch der Umgang mit den vor ihrem Inkrafttreten gewonnenen<br />
Aussagen gibt Anlass zur Sorge (s. auch Zugang zur Justiz).<br />
Bedenken bestehen auch weiterhin bezüglich der Vertraulichkeit und der Qualität der<br />
ärztlichen Untersuchungen. Die Unabhängigkeit des Gerichtsmedizinischen Instituts muss<br />
weiter gestärkt werden und es bedarf weiterer Anstrengungen, um das Istanbuler Protokoll 10<br />
landesweit umzusetzen. Die Menschenrechtsbüros müssen stärker an der Vor-Ort-<br />
Überwachung der Verhältnisse in den Strafvollzugsanstalten beteiligt werden. Seit Oktober<br />
2005 nahmen die Büros 992 Kontrollbesuche in Polizeistationen und Haftanstalten vor.<br />
Besonderen Anlass zur Sorge gibt die Menschenrechtslage im Südosten des Landes, nachdem<br />
es dort im März und April in mehreren Städten zu schweren Unruhen gekommen war (s.<br />
Abschnitt über den Südosten der Türkei). Diese führten zur Verhaftung von mehr als 550<br />
Personen, darunter mehr als 200 Kinder. Die Anwaltskammer Diyarbakir reichte bei den<br />
Behörden mehr als 70 Beschwerden wegen Misshandlung ein. In 39 Fällen wurden daraufhin<br />
Ermittlungen aufgenommen.<br />
Während der Unruhen in Diyarbakir wurden Inhaftierte in Haftanstalten<br />
gerichtsmedizinischen Untersuchungen unterzogen. Damit wurde gegen die Anordnungen und<br />
Rundschreiben des Justizministeriums und des Gesundheitsministeriums sowie gegen den<br />
Grundsatz der Unabhängigkeit der Ärzteschaft verstoßen.<br />
Die im Zuge der Novellierung des Antiterrorgesetzes eingeführten neuen Bestimmungen<br />
könnten die Bemühungen um die Bekämpfung von Folter und Misshandlung untergraben (s.<br />
Abschnitt "Parlament")<br />
Obwohl die Zahl der einschlägigen Verurteilungen seit 2003 gestiegen ist, stellt die<br />
Straffreiheit weiterhin ein Problem dar.<br />
Insgesamt gesehen bietet die türkische Gesetzgebung umfassende Garantien gegen die<br />
Anwendung von Folter und Misshandlung. Im Berichtszeitraum ist die Zahl der Fälle von<br />
Folter und Misshandlung zurückgegangen. Anlass zur Sorge geben jedoch weiterhin die Fälle<br />
von Folter und Misshandlung außerhalb regulärer Haft, die Menschenrechtsverletzungen im<br />
Südosten und das Problem der Straffreiheit.<br />
Was den Zugang zur Justiz und das Recht auf Verteidigung anbelangt, so haben Verhaftete<br />
Anspruch auf einen Rechtsbeistand und gemäß der neuen Strafprozessordnung dürfen<br />
Aussagen, die in Abwesenheit eines Anwalts gemacht wurden, vor Gericht nicht als<br />
10 Istanbul Protocol: Manual on the effective Investigation and Documentation of Torture and Other<br />
Cruel, Inhuman or Degrading Treatment of Punishment ("Istanbuler Protokoll. Handbuch über die<br />
wirksame Untersuchung und Dokumentierung von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder<br />
erniedrigender Behandlung oder Strafe“), vorgelegt vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für<br />
Menschenrechte am 9. August 1999.<br />
<strong>DE</strong> 15 <strong>DE</strong>
Beweismittel verwendet werden. Anlass zur Sorge gibt jedoch die Nichtüberprüfung von<br />
Aussagen, die vor Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung gemacht wurden (s. Abschnitt<br />
"Folter und Misshandlung").<br />
Was die Prozesskostenhilfe anbelangt, so ist die Zahl der in diesem Rahmen als<br />
Rechtsbeistand registrierten Anwälte seit Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung<br />
erheblich gestiegen. Was die Haftanstalten anbetrifft, so hat die Türkei<br />
Durchführungsverordnungen zu den 2004 für diesen Bereich beschlossenen Rechtsreformen<br />
verabschiedet. Die materielle Ausstattung der Haftanstalten hat sich weiter verbessert; auch<br />
die Ausbildungsmaßnahmen wurden verstärkt.<br />
Zu den noch ungelösten Problemen in den Haftanstalten gehören der Mangel an<br />
Gemeinschaftsaktivitäten, die begrenzte Interaktion zwischen Gefängnispersonal und<br />
Inhaftierten, die unzureichende Gesundheitsversorgung, einschließlich im psychiatrischen<br />
Bereich, sowie die Überbelegung der Zellen.<br />
Es liegen auch Berichte über Fälle von Misshandlung durch das Gefängnispersonal vor. Da<br />
die Türkei das Fakultativprotokoll zum VN-Übereinkommen gegen Folter noch nicht<br />
ratifiziert hat, sind die zivilen und militärischen Haftanstalten noch nicht für unabhängige<br />
Beobachter zugänglich.<br />
Die Einzelhaft für Häftlinge, die zu einer erschwerten lebenslänglichen Haft verurteilt worden<br />
sind, wird zu extensiv angewandt. Derartige Haftbedingungen dürfen nur über einen<br />
möglichst kurzen Zeitraum hinweg angeordnet werden, wobei eine individuelle<br />
Risikobewertung in Bezug auf den jeweiligen Gefangenen vorzunehmen ist.<br />
Im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit (einschließlich der Medienfreiheit)<br />
veröffentlichte das Justizministerium im Januar 2006 ein Rundschreiben zur Meinungsfreiheit<br />
in Printmedien und visuellen Medien. Darin wurden die Staatsanwaltschaften angewiesen,<br />
sowohl die türkischen Rechtsvorschriften als auch die EGMR-Rechtssprechung zu beachten.<br />
In dem Rundschreiben wurde auch ein monatliches Monitoring der gegen Presse und Medien<br />
laufenden strafrechtlichen Ermittlungen und Gerichtsverfahren eingeführt.<br />
Im Bereich der Rundfunksendungen in anderen Sprachen als Türkisch sind auf lokaler und<br />
regionaler Ebene einige Fortschritte zu verzeichnen (s. Abschnitt "kulturelle Rechte" sowie<br />
Kapitel 10).<br />
Anlass zu ernster Besorgnis geben jedoch die auf bestimmten Vorschriften des neuen<br />
Strafgesetzbuches basierenden Strafverfahren und Verurteilungen im Falle friedlicher<br />
Meinungsäußerungen, die zudem ein Klima der Selbstzensur schaffen könnten. Dies gilt<br />
insbesondere für Artikel 301, der die Beleidigung des Türkentums, der türkischen Republik<br />
sowie ihrer Organe und Institutionen unter Strafe stellt. Obwohl der Artikel die<br />
Einschränkung enthält, dass Meinungsäußerungen, die lediglich Kritik beinhalten, keinen<br />
Straftatbestand darstellen, wurde er wiederholt herangezogen, um Journalisten, Schriftsteller,<br />
Verleger, Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivisten für friedliche Meinungsäußerungen<br />
strafrechtlich zu belangen.<br />
Im Juli legte das Plenum der Zivil- und Strafrechtskammern des Kassationshofs Artikel 301<br />
restriktiv aus. Der Kassationshof bestätigte eine zunächst ausgesetzte sechsmonatige<br />
Gefängnisstrafe gegen Hrant Dink, der auf der Grundlage von Artikel 301 des türkischen<br />
Strafgesetzbuches verurteilt worden war, da er in einer Reihe von Artikel über die armenische<br />
Identität das "Türkentum" öffentlich herabgesetzt habe.<br />
<strong>DE</strong> 16 <strong>DE</strong>
Dies verdeutlicht, dass Artikel 301 mit den einschlägigen europäischen Standards in Einklang<br />
gebracht werden muss. Das Gleiche gilt auch für andere Bestimmungen des<br />
Strafgesetzbuches, die ebenfalls zur strafrechtlichen Verfolgung im Falle friedlicher<br />
Meinungsäußerungen herangezogen wurden und daher die Meinungsfreiheit einschränken<br />
könnten. Anlass zur Sorge im Bereich der Meinungsfreiheit bieten auch die möglichen<br />
diesbezüglichen Folgen des Antiterrorgesetzes (s. Abschnitt "Parlament").<br />
Die jüngsten Beschlüsse der Regierung zu den Verfahren für die Ernennung der Mitglieder<br />
des Hohen Rundfunk- und Fernsehrats (RTÜK) geben insofern Anlass zur Besorgnis als sie<br />
die Unabhängigkeit der Medienaufsichtsbehörde schwächen könnten.<br />
Insgesamt ist festzustellen, dass in der türkischen Gesellschaft der offene Meinungsaustausch<br />
zu einem breiten Spektrum von Themen zugenommen hat. Trotz dieser Entwicklung<br />
gewährleistet der geltende Rechtsrahmen noch keinen Schutz der Meinungsfreiheit nach<br />
europäischen Standards.<br />
Im Bereich der Versammlungsfreiheit ist festzustellen, dass öffentliche Demonstrationen<br />
weniger Beschränkungen unterliegen als früher. Es gab jedoch Fälle von übermäßiger<br />
Gewaltanwendung seitens der Polizei, insbesondere bei unangemeldeten Demonstrationen.<br />
Die Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen, die sich bei einer<br />
Demonstration von Frauenrechtlerinnen im März 2005 ereignet haben, wurden abgeschlossen.<br />
Drei Angehörige der Istanbuler Direktion für Sicherheit erhielten einen Verweis, weil sie<br />
"ihren Pflichten zur Ausbildung und Überwachung der unter ihrer Befehlsgewalt stehenden<br />
Mitarbeiter nicht nachgekommen sind". Weitere sechs Mitarbeiter wurden mit einer<br />
Gehaltskürzung bestraft, da sie sich der "übermäßigen Gewaltanwendung bei Auflösung einer<br />
Demonstration sowie verbal oder physisch einer herabsetzenden Behandlung von Bürgern"<br />
schuldig gemacht haben. Die von der Generalstaatsanwaltschaft Istanbul gegen sieben<br />
Polizeioffiziere eingeleiteten Ermittlungen laufen noch.<br />
Was die Vereinigungsfreiheit anbelangt, so steht der Rechtsrahmen im Großen und Ganzen<br />
mit den internationalen Standards in Einklang. Die praktischen Auswirkungen der Reformen<br />
des Vereinsrechts sind als positiv zu werten, insbesondere seit Verabschiedung des<br />
Vereinsgesetzes im November 2004<br />
Die Verpflichtung, den Behörden Einnahmen aus dem Ausland zu melden, ist jedoch mit<br />
schwerfälligen Verfahren verbunden und bringt Komplikationen für die NRO mit sich.<br />
Zudem benötigen Stiftungen - anders als Vereine - weiterhin eine Genehmigung, wenn sie an<br />
Projekten außerhalb der Türkei teilnehmen wollen, die von internationalen Organisationen<br />
finanziert werden.<br />
Auch die Eintragung von Vereinigungen bereitet weiterhin einige Schwierigkeiten. Der<br />
Antrag der protestantischen Kirche in Diyarbakir und der Antrag der Zeugen Jehovas auf<br />
Gründung einer Vereinigung wurden vor Gericht angefochten. In beiden Fällen entschied das<br />
Gericht zugunsten dieser Vereinigungen. Im April 2006 ordnete ein Gericht in Diyarbakir die<br />
Auflösung einer kurdischen Vereinigung an, mit der Begründung, dass laut Statut zu ihren<br />
Zielen der Aufbau eines Archivs, eines Museums und einer Bibliothek über die Kurden und<br />
die Durchführung von Aktivitäten auch in kurdischer Sprache gehörten. Homosexuellen- und<br />
Lesbenorganisationen sind mit weniger Schwierigkeiten als in der Vergangenheit<br />
konfrontiert. Allerdings werden gelegentlich immer noch Gerichtsverfahren gegen sie<br />
angestrengt.<br />
<strong>DE</strong> 17 <strong>DE</strong>
Was die politischen Parteien anbelangt, so laufen gegen mehrere Parteien noch<br />
Gerichtsverfahren, so u.a. gegen <strong>DE</strong>HAP und HAPKAR. Bei der Angleichung des türkischen<br />
Parteiengesetzes an die EU-Praxis wurden noch keine Fortschritte erzielt. Parteien dürfen<br />
keine andere Sprache als Türkisch verwenden. Das Parteiengesetz muss dahingehend geändert<br />
werden, dass sich politische Parteien entsprechend den Normen der EMRK und der<br />
Rechtsprechung des EGMR betätigen können.<br />
Was die Organisationen der Zivilgesellschaft anbetrifft, so führte das in jüngster Zeit<br />
vorherrschende Reformklima zu positiven Entwicklungen. Insbesondere seit der Annahme<br />
des neuen Vereinsgesetzes melden sich die Organisationen der Zivilgesellschaft verstärkt zu<br />
Wort und haben ihre Strukturen gestärkt. Es gibt ein immer breiteres Spektrum solcher<br />
Organisationen in der Türkei, zu denen ungefähr 80.000 eingetragene Vereine gehören sowie<br />
mehrere hundert Gewerkschaften und Kammern (einschließlich Berufs- und Fachverbänden).<br />
Zur Religionsfreiheit ist anzumerken, dass die freie Religionsausübung in der Regel nicht<br />
behindert wird.<br />
Im April traf eine Delegation von Vertretern des Innen-, des Bildungs- und des<br />
Außenministeriums, des Generalsekretariat für EU-Angelegenheiten (EUSG) und der Provinz<br />
Istanbul mit den führenden Vertretern der nicht-muslimischen Glaubensgemeinschaften in<br />
Istanbul zusammen, um deren Probleme und etwaige Lösungsmöglichkeiten zu erörtern.<br />
Obwohl die Angabe der Religionszugehörigkeit in personenbezogenen Papieren, wie dem<br />
Personalausweis, seit April 2006 nicht mehr verbindlich vorgeschrieben ist, sind solche<br />
Informationen noch immer in diesen Dokumenten vermerkt, was weiterhin der<br />
Diskriminierung Vorschub leistet. Dieser Bereich gibt Anlass zur Besorgnis.<br />
Darüber hinaus bestehen noch eine Reihe weiterer Probleme. So können nicht-muslimische<br />
Glaubensgemeinschaften immer noch keine Rechtspersönlichkeit erwerben und ihre<br />
Eigentumsrechte sind nach wie vor eingeschränkt. Sie hatten sowohl bei der Verwaltung ihrer<br />
Stiftungen und als auch bei der gerichtlichen Durchsetzung von Eigentumsansprüchen mit<br />
Probleme zu kämpfen. Das Urteil des Staatsrates vom Juni 2005, mit dem die Möglichkeiten<br />
der Generaldirektion für das Stiftungswesen, die Leitung einer Stiftung zu übernehmen,<br />
beträchtlich beschnitten wurden, ist im Berichtszeitraum nicht umgesetzt worden. Auch im<br />
Fall des griechisch-orthodoxen Waisenhauses auf der Insel Büyükada, das der Leitung der<br />
Generaldirektion für das Stiftungswesen unterstellt wurde, sind keine Fortschritte zu<br />
verzeichnen.<br />
Welche Auswirkungen das neue Stiftungsgesetz in dieser Hinsicht hat, kann erst nach seiner<br />
Verabschiedung beurteilt werden.<br />
Die Ausbildung von Geistlichen und die Tätigkeit nicht-türkischer Geistlicher unterliegen in<br />
der Türkei weiterhin Beschränkungen. Theologische Studien nicht-muslimischer<br />
Glaubensgemeinschaften an privaten Hochschulen sind in den türkischen Rechtsvorschriften<br />
nicht vorgesehen. Das griechisch-orthodoxe Seminar von Halki (Heybeliada) bleibt<br />
geschlossen und die öffentliche Verwendung des kirchlichen Titels „Ökumenischer Patriarch“<br />
ist nach wie vor verboten.<br />
Noch immer gibt es Anfeindungen gegen Missionstätigkeiten in Predigten und<br />
Veröffentlichungen des Amtes für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) und lokaler religiöser<br />
Instanzen. Zudem wurden auch Angriffe auf Geistliche und Gebetsstätten nicht-muslimischer<br />
Glaubensgemeinschaften gemeldet. Im Fall der Ermordung des katholischen Priesters Andrea<br />
<strong>DE</strong> 18 <strong>DE</strong>
Santoro, der im Februar 2006 in einer Kirche in der Provinz Trabzon am Schwarzen Meer<br />
getötet wurde, ist gegen den Täter ein äußerst hartes Urteil verhängt worden. Es kam auch zu<br />
einigen Übergriffe auf Assyrer.<br />
Die Lage der Aleviten hat sich nicht gebessert. und sie stoßen bei der Einrichtung ihrer<br />
Gebetshäuser (Cemhäuser) nach wie vor auf Schwierigkeiten . Die Cemhäuser sind nicht als<br />
Gebetsstätten anerkannt und erhalten keine finanzielle Unterstützung vom Staat.<br />
Kinder von Aleviten sind verpflichtet in der Schule am Religionsunterricht teilnehmen, der<br />
ihre Glaubensrichtung nicht berücksichtigt. Derzeit ist eine Klage gegen diesen<br />
obligatorischen Religionsunterricht vor dem EGMR anhängig Vom nächsten Jahr an soll der<br />
Alevitismus in die Lehrpläne für die Sekundarstufe einbezogen werden.<br />
Insgesamt ist festzustellen, dass die freie Religionsausübung in der Regel auch weiterhin<br />
gewährleistet ist. Die Schwierigkeiten, mit denen nicht-muslimische Glaubensgemeinschaften<br />
in der Türkei konfrontiert sind, bestehen jedoch unverändert fort. Insbesondere die Aleviten<br />
werden weiterhin durch diskriminierende Praktiken benachteiligt.<br />
Wirtschaftliche und soziale Rechte<br />
Was die Rechte der Frau anbetrifft, so wurde der Bericht des parlamentarischen Ad-hoc-<br />
Ausschusses zur Verhütung von Ehrenmorden und zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen<br />
und Kinder vorgelegt. Dieser Bericht umfasst praktische Empfehlungen, über die in den<br />
Medien ausführlich berichtet wurde. Daraufhin gab das Amt des Ministerpräsidenten im März<br />
2005 ein Rundschreiben heraus, in dem die Bekämpfung der Gewalt als prioritäre Aufgabe<br />
herausgestellt wurde und die erforderlichen Maßnahmen sowie die hierfür zuständigen<br />
staatlichen Stellen aufgeführt waren. Die Gesamtkoordinierung der Maßnahmen wurde der<br />
Generaldirektion für den Status der Frauen übertragen.<br />
Außerdem ist die zweite Phase der Kampagne gegen häusliche Gewalt angelaufen, die im<br />
Oktober 2004 von der Tageszeitung Hürriyet in Zusammenarbeit mit Stiftung für moderne<br />
Erziehung und dem Amt des Gouverneurs von Istanbul ins Leben gerufen wurde. Die meisten<br />
Tageszeitungen und Fernsehsender unterstützten auch die Kampagne für die Verbesserung<br />
der Ausbildung von Mädchen.<br />
Der Rechtsrahmen in diesem Bereich ist insgesamt zufrieden stellend, allerdings ist die<br />
Umsetzung nach wie vor problematisch. Das Gesetz über den Schutz der Familie wird nur<br />
zum Teil umgesetzt. Obwohl Ehrenmorde gemäß den neuen strafrechtlichen Bestimmungen<br />
als Mord in besonders schwerem Fall gelten, sind die Gerichtsurteile in solchen Fällen nicht<br />
einheitlich. Während in einige Fällen die Höchststrafe (lebenslängliche Haft) verhängt wurde,<br />
erhielten andere, insbesondere minderjährige Täter, wesentlich mildere Strafen.<br />
Vor allem im Osten und Südosten des Landes ereignen sich weiterhin Verbrechen im Namen<br />
der Ehre oder werden Frauen von der Familie in den Selbstmord getrieben. Allerdings stehen<br />
immer noch keine verlässlichen Statistiken zu diesen Vorkommnissen und zur häuslichen<br />
Gewalt im Allgemeinen zur Verfügung. Aus den vorläufigen Ergebnissen der Untersuchung<br />
des UN-Sonderberichterstatters zur Gewalt gegen Frauen geht hervor, dass die Gründe für<br />
diese Suizide frühe und erzwungene Heiraten, häusliche Gewalt und die Verweigerung des<br />
Rechts auf Geburtenkontrolle sind. Den Hintergrund für diese Selbstmorde bilden Armut,<br />
Abwanderung in die Stadt, Vertreibung und Binnenmigration und die damit verbundenen<br />
Konsequenzen für die sozioökonomische Lage der Frauen. Selbstmorde von Frauen werden<br />
vor allem im Südosten der Türkei nicht immer sorgfältig untersucht.<br />
<strong>DE</strong> 19 <strong>DE</strong>
In bestimmten Gebieten der Südosttürkei werden nach wie vor nicht alle Mädchen bei der<br />
Geburt registriert. Dadurch wird ein wirksames Vorgehen gegen Zwangsheiraten und<br />
Ehrenmorde erschwert, weil die Identität dieser Mädchen und Frauen nicht zurückverfolgt<br />
werden kann.<br />
Es besteht noch erheblicher Bedarf an Frauenhäusern, die Opfern häuslicher Gewalt Schutz<br />
bieten 11 . Das im Juli 2004 vom Parlament verabschiedete Gesetz über die<br />
Gemeindeverwaltungen, demzufolge alle Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern ein<br />
Frauenhaus einrichten müssen, ist bislang noch nicht vollständig umgesetzt worden.<br />
Frauen sind weiterhin Benachteiligungen ausgesetzt, was hauptsächlich auf ihre mangelnde<br />
Bildung und die hohe Analphabetenrate unter der weiblichen Bevölkerung zurückzuführen ist.<br />
Nach der vom Bildungsministerium und UNICEF durchgeführte Aufklärungskampagne zur<br />
Förderung der Bildung wurden 2005 62.000 Mädchen eingeschult, die sonst keine Schule<br />
besucht hätten. 2006 wurde diese Kampagne auf alle 81 Provinzen ausgedehnt. Auch<br />
Kampagnen von Privatunternehmen zur Steigerung der Schulbesuchsquote und zur<br />
Modernisierung der Schulen wurden fortgesetzt.<br />
Im Parlament und in den Gebietskörperschaften sind Frauen nach wie vor kaum vertreten und<br />
auch auf dem Arbeitsmarkt werden sie weiterhin benachteiligt. Der Anteil der Frauen an den<br />
Erwerbstätigen gehört zu den niedrigsten der OECD-Länder (siehe Kapitel 19 Beschäftigung<br />
und Soziales).<br />
Was die Verwaltungskapazität anbetrifft, so ist die Generaldirektion für den Status der Frauen<br />
noch immer personell unterbesetzt. Der beratende Ausschusses für den Status der Frauen ist<br />
während des Berichtszeitraums nicht einberufen worden.<br />
Insgesamt finden die Rechte der Frau in der türkischen Öffentlichkeit zunehmend Beachtung.<br />
Allerdings erweist sich der vollständige Schutz der Rechte der Frau vor allem in den ärmsten<br />
Gegenden des Landes weiterhin als äußerst problematisch. Der Rechtsrahmen in diesem<br />
Bereich ist zwar insgesamt zufrieden stellend, wird jedoch immer noch nicht ordnungsgemäß<br />
umgesetzt.<br />
Was die Rechte des Kindes betrifft, so wird das Recht auf Bildung, insbesondere bei<br />
Mädchen, in einigen Regionen nach wie vor nicht geachtet. Über das unlängst aufgelegte<br />
Programm für an Bedingungen geknüpfte Bargeldzuschüsse, das vom Sozialhilfe und<br />
Solidaritätsfonds umgesetzt wird, erhalten Familien gezielt Bargeldzuschüsse als Anreiz und<br />
Kompensation, wenn sie ihre schulpflichtigen Kinder zur Schule schicken. Die Kampagnen<br />
zur Förderung des Schulbesuchs müssen fortgesetzt und intensiviert werden, um vor allem in<br />
den ländlichen Gebieten des Südostens für eine höher Schulbesuchsquote zu sorgen.<br />
Die Lage der Straßenkinder, die Kinderarmut und die Kinderarbeit werfen weiterhin<br />
erhebliche Problem auf. Nach dem türkischen Arbeitsrecht ist die Beschäftigung von Kindern<br />
unter 15 Jahren verboten. Allerdings kommt es immer wieder zu Verstößen gegen diese<br />
Bestimmung.<br />
11 Offiziellen Quellen zufolge existieren derzeit 17 Frauenhäuser, die von der Kinderschutzstelle der<br />
staatlichen Fürsorge eingerichtet wurden, und sogar 30, wenn die von anderen Stellen eingerichteten<br />
Häuser mit berücksichtigt werden. Allerdings handelt es sich nur um vorläufige Zahlen.<br />
<strong>DE</strong> 20 <strong>DE</strong>
Das Jugendschutzgesetz vom Juli 2005 bietet einen Rechtsrahmen für den Schutz der Rechte<br />
und das Wohl von Kindern mit besonderen Problemen und von Minderjährigen, gegen die<br />
Ermittlungen laufen oder die wegen Straftaten verurteilt wurden. Die Umsetzung dieses<br />
Gesetzes im Einklang mit den einschlägigen IAO-Übereinkommen muss stärker<br />
vorangetrieben werden.<br />
Die Ende 2005 aufgedeckte Misshandlung von Kindern in einem Waisenhaus der<br />
Kinderschutzstelle des staatlichen Fürsorgeamtes in Malayta ist ein deutlicher Beweis für die<br />
Unzulänglichkeiten des Kinderschutzes in der Türkei.<br />
Was die Rechte der Menschen mit Behinderung betrifft, so wurden mehrere<br />
Durchführungsvorschriften zu dem 2005 in Kraft getretenen Gesetz über Menschen mit<br />
Behinderungen erlassen. Sie betreffen Bereiche wie Arbeitsplätze und Bildungsmaßnahmen<br />
für Behinderte. Weiterer Handlungsbedarf besteht beim Aufbau dezentraler Strukturen und<br />
Dienste für Behinderte und bei der Verbesserung des Zugangs zur Bildung für Kinder mit<br />
Behinderungen.<br />
Bei den Diensten für Menschen mit geistigen Behinderungen gibt es gravierende<br />
Qualitätsunterschiede. So ist vor allem in ländlichen Gebieten ihre Betreuung völlig<br />
unzureichend. Immerhin verzichtet die größte psychiatrische Klinik der Türkei mittlerweile<br />
auf die Anwendung der unmodifizierten Elektrokrampftherapie (EKT). Dieses Verfahren<br />
muss allerdings noch landesweit verboten und es müssen schriftliche Leitlinien für die<br />
Anwendung der modifizierten EKT im Rahmen eines individuell abgestimmten<br />
Behandlungsplans festgelegt werden. Die gemeinsam mit der Weltbank durchgeführten<br />
Vorarbeiten für eine Strategie in diesem Bereich müssen intensiviert werden, vor allem im<br />
Hinblick auf die Ausarbeitung eines Gesetzes für Menschen mit geistiger Behinderung. Die<br />
Rehabilitationszentren verfügen im Allgemeinen weder über die erforderliche Infrastruktur<br />
noch über eine angemessene finanzielle Ausstattung und entsprechend qualifiziertes Personal.<br />
Menschen mit Behinderungen, die von ihren Familien betreut werden, erhalten meist nur eine<br />
geringe finanzielle Unterstützung vom Staat.<br />
Bei den Rechten der Gewerkschaften sind keine Fortschritte zu verzeichnen.<br />
Die Regierung unterbreitete den Sozialpartnern zwei Vorschläge zur Änderung der beiden<br />
geltenden Gesetze in diesem Bereich. Hier sind jedoch keine weiteren Fortschritte zu<br />
verzeichnen und die Regierung hat offiziell keine Gesetzesvorlage eingebracht.<br />
Daher bestehen auch weiterhin erhebliche Mängel in Bezug auf das Vereinigungsrecht und<br />
das Recht auf Kollektivverhandlungen einschließlich des Streikrechts. Nach wie vor gelten<br />
restriktive unternehmens- und branchenspezifische Schwellenwerte für den Abschluss von<br />
Kollektivvereinbarungen und besonders langwierige Verfahren für den Gewerkschaftsbeitritt.<br />
Mit spezifischen Problemen bei der Inanspruchnahme des Vereinigungsrechtes und des<br />
Rechtes auf Kollektivverhandlungen sind vor allem Journalisten konfrontiert.<br />
Die Türkei erfüllt immer noch nicht die IAO-Normen; dies gilt insbesondere für die<br />
Übereinkommen Nr. 87 (Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes) und Nr.<br />
98 (Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes auf<br />
Kollektivverhandlungen). Die Türkei hat die überarbeitete Europäische Sozialcharta im<br />
September 2006 ratifiziert, aber ihre Vorbehalte in Bezug auf Artikel 5 (Vereinigungsrecht)<br />
und Artikel 6 (Recht auf Kollektivverhandlungen) aufrechterhalten (siehe Kapitel 19 -<br />
Beschäftigung und Soziales).<br />
<strong>DE</strong> 21 <strong>DE</strong>
Im April 2006 verklagte das Ministerium für Arbeit und Soziales die Gewerkschaft Gıda-İş,<br />
da einer der gewählten Gewerkschaftsvertreter nicht über die gesetzlich vorgeschriebene<br />
Mindestzugehörigkeit von 10 Jahren verfügte. Das Arbeitsgericht beschloss daraufhin die<br />
Auflösung der Gewerkschaft; das Urteil wurde allerdings vom Kassationshof aufgrund von<br />
Verfahrensfehlern aufgehoben.<br />
Minderheitenrechte, kulturelle Rechte und Minderheitenschutz<br />
Auch in Bezug auf die Rechte von Minderheiten verfolgt die Türkei nach wie vor einen<br />
restriktiven Ansatz. Nach Angaben der türkischen Behörden gibt es in der Türkei, gemäß dem<br />
Abkommen von Lausanne von 1923, ausschließlich nicht-muslimische Minderheiten. In der<br />
Praxis werden ausschließlich Juden, Armenier und Griechen von den Behörden als<br />
Minderheiten im Sinne des Abkommens von Lausanne betrachtet. Es gibt jedoch andere<br />
Gemeinschaften in der Türkei, die nach den einschlägigen internationalen und europäischen<br />
Standards ebenfalls als Minderheiten gelten müssten.<br />
Auch nach dem Besuch des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten (HKNM) der<br />
OSZE im Februar 2005 waren diesbezüglich keine Änderungen zu verzeichnen und bei der<br />
Aufnahme des geplanten Dialogs über die Lage nationaler Minderheiten in der Türkei gab es<br />
keine Fortschritte. Die Intensivierung eines solchen Dialogs zwischen der Türkei und dem<br />
HKNM ist jedoch dringend erforderlich, wobei alle für Minderheiten relevanten Bereiche wie<br />
Bildung, Sprachen, Teilnahme am öffentlichen Leben und Rundfunksendungen in<br />
Minderheitensprachen einbezogen werden müssen. Dies würde der Türkei die Anpassung an<br />
internationale Standards und an die bewährten Praktiken der EU-Mitgliedstaaten erleichtern,<br />
die die Wahrung der kulturellen Vielfalt und die Förderung der Achtung vor und des Schutzes<br />
von Minderheiten zum Ziel haben.<br />
Anlass zur Sorge gibt in diesem Zusammenhang auch der Vorbehalt, den die Türkei wegen<br />
der Minderheitenrechte gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte<br />
(ICCPR) eingelegt hat – und gegen den einige EU-Mitgliedstaaten protestiert haben, weil er<br />
aus ihrer Sicht dem Sinn und Zweck des Pakts zuwiderläuft – sowie der Vorbehalt, den die<br />
Türkei gegen den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte<br />
(ICESCR) bezüglich des Rechts auf Bildung 12 angemeldet hat.<br />
Die Türkei hat weder das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler<br />
Minderheiten noch die Europäische Charta zum Schutz der Regional- und<br />
Minderheitensprachen unterzeichnet.<br />
Im Bereich Bildung sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Die Empfehlungen der<br />
Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates (ECRI) zu<br />
Lehrplänen und Schulbüchern sowie zum Lehrbetrieb in Minderheitenschulen aus dem Jahr<br />
2005 haben nach wie vor Gültigkeit. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um<br />
diskriminierende Passagen aus Schulbüchern zu entfernen. Problematisch ist weiterhin die<br />
12 Auszug aus dem türkischen Vorbehalt zum ICCPR: „Die Republik Türkei behält sich das Recht vor,<br />
Artikel 27 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte gemäß den betreffenden<br />
Bestimmungen und Vorschriften ihrer Verfassung und gemäß dem Abkommen von Lausanne vom 24.<br />
Juli 1923 und den Anhängen dazu auszulegen und anzuwenden." Auszug aus dem türkischen Vorbehalt<br />
zum ICESCR: „Die Republik Türkei behält sich das Recht vor, Artikel 13 Absätze 3 und 4 des Pakts<br />
über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gemäß den Artikeln 3, 14 und 42 ihrer<br />
Verfassung auszulegen und anzuwenden.“<br />
<strong>DE</strong> 22 <strong>DE</strong>
Verwaltung der Minderheitenschulen, insbesondere die Frage der doppelten<br />
Verwaltungsspitze.<br />
Die Schwierigkeiten, mit denen die Assyrer bei der Durchsetzung von Eigentumsrechten zu<br />
kämpfen haben, bestehen unvermindert fort. So können Assyrer, die nicht mehr die türkische<br />
Staatsangehörigkeit besitzen, ihren Besitz nicht im Kataster eintragen lassen. In diesem<br />
Zusammenhang haben die Beschwerden über die Beschlagnahmung von Eigentum<br />
zugenommen.<br />
Auch die griechische Minderheit ist nach wie vor mit Problemen konfrontiert, die vorrangig<br />
den Schulunterricht und Eigentumsrechte betreffen. So besteht für die griechische Minderheit<br />
auf den Inseln Gökçeada (Imvros) und Bozcaada (Tenedos) weiterhin die Gefahr, dass ihr<br />
Eigentum von den türkischen Behörden beschlagnahmt und enteignet wird.<br />
Was die kulturellen Rechte anbetrifft, so wurde zwei lokalen Fernsehsendern in Diyarbakır<br />
und einem Hörfunksender in Şanlıurfa die Genehmigung zur Ausstrahlung von Sendungen in<br />
Kurdisch erteilt. Allerdings sind die Sendezeiten begrenzt; hiervon ausgenommen sind nur<br />
Spielfilme und Musiksendungen. Außerdem müssen alle Sendungen, mit Ausnahme von<br />
Liedern, ins Türkische übersetzt oder mit türkischen Untertiteln gezeigt werden, was bei<br />
Lifesendungen große technische Probleme aufwirft. Kurdische Sprachkurse dürfen nicht<br />
gesendet werden. (siehe Kapitel 10)<br />
Das staatliche türkische Fernsehen (TRT) strahlt weiterhin Sendungen in fünf Sprachen,<br />
einschließlich Kurdisch aus. Sendezeit und Themenspektrum dieser Sendungen sind jedoch<br />
sehr begrenzt. Seit Inkrafttreten der Rechtsvorschriften von 2004 hat kein privater<br />
landesweiter Fernseh- und Radiosender beantragt, Sendungen in anderen Sprachen als<br />
Türkisch ausstrahlen zu dürfen.<br />
Kinder mit einer anderen Muttersprache als Türkisch können diese nicht im Rahmen des<br />
staatlichen Schulsystems erlernen. Dieser Unterricht darf nur von Privatschulen erteilt<br />
werden. Alle kurdischen Sprachkurse wurden 2004 eingestellt. Kurdisch wird derzeit weder<br />
an einer staatlichen noch an einer privaten Schule unterrichtet. Außerdem wurden keine<br />
Anstrengungen unternommen, um Personen, die kein Türkisch sprechen, den Zugang zu<br />
öffentlichen Diensten zu erleichtern.<br />
Wie vorstehend erwähnt, untersagt das Parteiengesetz die Verwendung anderer Sprachen als<br />
Türkisch im politischen Leben. Das Gerichtsverfahren gegen die Partei für Rechte und<br />
Freiheit (HAK-PAR) wegen einer Rede in kurdischer Sprache dauert noch an.<br />
Was die Lage in der Ost- und Südosttürkei betrifft, so sind hier bei der Entschädigung für<br />
Verluste aus Terroranschlägen Fortschritte zu verzeichnen. Laut Urteil des Europäischen<br />
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sieht das Entschädigungsgesetz eine angemessene<br />
Wiedergutmachung für Personen vor, denen der Zugang zu ihrem Besitz an ihrem Wohnort<br />
verwehrt ist.<br />
Die Entschädigungsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Bei den für die Bearbeitung der<br />
Entschädigungsansprüche eingerichteten Ausschüssen für die Schadensbewertung wurden<br />
bislang 215.981 Anträge eingereicht. Bis September 2006 wurden 33.299 dieser Anträge<br />
bearbeitet.<br />
Die Lage im Südosten hat sich seit dem Wiederaufflammen der Gewalt durch die Anschläge<br />
der PKK, die auf der EU-Liste der terroristischen Vereinigungen aufgeführt ist,<br />
<strong>DE</strong> 23 <strong>DE</strong>
verschlechtert. Von November 2005 bis Juni 2006 wurden 774 Terroranschläge gemeldet,<br />
denen 44 Armeeangehörige, 5 Polizisten und 13 Zivilisten zum Opfer fielen.<br />
Die Beerdigungen einiger PKK Terroristen Ende März waren der Auslöser für Unruhen in<br />
Diyarbakir, die auch auf andere Städte der Region übergriffen. Dabei griffen Demonstranten<br />
Angehörige der Polizei, Bewohner und Geschäfte an. Bei Zusammenstößen mit der Polizei<br />
und den Sicherheitskräften kamen zehn Zivilisten ums Leben, darunter drei Kinder. Viele<br />
Zivilisten erlitten außerdem Schussverletzungen. In zahlreichen Berichten wird die<br />
willkürliche und unverhältnismäßige Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte, die sich<br />
sogar gegen Krankenwagen richtete, kritisiert. Die Ermittlungen zur Klärung der Ursache der<br />
Todesfälle laufen noch.<br />
Das durch die Unruhen im März ausgelöste Wiederaufflammen der Gewalt wirkte sich<br />
negativ auf die Menschenrechtslage aus. So wurden über 700 Personen inhaftiert und es<br />
wurden auch Fälle von Misshandlungen gemeldet.<br />
Angesichts der Eskalation terroristischer Gewalttaten wurde in einigen Provinzen der<br />
Südosttürkei eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, wie Straßenblockaden und<br />
Kontrollposten, wieder eingeführt. Im Bereich der Gesetzgebung wurden im Juni 2006<br />
Änderungen des Anti-Terrorgesetzes angenommen. (s. Abschnitt "Parlament")<br />
Auch der Bombenanschlag von Şemdinli im November 2005, der einen Toten und zahlreiche<br />
Verletzte forderte, führte zu einer Verschlechterung der Lage in der Region. Von einem<br />
Gericht in Van wurden langjährige Gefängnisstrafen gegen zwei Angehörige der Gendarmerie<br />
und ihren Informanten, ein ehemaliges Mitglied der PKK, verhängt, die als Verantwortliche<br />
für den Bombenanschlag für schuldig befunden wurden. Im November 2005 wurde ein<br />
parlamentarischer Ausschuss eingerichtet und mit der Untersuchung der Ereignisse von<br />
Şemdinli betraut. Der Bericht dieses Ausschusses liegt noch nicht vor.<br />
Nach wie vor ist die sozio-ökonomische Lage in der Südosttürkei insgesamt schwierig und es<br />
fehlt ein umfassender Plan zur Bewältigung der dortigen Probleme. Der positiven Erklärung<br />
von Premierminister Erdogan aus dem Jahr 2005, in der er die Lösung der so genannten<br />
"Kurdenfrage" mit demokratischen Mitteln forderte, folgten keine entsprechenden<br />
Maßnahmen. Zwischen der Regierung und den gewählten lokalen Politikern ist kaum ein<br />
Dialog möglich. Darüber hinaus laufen gegen viele der lokalen Politiker Gerichtsverfahren.<br />
Zudem sind aufgrund der im Wahlgesetz festgelegten 10%-Hürde fast nur die landesweit<br />
größten Parteien im Parlament vertreten.<br />
