Grüne Reihe 103: Störenfried - Missionszentrale der Franziskaner
Grüne Reihe 103: Störenfried - Missionszentrale der Franziskaner
Grüne Reihe 103: Störenfried - Missionszentrale der Franziskaner
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Der Präsident – Geisel des Kapitals?!<br />
Stephan Ottenbreit OFM und Pfarrer Norbert Arntz<br />
Der Hungerstreik des brasilianischen <strong>Franziskaner</strong>bischofs<br />
Luiz Flavio Cappio zusammen<br />
mit den Sozialbewegungen Brasiliens zeigt eine<br />
beachtliche Wirkung. Im Februar 2008 debattiert<br />
<strong>der</strong> Senat im Kongress einen ganzen<br />
Tag lang erstmals mit Cappio, mit Ministern<br />
und Wissenschaftlern. Man streitet über die<br />
Konsequenzen des gigantischen Flussumleitungsprojekts<br />
am Rio São Francisco, das 2007<br />
von <strong>der</strong> Armee in Angriff genommen worden<br />
war. Vor Weihnachten 2007 hatte Bischof<br />
Cappio durch diesen 24-tägigen prophetischen<br />
Gestus gegen das umstrittene Projekt weltweit Aufsehen erregt.<br />
Als Bischof Cappio nach dem ersten Hungerstreik 2005 in den<br />
Präsidentenpalast vorgelassen wird, sagt er Lula klare <strong>Franziskaner</strong>-<br />
Worte: „Senhor, ich habe mitgekämpft, damit Sie Präsident werden.<br />
Doch Sie haben ihre und jenes Volkes Wurzeln vergessen, das<br />
Sie gewählt hat. Senhor Lula, heute sind Sie Geisel des Kapitals,<br />
großer in- und ausländischer Wirtschaftsgruppen.“<br />
Der so redet und handelt, ist zweifellos ein kenntnisreicher <strong>Störenfried</strong>.<br />
Bei seiner Wallfahrt 1992 den Rio São Francisco entlang –<br />
immerhin fast 2800 km – wird ihm <strong>der</strong> Strom zum Symbol für einen<br />
Planeten mit vergifteten Flüssen, verwüsteten Wäl<strong>der</strong>n, ohne<br />
Biodiversität, dominiert von Monokulturen, besetzt von einer unsagbar<br />
reichen, ausbeuterischen, technokratischen und <strong>der</strong> Zukunft<br />
<strong>der</strong> Mutter Erde gegenüber gleichgültigen Elite. Über neunzig<br />
Prozent des Wassers seien für Industrie und Exportlandwirtschaft<br />
bestimmt, nur fünf Prozent für bedürftige Menschen. Deren<br />
Wasserprobleme würden bei weitem nicht gelöst. Dies könnten<br />
weit billigere Alternativprojekte leisten.<br />
Das Vorbild für Bischof Cappio: Franz von Assisi, <strong>der</strong> sich Anfang<br />
des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit den Opfern <strong>der</strong> entstehenden Industrie<br />
solidarisierte. Franziskus entledigte sich auf dem Platz von<br />
Assisi seiner Klei<strong>der</strong>. Die Technik, mit <strong>der</strong> sein Vater diese Tücher<br />
produzieren ließ, brachte die Kunsthandwerker um ihre Arbeit und<br />
ihr Einkommen und verdammte sie damit ins Elend.<br />
Wir publizieren dieses Heft mit Briefen und Texten von Bischof<br />
Cappio, mit Deutungen von Weggefährten und Theologen. Das<br />
tun wir, um sein prophetisches Engagement zu stützen, aber auch<br />
um <strong>der</strong> Opfer <strong>der</strong> Verhältnisse willen, denen dieser prophetische<br />
Gestus gilt, und in <strong>der</strong> franziskanischen Tradition, die heute wie<strong>der</strong><br />
Menschen zu mobilisieren vermag.<br />
Vorwort<br />
3
4<br />
Bischof Cappio erhält einen Unterstützungsbrief.<br />
<strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch
Inhalt<br />
7 Brief von Bischof Luiz Cappio<br />
Zur Wie<strong>der</strong>aufnahme des Fastens am 27.11.2007<br />
9 Dom Cappio beendet sein Fasten<br />
Den Kampf gemeinsam fortsetzen<br />
13 Lebenslauf von Bischof Luiz Cappio<br />
Bischof in einer sehr armen Gegend<br />
15 Rückblende auf die Protestbewegung<br />
Kurze Übersicht über die wichtigsten Ereignisse<br />
19 Brief von Bischof Cappio an den Präsidenten Brasiliens<br />
Betrug an <strong>der</strong> brasilianischen Gesellschaft<br />
21 Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen<br />
Zum Abbruch des Fastens aufgefor<strong>der</strong>t<br />
23 „Warum ich in Sobradinho faste“<br />
Bischof Cappio in <strong>der</strong> Tageszeitung A Tarde – Salvador de Bahia<br />
27 „Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“<br />
Bischof Cappio in <strong>der</strong> Tageszeitung Folha de São Paulo<br />
31 Erklärung <strong>der</strong> Präsidentschaft <strong>der</strong> Brasilianischen Bischofskonferenz<br />
Wasser ist öffentliches Gut<br />
33 Memorandum des Präsidenten <strong>der</strong> CNBB für den Präsidenten<br />
Vorschlag für eine Dialog-Kommission<br />
35 Für das Leben von Dom Luiz Cappio,<br />
für das Leben des Rio São Francisco<br />
Eine öffentliche Erklärung<br />
37 Solidaritätsbrief <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz an Präsident Lula<br />
Den Hilferuf erhören<br />
39 Brief an den franziskanischen Mitbru<strong>der</strong> Carlos Mesters<br />
Der Prophet im Unrecht?<br />
41 Lob des Wahnsinns Leonardo Boff<br />
Bischof Luiz hat sich zum „Wahnsinnigen Gottes“ gemacht<br />
43 Luíz Cappio, warum bist Du denn<br />
gekommen, uns zu stören? Paulo Suess<br />
Mit den elitärem und korrupten Kräften brechen<br />
49 Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind gefor<strong>der</strong>t José Comblin<br />
Erwartet werden sichtbare prophetische Gesten<br />
55 Bisher erschienene Titel <strong>der</strong> <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />
Inhalt<br />
5
Demonstration vor dem Kongress in Brasilia. Der Text lautet:<br />
„Der São Francisco soll leben: Erde und Wasser, Fluss und Volk!“<br />
„Ich kämpfe für sinnvolle<br />
Lösungen um das Leben<br />
in Fülle für die<br />
Bevölkerung des Sertão.“<br />
Bischof Cappio<br />
6 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch
Brief von Bischof Luiz Cappio zur Wie<strong>der</strong>aufnahme<br />
des Fastens am 27.11.2007<br />
Weil die Regierung ihr Versprechen nicht gehalten, son<strong>der</strong>n<br />
den Dialogprozess abgebrochen hat, blieb Bischof Cappio keine<br />
an<strong>der</strong>e Alternative, als sein Fasten und Beten wie<strong>der</strong> aufzunehmen.<br />
Liebe Brü<strong>der</strong> und Schwestern<br />
aus dem Nordosten, aus Ceará,<br />
Rio Grande do Norte, Paraíba<br />
und Pernambuco,<br />
Pax et Bonum!<br />
Als ich vor zwei Jahren mein elftägiges<br />
Fasten in Cabrobó (Pernambuco) beendete,<br />
war ich guten Glaubens, dass die<br />
Bundesregierung unsere gemeinsam unterzeichnete<br />
Vereinbarung einhalten<br />
würde. Dieses Abkommen legte fest, die<br />
nachhaltige Entwicklung <strong>der</strong> semiariden<br />
Region und des São Francisco-<br />
Tals mit <strong>der</strong> Bevölkerung öffentlich, landesweit<br />
und umfassend zu debattieren.<br />
Ich vertraute darauf, dass in einer ehrlichen<br />
Debatte die wirklichen Bedürfnisse<br />
und Potentiale <strong>der</strong> semiariden Region<br />
aufgezeigt werden könnten. Dadurch<br />
würde deutlich, dass die Flussumleitung<br />
für die Bevölkerung und den Fluss we<strong>der</strong><br />
notwendig noch dienlich ist. Die<br />
reichhaltigen Wasserreserven sprechen<br />
für sich. Die vorhandenen Alternativvorschläge<br />
würden sich durchsetzen, wie<br />
die Bauvorhaben des Atlas des Nordostens<br />
und die Methoden zur Regenwassernutzung<br />
und zu alternativen Anbaumethoden,<br />
die vom Netzwerk <strong>der</strong><br />
Nichtregierungsorganisationen in <strong>der</strong><br />
semiariden Region (ASA) entwickelt<br />
worden waren.<br />
Die Regierung hat ihr Versprechen<br />
nicht gehalten. Sie hat den begonnenen<br />
Dialogprozess abgebrochen, nachdem<br />
die Wahlen gewonnen waren, und sie<br />
hat das Militär damit beauftragt, die<br />
Bauarbeiten <strong>der</strong> Flussumleitung zu beginnen.<br />
Soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche<br />
Organisationen verstärkten<br />
ihre Mobilisierungen und Proteste.<br />
Aber die Regierung stellte sich taub.<br />
Somit blieb mir keine an<strong>der</strong>e Alternative,<br />
als mein Fasten und Beten wie<strong>der</strong><br />
aufzunehmen. Dass hatte ich angekündigt<br />
für den Fall, dass das Abkommen<br />
mit <strong>der</strong> Regierung nicht eingehalten<br />
würde. Ich habe dafür die Franziskuskapelle<br />
in Sobradinho (Bahia) gewählt,<br />
die am Ufer des vor 30 Jahren gebauten<br />
Sobradinho-Stausees liegt. Dort<br />
sieht man: <strong>der</strong> Rio São Francisco ist ein<br />
kranker Fluss, und zwar im Endstadium.<br />
Ich weiß, dass meine Geste bei vielen<br />
von Euch auf Unverständnis und Befremden<br />
stoßen wird. Ich werfe Euch<br />
das nicht vor.<br />
Seit Generationen wird Euch gesagt,<br />
dass nur das Riesen-Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />
das Dürreproblem lösen kann.<br />
Das meiste Interesse an diesem Projekt<br />
haben jene Leute, die ihr bereits gut<br />
kennt: es sind dieselben, die seit vielen<br />
Jahren die Region dominieren und ausbeuten.<br />
Sie nutzen die Dürre aus, um<br />
Bischof Cappio – Brief zur Wie<strong>der</strong>aufnahme des Fastens am 27.11.2007<br />
7
öffentliche Mittel zu unterschlagen und<br />
die Wahlen zu gewinnen.<br />
„eine Geste <strong>der</strong> Liebe zum Leben“ Bischof Cappio<br />
Die mit <strong>der</strong> Dürre zusammenhängenden<br />
Probleme lassen sich aber nicht<br />
mit großen Bauvorhaben lösen. Im<br />
Nordosten wurden bereits siebzigtausend<br />
Stauseen angelegt, die insgesamt<br />
eine Speicherkapazität von über 36 Milliarden<br />
Kubikmeter Wasser haben. Es<br />
fehlen jedoch die Zuleitungen und Kanäle,<br />
die das Wasser zu den Bedürftigen<br />
bringen. Viele dieser Projekte liegen<br />
brach, genau wie die Agrarreform, die<br />
nicht vorwärts geht. Die Umleitung von<br />
größeren o<strong>der</strong> kleineren Wassermengen<br />
des Rio São Francisco wird das gesamte<br />
verfügbare Wasser teurer machen und<br />
zu Wassergebühren für nicht aufbereitetes<br />
Wasser im ganzen Nordosten führen.<br />
Und die Bevölkerung, vor allem die<br />
<strong>der</strong> Städte, wird die agroindustriellen<br />
Folgeprojekte wie den Anbau von Tropenfrüchten,<br />
Krabbenzucht sowie die<br />
Stahlproduktion – alles für den Export<br />
bestimmt (!) – “subventionieren”. Das<br />
gleiche geschieht bereits mit dem elektrischen<br />
Strom, <strong>der</strong> für die Firmen viel<br />
billiger ist als für uns. Das ist <strong>der</strong> wirkliche<br />
Zweck <strong>der</strong> Flussumleitung, den man<br />
Euch vorenthält. Die Kanäle würden<br />
weit weg von den trockensten Gebieten<br />
des Sertão dorthin fließen, wo es schon<br />
Wasser gibt.<br />
Folglich bin ich nicht gegen Euer<br />
heiliges Anrecht auf Wasser. Ganz im<br />
Gegenteil, ich setze mein Leben aufs<br />
Spiel, damit euer Anrecht darauf nicht<br />
schon wie<strong>der</strong> missachtet und manipuliert<br />
wird, wie es immer wie<strong>der</strong> passierte.<br />
Ich kämpfe für sinnvolle Lösungen:<br />
um das Leben in Fülle für die Bevölkerung<br />
des Sertão. Das war mein Lebensinhalt<br />
während meiner letzten 33 Jahren<br />
als Pater und Bischof im Sertão. Es ist somit<br />
eine Geste <strong>der</strong> Liebe zum Leben, zur<br />
Gerechtigkeit und zur Gleichheit. Diese<br />
haben im semi-ariden Gebiet noch nie<br />
geherrscht, sei es hier am São Francisco<br />
o<strong>der</strong> weit weg vom Fluss. Gerade im<br />
Moment leidet die<br />
Bevölkerung unweit<br />
des Flusses und des<br />
Stausees von Sobradinho<br />
sehr. Der Stausee verfügt nur<br />
noch über 14% seiner Wasserspeicherkapazität,<br />
weil immer mehr Wasser zur<br />
Stromgewinnung benötigt wird, und<br />
diese Entwicklung kommt <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
nicht zu Gute. Investitionen von<br />
13 Millionen Real (ca. 4,5 Mio Euro)<br />
würden die Wasserversorgung <strong>der</strong> vier<br />
Gemeinden um den Stausee garantieren.<br />
Aufgrund fehlen<strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong><br />
Regierung warten die Bauvorhaben seit<br />
2001 auf ihre Umsetzung.<br />
Wir müssen uns dringend um den<br />
Rio São Francisco kümmern. Es darf keine<br />
weitere rein auf Gewinnstreben abzielende<br />
Nutzung des Flusses geben,<br />
wie sie seit langem geschieht. Ich habe<br />
Euch schon das letzte Mal gesagt: wäre<br />
die Flussumleitung die wirkliche Lösung<br />
für Eure Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Wasserversorgung,<br />
dann würde ich mich an<br />
vor<strong>der</strong>ster Front dafür einsetzen.<br />
Was wir brauchen, ist eine neue<br />
Mentalität und ein respektvoller Umgang<br />
mit Wasser, und zwar nicht nur<br />
hier im Nordosten. Wir müssen gegen<br />
die Verschwendung vorgehen und jeden<br />
verfügbaren Tropfen wertschätzen,<br />
damit es bei <strong>der</strong> Fortpflanzung von Leben<br />
– und nicht nur beim menschlichen<br />
– nicht an Wasser fehlt. Wir müssen<br />
neu überdenken, wie wir mit den<br />
natürlichen Ressourcen unseres Planeten<br />
umgehen. Wir müssen uns Gedanken<br />
über die Wege <strong>der</strong> Entwicklung in Brasilien<br />
und in <strong>der</strong> Welt machen. Sonst sind<br />
wir verdammt, unser eigenes Heim und<br />
unser eigenes Leben zu zerstören, entgegen<br />
dem Plan Gottes. Gott, Herr des<br />
Lebens, hilf uns dabei! ”Damit alle das<br />
Leben haben!” (Joh 10,10).<br />
Gott segne Euch,<br />
8 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
Dom Luiz Flávio Cappio, OFM
Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten<br />
übersetzt und eingeleitet von Gustav Krammer<br />
In seinem Brief kündigt Dom Luiz Cappio an, den Kampf um<br />
das Überleben des Rio São Francisco gemeinsam fortsetzen.<br />
Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra, erklärte<br />
am Donnerstag (20.12.2007)<br />
