28.09.2012 Aufrufe

Howard Griffiths Abschied vom ZKO - Jecklin & Co. AG

Howard Griffiths Abschied vom ZKO - Jecklin & Co. AG

Howard Griffiths Abschied vom ZKO - Jecklin & Co. AG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Im Foyer getroffen: Mario Beretta<br />

Der richtige Klang<br />

zur richtigen Zeit<br />

Mario Berettas Musik kann man im Konzert<br />

ebenso antreffen wie im Theater<br />

oder im Kino. Eine Begegnung mit dem<br />

vielseitigen Zürcher Musiker.<br />

Auf die Frage, wo er eigentlich Komposition<br />

studiert habe, gibt Mario Beretta<br />

eine erstaunliche Antwort: «Am Zürcher<br />

Schauspielhaus. Dort habe ich gelernt,<br />

was es heisst, Musik dramaturgisch zu<br />

denken; was es heisst, im richtigen Moment<br />

die richtigen Klänge zu finden.»<br />

Tatsächlich waren die Jahre als Theatermusiker<br />

wichtig für Berettas künstlerischen<br />

Werdegang. «Ich wurde damals,<br />

Ende der 60er­Jahre, direkt ins kalte Wasser<br />

geworfen. Offiziell war ich zunächst<br />

Assistent von George Gruntz, musste<br />

aber bei dessen Abwesenheit bald schon<br />

ganze Produktionen allein betreuen. Das<br />

ging <strong>vom</strong> Einstudieren und Korrepetieren<br />

bis zum Bereitstellen der gefragten Musik,<br />

die ich eben mehr und mehr auch selber<br />

komponierte. Auch das Dirigieren<br />

gehörte dazu. Paul Burkhards ‹Kleine<br />

Niederdorfoper› und den ‹Schwarzen<br />

Hecht› habe ich in über hundert Vorstellungen<br />

<strong>vom</strong> Klavier aus geleitet.»<br />

Eine Mischung von Autodidaktik, Intuition<br />

und erlerntem Handwerk – Klavier<br />

hatte er einst am Zürcher Konservatorium<br />

studiert, sein dirigentisches Können festigte<br />

er bei Olga Géczy und als langjähriger<br />

Leiter der Camerata Academica –<br />

macht Mario Berettas Vielseitigkeit aus.<br />

Bewähren musste sie sich von Anfang an<br />

in der konkreten Praxis, und schnell erreichte<br />

sie auch breite Publikumsschichten.<br />

Wer ihn einst am Theater nicht erlebt<br />

hatte, nahm seine Musik spätestens<br />

zur Kenntnis, als der Film dazukam.<br />

Erfolg mit «Höhenfeuer»<br />

«Wir hatten wirklich getüftelt damals»,<br />

erzählt Beretta über den Grosserfolg mit<br />

Fredi M. Murers «Höhenfeuer». «Ich stellte<br />

mir eine Musik vor, die klingt, als ob<br />

die Berge sie spielten. Mit einer Palette<br />

von spezifischen Klängen, z.B. von Meermuscheln<br />

oder elektronisch bearbeiteten<br />

Klaviertönen fanden wir schliesslich jenen<br />

kargen, suggestiven Sound, der natürlich<br />

und doch fremdartig war und perfekt<br />

zum Film passte.» «Höhenfeuer»<br />

wurde zum Grosserfolg, Beretta sah seine<br />

Intuitionskraft einmal mehr bestä­<br />

tigt. Als nunmehr etablierter Filmkomponist<br />

fand er sich freilich auch zwischen<br />

Stuhl und Bank wieder. Für die<br />

Gilde der seriösen Komponisten und die<br />

öffentlichen Geldgeber wurde er in die<br />

Schublade der Gebrauchsmusik gesteckt,<br />

während gleichzeitig klar war, dass die<br />

Arbeit für den Film in der Schweiz keine<br />

Existenz garantierte. Die Faszination<br />

aber blieb: «Filmmusik ist eine enorm<br />

verantwortungsvolle Aufgabe, und gute<br />

Regisseure haben denn auch einen gesunden<br />

Respekt vor dem Beitrag ihrer<br />

Komponisten. Fredi Murer zum Beispiel<br />

ist äusserst vorsichtig im Einsatz von<br />

Musik». Trotzdem – oder vielleicht: deshalb<br />

– blieb Beretta Murers Schaffen<br />

treu. Auch für «Vollmond» steuerte er die<br />

mit Tonhalle­Musikern eingespielten<br />

Klänge bei («ich wurde erst sechs Wochen<br />

vor dem Endmischtermin angefragt<br />

und schrieb darauf Tag und Nacht!»),<br />

und mit Murers jüngstem Streich «Vitus»<br />

(seit 2. Februar in den Kinos, siehe auch<br />

Wettbewerb Seite 30) erlangte die kompositorische<br />

Verantwortung sogar ein<br />