Trotz des EGMR-Urteils im Fall Icyer gegen die Türkei vom Januar 2006 gibt die Umsetzung<br />
des Gesetzes über die Entschädigung für Verluste aus Terroranschlägen in verschiedener<br />
Hinsicht Anlass zur Besorgnis. So scheinen die für die Entschädigungsansprüche zuständigen<br />
Ausschüsse generell unterschiedliche Methoden anzuwenden. Sie verfügen über einen großen<br />
Ermessensspielraum und die Verfahren sind oft sehr langwierig. Die Entschädigungszahlung<br />
verläuft daher äußerst schleppend. Auch die Höhe der Entschädigungen gibt Anlass zur<br />
Besorgnis.<br />
Außerdem sind die zu erfüllenden Bedingungen so streng, dass sehr viele Geschädigte<br />
möglicherweise nicht in den Genuss einer Entschädigung kommen. Zudem besteht eine hohe<br />
Beweislast für die Antragsteller, denn sie müssen Dokumente, insbesondere Eigentumstitel,<br />
beibringen, die sie vielfach nie besessen haben.<br />
<strong>DE</strong> 24 <strong>DE</strong>
Der Aspekt der "Aussöhnung" in Zusammenhang mit früheren Verstößen gegen die<br />
Menschenrechte von Binnenvertriebenen - wie etwa durch Ermordung, Verschleppung und<br />
Folter sowie durch das Niederbrennen und die Zerstörung ihres Eigentums - wird in dem<br />
Entschädigungskonzept nicht berücksichtigt.<br />
Die Lage der Binnenvertriebenen gibt weiterhin Anlass zur Besorgnis. Keine weiteren<br />
Fortschritte sind bei der Einrichtung einer neuen Regierungsstelle, die für die Umsetzung des<br />
"Programms für die Rückkehr in die Dörfer und Rehabilitation“ und die Ausarbeitung einer<br />
Strategie zur Förderung der Rückkehr von Binnenvertriebenen zuständig sein soll, zu<br />
verzeichnen. Eine Studie der Universität Haceteppe über Binnenvertriebene dürfte eine<br />
gründliche Analyse und politische Vorgaben liefern, ihre Veröffentlichung verzögert sich<br />
jedoch.<br />
Folgende Faktoren stehen der Rückkehr von Binnenvertriebenen im Wege: das Fehlen<br />
grundlegender Infrastrukturen, der Mangel an Kapital, begrenzte<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten und die Sicherheitslage. Auch die zahlreichen Landminen 13<br />
halten viele Menschen von einer Rückkehr ab. Zudem liegt es weitgehend im Ermessen des<br />
jeweiligen Gouverneurs, wie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Rückkehr der<br />
Binnenvertriebenen umgesetzt werden.<br />
Keine Fortschritte gab es im Hinblick auf das Problem der Dorfschützer 14 . Es wurden keine<br />
Anstrengungen unternommen, um ihre Zahl allmählich zu reduzieren.<br />
Eine Rückkehr zur Normalität ist im Südosten der Türkei nur über den Dialog mit den lokalen<br />
Partnern möglich. Im Rahmen einer umfassenden Strategie sollten die sozio-ökonomische<br />
Entwicklung der Region vorangetrieben und Voraussetzungen geschaffen werden, die der<br />
kurdischen Bevölkerung die uneingeschränkte Wahrnehmung ihrer Rechte und Freiheiten<br />
ermöglichen. Die Probleme, die es dabei zu lösen gilt, betreffen u.a. die Rückkehr der<br />
Binnenvertriebenen, die Entschädigung für Verluste aus Terroranschlägen, die Räumung von<br />
Landminen sowie die Dorfschützer.<br />
Was die Roma anbetrifft, so wurden die diskriminierenden Bestimmungen des<br />
Niederlassungsrechts im Zuge einer Gesetzesänderung im September 2006 abgeschafft.<br />
Allerdings sind die diskriminierenden Bestimmungen des Gesetzes über die Freizügigkeit und<br />
den Aufenthaltsort von Ausländern nach wie vor in Kraft.<br />
Nach neuesten Schätzungen der Universität von Bilgi leben in der Türkei ungefähr 2 Mio.<br />
Roma, denen durch die diskriminierende Behandlung der Zugang zu angemessener<br />
Unterkunft, Bildung, Gesundheitsfürsorge und Beschäftigung erschwert wird. Zudem sind sie<br />
häufig Opfer von Zwangsausweisungen. Im Rahmen von Sanierungsprojekten für historische<br />
Stadtviertel (z.B. Ankara-Çinçin, Zonguldak-Ere, Istanbul-Sulukule) wurde die dort lebende<br />
Roma-Bevölkerung umgesiedelt.<br />
Während des Berichtszeitraums wurden weitere Interessenvertretungen der Roma und zwei<br />
Roma-Verbände gegründet. Außerdem wurden mehrere NRO-Projekte durchgeführt, um die<br />
13 Obwohl bereits viele Landminen geräumt wurden, schätzen internationale NRO die Gesamtzahl der<br />
noch verbleibenden Minen auf 900.000.<br />
14 Nach amtlichen Angaben sind derzeit noch 57.601 Dorfschützer im Dienst<br />
<strong>DE</strong> 25 <strong>DE</strong>
Kapazitäten von Roma-Organisationen zu stärken und einen klareren Überblick über die<br />
Probleme dieser Minderheit zu gewinnen.<br />
Insgesamt hat die Türkei bei der Wahrung der kulturellen Vielfalt und der Förderung der<br />
Achtung vor und des Schutzes von Minderheiten im Einklang mit den internationalen<br />
Standards nur geringe Fortschritte erzielt.<br />
2.3. Regionale Fragen und internationale Verpflichtungen<br />
Zypern<br />
Von der Türkei wird erwartet, dass sie im Rahmen der Verhandlungen und der<br />
Beitrittspartnerschaft die Bemühungen der VN um eine umfassende Lösung des Zypern-<br />
Problems im Einklang mit den Grundsätzen, auf denen die Union beruht, weiter unterstützt<br />
und einen Beitrag zur Schaffung eines besseren Klimas für eine solche umfassende Lösung<br />
leistet. Ferner wird erwartet, dass sie das Protokoll zur Anpassung des Abkommens von<br />
Ankara zur Berücksichtigung des Beitritts der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten einschließlich<br />
Zyperns vollständig umsetzt und konkrete Schritte zur möglichst raschen Normalisierung der<br />
bilateralen Beziehungen zwischen der Türkei und allen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der<br />
Republik Zypern unternimmt.<br />
Die EU geht gemäß ihrer Erklärung vom 21. September 2005 außerdem davon aus, dass das<br />
Zusatzprotokoll uneingeschränkt und ohne Diskriminierungen angewandt wird und dass alle<br />
Hindernisse für den freien Warenverkehr, einschließlich Beschränkungen im Bereich der<br />
Transportmittel, beseitigt werden. Vorgesehen ist außerdem, dass die EU dies aufmerksam<br />
beobachten und 2006 die vollständige Anwendung prüfen wird. Des Weiteren wurde in der<br />
Erklärung hervorgehoben, dass die Anerkennung sämtlicher Mitgliedstaaten eine<br />
Voraussetzung für den Beitritt ist und dass einer baldmöglichen Normalisierung der<br />
Beziehungen zwischen der Türkei und allen Mitgliedstaaten große Bedeutung beigemessen<br />
wird.<br />
Die Türkei erklärte mehrfach, dass sie die VN-Bemühungen um eine umfassende Lösung der<br />
Zypernfrage weiterhin unterstützen wird. Die Türkei sicherte ihre Unterstützung bei der<br />
Einsetzung von Fachausschüssen mit Angehörigen beider zyprischer Gemeinschaften zu, die<br />
in Gesprächen unter der Schirmherrschaft der VN im Juli vereinbart wurde. Diesen<br />
Gesprächen ging ein Treffen von VN-Generalsekretär Kofi Annan und Präsident<br />
Papadopoulos im Februar in Paris voraus.<br />
Die Türkei hat das im Juli 2005 unterzeichnete Zusatzprotokoll, mit dem das<br />
Assoziationsabkommen EG-Türkei auf die am 1. Mai 2004 beigetretenen zehn neuen<br />
Mitgliedstaaten ausgeweitet und die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ermöglicht wurde,<br />
noch nicht vollständig umgesetzt. Die Türkei verweigert auch weiterhin unter zyprischer<br />
Flagge fahrenden Schiffen und Schiffen, die zuletzt einen zyprischen Hafen angelaufen<br />
hatten, den Zugang zu ihren Häfen. Durch solche Beschränkungen wird häufig der<br />
wirtschaftlichste Beförderungsweg ausgeschlossen, was den freien Warenverkehr und den<br />
Handel behindert und gegen das Abkommen über die Zollunion verstößt.<br />
Ähnliche Beschränkungen werden auch im Luftverkehr angewandt.<br />
Der türkische Premierminister wie auch der Außenminister erklärten mehrfach, dass das<br />
Zusatzprotokoll erst nach Beendigung der Isolierung der türkisch-zyprischen Gemeinschaft<br />
umgesetzt werde. Denselben Ansatz verfolgt auch der im Januar von dem türkischen<br />
<strong>DE</strong> 26 <strong>DE</strong>
Außenminister vorgelegte "Aktionsplan für Zypern". Die Vertreter der EU haben die<br />
türkische Regierung wiederholt darauf hingewiesen, dass sie zur Umsetzung des Protokolls<br />
rechtlich verpflichtet ist und die Erfüllung dieser Verpflichtung nicht mit der Lage der<br />
türkisch-zyprischen Gemeinschaft verknüpfen kann.<br />
Bei der Normalisierung der Beziehungen zur Republik Zypern sind in keiner Hinsicht<br />
Fortschritte zu verzeichnen. Die Türkei verhindert nach wie vor durch ihr Veto den Beitritt<br />
Zyperns zu bestimmten internationalen Organisationen wie der OECD und zum Wasenaar-<br />
Arrangement über Ausfuhrkontrollen für konventionelle Waffen sowie Güter und<br />
Technologien mit doppeltem Verwendungszweck.<br />
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom Dezember im Fall<br />
Myra Xenides-Arestis gegen die Türkei entschieden, dass die Türkei gegen den Schutz des<br />
Eigentums (Artikel 1 des Protokolls Nr. 1) und gegen das Recht auf Achtung der Wohnung<br />
der Beschwerdeführerin (Artikel 8) verstoßen hat. Der Gerichtshof forderte die Türkei auf,<br />
innerhalb der festgesetzten Fristen und im Einklang mit der Menschenrechtskonvention<br />
Abhilfe zu schaffen und angemessene Entschädigungen für die Verstöße in diesem Fall sowie<br />
in allen anderen vergleichbaren Fällen, die noch vor Gericht anhängig sind, zu leisten. Der<br />
EGMR hat sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob in der Zwischenzeit angemessene<br />
Entschädigung geleistet wurde.<br />
Friedliche Beilegung von Grenzstreitigkeiten<br />
Die Türkei und Griechenland haben sich weiterhin um eine positive Entwicklung ihrer<br />
bilateralen Beziehungen bemüht. So wurden die Kontakte auf hoher Ebene im letzten Jahr mit<br />
zwei informellen Treffen der Premierminister fortgesetzt.<br />
Im Mai fand in Athen die 34. Gesprächsrunde der Außenminister im Rahmen der 2002<br />
eingeleiteten Sondergespräche statt. Im Juni wurde während des Besuchs des griechischen<br />
Außenministers in Istanbul ein weiteres Paket vertrauensbildender Maßnahmen vereinbart.<br />
Diese Maßnahmen umfassen den Bau einer neuen Brücke über den Grenzfluss Evros/Meriç<br />
und die Einsetzung einer gemeinsamen zivilen Task Force für die Prävention von<br />
Naturkatastrophen. In Kürze ist die direkte Telefonverbindung zwischen den beiden<br />
Luftangriffs- und Luftverteidigungsgefechtsständen in der türkischen Stadt Eskişehir und der<br />
griechischen Stadt Larissa funktionsfähig. Außerdem wurde die Einrichtung einer zweiten<br />
Direktleitung zwischen den jeweiligen Chefs der Generalstäbe beschlossen. Das Moratorium<br />
über die Aussetzung von Militärübungen in der Ägäis während der Sommermonate wurde um<br />
einen Monat verlängert. Im Juli besuchte der griechische Generalstabschef seinen<br />
Amtskollegen in der Türkei.<br />
Nach dem Zusammenstoß eines türkischen und eines griechischen Militärflugzeugs über der<br />
Ägäis im Mai, der einem griechischen Piloten das Leben kostete, vereinbarten beide<br />
Außenminister eine Untersuchung des Vorfalls.<br />
Gemessen werden die Fortschritte der Türkei - wie im Verhandlungsrahmen festgelegt -<br />
insbesondere an "… dem unzweifelhaften Engagement (…) für gutnachbarliche Beziehungen<br />
und ihrer Bereitschaft, im Einklang mit dem in der Charta der Vereinten Nationen verankerten<br />
Grundsatz der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten auf die Beilegung ungelöster<br />
Grenzstreitigkeiten hinzuarbeiten, erforderlichenfalls gemäß einer Rechtsprechung des<br />
Internationalen Gerichtshofs". Darüber hinaus sieht auch eine kurzfristige Priorität der<br />
Beitrittspartnerschaft für die Türkei vor, dass die Türkei sich eindeutig für gutnachbarliche<br />
<strong>DE</strong> 27 <strong>DE</strong>
Beziehungen engagiert, Probleme löst, die zu Irritationen im Verhältnis zu Nachbarn führen,<br />
und Maßnahmen unterlässt, die den Prozess einer friedlichen Beilegung von<br />
Grenzstreitigkeiten negativ beeinflussen könnten. In diesem Zusammenhang ist festzustellen,<br />
dass der Hinweis in der Entschließung des türkischen Parlaments von 1995, dass eine<br />
Ausdehnung der griechischen Hoheitsgewässer als „casus belli“ zu betrachten wäre, dennoch<br />
unverändert beibehalten wurde.<br />
Siehe Kapitel 31 - Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
3. WIRTSCHAFTLICHE KRITERIEN<br />
3.1. Einleitung<br />
Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Entwicklungen in der Türkei stützte sich die<br />
Kommission auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 1993 in<br />
Kopenhagen, wonach die Mitgliedschaft in der Union eine funktionierende Marktwirtschaft<br />
und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union<br />
standzuhalten, voraussetzt.<br />
3.2. Bewertung anhand der Kopenhagener Kriterien<br />
3.2.1. Funktionierende Marktwirtschaft<br />
Wesentliche Elemente der Wirtschaftspolitik<br />
Die Regierung konnte ihre wirtschaftspolitischen Anstrengungen durch die jüngsten<br />
Vereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen, insbesondere durch die<br />
Bereitschaftskreditvereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und das<br />
Weltbank-Darlehen für Entwicklungsprojekte des öffentlichen Sektors intensivieren. Das<br />
Wirtschaftsprogramm zur Beitrittsvorbereitung (PEP), das der Kommission im Dezember<br />
2005 vorgelegt wurde, lässt gute Fortschritte beim Ausbau der institutionellen Kapazitäten<br />
und nachdrückliches Engagement für weitere Reformen erkennen. Die Regierung verfolgte<br />
einen stetigen Reformkurs, auch wenn gelegentlich politische Erwägungen zu Verzögerungen<br />
bei den Reformmaßnahmen geführt haben. Die Haushaltsplanung und –koordinierung und die<br />
Festlegung des mittelfristigen wirtschaftspolitischen Rahmens wird durch die Verteilung der<br />
Kompetenzen auf verschiedene Regierungsbehörden behindert. So werden vereinzelte<br />
Beschlüsse auf Ad-hoc-Basis gefasst. Folgenabschätzungen fehlen entweder ganz oder<br />
werden anhand von lückenhaften Informationen durchgeführt. Insgesamt konnte die<br />
Regierung den Konsens über die makroökonomische Stabilisierung und die Strukturreformen<br />
weitgehend wahren.<br />
Makroökonomische Stabilität<br />
Im ersten Halbjahr 2006 ging das hohe reale BIP-Wachstum von 7,4%, im Jahr 2005 auf 7%<br />
zurück. Der private Verbrauch und die zunehmenden Investitionen trugen auf der<br />
Ausgabenseite zur Stärkung des BIP bei. In demselben Zeitraum war auch ein Nachlassen der<br />
Bruttoanlageinvestitionen von 24% im Jahr 2005 auf 19% zu beobachten. Da das<br />
Exportwachstum von 7,4% im Vorjahr auf 3,9% abgesunken war, fiel der Beitrag der<br />
Außenwirtschaft zum BIP negativ aus. Die rasch wachsende türkische Wirtschaft ist daher mit<br />
einem ebenfalls rapide zunehmenden außenwirtschaftlichen Ungleichgewicht konfrontiert.<br />
Verantwortlich dafür sind insbesondere die nur schleppend voranschreitenden<br />
<strong>DE</strong> 28 <strong>DE</strong>
Strukturreformen und der erhebliche Anstieg der Investitionsausgaben. Die Regierung<br />
reagierte unverzüglich durch eine Straffung der Haushalts- und Währungspolitik. Anhand von<br />
mit hoher Periodizität gemessenen Indikatoren lässt sich erkennen, dass diese Maßnahme<br />
Erfolg haben dürfte. Auch die Stärkung der Auslandsnachfrage könnte zur Belebung des<br />
Wachstums beitragen. Das türkische Pro-Kopf-Einkommen lag 2005 geringfügig über 25%<br />
des EU-25-Durchschnitts Insgesamt war also ein weiterhin starkes und ausgewogenes<br />
Wirtschaftswachstum zu verzeichnen.<br />
Das Leistungsbilanzdefizit verzeichnete 2005 einen drastischen Anstieg auf 6,3 % des BIP.<br />
Durch die starke Inlandsnachfrage, höhere Ölpreise und geringere Einnahmen aus dem<br />
Tourismus nahm das Defizit im ersten Halbjahr 2006 weiter zu und erreichte 7% des BIP.<br />
Gleichwohl kann die Türkei ihr Leistungsbilanzdefizit weiterhin problemlos finanzieren. In<br />
jüngster Zeit stiegen die Währungsreserven des Landes durch den hohen Kapitalzufluss aus<br />
Privatisierungen - auch von ausländischen Investoren - erheblich an. Der Anstieg der<br />
Investitionen wirkte sich auch auf das Leistungsbilanzdefizit aus, was mittelfristig die<br />
Exportkapazität der Wirtschaft stärken und ihre Anfälligkeit für Einflüsse von außen<br />
verringern dürfte.<br />
Trotz des starken Wachstums wurden nur wenige neue Arbeitsplätze geschaffen. Die<br />
Arbeitslosenquote schwankt zwischen 8% und 10%. Die Förderung der Beschäftigung<br />
scheitert nach wie vor an dem Missverhältnis zwischen vorhandenen und geforderten<br />
Qualifikationen sowie an der in mancher Hinsicht mangelnden Flexibilität des<br />
Arbeitsmarktes. Die Arbeitslosenquote ist bei den Jugendlichen noch sehr viel höher (ca. 18%<br />
) zudem sind mehr als die Hälfte der Arbeitsuchenden Langzeitarbeitslose. Die niedrigere<br />
Arbeitslosenquote in der Landwirtschaft, die auch unentlohnt arbeitende Familienangehörige<br />
einschließt, deutet auf ein hohes Maß an Unterbeschäftigung in der Wirtschaft hin. Überdies<br />
ging die Beschäftigungsquote bis Mitte 2006 geringfügig auf 43% zurück. Insbesondere bei<br />
den Frauen ist mit 23% weiterhin eine sehr niedrige Beschäftigungsquote zu verzeichnen.<br />
Insgesamt bleibt die Arbeitslosigkeit konstant auf hohem Niveau, bei nur geringer und weiter<br />
abnehmender Beteiligung am Arbeitsmarkt.<br />
Trotz der Anhebung der Steuern auf Alkohol und Tabakwaren und des rasanten Anstiegs der<br />
Ölpreise konnte die Inflationsrate aufgrund der erfolgreichen Inflationsbekämpfung im<br />
Dezember 2005 auf 7,7% gesenkt werden. Diese Entwicklung wurde von einer straffen<br />
Finanzpolitik, erheblichen Verbesserungen der Produktivität und der Stärkung der Lira<br />
getragen. Allerdings führten die jüngste Währungsschwäche und Energiepreiserhöhungen zu<br />
einer Umkehrung des Prozesses. Die durchschnittliche jährliche Verbraucherpreisinflation<br />
stieg bis August 2006 auf ungefähr 10% an. Zusätzlicher Druck, insbesondere durch die<br />
Wechselkursschwäche, dürfte somit die Erreichung des offiziellen Jahresendziels von 5% für<br />
die Verbraucherpreisinflation sehr schwierig machen. Trotz der energischen<br />
Inflationsbekämpfung ist die Inflation in letzter Zeit wieder angestiegen.<br />
In den Vorjahren ist es der Zentralbank der Türkei gelungen, den Inflationsdruck sehr<br />
erfolgreich zu dämpfen. Am 1. Januar 2006 führte die Zentralbank einen neuen<br />
finanzpolitischen Rahmen für die Festlegung des Inflationsziels ein, durch den die Strategie<br />
der Zentralbank an Transparenz gewinnen soll. Sie setzt als Hauptsteuerungsinstrument nach<br />
wie vor kurzfristige Zinssätze ein. Die meisten Mitglieder des Währungsausschusses und des<br />
Zentralbankvorstands sowie der Zentralbankgouverneur wurden erst vor Kurzem ernannt. Der<br />
neue strategische Rahmen und die Zusammensetzung des neuen Vorstands führten zu einer<br />
Neubeurteilung des Währungsrisikos am Markt. Diese veränderte Einschätzung, die mit einer<br />
generell schlechteren Bewertung der Schwellenländer einherging, führte zu einer drastischen<br />
<strong>DE</strong> 29 <strong>DE</strong>
Abwertung der Lira. Der Wechselkurs fiel im Mai und Juni 2006 gegenüber dem Euro um<br />
25%, erholte sich allerdings in den folgenden Monaten wieder. Die türkische Zentralbank<br />
erhöhte den Tagessollzins um 425 und die Ausleihesätze der Banken um 625 Basispunkte.<br />
Die Finanzmärkte zeigten sich jedoch in letzter Zeit sehr instabil.<br />
Die Konsolidierung des Staatshaushalt verläuft erwartungsgemäß. Das Ziel, 2005 einen<br />
Primärüberschuss von 6,5 % des BIP (IWF-Methode) zu erwirtschaften, wurde im Großen<br />
und Ganzen erreicht, und das Haushaltsdefizit ging von 5,7% des BIP im Jahr 2004 auf 1,2%<br />
des BIP im Jahr 2005 (gemäß EU-Standards) zurück. Die beschleunigte<br />
Haushaltskonsolidierung im Jahr 2005 ist in erster Linie auf die rasche Senkung der<br />
inländischen Realzinssätze zurückzuführen. Der Haushalt von 2006 sieht die Erwirtschaftung<br />
eines vergleichbaren Primärüberschusses im öffentlichen Sektor vor. Trotz der erheblichen<br />
Anhebung der Zinssätze wurde dieses Ziel im ersten Halbjahr 2006 fast erreicht. Im Frühjahr<br />
2006 wurde das Sozialversicherungsgesetz angenommen. Damit kann ein wichtiger Beitrag<br />
zur Konsolidierung geleistet werden, sofern es vollständig umgesetzt wird. Insgesamt war<br />
eine deutliche finanzpolitische Konsolidierung zu verzeichnen.<br />
Die Bruttostaatsverschuldung ging von 76,9% des BIP Ende 2004 auf 69,6 % Ende 2005<br />
zurück (gemäß EU-Rechnungslegungsstandards, ESVG 95). Dies war in erster Linie auf den<br />
erheblichen Primärüberschuss, ein kräftiges BIP-Wachstum und sinkende Zinsen<br />
zurückzuführen. Die Türkei erhielt von verschiedenen Ratingagenturen höhere<br />
Bonitätsbewertungen und nutzte dies für die Ausgabe mehrerer Staatsanleihen auf dem<br />
internationalen Markt. Die Laufzeiten haben sich, auch bei inländischen Anleihen, in der<br />
Folge beträchtlich verlängert und lagen zur Jahresmitte 2006 bei 30 Monaten. Mitte 2006<br />
waren rund 40% der Staatsverschuldung in Fremdwährung denominiert, gegenüber 45% im<br />
Jahr 2003. Dies weist daraufhin, dass die einheimische Währung an Boden gewinnt und die<br />
Anfälligkeit für exogene Störungen abnimmt. Die Änderungen der Schuldenstruktur und die<br />
längeren Laufzeiten verringerten auch das Risiko für die makroökonomische und finanzielle<br />
Stabilität.<br />
Die Maßnahmen zur Erhöhung der haushaltspolitischen Transparenz wurden fortgesetzt.<br />
Großer Nachdruck wurde auf die Umsetzung der angenommenen Gesetze, insbesondere des<br />
Gesetzes über die öffentliche Finanzverwaltung und Finanzkontrolle gelegt. Innerhalb des<br />
Finanzministeriums wurden mehrere Koordinierungs- und Kontrollgremien eingerichtet, um<br />
die Effizienz und Transparenz zu erhöhen. Dies hat sich auch auf die Aufstellung des<br />
Haushaltsplans positiv ausgewirkt. Insgesamt nahm die finanzpolitische Transparenz zu.<br />
Freies Spiel der Marktkräfte<br />
Die Regierung ist deutlich für die Unabhängigkeit der Regulierungs- und Aufsichtsbehörden<br />
der verschiedenen Wirtschaftszweige eingetreten. Die Sonderprivilegien der Staatsbanken<br />
werden schrittweise abgeschafft. Auf staatliche Unternehmen entfallen rund 5 % des BIP und<br />
etwa 15% der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe. Die Staatsbanken erwirtschaften<br />
fast ein Drittel der Wertschöpfung im Bankensektor Die staatlichen Unternehmen und Banken<br />
beschäftigen jedoch nur 2,5% aller Erwerbstätigen. Insgesamt konnten sich die Marktkräfte<br />
weiter frei entfalten.<br />
Der Anteil der staatlich festgelegten Preise am Gesamtwert des Warenkorbs des<br />
Verbraucherpreisindexes (VPI) beträgt derzeit 10,2%. Die Preisreformen sind noch nicht<br />
abgeschlossen. So liegen die Strompreise nach wie vor deutlich unter den Produktionskosten<br />
und werden über Quersubventionen finanziert. Die Liberalisierung der Preise ist bereits weit<br />
<strong>DE</strong> 30 <strong>DE</strong>
vorangeschritten, stagniert jedoch und konnte keine weiteren nennenswerten Fortschritte<br />
verzeichnen.<br />
Ungehinderter Marktzu- und -austritt<br />
Die Gesamteinnahmen aus Privatisierungen beliefen sich 2005 auf 2,8% des BIP. Zu den<br />
bedeutendsten Privatisierungsprojekten zählten die Ölraffinerie Tupras und das Eisen- und<br />
Stahlunternehmen Erdemir. Auch die Privatisierung der Turk Telekom ist abgeschlossen. Bei<br />
der Privatisierung des türkischen Stromversorgungsunternehmens kam es dagegen zu<br />
Verzögerungen. Außerhalb der Landwirtschaft befinden sich nur noch 5% der Unternehmen<br />
in staatlicher Hand. Insgesamt wurden die Privatisierungen in großem Umfang fortgesetzt.<br />
2005 wurden fast 100.000 Unternehmensneugründungen verzeichnet, gleichzeitig meldeten<br />
mehr als 26.000 Unternehmen Konkurs an - in beiden Fällen ein Zuwachs von 5% gegenüber<br />
2004. Beschränkungen für ausländische Beteiligungen bestehen nach wie vor in den<br />
Bereichen Zivilluftfahrt, Seeverkehr, Straßenverkehr, Bodenabfertigungsdienste,<br />
Bootsvermietung, Rundfunksendungen, Stromversorgung, finanzielle Kapitalgesellschaften,<br />
private Arbeitsvermittlung, Fremdenverkehr, sowie im Bildungssektor und im<br />
Verteidigungssektor. Beim Abbau der Markaustrittsschranken gab es keine wesentlichen<br />
Fortschritte.<br />
Angemessenes Rechtssystem<br />
Die rechtlichen Grundlagen einschließlich für die Regelung der Eigentumsrechte sind<br />
vorhanden. Allerdings liegt zwischen der Verabschiedung von Gesetzen und ihrer<br />
tatsächlichen Umsetzung oft eine große Zeitspanne. Die Gerichte, insbesondere die<br />
Handelsgerichte, arbeiten relativ langsam. Entscheidungen der Behörden und Gerichte, sind<br />
auch für ausländische Investoren nach wie vor nur sehr schwer durchsetzbar. . Das<br />
Sachverständigensystem hat sich zu einer quasi-justiziellen Parallelstruktur entwickelt. In<br />
mancher Hinsicht ist die juristische Ausbildung immer noch unzulänglich, was dazu führt,<br />
dass sich Verfahren in Handelssachen in die Länge ziehen. Die Umsetzung der Vorschriften<br />
über Eigentumsrechte, einschließlich der Rechte an geistigem Eigentum, lässt nach wie vor zu<br />
wünschen übrig Insgesamt ist die Umsetzung von Rechtsvorschriften und Verträgen noch<br />
verbesserungsbedürftig.<br />
Hinreichend entwickelter Finanzsektor<br />
Die Bankdarlehen stiegen im ersten Quartal 2006 auf 110% des BIP an, gegenüber 82% im<br />
entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Leistungsfähigkeit der Finanzintermediation hat<br />
zugenommen, wie aus der schrittweisen Verringerung der Spanne zwischen Einlagen- und<br />
Kreditzinsen von 6 % im Jahr 2004 auf 4,6 % Ende 2005 ersichtlich ist. Durch die Zunahme<br />
ausländischer Beteiligungen im Bankensektor entwickelte sich ein stärkerer Wettbewerb. Der<br />
Anteil der Banken mit ausländischer Mehrheitsbeteiligung am gesamten Anlagevermögen der<br />
türkischen Banken ist von 5% im Jahr 2004 auf 15% Mitte 2006 angestiegen. Allerdings ging<br />
die Kapitalrendite und die Eigenkapitalrendite zurück, was auf sinkende Gewinnspannen im<br />
Bankensektor hinweist. Der Bankensektor hat erheblich an Bedeutung gewonnen und die<br />
Finanzintermediation wurde deutlich ausgebaut.<br />
Auch der Börsenhandel hat zwar in den letzten Jahren zugenommen, bleibt aber mit nur 289<br />
Gesellschaften, die Ende September 2006 börsennotiert waren, relativ unbedeutend. Zu den<br />
börsennotierten Gesellschaften gehören auch große Konglomerate und Banken sowie einige<br />
staatliche Großunternehmen. Trotz des 2003 bis 2005 verzeichneten massiven Anstiegs des<br />
<strong>DE</strong> 31 <strong>DE</strong>
Aktienindexes, wurde 2006 nur eine relativ geringe Marktkapitalisierung von 50% des BIP<br />
erreicht. Der kleine Versicherungssektor ist klein und wird von Banken und multinationalen<br />
Unternehmen dominiert. Für seine Regulierung ist das Schatzamt zuständig. Der<br />
Nichtbankensektor hat weiter zugelegt.<br />
Die Aufsicht über den Finanzsektor wird durch ein neues Bankengesetz gestärkt, das im<br />
Oktober 2005 vom Parlament angenommen wurde. Sobald alle Bestimmungen des Gesetzes<br />
vollständig umgesetzt sind, werden deutlich höhere Anforderungen und strengere Regeln für<br />
die Finanzaufsicht gelten. Die meisten sekundärrechtlichen Vorschriften wurden 2006<br />
eingeführt. Auch die entsprechenden Vorschriften, mit denen die Regulierungs- und<br />
Aufsichtszuständigkeiten für Finanz-Holdinggesellschaften, Leasinggesellschaften,<br />
Factoringgesellschaften und Verbraucherkreditbanken auf die Regulierungs- und<br />
Aufsichtsbehörde für das Bankenwesen übertragen werden, wurden bereits erlassen.<br />
Insgesamt wurde die Aufsicht über den Finanzsektor weiter gestärkt.<br />
3.2.2. Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union<br />
standzuhalten<br />
Funktionierende Marktwirtschaft<br />
Dank der Strukturreformen und der makroökonomischen Stabilisierung konnte das Klima für<br />
Unternehmen und Investitionen schrittweise verbessert werden. Bestimmte Mängel, die das<br />
Funktionieren des Marktes beeinträchtigen, wie die geringe Transparenz der<br />
Beihilferegelungen, wurden allerdings noch nicht beseitigt und beeinträchtigen auch die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft´. Die in jüngster Zeit aufgetretenen Fluktuationen auf<br />
dem Finanzmarkt haben zwar das Vertrauen in die Rahmenbedingungen des privaten und des<br />
öffentlichen Sektors erschüttert, aber gleichzeitig einen Beweis für die Widerstandskraft der<br />
Wirtschaft geliefert. Insgesamt ist eine weitere Verbesserung des Funktionierens der<br />
Marktkräfte festzustellen.<br />
Ausreichende personelle und materielle Ressourcen<br />
Die Bildungsausgaben nahmen zu und es wurden auch einige Reformen durchgeführt. Die<br />
Regierung beabsichtigt die Bildungsausgaben von 8,8% der Gesamtausgaben im Jahr 2004<br />
auf 12,4 % im Jahr 2006 anzuheben. Diese Erhöhung entspricht nicht nur dem steigenden<br />
Finanzierungsbedarf durch die wachsende junge Bevölkerung, sondern soll auch eine größere<br />
Abdeckung des Bildungsbedarfs und eine Verbesserung der Qualität der Bildung einleiten.<br />
Die Reformen sehen auch eine Verlängerung der Sekundarstufe von drei auf vier Jahre vor.<br />
Allerdings sind das Bildungsniveau und die Qualität der Bildung weiterhin maßgeblich vom<br />
Einkommen, dem Geschlecht und der Region abhängig. Der Wissensstand der Schüler in der<br />
Sekundarstufe ist in der Regel nach wie vor niedrig. Qualität, Transparenz und der Zugang zu<br />
der Hochschulbildung sind weiterhin äußerst verbesserungsbedürftig. Insgesamt lässt sich<br />
feststellen, dass sich die Reformen und die höheren Ausgaben im Bildungsbereich zwar<br />
positiv auf das Bildungsniveau ausgewirkt haben, hier jedoch noch gravierende Probleme zu<br />
lösen sind.<br />
Die Erwerbsquoten sind insbesondere bei Frauen und älteren Menschen niedrig und gingen<br />
2005 und 2006 weiter zurück. Zusätzlicher Druck wird durch die rasche Zunahme der<br />
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und die Abwanderung aus dem Agrarsektor ausgeübt,<br />
durch die ein massiver Bedarf an Arbeitsplätzen entstanden ist. Bisher wurde das Problem der<br />
ausgeprägten Schattenwirtschaft kaum systematisch angegangen. An dem<br />
<strong>DE</strong> 32 <strong>DE</strong>
Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes wurden keine nennenswerten Änderungen<br />
vorgenommen. Hier liegt der Schwerpunkt weiterhin auf der Sicherung der Arbeitsplätze. Zu<br />
berücksichtigen ist auch, dass weniger als 4% der Arbeitslosen Arbeitslosenunterstützung<br />
erhalten. Die Lohnnebenkosten sind nach wie vor hoch. Da die aktiven<br />
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu punktuell sind, wurden nur begrenzte Erfolge bei der<br />
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erzielt. Auf die weiterhin problematische Situation auf dem<br />
Arbeitsmarkt wurde also nur in begrenztem Umfang durch beschäftigungspolitische<br />
Maßnahmen reagiert.<br />
Auch 2005 wurde die starke Investitionstätigkeit fortgesetzt. Die Bruttoanlageinvestitionen<br />
verzeichneten einen Anstieg auf rund 20% des nominalen BIP, in dem sich die starke private<br />
Kapitalbildung von rund 15,3% des nominalen BIP niederschlägt. Der ADI-Nettozufluss<br />
nahm 2005 deutlich zu und erreichte 2,8% des BIP nach nur 0,8% im Jahr 2004. . Der<br />
Privatisierungsprozess wurde im ersten Halbjahr 2006 fortgesetzt, so dass der starke<br />
Kapitalzufluss anhielt. Der Gesamtbestand an ausländischen Direktinvestitionen belief sich<br />
2005 auf rund 1.300 EUR pro Kopf. Vor allem im Groß- und Einzelhandel spielen<br />
ausländische Beteiligungen eine wichtige Rolle - fast 36% aller Unternehmen mit<br />
ausländischer Beteiligung sind in diesem Sektor tätig. Insgesamt nahmen sowohl die<br />
inländischen als auch die ausländischen Investitionen deutlich zu.<br />
Um den angestrebten Zielwert für den Primärüberschuss zu erreichen, wurden die<br />
Infrastrukturinvestitionen zurückgefahren. Weder beim Straßen- noch beim Schienennetz sind<br />
nennenswerten Entwicklungen zu verzeichnen. Mit der Fertigstellung der Ölpipeline Baku-<br />
Tbilisi-Ceyhan wurde die Energieinfrastruktur erheblich ausgebaut. Der Versorgungsgrad bei<br />
den Mobilfunkanschlüssen ist bis März 2006 auf 64% angestiegen. Bei den<br />
Internetanschlüssen hat sich der Anteil von 1% auf 2% der Bevölkerung erhöht. Die F&E -<br />
Ausgaben sind weiterhin niedrig. Allerdings wurde eine Strategie zur Intensivierung der<br />
Anstrengungen und Verbesserung der Ergebnisse in diesem Bereich festgelegt. Für 2006 ist<br />
eine Aufstockung der im Staatshaushalt veranschlagten F&E-Mittel um 20% vorgesehen.<br />
Bislang konnten nur mäßige Fortschritte bei der Modernisierung der Infrastruktur erzielt<br />
werden.<br />
Angemessene sektorspezifische und unternehmenspezifische Strukturen<br />
Fortschritte konnten bei der strukturellen Umgestaltung der Wirtschaft erzielt werden. Der<br />
Anteil der Erwerbstätigen im Agrarsektor ging 2005 deutlich von 33% auf 26% zurück. Diese<br />
Entwicklung hielt auch 2006 an. Neue Arbeitsplätze entstanden in der Industrie,<br />
einschließlich dem Baugewerbe, so dass der Anteil der Erwerbstätigen in diesem Sektor 2005<br />
von 18% auf 26% anstieg. Durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Industrie- und<br />
Dienstleistungssektor konnte jedoch der Rückgang der Beschäftigung in der Landwirtschaft<br />
nicht vollständig ausgeglichen werden. Der Anteil des Agrarsektors am BIP sank von 11,7 auf<br />
10,7%, während der Industriesektor zulegte und seinen Anteil am BIP von 29,7% auf 31,2<br />
steigerte. Der Anteil des Dienstleistungssektors am BIP blieb mit rund 58% unverändert.<br />
Insgesamt kam die wirtschaftliche Umstrukturierung rascher voran.<br />
Obwohl die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) rund 75% aller Erwerbstätigen<br />
beschäftigen, liegt ihr Wertschöpfungsanteil 15 lediglich bei 27%. Viele KMU sind der<br />
Schattenwirtschaft zuzurechnen, was ihren Spielraum für Produktivitätssteigerungen<br />
15 Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2004, neuere Angaben liegen nicht vor.<br />
<strong>DE</strong> 33 <strong>DE</strong>
einschränkt. Der Zugang zu Finanzmitteln hat sich für die KMU jedoch verbessert, da der<br />
Bankensektor seine Darlehenstätigkeit ausgeweitet hat. Trotzdem decken Bankdarlehen<br />
bislang nur ca. 10% des Finanzierungsbedarfs der KMU. Die wichtigste Finanzierungsquelle<br />
bleibt daher das Eigenkapital. Vor allem die zu erbringenden Sicherheitsleistungen und die<br />
hohen Zinsen stehen der Darlehensaufnahme im Wege. So sind die KMU zwar nach wie vor<br />
wichtige Leistungsträger der Wirtschaft, werden jedoch durch ihre geringe Effizienz und die<br />
ausgeprägte Schattenwirtschaft behindert.<br />
Die Umstrukturierung der Unternehmen schreitet voran und wurde in einigen Bereichen, wie<br />
im Telekommunikationssektor, durch Privatisierungen unterstützt. Trotz einiger Fortschritte<br />
bei der Umstrukturierung und den Vorbereitungsarbeiten für die Privatisierung der<br />
staatseigenen Banken ist die Türkei gegenüber dem festgelegten Zeitplan in Rückstand<br />
geraten. Auch die Umstrukturierung und Liberalisierung des Energiesektors kam nicht wie<br />