nach <strong>der</strong> Abendmesse in Sobradinho,<br />
die von Dom José Geraldo, Bischof von<br />
Juazeiro, geleitet wurde, sein Fasten offiziell<br />
für beendet.<br />
Aus Protest gegen die von <strong>der</strong> Regierung<br />
mit zweifelhaften Methoden<br />
in Angriff genommene<br />
Umleitung des Rio São Francisco<br />
hat er bereits 23 Tage ohne<br />
Nahrungsaufnahme zugebracht.<br />
Nach <strong>der</strong> Bekanntgabe<br />
einer höchstrichterlichen Entscheidung<br />
vom 19.12., <strong>der</strong> den<br />
Bau <strong>der</strong> Kanalsysteme – zwischendurch<br />
war ein Baustop<br />
verfügt worden – wie<strong>der</strong> freigab,<br />
war Dom Cappio zusammengebrochen<br />
und musste<br />
kurzzeitig im Spital Memorial in<br />
Petrolina behandelt werden.<br />
Vor über 700 Teilnehmern<br />
las Dom Cappio im Rollstuhl<br />
sitzend und offensichtlich in<br />
guter Verfassung einen Brief an<br />
die Menschen des Nordostens:<br />
„Nach diesen 24 Tagen<br />
beende ich mein Fasten, aber<br />
nicht meinen Kampf, <strong>der</strong> auch<br />
unserer ist.“ Er bedankte sich<br />
bei allen Anwesenden für die<br />
Solidarität. Seine Entscheidung<br />
wurde mit Freude und mit viel Applaus<br />
zur Kenntnis genommen. Seit seiner Einlieferung<br />
ins Krankenhaus war seitens<br />
seiner Familie sowie von Künstlern und<br />
Weggefährten <strong>der</strong> Wunsch nach einem<br />
Ende des Hungerstreiks laut geworden.<br />
Während <strong>der</strong> 24 Tage des Fastens hat<br />
Bischof Cappio beim Briefe Lesen und Schreiben<br />
Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten<br />
9
Dom Cappio neun Kilo verloren und<br />
wiegt nun 63,5 kg.<br />
Der Befreiungstheologe Leonardo<br />
Boff sagte, durch seinen Hungerstreik<br />
habe Dom Cappio eine breite Debatte<br />
über die Lage im brasilianischen Nordosten<br />
ausgelöst. „Im Grunde wollte<br />
Dom Luiz den Präsidenten daran erinnern,<br />
dass er gewählt wurde, weil er<br />
versprochen hatte, für die Armen zu regieren”.<br />
Bereits am Tag zuvor wie<strong>der</strong>holte<br />
Präsident Lula auf die Fragen von Journalisten<br />
über die Umsetzung des Projekts,<br />
dass er mit allen Mitteln daran<br />
festhält und dass sie – bereits von Pedro<br />
Brief von Bischof Luiz Cappio über das Ende des Fastens<br />
gegen die Umleitung des Rio São Francisco<br />
Sobradinho, 20.12.2007<br />
Ankunft des Herrn<br />
Meine Schwestern und Brü<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Region des São Francisco,<br />
des Nordostens und von Brasilien:<br />
Paz e Bem! Friede und Wohlergehen!<br />
Macht die erschlafften Hände wie<strong>der</strong><br />
stark und die wankenden Knie wie<strong>der</strong><br />
fest! Sagt den Verzagten: Habt Mut,<br />
fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer<br />
Gott! Die Rache Gottes wird kommen<br />
und seine Vergeltung; er selbst wird<br />
kommen und euch erretten. Dann werden<br />
die Augen <strong>der</strong> Blinden geöffnet,<br />
auch die Ohren <strong>der</strong> Tauben sind wie<strong>der</strong><br />
offen. Dann springt <strong>der</strong> Lahme wie<br />
ein Hirsch, die Zunge des Stummen<br />
jauchzt auf. (Jes. 35, 3-6)<br />
Gestern vollendete ich 36 Jahre meines<br />
Priesterseins - 36 Jahre im Dienst an den<br />
Bewohnern <strong>der</strong> Favelas von Petropolis<br />
(Rio de Janeiro), <strong>der</strong> Arbeiter an den<br />
10 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
II. als Traum ausgesprochen – das größte<br />
Werk seiner Regierung sein wird.<br />
„Würde sich <strong>der</strong> Staat ergeben, würde<br />
er sich aufgeben – er muss aber funktionieren”,<br />
sagte Lula und for<strong>der</strong>te Dom<br />
Cappio zum Abbruch des Fastens auf,<br />
da er nicht nachgeben wird. Das Projekt<br />
würde 12 Millionen Menschen des<br />
Nordostens zugute kommen und auch<br />
die Zukunft des Flusses garantieren. Die<br />
Gegner des Projekts und Dom Cappio<br />
bezweifeln das allerdings und sprechen<br />
von Privilegien für die exportorientierte<br />
Agro- und Hydro-Industrie.<br />
Stadträn<strong>der</strong>n von São Paulo und dem<br />
Volk in den semiariden Gebieten des<br />
Nordostens Brasiliens. Gestern sahen wir<br />
fassungslos, wie die Mächtigen das<br />
Theater <strong>der</strong> Unterwürfigkeit <strong>der</strong> Justiz<br />
feierten. Gestern, als mir meine Kräfte<br />
ausgingen, erfuhr ich wirklich die Hilfe<br />
jener, die mir in diesen langen und leidvollen<br />
Tagen zur Seite standen.<br />
Aber unser Kampf geht weiter und er<br />
hat seine Fundamente dort, wo alles seinen<br />
Bestand hat: im Glauben an den<br />
Gott des Lebens und in <strong>der</strong> organisierten<br />
Vorgangsweise des Volk. Unser weiterer<br />
Kampf besteht darin, das Leben<br />
des Rio São Francisco und seines Volkes<br />
zu garantieren und den Zugang zum<br />
Wasser sowie eine wirkliche Entwicklung<br />
zugunsten aller betroffener Bevölkerungsteile<br />
im gesamten semiariden Gebiet<br />
zu gewährleisten, und nicht nur eines<br />
Teiles.<br />
Das ist den Einsatz meines Lebens<br />
wert und ich bin glücklich, dass ich<br />
mich dazu entschieden habe, als Teil<br />
meiner Hingabe an den Gott des Le-
ens, an das lebendige Wasser,<br />
das Jesus ist und das sich denen<br />
schenkt, die elendiglich zu leben<br />
haben aufgrund von Strukturen<br />
<strong>der</strong> Unterdrückung und des Todes.<br />
Während dieser Tage war es<br />
eine große Freude für uns zu sehen,<br />
wie das Volk sich erhebt und<br />
wie in seinem Herzen die bewusste<br />
Kraft <strong>der</strong> Einheit wie<strong>der</strong> aufleuchtet,<br />
wenn Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />
Lie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hoffnung und Parolen<br />
mit erhobenen Händen singen;<br />
wenn die Blicke sich in eine Zukunft<br />
richten, die wir für unser geliebtes Brasilien<br />
ersehnen: eine Zukunft, in <strong>der</strong> alle –<br />
alle ohne irgendwelche Ausnahmen –<br />
Brot zu essen, Wasser zu trinken, Land<br />
zum Arbeiten, Menschenwürde und<br />
Bürgerrecht haben.<br />
Ich habe mit viel Liebe und Hochachtung<br />
die Solidarität von jedem von<br />
euch, nahe o<strong>der</strong> entfernt, erhalten. Ich<br />
freute mich über die Solidarität meiner<br />
Brü<strong>der</strong> im Bischofsamt, Väter und Hirten,<br />
die auf brü<strong>der</strong>liche Weise ihr Verständnis<br />
<strong>der</strong> schwerwiegenden Momente,<br />
die wir erleben, zum Ausdruck<br />
brachten.<br />
Durch ihr mutiges Positionspapier<br />
machte uns die Brasilianische Bischofskonferenz<br />
CNBB wie<strong>der</strong> Hoffnung und<br />
lässt sie wie<strong>der</strong> als solche erkennen, die<br />
sie immer in ihren Blütezeiten war: Jesus<br />
und seinem Evangelium gegenüber treu<br />
ist sie eine Einrichtung, die sich den großen<br />
Anliegen Brasiliens und seines Volkes<br />
zuwendet und bei <strong>der</strong> Verteidigung<br />
<strong>der</strong> Würde <strong>der</strong> menschlichen Person<br />
und <strong>der</strong> unaufgebbaren Grundrechte<br />
klare und entschlossene Positionen einnimmt.<br />
Vorrangig stellt sie sich auf die<br />
Seite <strong>der</strong> Armen und Marginalisierten in<br />
diesem Land.<br />
Ich habe mit großem Respekt die<br />
Appelle meiner Familienangehörigen,<br />
von Freunden und Schwestern und Brü<strong>der</strong>n<br />
vernommen, die mich in diesem<br />
Kampf begleiten und die mich stets lebend<br />
und im Einsatz für das Leben woll-<br />
„Wir ersehnen für unser geliebtes<br />
Brasilien eine Zukunft, in <strong>der</strong> alle –<br />
alle ohne irgendwelche Ausnahmen –<br />
Brot zu essen, Wasser zu trinken,<br />
Land zum Arbeiten, Menschenwürde<br />
und Bürgerrecht haben.“<br />
Bischof Cappio<br />
ten: im Kampf gegen die Zerstörung unserer<br />
Biodiversität, unserer Flüsse, unserer<br />
Landsleute und gegen die Arroganz<br />
jener, die alles in einen Kaufladen und in<br />
Wechselgeld transformieren wollen. In<br />
Sobradinho ist ein wun<strong>der</strong>bares Gemeinschaftswerk<br />
entstanden, wir erleben<br />
unvergleichbare Momente <strong>der</strong> intensiven<br />
Gemeinsamkeit und <strong>der</strong> Ausübung<br />
von Solidarität.<br />
Nach diesen 24 Tagen beende ich<br />
mein Fasten, aber nicht meinen Kampf,<br />
<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> eure ist, <strong>der</strong> unserer ist.<br />
Wir müssen die Debatten ausweiten, die<br />
wahren Informationen verbreiten und<br />
am Wachsen unserer Bewegung arbeiten,<br />
bis wir jenes Projekt des Todes zum<br />
Fall gebracht und eine wirkliche Entwicklung<br />
für die semiariden Gebiete<br />
und den São Francisco erreicht haben.<br />
Euch zuliebe, die ihr mit mir gekämpft<br />
habt und den gleichen Weg beschreitet,<br />
beende ich mein Fasten. Ich<br />
weiß, dass ich mit euch rechnen kann,<br />
und ihr könnt auf mich zählen, wenn es<br />
darum geht, unseren Kampf fortzusetzen,<br />
damit „alle das Leben haben, und<br />
zwar Leben in Fülle“.<br />
Dom Frei Luiz Flávio Cappio,<br />
OFM<br />
Bischof von Barra-BA<br />
Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten<br />
11
Bischof Cappio liebt die Menschen (I)<br />
12 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch
Lebenslauf von Bischof Luiz Cappio<br />
Bischof Luiz Flavio Cappio gehört dem <strong>Franziskaner</strong>-Orden an<br />
und ist Bischof <strong>der</strong> Diözese Barra, in einer sehr armen Gegend<br />
am Mittellauf des Rio São Francisco in Nordost-Brasilien.<br />
1946<br />
Am 4. Oktober, am Tag des Heiligen<br />
Franziskus, wird Luiz Cappio in Guratinguetá<br />
(São Paulo) geboren.<br />
1965<br />
Am 19. Dezember tritt er in den <strong>Franziskaner</strong><br />
Orden ein und verlässt damit seine<br />
wohlhabende Familie.<br />
1971<br />
Nach dem Noviziat, dem<br />
Studium <strong>der</strong> Philosophie,<br />
<strong>der</strong> Theologie und Betriebswirtschaftslehre<br />
wird er am<br />
19. Dezember 1971 zum<br />
Priester geweiht. Anfangs<br />
wirkt er in <strong>der</strong> Arbeiter-<br />
Pastoral in São Paulo.<br />
1974<br />
1974 bricht er auf in die Armenregion<br />
des Nordostens Brasiliens, in die arme<br />
semiaride Region des Bundesstaates Bahia,<br />
lediglich mit <strong>der</strong> Kleidung, die er<br />
am Leib trägt.<br />
1992<br />
In diesem Jahr beginnt er seine berühmte<br />
Wallfahrt längs des Rio São Francisco.<br />
Zusammen mit dem Soziologen Adriano<br />
Martins, Schwester Conceição und dem<br />
Bauern Orlando de Araújo, wallfahrtet er<br />
die 2800 km des Flusses von <strong>der</strong> Quelle<br />
bis zur Mündung. Mit diesem symbolischen<br />
Akt weisen die Wallfahrer die Öffentlichkeit<br />
auf die gravierenden Probleme<br />
des Flusstals und seiner Bevölkerung<br />
hin. In einem Gottesdienst an <strong>der</strong> Quelle<br />
zu Beginn <strong>der</strong> Pilgerreise zieht Bischof<br />
Cappio folgendes Resümee: „Die verzweifelte<br />
Lage im São Francisco Tal ist<br />
Teil einer globalen Krise. Sie macht uns<br />
„Die verzweifelte Lage im São Francisco<br />
Tal ist Teil einer globalen Krise. Es liegt<br />
an uns, weiter dem Weg des Todes zu<br />
folgen o<strong>der</strong> uns für das Leben einzusetzen.“<br />
Bischof Cappio<br />
bewusst, dass <strong>der</strong> blinde Fortschrittsglaube<br />
zur Unterentwicklung vieler Völker<br />
geführt hat und das Leben <strong>der</strong> ganzen<br />
Erde bedroht. Es liegt an uns, weiter<br />
dem Weg des Todes zu folgen o<strong>der</strong> uns<br />
für das Leben einzusetzen.” Die Situation<br />
des Flusses verschlimmert sich jedoch<br />
weiter.<br />
1997<br />
Am 6. Juli wird er zum Bischof von Barra<br />
(Bahia) geweiht.<br />
Bischof Cappio – Lebenslauf<br />
13
2005<br />
2005 beschließt die Regierung Lula die<br />
Umleitung des Rio São Francisco<br />
Am 26. September beginnt Bischof<br />
Luiz sein Fasten und Beten – seinen<br />
Hungerstreik – in <strong>der</strong> Tradition des gewaltfreien<br />
Protestes von Mahatma<br />
Gandhi. Er wählt den Ort Cabrobó, an<br />
dem die Wasserentnahme für den Nordkanal<br />
gebaut werden soll. Tausende<br />
Menschen kommen nach Cabrobó, um<br />
sich solidarisch zu zeigen. Aus <strong>der</strong> ganzen<br />
Welt schicken die Menschen Briefe,<br />
um den Wi<strong>der</strong>stand zu unterstützen.<br />
Nach elf Tagen beendet Luiz Cappio<br />
sein Fasten, weil <strong>der</strong> Präsident Luiz Ignacio<br />
Lula da Silva, verspricht, über das<br />
Projekt <strong>der</strong> Umleitung einen umfassenden<br />
Dialogprozess mit <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
durchzuführen und <strong>der</strong> Revitalisierung<br />
des Flusses Vorrang zu geben.<br />
2005 bis 2007<br />
Organisationen <strong>der</strong> Zivilgesellschaft bemühen<br />
sich darum, einen demokratischen,<br />
transparenten und partizipativen<br />
Dialog über das Projekt zu erreichen.<br />
Vergeblich. Die Vereinbarung zwischen<br />
dem Präsidenten und dem Bischof wird<br />
vom Präsidenten nicht eingehalten.<br />
2007<br />
Ende Mai wird das brasilianische Militär<br />
beauftragt, mit den Bauarbeiten zu beginnen.<br />
Eine Flut von Protesten und<br />
rechtlichen Einsprüchen gegen das Projekt<br />
wird dadurch ausgelöst.<br />
Am 27. November beginnt Bischof<br />
Cappio einen zweiten Hungerstreik als<br />
Zeichen des friedlichen Wi<strong>der</strong>stands gegen<br />
die Zerstörung des Rio São Francisco,<br />
und zwar in <strong>der</strong> São Franziskus-<br />
Kapelle in <strong>der</strong> Gemeinde Sobradinho<br />
(Bahia), am Ufer des Sobradinho-<br />
Stausees. An diesem Ort zeigt sich <strong>der</strong><br />
