Interview: Werner Huber und Daniel Kosch zur ... - Kipa
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Die Unentbehrlichen: Freiwilligenarbeit in der katholischen Kirche der Schweiz. Serie (1)<br />
<strong>Interview</strong>: <strong>Werner</strong> <strong>Huber</strong> <strong>und</strong> <strong>Daniel</strong> <strong>Kosch</strong> <strong>zur</strong> Freiwilligenarbeit in der Kirche<br />
Bildung verpflichtet - Kirche gefordert<br />
Von Georges Scherrer / <strong>Kipa</strong><br />
Zürich, 9.2.11 (<strong>Kipa</strong>) Bildung verpflichtet zum Freiwilligeneinsatz, sagt der ehemalige<br />
Aargauer Oberrichter <strong>und</strong> frühere Präsident der katholischen Landeskirche des<br />
Kantons Aargau, <strong>Werner</strong> <strong>Huber</strong>. Und RKZ-Generalsekretär <strong>Daniel</strong> <strong>Kosch</strong> betont: Über<br />
die ehrenamtliche oder freiwillige Tätigkeit fliessen wertvolle Kompetenzen aus dem<br />
nichtkirchlichen <strong>und</strong> nichttheologischen Umfeld in die Kirche hinein.<br />
Die beiden Laien in hohen kirchlichen Ämtern bedauern im <strong>Interview</strong> mit der Presseagentur<br />
<strong>Kipa</strong>, dass gewisse Bischöfe der Freiwilligenarbeit nicht jene Wertschätzung erweisen, die sie<br />
verdiente. Kirche besteht aus der Gesamtheit all jener, die sich für sie einsetzen, als<br />
Freiwillige, im Ehrenamt oder professionell. Bei der Förderung der Freiwilligen bestehe in der<br />
Kirche Nachholbedarf.<br />
<strong>Werner</strong> <strong>Huber</strong>, wohnhaft in Wohlen AG, gab Ende 2010 im Alter von 75 Jahren das<br />
Präsidium der Gemischten Expertenkommission Inland FO/RKZ (Geki) ab. Gleichzeitig wurde<br />
diese Kommission aufgelöst <strong>und</strong> ihre Aufgabe einem Nachfolgegremium übertragen.<br />
Während vierzig Jahren hatte sie die Anträge für die Vergabe von Unterstützungsgeldern an<br />
gesamtschweizerische kirchliche Einrichtungen zuhanden des Fastenopfers (FO) <strong>und</strong> der<br />
Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) vorbereitet.<br />
<strong>Kipa</strong>: Bis weit über das Pensionierungsalter hinaus haben Sie als Präsident der Geki<br />
ehrenamtliche Arbeit für die Kirche geleistet. Warum?<br />
<strong>Werner</strong> <strong>Huber</strong>: Ich habe die Klosterschule Engelberg besucht <strong>und</strong> ein Wort nie vergessen,<br />
das mir ein Pater gesagt hat: ´Ihr habt das Glück, dass ihr an dieser Schule studieren könnt.<br />
Damit das überhaupt möglich wurde, haben andere auch Leistungen erbracht, eure Eltern,<br />
die das Studium finanzieren, <strong>und</strong> unsere Klostergemeinschaft, die zu Gottes Lohn arbeitet.<br />
Dank der guten Ausbildung werdet ihr auch gute Stellen einnehmen können. Von dem, was<br />
ihr für eure Ausbildung von anderen erhalten habt, müsst ihr etwas an andere <strong>zur</strong>ück geben.´<br />
Für mich heisst das: Bildung verpflichtet. Die Geki war übrigens nur ein kleiner Teil von dem,<br />
was ich an Freiwilligenarbeit geleistet habe.<br />
<strong>Kipa</strong>: Die katholische Kirche Schweiz wird durch die Kirchensteuern finanziert. Diese<br />