vorgesehen voran. Zu den wichtigsten noch ungelösten Problemen in diesem Sektor gehören<br />
die Quersubventionierungen und die hohen Stromverluste bei der Verteilung. Die deutlichen<br />
Produktivitätssteigerungen im Privatsektor lassen den Erfolg der voranschreitenden<br />
Umstrukturierungen erkennen. Insgesamt wurde der Umstrukturierungsprozess fortgesetzt.<br />
Einfluss des Staates auf die Wettbewerbsfähigkeit<br />
Die Arbeit der Wettbewerbsbehörde ist nach wie vor als zufrieden stellend zu bewerten und<br />
ihre Rolle wurde durch den Privatisierungsprozess weiter gestärkt. Die Transparenz im<br />
Unternehmenssektor nahm zu und die Rechnungslegungsstandards wurden angepasst,<br />
allerdings noch nicht vollständig angewandt. Keine Fortschritte sind bei der Schaffung einer<br />
Aufsichtsbehörde für staatliche Beihilfen zu verzeichnen. Das Wettbewerbsklima wird durch<br />
das Fehlen einer transparenten Überwachung und einer politischen Strategie zur Vermeidung<br />
von Wettbewerbsverzerrungen beeinträchtigt. Die Strategie für das öffentliche<br />
Beschaffungswesen wird durch weitere Ausnahmen, die von dem Regulierungsrahmen<br />
abweichen, untergraben. So sind insgesamt zwar einige Fortschritte in Bezug auf die<br />
Wettbewerbspolitik zu verzeichnen, in bestimmten Bereichen bestehen die Mängel jedoch fort<br />
oder haben sogar zugenommen.<br />
Integration in den EU-Handel<br />
2005 verzeichneten die Ein- und Ausfuhren einen Anstieg um 3% auf und entsprachen damit<br />
rund 54% des BIP. Der Anteil der türkischen Ausfuhren in die EU an den Gesamtausfuhren<br />
ging von 54,5% im Jahr 2004 auf 52,4% im Jahr 2005 zurück, da die Ausfuhren in andere<br />
Märkte sprunghaft zugenommen hatten. Gleichzeitig ist auch der Anteil der Einfuhren aus der<br />
EU an den türkischen Gesamteinfuhren von 46,5% auf 42,2% zurückgegangen. Die EU ist<br />
nach wie vor der wichtigste Handelspartner der EU, aber auch andere Märkte gewinnen an<br />
Bedeutung. Insgesamt setzte sich die handelspolitische Öffnung des Landes fort und die Zahl<br />
der Handelspartner nahm zu.<br />
Die Arbeitsproduktivität hat sich verbessert und stieg im verarbeitenden Gewerbe während<br />
des Berichtszeitraums um 8% an. Auch im öffentlichen Sektor nahm die Produktivität weiter<br />
zu und verzeichnete eine Steigerung um 10%, während gleichzeitig 7% der Stellen abgebaut<br />
wurden. Der auf den Lohnstückkosten basierende reale effektive Wechselkurs ist bis Februar<br />
2006 deutlich angestiegen. Die massive Abwertung der Währung, die im Mai einsetzte,<br />
bewirkte eine Umkehrung der Entwicklung Im Juli und August war erneut ein leichter<br />
Aufwärtstrend festzustellen, aber der reale effektive Wechselkurs kam nicht über das Niveau<br />
des Jahresendes 2004 hinaus. Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Arbeitsproduktivität<br />
<strong>DE</strong> 34 <strong>DE</strong>
weiter verbessert hat und die bisherige Entwicklung des realen effektiven Wechselkurses<br />
durch einen drastischen Abwärtstrend umgekehrt wurde.<br />
4. FÄHIGKEIT ZUR ERFÜLLUNG <strong>DE</strong>R AUS <strong>DE</strong>R MITGLIEDSCHAFT ERWACHSEN<strong>DE</strong>N<br />
VERPFLICHTUNGEN<br />
In diesem Teil wird bewertet, inwieweit die Türkei fähig ist, die aus der EU-Mitgliedschaft<br />
erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen und den Besitzstand, d. h. die Verträge, das<br />
Sekundärrecht und die sektoralen Politiken der Union zu übernehmen. Außerdem wird die<br />
Fähigkeit der türkischen Verwaltungen zur Umsetzung des Besitzstands bewertet. Dabei<br />
werden die 33 Kapitel des Besitzstands nacheinander behandelt.<br />
<strong>DE</strong> 35 <strong>DE</strong>
<strong>DE</strong> 36 <strong>DE</strong>
4.1. Kapitel 1: Freier Warenverkehr<br />
Begrenzte Fortschritte sind im Bereich der allgemeinen Grundsätze für den freien<br />
Warenverkehr zu vermelden.<br />
Das neue Systeme für technische Vorschriften und Normung zielt auf die Angleichung an die<br />
EU-Vorschriften über die Sicherheit von aus Drittländern eingeführten Erzeugnissen<br />
(Verordnung (EWG) Nr. 339/93) sowie an die allgemeinen Grundsätze ab. Dadurch wurde<br />
die Anzahl der Erzeugnisse, die bei der Einfuhr verbindliche Normen oder technische<br />
Spezifikationen einhalten müssen, sektorenübergreifend um mehr als die Hälfte reduziert.<br />
Grundsätzlich sind Erzeugnisse, die sich im freien Verkehr in der EU befinden und die<br />
Kennzeichnung „e”, „E” oder „CE” tragen, von Konformitätsbewertungsverfahren befreit.<br />
Durchführungsvorschriften und administrative Anforderungen führen jedoch zu<br />
Einschränkungen des freien Verkehrs dieser Erzeugnisse.<br />
Gute Fortschritte wurden bei den horizontalen Maßnahmen erzielt. Auf dem Gebiet der<br />
Normung sank die Anzahl der verbindlichen Normen erheblich, vor allem im Bereich des<br />
neuen Konzepts, wo sie von 300 im Jahr 2005 auf 29 im Jahr 2006 zurückging. Die übrigen<br />
verbindlichen Normen betreffen vor allem Bauprodukte. Das türkische Normungsinstitut<br />
(TSE) nahm außerdem EN-Normen des Europäischen Komitees für Normung (CEN), des<br />
Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung (CENELEC) und des Europäischen<br />
Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI) an. Rund 90 % der CEN- und 88 % der<br />
CENELEC-Normen wurden inzwischen übernommen.<br />
Was die Konformitätsbewertung anbelangt, so wurden erhebliche Fortschritte erzielt, die<br />
allerdings eine begrenzte Anzahl von Aktivitäten und Sektoren betreffen. Die Türkei kann der<br />
Europäischen Kommission nun Konformitätsbewertungsstellen melden.<br />
Bei der Akkreditierung sind einige Fortschritte zu verzeichnen. TURKAK, die türkische<br />
Akkreditierungsbehörde, unterzeichnete die multilateralen Übereinkommen der Europäischen<br />
Kooperation für Akkreditierung (EA) in den Bereichen Eich- und Prüflabors,<br />
Qualitätssicherungszertifizierungsstellen und Inspektionsstellen.<br />
Begrenzte Fortschritte wurden auf dem Gebiet des Messwesens und der zugehörigen<br />
Verwaltungskapazitäten erzielt. Bei der Marktaufsicht konnte eine gewisse Entwicklung<br />
festgestellt werden. Das Ministerium für Industrie und Handel übte über das Netz seiner<br />
Provinzämter Marktaufsichtstätigkeiten aus. Das Gesundheitsministerium begann mit der<br />
Umsetzung seiner Marktaufsichtsstrategie in den Bereichen Spielzeug und Medizinprodukte<br />
und die Telekommunikationsbehörde setzte ihre umfassende Marktaufsichtstätigkeit fort.<br />
Äußerst begrenzte Fortschritte machte die Marktaufsicht im Bauwesen und auf dem Gebiet<br />
der persönlichen Schutzausrüstungen. An der Marktaufsicht sind zahlreiche Einrichtungen<br />
beteiligt. Die erforderlichen Verwaltungskapazitäten sind in den zuständigen Ministerien<br />
vorhanden, doch die Organisation und Koordinierung reichen für eine wirksame<br />
Durchführung der Marktaufsicht nicht aus.<br />
Einige Fortschritte wurden im Bereich der Produktvorschriften des neuen Konzepts erzielt.<br />
So traten Vorschriften über Schiffsausrüstungen sowie über Baby- und Spielzeugartikel aus<br />
Weich-PVC in Kraft. Im Amtsblatt wurden zur Information der Industrie harmonisierte<br />
Normen für Spielzeug, Druckbehälter und Gasverbrauchseinrichtungen sowie Gewichte<br />
veröffentlicht, die der näheren Erläuterung der Rechtsvorschriften dienen. Allerdings wurden<br />
Praktiken, die zu technischen Handelsschranken führen, weiter fortgesetzt. Dazu gehören<br />
<strong>DE</strong> 37 <strong>DE</strong>
Prüfgebühren für Messinstrumente. Die Vorschriften über Fertigpackungen werden<br />
angewandt.<br />
Bedingte Fortschritte sind bei Arzneimitteln zu verzeichnen. Die Vorschriften über<br />
Humanarzneimittel sind auf einem guten Stand. Allerdings bietet die Ungewissheit<br />
hinsichtlich der Zulassungsregelung für eine Reihe von Generika, für die vor dem 1. Januar<br />
2005 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt wurde, nach wie vor Anlass zu<br />
Besorgnis und Meinungsverschiedenheiten. In weiteren Bereichen, vor allem bei<br />
Tierarzneimitteln, Chemikalien und Kosmetika, sind keinerlei Entwicklungen zu vermelden.<br />
Weitere Fortschritte wurden bei den sektoralen Vorschriften des neuen Konzepts erzielt. Die<br />
Rechtsangleichung ist generell weit fortgeschritten und in einigen Sektoren bereits<br />
abgeschlossen.<br />
Die Angleichung an die Produktvorschriften des alten Konzepts ist recht weit<br />
fortgeschritten und kam in begrenztem Maß weiter voran. Einige Fortschritte wurden bei<br />
Kraftfahrzeugen erzielt. Allerdings stehen die Anforderungen der Kontrollbescheinigungen<br />
teilweise nicht mit dem Besitzstand im Einklang und stellen somit eine technische<br />
Handelsschranke dar, die mit den aus der Zollunion erwachsenden Verpflichtungen der<br />
Türkei unvereinbar ist.<br />
Was die Verfahren und vor allem das Meldeverfahren betrifft, so schritt die Angleichung an<br />
die Richtlinie über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen<br />
Vorschriften fort. Die Anzahl der Meldungen stieg an.<br />
Im nichtharmonisierten Bereich wurden keine Fortschritte verzeichnet. Die Vorschriften<br />
über die gegenseitige Anerkennung und Notifizierung müssen noch verabschiedet werden.<br />
Keine Fortschritte gab es bei Kulturgütern und Schusswaffen.<br />
Die Türkei verweigerte Schiffen und Flugzeugen unter zyprischer Flagge oder deren letzter<br />
Anlaufhafen in Zypern lag, nach wie vor den Zugang zu ihren Häfen und Flughäfen. Diese<br />
Einschränkungen verhindern häufig, dass die wirtschaftlichste Art der Beförderung gewählt<br />
werden kann, und führen damit zu einer Behinderung des freien Warenverkehrs und des<br />
Handels. Sie verstoßen gegen den Zollunionbeschluss.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Fortschritte waren unterschiedlich. Verbesserungen gab es auf Gebieten wie<br />
Akkreditierung, Normung und Konformitätsbewertung sowie in den unter die Richtlinien des<br />
neuen Konzepts fallenden Bereichen, wo die Anzahl der verbindlichen Normen drastisch<br />
gesenkt wurde. Allerdings wurde die Ermittlung und Aufhebung von Vorschriften, die den<br />
allgemeinen Grundsätzen des freien Verkehrs von Erzeugnissen und der gegenseitigen<br />
Anerkennung zuwiderlaufen, noch nicht abgeschlossen. Die verbleibenden<br />
Einfuhrlizenzanforderungen verstoßen gegen die Artikel 28 bis 30 des EG-Vertrags.<br />
Technische Handelsschranken bestehen fort.<br />
Die Konformitätsbewertungsstrukturen wurden weiter ausgebaut und ermöglichen in einigen<br />
Bereichen für eine begrenzte Anzahl von Tätigkeiten die Benennung zugelassener Behörden.<br />
<strong>DE</strong> 38 <strong>DE</strong>
Die betroffenen Ministerien, vor allem das Ministerium für Industrie und Handel,<br />
intensivierten ihre Bemühungen um die Ausübung der Marktaufsicht. Dennoch gibt es noch<br />
kein wirksames landesweites Marktaufsichtssystem, das mit den Grundsätzen des neuen<br />
Konzepts im Einklang steht.<br />
4.2. Kapitel 2: Freizügigkeit der Arbeitnehmer<br />
Beim Zugang zum Arbeitsmarkt gab es keine Neuentwicklungen. Die Freizügigkeit der<br />
Arbeitnehmer ist durch mehrere Gesetze sowie den Status der Berufsverbände eingeschränkt.<br />
Die Modernisierung der Arbeitsämter wurde fortgesetzt. Mit Blick auf die künftige<br />
Beteiligung am EURES (European Employment Services)-Netz ist darauf zu achten, dass das<br />
Personal entsprechend geschult wird.<br />
Was die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme betrifft, so enthalten die neuen<br />
Reformgesetze Elemente, die die Arbeitsbedingungen und die Sozialversicherungsrechte<br />
ausländischer Staatsbürger regeln. Ausländische Staatsbürger, die länger als ein Jahr in der<br />
Türkei wohnen, werden unter das Allgemeine Krankenversicherungsgesetz fallen.<br />
Schlussfolgerung<br />
In diesem Kapitel wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Diese betrafen vor allem die<br />
Koordinierung der Sozialversicherungssysteme. Die Rechtsangleichung befindet sich in<br />
einem frühen Stadium. Die Verwaltungskapazitäten müssen ausgebaut werden.<br />
4.3. Kapitel 3: Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr<br />
Auf dem Gebiet des Niederlassungsrechts sind keine Neuentwicklungen zu vermelden. Das<br />
Gesetz über Arbeitsgenehmigungen für Ausländer befreit selbständige EU-Staatsbürger<br />
grundsätzlich von der Pflicht, eine Arbeitsgenehmigung zu beantragen. Diese Befreiung ist<br />
jedoch nach Auslegung der türkischen Verwaltung von der Gewährung von Gegenseitigkeit<br />
abhängig. Das Ministerium für Arbeit und Sozialversicherung ist für die<br />
Arbeitsgenehmigungen für Ausländer zuständig.<br />
Was die Anforderungen für die Eintragung von Unternehmen anbelangt, so blieb das<br />
Niederlassungsrecht für Ausländer eingeschränkt. Die sektoralen Rechtsvorschriften<br />
verlangen von Unternehmen, dass sie im Besitz einer Lizenz oder Genehmigung sind, die sie<br />
nur erhalten können, wenn sie Mitglied in einer Handelskammer, einem Handelsverband oder<br />
einer anderen berufsständischen Organisation sind. In einigen Sektoren dürfen Ausländer<br />
selbst dann keine Dienstleistungen erbringen, wenn ihr Unternehmen in der Türkei<br />
niedergelassen ist. Bestimmte Berufe dürfen nicht von Ausländern ausgeübt werden. Auf<br />
diesem Gebiet ist die Rechtsangleichung an den Besitzstand insgesamt begrenzt.<br />
Im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs sind keine nennenswerten Fortschritte zu<br />
verzeichnen. Dienstleister müssen grundsätzlich eine Lizenz oder Genehmigung beantragen,<br />
auch wenn sie die Dienstleistungen nur vorübergehend anbieten. Dies ist meist an die<br />
obligatorische Mitgliedschaft in einer berufständischen Organisation geknüpft. Ausländische<br />
Unternehmen, die vorübergehend Dienstleistungen anbieten, müssen sich auch bei der<br />
zuständigen Vereinigung registrieren lassen, d. h. beim Verband der türkischen<br />
Handelskammern und Rohstoffbörsen. Das Gesetz über Handwerker und Kunsthandwerker<br />
wurde geändert. Handwerkern und Händlern, die bei einer Handelskammer Mitglied sind,<br />
steht es nun frei, ihre Tätigkeit im ganzen Land auszuüben. Die Genehmigungsverfahren sind<br />
allerdings langwierig. Ingesamt ist die Rechtsangleichung in diesem Bereich noch begrenzt.<br />
<strong>DE</strong> 39 <strong>DE</strong>
Auf dem Gebiet der Postdienste gab es keine besonderen Entwicklungen. Die Türkei hat<br />
noch nicht mit der Angleichung ihrer Rechtsvorschriften begonnen. Es gibt immer noch ein<br />
gesetzliches Postmonopol (ohne Höchstgewicht). Die Generaldirektion für Post und<br />
Telekommunikation ist der einzige Erbringer von Universaldiensten. In der Praxis gibt es<br />
jedoch de facto privatwirtschaftliche Aktivitäten im Bereich der Eilkurierdienste und der<br />
privaten Paketdienste. Die Türkei verfügt nicht über eine unabhängige Regulierungsbehörde<br />
für die Gewährleistung der Einhaltung der Post-Richtlinie und des lauteren Wettbewerbs. Die<br />
mangelnde Transparenz des Buchführungssystems verhindert die Aufdeckung potenzieller<br />
Verzerrungen, die sich aus Missbräuchen beherrschender Marktstellungen oder aus<br />
Quersubventionierungen ergeben. Ingesamt ist in diesem Bereich noch keine<br />
Rechtsangleichung erfolgt.<br />
Die Türkei hat den in der Beitrittspartnerschaft erwähnten „Fahrplan“ für die Umsetzung des<br />
Besitzstands im Bereich der Postdienste nicht ausgearbeitet.<br />
Im Bereich der reglementierten Berufe wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Die<br />
Rechtsvorschriften der Türkei beinhalten keine allgemeine Regelung für die Anerkennung<br />
ausländischer Berufsqualifikationen im Unterschied zu Bildungsqualifikationen. Im<br />
September 2006 wurde ein Gesetz erlassen, durch das eine neue unabhängige Behörde die<br />
Zuständigkeit für Berufsstandards erhält. Die sektoralen Richtlinien über reglementierte<br />
Berufe wurden jedoch nicht umgesetzt und die Mindestausbildungsanforderungen für die<br />
Berufe des Gesundheitswesens wurden nicht an den Besitzstand angepasst. Die<br />
Verwaltungsstellen für die Anerkennung ausländischer Befähigungsnachweise beschränken<br />
sich auf die akademische Anerkennung, während für die Bescheinigung der beruflichen<br />
Befähigung und die Bearbeitung der von Ausländern vorgelegten Anerkennungsanträge keine<br />
Strukturen vorhanden sind. Die Staatsangehörigkeitserfordernisse für Berufe wie<br />
Rechtsanwälte, Ärzte, Zahnärzte und Hebammen sowie für Fluglotsen und private<br />
Sicherheitsdienste stehen nicht mit dem Besitzstand im Einklang. Ingesamt wurden die<br />
Rechtsvorschriften in diesem Bereich nur geringfügig an den Besitzstand angeglichen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Angleichung an den Besitzstand ist in diesem Bereich insgesamt begrenzt. Die EG-<br />
Grundsätze auf dem Gebiet des Niederlassungsrechts und der Dienstleistungsfreiheit wurden<br />
nicht vollständig übernommen. Bei der Liberalisierung der Postdienste und der Errichtung<br />
einer unabhängigen Regulierungsbehörde wurden keine Fortschritte erzielt. Im Bereich der<br />
reglementierten Berufe wurden begrenzte Fortschritte verzeichnet, doch die türkischen<br />
Rechtsvorschriften basieren auf einem anderen Konzept als der Besitzstand.<br />
4.4. Kapitel 4: Freier Kapitalverkehr<br />
Im Bereich des Kapital- und Zahlungsverkehrs sind keine Fortschritte zu vermelden. In der<br />
Türkei bestehen erhebliche Beschränkungen in Bereichen wie Kapitalabflüsse ins Ausland,<br />
Kredit- und Bargeldgeschäfte, ausländische Direktinvestitionen in einer Reihe von Sektoren,<br />
staatliche Sonderrechte an privatisierten Unternehmen und Grundbesitzerwerb durch<br />
Ausländer.<br />
Auf dem Gebiet des Grundbesitzes bedeuten die unlängst verabschiedeten Rechtsvorschriften<br />
einen Rückschritt. Mit dem geänderten Grundbuchgesetz werden der Grundsatz der<br />
Gegenseitigkeit für den Erwerb von Grundbesitz in der Türkei durch Ausländer sowie<br />
stärkere Einschränkungen dieses Rechts eingeführt, die u. a. die Größe und Lage des<br />
<strong>DE</strong> 40 <strong>DE</strong>
Grundbesitzes betreffen, der von Ausländern gekauft werden darf. Für ausländische<br />
Handelsunternehmen gelten beim Erwerb von Grundbesitz neben den Beschränkungen des<br />
Grundbuchgesetzes auch sektorale Vorschriften. Dazu zählen das Erdölgesetz, das<br />
Tourismusförderungsgesetz und das Gesetz über Industriegebiete. Der Ministerrat kann zum<br />
Schutz des öffentlichen Interesses und der nationalen Sicherheit den Verkauf bestimmter<br />
Grundstücke einschränken.<br />
Die Vorbereitungen auf die Rechtsangleichung im Bereich des Kapital- und Zahlungsverkehrs<br />
sind im Gange. In Bezug auf die Zahlungssysteme und die grenzüberschreitenden<br />
Überweisungen hat es begrenzte Fortschritte gegeben. Das neue Bankengesetz gestattet dem<br />
türkischen Bankenverband, ein außergerichtliches Streitbeilegungsorgan für Beschwerden<br />
über grenzüberschreitende Überweisungen einzurichten. Noch wurde diese Stelle jedoch nicht<br />
errichtet.<br />
Auf dem Gebiet der Bekämpfung der Geldwäsche wurden bei der Angleichung der immer<br />
noch lückenhaften Rechtsvorschriften an den Besitzstand keine Fortschritte erzielt. Das größte<br />
Problem im Zusammenhang mit der Geldwäsche in der Türkei ist das Fehlen wirksamer<br />
Durchsetzungsmechanismen. Einige Fortschritte wurden bei der Meldung verdächtiger<br />
Überweisungen verzeichnet (352 Meldungen an die Ermittlungsbehörde für<br />
Wirtschaftskriminalität, MASAK, verglichen mit 290 im Jahr 2004). Dennoch ist die Anzahl<br />
der Meldungen gering und sie beschränken sich auf den Bankensektor. In 33 Fällen wurden<br />
Strafverfahren eingeleitet, verglichen mit 41 im Jahr 2004. Auch Verurteilungen sowie die<br />
Beschlagnahme, Einziehung und das Einfrieren von Vermögenswerten blieben selten.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Fortschritte waren äußerst begrenzt. Auf dem Gebiet des Kapitalverkehrs bestehen<br />
wesentliche Beschränkungen, darunter bezüglich des Erwerbs von Grundbesitz durch<br />
Ausländer. Im Bereich der Zahlungssysteme ist die Rechtsangleichung auf einem niedrigen<br />
Stand. Die Angleichung der Rechtsvorschriften über Geldwäsche ist unvollständig. Die<br />
Ermittlungskapazitäten der Strafverfolgungsbehörden sind unzureichend und eine<br />
behördenübergreifende und internationale Zusammenarbeit findet kaum statt. Insgesamt ist<br />
die Rechtsangleichung begrenzt. Die Vorbereitungen auf die Rechtsangleichung im Bereich<br />
des Kapital- und Zahlungsverkehrs bedürfen weiterer Aufmerksamkeit.<br />
4.5. Kapitel 5: Öffentliches Beschaffungswesen<br />
Bei den allgemeinen Grundsätzen können keine Fortschritte vermeldet werden. Durch<br />
verschiedene sektorale Gesetze wurde eine Reihe von Ausnahmen zum Besitzstand in das<br />
türkische Gesetz über öffentliche Beschaffungen eingeführt. Unter anderem wurde durch ein<br />
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Finanzverwaltung und Finanzkontrolle<br />
eine Ausnahme für bestimmte Auftragsvergabeverfahren der türkischen Erdölgesellschaft<br />
eingeführt. Das Gesetz über die Agenturen für Regionalentwicklung (die die<br />
Entwicklungstätigkeiten in der gesamten Türkei koordinieren sollen) nimmt jeglichen von<br />
diesen Agenturen getätigten Erwerb von Waren und Dienstleistungen vom Geltungsbereich<br />
des Gesetzes über öffentliche Beschaffungen aus. Das Gesetz zur Errichtung einer Agentur<br />
für die Unterstützung und Förderung von Investitionen sieht für diese Agentur die gleiche<br />
Ausnahme vor. Darüber hinaus enthält das Gesetz über öffentliche Beschaffungen nach wie<br />
vor Elemente, durch die ausländische Bieter diskriminiert werden.<br />
<strong>DE</strong> 41 <strong>DE</strong>
In Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge können keine Fortschritte vermeldet<br />
werden. Das Amt für öffentliche Beschaffungen hat die Schwellen und finanziellen<br />
Höchstgrenzen für Beschaffungen aktualisiert; diese liegen immer noch über dem in der EG<br />
üblichen Niveau. Dadurch werden die Teilnahmemöglichkeiten ausländischer Bieter<br />
eingeschränkt. Darüber hinaus stellten komplizierte und kostspielige Qualifizierungsverfahren<br />
weiterhin ein bürokratisches Hindernis für einen größeren Wettbewerb bei öffentlichen<br />
Ausschreibungen dar.<br />
Zwischen den türkischen Rechtsvorschriften über öffentliche Beschaffungen und dem<br />
Besitzstand bestehen in mehrerer Hinsicht Diskrepanzen. Einige grundlegende Definitionen<br />
wie die der Begriffe „Auftraggeber“ und „Beschaffungsaufträge“ stimmen nicht mit den<br />
einschlägigen EU-Richtlinien überein. Weder für Konzessionen im Allgemeinen noch für<br />
Versorgungsleistungen gibt es einen klaren Rechtsrahmen. Im Gesetz über öffentliche<br />
Beschaffungen fehlen Bestimmungen über öffentliche Baukonzessionen.<br />
Was die Verwaltungskapazitäten anbelangt, so wird eine wirksame Arbeit des Amts für<br />
öffentliche Beschaffungen durch die unzulängliche Koordinierung auf Ebene der<br />
Politikgestaltung unterminiert. Das Beschaffungsamt und die Wirtschafts- und<br />
Technologiehochschule des TOBB führen ein Schulungsprogramm für potenzielle Bieter zu<br />
Vorgehensweisen im öffentlichen Beschaffungswesen durch.<br />
In Bezug auf die Rechtsbehelfe sind keine neuen Entwicklungen zu verzeichnen. Die<br />
Überprüfungsverfahren stehen nicht mit dem Besitzstand in Einklang. Bei der<br />
Beschwerdekammer für öffentliche Beschaffungen wurden 2 135 Beschwerden im<br />
Zusammenhang mit den 115 639 Ausschreibungen eingereicht, die 2005 veröffentlicht<br />
wurden. Damit stieg die Anzahl der Beschwerden im Vergleich zum Vorjahr um 47%.<br />
Schlussfolgerung<br />
In Bezug auf dieses Kapitel wurden nur äußerst geringe Fortschritte erzielt. Das<br />
Beschaffungssystem in der Türkei wurde in einigen Aspekten geschwächt, vor allem wurde<br />
der Anwendungsbereich der Beschaffungsvorschriften durch die Einführung sektoraler<br />
Ausnahmen eingeengt.<br />
Die Kapazitäten der durch das Gesetz über öffentliche Beschaffungen eingeführten<br />
Verwaltungsstrukturen reichen nicht aus. Das Beschaffungsamt ist weder in der Lage, eine<br />
schlüssige Politik in allen Bereichen des öffentlichen Beschaffungswesens sicherzustellen,<br />
noch die Anwendung der Beschaffungsvorschriften wirksam zu steuern. Es müssen<br />
Fortschritte gemacht werden, indem eine Einrichtung für das Beschaffungswesen eingeführt<br />
wird, die für eine kohärente Politik in allen Bereichen des öffentlichen Beschaffungswesens<br />
sorgt, indem eine umfassende Strategie eingeführt wird und indem der Anwendungsbereich<br />
der Rechtsvorschriften dahingehend geändert wird, dass alle einschlägigen Fragen erfasst<br />
werden.<br />
4.6. Kapitel 6: Gesellschaftsrecht<br />
Auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts gab es in Erwartung der Verabschiedung des neuen<br />
Handelsgesetzbuchs keine Fortschritte bei der Angleichung des türkischen Rechtsrahmens.<br />
Die (von den Handelskammern geführten) Unternehmensregister verfügen nicht über die<br />
technische Infrastruktur für die Erfüllung der einschlägigen Anforderungen des Besitzstands.<br />
<strong>DE</strong> 42 <strong>DE</strong>
Im Bereich der Rechnungslegung wurden einige Fortschritte erzielt. Das türkische Amt für<br />
Rechnungslegungsstandards (TASB) hat fast alle der International Accounting Standards<br />
(IAS) und International Financial Reporting Standards (IFRS) übernommen. Diese sind<br />
jedoch weder rechtsverbindlich noch werden sie generell von türkischen Unternehmen<br />
angewandt. Darüber hinaus sind die Angehörigen der Rechnungslegungs- und<br />
Rechnungsprüfungsberufe in der Türkei aufgrund von Lücken in den allgemeinen und<br />
beruflichen Bildungsprogrammen nicht in der Lage, den Besitzstand anzuwenden.<br />
Die Türkei verfügt nicht über einen allgemeinen Rechnungslegungsrahmen, der international<br />
anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen entsprechen würde. Die meisten Unternehmen<br />
erstatten auf der Grundlage steuerbezogener Anforderungen Bericht. Öffentliche<br />
Unternehmen arbeiten ihre Berichte im Einklang mit den von der Kapitalmarktbehörde<br />
festgelegten Anforderungen aus. Die Rechnungslegungspflichten für Banken werden von der<br />
Regulierungs- und Aufsichtbehörde für den Bankensektor festgelegt. Beide stehen<br />
weitgehend im Einklang mit den IAS/IFRS. Die Vorschriften weichen jedoch in einigen<br />
Aspekten ab, vor allem hinsichtlich des Umfangs der Konsolidierung, von dem<br />
Nichtfinanzunternehmen einer Gruppe ausgenommen sind.<br />
Bei den Verwaltungskapazitäten des TASB gab es einige Fortschritte. Das Amt zog in<br />
endgültige Räumlichkeiten ein, das Personal wurde aufgestockt und weitere Einstellungen<br />
sind im Gange. Die Offenlegungspflichten müssen verstärkt werden.<br />
Im Bereich der Rechnungsprüfung wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Im Juni 2006 gab<br />
die Kapitalmarktbehörde ein Kommuniqué über unabhängige Rechnungsprüfungsstandards<br />
im Kapitalmarkt heraus, mit dem die „International Standards of Audit (ISA)“ der<br />
International Federation of Accountants eingeführt wurden. Die Regulierungs- und<br />
Aufsichtsbehörde für den Bankensektor verabschiedete Durchführungsvorschriften zu<br />
Rechnungsprüfungsgrundsätzen. Die Kapitalmarktbehörde und die Regulierungs- und<br />
Aufsichtsbehörde für den Bankensektor schreiben vor, dass die Abschlüsse von<br />
börsennotierten Unternehmen bzw. von Banken geprüft werden. Allerdings gibt es keinen<br />
allgemeingültigen Rahmen, der international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen<br />
entsprechen würde, und der Reglementierungsrahmen für den Beruf des Rechnungsprüfers<br />
bedarf erheblicher Verbesserungen.<br />
Die Berichte unabhängiger Rechnungsprüfungsgesellschaften über staatliche<br />
Aktiengesellschaften unterliegen Qualitätskontrollen der Kapitalmarktbehörde. Die<br />
Kontrollen werden auf Zufallsbasis oder bei Bedenken hinsichtlich der Qualität der Berichte<br />
durchgeführt. Zuständig dafür ist die Abteilung für Rechungslegung und Rechnungsprüfung<br />
der Kapitalmarktbehörde, die 2005 über 7 Bedienstete verfügte (2004 waren es 9). Allerdings<br />
sind nur 613 (2005) von etwa 2 048 059 (2005) Unternehmen staatliche Aktiengesellschaften<br />
(s. Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen).<br />
Schlussfolgerung<br />
In Bezug auf dieses Kapitel gab es begrenzte Fortschritte, die sich auf den Bereich der<br />
Rechnungslegung konzentrierten.<br />
Die internationalen Rechnungslegungsstandards der IFRS und der ISA wurden angenommen.<br />
Sie sind für die Mehrheit der türkischen Unternehmen jedoch nicht rechtsverbindlich und<br />
wurden nicht konsequent durchgesetzt. Wirtschaft, Investoren und die Öffentlichkeit sind<br />
nicht ausreichend aufgeklärt. Der allgemeine Stand der Rechtsangleichung ist sowohl auf dem<br />
<strong>DE</strong> 43 <strong>DE</strong>
Gebiet des Gesellschaftsrechts als auch hinsichtlich der Vorlage von<br />
Unternehmensabschlüssen niedrig.<br />
4.7. Kapitel 7: Rechte an geistigem Eigentum<br />
Bei der Angleichung der Rechtsvorschriften an die Gemeinschaftsvorschriften über<br />
Urheberrechte und verwandte Schutzrechte wurden in begrenztem Maß weitere<br />
Fortschritte erzielt. Was die Anwendung betrifft, so wurde die Verordnung über Verfahren<br />
und Grundsätze für die Verwendung von Banderolen geändert, wodurch die Bedingungen für<br />
die Anbringung von Banderolen gelockert wurden. Es wurde eine Verordnung über die<br />
Aufzeichnung und Registrierung von geistigen und künstlerischen Werken veröffentlicht.<br />
Bestimmte Werke müssen nun registriert sein, um geschützt zu werden, was dem Abkommen<br />
von Rom zuwiderläuft.<br />
Die häufige Änderung der Rechtsvorschriften schränkte deren Vorhersehbarkeit und<br />
Durchsetzbarkeit ein. Der Regulierungsrahmen für Verwertungsgesellschaften ist<br />
unzulänglich und ungenau. Die Verwertungsgesellschaften werden nicht ausreichend<br />
überwacht. Die Auseinandersetzungen zwischen Verwertungsgesellschaften über die<br />
Vertretung von Rechteinhabern halten an.<br />
Insgesamt hat die Türkei ihre Rechtsvorschriften über Urheberrecht und verwandte<br />
Schutzrechte weitgehend angeglichen. Problembereiche waren nach wie vor die<br />
unzulänglichen Verwaltungskapazitäten, häufige und widersprüchliche Änderungen der<br />
Rechtsvorschriften sowie Auseinandersetzungen über die kollektive Rechtewahrnehmung.<br />
Bei den gewerblichen Schutzrechten wurden wenig Fortschritte erzielt. Es fanden weitere<br />
Seminare zur Sensibilisierung von KMU, Rechteinhabern und der Öffentlichkeit statt. Was<br />
die Verwaltungskapazitäten betrifft, so hat das türkische Patentamt seine IT-Strukturen und<br />
Online-Dienste verbessert. Die Datenbanken für eingetragene gewerbliche Muster,<br />
Handelsmarken und Patente wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, damit vorab nach<br />
früheren Rechten und dem Stand der Rechte gesucht werden kann. Dadurch sinken die Kosten<br />
für die Anmelder deutlich und das Anmeldeverfahren wird verkürzt. Allerdings gibt es einige<br />
Schwachstellen im Funktionieren des Patentamts, die vor allem Berufungs- und<br />
Einspruchsverfahren für Markenanmeldungen betreffen. Diese sind langwierig und die<br />
Entscheidungen oft unzureichend begründet. Darüber hinaus wurden einige bösgläubig<br />
vorgenommene und/oder keine unterscheidungskräftigen Bestandteile enthaltenden<br />
Musteranmeldungen registriert, die nur durch Gerichtsurteile annulliert werden können.<br />
Was die Durchsetzung der Rechtsvorschriften betrifft, so leisten die für die Bekämpfung von<br />
Nachahmungen zuständigen Kommissionen der Provinzen keine wirksame Arbeit. Das dritte<br />
Zivilgericht für gewerbliche Schutzrechte wurde eingerichtet, doch die Anzahl derartiger<br />
Gerichte und ihre logistische Infrastruktur reichen nicht aus. So kam es weiter zu<br />
Schwierigkeiten bei der Erwirkung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsbefehlen bei<br />
nicht spezialisierten niedrigeren Gerichten. Die Ausbildung der Richter muss verbessert<br />
werden.<br />
Die nationale Polizei setzte ihre Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte an geistigem und<br />
gewerblichem Eigentum und die Schulung ihres Personals fort. Gegen Produktpiraterie und<br />
Nachahmung wird jedoch nicht im Kontext der Bekämpfung der organisierten Kriminalität<br />
vorgegangen und die Gesamtkapazitäten der Strafverfolgungsbehörden reichen nach wie vor<br />
<strong>DE</strong> 44 <strong>DE</strong>
nicht aus. Dies hat zur Folge, dass ein wesentlicher Anteil des türkischen Markts für Bücher<br />
und Musik in den Händen von Piraterie-Händlern liegt.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Rechtsangleichung ist in diesem Kapitel bereits weit fortgeschritten. Es wurden keine<br />
weiteren Verbesserungen bei der Angleichung der Vorschriften über Urheberrecht und<br />
verwandte Schutzrechte vorgenommen. Die Verwaltungskapazitäten wurden ausgebaut,<br />
reichen jedoch vor allem beim Urheberrecht und bei den verwandten Schutzrechten noch<br />
immer nicht aus. Insgesamt werden die Rechtsvorschriften nicht wirksam genug durchgesetzt.<br />
Mängel gibt es noch bei der Anwendung der Rechtsvorschriften durch nichtspezialisierte<br />
niedrigere Gerichte, und es wird zu starker Gebrauch von der Möglichkeit gemacht,<br />
Sachverständige als Zeugen heranzuziehen. Die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen<br />
den zuständigen Einrichtungen, d. h. dem Justizministerium, der Justiz, der Polizei, dem<br />
Finanzministerium, dem Unterstaatssekretariat für Zoll, den Gemeinden und den<br />
Rechteinhabern, müssen weiter verstärkt werden.<br />
4.8. Kapitel 8: Wettbewerbspolitik<br />
Die seit dem letzten Bericht erzielten Fortschritte bei der Wettbewerbspolitik ergeben ein<br />
uneinheitliches Bild.<br />
Was den Kartellbereich sowie die Fusionen betrifft, so schritt die Rechtsangleichung voran.<br />
Die Wettbewerbsbehörde glich ihre Gruppenfreistellungsvorschriften auf dem Gebiet des<br />
Kraftfahrzeugvertriebs an den Besitzstand an. Darüber hinaus änderte sie ihr Kommuniqué<br />
über Bußgelder, um deren Höhe ab Ende 2006 heraufzusetzen. Die sektorspezifischen<br />
Gruppenfreistellungsvorschriften im Versicherungs-, Telekommunikations- und Postwesen<br />
müssen noch an den Besitzstand angeglichen werden und die Vorschriften für<br />
Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit und die De-minimis-Regeln sind noch in<br />
das Wettbewerbsrecht aufzunehmen. Was die Rechtsdurchsetzung anbelangt, so verhängte die<br />
Wettbewerbsbehörde weiter Geldbußen für die Verletzung der Wettbewerbsregeln,<br />
beispielsweise in der Stahlindustrie. Der Stand der Rechtsangleichung bei den<br />
Kartellvorschriften ist hoch.<br />
Die Wettbewerbsbehörde spielte weiter eine aktive Rolle in der Fusionskontrolle; wichtig<br />
waren vor allem Privatisierungsfälle, durch die ihre Präsenz für die Marktteilnehmer besser<br />
sichtbar wurde. Was die Rechtsangleichung betrifft, so änderte die Wettbewerbsbehörde die<br />
Fusionskontrollvorschriften, um Geldbußen für nicht bei ihr angemeldete Fusionen<br />
einzuführen. Falls festgestellt wird, dass die Genehmigung einer Fusion auf falschen Angaben<br />