gravierende Zustand des Rio São Francisco<br />
und seine fehlende Wasserkapazität<br />
beson<strong>der</strong>s deutlich. Der riesige Stausee<br />
ist <strong>der</strong>zeit auf lediglich 14% seiner<br />
Kapazität reduziert. Am 19. Dezember<br />
trifft das Bundesgericht ein Urteil zugun-<br />
14 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
sten <strong>der</strong> Umleitung. Bischof Cappio<br />
bricht zusammen. Am 20. Dezember<br />
2007 beendet Luiz Cappio sein Fasten.<br />
Demonstration gegen das<br />
Umleitungsprojekt.<br />
Der Text lautet:<br />
„Nein zur Flussumleitung.<br />
Das Zusammenleben<br />
mit dem Semi Árido<br />
ist die Lösung!“
Rückblende auf die Protestbewegung<br />
gegen die Flussumleitung<br />
Ein breites Netzwerk von sozialen Bewegungen mobilisiert<br />
sich gegen das Umleitungsprojekt für den Rio São Francisco,<br />
weil sie es für illegal hält und weil die Regierung undemokratisch<br />
vorgeht.<br />
Seit das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung von<br />
<strong>der</strong> brasilianischen Regierung angedacht<br />
wird, gibt es großen Wi<strong>der</strong>stand von<br />
breiten Teilen <strong>der</strong> brasilianischen Gesellschaft.<br />
Noch im Jahr 2001 stellten auch<br />
die Arbeiterpartei (PT) und <strong>der</strong> damalige<br />
Präsidentschaftskandidat Lula die Umsetzbarkeit<br />
und Effizienz dieses Projektes<br />
in Frage und sprachen sich dagegen<br />
aus. Jedoch kurz nach dem Wahlsieg im<br />
Jahr 2002 stellte <strong>der</strong> neugewählte Präsident<br />
Lula das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />
Rückblende auf die Protestbewegung gegen die Flussumleitung<br />
15
als eine seiner Prioritäten vor. Laut <strong>der</strong><br />
Projektpropaganda soll das Projekt die<br />
Wasserversorgung für 12 Millionen Einwohner<br />
des Nordostens garantieren.<br />
Ein breites Netzwerk von sozialen Bewegungen<br />
mobilisiert sich gegen das<br />
Projekt aufgrund seiner Unrechtmäßigkeiten<br />
und <strong>der</strong> undemokratischen Vorgehensweise<br />
<strong>der</strong> Regierung. Beispielsweise<br />
wurden die gesetzlich vorgeschriebenen<br />
öffentlichen Anhörungsverfahren<br />
mit <strong>der</strong> Bevölkerung nicht durchgeführt.<br />
Entgegen den Erwartungen <strong>der</strong><br />
Umweltverbände und Fachleuten ver-<br />
Verwüstete Landschaft am Rio São Francisco<br />
gab die Bundesumweltbehörde (IBAMA)<br />
im März 2007 die Baugenehmigung.<br />
Ende September 2005 beginnt Dom<br />
Luiz Cappio seinen Hungerstreik und<br />
macht die öffentliche Meinung auf die<br />
Manipulation durch die Projektpropaganda<br />
aufmerksam. Denn in Wirklichkeit<br />
zielt das Projekt nicht auf die Wasserversorgung<br />
<strong>der</strong> lokalen Bevölkerung ab,<br />
son<strong>der</strong>n auf wirtschaftliche Nutzung des<br />
Wassers für Bewässerung, Garnelenzucht<br />
und industrielle Nutzung. Nach<br />
elf Tagen Hungerstreik wurde eine Verhandlungslösung<br />
erreicht. In dem getroffenen<br />
Abkommen wurde mit dem<br />
Präsidenten Lula vereinbart, das Projekt<br />
zu suspendieren und einen breiten Dialogprozess<br />
beginnen. Ziel war es, über<br />
die effizienteste Art <strong>der</strong> Wasserversor-<br />
16 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
gung für die Bewohner <strong>der</strong> semiariden<br />
Region und über die nachhaltige Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Region sowie die Revitalisierung<br />
des Rio São Francisco öffentlich<br />
zu diskutieren.<br />
Monate später fand ein einziges Treffen<br />
zwischen Vertretern <strong>der</strong> Regierung<br />
und <strong>der</strong> Zivilgesellschaft statt.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> beginnenden Wahlkampfkampagne<br />
zu den Präsidentenwahlen<br />
wurde <strong>der</strong> Dialogprozess ausgesetzt<br />
und auf die Zeit nach den Wahlen<br />
vertagt. Nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>wahl des Präsidenten<br />
Lula ignoriert dieser das getroffenen<br />
Abkommen und entsendet das<br />
brasilianische Militär, um mit den Bauarbeiten<br />
zu beginnen.<br />
Im folgenden eine kurze Zusammenfassung<br />
<strong>der</strong> wichtigsten Ereignisse:<br />
2004<br />
Lula nimmt das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />
als Priorität in das Regierungsprogramm<br />
auf.<br />
2005<br />
26.September bis 06. Oktober – Dom<br />
Luiz Cappio beginnt sein Fasten gegen<br />
das Flussumleitungsprojekt, in Cabrobó<br />
(Pernambuco). Der Vatikan und die<br />
Nuntiatur drängen Bischof Cappio, “im<br />
Gehorsam gegenüber dem Hl. Stuhl”<br />
den Hungerstreik zu beenden. Aufgrund<br />
öffentlichen Drucks entsendet <strong>der</strong> Präsident<br />
Lula den damaligen Minister<br />
Jaques Wagner als Verhandlungsführer.<br />
Der “Hungerstreik” endet mit einem<br />
bei<strong>der</strong>seitig unterzeichneten Übereinkommen,<br />
in dem die Bildung einer Verhandlungskommission<br />
und <strong>der</strong> Beginn<br />
eines Dialogprozesses festgelegt wird.<br />
November – Die Bundesstaatsanwaltschaft,<br />
die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats<br />
Bahia und das Netzwerk <strong>der</strong><br />
Nicht-Regierungs-Organisation „Permanentes<br />
Forum zur Verteidigung des São<br />
Francisco in Bahia”, reichen eine neue<br />
Klage gegen das Projekt beim Obersten<br />
Gerichtshof (STF) ein, und for<strong>der</strong>n die<br />
Einstellung des Genehmigungsverfahren.
15. Dezember – Erste Audienz des<br />
Präsidenten Lula mit <strong>der</strong> Verhandlungskommission<br />
und Dom Luiz Cappio.<br />
2006<br />
23. Februar – Ein amtliches Dokument<br />
an Lula wird protokolliert, in dem er aufgefor<strong>der</strong>t<br />
wird, den Terminkalen<strong>der</strong> für<br />
die öffentlichen Debatten über das Flussumleitungsprojekt<br />
festzulegen: Das hatte<br />
die Regierung seit Oktober 2005 versprochen.<br />
Unterschrieben werden die<br />
Dokumente von Bischof Tomaz Balduino<br />
für die Landpastoral, von Dom<br />
Luiz Cappio, von <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft<br />
und vom Komitee für das Wassereinzugsgebiet<br />
des Rio São Francisco.<br />
06. und 07. Juli – Workshop über<br />
nachhaltige Entwicklung im semi-ariden<br />
Gebiet, zwischen Vertretern <strong>der</strong> organisierten<br />
Zivilbevölkerung und Vertretern<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung, es entstehen drei<br />
thematische Arbeitsgruppen, um die<br />
Debatte über die Revitalisierung des<br />
Flussgebietes zu vertiefen.<br />
Vom 04. bis 07. Oktober – Mobilisierungs-<br />
und Bildungscamp in Cabrobó<br />
(Pernambuco) zur Entwicklung gemeinsamer<br />
Strategien des Wi<strong>der</strong>standes mit<br />
Teilnahme von sozialen Bewegungen,<br />
Fischern, indigenen Gruppen und traditioneller<br />
Bevölkerung.<br />
10. November – Der Oberste Rechnungshof<br />
veröffentlicht eine Verfahrensprüfung<br />
des Flussumleitungsprojektes<br />
und stellt Empfehlungen an das zuständige<br />
Ministerium aus.<br />
Dezember – Die Nationale Wasserbehörde<br />
(ANA) veröffentlicht den “Atlas<br />
des Nordostens”, <strong>der</strong> alternative Vorschläge<br />
für die Wasserversorgung in den<br />
Kleinstädten <strong>der</strong> neun Bundesstaaten<br />
des Nordostens, sowie des Nordens von<br />
Minas Gerais enthält.<br />
19. Dezember – Der Oberste Bundesrichter<br />
Sepúlveda Pertence (STF) erklärt<br />
die 11 Einspruchsverfahren, die<br />
den Beginn <strong>der</strong> Arbeiten für die Flussumleitung<br />
verhin<strong>der</strong>ten, für unrechtmäßig.<br />
2007<br />
22. Januar – Veröffentlichung des Regierungsprogramms<br />
zur Beschleunigung<br />
des Wachstums (PAC). Darin sind öffentliche<br />
Mittel im Umfang von R$ 6,6<br />
Milliarden (2,5 Mrd. Euro) für den Zeitraum<br />
von 2007 bis 2010 für das Flussumleitungsprojekt<br />
bestimmt.<br />
5. Februar – NGO-Netzwerk “Permanentes<br />
Forum zur Verteidigung des<br />
São Francisco in Bahia” reicht erneut eine<br />
Klage beim Obersten Bundesgerichtshof<br />
gegen die Entscheidung des<br />
Bundesrichters Pertence, <strong>der</strong> die laufenden<br />
Klagen aufgehoben hatte.<br />
12. Februar – Der oberste Bundesstaatsanwalt,<br />
Fernando Antonio de Souza,<br />
reicht eine Klage beim Obersten<br />
Bundesgerichtshof ein und for<strong>der</strong>t, das<br />
Genehmigungsverfahren für die Bauarbeiten<br />
<strong>der</strong> Flussumleitung auszusetzen.<br />
21. Februar – Dom Luiz Cappio<br />
reicht einen Brief an Lula ein, in dem er<br />
die Wie<strong>der</strong>aufnahme des Dialogs for<strong>der</strong>t.<br />
März – Die brasilianische Bundesumweltbehörde<br />
(IBAMA) vergibt die Baugenehmigung<br />
für den Beginn <strong>der</strong> Bauarbeiten.<br />
12. bis 16. März – Protest-Camp in<br />
Brasília "Für das Leben des Flusses São<br />
Francisco und des Nordostens, gegen<br />
die Flussumleitung", mit mehr als 600<br />
Teilnehmern aus dem Flusstal und an<strong>der</strong>en<br />
Bundesstaaten, wie Ceará und São<br />
Paulo.<br />
16. März – Geddel Vieira Lima wird<br />
zum Amtsnachfolger von Pedro Brito als<br />
Minister des Ministeriums für Nationale<br />
Integration ernannt.<br />
16. April – Die brasilianische Rechtsanwaltskammer<br />
von Sergipe (OAB/SE)<br />
erhebt Klage gegen das Umleitungsprojekt.<br />
Das Dokument mit 150 Gutachten<br />
beinhaltet eine Studie <strong>der</strong> Weltbank, sowie<br />
Berichte über die hydrologischen<br />
Bedingungen in den Empfängerbundesstaaten.<br />
Demnach sind die Probleme<br />
<strong>der</strong> Wasserknappheit auf die schlechte<br />
Verteilung des Wasser zurückführen.<br />
Mai - Das Militär beginnt mit den<br />
Rückblende auf die Protestbewegung gegen die Flussumleitung<br />
17
18<br />
Bauarbeiten bei den Wasserentnahmestellen<br />
am Nord- sowie am Ostkanal des<br />
Projektes.<br />
4. Juni – Vertreter <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />
for<strong>der</strong>n in einem Brief die Einhaltung<br />
des 2005 von <strong>der</strong> Regierung beschlossenen<br />
Abkommens. Es unterzeichnen<br />
den Brief: Dom Luiz Cappio, Adriano<br />
Martins, Yvonilde Medeiros, Jonas<br />
Dantas (Permanentes Forum zur Verteidigung<br />
des São Francisco), Luciana<br />
Khoury (Staatsanwaltschaft Bahia), ASA<br />
(Netzwerk <strong>der</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />
des semi-ariden Region), Frente<br />
Cearense für eine Neue Wasserkultur;<br />
Forum Sergipano, Via Campesina Brasil,<br />
Landlosenbewegung MST, quilombolas,<br />
Fischer und indigene Völker des Flusstals,<br />
sowie die Staatsanwaltschaft von<br />
Sergipe und die Professoren João Suassuna<br />
un João Abner.<br />
26. Juni bis 4. Juli – Mehr als 1500<br />
Aktivisten besetzen die Baustelle des<br />
Nordkanals des Projektes <strong>der</strong> Transposição<br />
in Cabrobó (Pernambuco). An den<br />
folgenden Tagen führen die indigenen<br />
Gruppen <strong>der</strong> Truká e Tumbalalá Landnahmen<br />
ihrer angestammten Territorien<br />
in <strong>der</strong> gleichen Region durch.<br />
Juli - Der oberste Bundesstaatsanwalt<br />
reicht eine Petition ein, in <strong>der</strong> er die unmittelbare<br />
Suspension <strong>der</strong> Bauarbeiten<br />
<strong>der</strong> Flussumleitung for<strong>der</strong>t.<br />
19. August bis 1. Sept. - Fachleute<br />
und Vertreter <strong>der</strong> Zivilgesellschaft unternehmen<br />
eine Kampagnen-Reise durch<br />
11 brasilianische Großstädte. In öffentlichen<br />
Veranstaltungen wurden die zentralen<br />
Argumente gegen die Flussumleitung<br />
und Gegenvorschläge für die ländliche<br />
Entwicklung in <strong>der</strong> semiariden Region<br />
vorgestellt und diskutiert.<br />
10. bis 14. September – Basisarbeits-<br />
Kampagne in den Dörfern und Städten<br />
entlang des geplanten Ostkanals mit Beteiligung<br />
von Vertretern verschiedener<br />
sozialer Bewegungen.<br />
03. bis 10. November – Basisarbeits-<br />
Kampagne in den Dörfern und Städten<br />
entlang des geplanten Nordkanals mit<br />
Beteiligung von Vertretern verschiede-<br />
<strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappio<br />
ner sozialer Bewegungen.<br />
27. November – Dom Luiz Cappio<br />
nimmt den Hungerstreik wie<strong>der</strong> auf und<br />
bekundet, diesen erst abzubrechen,<br />
wenn das Militär aus <strong>der</strong> Region abgezogen<br />
wird und das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />
endgültig zu den Akten gelegt<br />
wird.<br />
19. Dezember – Der Oberste Bundesgerichtshof<br />
gibt den Weiterbau <strong>der</strong><br />
Kanalsysteme frei. Dom Luiz erleidet einen<br />
Zusammenbruch.<br />
20. Dezember – Dom Luiz beendet<br />
sein Fasten und schreibt in einem Brief:<br />
“Euch zuliebe, die ihr mit mir gekämpft<br />
habt und den gleichen Weg beschreitet,<br />
beende ich mein Fasten. Ich weiß, dass<br />
ich mit euch rechnen kann, und ihr<br />
könnt auf mich zählen, wenn es darum<br />
geht, unseren Kampf fortzusetzen, damit<br />
”alle das Leben haben, und zwar Leben<br />
in Fülle”. [...] Ich habe mit großem<br />
Respekt die Appelle meiner Familienangehörigen,<br />
von Freunden und Schwestern<br />
und Brü<strong>der</strong>n vernommen, die<br />
mich in diesem Kampf begleiten und<br />
die mich stets lebend und im Einsatz für<br />
das Leben wollten: im Kampf gegen die<br />
Zerstörung unserer Biodiversität, unserer<br />
Flüsse, unserer Landsleute und gegen<br />
die Arroganz jener, die alles in einen<br />
Kaufladen und in Wechselgeld transformieren<br />
wollen.”<br />
2008<br />
14. Februar – Dom Luiz debattiert im<br />
Senat des Kongresses die Konsequenzen<br />
des Flussumleitungsprojekts.
