Howard Griffiths Abschied vom ZKO - Jecklin & Co. AG
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Im Foyer getroffen: Mario Beretta<br />
Der richtige Klang<br />
zur richtigen Zeit<br />
Mario Berettas Musik kann man im Konzert<br />
ebenso antreffen wie im Theater<br />
oder im Kino. Eine Begegnung mit dem<br />
vielseitigen Zürcher Musiker.<br />
Auf die Frage, wo er eigentlich Komposition<br />
studiert habe, gibt Mario Beretta<br />
eine erstaunliche Antwort: «Am Zürcher<br />
Schauspielhaus. Dort habe ich gelernt,<br />
was es heisst, Musik dramaturgisch zu<br />
denken; was es heisst, im richtigen Moment<br />
die richtigen Klänge zu finden.»<br />
Tatsächlich waren die Jahre als Theatermusiker<br />
wichtig für Berettas künstlerischen<br />
Werdegang. «Ich wurde damals,<br />
Ende der 60erJahre, direkt ins kalte Wasser<br />
geworfen. Offiziell war ich zunächst<br />
Assistent von George Gruntz, musste<br />
aber bei dessen Abwesenheit bald schon<br />
ganze Produktionen allein betreuen. Das<br />
ging <strong>vom</strong> Einstudieren und Korrepetieren<br />
bis zum Bereitstellen der gefragten Musik,<br />
die ich eben mehr und mehr auch selber<br />
komponierte. Auch das Dirigieren<br />
gehörte dazu. Paul Burkhards ‹Kleine<br />
Niederdorfoper› und den ‹Schwarzen<br />
Hecht› habe ich in über hundert Vorstellungen<br />
<strong>vom</strong> Klavier aus geleitet.»<br />
Eine Mischung von Autodidaktik, Intuition<br />
und erlerntem Handwerk – Klavier<br />
hatte er einst am Zürcher Konservatorium<br />
studiert, sein dirigentisches Können festigte<br />
er bei Olga Géczy und als langjähriger<br />
Leiter der Camerata Academica –<br />
macht Mario Berettas Vielseitigkeit aus.<br />
Bewähren musste sie sich von Anfang an<br />
in der konkreten Praxis, und schnell erreichte<br />
sie auch breite Publikumsschichten.<br />
Wer ihn einst am Theater nicht erlebt<br />
hatte, nahm seine Musik spätestens<br />
zur Kenntnis, als der Film dazukam.<br />
Erfolg mit «Höhenfeuer»<br />
«Wir hatten wirklich getüftelt damals»,<br />
erzählt Beretta über den Grosserfolg mit<br />
Fredi M. Murers «Höhenfeuer». «Ich stellte<br />
mir eine Musik vor, die klingt, als ob<br />
die Berge sie spielten. Mit einer Palette<br />
von spezifischen Klängen, z.B. von Meermuscheln<br />
oder elektronisch bearbeiteten<br />
Klaviertönen fanden wir schliesslich jenen<br />
kargen, suggestiven Sound, der natürlich<br />
und doch fremdartig war und perfekt<br />
zum Film passte.» «Höhenfeuer»<br />
wurde zum Grosserfolg, Beretta sah seine<br />
Intuitionskraft einmal mehr bestä<br />
tigt. Als nunmehr etablierter Filmkomponist<br />
fand er sich freilich auch zwischen<br />
Stuhl und Bank wieder. Für die<br />
Gilde der seriösen Komponisten und die<br />
öffentlichen Geldgeber wurde er in die<br />
Schublade der Gebrauchsmusik gesteckt,<br />
während gleichzeitig klar war, dass die<br />
Arbeit für den Film in der Schweiz keine<br />
Existenz garantierte. Die Faszination<br />
aber blieb: «Filmmusik ist eine enorm<br />
verantwortungsvolle Aufgabe, und gute<br />
Regisseure haben denn auch einen gesunden<br />
Respekt vor dem Beitrag ihrer<br />
Komponisten. Fredi Murer zum Beispiel<br />
ist äusserst vorsichtig im Einsatz von<br />
Musik». Trotzdem – oder vielleicht: deshalb<br />
– blieb Beretta Murers Schaffen<br />
treu. Auch für «Vollmond» steuerte er die<br />
mit TonhalleMusikern eingespielten<br />
Klänge bei («ich wurde erst sechs Wochen<br />
vor dem Endmischtermin angefragt<br />
und schrieb darauf Tag und Nacht!»),<br />
und mit Murers jüngstem Streich «Vitus»<br />
(seit 2. Februar in den Kinos, siehe auch<br />
Wettbewerb Seite 30) erlangte die kompositorische<br />
Verantwortung sogar ein<br />
spezielles Ausmass. Schliesslich geht es<br />