der Antragsteller beruht, kann die Wettbewerbsbehörde darüber hinaus die Ermittlungen<br />
wieder aufnehmen und die Fusion gegebenenfalls untersagen.<br />
Die Wettbewerbsbehörde ist verwaltungstechnisch wie operationell unabhängig. Sie verfügt<br />
über ausreichende Verwaltungskapazitäten für die Durchsetzung der kartellrechtlichen<br />
Bestimmungen und der Fusionskontrolle. Die Behörde misst der regelmäßigen Schulung ihres<br />
Personals große Bedeutung bei. Die Verpflichtung von Staat und Legislative zur Beseitigung<br />
und Vermeidung gesetzlicher Wettbewerbsschranken kann besser eingehalten werden, wenn<br />
die Stellungnahmen der Behörde zu allen Gesetzentwürfen, die sich auf den Wettbewerb<br />
auswirken können, konsequent berücksichtigt werden.<br />
Die Verwaltungskapazitäten des Obersten Verwaltungsgerichts bereiten immer noch Sorge.<br />
Die Bearbeitung von Berufungsfällen im Wettbewerbsbereich erfolgt nur langsam.<br />
<strong>DE</strong> 45 <strong>DE</strong>
Hinsichtlich der Angleichung der Vorschriften über öffentliche Unternehmen und<br />
Unternehmen mit Ausschließlichkeits- und Sonderrechten kann keine Neuentwicklung<br />
vermeldet werden. Die Türkei muss die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen<br />
Behörden und öffentlichen Unternehmen sicherstellen.<br />
Was die Durchsetzungsbilanz anbelangt, so erließ die Wettbewerbsbehörde 2005 insgesamt<br />
317 Entscheidungen, von denen 97 Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln, 50 Negativatteste<br />
und 170 Fusionen und Übernahmen betrafen. Die Wettbewerbsbehörde verhängte in 12 Fällen<br />
Geldbußen in Höhe von insgesamt 25 040 479 TRL (rund 12,5 Mio. EUR).<br />
Die Angleichung der Rechtsvorschriften über staatliche Beihilfen stagniert und auch die<br />
Einrichtung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde für staatliche Beihilfen macht keine<br />
Fortschritte. Dadurch verzögert sich nicht nur die Annahme von Durchführungsvorschriften<br />
zum Wettbewerbsgesetz, zu der die Türkei gemäß Assoziationsratsbeschluss 1/95 verpflichtet<br />
ist, sondern es werden auch erhebliche Wettbewerbsverzerrungen verursacht.<br />
Die Rechtsvorschriften wurden geändert, um die Möglichkeit der Ausgabe neuer<br />
Investitionsförderungszertifikate an die Stahlindustrie auszusetzen. Die Unternehmen<br />
profitierten allerdings weiter von der Wirkung früherer Zertifikate. Die Türkei hat entgegen<br />
ihren Verpflichtungen aus dem 1996 mit der EGKS geschlossen Freihandelsabkommen keine<br />
ausreichende Transparenz der im Stahlsektor gewährten Beihilfen sichergestellt. Am 31.<br />
August 2006 übermittelte die Türkei der Kommission ein nationales<br />
Umstrukturierungsprogramm für den Stahlsektor. Es wird derzeit von den<br />
Kommissionsdienststellen geprüft.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Angleichung der Kartellvorschriften an den Besitzstand ist weit vorangeschritten. Das<br />
Gesetz über den Schutz des Wettbewerbs und die Verordnung über Fusionen und<br />
Übernahmen spiegeln die wichtigsten Grundsätze der Gemeinschaftsvorschriften wider. Die<br />
Durchsetzung der Vorschriften durch die Wettbewerbsbehörde ist weiter als zufrieden<br />
stellend zu bewerten. Auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen wurden seit dem letzten<br />
Bericht keine Fortschritte erzielt. Die Türkei verfügt weder über den erforderlichen<br />
Rechtsrahmen noch über die Verwaltungsstrukturen für die Gewährleistung von Transparenz<br />
und die Umsetzung der einschlägigen EU-Vorschriften.<br />
4.9. Kapitel 9: Finanzdienstleistungen<br />
Im Bankwesen gab es einige Fortschritte. Es trat ein neues Bankengesetz in Kraft, mit dem<br />
die Kredithöchstgrenze für Mutterunternehmen auf den EU-Standard gesenkt wurde. Darüber<br />
hinaus wurde mit diesem Gesetz eine risikobasierte Beaufsichtigung eingeführt, das Monopol<br />
der vereidigten Bankprüfer für innerbetriebliche Prüfungen aufgehoben und eine Kommission<br />
für den Finanzsektor eingesetzt, um die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsstellen des<br />
Finanzsektors zu verbessern. Einige Fortschritte wurden hinsichtlich der Annahme neuer<br />
Durchführungsbestimmungen durch die Regulierungs- und Aufsichtbehörde für den<br />
Bankensektor erzielt, einschließlich sekundärer Vorschriften über die Grundsätze für<br />
Systemprüfungen. Der Ausschluss der Nichtfinanzunternehmen einer Gruppe aus den<br />
konsolidierten Abschlüssen von Banken unterminiert die wirksame Beaufsichtigung von<br />
Banken, die Teile von Mischkonzernen sind (s. Kapitel 6 – Gesellschaftsrecht). Die<br />
Regulierungs- und Aufsichtsbehörde für den Bankensektor stockte ihr Personal auf und<br />
veröffentlichte einen Strategischen Plan für 2006-2009 mit den wesentlichen strategischen<br />
<strong>DE</strong> 46 <strong>DE</strong>
Zielen. Das Inkrafttreten einer neuen Satzung des türkischen Bankenverbands stellt eine<br />
positive Entwicklung dar, da damit bezweckt wird, die Diskriminierung gegenüber Banken in<br />
ausländischem Besitz abzuschaffen. Die Aufsichtsverfahren, vor allem die konsolidierte<br />
Beaufsichtigung, befinden sich noch in einem frühen Stadium. Ingesamt wurde die<br />
Rechtsangleichung an den Besitzstand im Banksektor nur teilweise vollzogen.<br />
Im Versicherungssektor und bei den Zusatzrenten gab es einige Fortschritte. Für<br />
Versicherungen, Rückversicherungen und Rentenversicherungsgesellschaften wurde eine<br />
neue Solvabilitätsregelung verabschiedet. Sie ähnelt dem derzeit geltenden EU-Rahmen<br />
„Solvabilität I“, orientiert sich jedoch auch an der laufenden Studie zu „Solvabilität II“. Das<br />
geltende Versicherungsaufsichtsgesetz ist veraltet; mehrere Bestimmungen wurden durch<br />
Gerichtsurteile aufgehoben. In der Türkei gibt es keine spezifischen Rechtsvorschriften über<br />
die Beaufsichtigung von Versicherungskonzernen, über konsolidierte Abschlüsse von<br />
Versicherungen und über Rückversicherungen. Letztere fallen derzeit unter die Vorschriften<br />
für Schadensversicherungen. Was den Besitzstand auf dem Gebiet der spezifischen<br />
Schadensversicherungen betrifft, so verfügt die Türkei nicht über Vorschriften für<br />
Mitversicherungen, Kreditversicherungen, Rechtsschutzversicherungen und<br />
Reiseversicherungen. Das Untersekretariat des Schatzamtes reguliert und beaufsichtigt den<br />
Versicherungssektor, einschließlich der Zusatzrenten. Innerhalb des Schatzamts ist die<br />
Generaldirektion Versicherungen für die Regulierungstätigkeit und die externe<br />
Beaufsichtigung zuständig, während das Versicherungsaufsichtsgremium interne Kontrollen<br />
in den Unternehmen durchführt. Die Durchsetzungskapazität und Unabhängigkeit dieser<br />
Stellen sowie die Koordinierung zwischen ihnen befinden sich noch in einem frühen<br />
Entwicklungsstadium. Trotz gewisser Fortschritte ist die Angleichung der Rechtsvorschriften<br />
an den Besitzstand im Versicherungsbereich noch begrenzt.<br />
Einige Fortschritte sind auf dem Gebiet der Wertpapiermärkte und –dienstleistungen zu<br />
verzeichnen. Die Ausgabe der ersten Unternehmensobligationen des Privatsektors seit zehn<br />
Jahren stellt eine begrüßenswerte Entwicklung dar. Als positiv ist auch die Verabschiedung<br />
von Vorschriften zu bewerten, die eine bessere Information der Kunden vorsehen und die<br />
Beschränkungen hinsichtlich der Beteiligungsgrenzen für Brokerfirmen aufheben. Allerdings<br />
sind die Fortschritte noch gering, vor allem bei den Anlegerentschädigungssystemen, der<br />
grenzübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen, den Offenlegungspflichten und den<br />
Emissionsprospekten. Die Angleichung an die Marktmissbrauchsrichtlinie ist begrenzt. Die<br />
Kapazitäten von Verwaltung und Justiz zur Durchsetzung der Kapitalmarktvorschriften<br />
reichen nicht ganz aus. Die Kapitalmarktbehörde reguliert und überwacht die<br />
Wertpapierdienstleistungen und -märkte in der Türkei. Ihre Verwaltungskapazitäten als<br />
Regulierungsbehörde sind recht zufrieden stellend, müssen jedoch im Auge behalten werden,<br />
wenn die türkischen Rechtsvorschriften weiter an den Besitzstand angeglichen werden. Die<br />
Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden ist unterentwickelt.<br />
Die Vorschriften über Wertpapierdienstleistungen und –märkte sind teilweise an den<br />
Besitzstand angeglichen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Türkei hat in diesem Kapitel Fortschritte erzielt. Sie erließ ein neues Bankengesetz. Im<br />
Bereich Versicherungen und Zusatzrenten stellt die Verabschiedung einschlägiger<br />
Solvabilitätsvorschriften eine Verbesserung dar. Insgesamt wurden die<br />
Versicherungsvorschriften jedoch nur in geringem Maß an den Besitzstand angepasst. Auf<br />
dem Gebiet der Wertpapierdienstleistungen und –märkte bedarf es einer weiteren Anpassung<br />
<strong>DE</strong> 47 <strong>DE</strong>
ei den Anlegerentschädigungssystemen, der grenzübergreifenden Erbringung von<br />
Dienstleistungen, den Offenlegungspflichten und den Emissionsprospekten. Die<br />
Aufsichtskapazitäten befinden sich in einem frühen Aufbaustadium, vor allem im<br />
Versicherungssektor und auf den Wertpapiermärkten.<br />
4.10. Kapitel 10: Informationsgesellschaft und Medien<br />
Im Bereich elektronische Kommunikation und Informationstechnologien wurden einige<br />
Fortschritte erzielt. Die Türkei setzte ihre Bemühungen um die Rechtsangleichung mit der<br />
Verabschiedung neuer Durchführungsvorschriften fort. So erließ sie im Mai 2006 eine<br />
Durchführungsverordnung über „Wegerechte“. Darüber hinaus erteilte sie eine große Anzahl<br />
entsprechender Lizenzen, einschließlich Infrastrukturlizenzen. Die Betreiberauswahl und<br />
Betreibervorauswahl sind in einigen kürzlich geschlossenen<br />
Zusammenschaltungsvereinbarungen enthalten. Allerdings ist bisher nur eine geringe Anzahl<br />
neuer Anbieter operationell. Dies bedeutet, dass der effektive Wettbewerb auf dem<br />
Festnetztelefonmarkt sich noch im Anfangsstadium befindet. Außerdem steht die Umsetzung<br />
von Vorkehrungen zur Sicherung des Wettbewerbs, wie Teilnehmeranschlussentbündelung<br />
und Nummernübertragbarkeit, noch aus. In diesem Bereich basieren die türkischen<br />
Rechtsvorschriften auf dem EU-Regulierungsrahmen von 1998. Die<br />
Telekommunikationsbehörde hat auf dieser Grundlage Beschlüsse über Marktanalysen<br />
gefasst. Diese wurden allerdings im Geltungsbereich des Regulierungsrahmens von 2002<br />
durchgeführt. Die Türkei hat noch keine neuen Rechtsvorschriften erlassen, die an den<br />
Rahmen von 2002 angepasst sind.<br />
Neue Beschlüsse, den Universaldienst auszuweiten, indem eine nationale Strategie zur<br />
Bekämpfung der Computerinkompetenz (einschließlich der Gewährung eines Exklusivrechts<br />
an einen Betreiber für die Erbringung dieser Dienste) sowie die Entwicklung des digitalen<br />
Fernsehens in der Türkei einbezogen werden, stehen nicht im Einklang mit dem geltenden<br />
EU-Recht.<br />
Die einheitliche europäische Notrufnummer 112 wurde – neben anderen Notrufnummern – als<br />
einheitliche Notrufnummer eingeführt und kann kostenlos angerufen werden.<br />
Die Mehrheit der Anteile an Türk Telekom wurde an den Privatsektor veräußert. Im Mai 2006<br />
erwarb Vodafon den Mobilfunkbetreiber Telsim. Auf dem Mobiltelefonmarkt herrscht mit<br />
drei Anbietern und einer Marktpenetration von 63,7 % (Stand: Mai 2006) Wettbewerb. Auf<br />
dem Festnetzmarkt fällt dieser vor allem deswegen geringer aus, weil die entsprechenden<br />
wettbewerbssichernden Vorkehrungen noch nicht eingeführt wurden. Die Penetration bei<br />
Internetdiensten erreichte im Mai 15,5 %. Der Mangel an Wettbewerb ist der Hauptgrund für<br />
die geringe Breitbandabdeckung, die mit ständigen Qualitätsproblemen und hohen Gebühren<br />
verbunden ist.<br />
Die Telekommunikationsbehörde stockte ihr Personal auf und 128 Personen sind nun<br />
unmittelbar mit Regulierungsaufgaben befasst. Angesichts des erwarteten Zutritts neuer<br />
Anbieter und der zunehmenden Angleichung an den Regulierungsrahmen der EU müssen ihre<br />
Verwaltungskapazitäten weiter überwacht werden. Bei den Verwaltungskapazitäten des<br />
Verkehrsministeriums gab es keine Fortschritte. Die Rechtsangleichung in diesem Bereich ist<br />
derzeit insgesamt als zufrieden stellend zu bezeichnen.<br />
Die Marktentwicklung wurde weiter durch sehr hohe Steuern für Kommunikationen<br />
beeinträchtigt, nämlich 15 % im Festnetztelefonbereich und 25 % im Mobiltelefonbereich<br />
<strong>DE</strong> 48 <strong>DE</strong>
zusätzlich zu der Mehrwertsteuer von 18 %. Darüber hinaus werden verschiedene Abgaben<br />
erhoben, vor allem von den Mobiltelefonbetreibern.<br />
Was die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft anbelangt, so verabschiedete die<br />
Türkei im Juni 2006 einen Strategie- und Aktionsplan für die Informationsgesellschaft. Die<br />
Türkei hat die EU-Standards für den elektronischen Geschäftsverkehr und für<br />
zugangskontrollierte Dienste noch nicht übernommen. Rechtsvorschriften über<br />
Computerkriminalität wurden nicht verabschiedet. Ingesamt ist die Rechtsangleichung in<br />
diesem Bereich begrenzt.<br />
Auf dem Gebiet Medien und audiovisuelle Politik sind die türkischen Rechtsvorschriften<br />
nur in geringem Maß an die europäischen Standards und den einschlägigen Besitzstand<br />
angeglichen. Die Fortschritte entsprechen bei den meisten entsprechenden Prioritäten der<br />
Beitrittspartnerschaft nicht den Vorgaben.<br />
Trotz eines Vorankommens bei den Rechtsvorschriften und des Inkrafttretens des neuen<br />
Strafgesetzbuchs wird die freie Meinungsäußerung durch den derzeitigen gesetzlichen<br />
Rahmen nicht garantiert. Diffamierung gilt als Straftat, die Gefängnisstrafen nach sich zieht.<br />
Darüber hinaus dehnt das unlängst vom Parlament verabschiedete Antiterrorgesetz den<br />
Umfang der als terroristische Akte verfolgbaren Straftaten aus und beinhaltet Beschränkungen<br />
für die Nachrichtenmedien. Bisher haben die vom Justizminister an das Justizwesen<br />
gerichteten Rundschreiben nicht dafür gesorgt, dass die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs<br />
gemäß den europäischen Standards angewandt werden (s. Abschnitt „Menschenrechte und<br />
Minderheitenschutz“). Die Angleichung an diese Standards ist im Medienbereich äußerst<br />
begrenzt.<br />
Die Angleichung der türkischen Rechtsvorschriften an den Besitzstand im audiovisuellen<br />
Bereich beschränkt sich auf einige Bestimmungen über Werbung und Jugendschutz. Das<br />
Gesetz über die Einrichtung von Radio- und Fernsehgesellschaften und ihre Sendungen<br />
bereitet außerdem Probleme in Bezug auf Definitionen, Gerichtsbarkeit, Übertragungsfreiheit,<br />
Großveranstaltungen, Förderung unabhängiger Werke und Beschränkungen für ausländische<br />
Beteiligungen an Fernsehgesellschaften. Was die Verwaltung des Rundfunksektors anbelangt,<br />
so war der Oberste Rat der Radio- und Fernsehanstalten (RTÜK) bisher nicht in der Lage<br />
Frequenzen neu zuzuweisen und die befristeten Lizenzen wirksam zu überprüfen.<br />
Was den Zugang zu Radio- und Fernsehdiensten betrifft, so wurden Fortschritte bei lokalen<br />
und regionalen Sendungen in anderen Sprachen als Türkisch erzielt. Aufgrund der<br />
Verordnung von 2004 über Fernseh- und Radiosendungen in anderen von türkischen Bürgern<br />
gesprochenen Sprachen und Dialekten sind solche Fernsehsendungen allerdings auf 45<br />
Minuten täglich und vier Stunden wöchentlich beschränkt, Radiosendungen auf 60 Minuten<br />
täglich und fünf Stunden wöchentlich. RTÜK beschloss im Mai 2006, diese Beschränkungen<br />
für Musik und Kinofilme aufzuheben. Da dieser Beschluss den Rundfunkanstalten jedoch<br />
nicht offiziell mitgeteilt wurde, nahmen sie aus Angst vor Sanktionen von der Überschreitung<br />
der vorherigen Grenzen Abstand. Nachrichten und laufende Ereignisse unterliegen weiterhin<br />
Beschränkungen. Live-Sendungen sind nicht verboten, werden aber in der Praxis durch das<br />
Erfordernis der Untertitelung oder Verdolmetschung sämtlicher Programme sehr erschwert.<br />
Es dürfen keine Bildungsprogramme zum Erlernen der kurdischen Sprache oder für Kinder<br />
ausgestrahlt werden und alle Sendungen müssen türkische Untertitel haben. Gegen diese<br />
Verordnung ist eine Beschwerde anhängig. Bei 12 Anträgen erhielten drei Medienbetriebe<br />
Genehmigungen für Sendungen in kurdischen Dialekten und begannen mit der Ausstrahlung<br />
(s. Abschnitt „Menschenrechte und Minderheitenschutz“).<br />
<strong>DE</strong> 49 <strong>DE</strong>
Auf nationaler Ebene strahlt die öffentliche türkische Radio- und Fernsehanstalt (TRT)<br />
Sendungen auf Bosnisch, Arabisch, Chakassisch, Kurmandschi und Zazaisch aus. Allerdings<br />
sind diese Sendungen auf fünf Tage wöchentlich und 30-35 Minuten täglich beschränkt und<br />
betreffen lediglich Nachrichten, Sport, Musik und Dokumentarfilme, nicht aber<br />
beispielsweise Kinderprogramme.<br />
Die Frage der Unabhängigkeit der öffentlichen Sendeanstalt TRT und des Obersten Rats der<br />
Radio- und Fernsehanstalten, einschließlich einer angemessenen Finanzierung, bereitet immer<br />
noch Sorge.<br />
Schlussfolgerung<br />
Auf diesem Gebiet wurden Fortschritte erzielt. Die Türkei hat eine gute Grundlage für eine<br />
weitere Rechtsangleichung im Bereich der elektronischen Kommunikation und der<br />
Informationstechnologien geschaffen. Die Angleichung der Vorschriften über Medien und<br />
audiovisuelle Politik blieb jedoch äußerst begrenzt.<br />
4.11. Kapitel 11: Landwirtschaft<br />
Die Fortschritte bei der Rechtsangleichung sind uneinheitlich. Die Türkei nahm ein neues<br />
Landwirtschaftsgesetz zur Umsetzung ihres Strategiepapiers 2006-2010 für die<br />
Landwirtschaft an. Das Gesetz legt Nachdruck auf die Erhöhung der Produktivität sowie die<br />
Gewährleistung der Nahrungsmittelversorgung und räumt der Lebensmittelsicherheit und<br />
Verbraucherfragen Priorität ein. Es lässt die Türkei weiter von den Grundsätzen der<br />
reformierten GAP abrücken, da die Subventionierung der Produktion zum<br />
Schlüsselinstrument der Agrarpolitik erklärt wird. Als positiv ist hervorzuheben, dass die<br />
Wettbewerbsfähigkeit und Modernisierung des Agrarsektors und der ländlichen Gebiete<br />
Priorität erhalten. Darüber hinaus bildet das Gesetz die Rechtsgrundlage für bestimmte<br />
Verwaltungssysteme (Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem, Informationsnetz<br />
landwirtschaftlicher Buchführungen), die für die Umsetzung des Besitzstands erforderlich<br />
sind.<br />
Die Verwaltungskapazitäten des Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche<br />
Angelegenheiten wurden nicht ausgebaut, was die Durchführung einer Reihe der von der EU<br />
finanzierten Projekte beeinträchtigte. Die Umstrukturierung des Ministeriums hat sich<br />
verzögert. Es gibt immer noch keine klare Aufgabenteilung und die Kompetenzkonflikte<br />
zwischen verschiedenen Stellen bestehen fort. Was die horizontalen Maßnahmen anbelangt,<br />
so hat die Türkei bei der Anpassung ihrer Rechtsvorschriften an den Besitzstand begrenzte<br />
Fortschritte erzielt. Es wurden erste Schritte unternommen, um den Einsatz des Integrierten<br />
Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKOs) vorzubereiten. Das Register der<br />
landwirtschaftlichen Betriebe steht nicht im Einklang mit den EU-Verordnungen. Bei der<br />
Errichtung des Informationsnetzes landwirtschaftlicher Buchführungen wurden keine<br />
Fortschritte erzielt.<br />
Was die bilateralen Handelsbeziehungen anbelangt, so stellen die gegen die bilateralen<br />
Verpflichtungen verstoßenden technischen Handelsschranken der Türkei für Rindfleisch und<br />
lebende Rinder nach wie vor das größte Problem dar. Darüber hinaus bedarf der vom TMO<br />
betriebene Mechanismus für die Unterstützung von Weizenmehlausfuhren besonderer<br />
Aufmerksamkeit. Der Unterschied zwischen dem auf dem Inlandsmarkt erzielten Preis und<br />
dem Preis, zu dem Ausführer Weizen erwerben, ist als prohibitive Ausfuhrsubvention<br />
anzusehen. Ferner ist die Übereinstimmung des Mechanismus mit den Verpflichtungen der<br />
Türkei im Rahmen der WTO zu prüfen.<br />
<strong>DE</strong> 50 <strong>DE</strong>
Bei der Angleichung an die gemeinsamen Marktorganisationen wurden begrenzte<br />
Fortschritte erzielt, was im jetzigen Stadium des Erweiterungsprozesses verständlich ist.<br />
Allerdings ist eine größere Transparenz der bestehenden Interventionssysteme erforderlich;<br />
besonderes Augenmerk ist auf die öffentliche Unterstützung für staatliche<br />
Wirtschaftsunternehmen wie das Turkish Grain Board (TMO) zu richten. Mit der bilateralen<br />
Unterstützung für die Umsetzung der Vermarktungsstandards für Oliven und Olivenöl wurde<br />
begonnen. Was Obst und Gemüse betrifft, so läuft das Genehmigungsverfahren für die<br />
Konformitätsprüfungen, die die Türkei bei der Ausfuhr in die EU durchführt. Dies wird die<br />
Zollverwaltungsverfahren vereinfachen.<br />
Im Bereich der ländlichen Entwicklung sind begrenzte Fortschritte zu vermelden. Es wurde<br />
eine nationale Strategie verabschiedet, die die Grundlage für einen Aktionsplan und für die<br />
finanzielle Heranführungshilfe (IPARD) bilden muss. Die Programmierung für IPARD wurde<br />
eingeleitet. Mit der Einbeziehung der entsprechenden Akteure wurde erst begonnen. Was die<br />
Verwaltungsstrukturen anbelangt, so wurde das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche<br />
Angelegenheiten zur Verwaltungsstelle für das IPARD-Programm ernannt. Ihm wurde<br />
Personal zugeteilt, das nun weiter geschult und in bestimmte Aufgabenbereiche eingewiesen<br />
werden muss. Allerdings wurden die Rechtssetzungsarbeiten zu den operationellen Strukturen<br />
noch nicht abgeschlossen; dies gilt auch für die Rechtsgrundlage für die IPARD-Stelle.<br />
Dadurch könnte sich der Beginn des Akkreditierungsprozesses und damit der Einsatz von<br />
IPARD-Mitteln in der Türkei erheblich verzögern.<br />
Im Bereich der Qualitätssicherung gab es keine Neuentwicklungen. Einige Fortschritte<br />
wurden in Bezug auf den ökologischen Landbau erzielt. Mit den Ausbildungsprogrammen<br />
wurde begonnen. Die Diskussionen über die künftige Aufnahme der Türkei in die<br />
Drittländerliste der EU kamen voran. Die Aufnahme wird die Anerkennung des türkischen<br />
Zertifizierungssystems für die Ausfuhr türkischer ökologischer Erzeugnisse in die EU<br />
ermöglichen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Angleichung an den Besitzstand ist nach wie vor begrenzt. Einige geringfügige<br />
Fortschritte wurden bei der ländlichen Entwicklung erzielt, doch die Verzögerungen bei der<br />
Einführung der erforderlichen Rechtsvorschriften und Verwaltungsstrukturen gefährden den<br />
rechtzeitigen Einsatz von IPARD erheblich. Die meisten Verwaltungsstrukturen für die GAP<br />
fehlen noch. Der Trend zu einer stärkeren Unterstützung der Produktion läuft der GAP-<br />
Reform von 2003 zuwider. Insgesamt befinden sich die Vorbereitungen in diesem Kapitel<br />
noch im Anfangsstadium.<br />
4.12. Kapitel 12: Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit<br />
Was die Rechtsvorschriften anbelangt, so wurde das Paket „Nahrungsmittel, Futtermittel und<br />
Veterinärvorschriften“ noch nicht verabschiedet.<br />
Auf Ebene der allgemeinen Lebensmittelpolitik wurden bei der Übernahme und Umsetzung<br />
des Besitzstands begrenzte Fortschritte erzielt. Was die Beteiligung am Schnellwarnsystem<br />
für Nahrungs- und Futtermittel betrifft, so werden die Warnungen nach wie vor nicht<br />
ausreichend überwacht, und das Netz für den Informationsaustausch zwischen den zentralen<br />
und lokalen Stellen ist immer noch lückenhaft.<br />
Auf dem Gebiet der Veterinärpolitik wurden keine Fortschritte bei der Rechtsangleichung<br />
erzielt. Die Türkei konzentrierte sich auf die Bekämpfung ausgebrochener Tierseuchen wie<br />
<strong>DE</strong> 51 <strong>DE</strong>
der Vogelgrippe. Im Bereich der transmissiblen spongiformen Enzephalopathie (TSE) und bei<br />
den tierischen Nebenprodukten sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Die Türkei musste sich<br />
zunehmend mit Tierseuchenkontrollen befassen. Die ersten Ausbrüche der Vogelgrippe im<br />
Oktober 2005 wurden mit Hilfe eines Notfallplans effizient bekämpft. Weitere Ausbrüche<br />
bestätigten jedoch, dass Schwachstellen vorhanden sind. In der Koordinierung zwischen dem<br />
Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten und dem<br />
Gesundheitsministerium zeigten sich Mängel. Positiv war jedoch, dass Informationen über die<br />
Vogelgrippe in transparenter Weise an die EU und andere internationale Organisationen<br />
weitergeleitet wurden. Auch die technischen Kapazitäten der Referenzlabors für Vogelgrippe<br />
wurden ausgebaut. Es wurden Impfkampagnen gegen neue Stämme der Maul- und<br />
Klauenseuche durchgeführt. Allerdings geriet der freie Status von Thrakien durch weitere<br />
Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche in Gefahr. Darüber hinaus fanden zusätzliche<br />
Impfkampagnen gegen folgende Tierkrankheiten statt: Brucellose, Pest der kleinen<br />
Wiederkäuer, Anthrax, Schaf- und Ziegenpocken, Blauzungenkrankheit, Newcastle-Krankheit<br />
und Tollwut.<br />
Die Identifizierung und Registrierung von Rindern sowie die Registrierung ihrer Verbringung<br />
schreiten voran, doch die Vereinbarkeit mit dem Besitzstand muss überprüft werden. Darüber<br />
hinaus bedarf auch die Kontrolle der Verbringung lebender Tiere weiterer Aufmerksamkeit.<br />
Bei der Registrierung von Schafen und Ziegen wurden keine Fortschritte erzielt, wenngleich<br />
die Vorarbeiten eingeleitet wurden. Im Bereich der Finanzierung von veterinärmedizinischen<br />
Inspektionen und Kontrollen sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Das derzeitige System<br />
der Türkei steht nicht mit der EU-Praxis im Einklang. Die Durchführung der<br />
Veterinärkontrollen bei Drittlandeinfuhren und die Regeln für Einfuhren stimmen nicht mit<br />
den EU-Vorschriften überein. Die Rechtsangleichung ist in diesem Bereich begrenzt.<br />
Die Türkei als Drittland hat erhebliche Verbesserungen bei der Ausarbeitung des nationalen<br />
Rückständekontrollplans vorgenommen. Alle in den EU-Vorschriften genannten Wirkstoffe<br />
wurden in die Jahrespläne aufgenommen. Der Rückständeplan wurde von der EU für Milch<br />
und Milchprodukte sowie Geflügel genehmigt. Beim Tierschutz sind keine Fortschritte zu<br />
vermelden.<br />
Bei den Vorschriften für das Inverkehrbringen von Nahrungsmitteln und Futtermitteln<br />
sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Die überwiegende Mehrheit der land- und<br />
ernährungswirtschaftlichen Betriebe müssen entsprechend den EU-Hygieneanforderungen<br />
modernisiert werden. Das Lebensmittelgesetz muss geändert werden und die Kompetenzen<br />
müssen klar zwischen den zentralen und kommunalen Behörden aufgeteilt werden, um<br />
Lücken in den Hygiene- und Lebensmittelkontrollen zu vermeiden und die Umsetzung des<br />
Besitzstands sicherzustellen.<br />
Was die spezifischen Bestimmungen für Lebensmittel anbelangt, so stehen die Vorschriften<br />
in den Bereichen Etikettierung, Aufmachung und Werbung, Zusatzstoffe und<br />
Reinheitskriterien sowie Extraktionslösungsmittel, tiefgekühlte Lebensmittel und bestrahlte<br />
Lebensmittel weitgehend mit dem Besitzstand im Einklang und werden angewandt. Die<br />
Rechtsangleichung bei Mineralwässern ist recht weit fortgeschritten. Die Türkei hat ihre<br />
Rechtsvorschriften im Bereich Lebensmittel für besondere Ernährung an die EU-Vorschriften<br />
angepasst. Was Aromastoffe und die Durchführungsvorschriften für Materialien mit<br />
Lebensmittelkontakt anbelangt, so ist die Umsetzung des Besitzstands noch nicht<br />
abgeschlossen. Mit der Übernahme des Besitzstands im Bereich Nahrungsergänzungen wurde<br />
noch nicht begonnen. Die Umsetzung des Besitzstands im Bereich Hygiene und amtliche<br />
Kontrollen ist nicht weit gediehen. Die Verordnung über Marktkontrollen bei Lebensmitteln<br />
<strong>DE</strong> 52 <strong>DE</strong>
und Verpackungsmaterial steht nicht vollständig mit dem Besitzstand im Einklang. Die<br />
Verordnung über die Festsetzung von Höchstgrenzen für bestimmte Kontaminanten ist in<br />
Kraft. Um der EU-Praxis Rechnung zu tragen, müssen jedoch noch weitere Anpassungen<br />
vorgenommen werden. Die Vorschriften über die amtliche Kontrolle von Kontaminanten<br />
stimmen mit dem Besitzstand überein. Der Plan zur Verhütung der Aflatoxinkontamination<br />
wurde weiter umgesetzt. Allerdings bestehen in der Praxis noch Probleme. Im Bereich der<br />
genetisch veränderten Organismen und der neuartigen Lebensmittel können keine Fortschritte<br />
bei der Übernahme des Besitzstands vermeldet werden.<br />
Bei den spezifischen Vorschriften für Futtermittel wurden einige Fortschritte erzielt. Auf<br />
dem Gebiet der Tierernährung kam die Türkei in gewissem Maß voran. Die Vorschriften über<br />
Futtermittelzusatzstoffe wurden weiter an den Besitzstand angeglichen.<br />
Im Pflanzenschutzbereich wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Die Türkei hat ihre<br />
Vorschriften über die Qualität von Saatgut und Vermehrungsmaterial, Pflanzengesundheit,<br />
Pflanzenschutz und landwirtschaftliche Quarantänemaßnahmen nicht an den Besitzstand<br />
angepasst. Es wurde ein Handbuch für Inspektionen ausgearbeitet und die Inspektionen an<br />
den Grenzen wurden vereinheitlicht. Die Diagnosekapazitäten der Institute für<br />
Pflanzenkrankheiten wurden ausgebaut und mit den EU-Standards in Einklang gebracht. Mit<br />
der Durchführung der Schädlingsrisikoanalyse wurde begonnen. Es wurden Schulungen für<br />
das Personal des Ministeriums, Landwirte und andere Akteure des Privatsektors veranstaltet.<br />
In Bezug auf die internationalen Übereinkommen können keine Neuentwicklungen vermeldet<br />
werden.<br />
Was die Verwaltungskapazitäten anbelangt, so muss das Ministerium für Landwirtschaft und<br />
ländliche Angelegenheiten auf zentraler und lokaler Ebene gestärkt werden. Dies ist<br />
besonders wichtig für die Wahrnehmung der allgemeinen Kontrollaufgaben und die Erfüllung<br />
der Anforderungen der EU im Zusammenhang mit der Identifizierung von Tieren und den<br />
Tierseuchen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Bei der Angleichung der Rechtsvorschriften in den Bereichen Tier- und Pflanzengesundheit<br />
und Lebensmittelsicherheit sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Der Rechtsrahmen und<br />
die Verwaltungsstrukturen für die vollständige Umsetzung des einschlägigen Besitzstands<br />
fehlen immer noch. Die Kontrollsysteme sind nach wie vor unzulänglich. Vor allem im<br />
Veterinärsektor gibt es noch Schwierigkeiten, die hauptsächlich die Ausmerzung und<br />
Kontrolle von Tierseuchen betreffen.<br />
4.13. Kapitel 13: Fischerei<br />
Die Türkei hat bei der Angleichung ihrer Rechtsvorschriften an den Besitzstand im<br />
Fischereisektor keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Von der erneuten Verzögerung der<br />
Änderung des Fischereigesetzes sind auch die angekündigten Durchführungsvorschriften und<br />
verwaltungstechnischen Änderungen betroffen.<br />
Die Türkei verfügt nach wie vor nicht über zufrieden stellende Verwaltungsstrukturen für den<br />
Fischereisektor, was auf unzureichende Kapazitäten und die Aufteilung der Zuständigkeiten<br />
auf verschiedene Ministerien zurückzuführen ist. Für die Überwachung der<br />
Rechtsdurchsetzung und die Inspektions- und Kontrollmaßnahmen sind sowohl das<br />
Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten als auch die (dem<br />
Innenministerium unterstehende) Küstenwache zuständig. Das (dem Ministerpräsidenten<br />
<strong>DE</strong> 53 <strong>DE</strong>
unterstehende) Untersekretariat für maritime Angelegenheiten ist für die Registrierung von<br />
Schiffen zuständig. Die geplante Neuorganisation des Landwirtschaftsministeriums, in deren<br />
Zuge eine zentrale Generaldirektion für Fischereierzeugnisse eingerichtet werden soll, hat<br />
noch nicht stattgefunden. Die Verwaltungskapazitäten werden derzeit auf lokaler Ebene<br />
ausgebaut, indem für die Überwachung und Erfassung der Anlandungen 30<br />
Fischereihafenbüros errichtet werden, für die auch neues Personal eingestellt wird.<br />
Keine Weiterentwicklung gab es in Bezug auf die Bestands- und Flottenbewirtschaftung<br />
sowie die Überwachung und Kontrolle der Fischereitätigkeiten. Insgesamt fehlt es an<br />
adäquater wissenschaftlicher Forschung im Bereich der Bestandsbewertung und an einer<br />
angemessenen Bestandsbewirtschaftung, vor allem bei bestimmten wichtigen Arten. Die<br />
Umsetzung des Besitzstands steckt noch in den Anfängen.<br />
Auch bei den strukturpolitischen Maßnahmen gab es keine Fortschritte. Die Türkei hat die<br />
Umsetzung des Besitzstands noch nicht in Angriff genommen. Was die Marktpolitik<br />
anbelangt, so gibt es kein dem Besitzstand entsprechendes Marktinterventionssystem. Es<br />
wurden fünf Erzeugervereinigungen für Fischerei und Aquakultur gegründet, die jedoch nur<br />
teilweise mit dem einschlägigen Besitzstand im Einklang stehen. Bezüglich der Vorschriften<br />
über staatliche Beihilfen in der Fischerei sind keine Fortschritte zu vermelden. Die Türkei ist<br />
keinen neuen internationalen Übereinkommen beigetreten.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Türkei hat im Bereich Fischerei keine Fortschritte erzielt. Ihre Rechtsvorschriften weisen<br />
im Vergleich zum Besitzstand noch große Lücken auf und die Verwaltungsstrukturen reichen<br />
für die künftige Anwendung der Gemeinsamen Fischereipolitik noch nicht aus.<br />
4.14. Kapitel 14: Verkehrspolitik<br />
Auf dem Gebiet des Straßenverkehrs können Fortschritte vermeldet werden, vor allem<br />
gesetzliche Entwicklungen. Die Genehmigungen für die internationale Fahrzeugflotte wurden<br />
erteilt, wobei die Anforderungen des Besitzstands weitgehend erfüllt wurden. Der<br />
Genehmigungsprozess für die nationale Flotte ist jedoch unvollständig. Zwischen dem<br />
nationalen und internationalen Verkehr bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede. Diese<br />
betreffen hauptsächlich die Kriterien der beruflichen Kompetenz und der finanziellen<br />
Leistungsfähigkeit. Die Vorschriften über Steuern und Straßenbenutzungsgebühren müssen<br />
weiter an den Besitzstand angeglichen werden. Die Sozialvorschriften und zugehörigen<br />
Durchführungsbestimmungen stimmen noch nicht mit den neuesten Vorschriften des<br />
Besitzstands überein. Digitale Fahrtenschreiber werden noch nicht eingesetzt. Die<br />
Anforderungen an Geschwindigkeitsbegrenzungsvorrichtungen gelten nicht für leichtere<br />
Busse und Nutzfahrzeuge. Keine Fortschritte gab es bei privatisierten Einrichtungen für die<br />
technische Überwachung von Fahrzeugen, wo der Staatsrat einen Vollstreckungsaufschub<br />
anordnete. Die Anzahl dieser Einrichtungen ist sehr gering. Die Verwaltungskapazitäten<br />
müssen ausgebaut und die Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden muss<br />
verbessert werden. Die Vorbereitungen in diesem Bereich sind weit fortgeschritten.<br />
Im Schienenverkehr sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Die Rechtsangleichung und die<br />