Brief von Bischof Cappio an den Präsidenten<br />
Brasiliens, Luiz Inacio „Lula“ da Silva<br />
Während seines zweiten Fastens schreibt Bischof Cappio dem<br />
Präsidenten und macht ihm den Vorwurf, er habe das Abkommen<br />
nicht eingehalten, son<strong>der</strong>n ihn und die brasilianische Gesellschaft<br />
betrogen.<br />
Barra, BA, 4. Oktober 2007,<br />
am Fest des Heiligen Franziskus<br />
Herr Präsident,<br />
Pax et Bonum!<br />
Am 6.10.2005 haben wir gemeinsam in<br />
Cabrobó (Pernambuco) die Vereinbarung<br />
getroffen, das Projekt <strong>der</strong> Umleitung<br />
des Rio São Francisco auszusetzen<br />
und einen umfassenden Dialogprozess<br />
zwischen <strong>der</strong> Regierung und <strong>der</strong> brasilianischen<br />
Zivilgesellschaft zu beginnen,<br />
um Alternativen für die nachhaltige Entwicklung<br />
<strong>der</strong> ganzen semi-ariden Region<br />
zu suchen. Angesichts dessen habe<br />
ich das Fasten abgebrochen und an das<br />
Abkommen und die Verhandlung geglaubt.<br />
Zwei Jahre sind vergangen, <strong>der</strong> Dialogprozess<br />
wurde lediglich begonnen<br />
und sogleich unterbrochen. Es gibt bereits<br />
konkrete Gegenvorschläge, wie die<br />
Wasserversorgung für die ganze Bevölkerung<br />
<strong>der</strong> semiariden Region garantiert<br />
werden kann: die im Atlas des Nordostens<br />
vorgesehenen Projekte - vorgestellt<br />
von <strong>der</strong> Nationalen Wasserbehörde<br />
(ANA), sowie die vom Netzwerk <strong>der</strong><br />
Nichtregierungsorganisationen <strong>der</strong> semi-ariden<br />
Region (ASA) entwickelten<br />
Maßnahmen.<br />
Am 22. Februar 2007 habe ich im<br />
„Eine Nation kann man nur<br />
mit aufrichtigen Menschen<br />
schaffen, angefangen bei<br />
seinen Regierenden. Würde<br />
und Ehrbarkeit sind notwendige<br />
Voraussetzungen<br />
für die Bürgerrechte.“<br />
Bischof Cappio<br />
Regierungspalast ein Dokument eingereicht,<br />
das die Wie<strong>der</strong>aufnahme und<br />
Weiterführung des Dialogprozesses for<strong>der</strong>t,<br />
<strong>der</strong> wahrhaftig, transparent und<br />
partizipativ sein soll. Ihre Antwort war<br />
<strong>der</strong> Beginn <strong>der</strong> Bauarbeiten <strong>der</strong> Umleitung<br />
durch das brasilianische Militär.<br />
Herr Präsident, Sie haben ihr Wort<br />
nicht gehalten. Sie haben unser Abkommen<br />
nicht eingehalten. Sie haben mich<br />
und die ganze brasilianische Gesellschaft<br />
betrogen.<br />
Eine Nation kann man nur mit aufrichtigen<br />
Menschen schaffen, angefangen<br />
bei seinen Regierenden. Würde und<br />
Ehrbarkeit sind notwendige Voraussetzungen<br />
für die Bürgerrechte. Daher nehme<br />
ich mein Fasten und Beten wie<strong>der</strong><br />
Bischof Cappio – Brief an den Präsidenten Brasiliens, Luiz Inacio „Lula“ da Silva<br />
19
auf. Und ich werde es erst beenden mit<br />
dem Rückzug des Militärs von <strong>der</strong> Baustelle<br />
<strong>der</strong> Flussumleitung am Nord- und<br />
am Ostkanal und mit <strong>der</strong> endgültigen<br />
Archivierung des Projektes <strong>der</strong> Umleitung<br />
des Rio São Francisco. Es besteht<br />
keine an<strong>der</strong>e Alternative.<br />
Ich nehme an, dass die Kräfte, die Interessen<br />
in dem Projekt haben, alle Mittel<br />
nutzen werden, um unseren Wi<strong>der</strong>stand<br />
zu entmutigen und die öffentliche<br />
Meinung zu verwirren. Doch als Jesus<br />
sich entschlossen hat, sein Leben zu opfern,<br />
hatte er keine Angst vor dem<br />
Kreuz. Ich nehme es auf mich, gekreuzigt<br />
zu werden, denn das ist <strong>der</strong> Preis,<br />
<strong>der</strong> zu zahlen ist.<br />
Bischof Cappio bei einer Demonstration<br />
20 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
Das Leben des Flusses und seines<br />
Volkes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tod eines brasilianischen<br />
Bürgers.<br />
„Wenn es keine Vernunft mehr gibt,<br />
ist <strong>der</strong> Wahnsinn <strong>der</strong> Weg.”<br />
Der Gott des Lebens sei die Garantie<br />
des vollkommenen Lebens.<br />
„Brasilien ist ein Land von Größe.<br />
Wird es auch Regierende von gleicher<br />
Größe haben?” (Bourdoukan Georges<br />
in „Capitão Mouro”).<br />
Dom Frei Luiz Flávio Cappio,<br />
OFM
Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen<br />
übersetzt und eingeleitet von Gustav Krammer<br />
Dom Luiz antwortet einem Mitbischof, <strong>der</strong> ihn zum Abbruch<br />
des Fastens aufgefor<strong>der</strong>t hatte.<br />
„Viel wichtiger als meine Person sind die<br />
Probleme des Flusses, die Probleme des<br />
Volkes”, sagte Dom Luiz Cappio, als er<br />
über die Notwendigkeit und die persönlichen<br />
Gründe seines Hungerstreiks befragt<br />
wurde. Er bekam viel Besuch von<br />
<strong>der</strong> lokalen Bevölkerung sowie aus den<br />
umliegenden Städten. Auch Landtagsabgeordnete<br />
von Bahia und Lokalpolitiker<br />
kamen.<br />
Die Bundesregierung versucht weiterhin,<br />
den Protest zu ignorieren. Der<br />
Minister für Nationale Integration und<br />
verantwortlich für das Projekt, Geddel<br />
Viera Lima, verurteilte den Weg, den<br />
Dom Luiz gewählt hatte, und bezeichnete<br />
ihn als „einen absoluten Irrtum“<br />
und „gegen jeden gesunden Menschenverstand“.<br />
Er vergab weitere Bauaufträge<br />
in Millionenhöhe und bekräftigte,<br />
dass das Projekt nicht umkehrbar sei.<br />
Dom Luiz ließ sich von diesen Aussagen<br />
nicht beeindrucken.<br />
Auch Dom Aldo Pagotto, Erzbischof<br />
von Paraiba und Befürworter <strong>der</strong> Flussumleitung,<br />
kritisierte Dom Luiz und for<strong>der</strong>te<br />
ihn zum Abbruch des Fastens auf.<br />
Dom Luiz Cappio antwortet ihm.<br />
Sobradinho, am 30 November 2007<br />
Fest des Hl. Andreas, Märtyrer<br />
Lieber Dom Aldo,<br />
Pax et Bonum!<br />
Ich habe Ihr “Erklärungs-Schreiben” erhalten<br />
und aus Respekt vor Ihnen antworte<br />
ich. Zugleich nütze ich die Gelegenheit,<br />
um den Brü<strong>der</strong>n und Schwestern<br />
von Paraiba den Sinn meines Tuns<br />
zu erklären.<br />
1. Ich stimme zu, dass unser Leben<br />
Gott gehört und wir nicht das Recht haben,<br />
es uns zu nehmen. Genau weil<br />
mein Leben nicht mir gehört, son<strong>der</strong>n<br />
Gott – seit vielen Jahren habe ich es Ihm<br />
übergeben – , bringe ich es Ihm dar für<br />
das Leben vieler. Ich nehme mir nicht<br />
das Leben – ich faste und bete nur, wie<br />
es biblische und christliche Tradition ist,<br />
und das auf unbestimmte Zeit, bereit<br />
bis zum Ende zu gehen.<br />
Erstens wende ich mich dadurch an<br />
Gott, den Herrn des Lebens und <strong>der</strong> Geschichte,<br />
als ein Opfer: Er möge sich unser<br />
erbarmen und das Herz <strong>der</strong> Menschen<br />
- erblindet durch Macht und<br />
Geld - än<strong>der</strong>n.<br />
Zweitens wende ich mich dadurch<br />
an die Regierenden dieses Landes, als<br />
legitime Handlungsweise eines Bürgers,<br />
um – nachdem alles versucht wurde<br />
Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen<br />
21
und die bisherigen Bemühungen ergebnislos<br />
geblieben sind – breiten Sektoren<br />
<strong>der</strong> Zivilgesellschaft Gehör und Respekt<br />
zu verschaffen. Das ist ein persönliches<br />
Zeichen, aber mit kollektiver Bedeutung.<br />
2. Wenn Sie mein Leben kennen,<br />
wissen Sie, dass mein aktuelles Verhalten<br />
in unumstößlichem Zusammenhang<br />
mit meinem Franziskanischen Werdegang<br />
steht: als Pater und Bischof im<br />
Dienst <strong>der</strong> Verteidigung und För<strong>der</strong>ung<br />
des Lebens zu sein. Das will mein bischöflicher<br />
Wahlspruch zum Ausdruck<br />
bringen: “Damit alle das Leben haben”<br />
(Joh 10,10).<br />
3. Wörtlich hat mich <strong>der</strong> Heilige<br />
Stuhl durch den Apostolischen Nuntius<br />
“gebeten”, dass ich nicht mehr zum<br />
Mittel des Hungerstreiks greifen sollte.<br />
Es handelte sich dabei nur um eine<br />
“Bitte”. Den Ausdruck “Hungerstreik”<br />
verwendete ich letztes Mal, weil er bekannter<br />
ist und wegen seiner politischen<br />
Bedeutung. Dieses Mal bevorzuge ich<br />
“Fasten und ständiges Gebet”.<br />
4. Bezüglich des Projekts <strong>der</strong> Flussumleitung<br />
sollten Sie und an<strong>der</strong>e gut<br />
informierte Persönlichkeiten, die es verteidigen,<br />
dem Volk die ganze Wahrheit<br />
darüber sagen: seine wirklichen Ziele,<br />
Kosten, Gebührenerhebungen für Wasser,<br />
Trassenverläufe weit weg von den<br />
wirklichen Trockengebieten, Geschäftsinteressen<br />
etc. Dieses Projekt ist keine<br />
Lösung, es wird eher ein Problem sein.<br />
In <strong>der</strong> momentanen Situation ist es eine<br />
Fortsetzung des alten “Diskurses von <strong>der</strong><br />
Trockenheit” o<strong>der</strong> das Predigen eines<br />
“Wasser-Populismus” im Dienst <strong>der</strong> gewohnten<br />
“Industrie <strong>der</strong> Trockenheit”,<br />
jetzt ganz mo<strong>der</strong>n “Hydrobusiness” genannt,<br />
ein schlechter Dienst am Volk<br />
und eine Perversion unseres Hirtenauftrags.<br />
Die Frage, um die es hier geht, ist<br />
nicht technischer, son<strong>der</strong>n pastoraler<br />
Art, denn “Schafe” in Gefahr suchen die<br />
Fürsorge des Guten Hirten. Basierend<br />
auf dieser Argumentation trugen die Bischöfe<br />
des Nordostens vor fast 60 Jah-<br />
22 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
ren – mit pastoraler Kompetenz und<br />
technischer Hilfe – zur Bildung <strong>der</strong> SU-<br />
DENE [Anm. <strong>der</strong> Redaktion: SUDENE ist<br />
das Amt für die Entwicklung des Nordostens.]<br />
bei.<br />
5. Das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />
wird keinen wirklichen Fortschritt bringen.<br />
Die Propaganda für die Bewässerung<br />
des São Francisco Tales verdeckt<br />
das wahre Gesicht <strong>der</strong> sozialen und umweltbedingten<br />
Schäden, und auch die<br />
wirtschaftlichen Erfolge sind relativ. Es<br />
ist kein Modell, das man för<strong>der</strong>n sollte,<br />
es bedarf dringend einer Überarbeitung.<br />
Warum setzt man sich nicht genauso<br />
lautstark ein für die 530 Maßnahmen,<br />
die im Atlas des Nordostens von <strong>der</strong> Nationalen<br />
Wasserbehörde (ANA) vorgeschlagen<br />
werden, und für die mehr als<br />
140 angepassten Maßnahmen, entwikkelt<br />
vom Netzwerk <strong>der</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />
<strong>der</strong> semi-ariden Region<br />
(ASA) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />
Bundesforschungsanstalt (EMBRAPA)?<br />
Denn diese sind wirkliche Lösungen und<br />
um vieles billiger. Sie lösen den Wassermangel<br />
in den Städten und för<strong>der</strong>n eine<br />
den vielfältigen Gegebenheiten des semi-ariden<br />
Gebietes angepasste Entwicklung.<br />
Dadurch werden dem ohnehin<br />
schon so leidgeplagten Volk des Nordostens<br />
und <strong>der</strong> Umwelt keine neuen Lasten<br />
auferlegt.<br />
6. Die Stimme des Geistes des Herrn<br />
weht, wo Er will (vgl. Joh 3,8) und<br />
beim Wehklagen des Volkes for<strong>der</strong>t Er<br />
von uns, “arglos zu sein wie die Tauben<br />
und schlau wie die Schlangen” (Mt<br />
10,16).<br />
Mögen Sie meinen Gruß annehmen,<br />
<strong>der</strong> auch allen Schwestern und Brü<strong>der</strong>n<br />
von Paraiba gilt!<br />
+ Luiz Flávio Cappio<br />
Bischof <strong>der</strong> Diözese Barra<br />
(Bahia)
„Warum ich in Sobradinho faste“<br />
Dom Luiz erklärt am Samstag, den 8. Dezember 2007 in <strong>der</strong><br />
Tageszeitung A Tarde – Salvador de Bahia einer breiten Öffentlichkeit<br />
die Motive seines Protestes.<br />
Vor 33 Jahren kam ich in das vom São<br />
Francisco Strom durchflossene Hinterland<br />
Bahias, und fand mich in diesem<br />
Fluß wie<strong>der</strong>. Hier entdeckte ich die mir<br />