spezielles Ausmass. Schliesslich geht es<br />

darin um das Schicksal eines pianis­<br />

tischen Wunderkindes. Die Musik selber<br />

wird also zum Filmthema, besonders<br />

Robert Schumanns Klavierkonzert, das,<br />

begleitet <strong>vom</strong> Zürcher Kammerorchester<br />

unter <strong>Howard</strong> <strong>Griffiths</strong>, in ausführlichen<br />

Ausschnitten zu hören ist. «Auf Schumann<br />

musste ich also Bezug nehmen,<br />

aber so diskret, dass ich nicht in Konflikt<br />

mit ihm geriet. Daneben aber war vor<br />

allem auch fachkundige Beratung gefragt,<br />

von der Wahl der richtigen Stellen<br />

über Tipps für realistische Inszenierungen<br />

beim Musizieren bis zur Auswahl<br />

von Vitus’ Händchen als Sechsjähriger.»<br />

Den eigenen Ton finden<br />

Auch für Rolf Lyssy («Ein klarer Fall»)<br />

und Franz Rickenbach («La nuit de l’éclusier»)<br />

komponierte Mario Beretta. Dazu<br />

kamen Dokumentarfilme und Beratungen,<br />

die Musik für den Konzertsaal geriet<br />

dabei freilich nie in den Hintergrund.<br />

Die Palette seines Werkverzeichnisses ist<br />

breit. Besetzungen <strong>vom</strong> Solo­Klavierstück<br />

bis zur Sinfonie, <strong>vom</strong> Ensemble­Werk bis<br />

zur (unvollendeten) Oper finden sich darunter<br />

– und alle sprechen sie jenen Tonfall,<br />

den Beretta als seinen eigenen er­<br />

kannt hat. Das war in den Zeiten der<br />

avantgardistischen Grabenkämpfe gar<br />

nicht so einfach. «Die Moderne habe ich<br />

natürlich zur Kenntnis genommen, anerkenne<br />

auch ihre historische Notwendigkeit,<br />

doch ich musste meine Distanz<br />

dazu bewahren. Die Auflösung aller traditionellen<br />

Parameter konnte nicht mein<br />

Weg sein.» Diesen fand er mit jenem Gespür,<br />

das Beretta sich am Theater erworben<br />

hatte. Seine Musik kam an, das Publikum<br />

bestätigte ihn! Einmal sogar ganz<br />

explizit: In einem Wettbewerbskonzert<br />

der Reihe «Rezital» sprach es dem originellen<br />

Sextett «99/00» den ersten Preis<br />

zu. Und dies führte zum bisher spektakulärsten<br />

Auftrag in Berettas Karriere.<br />

Ein expo­Spektakel<br />

Aufmerksam geworden auf seine gewandte<br />

Schreibe, bestellte nämlich das<br />

7th European Youth Music Festival bei<br />

ihm ein Werk für über 1000 Mitwirkende,<br />

das zum Festival­Auftakt aufgeführt werden<br />

sollte. Dass es auch noch für die offizielle<br />

Eröffnungsfeier der expo 02 ausgewählt<br />

werden sollte, wusste damals<br />

noch niemand. Und schon gar nicht<br />

konnte der Komponist ahnen, dass er seinen<br />

«Song of Earth», wie das Werk für<br />

400 junge Instrumentalisten und den<br />

600­köpfigen Chor hiess, auch noch selber<br />

dirigieren würde. Buchstäblich über<br />

Nacht fiel ihm diese Aufgabe nach der Erkrankung<br />

des Dirigenten zu. Dass er<br />

einst auf solchem Podium stehen würde,<br />

hätte sich der Musiker nicht träumen lassen,<br />

als er einst als Kind den Eltern die<br />

ersten Klavierstunden abtrotzte und auf<br />

eine pianistische Virtuosenkarriere hoffte.<br />

Daraus wurde trotz gründlicher Ausbildung<br />

bei Walter Frey und dem erstaunlichen<br />

Hubert Harry zwar nichts.<br />

Stattdessen fügten sich die Talente zusammen<br />

zu einem vielseitigen Wirken an<br />

Klavier, Dirigierpult und Schreibtisch:<br />

zu einem Lebenswerk abseits des Neue­<br />

Musik­Mainstreams und doch immer am<br />

Puls der Zeit, das für die Zukunft wohl<br />

noch etliche Überraschungen verspricht.<br />

Michael Eidenbenz<br />

Ab März 2006 ist bei <strong>Jecklin</strong> das aktuelle<br />

Werkverzeichnis von Mario Beretta erhältlich.<br />

Mario Beretta wird am diesjährigen <strong>Jecklin</strong><br />

Musiktreffen in der Jury vertreten sein. Datum:<br />

8./9. April 2006, mehr unter www.jecklin.ch<br />

28 2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!