Verwaltungskapazitäten sind begrenzt und es gibt keine Regulierungsbehörde. Die staatliche<br />
Eisenbahngesellschaft TCDD verfügt über ein Monopol und ist stark von staatlichen<br />
Subventionen abhängig. Die Infrastruktur muss gründlich modernisiert werden, um die<br />
Interoperabilität mit dem europäischen Eisenbahnnetz zu gewährleisten. Die<br />
<strong>DE</strong> 54 <strong>DE</strong>
Rechtsangleichung ist in diesem Bereich im Rückstand und weist große Schwachstellen bei<br />
der erforderlichen Trennung wesentlicher Funktionen, der Sicherheitsbescheinigung, der<br />
verwaltungstechnischen Unabhängigkeit des etablierten Betreibers und in der administrativen<br />
und institutionellen Struktur auf, die für das Entstehen eines Schienenverkehrsmarktes<br />
notwendig wäre.<br />
Eine Binnenschifffahrt im Sinne des Besitzstands gibt es in der Türkei nicht.<br />
Im Bereich des Luftverkehrs sind einige Fortschritte zu vermelden. Der Generaldirektion für<br />
Zivilluftfahrt (GDCA) wurde gesetzlich finanzielle und technische Autonomie gewährt. Die<br />
entsprechenden Umstrukturierungsmaßnahmen und Einstellungen stehen noch aus. Eine<br />
Zweigstelle der GDCA wurde in Istanbul eingerichtet und eine weitere ist in Antalya<br />
vorgesehen. Einige Durchführungsvorschriften wurden erlassen. Es wurde eine dem Minister<br />
beigeordnete unabhängige Stelle für die Ermittlung von Unfallursachen eingerichtet. Zu den<br />
Grundsätzen für die Zuweisung von Slots wurde eine Anweisung herausgegeben. Darüber<br />
hinaus wurden der Posten eines Slot-Koordinators, Evaluierungsausschüsse und technische<br />
Ausschüsse eingerichtet. Die Rechtsangleichung in diesem Bereich ist im Gange. Die Türkei<br />
hat mit der Kommission noch keine Verhandlungen über ein „horizontales<br />
Luftverkehrsabkommen“ aufgenommen und akzeptiert die Gemeinschaftsbenennung nicht,<br />
die ein grundlegendes Erfordernis des Gemeinschaftsrechts darstellt.<br />
Was den Seeverkehr betrifft, so hat die Türkei bei der Rechtsangleichung und beim Ausbau<br />
der Verwaltungskapazitäten gute Fortschritte erzielt, vor allem im Bereich der Sicherheit. Es<br />
wurden Verordnungen über die Sicherheit von Fischereifahrzeugen, die Untersuchung von<br />
Seeverkehrsunfällen, die Überwachung und Qualität der Ausbildung von Seeleuten, das<br />
sichere Be- und Entladen von Massengutschiffen, Schiffsausrüstungen und die<br />
Hafenstaatkontrolle erlassen. Darüber hinaus wurde eine Stelle für die Untersuchung von<br />
Seeverkehrsunfällen mit 49 Bediensteten eingerichtet. 200 Sachverständige wurden als<br />
Flaggenstaat- und Hafenstaatinspektoren rekrutiert.<br />
Bei den Verfahren für den Beitritt zu bestimmten internationalen Übereinkommen (SOLAS-<br />
Protokollen Nr. 78 und 88 (SOLAS = Internationales Übereinkommen zum Schutz des<br />
menschlichen Lebens auf See), zum Protokoll von 1988 zum Internationalen Freibord-<br />
Übereinkommen sowie zu den Anhängen III und IV des Internationalen Übereinkommens zur<br />
Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) wurden keine Fortschritte<br />
erzielt. Der Anteil der zurückgehaltenen türkischen Schiffe sank 2005 auf 7,5 %. Dennoch<br />
fällt das Land immer noch in die Kategorie mit mittlerer bis hoher Gefährdung der schwarzen<br />
Liste der Pariser Vereinbarung. Was die Sicherheit im Seeverkehr anbelangt, so wurden außer<br />
der Einleitung von Studien keine Schritte unternommen, um die Rechtsvorschriften über die<br />
Verbesserung der Sicherheit von Häfen anzugleichen. Was den Marktzugang anbelangt, so<br />
stehen die Vorschriften über die Kabotage und die Registrierung von Schiffen in Konflikt<br />
zum Gemeinschaftsrecht. Weitere Verbesserungen in diesem Bereich sind in Vorbereitung.<br />
Keine Fortschritte können hinsichtlich der Öffnung türkischer Häfen für unter zyprischer<br />
Flagge fahrende und/oder von Zypern kontrollierte Schiffe und Schiffe, die zuletzt einen<br />
zyprischen Hafen angelaufen hatten, vermeldet werden. Ebenso wenig gab es Fortschritte bei<br />
der Aufhebung der Beschränkungen für zyprische Flugzeuge, die den türkischen Luftraum<br />
nutzen wollen, oder der Beschränkungen in der Kommunikation zwischen den türkischen und<br />
zyprischen Zivilluftfahrtbehörden und den Flugsicherungsorganisationen.<br />
<strong>DE</strong> 55 <strong>DE</strong>
Bei den staatlichen Beihilfen wurden keine Fortschritte erzielt. Die Türkei verfügt weder<br />
über eine Behörde noch über einen Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Türkei hat einige Fortschritte erzielt. Die Angleichung der Vorschriften für den<br />
Straßenverkehr ist recht weit vorangeschritten, was in den anderen Verkehrssektoren nicht<br />
überall der Fall ist. Den Um- und Durchsetzungskapazitäten muss weitere Aufmerksamkeit<br />
gewidmet werden. Über die Strukturierung des Eisenbahnsektors wurde noch nicht<br />
entschieden. Im See- und im Luftverkehr ist die Türkei bereits einer Reihe von internationalen<br />
Übereinkommen und Regelungen beigetreten, hat die entsprechenden<br />
Gemeinschaftsvorschriften jedoch noch nicht übernommen. Sie hat nicht alle Beschränkungen<br />
des freien Warenverkehrs, darunter die Beschränkungen für Transportmittel, aufgehoben.<br />
4.15. Kapitel 15: Energie<br />
Die Vorbereitungen im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit sind recht weit<br />
fortgeschritten. Die türkischen Ölvorräte werden allerdings nicht anhand der EU-Methode<br />
berechnet. Die Ölpipeline Baku-Tbilisi-Ceyhan wurde in Betrieb genommen.<br />
In Bezug auf den Energiebinnenmarkt wurden einige Fortschritte erzielt. Die Privatisierung<br />
der Vertriebssparten wurde in drei Regionen eingeleitet. Es wurden<br />
Durchführungsverordnungen über Bedarfsprognosen für Elektrizität und über den<br />
grenzübergreifenden Handel mit Elektrizität erlassen. Die Schwelle für zugelassene Kunden<br />
wurde auf 6 GWh gesenkt. Eine neue Änderung ermöglicht jedoch die Quersubventionierung<br />
und die vertikale Integration. Die hohen Elektrizitätsverluste, darunter durch Diebstahl,<br />
hielten an. Im Juli waren 13 Städte von zwei sechsstündigen Stromausfällen betroffen, die<br />
hauptsächlich auf die mangelnde Erzeugungskapazität zurückzuführen waren. Unveränderte<br />
Stromtarife vor dem Hintergrund der steigenden Preise für Gaseinfuhren könnten kurzfristig<br />
zu echten Kapazitätsengpässen führen. Die Türkei ist noch nicht Mitglied der Union für die<br />
Koordinierung der Übertragung elektrischer Energie. Sie hat den Vertrag über die<br />
Energiegemeinschaft zur Errichtung eines regionalen Energiemarkts in Südosteuropa nicht<br />
unterzeichnet.<br />
Für den Erdgasbinnenmarkt wurden keine neuen Durchführungsvorschriften erlassen. Eine<br />
gewisse Liberalisierung fand statt: In 54 Städten wurden Ausschreibungen für die<br />
innerstädtische Erdgasversorgung durchgeführt. Der Marktanteil für einzelne Einführer oder<br />
Großhändler ist gesetzlich auf 20 % begrenzt. Das staatseigene Unternehmen BOTAS hat<br />
bestehende Verträge nicht abgegeben und seine Monopolstellung behalten. Insgesamt ist die<br />
Rechtsangleichung in diesen Bereichen im Gange, doch mit der Umsetzung ist die Türkei<br />
noch im Rückstand.<br />
In Bezug auf die staatlichen Beihilfen für die Kohleindustrie können keine Fortschritte<br />
vermeldet werden. In diesem Bereich ist der Umfang der Rechtsangleichung gering.<br />
Bei der Energieeffizienz wurden keine Fortschritte erzielt. Die Türkei verfügt nicht über ein<br />
Rahmengesetz zu ihrer Förderung. Im Zusammenhang mit den erneuerbaren<br />
Energiequellen sind einige Fortschritte zu verzeichnen. Die Türkei hat sich jedoch noch kein<br />
ehrgeiziges Ziel für eine verstärkte Nutzung gesetzt. Eine Durchführungsverordnung über den<br />
Herkunftsnachweis wurde erlassen. Die Türkei hat die Rechtsangleichung in diesem Bereich<br />
teilweise vollzogen. Was die Kernenergie betrifft, so ist die Fähigkeit der Türkei zur<br />
Erfüllung der Anforderungen des Besitzstands recht weit entwickelt. Das Land verfügt bisher<br />
<strong>DE</strong> 56 <strong>DE</strong>
nicht über Kernkraftwerke, will jedoch die Errichtung von Kapazitäten von 5000 MW bis<br />
2020 fördern. Die Unabhängigkeit der türkischen Atomenergiebehörde (TAEK) muss<br />
beobachtet werden. Die Überwachungsfunktionen sind nicht von der Forschungsarbeit und<br />
der Förderung der Kernenergie getrennt. Die Türkei hat die Vorschriften über nukleare<br />
Sicherheit und Strahlenschutz weitgehend angeglichen. Neue Durchführungsvorschriften<br />
wurden nicht erlassen. Es bedarf einer erheblichen Modernisierung der vorhandenen<br />
Fazilitäten, einschließlich der Behandlung radioaktiver Abfälle und der Lagerstätten. Die<br />
Türkei ist dem Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung<br />
abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle<br />
noch nicht beigetreten, während Euratom im Januar 2006 Vertragspartei wurde.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Türkei hat im Energiebereich einige Fortschritte erzielt. Insgesamt ist der Stand der<br />
Rechtsangleichung uneinheitlich. Ein Rahmengesetz über Energieeffizienz muss noch<br />
ausgearbeitet werden. Die Verwaltungskapazität und die Unabhängigkeit der<br />
Regulierungsbehörden müssen gestärkt werden.<br />
4.16. Kapitel 16: Steuern<br />
Auf dem Gebiet der indirekten Steuern waren die Fortschritte sehr begrenzt. Die Türkei hat<br />
ihre Rechtsvorschriften teilweise angeglichen. Was die Mehrwertsteuer anbelangt, so sind die<br />
Abweichungen vom Besitzstand struktureller Art und umfassen unter anderem Befreiungen,<br />
Sonderregelungen und ermäßigte Sätze. Mit der Einführung eines ermäßigten Satzes von 8 %<br />
für Textilerzeugnisse entfernte sich die Türke noch weiter vom Besitzstand.<br />
Bei den Verbrauchsteuern sind keine Fortschritte zu vermelden. Mit einem neuen<br />
Steuergesetz wurde die spezifische Abgabe auf Tabakwaren abgeschafft, wobei lediglich<br />
Wertsätze und Mindestverbrauchsteuersätze festgelegt wurden. Diese Struktur steht nicht mit<br />
dem Besitzstand in Einklang. Darüber hinaus wurde eine Abgabe für eingeführte Tabakwaren<br />
und Zigaretten mit dem Gesetz nicht abgeschafft. Diese diskriminierende Vorgehensweise<br />
steht nicht im Einklang mit dem Besitzstand und stellt einen Verstoß im Rahmen der<br />
Zollunion und der WTO-Regeln dar. Die Türkei hat noch keine Regelung über die<br />
Steueraussetzung für die inländische Beförderung von Waren und für Steuerlager eingeführt.<br />
Auf alkoholische Getränke wendet die Türkei einen Wertsatz an, der durch einen spezifischen<br />
Steuersatz ergänzt wird, wenn ein bestimmter Betrag unterschritten wird. Auch diese<br />
Regelung stimmt nicht mit dem Besitzstand überein, da sie nach der Art des Erzeugnisses und<br />
nicht nach dem Alkoholgehalt differenziert. In der Folge werden eingeführte Erzeugnisse<br />
höher besteuert als vergleichbare einheimische Produkte. Die Türkei hat den Spielraum<br />
verringert, innerhalb dessen der Ministerrat Steuersätze erhöhen kann, wodurch eine größere<br />
Vorhersehbarkeit künftiger Sätze gewährleistet wird.<br />
Auf dem Gebiet der direkten Steuern wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Das<br />
Körperschaftsteuergesetz wurde geringfügig angepasst, um Fragen wie<br />
Unternehmensabtrennungen und -aufspaltungen anzugehen. Die Türkei muss die Einführung<br />
von Maßnahmen vermeiden, die nicht dem Verhaltenskodex für die<br />
Unternehmensbesteuerung entsprechen. Insgesamt ist die Rechtsangleichung begrenzt.<br />
Auf dem Gebiet der Verwaltungszusammenarbeit und der Amtshilfe sind nur geringe<br />
Fortschritte zu vermelden.<br />
<strong>DE</strong> 57 <strong>DE</strong>
Die neue Finanzverwaltung, eine halbautonome, dem Finanzministerium beigeordnete<br />
Behörde, nahm ihre Tätigkeit auf. Es ist geplant, die hierarchischen Schichten zu reduzieren<br />
und die Rechenschaftspflicht der lokalen Finanzämter gegenüber der zentralen Verwaltung zu<br />
verstärken. Darüber hinaus wurde die Politikgestaltung im Finanzministerium einer neu<br />
gegründeten Generaldirektion für Steuerpolitik übertragen. Die Auswirkungen können noch<br />
nicht beurteilt werden.<br />
Die Umstellung der Finanzämter auf EDV schritt weiter voran, ebenso die Ausgabe von<br />
Steuernummern an Steuerpflichtige. Bisher erhielten 41 Millionen Steuerzahler<br />
Steuernummern, und fast 75 % der Steuererklärungen wurden elektronisch eingereicht. Die<br />
Planung der weiteren Rechtsangleichung im Rahmen einer fristgebundenen und<br />
ergebnisorientierten Steuerstrategie, einschließlich der Vorbereitung der IT-Systeme auf die<br />
Zusammenschaltung mit den Gemeinschaftssystemen, befindet sich noch im Anfangsstadium.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Türkei hat begrenzte Fortschritte erzielt. Das türkische Steuersystem entspricht zum Teil<br />
dem Besitzstand. Lücken bestehen insbesondere noch beim Anwendungsbereich und den<br />
Sätzen der Mehrwertsteuer, der Struktur und den Sätzen der Verbrauchsteuern sowie bei den<br />
direkten Steuern insgesamt. Außerdem müssen alle diskriminierenden Elemente der<br />
Steuervorschriften für Tabakwaren und alkoholische Getränke dringend beseitigt werden.<br />
4.17. Kapitel 17: Wirtschafts- und Währungsunion<br />
Auf dem Gebiet der Geldpolitik hat die Türkei begrenzte Fortschritte erzielt. Sie erließ neue<br />
Rechtsvorschriften, die den bevorrechtigten Zugang von Behörden zu Finanzinstituten in<br />
bestimmten Bereichen untersagen. Die Türkei muss weitere Änderungen an ihrem<br />
institutionellen und rechtlichen Rahmen vornehmen. Insbesondere hat die Zentralbank noch<br />
kein sekundäres Ziel verabschiedet, das den allgemeinen Wirtschaftszielen der Europäischen<br />
Gemeinschaft Vorrang vor inländischen Zielen einräumen würde. Darüber hinaus hat sie die<br />
Bestimmungen und Strukturen noch nicht eingeführt, die für die Einbindung der Zentralbank<br />
in das Europäische Zentralbanksystem erforderlich sind. Einige Fortschritte gab es in Bezug<br />
auf die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der Finanzierung des öffentlichen<br />
Sektors und das Verbot des bevorrechtigten Zugangs des öffentlichen Sektors zu den<br />
Finanzinstituten. Die Zentralbank ersetzte ihre Methode der Gewinn- und Verlustrechnung für<br />
den An- und Verkauf von Devisen durch die „Durchschnittskostenmethode“, wie es der<br />
Leitlinie der Europäischen Zentralbank über die Rechnungslegungsgrundsätze und das<br />
Berichtswesen im Europäischen System der Zentralbanken entspricht. So müssen die Banken<br />
nicht länger eine bestimmte Pflichtreserve in Form von türkischen Staatsanleihen hinterlegen.<br />
Allerdings ist der Anlegerschutzfonds, ein Garantiesystem für Anlagen in Wertpapieren,<br />
verpflichtet, sein Kapital in Staatsanleihen oder –einlagen zu investieren, die darüber hinaus<br />
bei staatseigenen Banken hinterlegt werden müssen. Schließlich müssen alle öffentlichen<br />
Einrichtungen mit Ausnahme der Zentralregierung ihre Vermögenswerte entweder bei<br />
staatlichen Banken hinterlegen oder in Staatspapieren anlegen. Insgesamt ist der Stand der<br />
Rechtsangleichung auf dem Gebiet der Geldpolitik fortgeschritten.<br />
Im Bereich der Wirtschaftspolitik sind einige Fortschritte zu verzeichnen. Die Errichtung der<br />
Finanzverwaltung und die Verabschiedung des Gesetzes über die öffentliche<br />
Finanzverwaltung und Finanzkontrolle tragen zur Stärkung der Verwaltungskapazitäten auf<br />
dem Gebiet der Finanzpolitik bei. Allerdings verfügen mehrere Ministerien und<br />
Untersekretariate über Zuständigkeiten unterschiedlichen Grades in wichtigen miteinander<br />
<strong>DE</strong> 58 <strong>DE</strong>
verknüpften Wirtschaftsbereichen. Durch diese Kompetenzaufsplitterung wird die<br />
Formulierung der Wirtschaftspolitik auf allen Ebenen in ihrer Effizienz und Wirksamkeit<br />
beeinträchtigt, vor allem was die Entscheidungsfindung, Koordinierung und Umsetzung<br />
betrifft. Dies ist teilweise dafür verantwortlich, dass wichtige wirtschaftliche Entscheidungen<br />
ad hoc getroffen und die wirtschaftlichen Auswirkungen der grundlegenden Vorschriften nur<br />
partiell bewertet werden.<br />
Schlussfolgerung<br />
Im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion konnte die Türkei Fortschritte verzeichnen.<br />
Allerdings ist die Unabhängigkeit der Zentralbank noch nicht vollständig gewährleistet und<br />
die Vorschriften über das Verbot der monetären Finanzierung des öffentlichen Sektors und<br />
über das Verbot des bevorrechtigten Zugangs des öffentlichen Sektors zu den Finanzinstituten<br />
stehen noch nicht im Einklang mit dem Besitzstand. Außerdem fehlt es an Untersuchungen<br />
der wirtschaftlichen Auswirkungen und an einer effizienten Koordinierung und Kooperation,<br />
was einer wirksamen Wirtschaftspolitik im Wege steht.<br />
4.18. Kapitel 18: Statistik<br />
Was die statistische Infrastruktur anbelangt, so erzielte die Türkei durch die<br />
Verabschiedung eines neuen Statistikgesetzes erhebliche Fortschritte bei der Übernahme des<br />
Besitzstands. Das Gesetz stärkt die Koordinierungsfunktion des türkischen Statistikinstituts<br />
(Turkstat). Die Einführung dieser Funktion in der Praxis befindet sich jedoch noch im<br />
Anfangsstadium. Die Verwaltungskapazitäten müssen weiter ausgebaut werden. Damit der<br />
Besitzstand angewandt werden kann, müssen die Entscheidungsverfahren gestrafft werden.<br />
Außerdem sind aufgrund der methodologischen und operationellen Änderungen Schulungen<br />
für das Personal erforderlich.<br />
Im Bereich der Klassifikationen wurden bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Die<br />
Klassifikationen des Statistikinstituts, die sich an der europäischen Praxis orientieren, sind<br />
nun auf einem Server verfügbar und finden breitere Anwendung. Mehrere Klassifikationen,<br />
wie diejenigen für Wirtschaftstätigkeiten, Erzeugnisse je Wirtschaftstätigkeit, Bauwesen,<br />
Berufe und Ausbildung, wurden übersetzt und werden angewandt. Sie werden auch von<br />
anderen Regierungsstellen zunehmend genutzt.<br />
Was die Verfügbarkeit von sektoralen Statistiken anbelangt, so wurden in einer Reihe von<br />
Bereichen Fortschritte erzielt. Auf dem Gebiet der Bevölkerungs- und Sozialstatistiken wurde<br />
der Rechtsakt über die Einführung eines wohnsitzbasierten Bevölkerungserfassungssystems<br />
verabschiedet. Eine Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) wurde<br />
durchgeführt. Im Bereich der Unternehmensstatistiken wurde die Erhebung struktureller<br />
Unternehmensstatistiken eingeführt. Was die Erhebung über die Wirtschaftsrechnungen der<br />
privaten Haushalte betrifft, so wurden die monatlichen Erhebungen fortgesetzt. Auf dem<br />
Gebiet der Kaufkraftstatistiken wurden mehrere Studien im Einklang mit EU-Standards<br />
durchgeführt. Bei den Außenhandelsstatistiken und den harmonisierten<br />
Verbraucherpreisindices wurde ein hoher Grad an Übereinstimmung mit dem Besitzstand<br />
erreicht und es werden Daten an Eurostat übermittelt. Im Bereich der Agrarstatistik werden<br />
die Arbeiten an der Einführung eines Registers der landwirtschaftlichen Betriebe fortgesetzt.<br />
Der Zugang der Öffentlichkeit zu statistischen Informationen wurde verbessert.<br />
Die Entwicklungen in den Bereichen Unternehmensregister, Unternehmensstatistiken,<br />
öffentliche Finanzen, Landwirtschaft und volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen befinden<br />
<strong>DE</strong> 59 <strong>DE</strong>
sich noch im Anfangsstadium. Für den Übergang zum ESVG 95 ist eine umfassende<br />
Überprüfung und Neufestsetzung von Benchmarks erforderlich.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Türkei hat bei der Anwendung von Klassifikationen und bei der Verfügbarkeit sektoraler<br />
Statistiken einige Fortschritte erzielt. Das neue Statistikgesetz stellt einen wichtigen Schritt<br />
auf dem Weg zur Harmonisierung dar. Die Rechtsangleichung ist jedoch noch unvollständig.<br />
4.19. Kapitel 19: Beschäftigung und Soziales<br />
Im Bereich des Arbeitsrechts wurden keine Fortschritte erzielt. Einige Richtlinien wurden<br />
immer noch nicht vollständig übernommen. Zu den Schwachstellen zählt der begrenzte<br />
Anwendungsbereich des Arbeitsrechts. Was die Verwaltungskapazitäten anbelangt, so stellte<br />
das Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit zusätzliches qualifiziertes Personal ein.<br />
Die Türkei muss ihre Bemühungen um die Bekämpfung der Kinderarbeit mit Unterstützung<br />
der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) fortsetzen.<br />
Im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist die Türkei mit der<br />
Übernahme des Besitzstands gut vorangekommen, doch die im vergangenen Jahr<br />
beanstandeten Schwachstellen wurden noch nicht beseitigt. Vor allem die Verordnung zur<br />
Umsetzung der Rahmenrichtlinie ist noch ausgesetzt, obwohl andere Verordnungen in diesem<br />
Bereich in Kraft bleiben. Von den Vorschriften werden nicht sämtliche Beschäftigten des<br />
Privatsektors und des öffentlichen Sektors erfasst. Der nationale Rat für Sicherheit und<br />
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, ein beratendes Gremium, dem öffentliche Einrichtungen,<br />
die Sozialpartner und andere einschlägige Akteure angehören, hat eine nationale Strategie für<br />
Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz verabschiedet. Maßnahmen zur Um- und<br />
Durchsetzung der einschlägigen Rechtsvorschriften wurden während des gesamten<br />
Berichtszeitraums ergriffen. Allerdings bedarf es weiterer Bemühungen, vor allem durch die<br />
Sensibilisierung, Ausbildung und Stärkung der Kapazitäten der Aufsichtsstellen<br />
(Arbeitsaufsicht und Beaufsichtigung der sozialen Sicherheit).<br />
Was den sozialen Dialog anbelangt, so gab es keine Fortschritte in Bezug auf die<br />
Gesetzentwürfe, die darauf abzielen, die derzeitigen Gesetze über Gewerkschaften und<br />
Tarifverhandlungen, Streik und Aussperrung mit den Standards der IAO und der EU in<br />
Einklang zu bringen. Vollwertige Gewerkschaftsrechte müssen in der Türkei noch eingeführt<br />
werden. Der soziale Dialog ist unzureichend und die Leistungsfähigkeit des Wirtschafts- und<br />
Sozialrats muss verbessert werden (s. Abschnitt „Wirtschaftliche und soziale Rechte“).<br />
Was die Beschäftigungspolitik betrifft, so können geringfügige Fortschritte vermeldet<br />
werden. Die niedrigen Erwerbs- und Beschäftigungsquoten, vor allem bei Frauen, die hohe<br />
Jugendarbeitslosigkeit, der Umfang der informellen Wirtschaft und die starke Spaltung<br />
zwischen ländlichem und städtischem Arbeitsmarkt stellen weiterhin die größten<br />
Herausforderungen dar. Die Beschäftigungsquote sank 2005 auf 43,4 %, während die<br />
Arbeitslosenquote bei 10,3 % blieb. Der Umfang der nicht registrierten Beschäftigung bereitet<br />
nach wie vor Sorge. Sie macht 50,1 % der Beschäftigung insgesamt und 88,2 % der<br />
Beschäftigung in der Landwirtschaft aus. Die türkische Arbeitsanstalt IŞKUR setzte die<br />
Bemühungen um einen Ausbau ihrer institutionellen Kapazitäten fort. Fortschritte wurden bei<br />
der Vorbereitung der gemeinsamen Bewertung der beschäftigungspolitischen Prioritäten<br />
erzielt.<br />
<strong>DE</strong> 60 <strong>DE</strong>
Die Rechtsangleichung mit Blick auf den Europäischen Sozialfonds (ESF) war begrenzt.<br />
Die Verwaltungsstrukturen und Rechtsvorschriften müssen angepasst werden, um adäquate<br />
institutionelle Kapazitäten für die künftige Verwaltung, Umsetzung, Überwachung,<br />
Rechnungsprüfung und Kontrolle von ESF-Maßnahmen auf nationaler und gegebenenfalls<br />
regionaler und lokaler Ebene zu schaffen. In diesem Zusammenhang muss die Türkei<br />
zunächst ihre Strukturen und Rechtsvorschriften für die Umsetzung der Komponente<br />
„Entwicklung der Humanressourcen“ des Instruments für Heranführungshilfe (IPA)<br />
angleichen.<br />
Was die soziale Eingliederung anbelangt, so wurden die Arbeiten im Rahmen der<br />
Gemeinsamen Erklärung zur sozialen Eingliederung fortgesetzt. Allerdings wurden<br />
hinsichtlich einer integrierten nationalen Strategie keine Fortschritte erzielt. Nach den<br />
Ergebnissen einer von TURKSTAT durchgeführten Armutsstudie leben 1,29% der<br />
Bevölkerung unter der Hungergrenze und 25,5% unter der Armutsgrenze. In den ländlichen<br />
Gebieten stieg letzterer Prozentsatz auf 40 %. Derselben Studie zufolge beträgt die<br />
Armutsrate bei Kindern (unter 6 Jahren) 34 %, während es in ländlichen Gebieten fast 40 %<br />
sind. Beim Ausbau der Verwaltungsstrukturen und der Koordinierung zwischen ihnen gab es<br />
keine Fortschritte.<br />
Es wurde ein Aktionsplan für die Beschäftigung von Behinderten ausgearbeitet und zum<br />
Behindertengesetz wurden mehrere Durchführungsverordnungen erlassen, die Bereiche wie<br />
Arbeitsplätze und Bildungsmaßnahmen für diese Menschen betreffen.<br />
Auf dem Gebiet des Sozialschutzes nahm das Parlament im Mai und im Juni 2006<br />
Rechtsvorschriften über die Reform der Sozialversicherungssysteme an, mit denen für eine<br />
komplette Überholung des türkischen Sozialversicherungssystems gesorgt wird. Dieses wird<br />
vereinfacht und die Bürokratie verringert; die Sozialleistungen werden für alle gleich sein und<br />
die Gesundheitsversorgung für Kinder unter 18 Jahren wird kostenlos sein. Die Reform zielt<br />
auf die Gewährleistung einer langfristigen finanziellen Stabilität des<br />
Sozialversicherungssystems und auf die Reglementierung der Unterstützung für die Ärmsten<br />
ab. Der Ausbau der Verwaltungskapazitäten der neu errichteten<br />
Sozialversicherungseinrichtung läuft. Die Aufsichtskapazitäten des<br />
Sozialversicherungssystems müssen ausgebaut werden.<br />
Im Bereich der Antidiskriminierungsvorschriften wurden keinerlei Entwicklungen<br />
verzeichnet. Die Gemeinschaftsrichtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus<br />
Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer<br />
Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung wurden immer noch nicht vollständig<br />
umgesetzt. Vor allem fehlt noch eine Umsetzung der nicht-beschäftigungsbezogenen Aspekte<br />
der Richtlinie über die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse. Es muss eine wirksame<br />
und unabhängige Gleichbehandlungsstelle eingerichtet werden, um die Nichtdiskriminierung<br />
und Gleichbehandlung zu fördern. Große Herausforderungen stellen sich noch im<br />
Zusammenhang mit der Lage der Minderheiten (s. Abschnitt „Menschenrechte und<br />
Minderheitenschutz“).<br />
Was die Chancengleichheit anbelangt, so ist eine weitere Rechtsangleichung vor allem in<br />
Bezug auf Elternurlaub, gleiches Entgelt, den gleichberechtigten Zugang zur Beschäftigung,<br />
die Beweislast und die gesetzlichen und betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit<br />
erforderlich. Auch wurde die nach dem Besitzstand vorgeschriebene Gleichstellungsstelle<br />
noch nicht eingerichtet. Der Frauenanteil an der Beschäftigung ist äußerst gering (unter 25 %)<br />
und die Frauenerwerbsquote sank auf etwa 20 % (s. Abschnitt „Wirtschaftliche und soziale<br />
<strong>DE</strong> 61 <strong>DE</strong>
Rechte“). Die Verwaltungskapazitäten der Generaldirektion für die Stellung der Frau müssen<br />
ausgebaut werden.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Türkei ist bei der Angleichung an den Besitzstand geringfügig vorangekommen. Sie hat<br />
einige Fortschritte beim Sozialschutz und bei der Umsetzung des neuen Behindertengesetzes<br />
erzielt. Es sind weitere Anstrengungen erforderlich, um die Dokumente über die gemeinsame<br />
Bewertung der beschäftigungspolitischen Prioritäten und die Erklärung zur sozialen<br />
Eingliederung fertig zu stellen. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen die Gewährleistung<br />
vollwertiger Gewerkschaftsrechte und die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Die<br />
Verwaltungskapazitäten müssen in den meisten Bereichen gestärkt werden, um eine wirksame<br />
Rechtsumsetzung zu gewährleisten.<br />
4.20. Kapitel 20: Unternehmens- und Industriepolitik<br />
In Bezug auf die unternehmens- und industriepolitischen Grundsätze hat die Türkei einige<br />
Fortschritte erzielt. Mit politischen Papieren wie dem 9. Entwicklungsplan (2007-2013), dem<br />
mittelfristigen Programm (2006-20008) und dem Jahresprogramm (2006) befolgt die Türkei<br />
weitgehend die unternehmens- und industriepolitischen Grundsätze der EU.<br />
Der Rat für Investitionsberatung, der sich aus Aufsichtsratsvorsitzenden wichtiger<br />
ausländischer Investoren und Vertretern von Industrieverbänden unter Vorsitz des<br />
Ministerpräsidenten zusammensetzt, gab eine Reihe politischer Empfehlungen ab. Das<br />
Schatzamt richtete ein Investitionsportal ein, um internationalen Investoren Informationen zu<br />
bieten. Die Nettozuflüsse ausländischer Direktinvestitionen haben sich 2005 mehr als<br />
verdoppelt und erreichten 7,8 Mrd. EUR. Das Gesetz zur Errichtung einer Agentur für die<br />
Unterstützung und Förderung von Investitionen trat in Kraft. Die Agentur wird ihren Sitz in<br />
Ankara haben und dem Ministerpräsidenten beigeordnet, administrativ und finanziell jedoch<br />
unabhängig sein. Der Zeitraum für die Gründung eines Unternehmens wurde auf einen Tag<br />
verkürzt. Allerdings bedarf es einer weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen für<br />
Unternehmen, vor allem der Verringerung des bürokratischen Aufwands. Die Grundsätze der<br />
Corporate Governance werden nicht vollständig angewandt.<br />
Die KMU-Strategie der Türkei steht im Einklang mit der Europäischen Charta für kleine<br />
Unternehmen. In allen türkischen Einrichtungen wurde eine gemeinsame Definition der KMU<br />
eingeführt. Sie stimmt bis auf niedrigere Schwellenwerte für Umsatz und Vermögen mit dem<br />
Besitzstand überein. Die Antragsverfahren wurden vereinfacht.<br />
Es wurden ein Hoher Rat für Wissenschaft und Forschung errichtet und eine nationale<br />
Strategie für Wissenschaft und Forschung (2005-2010) verabschiedet (s. Kapitel 25 –<br />
Wissenschaft und Forschung). Die Kreditgarantieregelung für Händler und Handwerker sowie<br />
die Mikrofinanzierungen haben noch keine konkreten Ergebnisse erbracht. Die staatlichen<br />
Banken gewähren KMU zinsgünstige Darlehen.<br />
Auf dem Gebiet der unternehmens- und industriepolitischen Instrumente hat die Türkei<br />
gute Fortschritte erzielt. Sie hat sich am Mehrjahresprogramm für KMU beteiligt, wobei sie<br />
neun Euro-Infozentren errichtete, einen Kreditgarantiefonds gründete und an 22 BEST-<br />
Projekten teilnahm. Außerdem beteiligte sich die Türkei an den Programmen LIFE und e-<br />
CONTENT und wird künftig am Programm e-TEN teilnehmen. Es werden finanzielle<br />
Anreize für Unternehmen angeboten, vor allem durch Darlehens- und Kreditprogramme<br />
sowie durch einen von KOSGEB verwalteten Kreditgarantiefonds.<br />
<strong>DE</strong> 62 <strong>DE</strong>
Die derzeitigen Rechtsvorschriften der Türkei (einschließlich des Schuldrechtsgesetzes, des<br />
Handelsgesetzbuchs, des Gesetzes über gesetzliche Zinsen und Verzugszinsen und des<br />
Vollstreckungs- und Konkursgesetzes) enthalten Bestimmungen, die mit der Richtlinie<br />
2000/35/EG des EP und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr<br />
im Einklang stehen. Allerdings bestehen noch Lücken und es fehlt an Klarheit, vor allem<br />
hinsichtlich des Geltungsbereichs, der Begriffsbestimmungen und der Zahlungsfristen. Die<br />
Vorbereitungen in diesem Bereich verlaufen planmäßig.<br />
Einige Fortschritte wurden bei den sektoralen Politiken erzielt. Die Türkei hat<br />
sektorspezifische Prioritäten in ihre jüngsten wichtigen Planungs- und<br />
Programmierungsdokumente aufgenommen (s. unternehmens- und industriepolitische<br />
Grundsätze). In bestimmten Bereichen wurden Gesetze verabschiedet, um einen<br />
sektorspezifischen Politikrahmen und entsprechende Konsultationsmechanismen einzuführen.<br />
Sektorspezifische Strategien existieren allerdings nicht. Die Privatisierungserlöse, die sich<br />
2004 auf 1 Mrd. EUR beliefen, lagen 2005 bei über 10 Mrd. EUR. Was Ausschreibungen<br />
betrifft, so wurden die Offenlegungspflichten nicht immer ausreichend erfüllt. Am 31. August<br />
2006 legte die Türkei der Kommission ein nationales Umstrukturierungsprogramm für die<br />
türkische Stahlindustrie vor. Es wird derzeit von den Kommissionsdienststellen analysiert (s.<br />
Kapitel 8 – Wettbewerbspolitik).<br />
Die Vorbereitungen in diesem Bereich sind erst mäßig fortgeschritten. Die Türkei verfügt<br />
über ausreichende Kapazitäten für die Formulierung angemessener sektorpolitischer<br />
Maßnahmen. Ihre Fähigkeit zur Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit und der Auswirkungen<br />
politischer Maßnahmen muss jedoch verbessert werden.<br />
Schlussfolgerung<br />
Insgesamt hat die Türkei in diesem Kapitel gute Fortschritte erzielt, vor allem hinsichtlich der<br />
gesetzlichen Maßnahmen zur Einführung einer Agentur für die Unterstützung und Förderung<br />
von Investitionen, der Privatisierung, der Anpassung der KMU-Definition an den Besitzstand<br />
und der strategischen Planung. Das Land hat bei der Angleichung an dem Besitzstand dieses<br />
Kapitels einen angemessenen Stand erreicht.<br />
4.21. Kapitel 21: Transeuropäische Netze<br />
Bei den Transeuropäischen Netzen sind einige geringfügige Fortschritte zu verzeichnen. Die<br />
Infrastrukturbedarfsanalyse im Bereich der Verkehrsnetze wurde noch nicht abgeschlossen.<br />
Die Türkei muss verlässliche und qualitativ hochwertige Verkehrsprognosen liefern, die<br />
wesentlich für die Definition eines möglichen Verkehrsnetzes mit denselben Eigenschaften<br />
wie das TEN-T sind. Es besteht ein Mangel an klassifizierten Verkehrsdaten. Die Türkei<br />
nahm an den Beratungen der Hochrangigen Gruppe für die Ausdehnung der wichtigsten<br />
transeuropäischen Verkehrsachsen auf die EU-Nachbarländer teil und wird die Empfehlungen<br />
der Gruppe voraussichtlich umsetzen.<br />
Im Rahmen des Programms für transeuropäische Energienetze unterstützt die Kommission<br />
Durchführbarkeitsstudien für Strom- und Gasleitungen mit Blick auf die Steigerung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit auf dem Elektrizitäts- und Gasmarkt der EU bei gleichzeitiger<br />
Verbesserung der Versorgungssicherheit. Die Errichtung der türkisch-griechischen Gasleitung<br />
verzögert sich. Der Bau der Gaspipeline „Nabucco“, die Erdgas vom Kaspischen Meer und<br />
aus Zentralasien über die Türkei in andere europäische Länder befördern soll, gehört zu den<br />
<strong>DE</strong> 63 <strong>DE</strong>
prioritären Projekten der Europäischen Union. Die Türkei sollte die Bemühungen um die<br />
Unterstützung dieses Projekts fortsetzen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Es wurden begrenzte Fortschritte erzielt und die Rechtsangleichung in diesem Bereich<br />
befindet sich noch in einem relativ frühen Stadium.<br />
4.22. Kapitel 22: Regionalpolitik und Koordinierung der strukturpolitischen<br />
Instrumente<br />
In Bezug auf die Gebietsgliederung sind keine besonderen Fortschritte zu verzeichnen.<br />
Angesichts der Anforderungen der Verordnung über die Klassifikation von Gebietseinheiten<br />
für die Statistik (NUTS) und aus Gründen der wirksamen Umsetzung der Regionalpolitik<br />