angemessene Form, dem Beispiel des<br />
Franz von Assisi zu folgen, <strong>der</strong> für mich<br />
Vater und Vorbild in <strong>der</strong> Nachfolge Jesu<br />
ist. Wie <strong>der</strong> Heilige Franz verließ ich eine<br />
gutsituierte Familie, um mich in den<br />
Dienst <strong>der</strong> Armen zu stellen. Geboren<br />
im entwickelten Umland von São Paulo,<br />
fand ich mich nun im Armenhaus des<br />
brasilianischen Nordostens wie<strong>der</strong>. Mit<br />
dem São Francisco Strom ist es ähnlich:<br />
er entspringt im Bundesstaat Minas Gerais,<br />
das zum reichen Südwesten Brasiliens<br />
gehört, und fließt - im Unterschied<br />
zu den Flüssen seiner Nachbarschaft - in<br />
den verarmten Nordosten Brasiliens,<br />
wohin er Wasser und Nahrung trägt.<br />
Der Strom ist die Achse,<br />
das Zentrum, die Lebensa<strong>der</strong><br />
für das Volk. So<br />
kommt es, dass ich mich<br />
diesem Volk und seinem<br />
Fluß zutiefst verbunden<br />
fühle und für eine Ökologie<br />
einstehe, die von meiner<br />
franziskanischen Spiritualität<br />
getragen wird.<br />
In all diesen Jahren erlebte<br />
ich Tag für Tag den<br />
ökologischen und sozialen<br />
Nie<strong>der</strong>gang am Rio São Francisco und<br />
an seinen Zuflüssen mit. Die eingesessenen<br />
Anwohner entlang <strong>der</strong> Flüsse beklagten<br />
sich über die wachsenden<br />
Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt<br />
aus dem Fluss zu gewinnen: <strong>der</strong> Fischbestand<br />
ist im Schwinden, die fruchtbaren<br />
Schwemmgebiete gehen verloren,<br />
Sandbänke breiten sich aus, die Schifffahrt<br />
gestaltet sich immer schwieriger,<br />
vergiftetes Wasser, Verschmutzung, Austrocknung,<br />
… Angesichts dessen fühlte<br />
ich mich zu einer radikalen Reaktion gezwungen,<br />
die über die weitgehend<br />
nutzlosen Anklagen <strong>der</strong> Missstände hinausgehen<br />
sollte. So kam es, dass ich<br />
zwischen 1992 und 1993 mit zwei Gefährten<br />
und einer Ordensschwester eine<br />
große Pilgerreise unternahm, die uns<br />
über ein Jahr lang von <strong>der</strong> Quelle bis zur<br />
Bischof Cappio beim Pressegespräch (Ausschnitt)<br />
Bischof Cappio – „Warum ich in Sobradinho faste”<br />
23
Bischof Cappio erklärt Demonstranten<br />
seinen Standpunkt<br />
Mündung des São Francisco Stromes<br />
führte. Wir wollten die Menschen am<br />
Strom aufrütteln, das öffentliche Bewusstsein<br />
auf die Flussproblematik lenken<br />
sowie das Volk und seine Vertretungen<br />
aufrufen, sich <strong>der</strong> Bewegung<br />
zur Rettung des São<br />
Francisco Stroms und seiner<br />
Menschen anzuschließen.<br />
Diese Wan<strong>der</strong>ung bot die<br />
außerordentliche Chance, den Strom,<br />
seine Nöte, seine Schönheit und sein<br />
Potenzial aus nächster Nähe zu erleben.<br />
Dabei wurde uns klar, dass vor allem die<br />
ausgedehnten Rodungen <strong>der</strong> Galerie-<br />
Wäl<strong>der</strong>* größten Schaden anrichten. Sie<br />
werden abgeholzt, um monokulturellen<br />
Ackerbau zu betreiben o<strong>der</strong> Holz für<br />
Köhlereien zu gewinnen. In <strong>der</strong> Folge<br />
versiegen die Quellen, die Flussbette<br />
versanden, die Ufer erodieren. Dazu<br />
kommen die Verschmutzung durch<br />
städtische und industrielle Abwässer sowie<br />
Wasservergiftungen, die auf schonungslosen<br />
Berg- und Ackerbau zurückgehen.<br />
Des weiteren sind die großen<br />
Bewässerungsanlagen zu nennen, die<br />
einerseits enorme Konzentrationen an<br />
Spritzmitteln einsetzen, andrerseits Unmengen<br />
von Wasser verschwenden. Die<br />
Dämme und Stromkraftwerke führen<br />
sehr oft zur Vertreibung <strong>der</strong> eingesesse-<br />
24 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
nen Flussanrainer, bringen den natürlichen<br />
Wasserkreislauf aus dem Lot und<br />
beanspruchen 70% <strong>der</strong> Abflussmenge<br />
für die Energie-Gewinnung. Vor allem<br />
aber bewirkt die Umweltzerstörung am<br />
Fluss die Misere und Vernachlässigung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung des Flusstals, denn diese<br />
Menschen erfahren die Konsequenzen<br />
<strong>der</strong> Zerstörung des Flusses am eigenen<br />
Leib.<br />
Die Wurzel all dieser Fehlentwicklungen<br />
liegt im sogenannten „Entwicklungsmodell”,<br />
das nichts an<strong>der</strong>es ist als<br />
die ungezügelte Anhäufung von Kapital.<br />
Die darin begründete maßlose, unbegrenzte<br />
und konfliktreiche Übernutzung<br />
von Land, Wasser und Bevölkerung des<br />
”Velho Chico”, die einzig auf Gewinnmaximierung<br />
abzielt, ist das Todesurteil<br />
für den Rio São Francisco, und die Gal-<br />
„Der Strom ist die Achse, das Zentrum,<br />
genfrist läuft buchstäblich ab. Augenscheinlich<br />
wird das an <strong>der</strong> rasanten Abholzung<br />
des Cerrado-Gebiets im Westen<br />
Bahias, wo die wichtigsten Zuflüsse entspringen<br />
o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Vernichtung <strong>der</strong><br />
Caatinga, jene an die Trockenheit angepasste<br />
Vegetationsform Nordostbrasiliens,<br />
die heute in Holzkohle umgewandelt<br />
wird. Diese Abholzung führt zur<br />
Versandung <strong>der</strong> Zuflüsse und des<br />
Hauptstroms. Der Boom <strong>der</strong> Agro-<br />
Treibstoffe aus Zuckerrohr, Soja und Eukalyptus<br />
ist die jüngste Gefahr, vielleicht<br />
jene, die schlussendlich den Tod des<br />
Flusses besiegeln wird.<br />
Für die Rettung des São Francisco<br />
Stroms gibt es keine an<strong>der</strong>e Alternative<br />
als die unverzügliche, generelle Aussetzung<br />
jeglicher weiterer zerstörerischen<br />
Projekte und ein entschlossenes Programm<br />
zur Fluss-Revitalisierung. Letzteres<br />
würde ein Mammut-Unternehmen<br />
„Für die Rettung des São Francisco Stroms gibt es keine an<strong>der</strong>e<br />
weiterer zerstörerischen Projekte und ein entschlossenes
edeuten, über Generationen hinweg,<br />
unter Zusammenwirken aller staatlichen<br />
und zivilgesellschaftlichen Kräfte. Was<br />
sich heute als Revitalisierungs-Programm<br />
ausgibt, ist allenfalls eine Augenwischerei,<br />
ein Feigenblatt für das Flussumleitungs-Projekt,<br />
um nicht zu sagen ein<br />
marktschreierischer Kuhhandel, wie <strong>der</strong><br />
Propaganda-Feldzug des Ministers Geddel<br />
gezeigt hat.<br />
Sobradinho ist ein Sinnbild<br />
Ich habe den Ort Sobradinho als Ort<br />
meines Fastens ausgewählt. Vor 30 Jahren<br />
wurde hier ein riesiges Stauwerk errichtet<br />
und dem São Francisco Tal als<br />
künstliches Herz eingepflanzt, reduziert<br />
auf die Funktion eines Energie-<br />
Lieferanten, <strong>der</strong> für 17 % <strong>der</strong> Strom-<br />
Produktion Brasiliens sorgt bzw. für 95%<br />
<strong>der</strong> im Nordosten konsumierten elektri-<br />
die Lebensa<strong>der</strong> für das Volk.“ Bischof Cappio<br />
schen Energie. Wir können also schon<br />
hier von einer ”Transposição” sprechen,<br />
einer ”Umleitung” des Wassers in die<br />
Energie-Produktion, ein gewaltiger Eingriff<br />
in den natürlichen Flusslauf.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> äußerst autoritären<br />
Umsetzung des Kraftwerk-Projekts, <strong>der</strong><br />
Umsiedelung von etwa 72.000 Anrainer-<br />
Familien und <strong>der</strong> Vernichtung ausgedehnten<br />
Kulturlandes ist <strong>der</strong> Ort Sobradinho<br />
als Beispiel in die Geschichte eingegangen,<br />
wie das Leben <strong>der</strong> Gier und<br />
dem Profit unterworfen wird und <strong>der</strong><br />
Bevölkerung ein Entwicklungsmodell<br />
aufgezwungen wird, dessen hohe soziale<br />
und ökologische Kosten zum Tod des<br />
São Francisco-Tals führen werden. Im<br />
Augenblick liegt <strong>der</strong> Wasserstand des<br />
Stausees bei 14% seines Fassungsvermögens.<br />
Die Menschen an den Ufern<br />
tragen wie<strong>der</strong> die Konsequenzen. Somit<br />
ist Sobradinho schlicht zum Abbild des<br />
schwer kranken São Francisco Stroms<br />
geworden. Ein Beispiel für falsche Prioritätensetzung:<br />
Die vier Gemeinden, die<br />
an den Stausee angrenzen, haben enorme<br />
Schwierigkeiten, ihre Bevölkerung<br />
mit Wasser zu versorgen; mit 13 Millionen<br />
Reais wäre Abhilfe geschaffen, doch<br />
warten die Gemeinden seit 2001 auf<br />
grünes Licht aus <strong>der</strong> Politik …<br />
Das Projekt zur Flussumleitung folgt<br />
<strong>der</strong> gleichen Logik wie <strong>der</strong> Staudamm<br />
Sobradinho. Eigentlich laufen alle großen<br />
nationalen Projekte auf diese Logik<br />
hinaus, begonnen von den gentechnischen<br />
Produktivitätssteigerungen bis zu<br />
den Kraftwerken am Rio Madeira o<strong>der</strong> in<br />
Angra II: immer werden Naturraum und<br />
Wasser den Interessen privater Unternehmer<br />
überlassen und somit unsere<br />
natürlichen Ressourcen <strong>der</strong> globalen kapitalistischen<br />
Ausbeutung<br />
geopfert. Die großen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen des<br />
Ressourcen-Schutzes, die<br />
das Überleben des Planeten<br />
und <strong>der</strong> menschliche Spezies bedrohen,<br />
werden missachtet.<br />
Übersetzt aus dem brasilianischen<br />
Portugiesisch von Martin Mayr<br />
* Anm <strong>der</strong> Redaktion: Mitten im “Cerrado“, <strong>der</strong><br />
größten tropischen Region Brasiliens, existieren<br />
dichte Waldformationen, die man “Galerie-<br />
Wäl<strong>der</strong>” nennt, weil sie sich längs <strong>der</strong> Flussläufe<br />
entwickeln. Solche Wäl<strong>der</strong> sind die Heimat einer<br />
grossen Artenvielfalt.<br />
Alternative als die unverzügliche, generelle Aussetzung jeglicher<br />
Programm zur Fluss-Revitalisierung. “ Bischof Cappio<br />
Bischof Cappio – „Warum ich in Sobradinho faste”<br />
25
Bischof Cappio im Gespräch mit <strong>der</strong> Presse<br />
26 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch
„Ich faste nicht zuletzt für eine wahre<br />
Demokratie“<br />
Dom Luiz Dom Luiz erklärt am Mittwoch, den 12. Dezember<br />
2007 in <strong>der</strong> Tageszeitung Folha do São Paulo das undemokratische<br />
Vorgehen <strong>der</strong> Regierung.<br />
Man wirft mir vor, ich sei ein Feind <strong>der</strong><br />
Demokratie, weil ich mit Fasten und Beten<br />
ein autoritäres und verlogenes Projekt<br />
bekämpfe: die Umleitung <strong>der</strong> Wasser<br />
des São Francisco-Stroms.<br />
Ich werde als demokratie-feindlich<br />
gescholten, weil ich mit Fasten und Beten<br />
jenem autoritären, lügnerischen und<br />
rückschrittlichen Mammut-Projekt <strong>der</strong><br />
Bundesregierung entgegentrete, das die<br />
Wasser des São Francisco Stroms umleiten<br />
will.<br />
Meine Reaktion lässt sich aber nicht<br />
so hinstellen, als hätte ich mir freiwillig<br />
und allein von mir selbst ausgehend auferlegt,<br />
was ich nun tue. Wäre dem so,<br />
so könnte ich bestimmt nicht mit soviel<br />
Unterstützung rechnen, die mir von<br />
großen Teilen <strong>der</strong> Gesellschaft in steigen<strong>der</strong><br />
Intensität zugesichert wird,<br />
selbst aus den <strong>Reihe</strong>n <strong>der</strong> Regierungspartei<br />
PT.<br />
Wenn wir tatsächlich in einer republikanischem<br />
Geist verpflichteten, unverwässerten<br />
Demokratie lebten, so<br />
bräuchte ich nicht so weit gehen, wie<br />
ich es jetzt tue.<br />
Eines <strong>der</strong> schlimmsten Übel <strong>der</strong><br />
”Demokratie” in Brasilien besteht darin,<br />
dass man meint, man habe mit dem<br />
Mandat aus <strong>der</strong> Wahlurne schrankenlose<br />
Macht und eine Lizenz erhalten, die im<br />
Wahlkampf vertretenen Positionen vergessen<br />
zu machen; als wäre durch die<br />
Wahl eine Art Blanko-Scheck erstellt für<br />
alles, was mehr Macht und mehr Vermögen<br />
verspricht. Deshalb gehören<br />
