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Zum Dialog berufen - Missionszentrale der Franziskaner

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les wie<strong>der</strong> zu erfinden und es in den neuen<br />

Kontext zu übertragen. 9 Die Identität<br />

ist ein Horizont, <strong>der</strong> „uns offenbart ist<br />

wie etwas, das zu erfinden und nicht zu<br />

entdecken ist“. 10<br />

4. Im interreligiösen <strong>Dialog</strong><br />

Die religiöse An<strong>der</strong>sartigkeit darf<br />

nicht reduziert werden. Sie verpflichtet<br />

zum interreligiösen <strong>Dialog</strong>, <strong>der</strong> ebenso<br />

möglich ist wie <strong>der</strong> <strong>Dialog</strong> zwischen den<br />

verschiedenen Kulturen. Der interreligiöse<br />

<strong>Dialog</strong> geschieht innerhalb des interkulturellen<br />

<strong>Dialog</strong>s. Der kulturelle <strong>Dialog</strong><br />

in Amerika ist – ebenso wie <strong>der</strong> religiöse<br />

<strong>Dialog</strong> – durch historische Strukturen<br />

des Patriarchats, durch die koloniale Vergangenheit,<br />

durch die zeitgenössische<br />

Hegemonie des Einheitsdenkens und des<br />

postmo<strong>der</strong>nen Pluralismus belastet.<br />

In Szenarien kultureller Verschiedenheit<br />

und religiöser Pluralität entstehen<br />

gesellschaftliche Konflikte durch<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen um die Identität,<br />

<strong>der</strong>etwegen die Grenzen zwischen<br />

den verschiedenen physischen und ideologischen<br />

Räumen verfestigt bzw. ausgeweitet<br />

werden sollen. In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Gesellschaft stimmen diese Grenzen<br />

nicht mehr mit den staatlichen Grenzen<br />

überein. Politische Orientierungen<br />

und ökonomische Optionen setzen sich<br />

im Innern des mo<strong>der</strong>nen Staates, <strong>der</strong><br />

per Definition multikulturell ist, darüber<br />

hinweg. Der säkularisierte und liberale<br />

Staat for<strong>der</strong>t einen metakulturellen Konsens<br />

(„overlapping consensus“) über die<br />

Grenzen je<strong>der</strong> gesellschaftlich-kulturellen<br />

Gruppe hinaus. Im Bereich des religiösen<br />

Pluralismus können fundamentalistische<br />

und ethnozentrische Haltungen<br />

bzw. Gewalttätigkeiten aufkommen, die<br />

jede Bemühung um Kommunikation bekämpfen.<br />

Der religiöse <strong>Dialog</strong> kann von<br />

zwei Seiten untergraben werden: Auf <strong>der</strong><br />

einen Seite von Interessen, die nach He-<br />

gemonie streben, und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite von postmo<strong>der</strong>ner Indifferenz, die<br />

sich <strong>der</strong> Solidarität verweigert, um Individuen<br />

und Völker sich selbst bzw. dem<br />

Stärkeren o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Natur zu überlassen.<br />

Die latein-amerikanischen und brasilianischen<br />

religiösen Szenarien bestehen<br />

zum einen aus lokalen Religionen ohne<br />

missionarischen Impetus – zum Beispiel<br />

den indigenen und afro-amerikanischen<br />

Religionen – und zum an<strong>der</strong>n aus Religionen,<br />

die nicht nur einen universalen,<br />

son<strong>der</strong>n sogar hegemonialen Anspruch<br />

mit exklusiven Heilsansprüchen erheben.<br />

Um ihre Logik o<strong>der</strong> Zweckmäßigkeit zu<br />

erklären und zu legitimieren, greifen hegemoniale<br />

Praktiken notwendigerweise<br />

auf eine „große Erzählung“ zurück,<br />

die einen bestimmten historischen Moment<br />

ideologisiert. Die große Erzählung<br />

ist <strong>der</strong> vorherrschende Diskurs einer Epoche,<br />

den die etablierte Macht bzw. das<br />

herrschende System als Legitimationsdiskurs<br />

verwendet, sodass eine gewisse<br />

Übereinstimmung mit <strong>der</strong> ungerechten<br />

Welt hergestellt wird. 11 Wegen ihres Anspruchs,<br />

die gesamte Welt zu erklären,<br />

gelingt es im Allgemeinen auch <strong>der</strong> „großen<br />

religiösen Erzählung“ nicht, mit Paralleldiskursen<br />

in schiedlich-friedlichem<br />

Nebeneinan<strong>der</strong> zu existieren. Entwe<strong>der</strong><br />

kooptiert sie die dissonanten Stimmen<br />

durch „Wohltaten“ <strong>der</strong> Integration o<strong>der</strong><br />

verurteilt sie zum Schweigen.<br />

„Interreligiöser <strong>Dialog</strong>“ und Inkulturationsbestrebungen<br />

bemühen sich darum,<br />

die große religiöse Erzählung zu demontieren,<br />

die trotz offiziell anerkannter<br />

Säkularisierung und des religiösen Pluralismus<br />

immer neue Gelegenheiten ausnutzt,<br />

die göttliche Vorsehung, den Willen<br />

Gottes und den Ausgleich im Himmel<br />

für sich zu beanspruchen. Indem die Kirche<br />

des 2. Vatikanums sich als Zeichen<br />

und Sakrament <strong>der</strong> Erlösung definiert,<br />

hat sie selbst in ihrem engherzigsten Text<br />

Suess – Notizen zu Fragen <strong>der</strong> afro-brasilianischen und indigenen religiös-kulturellen Identitäten<br />

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