könnte eine Verbesserung der derzeitigen provisorischen Klassifikation der statistischen<br />
Regionen (NUTS-Ebene II) notwendig sein. Parallel zu den NUTS-II-Gebietseinheiten<br />
verwenden die meisten Institutionen in der Türkei nach wie vor die traditionellen<br />
geographischen Regionen als wichtigsten Bezugsrahmen. Im Bereich der regionalen Statistik<br />
waren Fortschritte zu verzeichnen. Die Vorbereitungen in diesem Bereich sind mäßig weit<br />
fortgeschritten.<br />
Bei der Weiterentwicklung des Rechtsrahmens waren einige Fortschritte zu verzeichnen.<br />
Das Gesetz über Einrichtung, Koordinierung und Aufgaben von<br />
Regionalentwicklungsagenturen wurde ratifiziert und trat im Februar 2006 in Kraft. Dieses<br />
Gesetz legt neben den Gründsätzen und Verfahren im Zusammenhang mit der Einrichtung,<br />
der Koordinierung und den Aufgaben der Entwicklungsagenturen auch deren<br />
Einstellungspolitik, Budget und Auditverfahren fest. Zur Einrichtung der einzelnen Agenturen<br />
ist noch der Erlass von Durchführungsvorschriften erforderlich.<br />
Nach diesem Gesetz ist die staatliche Planungsorganisation (SPO) für die Koordinierung der<br />
Entwicklungsagenturen auf nationaler Ebene zuständig. Ziel ist es, in jeder der 26 NUTS-II-<br />
Regionen eine Entwicklungsagentur per Regierungserlass einzurichten, doch dieser Prozess<br />
wird sich über mehrere Jahre hinziehen. Der Hauptzweck der Agenturen besteht darin, die<br />
regionale Entwicklung voranzutreiben, die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und<br />
dem Privatsektor zu fördern und zur Verringerung der regionalen Unterschiede beizutragen.<br />
Die Agentur sollen teils durch Transferleistungen aus dem Staatshaushalt und teils durch die<br />
Provinz- und Kommunalverwaltungen finanziert werden. Von den Agenturen wird auch<br />
erwartet, eigene operationelle Einnahmen zu erzeugen, auch wenn dies in den ärmeren<br />
Regionen unrealistisch erscheint. Die Rolle und die Funktionen der Entwicklungsagenturen<br />
geben gewissen Anlass zur Besorgnis.<br />
Der Rechtsrahmen für die Finanzkontrolle und die Vereinbarkeit mit anderen<br />
Gemeinschaftspolitiken werden in anderen Kapiteln bewertet. Die Vorbereitungen in diesem<br />
Bereich befinden noch in einem frühen Stadium.<br />
In Bezug auf den institutionellen Rahmen waren keine wesentlichen Veränderungen zu<br />
verzeichnen. Der wichtigste Fortschritt bestand in der verstärkten Zusammenarbeit zwischen<br />
den sektoralen und regionalen Abteilungen der SPO. In den beiden Regionen Adana und<br />
Izmir wurde jeweils eine Entwicklungsagentur eingerichtet. Doch noch bestehen keine<br />
Strukturen, wie z.B. eine ressortübergreifende Koordinierungsstelle, für die Abstimmung mit<br />
den anderen Fachministerien – die Zusammenarbeit mit diesen Ministerien im Bereich der<br />
Regionalentwicklung beschränkt sich in der Regel auf eine Konsultation zu im Wesentlichen<br />
<strong>DE</strong> 64 <strong>DE</strong>
fertigen Dokumenten und sieht keine Beteiligung von Beginn an vor. In den einschlägigen<br />
Fachministerien wurden bisher keine Verwaltungsbehörden für die Umsetzung der IPA-<br />
Komponente "Regionale Entwicklung" eingerichtet. Für eine Übergangzeit ist vorgesehen, die<br />
zentrale Finanz- und Vergabeeinheit (Central Finance and Contracts Unit - CFCU), die<br />
einzige bisher für die Durchführung der Heranführungshilfe zugunsten der Türkei<br />
akkreditierte Stelle, mit diesen Aufgaben zu betrauen. Die Vorbereitungen in diesem Bereich<br />
befinden sich in einem frühen Stadium.<br />
In Bezug auf die Verwaltungskapazitäten in diesem Bereich waren begrenzte Fortschritte zu<br />
verzeichnen. Die CFCU hat viel neues Personal eingestellt – der Nachhaltigkeit halber<br />
müssen diese Neueinstellungen durch die Abstellung von Mitarbeitern aus den<br />
Fachministerien ergänzt werden, in denen die künftigen Verwaltungsbehörden eingerichtet<br />
werden sollen. Innerhalb der SPO sind die Verwaltungskapazitäten in Bezug auf das Personal<br />
ausreichend, doch die Entscheidungsfindung liegt nach wie vor in den Händen einer kleinen<br />
Zahl von Beamten. Die Übertragung von Zuständigkeiten auf die Fachministerien und<br />
Regionalbehörden war bisher sehr begrenzt. In den kommenden Jahren sollen die neuen<br />
Entwicklungsagenturen für die notwendigen Verwaltungskapazitäten auf regionaler Ebene<br />
sorgen und die Dienstleistungsstellen ersetzen, die in allen Regionen einrichtet wurden, in<br />
denen von der EU unterstützte regionale Entwicklungsprogramme aufgelegt wurden. Die<br />
Vorbereitungen in diesem Bereich befinden sich noch in einem frühen Stadium.<br />
In Bezug auf die Programmierung waren einige Fortschritte zu verzeichnen. Der neunte<br />
siebenjährige (früher fünfjährige) Entwicklungsplan wurde Anfang 2006 von der SPO<br />
vorgelegt und trägt der zunehmenden Bedeutung Rechnung, die der regionalen Dimension bei<br />
der Entwicklung des Landes beigemessen wird. Die SPO und die Fachministerien beteiligen<br />
sich an der Erstellung der Programmierungsdokumente, nämlich des Strategierahmens und<br />
der operationellen Programme.<br />
Im Rahmen der regionalen Komponente des IPA soll für eine stärkere Fokussierung der<br />
Programmierung gesorgt werden: Mit den Dienststellen der Kommission wurde vereinbart,<br />
dass maximal drei operationelle Programme vorgelegt werden sollen, die jeweils die Bereiche<br />
Umwelt, Verkehr und regionale Wettbewerbsfähigkeit abdecken. Obwohl die SPO über große<br />
Planungserfahrung verfügt, bestehen weiterhin erhebliche Probleme beim Übergang von der<br />
strategischen Planung zur Ausarbeitung operationeller Programme. Die Vorbereitungen in<br />
diesem Bereich sind mäßig weit fortgeschritten.<br />
In Bezug auf Monitoring und Evaluierung waren gute Fortschritte zu verzeichnen. Nach der<br />
Einrichtung einer Monitoring- und Evaluierungsabteilung im Jahr 2004 beschloss die SPO<br />
2006 einen Monitoring- und Evaluierungsrahmen, der die Zuständigkeit der an diesem<br />
Prozess beteiligten Stellen festlegt. Ein Monitoring-Leitfaden wurde erstellt und ein<br />
gemeinsames webgestütztes Monitoring-Informationssystem (MIS) entwickelt und in Betrieb<br />
genommen. Die Vorbereitungen in diesem Bereich fangen erst an.<br />
Für die Entwicklungen im Bereich Finanzverwaltung und -kontrolle siehe Kapitel 32.<br />
Schlussfolgerung<br />
Bei der Anpassung des Rechtsrahmens und bei der Festlegung von regionalen Strukturen für<br />
die Umsetzung der Regionalpolitik waren Fortschritte zu verzeichnen. Doch in Bezug auf die<br />
Rolle und Funktionsweise der vorgesehenen Agenturen ist weiteres Handeln erforderlich.<br />
Eigenverantwortung und Rechenschaftspflicht müssen gestärkt werden, u.a. durch eine<br />
<strong>DE</strong> 65 <strong>DE</strong>
Neuaufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Ministerien auf zentraler und regionaler<br />
Ebene. Die Vorbereitung der Programmierungsdokumente für die Umsetzung des IPA sollte<br />
beschleunigt werden. Insgesamt hat die Türkei in diesem Bereich nur eine bescheidenes Maß<br />
an Angleichung an den Besitzstand erreicht.<br />
4.23. Kapitel 23: Justiz und Grundrechte<br />
Grundsätzlich wird die Unabhängigkeit der Justiz durch verschiedene Bestimmungen der<br />
türkischen Verfassung und sonstige innerstaatliche Rechtsvorschriften garantiert. Doch dieser<br />
Grundsatz wird anscheinend durch einige Faktoren ausgehöhlt. Im Hinblick auf ihre<br />
administrativen Funktionen sind Richter und Staatsanwälte dem Justizministerium unterstellt.<br />
Der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte, oberstes Verwaltungs- und Aufsichtsgremium<br />
des Gerichtswesens, verfügt nicht über ein eigenes Sekretariat oder Budget. Seine<br />
Räumlichkeiten befinden sich nach wie vor im Gebäude des Justizministeriums. Die<br />
Justizinspektoren, die für die Bewertung der Arbeitsleistung von Richtern und Staatsanwälten<br />
zuständig sind, sind nicht dem Hohen Rat, sondern dem Justizministerium unterstellt. Der<br />
Justizminister und der Staatsminister im Justizministerium sind zwei der sieben<br />
Ratsmitglieder mit Stimmrecht. Die restlichen fünf werden aus den Richtern ernannt, die am<br />
Kassationsgerichtshof und im Staatsrat sitzen. Die Zusammensetzung erscheint nicht<br />
repräsentativ für das Gerichtswesen insgesamt und - zusammen mit den oben genannten<br />
Faktoren – könnte womöglich die Exekutive in die Lage versetzen, Einfluss auf<br />
Entscheidungen im Zusammenhang mit der Laufbahn von Richtern in der Türkei Einfluss zu<br />
nehmen, vorausgesetzt, dass die Exekutive bei den entsprechenden Sitzungen vertreten ist. 16<br />
Am 26. Juni 2006 gründeten 501 Richter und Staatsanwälte die "Vereinigung von Richtern<br />
und Staatsanwälten" (YARSAV). Bei den Gründungsmitgliedern handelt es sich überwiegend<br />
um Mitglieder des Kassationsgerichtshofs und des Staatsrats sowie um Richter und<br />
Staatsanwälte aus Ankara und Istanbul. Hauptziel von YARSAV ist der Schutz der<br />
richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und der Arbeitsplatzsicherheit von<br />
Richtern und Staatsanwälten sowie die Förderung von Standesregeln und einer Standesethik.<br />
Richter und Staatsanwälte haben inzwischen Zugang zu ihren Personalbewertungsakten.<br />
In Bezug auf die richterliche Unabhängigkeit waren einige Fortschritte zu verzeichnen. Die<br />
Änderungen des Gesetzes über Richter und Staatsanwälte, die im Dezember 2005 in Kraft<br />
traten, sehen vor, dass Richter und Staatsanwälte, die ihr Amt niederlegen, um bei<br />
Parlaments- oder Kommunalwahlen zu kandidieren, nicht in ihr Amt zurückkehren dürfen,<br />
wenn sie bei der Wahl unterliegen.<br />
Nach einer Entscheidung des Justizministeriums fallen Anwärter auf das Amt eines Richters<br />
oder Staatsanwalts nun in den Geltungsbereich des Gesetzes über den Ethikrat für<br />
Staatsbedienstete. Der Bangalore-Verhaltenskodex für Justizbeamte steht auf dem Lehrplan<br />
der Justizakademie und alle Anwärter auf das Amt eines Richter oder Staatsanwalts nehmen<br />
an einem vierstündigen Seminar zum Thema Standesethik teil.<br />
16 Obwohl der Justizminister Vorsitzender des Hohen Rates ist, nimm er nur selten an dessen Tagungen<br />
teil. Zahl der Tagungen, bei denen der Justizminister in den letzten sechs Jahren den Vorsitz führte:<br />
2001 – 9, 2002 – 11, 2003 – 12, 2004 – 8, 2005 – 4 und 2006 (bis 26.09.2006) – 2.<br />
<strong>DE</strong> 66 <strong>DE</strong>
Mit Beschluss Nr. 424 vom 10. Oktober 2006 erkannte der Hohe Rat der Richter und<br />
Staatsanwälte die von der Konferenz der europäischen Generalstaatsanwälte in Budapest<br />
verabschiedeten Grundsätze an, die er an alle Zweige des Justizwesens verteilen wird.<br />
Nach der Verabschiedung eines Gesetzes über die Besoldung von Richtern und<br />
Staatsanwälten im Juni 2006 wurden die Gehälter um ca. 40 % erhöht. Insbesondere die<br />
Gehälter der Präsidenten der obersten Gerichte wurden, entsprechend dem Wunsch der Justiz,<br />
auf das Gehaltsniveau des Staatssekretärs im Amts des Ministerpräsidenten angehoben.<br />
In Bezug auf die Professionalität und Kompetenz der Justiz setzte das Justizministerium<br />
und die Justizakademie die umfassende Schulung zum neuen Strafgesetzbuch und zur<br />
Strafprozessordnung sowie zu Themen wie Verhinderung von Folter und Misshandlung,<br />
Meinungsfreiheit und Wirksamkeit der gerichtlichen Verfahren fort. Auch der<br />
Fremdsprachenunterricht und die Schulung zu Fragen des EU-Rechts und der internationalen<br />
Menschenrechtsbestimmungen wurden fortgesetzt. In diesem Zusammenhang erhielten einige<br />
Richter und Staatsanwälte die Möglichkeit, an Schulungsmaßnahmen im Ausland<br />
teilzunehmen. Die Justizakademie sollte sich allerdings zu einem leistungsstarken,<br />
unabhängigen Schulungszentrum für das gesamte Gerichtswesen, d.h. auch auf regionaler<br />
Ebene, entwickeln.<br />
In Bezug auf die Effizienz des Justizwesens waren weitere Fortschritte zu verzeichnen. Was<br />
Durchführungsmaßnahmen anbetrifft, so aktualisierte das Justizministerium im Januar 2006<br />
sämtliche Runderlässe durch die Herausgabe von rund 100 neuen, die überwiegend an die<br />
Staatsanwälte gerichtet waren. Ziel dabei war die Schaffung eines übersichtlicheren Rahmens<br />
für die Umsetzung insbesondere der neuen Strafprozessordnung und des Gesetzes über die<br />
Vollstreckung von Gerichtsurteilen.<br />
Ein Gesetz, das es praktizierenden Rechtsanwälten ermöglichen sollte, Richter oder<br />
Staatsanwalt zu werden, wurde abgelehnt. Die 4.000 freien Stellen werden also mittels der<br />
üblichen Einstellungsverfahren besetzt werden. In diesem Zusammenhang wurde die auf das<br />
Amt eines Richters oder Staatsanwalts vorbereitende Ausbildung von zwei auf ein Jahr<br />
verkürzt. Es müsste darauf geachtet werden, die Richter von allen Verwaltungsfunktionen zu<br />
befreien und diese ausreichend qualifiziertem Gerichtspersonal zu übertragen. Das Etat des<br />
Justizministeriums wurde erheblich aufgestockt und macht derzeit über 1% des gesamten<br />
Staatshaushalts aus. Was die Computerisierung anbetrifft, so kam das Projekt zum Aufbau<br />
eines nationalen Justiznetzwerks weiter voran - das System wurde in weiteten Gerichten und<br />
Strafvollzugsanstalten eingeführt. Die wichtigsten Gerichtsgebäude sowie alle Richter und<br />
Staatsanwälte verfügen inzwischen über Laptops und Internet-Zugang. Die<br />
Gerichtsverhandlungen werden über das nationale Justiznetzwerk verfolgt werden können und<br />
auch die Rechtsprechung wird über das Netz zugänglich sein. Über das Netzwerk wird das<br />
Gerichtswesen mit allen staatlichen Institutionen elektronisch verbunden sein. Seit<br />
Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung nutzen Staatsanwälte zunehmend ihren<br />
Ermessensspielraum zur Einstellung aussichtsloser Verfahren. Zudem wird über viele Fälle<br />
berichtet, in denen Richter Anklagen, die nicht auf ausreichenden Beweismitteln beruhten,<br />
abgewiesen haben.<br />
Mit der neuen Strafprozessordnung wurde das System der Absprachen zur Strafmilderung<br />
eingeführt. Das Justizministerium hat eine Kommission eingesetzt, die das System weiter<br />
verbessern soll.<br />
<strong>DE</strong> 67 <strong>DE</strong>
Im Bereich der Justizreform sind Fortschritte zu verzeichnen<br />
Bei der Bekämpfung von Korruption sind insgesamt einige Fortschritte zu verzeichnen. Das<br />
Gesetz über den Zugang zu Informationen wurde 2006 geändert, um den Bürgern die<br />
Möglichkeit zu geben, alle Entscheidungen staatlicher Stellen zur Ablehnung von Anträgen<br />
auf Zugang zu Informationen anzufechten. Öffentliche Organisationen nehmen die geänderte<br />
gesetzliche Regelung in Anspruch. Nach der amtlichen Statistik wurden 626.789 Anträge auf<br />
Zugang zu Informationen gestellt, denen die staatlichen Stellen zu 86,5 % stattgaben. Das<br />
UN-Übereinkommen über die Korruptionsbekämpfung wurde vom Parlament angenommen<br />
und trat im Mai 2006 in Kraft.<br />
Es bestehen weiterhin keine Gesamtstrategie und kein umfassender Aktionsplan zur<br />
Verhütung und Bekämpfung von Korruption.<br />
In der Türkei ist die Korruption jedoch nach wie vor weit verbreitet. Die Effizienz und<br />
Wirksamkeit der verschiedenen exekutiven, parlamentarischen und sonstigen Stellen, die zur<br />
Korruptionsbekämpfung eingesetzt werden, ist, wie auch die Zusammenarbeit und<br />
Koordinierung zwischen ihnen, weiterhin unzureichend. Das Zusammenwirken zwischen<br />
Staat, Privatsektor und Zivilgesellschaft muss verbessert werden. Verstärkte<br />
Sensibilisierungsmaßnahmen sind erforderlich, damit die Öffentlichkeit die Korruption als<br />
schwere Straftat erkennt. Es muss gewährleistet werden, dass die höchste politische Ebene die<br />
Korruptionsbekämpfung nachhaltig unterstützt.<br />
Die Funktionsfähigkeit des 2004 eingesetzten Ethikausschusses für Staatsbedienstete wird<br />
durch Personal- und Finanzmangel beeinträchtigt. Der Ausschuss muss gestärkt werden, um<br />
seine Aufgaben bei der Überwachung der Einhaltung ethischer Grundsätze und bei der<br />
Prüfung von Beschwerden wahrnehmen zu können.<br />
Die Umsetzung des 2003 verabschiedeten Gesetzes über die öffentliche Finanzverwaltung und<br />
–kontrolle ist unzureichend, insbesondere in Bezug auf Innenrevision und<br />
Leistungskontrollen. Eine weitere Frage, die angegangen werden muss, ist die mangelnde<br />
Rechnungsprüfungskompetenz des türkischen Rechnungshofs in Bezug auf die<br />
Verteidigungsausgaben. (Siehe Kapitel 28: Finanzkontrolle für weitere Einzelheiten.)<br />
Obwohl erkannt wurde, dass vor dem Hintergrund der Korruption im öffentlichen Leben in<br />
der Türkei die Anwendung der parlamentarischen Immunität ein erhebliches Problem<br />
darstellt, kam es in dieser Frage zu keinen Fortschritten. Auch in Bezug auf die Finanzierung<br />
politischer Parteien waren keine Fortschritte zu verzeichnen.<br />
Im Bereich der Grundrechte waren die Fortschritte bei der Gesetzgebung begrenzt. Die<br />
Umsetzung von Reformen wurden jedoch fortgesetzt. Die Verabschiedung des Gesetze zur<br />
Einrichtung einer Ombudsstelle ist ein willkommener Schritt, da diese neue Institution<br />
voraussichtlich zur verstärkten Transparenz und Rechenschaftspflicht staatlicher Stellen<br />
beitragen wird.<br />
In Bezug auf die Institutionen, die wie das Menschenrechtspräsidium die Achtung der<br />
Menschenrechte überwachen und fördern sollen, waren keine Entwicklungen zu verzeichnen.<br />
<strong>DE</strong> 68 <strong>DE</strong>
Was das Recht auf Leben und insbesondere die Abschaffung der Todesstrafe betrifft, so<br />
ratifizierte die Türkei im März 2006 das zweite Fakultativprotokoll des Internationalen Pakts<br />
über bürgerliche und politische Rechte, das auf die Abschaffung der Todesstrafe abzielt. Das<br />
Protokoll Nr. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das die grundsätzliche<br />
Abschaffung der Todesstrafe vorsieht, wurde im Februar 2006 ratifiziert. Was ihr nationales<br />
Recht angeht, so schaffte die Türkei 2004 die Todesstrafe in allen Fällen ab.<br />
In Bezug auf Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe wurde<br />
die Umsetzung des gesetzlichen Rahmens fortgesetzt. Die Zahl der gemeldeten Fälle von<br />
Folter und Misshandlung gingen gegenüber dem Vorjahr zurück. Doch Fälle außerhalb<br />
regulärer Haft werden nach wie vor gemeldet. Außerdem geben die<br />
Menschenrechtsverletzungen im Südosten des Landes und das Problem der Straflosigkeit<br />
weiterhin Anlass zur Besorgnis. Das 2004 unterzeichnete erste Fakultativprotokoll des<br />
Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie das im September 2005<br />
unterzeichnete Fakultativprotokoll des UN-Übereinkommens gegen Folter wurden noch nicht<br />
ratifiziert.<br />
In Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten waren keine Entwicklungen zu<br />
verzeichnen.<br />
Was die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit anbetrifft, so wird die Freiheit der<br />
Religionsausübung im Allgemeinen geachtet. Doch bei der Überwindung der Probleme, vor<br />
denen die zum Teil staatlich nicht anerkannten nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften<br />
und die ebenfalls staatlich nicht anerkannte muslimische Gemeinschaft der Aleviten stehen,<br />
wurden keine Fortschritte erzielt. Auch in Bezug auf das Recht auf Wehrdienstverweigerung<br />
aus Gewissensgründen, das von der Türkei nicht anerkannt wird, waren keine Fortschritte zu<br />
verzeichnen.<br />
Im Allgemeinen findet in der türkischen Gesellschaft verstärkt eine offene Debatte statt. Doch<br />
bestimmte Bestimmungen des neuen Strafgesetzbuchs lassen der Justiz einen erheblichen<br />
Auslegungsspielraum. Insbesondere die restriktive Auslegung des Artikels 301 hat zur<br />
Anklageerhebung gegen und zur Verurteilung von Personen geführt, die gewaltlos ihre<br />
Meinung geäußert haben.<br />
In Bezug auf die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit setzte sich der Trend zur<br />
Beseitigung von Beschränkungen fort. Berichten zufolge haben die Sicherheitskräfte jedoch<br />
bei Demonstrationen übertriebene Gewalt angewandt. Außerdem bestehen weiterhin einige<br />
Beschränkungen im Hinblick auf die Einrichtung von Vereinigung zur Vertretung religiöser<br />
oder kultureller Partikularinteressen.<br />
Hinsichtlich des Rechts auf Bildung müssen die Bemühungen um Verbesserung der sozialen<br />
Wahrnehmung von Frauen sowie um Förderung der Rolle von Frauen in der Gesellschaft und<br />
der Teilnahme von Mädchen am Bildungswesen, insbesondere im Südosten des Landes,<br />
fortgesetzt werden.<br />
In Bezug auf das Recht auf Eigentum waren keine Maßnahmen zur Verbesserung der Lage<br />
der nichtmuslimischen Gemeinschaften zu verzeichnen. Dies gilt auch im Hinblick auf die<br />
<strong>DE</strong> 69 <strong>DE</strong>
estehenden Probleme von griechischen Staatsbürgern und Assyrern bei der Beerbung und<br />
Eintragung von Eigentum.<br />
Im Bereich der Antidiskriminierung waren keine gesetzlichen Entwicklungen zu verzeichnen<br />
(siehe auch Kapitel 19 für die beschäftigungspolitischen Aspekte). Das 2001 unterzeichnete<br />
Protokoll Nr. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das ein allgemeines<br />
Diskriminierungsverbot im öffentlichen Sektor vorsieht, wurde noch nicht ratifiziert.<br />
Die türkische Öffentlichkeit schenkt Fragen im Zusammenhang mit der Gleichstellung der<br />
Geschlechter und den Rechten der Frau zunehmend Aufmerksamkeit. Der rechtliche Rahmen<br />
ist im Großen und Ganzen zufrieden stellend. Doch in der Praxis werden die Rechte von<br />
Frauen nicht immer geschützt, vor allem in den ärmsten Regionen des Landes.<br />
"Ehrenverbrechen" müssen systematischer untersucht und ggf. mit einer Anklageerhebung<br />
und Verurteilung geahndet werden.<br />
In Bezug auf die Rechte des Kindes hat sich die Lage kaum verändert. Die Durchsetzung der<br />
gesetzlichen Bestimmungen über Bildung und Beschäftigung bei Kindern unter 15 Jahren<br />
muss verbessert werden.<br />
Im Hinblick auf das Recht auf wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht ist<br />
festzustellen, dass sich die durchschnittliche Dauer eines Strafverfahrens zwischen 2004 und<br />
2005 von 210 auf 234 Tage erhöhte; bei den Zivilverfahren erhöhte sich die durchschnittliche<br />
Dauer im selben Zeitraum von 177 auf 184 Tage. Die Zahl der an den Gerichten anhängigen<br />
Verfahren blieb konstant: 1 050 754 Strafsachen wurden von 2004 auf 2005 übertragen und 1<br />
050 250 von 2005 auf 2006.<br />
Die Zahl der an den Zivilgerichten anhängigen Verfahren stieg leicht an: 757 560 Zivilsachen<br />
wurden von 2005 auf 2006 übertragen gegenüber 717 960 von 2004 auf 2005.<br />
Untersuchungshäftlinge haben Anspruch auf Rechtsbeistand, und Aussagen, die in<br />
Abwesenheit eines Rechtsanwalts gemacht werden, sind nach der neuen Strafprozessordnung<br />
nicht mehr als Beweismittel vor Gericht zulässig. Mit dem neuen Antiterrorgesetz wurden<br />
allerdings Beschränkungen dieses Anspruchs eingeführt: So kann in den ersten 24 Stunden<br />
nach der Verhaftung der Zugang zu einem Rechtsanwalt verwehrt werden. Auch die<br />
mangelnde Prüfung von Fällen, in denen Aussagen ursprünglich in Abwesenheit eines<br />
Rechtsanwalts gemacht wurden und die Angeklagten später behauptet haben, sie seien unter<br />
Folter erzwungen worden, gibt Anlass zur Besorgnis.<br />
In Bezug auf das Recht auf Verteidigung ist seit Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung<br />
ein deutlicher Anstieg der Zahl der für den kostenlosen Rechtsbeistand bestellten<br />
Rechtsanwälte zu verzeichnen. Doch der Staat zahlt niedrige Anwaltshonorare. Dies gibt<br />
Anlass zur Besorgnis im Hinblick auf die Qualität des geleisteten Rechtsbeistands. Außerdem<br />
haben sich die Anwaltsvereinigung und das Justizministerium auf eine Reihe von<br />
Gesetzesänderungen verständigt, mit denen der Anspruch auf kostenlosen Rechtsbeistand<br />
eingeschränkt werden soll. Dadurch würde sich die Zahl der Verdächtigten und<br />
Untersuchungshäftlinge, die automatisch dafür in Frage kommen, verringern.<br />
<strong>DE</strong> 70 <strong>DE</strong>
Gemäß den strengeren Bestimmungen der neuen Strafprozessordnung in Bezug auf das<br />
kostenlose Gerichtsdolmetschen zwischen Türkisch und den von nicht türkischsprachigen<br />
Bürgern verwendeten Sprachen sind die Gerichte verpflichtet, Listen von Sachverständigen -<br />
einschließlich Dolmetschern – aufzustellen.<br />
Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Kreuzverhörprinzips werden gemeldet. Richter und<br />
Anwälte müssen gezielt geschult und ausreichend Zeit muss für die mündliche Verhandlung<br />
vorgesehen werden. Die Fähigkeit der Gerichte, der hohen Arbeitsbelastung gerecht zu<br />
werden, stößt an ihre Grenzen<br />
Der Ansatz der Türkei im Bereich der Minderheitenrechte bleibt unverändert. Bei der<br />
Angleichung der türkischen Praxis an internationale und europäische Normen waren keine<br />
Fortschritte zu verzeichnen.<br />
In Bezug auf die Rechte von EU-Bürgern waren keine Entwicklungen zu verzeichnen.<br />
Schlussfolgerung<br />
In Bezug auf das Justizwesen setzte sich die Umsetzung der bereits verabschiedeten Gesetze<br />
fort. Zur Gewährleistung einer unabhängigen, unparteiischen und effektiven Justiz sind<br />
jedoch weitere Maßnahmen erforderlich. Die Einstellungen zur Unabhängigkeit der Justiz,<br />
und insbesondere die Einflussnahme durch staatliche Stellen, geben weiterhin Anlass zur<br />
Besorgnis. Außerdem sind Maßnahmen zur Gewährleistung eines ausgeglichenen<br />
Kräfteverhältnisses zwischen Anklage und Verteidigung vor Gericht erforderlich.<br />
Bei der Bekämpfung von Korruption waren vor allem im Hinblick auf erhöhte Transparenz<br />
der öffentlichen Verwaltung einige Fortschritte zu verzeichnen. Die Korruption ist trotzdem<br />
nach wie vor weit verbreitet, und die einschlägigen Behörden und Strategien sind weiterhin<br />
wenig leistungsfähig bzw. unzureichend. Als vorrangige Aufgabe muss die parlamentarische<br />
Immunität begrenzt werden. Auch die Finanzierung politischer Parteien muss angegangen<br />
werden.<br />
Im Hinblick auf die Grundrechte waren die Fortschritte im Bereich der Gesetzgebung<br />
begrenzt, die Umsetzung der in den vergangenen Jahren eingeleiteten Reformen wurde<br />
allerdings fortgesetzt. Die Türkei muss in einigen Bereichen die Menschenrechtslage<br />
wesentlich verbessern und die Probleme, vor denen die Minderheiten stehen, angehen.<br />
4.24. Kapitel 24: Recht, Freiheit und Sicherheit<br />
Im Hinblick auf die Außengrenzen und den Schengenbesitzstand waren einige Fortschritte<br />
zu verzeichnen. Im März 2006 wurde ein nationaler Aktionsplan zur Umsetzung der von der<br />
Türkei aufgestellten Strategie im Bereich der integrierten Grenzverwaltung verabschiedet.<br />
Dieser Plan ist ein Schritt zur Angleichung an die EU-Normen, denn die Entwicklung eines<br />
integrierten Konzepts der Grenzverwaltung stellt ein wesentliches Element der<br />
Beitrittsverhandlungen zu diesem Kapitel dar.<br />
Trotzdem besteht weiterhin eine Reihe gravierender Mängel.<br />
<strong>DE</strong> 71 <strong>DE</strong>
Derzeit sind die Armee, die Polizei, die Gendarmerie und die Küstenwache jeweils für<br />
bestimmte Grenzabschnitte zuständig. Außerdem ist die dem Amt des Ministerpräsidenten<br />
unterstellte Zollverwaltung für die Waren- und Personenkontrollen zuständig. Insgesamt<br />
steckt die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden noch in den Anfängen, und sowohl<br />
der Informationsaustausch als auch die Kompetenzabgrenzung zwischen ihnen muss<br />
wesentlich verbessert werden.<br />
Ausbildung und Professionalität des Grenzpersonals muss vor allem im Hinblick auf den<br />
Einsatz von Wehrpflichtigen verbessert werden. Als vorrangige Aufgabe müssen die<br />
Kapazitäten im Bereich der Risikoanalyse weiter ausgebaut werden. Die bei den Fahrzeug-<br />
und Warenkontrollen angewandten Verfahren müssen überprüft werden. An einigen<br />
Grenzübergängen ist eine wesentliche Verbesserung der Infrastruktur erforderlich. Sowohl die<br />
nachgelagerten Ausrüstungen als auch die vorgelagerten Geräte zur Dokumentenkontrolle<br />
fehlen oder sind unterentwickelt. Die Überwachungsgeräte an den Grenzübergängen und<br />
entlang der grünen Grenze müssen den Besonderheiten der Türkei besser angepasst werden.<br />
Im Bereich der Visapolitik sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Was die Angleichung<br />
an die EU-Positivlist betrifft, so traten Abkommen mit Venezuela und Paraguay über die<br />
Befreiung von der Visumspflicht in Kraft. Auch mit Kolumbien wurde ein derartiges<br />
Abkommen unterzeichnet, und gegenüber Andorra wurde die Visumspflicht aufgehoben. Bei<br />
der Angleichung an die Negativliste waren keine Fortschritte zu verzeichnen.<br />
Obwohl die Harmonisierung mit der einheitlichen EU-Visummarke begonnen hat, gestattete<br />
es die Türkei Staatsangehörigen aus 35 Ländern, einschließlich 17 EU-Mitgliedstaaten, ein<br />
Visum an der Grenze zu beantragen. Diese Praxis muss schrittweise eingestellt werden – die<br />
Visen sollten nur noch von Botschaften/Konsulaten erteilt werden. Was die Kapazitäten der<br />
türkischen Konsulate anbelangt, so wurden zwar Geräte zur Erkennung von gefälschten<br />
Dokumenten verteilt, doch eine weitere Schulung des Personals ist erforderlich. Die<br />
Angleichung an die EU-Sicherheitsmerkmale und Visanormen muss mit Dringlichkeit in<br />
Angriff genommen werden.<br />
Im Bereich der Migration waren nur begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Der nationale<br />
Aktionsplan für Asyl und Migration wird umgesetzt. Doch darin sind weder Fristen für die<br />
Umsetzung des Besitzstands in nationales Recht noch der Ausbau der<br />
Verwaltungskapazitäten, insbesondere durch Einrichtung einer Sonderbehörde, vorgesehen.<br />
Die Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen mit der EG setzten sich in langsamem<br />
Tempo fort. Um den rechtzeitigen und erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zu<br />
gewährleisten, muss die Türkei ihre Anstrengungen wesentlich verstärken.<br />
2005 wurden in der Türkei 57.428 illegale Einwanderer aufgegriffen gegenüber 61.228 im<br />
Jahr 2004 - in der ersten Jahreshälfte 2006 lag diese Zahl bei 18.441.<br />
Erhebliche Anstrengungen sind noch erforderlich, um die türkischen Gesetze dem Besitzstand<br />
anzugleichen und die zur Umsetzung dieser Gesetze notwendigen Verwaltungskapazitäten<br />
weiter auszubauen.<br />
Im Bereich Asyl wurden durch die Änderung der wichtigsten Gesetze einige Fortschritte<br />
erzielt. Die Zehntagesfrist für die Einreichung eines Asylantrags wurde aufgehoben. Die<br />
Möglichkeit, ausgewählte Provinzen zur Entscheidung über Asylanträge zu ermächtigen,<br />
wurde eingeführt – bisher war nur das Innenministerium dazu befugt.<br />
<strong>DE</strong> 72 <strong>DE</strong>
Es wurde allerdings kein Ad-hoc-Forum eingerichtet, in dem Vertreter aller beteiligten Stellen<br />
zusammenkommen, um die wirksame Umsetzung des Aktionsplans für Migration und Asyl<br />
sicherzustellen und die künftigen institutionellen Strukturen zu klären. Um einerseits den<br />
Zugang aller Asylbewerber zu einem fairen Verfahren und andererseits die einheitliche<br />
Anwendung der einschlägigen Vorschriften zu gewährleisten, sind neue Gesetze insbesondere<br />
über die Verfahren an den internationalen Flughäfen erforderlich.<br />
Die Kapazität der Aufnahmezentren für Asylbewerber muss vergrößert und die dortigen<br />
Einrichtungen müssen verbessert werden. Die institutionelle Zuständigkeit für die Verwaltung<br />
dieser Zentren ist unklar.<br />
Die vollständige Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und des dazu<br />
gehörigen Protokolls von 1967 ist in Vorbereitung – die Aufhebung der geographischen<br />
Beschränkung ist für 2012 vorgesehen.<br />
Die Vorbereitungen auf die Rechtsangleichung und der Aufbau der erforderlichen<br />
Verwaltungskapazitäten befinden sich in einem sehr frühen Stadium.<br />
Im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit waren einige, bei der Bekämpfung der<br />
organisierten Kriminalität begrenzte Fortschritte zu verzeichnen.<br />
Die Türkei hat alle wichtigen internationalen Übereinkommen im Bereich der polizeilichen<br />
Zusammenarbeit unterzeichnet. Die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und die<br />
polizeiliche Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten ist meistens gut. Sie wird allerdings<br />
durch den Mangel an gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz beeinträchtigt. Die<br />
Kapazitäten im Bereich der Gerichtsmedizin sind, was das vorhandene Fachwissen angeht,<br />
zufrieden stellend, doch der Aufbau einer modernen Infrastruktur einschließlich einer<br />
besseren Ausrüstung insbesondere der Polizei befindet sich in einem frühen Stadium. Ein<br />
stärker integriertes Konzept für die Schulung des Personals, vor allem im Bereich der<br />
Kriminalanalyse, ist erforderlich. Ein Verhaltskodex für die Strafverfolgungsbehörden muss<br />
noch im Einklang mit den bewährten internationalen Standards entwickelt werden. Eine<br />
nationale Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die im Einklang mit der<br />
bewährten Praxis der EU steht, wurde noch nicht verabschiedet. Die Maßnahmen zur<br />
Verbesserung der Zusammenarbeit, Kommunikation und Koordinierung zwischen den<br />
verschiedenen Strafverfolgungsbehörden untereinander sowie zwischen ihnen und der<br />
Staatsanwaltschaft befinden sind in einem frühen Stadium.<br />
Bei der Bekämpfung des Menschenhandels waren weitere Fortschritte zu verzeichnen. In<br />
diesem Bereich arbeitete die Regierung nach wie vor mit der Internationalen Organisation für<br />
Migration zusammen. Die Umsetzung des Programms zur Bekämpfung des Menschenhandels<br />
wurde fortgesetzt. Über den kostlosen Notruf konnten bis August 2006 98 Opfer des<br />
Menschenhandels gerettet werden. Die Zahl der Personen, denen bei der Rückkehr ins<br />
Herkunftsland geholfen wurde, nahm stark zu. 2005 erhielt von den 256 festgestellten Opfern<br />
des Menschenhandels 220 direkte Rückkehrhilfe. 2005 wurden 125, bis September 2006 330<br />
Menschenhändler verhaftet. Neben dem 2004 in Istanbul eingerichteten Heim für Opfer des<br />
Menschenhandels wurde auch in Ankara eine solche Einrichtung eröffnet. Im Februar wurde<br />
ein Protokoll über Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit Moldau unterzeichnet. Die<br />
türkischen Gesetze wurden zwar bereits in hohem Maße den EU-Rechtsvorschriften zur<br />
Bekämpfung des Menschenhandels angeglichen, doch müssen die Maßnahmen zur Steigerung<br />
der Leistungsfähigkeit der Behörden bei der Verhütung und Bekämpfung des<br />
<strong>DE</strong> 73 <strong>DE</strong>
Menschenhandels verstärkt werden, da das Problem des Menschenhandels in der Region<br />
zunimmt.<br />
Bei der Bekämpfung der Geldwäsche sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Im<br />
geänderten Antiterrorgesetz wird die "Finanzierung von Terrorismus" als gesonderter<br />
Tatbestand eingestuft. Der Entwurf eines Gesetzes, mit dem das türkische Recht dem<br />
Besitzstand weiter angeglichen werden soll, befindet sich in der parlamentarischen Beratung.<br />