nach wie vor alle möglichen Formen<br />
von Bevorzugung, Abzweigung öffentlicher<br />
Mittel, Interessenschieberei und Bestechung<br />
zum Repertoire <strong>der</strong> brasilianischen<br />
Politik, und lei<strong>der</strong> sind die Aussichten<br />
sehr gering, dass sich dies bald<br />
än<strong>der</strong>n würde. Der Gesellschaft aber<br />
hängen diese Praktiken längst zum Hals<br />
heraus, und es ist höchste Zeit, dass sich<br />
die Gesellschaft massiv dagegen auflehnt.<br />
Es gibt Politiker - und lei<strong>der</strong> sind es<br />
nicht eben wenige -, die eine Spur von<br />
Übergriffen, Korruption und unrechtmäßiger<br />
Bereicherung ziehen, wo immer<br />
sie in das öffentliche Leben eingreifen.<br />
Da Unsitten wie klientilistischer Wähler-<br />
„... als wäre durch die Wahl eine Art Blanko-Scheck<br />
erstellt für alles, was mehr Macht und mehr Vermögen<br />
verspricht.“ Bischof Cappio<br />
Bischof Cappio – „Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“<br />
27
fang, Glorifizierung <strong>der</strong> Kandidaten, unerfüllbare<br />
Wahlversprechen und die<br />
”Wie-du-mir-so-ich-dir”-Schablone weiterhin<br />
ziehen und viel eher politische<br />
Verführung als politische Bildung angesagt<br />
bleibt, gelingt es besagten Kandidaten<br />
und Kandidatinnen immer aufs<br />
Neue, wie<strong>der</strong>gewählt zu werden und in<br />
immer höhere Positionen vorzurücken,<br />
ganz unabhängig davon, welcher Partei<br />
o<strong>der</strong> welchem politischen Bündnis sie<br />
angehören.<br />
Im Wahlkampf des Präsidenten Lula<br />
wurde das zentrale Thema ”Wasser-<br />
Umleitung” soweit wie möglich gemieden.<br />
Und doch werden unsere Wahlgänge,<br />
die auf nichts an<strong>der</strong>em als bloßem<br />
Marketing-Kalkül und undurchschaubarer<br />
Parteien-Finanzierung durch<br />
die Unternehmer aufbauen, als hehre<br />
Ausdrucksformen unserer Demokratie-<br />
Kultur hingestellt und gern mit dem<br />
Verweis auf unser elektronisches Urnen-<br />
System dekoriert, womit wir selbst den<br />
USA als Beispiel dienten …<br />
Das Wasserumleitungs-Projekt <strong>der</strong><br />
Regierung ist undemokratisch, just deshalb,<br />
weil es den Menschen im Nordosten<br />
Brasiliens, die an Wassermangel<br />
leiden, den Zugang zum Wasser eben<br />
nicht erleichtert, ganz gleich, ob sie nun<br />
nahe beim Flusslauf o<strong>der</strong> weitab vom<br />
Rio São Francisco leben.<br />
Die Regierung lügt, wenn sie behauptet,<br />
sie würde 12 Millionen Durstleidende<br />
mit Wasser versorgen. Vielmehr<br />
handelt es sich um ein Projekt, das<br />
öffentliches Geld zur Begünstigung <strong>der</strong><br />
Ausführungs-Firmen ausgeben will; ein<br />
Projekt, welches das Wasser des Nordostens<br />
Brasiliens – sowohl die Wasser<br />
28 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
<strong>der</strong> großen Stauseen wie die Wasser des<br />
São Francisco Stroms – privatisieren und<br />
in den Händen <strong>der</strong> immergleichen Eliten<br />
konzentrieren wird.<br />
Die Umleitung des Wassers vom São<br />
Francisco hat absolut nichts mit <strong>der</strong><br />
Trockenheit im Nordosten zu tun. Das<br />
zeigt sich allein schon darin, dass <strong>der</strong><br />
Nordkanal, in dem 71% des abgezweigten<br />
Wassers in den Norden fließen sollen,<br />
weitab von den tatsächlich regenarmen<br />
und von Wassernot geplagten Regionen<br />
geplant ist. Von diesem Wasser<br />
sind nicht weniger als 87% für Produktionszweige<br />
mit sehr hohem Wasserverbrauch<br />
bestimmt: für bewässerten Obstbau,<br />
für die Garnelenzucht und für die<br />
Stahlindustrie, allesamt exportorientierte<br />
Investitionen mit äußerst bedenklichen<br />
sozialen und ökologischen Folgewirkungen.<br />
Die genannten Zahlen sind den offiziellen<br />
Studien und <strong>der</strong> abschließenden<br />
Umweltverträglichkeitsstudie des Wasserumleitungs-Projekts<br />
zu entnehmen,<br />
wie sie dem Gesetz entsprechend veröffentlicht<br />
worden ist - wogegen die Regierung<br />
im Internet nur Propagandistisches<br />
über das Projekt veröffentlicht.<br />
Das Wasserumleitungs-Projekt ist illegal<br />
und wird auf eine ebenso willkürliche<br />
wie autoritäre Art forciert: Die Untersuchungen<br />
zu den ökologischen Folgen<br />
sind nicht abgeschlossen, <strong>der</strong> rechtmäßige<br />
Weg zur Erlangung <strong>der</strong> umwelttechnischen<br />
Bewilligung wurde verfälscht,<br />
indigene Gebiete sind vom Projekt<br />
betroffen, ohne dass dies - wie in<br />
<strong>der</strong> Verfassung vorgesehen - Gegenstand<br />
einer Anhörung im Nationalkongress<br />
gewesen wäre.<br />
„... es handelt sich um ein Projekt, ... welches das<br />
Wasser des Nordostens Brasiliens – sowohl die Wasser<br />
<strong>der</strong> großen Stauseen wie die Wasser des São Francisco<br />
Stroms – privatisieren und in den Händen <strong>der</strong><br />
immergleichen Eliten konzentrieren wird.“<br />
Bischof Cappio
Insgesamt stehen 14 Gerichtsverfahren<br />
an, die Gesetzesverletzungen und<br />
Verfahrensmängel anprangern, doch<br />
vom Obersten Gerichtshof bislang nicht<br />
entschieden worden sind. Dessen ungeachtet<br />
hat die Regierung Militäreinheiten<br />
zum Kanalanstich mobilisiert, was<br />
einem Missbrauch <strong>der</strong> Heeresbefugnisse<br />
und einer Militarisierung jener Gegend<br />
gleichkommt. Dass <strong>der</strong> Entscheid des<br />
Regionalen Verwaltungsgerichtshofs<br />
vom vergangenen 10. Dezember einen<br />
einstweiligen Baustopp bewirkt hat, gilt<br />
als weiteres beredtes Zeugnis für das<br />
rechtswidrige Durchdrücken des Projekts.<br />
Doch die empörendste, weil wirklich<br />
schon an Grausamkeit heranreichende<br />
Methode <strong>der</strong> Regierung besteht darin,<br />
die öffentliche Meinung - beson<strong>der</strong>s in<br />
den Bundesstaaten, die als beson<strong>der</strong>s<br />
begünstigt hingestellt werden - mit haltlosen<br />
Versprechen zu manipulieren:<br />
man redet von reichlicher und einfacher<br />
Bischof Cappio und das Volk<br />
Wasserzustellung, ohne die wirklichen<br />
Nutznießer zu nennen, und sagt auch<br />
mit keinem Wort, wie die Wasserzuleitung<br />
funktionieren soll, welche Kosten<br />
dann zu bezahlen sein werden, wie die<br />
kleinen Nutzer die großen Verbraucher<br />
indirekt subventionieren werden, ähnlich,<br />
wie dies jetzt schon mit den Stromkosten<br />
geschieht. Demgegenüber lässt<br />
<strong>der</strong> offizielle Umwelt-Bericht keinen<br />
Zweifel am Endzweck des abgeleiteten<br />
Wassers: 70 % für Bewässerung, 26 %<br />
für industriellen Gebrauch, 4 % für den<br />
Konsum <strong>der</strong> verstreuten Anwohner.<br />
Demgegenüber schlagen wir ein<br />
weitaus umfassen<strong>der</strong>es Projekt vor: Wir<br />
wollen Wasser für die 44 Millionen Bewohner<br />
und Bewohnerinnen des Trokkengürtels<br />
Nordostbrasiliens - für alle<br />
neun Bundesstaaten, nicht nur für vier;<br />
für 1.356 Gemeinden und nicht nur für<br />
397. Und das alles zum halben Preis<br />
dessen, was im Regierungsprogramm<br />
zur Anheizung des Wirtschaftswachs-<br />
Bischof Cappio – „Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“<br />
29
tums für das Wasserumleitungs-Projekt<br />
vorgesehen ist.<br />
Was vom ”Atlas des Nordostens”,<br />
herausgegeben von <strong>der</strong> Nationalen<br />
Wasserbehörde (Agência Nacional das<br />
Águas), und von den Initiativen <strong>der</strong><br />
ASA-Netzwerks (Articulação do Semi-<br />
Árido) an Vorschlägen präsentiert wird,<br />
ist wesentlich breiter, stellt die Versorgung<br />
mit Trinkwasser für Mensch und<br />
Tier in den Mittelpunkt und baut auf <strong>der</strong><br />
Nutzung <strong>der</strong> reichen, durchaus genügenden<br />
Wasserreserven des Nordostens<br />
auf.<br />
Man nannte mich einen Fundamentalisten<br />
und Feind <strong>der</strong> Demokratie, weil<br />
ich das Volk aufgerufen hätte, sich aufzulehnen.<br />
Davor haben die „Demokraten”,<br />
die mir diese Vorwürfe machen,<br />
offenbar Angst. Warum aber wird die<br />
Wahrheit über dieses Projekt nicht eingestanden,<br />
und warum wird nicht offen<br />
darüber diskutiert, welches das bessere<br />
Projekt ist bzw. welcher Weg tatsächlich<br />
Bischof Cappio mit Kardinal Majella (rechts im Bild)<br />
30 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
zur Entwicklung des Trockengebiets im<br />
Nordosten führt? In genau dieser Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
liegt die Essenz meines<br />
Wi<strong>der</strong>stands, und in genau dieser Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
vollzieht sich, was Demokratie<br />
tatsächlich ist.<br />
Dom Frei Luiz Flávio Cappio,<br />
Bischof von Barra (Bahia)<br />
Übersetzt aus dem brasilianischen<br />
Portugiesisch von Martin Mayr
Erklärung <strong>der</strong> Präsidentschaft <strong>der</strong><br />
Brasilianischen Bischofskonferenz<br />
Die Bischofskonferenz unterstreicht, wie wichtig die Revitalisierung<br />
des Flusses und <strong>der</strong> Zugang zu sauberem Wasser für<br />
die gesamte Bevölkerung ist, weil dies den Menschenrechten<br />
entspricht und Wasser ein öffentliches Gut ist.<br />
„Herr, schenk meinem Volk,<br />
in dessen Namen ich Dich bitte,<br />
das Leben” (Esther 7,3)<br />
1. Das Fasten und Beten von Dom Luiz<br />
Flávio Cappio OFM, Bischof <strong>der</strong> Diözese<br />
Barra, ist von jener Liebe inspiriert, mit<br />
welcher <strong>der</strong> Hirte sein Volk liebt. Dom<br />
Luiz drückt damit seinen ungebrochenen<br />
Einsatz für den Rio São Francisco<br />
und das Leben seiner Anwohner aus -<br />
Bauern, Nachkommen von Sklaven, Indios.<br />
In seiner Haltung spiegeln sich die<br />
Achtung vor <strong>der</strong> Würde von Mensch<br />
und Schöpfung; sie bringt seine Überzeugung<br />
zum Ausdruck, dass <strong>der</strong><br />
Mensch fähig ist, mit seiner Umwelt in<br />
ehrfürchtigem Einklang zu leben.<br />
2. Damit weist Dom Luiz Cappio auf<br />
die Patt-Stellung zwischen zwei gegenläufigen<br />
Entwicklungs-Modellen hin: Auf<br />
<strong>der</strong> einen Seite die auf die För<strong>der</strong>ung familiärer<br />
Kleinbauernlandwirtschaft und<br />
auf den Naturschutz ausgerichtete Entwicklungs-Philosophie<br />
des sozialen Einschlusses<br />
und <strong>der</strong> Nachhaltigkeit; auf<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite jenes Modell, welches<br />
das Geschäft um Land und Wasser bevorzugt,<br />
was zu schwerwiegenden ökologischen<br />
und sozialen Problemen führt,<br />
weil dabei Menschen ausgebeutet, die<br />
Flüsse und Wäl<strong>der</strong> zerstört werden. Der<br />
Einsatz für die Verteidigung des Rio São<br />
Francisco findet sich in <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong><br />
Lateinamerikanischen Bischofskonferenz<br />
von Aparecida wie folgt motiviert: ”Der<br />
Naturreichtum Lateinamerikas und <strong>der</strong><br />
Karibik erfährt heute eine irrationale<br />
Ausbeutung, die immer mehr Spuren<br />
<strong>der</strong> Verwüstung, ja sogar des Todes in<br />
unserer gesamten Region hinterlässt. Für<br />
diesen Prozess trägt das heutige Wirtschaftsmodell<br />
die entscheidende Verantwortung,<br />
das dem maßlosen Gewinnstreben<br />
Vorrang vor dem Leben <strong>der</strong><br />
Menschen und Völker und vor dem vernunftgemäßen<br />
Umgang mit <strong>der</strong> Natur<br />
gibt ” (DA 473)<br />
3. An Regierung und Volk gerichtet,<br />
hält die Brasilianische Bischofskonferenz<br />
weiterhin an <strong>der</strong> Notwendigkeit fest, eine<br />
breite Diskussion über die Umleitung<br />
des Wassers des Rio São Francisco fortzusetzen.<br />
Die Bischofskonferenz unter-<br />
„... eine irrationale Ausbeutung, die immer mehr Spuren<br />
<strong>der</strong> Verwüstung, ja sogar des Todes in unserer<br />