Einnahmen genügen nicht, um alle Aufgaben, welche die Kirche wahrnimmt, zu bezahlen. Ist<br />
die Freiwilligenarbeit eine Lösung, um die Engpässe zu überbrücken?<br />
<strong>Huber</strong>: Meiner Ansicht nach nicht. Ich sehe, dass man in der Kirche vielerorts damit beginnt,<br />
bisher unbezahlte Arbeit zu entschädigen, weil man meint, auf diese Weise sei es einfacher,<br />
Leute für die Mitarbeit zu gewinnen. Das ist nicht der richtige Weg. Zu unserer Kirche gehört<br />
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Presseagentur <strong>Kipa</strong>, Einzelmeldung aus dem Tagesdienst 2<br />
es, dass sich die Menschen engagieren, auch unbezahlt. Die Kirche darf diese freiwilligen<br />
Leistungen aber nicht ausnützen. Die Kirche muss das Potential, das in der Freiwilligenarbeit<br />
liegt, mit Ausbildungsmöglichkeiten, kleinen Geschenken oder auch mit gemeinsamen<br />
Ausflügen anerkennen <strong>und</strong> fördern. In der Freiwilligenarbeit liegt kein Sparpotential. Ihr<br />
Abbau wäre ein Qualitätsverlust.<br />
Hinzu kommt, dass es nicht überall Kirchensteuern gibt. In den Kantonen Genf <strong>und</strong><br />
Neuenburg zum Beispiel lebt die Kirche von freiwilligen Beiträgen - um so wichtiger ist dort<br />
die Freiwilligenarbeit.<br />
<strong>Kipa</strong>: Freiwillige nehmen zum Teil Aufgaben wahr, etwa im Finanzwesen, in der Pflege oder<br />
in der Seelsorge, die gewisse Kompetenzen erfordern. Besteht die Gefahr, dass<br />
unqualifizierte Freiwilligenarbeit der Kirche schadet?<br />
<strong>Huber</strong>: Das ist ein allgemeines Problem bei Ämterbesetzungen. Auch die Kirche wird von<br />
Fehlbesetzungen nicht verschont. Sie muss sich aber wirklich darum bemühen, dass sie die<br />
Freiwilligen bei der Stange hält <strong>und</strong> am richtigen Ort einsetzt. Es gibt Aufgaben, die ein<br />
bestimmtes Fachwissen voraussetzen <strong>und</strong> in denen die Freiwilligenarbeit wenig taugt. Der<br />
Finanzbereich etwa ist derart administrativ, dass ich in diesem Bereich wenige Möglichkeiten<br />
für die Freiwilligenarbeit sehe. Der Finanzverwalter in der Kirchgemeinde wird in aller Regel<br />
entschädigt.<br />
<strong>Kipa</strong>: Wo liegen die Chancen <strong>und</strong> Gefahren für die Freiwilligenarbeit in der Kirche?<br />
<strong>Huber</strong>: Je besser es gelingt, Pfarreiangehörige über die Freiwilligenarbeit in die Kirche<br />
einzuspannen, desto lebendiger wird die Pfarrei. Attraktiv können spezielle Aufgaben sein. In<br />
meiner Pfarrei wurde eine Gruppe zusammengestellt, die regelmässig Strafgefangene<br />
besuchte. Auch auf diese Weise kann die Botschaft des Evangeliums umgesetzt werden.<br />
<strong>Daniel</strong> <strong>Kosch</strong>: In der Freiwilligenarbeit gibt es verschiedene Spannungsfelder. Eines kann mit<br />
den Stichworten Freiwilligkeit <strong>und</strong> Geld umschrieben werden. Heute wird zwischen<br />
Freiwilligkeit, Ehrenamt <strong>und</strong> professioneller Arbeit unterschieden. Es ist für die Kirche ganz<br />
wichtig, dass Freiwilligenarbeit nicht entschädigt wird. Sie kostet aber trotzdem, denn die<br />
Leute müssen begleitet <strong>und</strong> auch motiviert werden. Es gibt Kirchenpflegen, die gewähren aus<br />