Die Rechtsangleichung an internationale Übereinkommen war bisher begrenzt. Die Türkei hat<br />
das Übereinkommen des Europarats über Geldwäsche sowie die Ermittlung, Beschlagnahme<br />
und Einziehung von Erträgen aus Straftaten noch nicht unterzeichnet.<br />
Im Bereich der Terrorismusbekämpfung unterzeichnete die Türkei das Internationale<br />
Übereinkommen zur Bekämpfung des Nuklearterrorismus und das Übereinkommen des<br />
Europarats über die Verhütung von Terrorismus. Ein Hoher Rat für Terrorismusbekämpfung<br />
wurde eingerichtet, der sich aus Vertretern aller einschlägigen Institutionen zusammensetzt.<br />
Aufgabe des Rates ist es, die notwendigen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung zu<br />
ergreifen und Empfehlungen zu erarbeiten, die dann vom Ministerrat erteilt werden. Im Juli<br />
2006 wurde ein Antiterrorgesetz verabschiedet, das sich auf eine viel umfassendere Definition<br />
von terroristischen Aktivitäten und Terroristen stützt. Mit diesem Gesetz wird das Strafmaß<br />
für zu terroristischen Zwecken begangene Straftaten erhöht und der Tatbestand der<br />
Finanzierung von Terrorismus eingeführt – darin wird allerdings das Recht auf Verteidigung<br />
eingeschränkt. (Siehe auch "Politische Kriterien".)<br />
Bei der Drogenbekämpfung sind begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Eine nationale<br />
Strategie, die mit der EU-Drogenstrategie 2005-2012 und dem EU-Drogenaktionsplan 2005-<br />
2012 im Einklang steht, wurde noch nicht aufgestellt. Der Drogenhandel gibt weiterhin<br />
Anlass zur Besorgnis. Durch die internationale Zusammenarbeit mit der Polizei in den EU-<br />
Mitgliedstaaten und durch kontrollierte Lieferungen ist es allerdings in einigen Fällen<br />
gelungen, Drogen zu beschlagnahmen. Bei der Einrichtung einer Mini-Dublin-Gruppe in<br />
Ankara wurden keine Fortschritte erzielt. Die Entwicklung eines Netzwerks zur<br />
Datensammlung nach dem Modell der EMCDDA muss fortgesetzt werden. Die Reitox-<br />
Anlaufstelle wurde eingerichtet, doch muss ihre Ressourcenausstattung verbessert werden.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen den vielen staatlichen Stellen, die an der Drogenbekämpfung<br />
beteiligt sind, muss durch Bereitstellung der notwendigen Finanz- und Humanressourcen<br />
nachhaltig verbessert werden. In diesem Bereich bleibt die Rechtsangleichung nach wie vor<br />
begrenzt.<br />
Bei der Zusammenarbeit im Zollwesen sind einige Fortschritte zu verzeichnen. In Bezug auf<br />
Schulungsmaßnahmen und Verhaltensregeln für das Personal wurden gute Fortschritte erzielt.<br />
Verstärkte Anstrengungen sind allerdings erforderlich, um eine engere Zusammenarbeit<br />
zwischen Polizei und Zolldiensten bei der Verbrechensverhütung und –bekämpfung zu<br />
gewährleisten. Die Vorbereitungen auf die Umsetzung des Übereinkommens über Amtshilfe<br />
und Zusammenarbeit zwischen Zollverwaltungen (Zweites Übereinkommen von Neapel)<br />
müssen intensiviert werden. Was die Rechtsangleichung an den Besitzstand anbetrifft, so<br />
behindert das Fehlen eines Datenschutzgesetzes die wirksame Strafverfolgung im Rahmen der<br />
Zusammenarbeit im Zollwesen.<br />
Bei der justiziellen Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen sind begrenzte Fortschritte<br />
zu verzeichnen. Folgende Elemente sind nicht im türkischen Rechtssystem vorgesehen:<br />
direkte Zusammenarbeit der Justizbehörden, unmittelbarer Vollzug ausländischer<br />
<strong>DE</strong> 74 <strong>DE</strong>
Gerichtsurteile, Abschaffung des Grundsatzes der beiderseitigen Strafbarkeit sowie<br />
Einschränkung der Ablehnungsgründe. Eine allmähliche Angleichung an das private<br />
Völkerrecht sowie an die Vorschriften über Konkursverfahren und den Zugang zu den<br />
Gerichten muss gewährleisten werden. Die Rechtsvorschriften über die justizielle<br />
Zusammenarbeit in Strafsachen stehen in folgenden Bereichen nicht mit den EU-Normen im<br />
Einklang: Auslieferung türkischer und ausländischer Staatsbürger, Anwendung des<br />
Grundsatzes, dass niemand wegen einer Straftat zweimal bestraft werden darf,<br />
Umweltverbrechen, Rechte von Tatopfern im Rahmen von Strafverfahren sowie Umsetzung<br />
des Europäischen Haftbefehls. Die Türkei ist dem Europäischen Übereinkommen über<br />
Amtshilfe in Strafsachen (1959) und dem dazugehörigen Protokoll (1978) beigetreten. Sie hat<br />
das Zusatzprotokoll des Übereinkommens (2001) allerdings nicht unterzeichnet. Durch<br />
Ratifizierung des Zusatzprotokolls würde die Türkei im Hinblick auf die Bestimmungen über<br />
gemeinsame Ermittlungsteams ein höheres Maß an Angleichung an den Besitzstand erreichen.<br />
Die Türkei bereitet sich auf die Teilnahme an Eurojust vor. Vor allem aufgrund des Fehlens<br />
eines Gesetzes über die Rechtshilfe ist die Rechtangleichung im Bereich der justiziellen<br />
Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen nach wie vor begrenzt.<br />
Schlussfolgerung<br />
Vor allem in den Bereichen Asyl, Grenzverwaltung, Bekämpfung des Menschenhandels, Zoll<br />
und polizeiliche Zusammenarbeit waren insgesamt einige Fortschritte zu verzeichnen. Die<br />
Angleichung an den Besitzstand hat zwar begonnen, doch in Bereichen wie Migration,<br />
Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Geldwäsche und justizielle Zusammenarbeit in<br />
Zivil- und Strafsachen sind noch erhebliche, nachhaltige Bemühungen erforderlich<br />
4.25. Kapitel 25: Wissenschaft und Forschung<br />
Sowohl im Hinblick auf Maßnahmen zur Schaffung günstigerer Rahmenbedingungen für die<br />
Forschung als auch in Bezug auf die Forschungszusammenarbeit mit der EU wurden im<br />
Bereich der Wissenschaft und Forschung weitere gute Fortschritte erzielt. Die Türkei nahm<br />
weiterhin am sechsten Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung,<br />
jedoch noch nicht am Euratom-Rahmenprogramm teil. Die Türkei arbeitet auch aktiv mit der<br />
Gemeinsamen Forschungsstelle (direkte Maßnahmen) zusammen.<br />
Als Ergebnis der türkischen Forschungspolitik wurde das Forschungs- und Entwicklungsetat<br />
erheblich aufgestockt und zwar um fast das Fünffache gegenüber 2002. In 15 Städten wurden<br />
neue Hochschulen eröffnet. Die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der Türkei wurden<br />
weiter ausgebaut, was wiederum zu einer erfolgreicheren Teilnahme am sechsten<br />
Rahmenprogramm führte. Die Erfolgsquote der türkischen Projektvorschläge zum sechsten<br />
Rahmenprogramm ist gestiegen und liegt inzwischen bei 17 %. Sie liegt allerdings unter dem<br />
EU-Durchschnitt von ca. 20 %. Die Türkei erhielt eine Finanzierung vor allem für kleine<br />
Projekte. Doch die Finanzierung durch die EU entfaltet nicht ihr volles Potential.<br />
Aufgrund der Maßnahmen der Türkei in Bezug auf die Mobilität von Forschern, die<br />
Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sowie die Zweckbindung von 3 % des<br />
BIP für die Umsetzung des Aktionsplans Wissenschaft und Technologie lässt sich feststellen,<br />
dass die Türkei sich bereits gut in den Europäischen Forschungsraum integriert hat.<br />
Die Beteiligung des Privatsektors und von KMU an Forschungsaktivitäten – und am Sechsten<br />
Rahmenprogramm – ist sehr gering. Die Zahl der Wissenschaftler liegt unter dem EU-<br />
Durchschnitt. Die Forschung ist nicht in ausreichendem Maße in die Lehrpläne von Schulen<br />
<strong>DE</strong> 75 <strong>DE</strong>
und Hochschulen integriert. Der türkische Rat für Wissenschaft und technologische<br />
Forschung TÜBITAK hat neue Unterstützungsprogramme aufgelegt und 50<br />
Nachwuchswissenschaftler eingestellt. Über die Verfassungsmäßigkeit der jüngsten<br />
Änderungen der Gesetze, die die Ernennung der 14 Mitglieder und des Vorsitzenden des<br />
Wissenschaftsrates wie auch der Hochschulrektoren regeln, herrscht weiterhin rechtliche<br />
Unklarheit.<br />
Schlussfolgerung<br />
Insbesondere in Bezug auf die Teilnahme an EU-Forschungsprogrammen und die<br />
Mittelzuweisungen aus dem Staatshaushalt wurden in diesem Bereich einige weitere<br />
Fortschritte erzielt. Insgesamt ist festzustellen, dass die Türkei im Bereich Wissenschaft und<br />
Forschung auf den Beitritt gut vorbereitet und bei der Entwicklung und Umsetzung einer<br />
integrierten Forschungsstrategie ziemlich weit vorangekommen ist.<br />
4.26. Kapitel 26: Bildung und Kultur<br />
Im Bereich Bildung, Kultur und Jugend sind gute Fortschritte zu verzeichnen. Die Türkei<br />
nimmt erfolgreich an den Gemeinschaftsprogrammen Leonardo da Vinci, Sokrates und<br />
Jugend teil und bemüht sich darum, dass die türkischen Teilnehmer aus allen Landesteilen<br />
stammen. Angesichts der stark steigenden Bewerberzahlen und der Absicht der Türkei, für<br />
eine wesentliche breitere Beteiligung an den künftigen Programmen "Lebenslanges Lernen"<br />
und "Jugend in Aktion" bedarf die zuständige nationale Behörde einer weiteren<br />
Konsolidierung und Verfahrensvereinfachung. Die Türkei hat begonnen, aktiv an der Arbeit<br />
der für das Arbeitsprogramme "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" zuständigen<br />
Koordinierungsgruppe wie auch an mehreren Clustern teilzunehmen. Bei der Erhöhung der<br />
Besuchsquote auf allen Ebenen des Bildungswesens waren Fortschritte zu verzeichnen, auch<br />
wenn diese Quote nach wie vor erheblich unter dem OECD-Durchschnitt liegt. Eine mit viel<br />
Öffentlichkeitsarbeit betriebene Kampagne zur Förderung der Bildungsteilnahme von<br />
Mädchen hat Erfolge gezeitigt. Überarbeitete Lehrpläne für die Primarstufe wie auch für die<br />
berufliche Bildung werden umgesetzt oder in Pilotprojekten erprobt. Die Türkei beteiligt sich<br />
an der Entwicklung eines Europäischen Qualifikationsrahmens, hat es jedoch bisher versäumt,<br />
ein nationales Qualifikationssystem einzurichten. Die Teilnahmequote am lebenslangen<br />
Lernen ist zwar sehr niedrig, stieg jedoch 2005 auf 2 % gegenüber 1,1 % im Jahr 2004. Bei<br />
der Umsetzung der Vorgaben des Prozesses von Bologna im Bereich der Hochschulbildung<br />
erzielte die Türkei durch die Einführung des Europäischen Systems zur Anrechnung von<br />
Studienleistungen weitere Fortschritte.<br />
Inzwischen nimmt die Türkei auch am Gemeinschaftsprogramme "Kultur 2000" teil. Die<br />
Türkei setzt sich für die Annahme des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz und zur<br />
Förderung der Vielfalt kulturellen Ausdrucks ein und hat die innerstaatlichen Verfahren zur<br />
Ratifizierung eingeleitet. Istanbul bewirbt sich als europäische Kulturhauptstadt 2010.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Türkei hat weitere gute Fortschritte erzielt. Die Rechtsangleichung ist nahezu<br />
abgeschlossen, und die Türkei ist in diesem Bereich insgesamt gut auf den Beitritt vorbereitet.<br />
Die Bemühungen im Zusammenhang mit der Lissabonner Strategie müssen vor allem im<br />
Hinblick auf lebenslanges Lernen fortgesetzt werden.<br />
<strong>DE</strong> 76 <strong>DE</strong>
4.27. Kapitel 27: Umwelt<br />
Bei den horizontalen Rechtsvorschriften sind keine wesentlichen Fortschritte zu<br />
verzeichnen. Ingesamt ist die Rechtsangleichung in diesem Bereich begrenzt. Die Türkei hat<br />
weder das Protokoll von Kyoto ratifiziert noch die Richtlinie über den Emissionenhandel und<br />
die damit verbundenen Beschlüsse umgesetzt. Hinsichtlich der Umsetzung und Anwendung<br />
der Richtlinien über Umwelthaftung und -berichterstattung sind keine Fortschritte zu<br />
verzeichnen, auch wenn gewisse Elemente bereits im türkischen Rechtssystem vorhanden<br />
sind. Bei der weiterem Umsetzung der Richtlinie über den öffentlichen Zugang zu<br />
Umweltinformationen wurden keine Fortschritte erzielt. Einige Teile der Richtlinie über die<br />
Beteiligung der Öffentlichkeit wurden durch das neue im Mai 2006 verabschiedete<br />
Umweltgesetz in nationales Recht umgesetzt. Die türkischen Rechtsvorschriften über<br />
Umweltverträglichkeitsprüfungen sehen weiterhin kein Erfordernis zur grenzübergreifenden<br />
Konsultation vor. Einige Aktivitäten wie Bergbau werden nicht berücksichtigt, und die<br />
Konsultation der Öffentlichkeit muss verbessert werden. Die Türkei hat bisher weder das<br />
Übereinkommen von Espoo noch das Übereinkommen von Aarhus unterzeichnet. Es liegt<br />
kein Zeitplan für den Beitritt zu diesen beiden Übereinkommen vor. Die Richtlinie über die<br />
strategische Umweltverträglichkeitsprüfung wurde noch nicht umgesetzt. Die Vorbereitungen<br />
in diesem Bereich sind begrenzt.<br />
In Bezug auf die Rechtsvorschriften über Luftqualität können einige Fortschritte vermeldet<br />
werden. Bei der Angleichung an die Luftqualität-Rahmenrichtlinie und die damit<br />
verbundenen Richtlinien wurden keine Fortschritte erzielt. Allerdings wird zurzeit ein<br />
Twinning-Projekt durchgeführt. Gemäß den Anforderungen des Besitzstands wurde ein 36<br />
Städte umspannendes Netz von Messstationen eingerichtet. Bei der Umsetzung der<br />
Richtlinien über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und die Reduzierung des<br />
Schwefelgehalts bestimmter Flüssigbrennstoffe wurden gute Fortschritte erzielt. Bei der<br />
Umsetzung der Richtlinie über die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen wurden<br />
keine weiteren Fortschritte erzielt. Die Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen<br />
wurde noch nicht umgesetzt. Die Vorbereitungen in diesem Bereich erfordern noch erhebliche<br />
Anstrengungen.<br />
Im Bereich Abfallwirtschaft ist die Türkei ist bei der Umsetzung des Besitzstands bereits<br />
weit vorangekommen. Ein hohes Maß an Angleichung an die Abfall-Rahmenrichtlinie wurde<br />
erreicht, und die Richtlinie über gefährliche Abfälle wurde in nationales Recht umgesetzt. In<br />
folgenden Bereichen ist eine weitere Angleichung der Rechtsvorschriften erforderlich:<br />
polychlorierte Biphenyle, Altfahrzeuge, Elektro- und Elektronik-Altgeräte, Beschränkung der<br />
Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, Mülldeponien<br />
und Müllverbrennungsanlagen. Im Rahmen eines Twinning-Projekts werden technische<br />
Studien über die weitere Umsetzung und Anwendung einer Reihe von Richtlinie über<br />
Abfallströme sowie der Richtlinie über Mülldeponien durchgeführt. Die noch bestehenden<br />
Defizite sollen im Rahmen eines nationalen Plans zur Abfallbewirtschaftung in Angriff<br />
genommen werden. Ein Finanzierungsplan muss ausgearbeitet werden. Die Vorbereitungen in<br />
diesem Bereich haben bereits angefangen.<br />
In Bezug auf den Besitzstand im Bereich Wasserqualität sind Fortschritte zu verzeichnen.<br />
Durch die Umsetzung von Rechtsvorschriften über die Behandlung städtischer Abfälle und<br />
die Qualität von Badegewässern wurden gute Fortschritte erzielt. Allerdings wurde bisher<br />
keine Finanzierungspläne ausgearbeitet. Keine Maßnahmen wurden ergriffen, um die<br />
Angleichung an die Wasser-Rahmenrichtlinie voranzubringen und dadurch die neuen<br />
Investitionen zu ermöglichen, die zur Einhaltung des Besitzstands erforderlich sind. Die<br />
<strong>DE</strong> 77 <strong>DE</strong>
Türkei hat auch keine Schritte unternommen, um die grenzübergreifende Zusammenarbeit im<br />
Wasserbereich, insbesondere mit den EU-Mitgliedstaaten, auszubauen. Bei der Angleichung<br />
bzw. der weiteren Angleichung an andere Richtlinien im Bereich Wasserqualität wurden<br />
keine Fortschritte erzielt. Vor allem in Bezug auf Nitrate, Bodenwasser und Trinkwasser ist<br />
der Umsetzungsgrad niedrig. Insgesamt wird die institutionelle Leistungsfähigkeit nach wie<br />
vor durch eine unklare Kompetenzverteilung beeinträchtigt.<br />
Durch die Annahme der Verordnung zum Schutz von Lebensräumen wild lebender Tiere<br />
wurden bei der Angleichung an den Besitzstand im Bereich Naturschutz einige Fortschritte<br />
gemacht. Die Umsetzung, Anwendung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften bleibt<br />
allerdings unzureichend. Der fortschreitende Verlust an Lebensräumen gibt Anlass zur<br />
Besorgnis. Der Gesetzgebung in den mit dem Naturschutz verbundenen Politikbereichen muss<br />
mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die institutionelle Leistungsfähigkeit wird durch<br />
eine unklare Kompetenzabgrenzung zwischen den beteiligten Behörden beeinträchtigt.<br />
Keine Fortschritte gab es bei der Bekämpfung der Umweltverschmutzung durch<br />
Industrieanlagen und beim Risikomanagement. Die Angleichung an den Besitzstand ist<br />
nach wie vor gering. Eine Reihe von technischen Studien wird durchgeführt. Die Seveso- und<br />
IVVU-Richtlinien wie auch die Richtlinien über Großfeuerungsanlagen und Lösemittel<br />
wurden noch nicht umgesetzt. Die Rechtsangleichung, -anwendung und –durchsetzung<br />
erfordern noch erhebliche Anstrengungen einschließlich der Bereitstellung beträchtlicher<br />
Finanzressourcen.<br />
Die Rechtsangleichung an den Besitzstand im Bereich Lärm ist weit fortgeschritten. Die<br />
Umsetzung hinkt allerdings hinterher, vor allem in Bezug auf die Bereitstellung von<br />
Finanzmitteln und die Stärkung der Verwaltungskapazitäten der zuständigen Behörden bei der<br />
Erstellung von strategischen Lärmkarten und Aktionsplänen. Ein Zeitplan für die Erstellung<br />
von Plänen wurde festgelegt. Die Vorbereitungen in diesem Bereich verlaufen planmäßig.<br />
Im Bereich Chemikalien sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Hier ist der<br />
Harmonisierungsgrad insgesamt niedrig. Die vorhandenen Verwaltungskapazitäten reichen<br />
nicht zur wirksamen Um- und Durchsetzung von Rechtsvorschriften aus.<br />
Keine Fortschritte gab es bei den genetisch veränderten Organismen. Auch im Bereich<br />
Forstwirtschaft war keine Rechtsangleichung an den Besitzstand zu verzeichnen. Die Türkei<br />
verfügt über hoch entwickelte Verwaltungskapazitäten, allerdings muss der<br />
Rechtsdurchsetzung erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden.<br />
In Bezug auf die Verwaltungskapazitäten wurde weitere Fortschritte erzielt. Das geänderte<br />
Umweltgesetz sieht u.a. eine präziser definierte Rolle des Ministeriums für Umwelt und<br />
Forstwirtschaft, die Einstellung zusätzlichen Personals und die Bereitstellung zusätzlicher<br />
Finanzmittel für den Umweltbereich vor. Die Einführung höherer Bußgelder und das<br />
Inkrafttreten der Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über Sanktionen bei Umweltvergehen<br />
werden voraussichtlich zur verbesserten Kontrolle und Rechtsdurchsetzung beitragen. Die<br />
nachhaltige Entwicklung muss als Querschnittsthema Eingang vor allem in die Energie-,<br />
Verkehrs- und Agrarpolitik finden. Das geänderte Gesetz sieht auch die Verbesserung des<br />
öffentlichen Zugangs zu Informationen und die Stärkung der Umwelthaftung vor. Die Türkei<br />
hat allerdings noch kein überarbeitetes Programm zur Umsetzung und Anwendung des<br />
Besitzstands verabschiedet, obwohl dies als kurzfristige Priorität gilt. Die institutionelle<br />
Leistungsfähigkeit der regionalen Umweltbehörden muss gesteigert werden. Die<br />
Personalverwaltung bedarf erhöhter Aufmerksamkeit.<br />
<strong>DE</strong> 78 <strong>DE</strong>
Schlussfolgerung<br />
Außer in den Bereichen Abfallwirtschaft und Lärm bleibt die Umsetzung des Besitzstands im<br />
Umweltbereich insgesamt unzureichend. Die mangelnden Fortschritte bei den horizontalen<br />
Rechtsvorschriften, insbesondere über grenzübergreifende Umweltverschmutzung und die<br />
Durchführung öffentlicher Konsultationen, geben verstärkt Anlass zur Besorgnis. Bei der<br />
Umsetzung des für Luftqualität, Naturschutz und Wasserqualität relevanten Besitzstands sind<br />
begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Mit dem Inkrafttreten des geänderten<br />
Umweltschutzgesetzes wird die Leistungsfähigkeit der institutionellen Struktur gestärkt<br />
werden. Die Rechtsvorschriften werden allerdings nach wie vor nur unzureichend<br />
durchgesetzt.<br />
4.28. Kapitel 28: Verbraucher- und Gesundheitsschutz<br />
Bei den sicherheitsrelevanten Maßnahmen kam die Rechtsangleichung nicht weiter voran.<br />
Für die spezifischen Produktsicherheitsnormen fehlt eine angemessene Rechtsgrundlage. Die<br />
alte Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit wurde umgesetzt, aber nicht die neue.<br />
Die Koordinierung zwischen den Ministerien, einschließlich der Zollverwaltung, muss<br />
verbessert werden.<br />
Bei der Marktüberwachung hinsichtlich der Produktsicherheit sind einige Fortschritte zu<br />
verzeichnen. Mehrere Ministerien, die inzwischen über mehr Ressourcen und ausgebildetes<br />
Personal verfügen, führten eine Marktüberwachung nach den Vorgaben der Richtlinien des so<br />
genannten neuen Konzepts durch. Im Einklang mit den Prioritäten der Beitrittspartnerschaft<br />
wurden die institutionellen Strukturen verbessert. Eine etwas verstärkte Abstimmung<br />
zwischen den zuständigen Behörden war festzustellen. Darüber hinaus entwickelte die<br />
Behörde für die Koordinierung der Marktüberwachung einschlägige Leitlinien. Das<br />
Ministerium für Handel und Industrie konsultierte einschlägige Interessengruppen, um den<br />
Gesetzgebungsprozess zu verbessern.<br />
Bei den Leitlinien zu den internen Verfahren für Inspektoren mangelt es an Klarheit. Bei<br />
vielen Produkten fehlt die CE-Kennzeichnung. Die Entwicklung eines kollektiven Systems<br />
zur Notifizierung gefährlicher Produkte und die Prüfung der Möglichkeiten für einen<br />
internationalen Informationsaustausch über nicht konforme Produkte sind beides kurzfristige<br />
Prioritäten der Beitrittspartnerschaft, die nicht verwirklicht wurden.<br />
In Bezug auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sind begrenzte<br />
Fortschritte zu verzeichnen, das Maß an Angleichung bleibt allerdings hoch. Ein neues Gesetz<br />
über die Verwendung von Kreditkarten trat in Kraft. Die Verwaltungskapazitäten wurden<br />
durch Schulung und Einstellungen gestärkt. Die hohe Personalfluktuation bei den<br />
Verbraucherschiedstellen in den einzelnen Bezirken zeigt allerdings, dass verstärkte<br />
Anstrengungen erforderlich sind, um den notwendigen Bestand an Fachwissen zu bewahren.<br />
Die Ansätze von Ministerien, Justiz, Schiedsstellen und Verbraucherorganisationen sind zum<br />
Teil widersprüchlich.<br />
Die Verbraucherorganisationen sind zwar in dem beratenden Verbraucherrat, der einmal im<br />
Jahr tagt, vertreten, doch insgesamt ist die Verbraucherbewegung nach wie vor nur schwach<br />
ausgeprägt.<br />
Im Bereich der öffentlichen Gesundheit wurden einige Fortschritte erzielt. Ein Gesetz zur<br />
Verringerung des Tabakkonsums wurde verabschiedet. Doch in Bezug auf den<br />
Teerhöchstgehalt von Zigaretten ist eine weitere Rechtsangleichung erforderlich. Die unklare<br />
<strong>DE</strong> 79 <strong>DE</strong>
Kompetenzverteilung zwischen dem Gesundheitsministerium und der Marktaufsichtsbehörde<br />
für Tabakerzeugnisse und alkoholische Getränke wirkt sich negativ auf die Leistungsfähigkeit<br />
der beiden Behörden aus.<br />
Die Türkei hat ihr System zur Überwachung übertragbarer Krankheiten den entsprechenden<br />
Listen der EU angepasst. Beim Aufbau eines Netzes für die epidemiologische Überwachung<br />
und Kontrolle wurden gute Fortschritte erzielt. Darüber hinaus setzte die Türkei in enger<br />
Zusammenarbeit mit den EU-Organen und –Agenturen die Aktualisierung ihres nationalen<br />
Plans zur Vorbereitung auf eine Influenzpandemie fort. Hinsichtlich der Definition von<br />
Krankheiten steckt die Angleichung jedoch noch in den Anfängen. Die Modernisierung der<br />
Prüflabors kommt nur schleppend voran. Das Gesundheitsministerium erstellt zurzeit einen<br />
nationalen Aktionsplan, der einen Zeitplan und eine entsprechende Kompetenzaufteilung zur<br />
Behebung der festgestellten Probleme vorsehen wird.<br />
In Bezug auf das Frühwarnsystem für Krankheitsausbrüche wurde Fortschritte erzielt –<br />
inzwischen geben Hausärzte in Echtzeit Daten in eine zentrale Datenbank des<br />
Gesundheitsministeriums ein. Hier muss allerdings darauf geachtet werden, dass es nicht zu<br />
einer Fragmentierung der Informationen kommt. Das Gesundheitsministerium ergreift<br />
weiterhin Folgemaßmaßnahmen zu den Strategien der WHO hinsichtlich der durch<br />
Impfschutz vermeidbaren Krankheiten. Bei HIV/AIDS weist die Türkei nach wie vor eine<br />
geringe Inzidenz auf. In den Bereichen Blut, Gewebe, Zellen, lebensrettende Organe und<br />
Substanzen menschlichen Ursprungs hat die Türkei ihre Rechtsvorschriften noch nicht dem<br />
Besitzstand angeglichen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Im Bereich Verbraucherschutz wurde vor allem beim System der Marktüberwachung<br />
Fortschritte erzielt. Doch die Umsetzung weist weiterhin Defizite auf. Im Bereich der<br />
öffentlichen Gesundheit kam die Türkei insbesondere durch die Errichtung eines Netzes für<br />
die epidemiologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten weiter<br />
voran.<br />
4.29. Kapitel 29: Zollunion<br />
Bei den Zollvorschriften sind Fortschritte zu verzeichnen. Im Juni 2006 begann die Türkei<br />
mit der Anwendung des internationalen Übereinkommens über die Harmonisierung von<br />
Warenkontrollen an den Grenzen. Die Türkei hat ihre Vorschriften über Zollbefreiung zwar<br />
geändert, aber noch nicht dem Besitzstand angeglichen. Die Einrichtung von Duty-free-Läden<br />
an den Einreisestellen ist nach wie vor gestattet; die Höchstwarenmengen, die jeder Reisende<br />
in den Duty-free-Läden kaufen kann, sind höher als in der EU erlaubt.<br />
Bei den Freihandelszonen wurden keine Fortschritte erzielt, obwohl dies eine kurzfristige<br />
Priorität der Beitrittspartnerschaft darstellt. Die Freihandelszonen sind nicht Teil des<br />
türkischen Zollgebiets – dies widerspricht dem Besitzstand. Darüber hinaus steht die<br />
Zollwertermittlung nicht vollständig mit den international anerkannten Regeln im Einklang.<br />
Aufgrund der Zollunion zwischen der EU und der Türkei hat das Land im Zollbereich ein<br />
hohes Maß an Rechtsangleichung erreicht. In einigen Bereich wie Freihandelszonen,<br />
Zollbefreiung, Versandverfahren, Bekämpfung der Produktfälschung und Nachprüfung muss<br />
die Türkei ihre Rechtsvorschriften noch dem Besitzstand anpassen. Für Einzelheiten über das<br />
Funktionieren der Zollunion EG-Türkei siehe auch Kapitel 1 – Freier Warenverkehr und<br />
<strong>DE</strong> 80 <strong>DE</strong>
Kapitel 30 – Außenbeziehungen. Darüber hinaus wendet die Türkei gegenüber der Republik<br />
Zypern die Bestimmungen der Zollunion nicht uneingeschränkt an.<br />
Im Berichtszeitraum setzte das Unterstaatssekretariat für das Zollwesen seine Maßnahmen zur<br />
Steigerung seiner administrativen und operationellen Leistungsfähigkeit nach den<br />
Vorgaben der Beitrittspartnerschaft fort.<br />
Insbesondere aufgrund der Effizienz des Zollsicherheitssystems GÜMSIS, der guten<br />
Risikoanalyse und des Sachverstands im Bereich Schmuggelbekämpfung verbesserte sich die<br />
Bilanz bei der Rechtsdurchsetzung erheblich. Die Zahl der mit EDV ausgestatteten Zollstellen<br />
und die Zahl der Zollstellen, die das elektronische Datenaustauschsystem EDIS einsetzen,<br />
stieg weiter an. Bis Dezember 2005 wurden nahezu 100 % der Vorgänge elektronisch<br />
bearbeitet. 2005 erfolgten die Ein- und Ausfuhranmeldungen zu 71 % über das EDIS.<br />
Durch die jüngsten Modernisierungsmaßnahmen konnte der türkische Zoll seine Bilanz bei<br />
der Rechtsdurchsetzung weiter verbessern. Die Türkei sollte allerdings umfassende<br />
Anstrengungen unternehmen, um die allgemeine Qualität der für Zollbeamte durchgeführten<br />
Schulungsmaßnahmen zu verbessern.<br />
Die Koordinierung zwischen der Zollverwaltung und anderen relevanten staatlichen Stellen<br />
wie dem Kulturministerium, dem Patentamt, der Polizei und den für die Rechte an geistigem<br />
Eigentum zuständigen Gerichten muss wesentlich verbessert werden.<br />
Die Türkei unterzeichnete ein Abkommen über Amtshilfe mit Bahrain.<br />
Schlussfolgerung<br />
Durch die Zollunion kann die Türkei bereits ein hohes Maß an Rechtsangleichung vorweisen.<br />
In einigen Bereichen wie z.B. Freihandelszonen, Zollbefreiung, Markenpiraterie und<br />
Nachprüfungen wurde die Rechtsvorschriften noch nicht dem Besitzstand angeglichen. Die<br />
Türkei muss die Duty-free-Läden an den Einreisestellen abschaffen. Weitere Maßnahme zur<br />
Stärkung der Verwaltungskapazität sind erforderlich - dazu gehört u.a. die rechtzeitige<br />
Vorbereitung auf die Zusammenschaltung mit und Benutzung von IT-Systemen der<br />
Gemeinschaft.<br />
4.30. Kapitel 30: Außenbeziehungen<br />
In Bezug auf die gemeinsame Handelspolitik hat die Türkei einige Fortschritte erzielt. Die<br />
Türkei änderte ihr Allgemeines Präferenzsystem gemäß den Vorgaben der<br />
Beitrittspartnerschaft. Es entspricht inzwischen weitgehend dem Präferenzsystem der EG. In<br />
Bezug auf die Graduierung ist die Angleichung jedoch noch unvollständig - die Türkei hat<br />
weder Armenien noch Myanmar in ihre Präferenzregelung einbezogen und Landwirtschaft<br />
und Stahlerzeugnisse zählen nicht zu dem erfassten Sektoren.<br />
Die Türkei machte zunehmend Gebrauch von Schutzmaßnahmen – derartige Maßnahmen<br />
wurden u.a. bei Salz, Dampfbügeleisen, Staubsaugern, Schuhen und Motorrädern eingeführt.<br />
Die Wahl der Schutzmaßnahmen, die Auswirkungen auf EU-Ausfuhren haben (auch wenn<br />
diese nicht Hauptursache des Problems sind), entspricht nicht dem Erfordernis der Zollunion,<br />
Maßnahmen zu wählen, die den beiderseitigen Handel am wenigsten verzerren. Darüber<br />
hinaus hat die Türkei bei bestimmten Produkten zusätzliche Ursprungszeugnisse eingeführt.<br />
<strong>DE</strong> 81 <strong>DE</strong>
Die Abstimmung zwischen der Türkei und der EU innerhalb der Welthandelsorganisation -<br />
insbesondere im Hinblick auf GATS und die Doha-Entwicklungsrunde - und der OECD<br />
bedarf erhöhter Aufmerksamkeit. Häufig richtet die Türkei ihre Position nicht an der der EU<br />
aus. Insgesamt ist die Angleichung an die gemeinsame Handelspolitik der EG weit<br />
fortgeschritten und entspricht den Verpflichtungen der Türkei im Rahmen der Zollunion. Es<br />
sei jedoch darauf hingewiesen, dass einige andauernde Verstöße gegen die Bestimmungen der<br />
Zollunion mit der EG (siehe Kapitel 1 – Freier Warenverkehr, Kapitel 29 – Zollunion)<br />
weiterhin den bilateralen Handel verzerren.<br />
Hinsichtlich der mittel- und langfristigen Exportkredite für Unternehmen und bei den Gütern<br />
mit doppeltem Verwendungszweck sind keine Entwicklungen zu vermelden. Die<br />
Angleichung an die bilateralen Abkommen der EG ist im Großen und Ganzen zufrieden<br />
stellend.<br />
In Bezug auf bilaterale Abkommen mit Drittstaaten wurden einige Fortschritte erzielt. So<br />
unterzeichnete die Türkei ein Freihandelsabkommen mit Ägypten. Das Freihandelsabkommen<br />
mit Marokko trat in Kraft. Die Verhandlungen mit Albanien wurden im Wesentlichen<br />
abgeschlossen. Die Türkei hat die Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit dem Golf-<br />
Kooperationsrat, Jordanien und Libanon fortgesetzt.<br />
Im Bereich Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe waren einige Fortschritte zu<br />
verzeichnen. 2005 leistete die Türkei öffentliche Entwicklungshilfe im Wert von 500 Mio.<br />
EUR. Begünstigte waren in erster Linie Kirgisien, Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan<br />
und Kosovo. Die von der Türkei geleistete Soforthilfe lag bei 37,4 Mio. EUR – die Mittel<br />
flossen überwiegend in die Bewältigung von Naturkatastrophen in Asien. Insgesamt ist die<br />
Angleichung an die Entwicklungspolitik und die humanitäre Hilfe der EG erheblich<br />
vorangekommen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Insgesamt hat die Türkei in diesem Bereich Fortschritte bei der Angleichung erzielt.<br />
Allerdings bleiben einige Fragen weiterhin offen.<br />
4.31. Kapitel 31: Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
Im Großen und Ganzen richtet die Türkei ihre Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin an der<br />
der Europäischen Union aus. Der verstärkte regelmäßige politische Dialog mit der Türkei, der<br />
im Rahmen der Heranführungsstrategie eingeführt wurde, setzte sich fort.<br />
Die Türkei zeigt ein starkes Interesse an der Weiterentwicklung der Europäischen<br />
Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Die Türkei beteiligt sich an der von der EU<br />
geleiteten Polizeimissionen in Bosnien-Herzegowina (EUPM), der ehemaligen<br />
jugoslawischen Republik Mazedonien (Proxima) und der Demokratischen Republik Kongo<br />
(EUROPOL KINSHASA). Auch an mehreren UN- und NATO-Friedensmissionen im<br />
westlichen Balkan nimmt sie weiterhin teil. Nach der Beteiligung an UNPROFOR, IFO,<br />
KFOR und SFOR leistet die Türkei seit Dezember 2004 einen Beitrag zur EUFOR-ALTHEA-<br />
Mission.<br />
Trotz des aktiven Beitrags der Türkei zur ESVP bestehen einige Schwierigkeiten. So<br />
widersetzt sich die Türkei bisher der Einbeziehung von Malta und der Republik Zypern in die<br />
strategische Zusammenarbeit zwischen EU und NATO auf der Grundlage des Abkommens<br />
"Berlin Plus". Was Zypern angeht, so verhindert die Türkei - aus politischen Gründen -<br />
<strong>DE</strong> 82 <strong>DE</strong>
weiterhin die Mitgliedschaft Zyperns in bestimmten Gruppen von Lieferländern wie z.B. dem<br />
Wassenaar-Arrangement über Ausfuhrkontrollen für konventionelle Waffen sowie Güter und<br />
Technologien mit doppeltem Verwendungszweck<br />
Die Türkei ist Vertragspartei der meisten internationalen Regimen für die Nichtverbreitung<br />
von Massenvernichtungswaffen, darunter vor allem des Atomwaffensperrvertrags und seines<br />
Zusatzprotokolls, und hat sich nach eigenen Angaben dem EU-Verhaltenskodex bei<br />
Waffenexporten angepasst, auch wenn dazu bisher kein förmlicher Regierungsbeschluss<br />
gefasst wurde. Die Maßnahmen zur vollständigen Anpassung der Türkei an das EU-System<br />
gehen weiter. Die durch wirksame Durchsetzungsmaßnahmen garantierte Einhaltung des<br />
Verhaltenskodexes und der Gemeinsamen Aktion zu Kleinwaffen und leichten Waffen dürfte<br />
die Türkei in die Lage versetzen, eine wirksame Kontrolle von Produktion, Handel, Transfer<br />
und Besitz von Kleinwaffen, leichten Waffen und ihrer Munition zu erreichen. Die Türkei hat<br />
das UN-Protokoll über Schusswaffen ratifiziert.<br />
Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik passt sich die Türkei<br />
weiterhin im Großen und Ganzen den Sanktionen, restriktiven Maßnahem, Erklärungen und<br />
Demarchen der EU an.<br />
Die Türkei unterstützt nach wie vor den Nahost-Friedensprozess. Im Februar 2006 erklärte<br />
die Türkei, dass sie die Ziele des Gemeinsamen Standpunkts der EU über die Anwendung<br />
besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus teilt und die Absicht hat, ihre<br />
Politik diesem Gemeinsamen Standpunkt anzupassen. Hamas steht auf der in diesem<br />
Gemeinsamen Standpunkt enthaltenen Liste. Die Türkei hat Interesse an einer Beteiligung an<br />
der EU-Polizeimission in den palästinensischen Gebieten geäußert. Die Türkei hat Interesse<br />
an einer Beteiligung an den Polizei- und sonstigen ESVP-Einsätzen in den palästinensischen<br />
Gebiete geäußert.<br />
Die Beziehungen zu Syrien entwickeln sich nach wie vor positiv. Die Türkei hat sich<br />
gegenüber Syrien dafür eingesetzt, dass das Land den Ersuchen der internationalen<br />