gesamten Region hinterlässt.“ Dokument von Aparecida<br />
Erklärung <strong>der</strong> Präsidentschaft <strong>der</strong> Brasilianischen Bischofskonferenz<br />
31
In seiner Haltung<br />
spiegeln sich<br />
die Achtung<br />
vor <strong>der</strong> Würde<br />
von Mensch<br />
und Schöpfung;<br />
sie bringt<br />
seine Überzeugung<br />
zum Ausdruck,<br />
dass <strong>der</strong> Mensch<br />
fähig ist,<br />
mit seiner Umwelt<br />
in ehrfürchtigem<br />
Einklang<br />
zu leben.<br />
streicht die Wichtigkeit eines Programms<br />
zur Revitalisierung des Flusses<br />
und die Sicherstellung des Zugangs zu<br />
sauberem Wasser für die gesamte Bevölkerung,<br />
weil dies den Menschenrechten<br />
entspricht und Wasser ein öffentliches<br />
Gut ist. Einer demokratisch-legitimierten<br />
Regierung ist es aufgetragen, die von<br />
<strong>der</strong> Zivilgesellschaft vorgebrachten Anliegen<br />
zu ermessen, <strong>der</strong> Gesellschaft im<br />
Blick auf das Gemeinwohl breiten Mitentscheidungs-Spielraum<br />
einzuräumen<br />
und gerichtliche Entscheidungen in<br />
friedlichem Einvernehmen zu akzeptieren.<br />
4. Wir halten es für notwendig, die<br />
Alternativen zum Regierungsprojekt<br />
ernst zu nehmen; es handelt sich um sozial<br />
ausgewogene und wirksame Vorschläge,<br />
die von Regierungsorganen,<br />
Fach-Spezialisten und zivilgesellschaftlichen<br />
Verbänden vorgelegt werden; sie<br />
veranschlagen geringere Kosten und<br />
schließen die Möglichkeit ein, mehr<br />
Menschen und Gemeinden Wasser zu<br />
32 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
Bischof Cappio am Tropf<br />
sichern. Unter diesen Vorschlägen<br />
möchten wir hervorheben, was die ANA<br />
(Agência Nacional de Águas) mittels des<br />
”Atlas zum Nordosten” präsentiert, bzw.<br />
auf das Programm <strong>der</strong> ASA (Articulação<br />
do Sémi-Árido) hinweisen, welches die<br />
Errichtung von einer Million Zisternen<br />
anstrebt.<br />
5. Jetzt im Advent, Zeit <strong>der</strong> lebendigen<br />
Hoffnung, laden wir alle christlichen<br />
Gemeinden und alle Menschen guten<br />
Willens ein, sich fastend und betend mit<br />
Dom Luiz Cappio zu verbinden und für<br />
sein Leben und seine Gesundheit zu bitten,<br />
solidarisch mit dem Anliegen, das<br />
Dom Luiz vertritt. Die Hoffnung lässt<br />
nicht zugrunde gehen (Röm 5,5).<br />
Brasilia, 12. Dezember 2007<br />
Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe<br />
(Patronin Lateinamerikas)<br />
Dom Geraldo Lyrio Rocha<br />
Erzbischof von Mariana,<br />
Präsident <strong>der</strong> CNBB
Memorandum des Präsidenten <strong>der</strong> CNBB<br />
für den Präsidenten Lula da Silva<br />
Die brasilianische Bischofskonferenz schlägt die Einsetzung einer<br />
Dialog-Kommission vor.<br />
Sehr geehrter Herr Präsident,<br />
mit Respekt und Hochachtung möchten<br />
wir Ihnen gegenüber unsere Besorgnis<br />
über das Leben und die Person von<br />
Dom Frei Luiz Cappio, OFM, Bischof <strong>der</strong><br />
Diözese Barra, zum Ausdruck bringen. Er<br />
hat, aufgrund seiner Befürchtungen im<br />
Bezug auf das Flussumleitungsprojekt<br />
des Rio São Francisco und dessen Konsequenzen<br />
und Implikationen, seit dem<br />
27 November sein ”Fasten und Beten”<br />
wie<strong>der</strong>aufgenommen.<br />
Dieselbe Initiative hat Dom Luiz Flavio<br />
Cappio bereits einmal im Jahr 2005<br />
in Cabrobó (Pernambuco) ergriffen, damals<br />
für 11 Tage. Damals beendete er<br />
sein Fasten am 6. Oktober 2005, nachdem<br />
sich <strong>der</strong> damalige Innenminister<br />
Jaques Wagner in Ihrer Vertretung mit<br />
ihm getroffen hatte.<br />
In einer Audienz am 15. Dezember<br />
2005 haben Sie Dom Luiz Flavio Cappio<br />
und Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> sozialen Bewegungen<br />
empfangen. Bei diesem Anlass wurde<br />
<strong>der</strong> Kompromiss bestätigt, einen Dialogprozess<br />
durchzuführen. Dazu wurde<br />
eine gemischte Kommission bestehend<br />
aus Regierungsvertretern und <strong>der</strong> Vertretern<br />
<strong>der</strong> Zivilgesellschaft einberufen.<br />
Als Vermittler wurden die Casa Civil und<br />
<strong>der</strong> Generalsekretär bestimmt.<br />
Trotz all dieser Anstrengungen konn-<br />
te die Kommission den Vorschlägen und<br />
Zielen nicht gerecht werden, und es<br />
kam zu keinem umfassenden Einverständnis.<br />
Die CNBB hat mehrmals bestätigt,<br />
wie wichtig es ist, die schwerwiegenden<br />
Wasserprobleme <strong>der</strong> Bevölkerung des<br />
brasilianischen Trockengebietes zu lösen.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Komplexität des Projektes<br />
<strong>der</strong> Flussumleitung des São Francisco-Flusses,<br />
mit seinen sozialen, wirtschaftlichen,<br />
kulturellen und ökologischen<br />
Implikationen, glauben wir, dass<br />
die Notwendigkeit besteht, eine größere<br />
Diskussion mit Beteiligung <strong>der</strong> Flussanrainer,<br />
<strong>der</strong> Fischer, <strong>der</strong> indigenen Gruppen,<br />
den Quilombolas, den Wissenschaftlern,<br />
den Spezialisten und an<strong>der</strong>en<br />
Interessierten durchzuführen. Das aktuelle<br />
Projekt muss besser analysiert werden,<br />
unter Berücksichtigung an<strong>der</strong>er Alternativen,<br />
die eine qualitativ gute Wasserversorgung<br />
für das Volk des Nordostens<br />
garantieren, wie zum Beispiel das<br />
Projekt ”Ein-Millionen-Zisternen”.<br />
Wir erklären uns dazu bereit, die<br />
Wie<strong>der</strong>aufnahme des Dialogs zwischen<br />
<strong>der</strong> Regierung und Dom Luiz Flavio<br />
Cappio zu unterstützen. Dazu schlagen<br />
wir vor, eine Kommission einzuberufen,<br />
um das aktuelle Projekt besser zu analysieren<br />
sowie die Projekte, die von den<br />
Memorandum des Präsidenten <strong>der</strong> CNBB<br />
33
Nichtregierungsorganisationen, Spezialisten<br />
und sozialen Bewegungen vorgeschlagen<br />
werden, unter an<strong>der</strong>em auch<br />
die Revitalisierung und Sanierung des<br />
São Francisco Flusses, miteinzubeziehen.<br />
Mit diesen Vorschlägen möchte die<br />
CNBB beitragen, die momentane Pattsituation<br />
zu überwinden und gleichzeitig<br />
die Absicht bekräftigen, sich an weiteren<br />
Initiativen zu beteiligen, die versuchen<br />
den Wasserzugang <strong>der</strong> brasilianischen<br />
Bevölkerung in <strong>der</strong> semiariden Region<br />
Bischof Cappio erklärt seine Entscheidung<br />
34 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
zu garantieren, ”damit alle Leben haben”<br />
(cf. Jo 10,10)<br />
Brasilia, 12. Dezember 2007<br />
Dom Geraldo Lyrio Rocha<br />
Erzbischof von Mariana,<br />
Präsident <strong>der</strong> CNBB<br />
Dom Dimas Lara Barbosa<br />
Weihbischof von Rio de Janeiro,<br />
Generalsekretär <strong>der</strong> CNBB
Für das Leben von Dom Luiz Cappio,<br />
für das Leben des Rio São Francisco<br />
„Nein zum vorliegenden Projekt <strong>der</strong> Umleitung des Rio São<br />
Francisco" heißt es in <strong>der</strong> Erklärung von Persönlichkeiten des<br />
öffentlichen Lebens und von Organisationen vom 15. Dezember<br />
2007.<br />
Wir, die wir diese Erklärung unterzeichnen,<br />
drücken auf diesem Weg unsere<br />
Ablehnung des vorliegenden Bundesregierungs-Projekts<br />
zur Umleitung des São<br />
Francisco Stroms aus. Es handelt sich<br />
um ein ebenso größenwahnsinniges wie<br />
undemokratisches Projekt, weil es gerade<br />
den Menschen, die tatsächlich unter<br />
Wassernot leiden, keine gesicherte Wasserversorgung<br />
garantiert - gleich,<br />
ob diese Menschen in Flussnähe<br />
o<strong>der</strong> weitab vom Strom wohnen.<br />
Die Regierung behauptet, sie<br />
werde den Durst von 12 Millionen<br />
Menschen löschen. Die<br />
Wahrheit ist aber, dass dieses Projekt öffentliche<br />
Gel<strong>der</strong> in die Taschen <strong>der</strong> Bau-<br />
und Zulieferfirmen pumpt und die Agro-<br />
Industrie för<strong>der</strong>n will. Es handelt sich<br />
um ein Unternehmen, welches das Wasser<br />
des Nordostens Brasiliens privatisieren<br />
und in den Händen <strong>der</strong> immerselben<br />
Eliten konzentrieren wird, sowohl<br />
die Wasser <strong>der</strong> großen Stauseen wie die<br />
Wasser des São Francisco Stroms.<br />
Die Umleitung des Wassers vom São<br />
Francisco Strom hat äußerst wenig mit<br />
<strong>der</strong> Trockenheit im Nordosten zu tun.<br />
Das zeigt sich allein schon darin, dass<br />
<strong>der</strong> Nordkanal, in dem 71% des abgezweigten<br />
Wassers in den Norden fließen<br />
sollen, weitab von den tatsächlich regenarmen<br />
und von Wassernot geplag-<br />
ten Regionen geplant ist. Nicht weniger<br />
als 87% dieser Wassermenge sind für<br />
Agrar-Projekte mit intensivem Wasserverbrauch<br />
bestimmt, für bewässerten<br />
Obstbau, für die Garnellen-Zucht und<br />
für die Stahl-Industrie. Dabei handelt es<br />
sich samt und son<strong>der</strong>s um exportorientierte<br />
Unternehmen mit äußerst bedenklichen<br />
sozialen und ökologischen Folge-<br />
Dom Luiz ist ein demütiger Mensch,<br />
<strong>der</strong> den Dialog sucht und pflegt.<br />
wirkungen. Die genannten Faktoren<br />
wurden in keiner Weise offen und ehrlich<br />
mit <strong>der</strong> betroffenen Bevölkerung erörtert,<br />
we<strong>der</strong> mit den Flußanrainern,<br />
noch mit den Fischern, Indios, Quilombolas<br />
(Ansiedlungen <strong>der</strong> Nachkommen<br />
geflohener Sklaven), ja nicht einmal mit<br />
den einschlägigen Fachleuten.<br />
Das vorliegende Projekt ignoriert,<br />
dass es weit billigere Alternativ-<br />
Lösungen gibt, die auf rationellere und<br />
wirkungsvolle Weise eine wesentlich<br />
größere Menge an Nutznießern versorgen<br />
können. Das Regierungsprojekt<br />
würde zu den veranschlagten Kosten<br />
von 6 Milliarden Reais (etwa 2,4 Milliarden<br />
Euro) vier Bundesstaaten (Pernambuco,<br />
Paraíba, Rio Grande do Norde<br />
Erklärung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und von Organisationen<br />
35
und Ceará) bzw. 12 Millionen Menschen<br />
in 391 Gemeinden zugute kommen.<br />
Dagegen hat die Bundes-<br />
Wasserbehörde (Agência Nacional de<br />
Águas) mit dem ”Atlas des Nordostens”<br />
eine Lösung vorgelegt, die um etwas<br />
mehr als drei Milliarden Reais (1,2 Milliarden<br />
Euro) neun Bundesstaaten (Bahia,<br />
Sergipe, Piauí, Alagoas, Pernambuco,<br />
Rio Grande do Norte, Paraíba, Ceará<br />
und <strong>der</strong> Norden von Minas Gerais) in<br />
die verbesserte Wasserversorgung einschließen<br />
würde, etwa 34 Millionen<br />
Menschen in 1.356 Gemeinden. Weiter<br />
ist auf das Netzwerk <strong>der</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />
<strong>der</strong> semiariden Region<br />
(”Articulação do Sémiárido – ASA”)<br />
zu verweisen, das sich vorgenommen<br />
hat, eine Million Zisternen zu bauen,<br />
Dom Luiz steht auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Armen<br />
und teilt mit diesen seit mehr als 30<br />
Jahren die Nöte im São Francisco Tal.<br />
wovon 220.000 schon errichtet worden<br />
sind. Gerade mit dieser Maßnahme<br />
kann den trockensten und abgelegensten<br />
Regionen geholfen werden.<br />
Das Wasserumleitungs-Projekt wird<br />
auf eine willkürliche und autoritäre Art<br />
forciert: Die Untersuchungen zu den<br />
ökologischen Folgen sind nicht abgeschlossen,<br />
die Umweltverträglichkeitsprüfungen<br />
wurden manipuliert, indigene<br />
Gebiete und Quilombolas sind<br />
von <strong>der</strong> Flächenumwidmung betroffen,<br />
ohne dass dies - wie in <strong>der</strong> Verfassung<br />
vorgesehen - Gegenstand einer Diskussion<br />
im Bundes-Kongreß gewesen wäre.<br />
Insgesamt sind 14 Gerichtsverfahren<br />
im Laufen, die Gesetzesverstöße und<br />
Verfahrensmängel nachweisen, aber<br />
vom Obersten Gerichtshof bislang nicht<br />