Knauserei keine Weiterbildung. Solche Entscheidungen beachten zu wenig, dass gut<br />
ausgebildete Freiwillige eine grosse Qualitätssteigerung für die Kirche bedeuten. Es gibt<br />
Institutionen in der Schweiz, die diesbezüglich weiter sind als die Kirchen, zum Beispiel die<br />
Dargebotene Hand, die ihre freiwilligen Mitarbeitenden mit Weiterbildungen <strong>und</strong><br />
Supervisionen sehr unterstützt.<br />
Über die ehrenamtliche oder freiwillige Tätigkeit fliessen Kompetenzen aus dem<br />
nichtkirchlichen <strong>und</strong> nichttheologischen Umfeld in die Kirche hinein, die Gold wert sind. Die<br />
Kirche profitiert dann von einem breiten Berufswissen <strong>und</strong> von vielfältigen<br />
Lebenserfahrungen, was den Behörden <strong>und</strong> der Freiwilligenarbeit zugute kommt.<br />
Auf der Leitungsebene der Kirche ist Freiwilligenarbeit wichtig in den Gremien, aber nicht<br />
im operativen Bereich. Die Leitungsebene kann sehr viel dazu beitragen, dass kirchliche<br />
Organisationen gemeinsam mit den Freiwilligen Gutes leisten. Nur ein Beispiel: Die Kirche<br />
finanziert die B<strong>und</strong>esleitung von Blauring <strong>und</strong> Jungwacht. Wenn man dann sieht, was diese<br />
kleine B<strong>und</strong>esleitung mit einem ganzen Heer von Freiwilligen leistet, dann müssen wir uns<br />
schämen, wenn wir aus finanziellen Gründen gezwungen sind, dort zu sparen.
Presseagentur <strong>Kipa</strong>, Einzelmeldung aus dem Tagesdienst 3<br />
Die RKZ hat sich in den vergangenen Jahren für die Förderung der Freiwilligenarbeit sehr<br />
eingesetzt. Es ist auch für die Gesellschaft wichtig, dass diese Arbeit in der Kirche gefördert<br />
wird, <strong>und</strong> der RKZ ist diese Förderung ihr Geld wert.<br />
<strong>Kipa</strong>: Wird dieser Einsatz von der kirchlichen Hierarchie geschätzt?<br />
<strong>Kosch</strong>: Im Bischofsamt haben wir in der Schweiz <strong>und</strong> auch anderswo zuweilen autoritäre<br />
oder in sich selber verschlossene Personen erlebt, welche diesen Einsatz nicht wahrnehmen.<br />
Jene Bischöfe, die eine hohe Autorität besitzen, lassen sich aber erfahrungsgemäss beraten<br />
<strong>und</strong> unterstützen <strong>und</strong> nehmen auswärtiges Wissen auf. Ein ganz aktuelles Beispiel: Der<br />
reformierte Schweizer Naturwissenschaftler <strong>Werner</strong> Arber ist Präsident der Päpstlichen<br />
Akademie der Wissenschaften. Gewisse Bischöfe verzichten aber leider aufgr<strong>und</strong> ihres<br />
kirchlichen Amtsverständnisses auf die Hilfe von anderen.<br />
Man kann aber doch feststellen, dass heute bei aller berechtigten Kritik an einem<br />
Zentralismus in der Kirche die Zusammenarbeit von Geistlichen <strong>und</strong> Laien auf kommunaler<br />
<strong>und</strong> kantonaler Ebene gut funktioniert.<br />
<strong>Huber</strong>: Ich habe einige Male erlebt, dass Bischöfe bei der Auswahl ihrer Berater die kirchliche<br />
Einstellung über das Fachwissen gestellt haben. Das ist schade. Die Bistumsleitungen sollten<br />
vielmehr auf das Potential an Fachleuten <strong>zur</strong>ückgreifen, die in irgendeiner Weise, <strong>und</strong> sei es<br />