Gemeinschaft, insbesondere hinsichtlich des UN-Beschlusses 1636 im Zusammenhang mit<br />
der von der UN-Kommission durchgeführten Untersuchung des Mordanschlags auf den<br />
ehemaligen libanesischen Premierminister Hariri nachkommt. Im September nahm das<br />
Parlament den Antrag der Regierung über die Entsendung türkischer Truppen im Rahmen der<br />
UNIFIL-Mission im Libanon an.<br />
Die Türkei hat konkrete Initiativen ergriffen, um durch Erleichterung des Dialogs zwischen<br />
den US-Behörden und arabischen Sunniten die Stabilität im Irak zu fördern. Die Türkei<br />
vertritt den Standpunkt, dass die jüngste Eskalation der Gewalt im Südosten des Landes und<br />
die zunehmenden Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK direkt<br />
mit der "Infiltration von PKK-Mitgliedern" von jenseits der Grenze zum Irak<br />
zusammenhängt. Die Türkei hat entlang der Grenze zum Irak eine bedeutende Zahl von<br />
Truppen eingesetzt, um das Eindringen von PKK-Terroristen aus Nord-Irak zu verhindern.<br />
Die Türkei hat den Iran dazu angehalten, den Forderungen der internationalen Gemeinschaft<br />
nachzukommen. Die Türkei hat die Bemühungen der EU um langfristige Garantien für die<br />
Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags und des Abkommens über Sicherungsmaßnahmen<br />
mit der IAEO durch Teheran unterstützt.<br />
<strong>DE</strong> 83 <strong>DE</strong>
Die Türkei setzt ihre nachdrückliche Unterstützung für den Bonner Prozess zur Förderung des<br />
Wiederaufbaus in Afghanistan fort. Gemeinsam mit Frankreich und Italien übernahm die<br />
Türkei im August 2006 turnusmäßig das Regionalkommando in Kabul.<br />
Seit dem Briefwechsel zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten und dem Präsidenten<br />
Armeniens vom April 2005 sind in den Beziehungen zu Armenien keine wesentlichen<br />
Entwicklungen zu verzeichnen. Die Türkei hat ihre Grenze zu Armenien nicht geöffnet. Dies<br />
wäre jedoch ein wichtiger Schritt zum Aufbau gutnachbarlicher Beziehungen. Es würde<br />
beiden Seiten vor allem im Hinblick auf den Handelt zugute kommen.<br />
In den Beziehungen zu den Ländern des südlichen Kaukasus und Zentralasiens war eine<br />
stärkere Anpassung der offiziellen türkischen Position an die der EU festzustellen. Die Türkei<br />
hat ihre Unterstützung für die Europäische Nachbarschaftspolitik bekräftigt. Die Türkei<br />
beteiligt sich mit Beobachterstatus an der Initiative GUAM (Georgien, Ukraine,<br />
Aserbaidschan und Moldau). Die Türkei verfolgte die Wahlen in Aserbaidschan mit großer<br />
Aufmerksamkeit. Sie schloss sich der Erklärung der EU-Präsidentschaft zu den Wahlen in<br />
Aserbaidschan vom 10. November 2005 an.<br />
Hinsichtlich der Unterzeichnung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs durch die<br />
Türkei waren keine Fortschritte zu verzeichnen.<br />
Die Türkei spielt nach wie vor eine aktive Rolle beim internationalen Kampf gegen den<br />
Terrorismus. Im September 2005 unterzeichnete sie das Internationale Übereinkommen zur<br />
Bekämpfung des Nuklearterrorismus und im Januar 2006 das Übereinkommen des Europarats<br />
über die Verhütung von Terrorismus. Die Türkei muss sich weiterhin den Positionen der EU<br />
anschließen. Auch die türkische Politik und Gesetzgebung im Bereich Terrorbekämpfung<br />
müssen der Praxis der EU angepasst werden.<br />
Was die Verwaltungskapazitäten angeht, so ist die Organisationsstruktur des türkischen<br />
Außenministeriums mit den Strukturen der EU im Bereich der GASP kompatibel. Der<br />
Unterstaatssekretär für Europa-Angelegenheiten übernimmt die Aufgaben eines politischen<br />
Direktors. Auch die Posten eines europäischen Korrespondenten und eines stellvertretenden<br />
Korrespondenten wurden geschaffen. Die Kommunikation der EU mit den assoziierten<br />
Partnern im Rahmen der GASP erfolgt über das ACN-Informationssystem, an das auch das<br />
türkische Außenministerium angeschlossen ist.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die allgemeine Anpassung der Türkei an die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der<br />
EU hat sich fortgesetzt. Um die regionale Stabilität zu fördern, hat die Türkei ihre<br />
außenpolitische Aktivität im Nahen Osten, im Iran und im Irak verstärkt. Die Türkei hält ihre<br />
Grenze zu Armenien weiterhin geschlossen. Die türkischen Behörden zeigten ein starkes<br />
Interesse an einer Beteiligung an ESVP-Missionen und an der Europäischen<br />
Verteidigungsagentur. Die Beteiligung der Türkei an der ESVP bereitet allerdings weiterhin<br />
gewisse Schwierigkeiten. So blockiert die Türkei nach wie vor die Einbeziehung Zyperns und<br />
Maltas in die strategische Zusammenarbeit zwischen EU und NATO. Die Türkei widersetzt<br />
sich ebenfalls nach wie vor dem Beitritt Zyperns zum Wassenaar-Arrangement. Die Türkei<br />
hat das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs noch nicht unterzeichnet. Die<br />
Beziehungen zu Griechenland haben sich weiterhin positiv entwickelt. Die Türkei sollte<br />
jedoch mögliche Reibungspunkte mit ihren Nachbarn beseitigen und Maßnahmen vermeiden,<br />
die der friedlichen Beilegung von Grenzkonflikten im Wege stehen könnten. Die Türkei sollte<br />
<strong>DE</strong> 84 <strong>DE</strong>
sich unmissverständlich für gutnachbarliche Beziehungen und für die Erfüllung der sonstigen<br />
Anforderungen einsetzen, an denen gemäß Absatz 6 des Verhandlungsrahmens die<br />
Fortschritte des Landes gemessen werden.<br />
4.32. Kapitel 32: Finanzkontrolle<br />
Im Bereich der internen Kontrolle der öffentlichen Finanzen sind einige Fortschritte zu<br />
verzeichnen. Das Gesetz über Verwaltung und Kontrolle der öffentlichen Finanzen und der<br />
Verfassungsartikel über den Staatshaushalt wurden geändert, und am 1. Januar 2006 traten<br />
alle Bestimmungen des Gesetzes - einschließlich der Bestimmungen über den<br />
Haushaltsvollzug – in Kraft.<br />
Diese Änderungen haben positive und negative Entwicklungen nach sich gezogen. Die<br />
geänderten Begriffsbestimmungen des Gesetzes stehen nunmehr mit Ausnahme der Definition<br />
von "Ex-ante-Kontrolle" mit den international anerkannten Definitionen im Einklang.<br />
Außerdem wird mit dem Gesetz ein Dreijahreshaushalt für den Zeitraum 2006-2006<br />
eingeführt. Die bloße Umstrukturierung der revolvierenden Fonds statt deren im<br />
ursprünglichen Gesetz vorgesehener Beseitigung sowie der Ausschluss vieler öffentlicher<br />
Institutionen vom Geltungsbereich des Gesetzes stellen eine erhebliche Abweichung von den<br />
Prinzipien einer ordnungsgemäßen Finanzkontrolle dar. Nach dem im Januar 2006 in Kraft<br />
getretenen Gesetz zur Einrichtung von Regionalentwicklungsagenturen (siehe Kapitel 22)<br />
werden auch diese neuen Agenturen vom Geltungsbereich des Gesetzes über Verwaltung und<br />
Kontrolle der öffentlichen Finanzen ausgeschlossen.<br />
Die Türkei erließ eine Reihe von Durchführungsvorschriften zum Gesetz über Verwaltung<br />
und Kontrolle der öffentlichen Finanzen, das bis Ende 2007 vollständig greifen soll. Mit der<br />
Einrichtung der Strategieentwicklungseinheiten und der Einstellung des notwendigen<br />
Personales wurde begonnen. Die erforderlichen Durchführungsvorschriften wurden zum<br />
größten Teil erlassen, doch bisher gelangten nicht alle zur Anwendung. Die Innenrevision -<br />
eine Hauptsäule der Reform – ist noch nicht funktionsfähig.<br />
Die 2004 eingerichtete Innenrevision-Koordinierungsstelle ist inzwischen funktionsfähig.<br />
Diese Stelle sollte jedoch als beratendes Gremium fungieren – ihre derzeitigen<br />
Harmonisierungs- und Koordinierungsaufgaben sollten einer ständigen zentralen<br />
Harmonisierungseinheit übertragen werden, um zu gewährleisten, dass sie in angemessener<br />
Weise wahrgenommen werden. Das Amt für staatliche Rechnungslegungsstandards wurde<br />
2005 eingerichtet und mit der Aufgabe betraut, Rechnungslegungs- und<br />
Berichterstattungsnormen für die dem allgemeinen Staatswesen zuzurechenden öffentlichen<br />
Einrichtungen festzulegen und zu veröffentlichen. Die notwendigen Strukturen wurden per<br />
Runderlass des Amts des Ministerpräsidenten von 2005 geschaffen.<br />
Im Bereich der externen Rechnungsprüfung sind seit dem letzten Regelmäßigen Bericht<br />
keine Entwicklungen zu verzeichnen. Das Gesetz über Verwaltung und Kontrolle der<br />
öffentlichen Finanzen weitet – von Umfang und Art her - den Prüfungsauftrag des türkischen<br />
Rechnungshofs weiter aus. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und die<br />
Angleichung an den Besitzstand zu gewährleisten, muss die Türkei die überarbeitete TCA-<br />
Charta (Total Cost Accounting), die auf den INTOSAI-Normen beruht und derzeit im<br />
Parlament beraten wird, verabschieden.<br />
Im Hinblick auf den Schutz der finanziellen Interessen der EU wurden einige Fortschritte<br />
erzielt. Die Türkei hat die Durchführungsvorschriften zu dem für den Schutz der finanziellen<br />
<strong>DE</strong> 85 <strong>DE</strong>
Interessen der EG notwendigen Gesetz über Verwaltung und Kontrolle der öffentlichen<br />
Finanzen noch nicht erlassen. Im Amt des Nationalen Anweisungsbefugten wurde allerdings<br />
ein Mechanismus zur Prüfung der Verwendung von EU-Mitteln geschaffen, das im Einklang<br />
mit den einschlägigen Abkommen zwischen der EU und der Türkei funktioniert. Es wird<br />
jedoch notwendig sein, eine klare Verbindung zum System der internen Finanzkontrolle der<br />
öffentlichen Hand herzustellen. Dieser Mechanismus muss durch eine operationell<br />
unabhängige Koordinierungsstelle für die Betrugsbekämpfung ergänzt werden, die alle<br />
legislativen, administrativen und operationellen Aspekte des Schutzes der finanziellen<br />
Interessen der Gemeinschaften koordiniert und die Kommissionsdienststellen von möglichen<br />
Betrugsfällen und Unregelmäßigkeiten in Kenntnis setzt. Die Kommission begrüßt daher die<br />
Benennung des Kontrollausschusses im Amt des Ministerpräsidenten als Anlaufstelle für<br />
OLAF bis zur Einrichtung einer solchen Koordinierungsstelle. Die Türkei muss die<br />
Anpassung ihrer Rechtsvorschriften an das Übereinkommen über den Schutz der finanziellen<br />
Interessen der Gemeinschaften abschließen. Die Vorbereitungen in diesem Bereich sind im<br />
Gange. Die türkischen Verwaltungsstrukturen wurden für die Verwaltung der<br />
Heranführungshilfe im Rahmen des System der dezentralen Durchführung akkreditiert, doch<br />
ihre Funktionsweise wies im Berichtszeitraum erhebliche Defizite auf. Diese werden von der<br />
türkischen Regierung angegangen.<br />
Was den Schutz des Euro vor Fälschung anbetrifft, so verfügt die Türkei über<br />
ausreichenden Sachverstand bei der Analyse und Klassifizierung von gefälschten Banknoten<br />
und Münzen. Auch die polizeilichen Kapazitäten der vier Strafverfolgungsbehörden sind<br />
ausreichend. Im August 2005 richtete die Türkei ein der Zentralbank unterstelltes<br />
Falschgeldüberwachungssystem ein. Dieses System muss durch die Einrichtung eines<br />
nationalen Analysezentrums, eines nationalen Münzanalysezentrums und eines nationalen<br />
Zentralbüros ergänzt werden. Gegen Kreditinstitute, die es versäumen, Falschgeld aus dem<br />
Verkehr zu ziehen, müssen Sanktionen eingeführt werden. Auch bei Medaillen und Marken,<br />
die den Euro-Münzen ähneln, müssen Sanktionen vorgesehen werden. Die Vorbereitungen in<br />
diesem Bereich verlaufen planmäßig.<br />
Schlussfolgerung<br />
Insgesamt waren in diesem Kapitel einige Fortschritte zu verzeichnen. Obwohl einige der<br />
notwendigen Verwaltungsstrukturen geschaffen und die Durchführungsvorschriften erlassen<br />
wurden, muss die Türkei ihre Strategie im Bereich der internen Finanzkontrolle der<br />
öffentlichen Hand aktualisieren und verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die<br />
uneingeschränkte Geltung des Gesetzes über Verwaltung und Kontrolle der öffentlichen<br />
Finanzen zu gewährleisten.<br />
Die Türkei muss noch die Behörden schaffen, die für die Zusammenarbeit mit dem<br />
Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung und den entsprechenden Dienststellen der<br />
Kommission beim Schutz des Euro vor Fälschung erforderlich sind.<br />
4.33. Kapitel 33: Finanz- und Haushaltsbestimmungen<br />
In Bezug auf die Anwendung des EU-Eigenmittelsystems waren einige Fortschritte zu<br />
verzeichnen.<br />
Hinsichtlich der traditionellen Eigenmittel stehen die Zollvorschriften weitgehend mit dem<br />
Besitzstand im Einklang. Im November 2005 verabschiedete die Türkei ein neues<br />
Statistikgesetz, mit dem die Rechtsangleichung in diesem Bereich verbessert werden, doch die<br />
<strong>DE</strong> 86 <strong>DE</strong>
erforderlichen Durchführungsvorschriften müssen noch erlassen werden. Um eine genaue<br />
Berechnung des Bruttonationaleinkommens zu gewährleisten, ist vor allem in Bezug auf die<br />
Anwendung der ESA95-Normen eine weitere Angleichung erforderlich.<br />
Die Türkei muss Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug bei der Mehrwertsteuer und den<br />
Zollabgaben ergreifen. Im Mai 2005 verabschiedete die Türkei ein Gesetz über die<br />
Finanzverwaltung, um die Einziehung der Steuern und die freiwillige Einhaltung der<br />
Vorschriften durch die Steuerzahler zu verbessern. Da noch nicht alle<br />
Durchführungsvorschriften erlassen wurden, ist noch unklar, welche Wirkung das Gesetz<br />
haben wird. Die Türkei wird eine einzige Stelle für die zentrale Koordinierung der<br />
ordnungsgemäßen Einnahme, Überwachung, Ein- und Auszahlung und Kontrolle von<br />
Haushaltsmitteln der EG benennen müssen. Sie wird auch die Verwaltungskapazitäten in<br />
anderen relevanten Politikbereichen wie Landwirtschaft, Zoll, Steuern, Statistik und<br />
Finanzkontrolle stärken müssen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Obwohl der Besitzstand in diesem Bereich grundsätzlich keine Umsetzung in nationales<br />
Recht erfordert, muss die Türkei rechtzeitig über die entsprechenden<br />
Koordinierungsstrukturen und Durchführungsbestimmungen verfügen, um die korrekte<br />
Berechnung, Erhebung, Zahlung und Kontrolle der Eigenmittel sowie die Berichterstattung an<br />
die EU sicherzustellen.<br />
<strong>DE</strong> 87 <strong>DE</strong>
STATISTISCHE DATEN (Stand 10. September 2006)<br />
Türkei<br />
Basisdaten<br />
Maßstab Einheit<br />
STATISTISCHER ANHANG<br />
Fußnote<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Bevölkerung: Insgesamt Tausend<br />
Einheit<br />
Zahl 1) 61763,0 62909,0 64064,0 65215,0 66350,0 67420,0 68365,0 69302,0 70231,0 71152,0 72065,0<br />
Gesamtfläche des Landes<br />
(x1) km² 2) 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0 783562,0<br />
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Maßstab Einheit<br />
Bruttoinlandsprodukt Mio.<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Landeswährung<br />
3) 7762.5e 14772.1e 28835.9e 52224.9e 77415.3e 124583.5e 178412.4e 277574.1e 359762.9e 430511.5e 487202.4e<br />
Bruttoinlandsprodukt Mio.<br />
Einheit<br />
EUR 4) 129979e 144583e 167916e 180612e 172765e 216372e 163210e 192905e 213052e 242045e 291031e<br />
Bruttoinlandsprodukt je Einwohner<br />
(x1) EUR 5) 2109,0 2306,0 2688,0 2846,0 2685,0 3207,0 2379,0 2771,0 3013,0 3372,0 4038,0<br />
SI: Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts in konstanten Preisen Einheit<br />
(Landeswährung) gegenüber dem Vorjahr<br />
(x1) % 7,2 7,0 7,5 3,1 -4,7 7,4 -7,5 7,9 5,8 8,9 7,4<br />
SI: Beschäftigungswachstum (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen) Einheit<br />
gegenüber dem Vorjahr<br />
(x1) % : : : : : : : : : : :<br />
Wachstum der Arbeitsproduktivität: BIP-Wachstum (konstante Preise) je Einheit<br />
Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr<br />
(x1) % 6) : : : : : : -6,5 8,8 6,1 : :<br />
SI: Anstieg der Lohnstückkosten (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen) Einheit<br />
gegenüber dem Vorjahr<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 7) : : : : : : -4,6 : : : :<br />
Pro-Kopf-BIP in jeweiligen Preisen<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
KKS 8) 4600e 5000e 5500e 5700e 5500 6000 5300 5600 5800 6500 7200<br />
SI: Pro-Kopf-BIP in jeweiligen Preisen, KKS, EU-25=100<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 8) : 30.6e 32.2e 31.8e 29,2 29,8 25,6 26,1 26,5 28,5 30,7<br />
SI: Arbeitsproduktivität, KKS (BIP je Beschäftigten), EU-25=100<br />
(x1) % 8) : 36.5e 39.6e 39.2e 36,2 39.4f 35.2f 37.0f 38.5f 40.7f 43.8f<br />
Landwirtschaft (NACE-Abschnitte A+B): Anteil an der Bruttowertschöpfung Einheit<br />
insgesamt<br />
(x1) % 15,0 15,9 13,6 16,9 14,6 13,6 11,4 11,4 11,6 11,1 :<br />
Industrie (ohne Baugewerbe) (NACE-Abschnitte C bis E): Anteil an der Einheit<br />
Bruttowertschöpfung insgesamt<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 25,8 24,2 24,2 21,4 21,9 22,5 24,2 24,3 23,8 23,8 :<br />
Baugewerbe (NACE-Abschnitt F): Anteil an der Bruttowertschöpfung insgesamt (x1) % 5,4 5,6 5,8 5,6 5,4 5,1 4,8 3,9 3,3 3,4 :<br />
Dienstleistungen (NACE-Abschnitte G bis P): Anteil an der Einheit<br />
Bruttowertschöpfung insgesamt<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 53,8 54,3 56,4 56,1 58,1 58,8 59,6 60,5 61,3 61,7 :<br />
Anteil der Konsumausgaben am BIP<br />
(x1) % 79,4 81,2 80,6 79,9 81,6 83,4 81,8 80,2 80,5 79,9 81,6<br />
Anteil der Konsumausgaben der privaten Haushalte und der privaten Einheit<br />
Organisationen ohne Erwerbszweck am BIP<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 68,9 69,3 68,3 67,5 67,4 69,7 68,3 66,3 66,8 66,6 68,3<br />
Anteil der Konsumausgaben des Staates am BIP<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 10,6 11,9 12,3 12,4 14,2 13,7 13,5 13,9 13,7 13,3 13,2<br />
- Anteil der Bruttoanlageinvestitionen am BIP<br />
(x1) % 23,3 25,8 26,5 24,0 20,4 21,8 17,2 16,5 15,5 18,0 19,8<br />
<strong>DE</strong> 88 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>
- Anteil der Vorratsveränderungen am BIP<br />
Exporte von Waren und Dienstleistungen im Verhältnis zum BIP<br />
Importe von Waren und Dienstleistungen im Verhältnis zum BIP<br />
Einheit<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 1,6 -0,6 -1,3 -0,4 1,4 2,1 -1,3 4,7 7,3 8,0 5,3<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 19,5 22,2 24,7 23,8 21,7 23,4 32,0 29,2 27,5 29,1 27,8<br />
(x1) % 23,8 28,7 30,5 27,2 25,1 30,7 29,7 30,6 30,8 35,0 34,4<br />
Inflationsrate Maßstab<br />
Einheit<br />
Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
SI: Verbraucherpreisindex: insgesamt (VPI), Anstieg gegenüber dem Vorjahr (x1) % 9) 76,0 79,8 99,1 69,7 68,8 39,0 68,5 29,7 18,4 9,3 7,7<br />
Zahlungsbilanz Maßstab Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Zahlungsbilanz: Saldo der Leistungsbilanz Mio. EUR 10) -1788,2 -1919,3 -2326,2 1769,7 -1257,3 -10633,4 3787,4 -1611,7 -7104,0 -12544,4 -18611,8<br />
Leistungsbilanz: Handelsbilanz Mio. EUR 10) -10055,0 -8083,5 -13269,4 -12534,2 -9556,2 -23775,4 -4168,2 -7702,0 -12385,1 -19196,1 -26465,7<br />
Leistungsbilanz: Warenexporte Mio. EUR 10) 16541,2 25254,6 28314,7 27350,2 27061,4 33262,2 38379,9 42432,3 45267,0 53900,6 61851,1<br />
Leistungsbilanz: Warenimporte Mio. EUR 10) -26596,1 -33338,1 -41584,1 -39884,4 -36617,6 -57037,7 -42548,0 -50134,3 -57652,1 -73096,7 -88316,9<br />
Leistungsbilanz: Dienstleistungen, netto Mio. EUR 10) 7354,7 5242,8 9622,2 12047,2 7028,5 12306,2 10196,5 8332,3 9285,7 10277,4 11225,8<br />
Leistungsbilanz: Einkommen, netto Mio. EUR 10) -2450,3 -2305,2 -2656,9 -2662,6 -3318,6 -4333,0 -5582,8 -4818,1 -4912,5 -4531,7 -4551,9<br />
Leistungsbilanz: laufende Transfers, netto Mio. EUR 10) 3362,4 3226,6 3977,8 4919,3 4589,0 5168,9 3341,9 2576,1 907,9 906,0 1180,0<br />
Leistungsbilanz: laufende Transfers, netto – darunter staatliche Transfers Mio. EUR 10) 818,8 437,1 276,9 141,8 339,7 231,7 231,1 528,8 263,4 259,7 495,9<br />
Direktinvestitionen (DI) im Meldeland Mio. EUR 10) 676,6 568,6 709,9 838,5 734,7 1063,2 3742,7 1202,4 1548,8 2317,7 7880,4<br />
Öffentliche Finanzen Maßstab<br />
Einheit<br />
Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Defizit/Überschuss des Staates im Verhältnis zum BIP<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% : : : : : -14,5 -33,0 -12,9 -11,3 -5,7 -1,2<br />
SI: Schuldenstand des Staates im Verhältnis zum BIP<br />
(x1) % : : : : : 57,4 104,4 93,0 85,1 76,9 69,7<br />
Finanzindikatoren Maßstab<br />
Einheit<br />
Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Bruttoauslandsverschuldung der Volkswirtschaft im Verhältnis zum BIP (x1) % 11) 45,2 43,8 44,6 47,8 56,3 59,7 77,1 71,3 60,1 54,0 47,3<br />
Bruttoauslandsverschuldung der Volkswirtschaft im Verhältnis zu den Einheit<br />
Gesamtexporten<br />
(x1) % 12) 3,5 3,4 3,2 3,6 3,9 4,3 3,6 3,6 3,1 2,6 2,3<br />
Geldmenge: M1 Mio. EUR 4968,0 6733,8 7028,5 7000,2 8635,3 12204,5 8965,1 9291,4 13188,2 15761,7 26483,1<br />
Geldmenge: M2 Mio. EUR 16082,4 21960,6 25153,6 31205,8 41324,5 51590,9 37253,0 36325,6 47398,0 59415,0 96487,1<br />
Geldmenge: M3<br />
Kreditgewährung insgesamt: Kredite geldschöpfender Finanzinstitute (MFI) an<br />
Mio. EUR 16796,7 23537,5 27196,3 32878,4 42950,0 54207,4 38973,5 38041,1 50487,7 63410,9 103583,4<br />
inländische Kreditnehmer (konsolidiert) Mio.<br />
Einheit<br />
EUR 19992,3 26453,1 34081,6 30790,1 30856,1 44491,5 26976,9 20034,9 29025,2 43327,6 76195,0<br />
Zinssätze: Tagesgeldsatz, pro Jahr<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 13) 70,0 77,9 74,0 78,8 79,8 56,0 95,5 49,6 36,1 22,0 15,1<br />
Ausleihesatz (ein Jahr), pro Jahr<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 14) 105,1 99,2 99,4 79,5 86,1 51,2 78,8 53,7 42,8 29,1 23,8<br />
Einlagensatz (ein Jahr), pro Jahr<br />
(x1) % 15) 91,7 92,8 93,0 93,3 85,5 38,2 62,2 53,9 40,3 23,6 19,9<br />
<strong>DE</strong> 89 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>
EUR-Wechselkurse: Durchschnitt des Zeitraums – 1 Euro = … Landeswährung<br />
Einheit<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
Zahl 16) 59169,930 101979,910 170617,900 292797,660 445676,520 573942,460 1093683,470 1429766,050 1685301,160 1767685,880 1,66953<br />
EUR-Wechselkurse: Ende des Zeitraums – 1 Euro = … Landeswährung (x1)<br />
Einheit<br />
Zahl 16) 78137,000 133188,000 224970,000 366060,000 542096,000 618561,000 1268115,000 1703477,000 1745072,000 1826800,000 1,5904<br />
Index des effektiven Wechselkurses (1999=100)<br />
(x1) Zahl 652,0 384,8 232,0 145,5 100,0 74,0 40,0 30,7 27,3 26,6 :<br />
Wert der Währungsreserven (einschließlich Gold) Mio. EUR 10) 10530,3 13904,9 17233,3 18493,7 22695,1 25095,4 22129,5 29701,9 31093,8 30262,7 42143,0<br />
Wert der Währungsreserven (ohne Gold) Mio. EUR 10) 9472,9 12815,5 16241,8 17590,9 21746,5 24006,3 20977,1 28348,9 29716,9 28948,3 40603,8<br />
Außenhandel Maßstab Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Handelsbilanzsaldo: (alle Waren, alle Partner) Mio. EUR : : : : -13387,3 -29262,5 -11193,5 -16341,3 -18620,1 -27636,9 -34560,1<br />
Wert der Exporte: (alle Waren, alle Partner) Mio. EUR : : : : 24964,0 30181,9 35062,2 38137,1 41515,9 50891,1 58849,5<br />
Wert der Importe: (alle Waren, alle Partner) Mio.<br />
Einheit<br />
EUR : : : : 38351,3 59444,4 46255,8 54478,3 60136,0 78528,0 93409,5<br />
Terms of Trade (Exportpreisindex / Importpreisindex) gegenüber dem Vorjahr (x1)<br />
Einheit<br />
Zahl 17) 107,4 109,3 114,0 114,1 112,6 103,0 100,7 100,1 100,0 100,6 99,7<br />
Anteil der Exporte in EU-25-Länder am Wert der Gesamtexporte<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% : : : : 56,1 54,3 53,8 53,9 55,1 54,5 52,4<br />
Anteil der Importe aus EU-25-Ländern am Wert der Gesamtimporte<br />
(x1) % : : : : 53,7 50,3 45,8 47,5 48,2 46,6 42,2<br />
Bevölkerung Maßstab Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Natürliche Wachstumsziffer: Ziffer des natürlichen Bevölkerungswachstums Einheit<br />
(Geburten minus Sterbefälle)<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
je 1000 1) 16,8 16,8 16,5 16,0 15,4 14,1 13,8 13,5 13,2 12,9 12,6<br />
Nettowanderungsziffer: Zahl der Zuwanderer minus Zahl der Abwanderer (x1) je 1000 : : : : : : : : : : :<br />
Säuglingssterbeziffer: Zahl der im ersten Lebensjahr gestorbenen Kinder je<br />
1 000 Lebendgeburten<br />
Lebenserwartung bei der Geburt: Männer<br />
Lebenserwartung bei der Geburt: Frauen<br />
Arbeitsmarkt Maßstab Einheit<br />
Einheit<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
Zahl 1) 43,0 40,9 38,8 36,5 33,9 28,9 27,8 26,7 25,6 24,6 23,6<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
Jahre 1) 65,6 65,9 66,3 66,7 67,1 68,1 68,2 68,4 68,6 68,8 68,9<br />
(x1) Jahre 1) 70,2 70,6 70,9 71,3 71,8 72,8 73,0 73,2 73,4 73,6 73,8<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Erwerbsquote (15-64): Anteil der Erwerbspersonen an der Bevölkerung im Einheit<br />
Alter von 15-64 Jahren<br />
(x1) % 18) 56,8 56,4 55,2 55,3 55,2 52,4 52,3 52,3 51,1 51,5 51,3<br />
SI: Erwerbstätigenquote (15-64): Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung Einheit<br />
im Alter von 15-64 Jahren<br />
(x1) % 52,4 52,5 51,3 51,4 50,8 48,9 47,8 46,7 45,5 46,1 45,9<br />
SI: Erwerbstätigenquote (15-64), Männer: Anteil der Erwerbstätigen an der<br />
männlichen Bevölkerung im Alter von 15-64 Jahren<br />
SI: Erwerbstätigenquote (15-64), Frauen: Anteil der Erwerbstätigen an der<br />
weiblichen Bevölkerung im Alter von 15-64 Jahren<br />
SI: Erwerbstätigenquote älterer Arbeiter (55-64): Anteil der Erwerbstätigen an<br />
der Bevölkerung im Alter von 55-64 Jahren<br />
Einheit<br />
(x1) % 74,6 74,9 74,8 74,3 72,7 71,7 69,3 66,9 65,9 67,9 68,2<br />
Einheit<br />
(x1) % 30,2 30,3 28,0 28,5 28,9 26,2 26,3 26,6 25,2 24,3 23,7<br />
Einheit<br />
(x1) % 41,7 41,6 40,5 41,1 39,3 36,3 35,9 35,3 32,7 33,1 30,8<br />
<strong>DE</strong> 90 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>
Anteil von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei (NACE-Abschnitte Einheit<br />
A+B) an der Gesamtbeschäftigung<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 18) 44,1 43,7 41,7 41,5 40,2 36,0 37,6 34,9 33,9 34,0 29,5<br />
Anteil der Industrie (NACE-Abschnitte C bis E) an der Gesamtbeschäftigung (x1)<br />
Einheit<br />
% 18) 16,0 16,4 17,5 17,1 17,2 17,7 17,5 18,5 18,2 18,3 19,4<br />
Anteil des Baugewerbes (NACE-Abschnitt F) an der Gesamtbeschäftigung (x1) % 18) 6,0 6,1 6,2 6,1 6,2 6,3 5,2 4,5 4,6 4,7 5,3<br />
Anteil des Dienstleistungssektors (NACE-Abschnitte G bis P) an der Einheit<br />
Gesamtbeschäftigung<br />
(x1) % 19) 33,9 33,7 34,6 35,3 36,5 40,0 39,7 42,1 43,4 43,0 45,8<br />
SI: Arbeitslosenquote: Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Einheit<br />
Arbeitskräfte<br />
(x1) % 7,6 6,6 6,8 6,9 7,7 6,5 8,4 10,3 10,5 10,3 10,3<br />
SI: Arbeitslosenquote, Männer: Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Einheit<br />
männlichen Arbeitskräfte<br />
(x1) % 7,8 6,9 6,5 6,9 7,7 6,6 8,7 10,7 10,7 10,5 10,3<br />
SI: Arbeitslosenquote, Frauen: Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Einheit<br />
weiblichen Arbeitskräfte<br />
(x1) % 7,3 6,0 7,8 6,8 7,6 6,3 7,5 9,4 10,1 9,7 10,3<br />
Arbeitslosenquote von Personen < 25 Jahren: Anteil der Arbeitslosen an der Einheit<br />
Gesamtzahl der Arbeitskräfte unter 25 Jahren<br />
(x1) % 15,5 13,5 14,3 14,2 15,0 13,1 16,2 19,2 20,5 19,7 19,3<br />
SI: Langzeitarbeitslosenquote: Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Einheit<br />
Gesamtzahl der Arbeitskräfte<br />
(x1) % 2,7 2,9 2,7 2,7 2,1 1,3 1,7 2,9 2,5 4,0 4,1<br />
Sozialer Zusammenhalt Maßstab Einheit<br />
SI: Ungleichheit der Einkommensverteilung: Verhältnis oberstes Quintil zu<br />
unterstem Quintil<br />
SI: Frühzeitige Schulabgänger: Anteil der Bevölkerung von 18-24 Jahren ohne<br />
Bildungsabschluss der Sekundarstufe II, der gegenwärtig nicht an einer<br />
Ausbildungsmaßnahme teilnimmt<br />
SI: Kinder von 0-17 Jahren in erwerbslosen Haushalten: Anteil der Kinder von<br />
0-17 Jahren<br />
SI: Personen von 18-59 Jahren in erwerbslosen Haushalten: Anteil der<br />
Personen von 18-59 Jahren<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Einheit<br />
(x1) Zahl 20) : : : : : : : 10,8 9,9 9,9 :<br />
Einheit<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% 21) : : : : : 58,1 58,1 55,1 52,9 54,4 51,5<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
% : : : : : : : : : : :<br />
(x1) % : : : : : : : : : : :<br />
Lebensstandard Maßstab<br />
Einheit<br />
Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Zahl der Personenkraftwagen / Bevölkerung<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
je 1000 49,5 52,0 55,7 58,9 61,4 65,6 66,3 66,4 66,9 75,9 80,1<br />
Zahl der Haupttelefonleitungen (Festnetz) / Bevölkerung<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
je 1000 22) 215,8 227,1 245,8 260,1 272,1 272,8 276,5 272,9 269,3 268,8 263,3<br />
Zahl der Mobilfunkteilnehmer / Bevölkerung<br />
(x1) je 1000 22) 7,1 12,8 25,1 53,8 115,8 223,4 286,3 337,3 397,6 488,2 605,4<br />
Infrastruktur Maßstab Einheit<br />
Dichte des Eisenbahnnetzes (betriebene Strecken)<br />
Einheit<br />
(x1)<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
je 1000<br />
km² 23) 10,8 11,0 11,0 11,0 11,1 11,1 11,1 11,0 11,1 11,1 11,1<br />
Länge der Autobahnen Tausend km 24) 1,2 1,4 1,5 1,7 1,7 1,8 1,9 1,9 1,9 1,9 1,8<br />
Industrie und Landwirtschaft Maßstab<br />
Einheit<br />
Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Volumenindex der Industrieproduktion (2000=100)<br />
(x1) Zahl : : : : : 100,0 91,3 99,9 108,7 119,3 125,8<br />
Landwirtschaftliche Produktionsindizes für Waren und Dienstleistungen (zu<br />
Erzeugerpreisen) (Vorjahr = 100)<br />
Einheit<br />
(x1) Zahl 102,7 107,0 97,7 110,6 94,7 104,2 93,3 108,5 98,0 101,6 106,9<br />
<strong>DE</strong> 91 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>
Innovation und Forschung Maßstab Einheit<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
SI: Ausgaben für Humanressourcen (öffentliche Bildungsausgaben) als Anteil Einheit<br />
am BIP<br />
(x1) % 25) 2,3 2,4 2,4 3,1 3,6 3,5 3,7 3,6 3,8 3,8 :<br />
SI: Bruttoinlandsaufwendungen für Forschung und Entwicklung im Verhältnis Einheit<br />
zum BIP<br />
(x1) % 0,4 0,5 0,5 0,5 0,6 0,6 0,7 0,7 0,6 0,7 :<br />
SI: Prozentualer Anteil der Haushalte mit häuslichem Internetzugang. Alle<br />
Formen der Internetnutzung sind eingeschlossen. Berücksichtigt wird die<br />
Bevölkerung von 16-74 Jahren.<br />
Umwelt Maßstab Einheit<br />
SI: Treibhausgasemissionen insgesamt, CO2-Äquivalent (1990=100)<br />
SI: Energieintensität der Wirtschaft<br />
SI: Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch<br />
Einheit<br />
(x1) % : : : : : : : : : 7,0 8,7<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Einheit<br />
(x1) Tonnen 26) 136,3 173,5 198,2 203,9 197,0 200,3 187,8 207,1 216,0 239,4 :<br />
in kg Öl-<br />
Äquivalent<br />
je<br />
Einheit 1000 EUR<br />
(x1)<br />
Einheit<br />
BIP 27) 484,2 496,4 487,6 478,9 499,6 504,4 510,7 491,5 497,2 478,2 460.7p<br />
(x1) % 28) 41,6 43,0 38,9 38,3 30,0 25,0 19,9 26,3 25,2 30,8 26.02p<br />
SI: Anteil des Straßengüterverkehrs am inländischen Güterverkehr insgesamt Einheit<br />
(Verkehrsverteilung nach Verkehrsträgern)<br />
e : Schätzung<br />
f : Prognose<br />
p : vorläufig<br />
(x1) % 24) 93,0 93,8 93,6 94,8 94,8 94,3 95,3 95,5 94,6 95,3 95,5<br />
1) Bevölkerungsschätzwerte zur Jahresmitte.<br />
2) Gesamte Bodenfläche umfasst Seenoberflächen.<br />
3) Neu: Türkische Lira; 1 NTL (Neue Türkische Lira) = 1 000 000 TL (Türkische Lira).<br />
4) Daten zum BIP und BIP pro Kopf werden unter Heranziehung der gewichteten durchschnittlichen Wechselkurse für Einfuhren in Euro umgerechnet. Diese Wechselkurse werden von TURKSTAT für Schätzwerte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen<br />
herangezogen.<br />
5) Bevölkerungszahlen zur Jahresmitte, die für die Berechnung der Pro-Kopf-Werte zugrunde gelegt wurden; 1995-1996 Bevölkerungsprognosen von 1985-1990; 1997-1999: Volkszählung von 1997 2000-2005: Allgemeine Volkszählung. Daten zum BIP und BIP<br />
pro Kopf werden unter Heranziehung der gewichteten durchschnittlichen Wechselkurse für Einfuhren in Euro umgerechnet. Diese Wechselkurse werden von TURKSTAT für Schätzwerte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen herangezogen.<br />
6) Angaben zum Beschäftigungswachstum gemäß der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung liegen nicht vor.<br />
7) Angaben zum Anstieg der Lohnstückkosten gemäß der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung liegen nicht vor.<br />
8) Quelle:: Eurostat.<br />
9) Nationaler Verbraucherpreisindex (nicht im strengen Sinne vergleichbar mit vorläufigen harmonisierten Verbraucherpreisindizes).<br />
10) Die Daten wurden ursprünglich in US Dollar vorgelegt und unter Heranziehung der durchschnittlichen jährlichen Wechselkurse für 1995 bis 2005, die in der Eurostat-Verbreitungsdatenbank veröffentlicht werden, und in Euro umgerechnet.<br />
11) Die Zahlen zur Bruttoauslandsverschuldung werden in US Dollar veröffentlicht und unter Verwendung der Ende des Jahres gültigen US Dollar - EUR/ECU-Parität in Euro umgerechnet.<br />
12) Quelle für Ausfuhrdaten: Central Bank; Ausfuhrdaten (fob) ohne "Shuttle Trade und sonstige Waren".<br />
13) Durchschnitt der monatlichen Daten.<br />
14) Durchschnitt der monatlichen Daten; Kredite an Unternehmen über mehr als ein Jahr.<br />
15) Durchschnitt der monatlichen Daten; bis zu einem Jahr oder länger.<br />
16) Für den Zeitraum 1995-2004 bezieht sich die Landeswährung auf Türkische Lira (TL); für 2005 bezieht sich die Landeswährung auf die Neue Türkische Lira (NTL); 1 NTL (Neue Türkische Lira) = 1.000.000 TL (Turkish Lira).<br />
17) Berechnet auf der Grundlage der ISIC Rev.3, Basis 2003.<br />
18) Gewichtete Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung, keine vierteljährlichen Durchschnittswerte.<br />
19) Gewichtete Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung, keine vierteljährlichen Durchschnittswerte. Dienstleistungen definiert nach NACE Abschnitte G bis Q.<br />
20) Die Daten für 2002, 2003 und 2004 basieren auf den Erhebungen über die Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte.<br />
21)<br />
schaffen.<br />
Gewichtete Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung, keine vierteljährlichen Durchschnittswerte. In den AKE-Fregebogen 2004 wurden Fragen in Zusammenhang mit “Ausbildung” aufgenommen, um so Vergleichbarkeit mit der Definition des Indikators zu<br />
22) Die Daten liegen bei der Telecommunications Authority vor.<br />
23) Die Daten liegen bei Turkish State Railways vor.<br />
24) Die Daten liegen beim General Directorate of Highways vor.<br />
25) In den AKE-Fregebogen 2004 wurden Fragen in Zusammenhang mit “Ausbildung” aufgenommen, um so Vergleichbarkeit mit der Definition des Indikators zu schaffen.<br />
<strong>DE</strong> 92 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>
26) Treibhausgasemissionen insgesamt (CO2-Äquivalent) einschließlich Direktemissionen (CO2, CH4 und N20) von Treibstoffverbrennungen aus den Sektoren (u.a. Energieerzeugung, Verkehr, Industrie, private Haushalte) sowie aus agrarwirtschaftlichen Anlagen<br />
und Industrieprozessen/-produktion. Die Daten beinhalten FKW-Emissionen ab 2000 und SF6-Emissionen ab 1996.<br />
27) Quelle: Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen.<br />
28) Quelle: Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen; die Preise sind Durchschnittspreise für das Jahr.<br />
<strong>DE</strong> 93 EINGESCHRÄNKTE VERTEILUNG <strong>DE</strong>