darin um das Schicksal eines pianis<br />
tischen Wunderkindes. Die Musik selber<br />
wird also zum Filmthema, besonders<br />
Robert Schumanns Klavierkonzert, das,<br />
begleitet <strong>vom</strong> Zürcher Kammerorchester<br />
unter <strong>Howard</strong> <strong>Griffiths</strong>, in ausführlichen<br />
Ausschnitten zu hören ist. «Auf Schumann<br />
musste ich also Bezug nehmen,<br />
aber so diskret, dass ich nicht in Konflikt<br />
mit ihm geriet. Daneben aber war vor<br />
allem auch fachkundige Beratung gefragt,<br />
von der Wahl der richtigen Stellen<br />
über Tipps für realistische Inszenierungen<br />
beim Musizieren bis zur Auswahl<br />
von Vitus’ Händchen als Sechsjähriger.»<br />
Den eigenen Ton finden<br />
Auch für Rolf Lyssy («Ein klarer Fall»)<br />
und Franz Rickenbach («La nuit de l’éclusier»)<br />
komponierte Mario Beretta. Dazu<br />
kamen Dokumentarfilme und Beratungen,<br />
die Musik für den Konzertsaal geriet<br />
dabei freilich nie in den Hintergrund.<br />
Die Palette seines Werkverzeichnisses ist<br />
breit. Besetzungen <strong>vom</strong> SoloKlavierstück<br />
bis zur Sinfonie, <strong>vom</strong> EnsembleWerk bis<br />
zur (unvollendeten) Oper finden sich darunter<br />
– und alle sprechen sie jenen Tonfall,<br />
den Beretta als seinen eigenen er<br />
kannt hat. Das war in den Zeiten der<br />
avantgardistischen Grabenkämpfe gar<br />
nicht so einfach. «Die Moderne habe ich<br />
natürlich zur Kenntnis genommen, anerkenne<br />
auch ihre historische Notwendigkeit,<br />
doch ich musste meine Distanz<br />
dazu bewahren. Die Auflösung aller traditionellen<br />
Parameter konnte nicht mein<br />
Weg sein.» Diesen fand er mit jenem Gespür,<br />
das Beretta sich am Theater erworben<br />
hatte. Seine Musik kam an, das Publikum<br />
bestätigte ihn! Einmal sogar ganz<br />
explizit: In einem Wettbewerbskonzert<br />
der Reihe «Rezital» sprach es dem originellen<br />
Sextett «99/00» den ersten Preis<br />
zu. Und dies führte zum bisher spektakulärsten<br />
Auftrag in Berettas Karriere.<br />
Ein expoSpektakel<br />
Aufmerksam geworden auf seine gewandte<br />
Schreibe, bestellte nämlich das<br />
7th European Youth Music Festival bei<br />
ihm ein Werk für über 1000 Mitwirkende,<br />
das zum FestivalAuftakt aufgeführt werden<br />
sollte. Dass es auch noch für die offizielle<br />
Eröffnungsfeier der expo 02 ausgewählt<br />
werden sollte, wusste damals<br />
noch niemand. Und schon gar nicht<br />
konnte der Komponist ahnen, dass er seinen<br />
«Song of Earth», wie das Werk für<br />
400 junge Instrumentalisten und den<br />
600köpfigen Chor hiess, auch noch selber<br />
dirigieren würde. Buchstäblich über<br />
Nacht fiel ihm diese Aufgabe nach der Erkrankung<br />
des Dirigenten zu. Dass er<br />
einst auf solchem Podium stehen würde,<br />
hätte sich der Musiker nicht träumen lassen,<br />
als er einst als Kind den Eltern die<br />
ersten Klavierstunden abtrotzte und auf<br />
eine pianistische Virtuosenkarriere hoffte.<br />
Daraus wurde trotz gründlicher Ausbildung<br />
bei Walter Frey und dem erstaunlichen<br />
Hubert Harry zwar nichts.<br />
Stattdessen fügten sich die Talente zusammen<br />
zu einem vielseitigen Wirken an<br />
Klavier, Dirigierpult und Schreibtisch:<br />
zu einem Lebenswerk abseits des Neue<br />
MusikMainstreams und doch immer am<br />
Puls der Zeit, das für die Zukunft wohl<br />
noch etliche Überraschungen verspricht.<br />
Michael Eidenbenz<br />
Ab März 2006 ist bei <strong>Jecklin</strong> das aktuelle<br />
Werkverzeichnis von Mario Beretta erhältlich.<br />
Mario Beretta wird am diesjährigen <strong>Jecklin</strong><br />
Musiktreffen in der Jury vertreten sein. Datum:<br />
8./9. April 2006, mehr unter www.jecklin.ch<br />
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