auch nur in der Freiwilligenarbeit, in den kantonalen Kirchen tätig sind. Das Reservoir an<br />
gesammelter Fachkompetenz in Kirchgemeinden <strong>und</strong> Kantonalkirchen wird heute zu wenig<br />
ausgeschöpft.<br />
<strong>Kipa</strong>: Beeinflusst Freiwilligenarbeit die Budgetplanung?<br />
<strong>Kosch</strong>: Ganz sicher, wenn auch indirekt! In den Leistungsvereinbarungen erfassen<br />
Fastenopfer <strong>und</strong> RKZ die Freiwilligenarbeit. Wenn jemand so viele Freiwillige mobilisiert wie<br />
der Frauenb<strong>und</strong> oder ein Jugendverband, verdient dieser, dass die professionelle Leitung<br />
finanziell unterstützt wird. Uns ist aber gleichzeitig bewusst, dass in verschiedenen Bereichen<br />
der Kirche die Leistungen von Fachleuten nicht durch Freiwilligenarbeit ersetzt werden<br />
können.<br />
Man muss auch sehen, dass viele Angestellte in den Gemeinden um ihren Broterwerb<br />
fürchten, wenn Freiwillige Arbeiten leisten, welche eigentlich bezahlt werden sollten. Wichtig<br />
ist auch die Identifikation mit einer Kirchgemeinde, die über die Freiwilligenarbeit erreicht<br />
wird. Ein Beispiel: Wird jemand eingeladen, bei einem Pfarreifest mitzuhelfen, dann wird<br />
diese Person eine ganz andere Erinnerung von Kirche nach Hause tragen als eine, der als<br />
reiner Konsument am Fest teilgenommen hat.<br />
Mancherorts unterschätzt man diesen Faktor der Freiwilligenarbeit, wenn man sagt: Alles<br />
muss durch Profis gemacht werden. Leute, die Freiwilligenarbeit geleistet haben <strong>und</strong> deren<br />
Arbeit auch gewürdigt wird, werden weniger aus der Kirche austreten als solche, die Kirche<br />
vorwiegend als Konsumgut sehen.<br />
<strong>Kipa</strong>: EU-Freiwilligenjahr 2011. Was soll man sich für dieses Jahr wünschen?<br />
<strong>Huber</strong>: Ganz wichtig ist, dass die kirchlichen Behörden sehen: Freiwillige dürfen bei ihrem<br />
Einsatz nicht allein gelassen werden. Förderung <strong>und</strong> Anerkennung müssen sehr ernsthaft<br />
betrieben werden.<br />
<strong>Kosch</strong>: Die Kirche muss in der Öffentlichkeit wieder stärker bewusst machen, dass Kirche<br />
nicht nur aus ihren wichtigsten Exponenten besteht, sondern vom Reichtum all jener
Presseagentur <strong>Kipa</strong>, Einzelmeldung aus dem Tagesdienst 4<br />
Menschen lebt, die etwas für diese Kirche leisten. Für mich ist es eine grosse Ermutigung,<br />
dass der neue Bischof von Basel, Felix Gmür, am Schluss seiner Weihefeier in Olten über<br />
seine Familie sagte: "Bei uns wusste jeder <strong>und</strong> jede etwas noch besser als der andere. Jeder<br />
<strong>und</strong> jede war auf seine Art exklusiv".<br />
Es ist eine gefährliche Entwicklung, wenn sich die Bedeutung eines Bistums auf einen<br />
Kopf hin fokussiert. Die Kirche beschränkt sich nicht auf einige Köpfe, die als Hoffnungs- oder<br />
Frustfigur die öffentliche Wahrnehmung prägen. Ein Bistum besteht nicht aus einem Bischof,<br />
sondern aus der Gesamtheit der Gläubigen. Dieses Bewusstsein muss die Kirche im<br />
Freiwilligenjahr wieder stärken.<br />
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(kipa/gs/pem)