entschieden worden sind. Dessen ungeachtet<br />
hat die Regierung Militär-<br />
Einheiten zum Kanal-Anstich mobilisiert,<br />
was einem Mißbrauch <strong>der</strong> Funktion des<br />
Heeres und einer Militarisierung <strong>der</strong> betroffenen<br />
Gegenden gleichkommt. Dass<br />
<strong>der</strong> Entscheid des Regionalen Verwaltungsgerichtshofs<br />
vom vergangenen 10.<br />
Dezember einen einstweiligen Baustopp<br />
bewirkt hat, ist ein weiteres Indiz für die<br />
problematische Konzeption des Regierungsprojekts.<br />
Es sind die genannten Fakten und<br />
Vorgänge, die das Fasten und Beten von<br />
Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra<br />
(Bahia), begründen. Dom Luiz ist ein<br />
demütiger Mensch, <strong>der</strong> den Dialog<br />
sucht und pflegt. Er steht auf <strong>der</strong> Seite<br />
<strong>der</strong> Armen und teilt mit diesen seit<br />
mehr als 30 Jahren die Nöte im São<br />
Francisco Tal. Er bietet sein eigenes Leben<br />
an, um dem Volk und dem Fluß<br />
neues Leben zu ermöglichen. Wir unterstützen<br />
sein prophetisches<br />
Zeichen, das ihn als wahren<br />
Nachfolger Jesu auszeichnet.<br />
„Zwischen den Armen und<br />
einem Bischof entscheide<br />
ich mich für die Armen” -<br />
dieser vom Präsidenten Lula<br />
konstruierte Gegensatz ist<br />
völlig unangemessen. Tatsächlich geht<br />
es um eine Entscheidung zugunsten <strong>der</strong><br />
Armen o<strong>der</strong> zugunsten des Geschäfts<br />
mit Wasser - und da stellen wir uns ganz<br />
entschieden auf die Seite <strong>der</strong> Armen.<br />
Unterzeichnende:<br />
36 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
Leonardo Boff, Theologe<br />
Eduardo Galeano, Schriftsteller<br />
Pedro Casaldàliga, em. Bischof<br />
<strong>der</strong> Prälatur São Félix do<br />
Araguaia, MT<br />
Letícia Sabatella, Schauspielerin<br />
Und 700 Einzelpersonen sowie<br />
Organisationen<br />
Übersetzt aus dem brasilianischen<br />
Portugiesisch von Martin Mayr
Solidaritätsbrief <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz<br />
an Präsident Lula da Silva<br />
Der damalige Vorsitzende <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz,<br />
Kardinal Karl Lehmann, solidarisiert sich in diesem Brief mit<br />
Bischof Luíz Cappio und bittet Präsident Lula, den Hilferuf von<br />
Dom Luíz und den <strong>der</strong> vielen Menschen, die sein Fasten und<br />
Beten begleiten, zu erhören.<br />
Deutsche Bischofskonferenz<br />
Der Vorsitzende<br />
Zeugnis des Bischofs Dom Frei<br />
Luíz Flavio Cappio OFM<br />
Sehr geehrter Herr Präsident,<br />
mit großer Sorge hat die Deutsche Bischofskonferenz<br />
vom radikalen Zeugnis<br />
von Herrn Bischof Luíz Flavio Cappio erfahren.<br />
Über viele Jahre haben unsere<br />
Hilfswerke ADVENIAT und MISEREOR<br />
sein entschiedenes Eintreten für die von<br />
Armut betroffene Landbevölkerung begleitet.<br />
Seine Entscheidung, sein Leben<br />
für die Natur und die Menschen am Rio<br />
São Francisco einzusetzen, haben wir<br />
mit großem Respekt aufgenommen.<br />
Als Partner <strong>der</strong> Kirche und <strong>der</strong> Menschen<br />
in Brasilien ist es uns ein tiefes Anliegen,<br />
Bischof Cappio unsere Verbundenheit<br />
auszusprechen und die Menschen<br />
in Deutschland zur Solidarität aufzurufen.<br />
Bitte verstehen Sie unseren Appell<br />
nicht als Versuch einer politischen<br />
Einmischung in die inneren Angelegenheiten<br />
Ihres Landes. Es entspricht unserem<br />
weltkirchlichen Auftrag aus dem<br />
prophetischen Geist des Evangeliums<br />
Solidarität zu üben und die Stimme zu<br />
erheben zur Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />
- über die Landesgrenzen hinaus.<br />
Die Nachrichten, die wir täglich aus<br />
Brasilien erhalten, geben uns Anlass zu<br />
<strong>der</strong> Befürchtung, dass <strong>der</strong> ungelöste<br />
Konflikt um die Umleitung des Rio São<br />
Francisco mit dem Tod unseres Mitbru<strong>der</strong>s<br />
enden könnte. Wir teilen die Position<br />
<strong>der</strong> Brasilianischen Bischofskonferenz<br />
CNBB, dass <strong>der</strong> Staat die Verantwortung<br />
hat, <strong>der</strong> Bevölkerung Zugang zu gutem<br />
Wasser zu ermöglichen und dass die Suche<br />
nach Lösungen für eine nachhaltige<br />
Entwicklung in einem breit angelegten<br />
Dialog erfolgen muss. Wir teilen auch<br />
die Meinung, dass <strong>der</strong> Rio São Francisco<br />
revitalisiert werden muss und die Rechte<br />
<strong>der</strong> regionalen Bevölkerung - beson<strong>der</strong>s<br />
<strong>der</strong> indigenen, <strong>der</strong> afrikanischstämmigen<br />
Bevölkerung und <strong>der</strong> Flussuferbevölkerung<br />
- respektiert werden<br />
müssen. Als Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Deutschen<br />
Bischofskonferenz bitte ich Sie mit allem<br />
Respekt vor Ihrer Person und Ihrer Verantwortung<br />
als Staatspräsident, den Hilferuf<br />
von Dom Luíz und <strong>der</strong> vielen Menschen,<br />
die sein Fasten und Beten begleiten,<br />
zu erhören.<br />
Über Ihre Antwort würde ich mich<br />
sehr freuen.<br />
Hochachtungsvoll<br />
Karl Kardinal Lehmann<br />
Bonn, im Dezember 2007<br />
Solidaritätsbrief <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz an Präsident Lula da Silva<br />
37
Bischof Cappio betet den Rosenkranz<br />
38 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch
Lob des Wahnsinns<br />
Leonardo Boff<br />
Bischof Luiz hat sich zum „Wahnsinnigen Gottes“ gemacht,<br />
<strong>der</strong> eine höhere Weisheit besitzt als die Klugheit dieser Welt.<br />
Bischof Fr. Luiz Flávio Cappio war mein<br />
Schüler in Theologie von 1970 bis 1971<br />
in Petrópolis. Er zeichnete sich vor den<br />
an<strong>der</strong>en Brü<strong>der</strong>n durch sein radikales<br />
Engagement an <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Armen aus<br />
und durch das Maß von Bescheidenheit<br />
und Heiligkeit, das er ausstrahlte. Er<br />
blieb mir seine Abschlussarbeit schuldig,<br />
eine kleine, wenigstens 30-seitige These.<br />
Am letzten Tag, ehe er nach São Paulo<br />
versetzt wurde, legte er unter die Türe<br />
meiner Zelle ein Blatt, worauf geschrieben<br />
stand: „Nach fünf Jahren von Studium,<br />
Betrachtung und Gebet ist dies von<br />
meiner Theologie übriggeblieben”. Er<br />
hatte in Griechisch, Latein und Portugiesisch<br />
das Vater Unser, das Gebet des<br />
Herrn, nie<strong>der</strong>geschrieben.<br />
Immer wenn ich ihn traf, fragte ich<br />
nach <strong>der</strong> Arbeit, die er mir schuldig geblieben<br />
war. Im Jahre 1975, an einem<br />
Gründonnerstag, verschwand er aus<br />
dem Kloster in São Paulo. Drei Tage später<br />
wurde auf einem Seitenaltar <strong>der</strong> Kirche<br />
ein Brief von ihm gefunden, in dem<br />
er seine Entscheidung offenbarte, zu<br />
Leonardo Boff, ehemaliger <strong>Franziskaner</strong>,<br />
ist seit 1993 Professor für Ethik<br />
und Theologie in Rio de Janeiro. 2001<br />
erhielt er zusammen mit an<strong>der</strong>en den<br />
Alternativen Nobelpreis.<br />
den Ärmsten <strong>der</strong> Armen zu gehen und<br />
ihnen im Namen des Evangeliums zu<br />
dienen. Er war in seiner Mönchskutte<br />
gegangen und hatte nur das Evangelium<br />
mitgenommen. Er war per Anhalter<br />
auf Lastwagen mitgefahren und zwei<br />
Monate später in Barra angekommen,<br />
im Bundesstaat Bahia. In seiner Mönchskutte,<br />
in <strong>Franziskaner</strong>sandalen und mit<br />
dem Evangelium in <strong>der</strong> Hand predigte<br />
er in den kleinen Landgemeinden am<br />
Fluss.<br />
Als man Bru<strong>der</strong> Luiz ausfindig gemacht<br />
hatte, rief mich <strong>der</strong> Ordensprovinzial<br />
an und sagte: „Der Bru<strong>der</strong> Luiz<br />
ist verrückt geworden, wir müssen ihn<br />
zurückholen”. Ich antwortete ihm:<br />
„Bru<strong>der</strong> Provinzial, öffnen Sie das Markus-Evangelium<br />
und lesen Sie im Kapitel<br />
3, Vers 21: „Als seine Angehörigen davon<br />
hörten, (dass Jesus umherging und<br />
predigte), machten sie sich auf den<br />
Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen;<br />
denn sie sagten: Er ist von Sinnen.” Und<br />
Ähnliches geschah mit dem Apostel<br />
Paulus, als er das Kreuz Christi predigte,<br />
ein Skandal für die Juden, eine Verrücktheit<br />
für die Heiden und die Rettung für<br />
die Christen. Das Gleiche geschah mit<br />
dem Hl. Franziskus von Assisi als ihm angeraten<br />
wurde, die geltenden Klosterregeln<br />
zu befolgen, statt sich radikal mit<br />
den Armen zu identifizieren. Er antwor-<br />
Leonardo Boff – Lob des Wahnsinns<br />
39
tete dem Gesandten des Papstes: „Gott<br />
hat mich gerufen, dem Weg <strong>der</strong> Einfachheit<br />
zu folgen; ich möchte nicht,<br />
dass Sie von an<strong>der</strong>en Regeln sprechen;<br />
<strong>der</strong> Herr hat mir seinen Wunsch offenbart,<br />
einen neuen Wahnsinnigen in <strong>der</strong><br />
Welt zu haben”. Als Bischof Fr. Luiz beschlossen<br />
hatte den Hungerstreik anzutreten,<br />
sagte er: „Wenn Verständnis und<br />
Vernunft am Ende sind, ist <strong>der</strong> Wahnsinn<br />
<strong>der</strong> Weg”.<br />
Dieser Wahnsinn ist kein Wahnsinn,<br />
nur eine an<strong>der</strong>sgeartete Logik <strong>der</strong> Liebe,<br />
eine schöpferische Kraft, die aus dem<br />
System ausbricht. Wenn es jemanden<br />
gibt, <strong>der</strong> das Tal des Sao Francisco<br />
kennt, dann ist es Bischof Frei Luiz. In<br />
den Jahren 1992 und 1993 pilgerte er<br />
mit einer kleinen Gruppe durch das gesamte<br />
Flusstal, traf sich mit den Menschen<br />
am Flussufer, zeichnete alle Probleme<br />
auf und for<strong>der</strong>te ökologische<br />
Maßnahmen. Präsident Lula erhielt während<br />
seiner Wahlkampfreise entlang des<br />
São Francisco, an <strong>der</strong> auch ich teilnahm,<br />
aus <strong>der</strong> Hand des Frei Luiz das gesamte<br />
Material, das Fachleute<br />
als sehr wertvoll einschätzten.<br />
Da Bischof Frei Luiz<br />
ein sehr spiritueller Mann<br />
ist, mit großer persönlicher<br />
Heiligkeit, hat er einen<br />
speziellen Spürsinn<br />
für die Anliegen <strong>der</strong> Armen<br />
und für die Umweltzerstörung<br />
am São Francisco<br />
entwickelt. Die Regierung<br />
spricht von technischen<br />
Lösungen. Er<br />
spricht von sozialen Lösungen.<br />
Er ist nicht gegen<br />
die Verwendung des<br />
Fluss-Wassers für das<br />
Trockengebiet. Er ist gegen<br />
diese Art <strong>der</strong> Ableitung, die nicht<br />
angemessen mit den Betroffenen diskutiert<br />
wurde und die keine soziale Lösung<br />
gewährleistet. In einer Welt, in <strong>der</strong> alles<br />
zur Handelsware und zum Profitbringer<br />
gemacht wird, sollen auch hier 70 %<br />
40 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
des abgeleiteten Wassers dem Agrobusiness<br />
für Exportzwecke dienen. Die Bundesstaaten<br />
sollten das restliche Wasser<br />
an das durstige Volk verteilen. Werden<br />
sie das machen, ohne dafür Geld zu verlangen?<br />
Bischof Frei Luiz hat in den 30 Jahren,<br />
in denen er sich mit den Armen des<br />
Flusstales identifiziert, diese Sackgasse<br />
erkannt. Er hat sich zum ”Wahnsinnigen<br />
Gottes” gemacht, weil er eine sehr viel<br />
höhere Weisheit besitzt.<br />
„Wenn Verständnis<br />
und Vernunft am<br />
Ende sind, ist <strong>der</strong><br />
Wahnsinn <strong>der</strong> Weg.“<br />
Bischof Cappio<br />
Bischof Cappio nach dem Zusammenbruch
Brief an den franziskanischen Mitbru<strong>der</strong><br />
Carlos Mesters<br />
Es wird immer Leute geben, die behaupten, <strong>der</strong> Prophet sei im<br />
Unrecht!<br />
Rio de Janeiro, 5. Dezember 2007<br />
Geschätzter Dom Luiz Cappio,<br />
Bru<strong>der</strong> und Freund, Bettelmönch<br />
wie ich und so Viele!<br />
Gott möge Dir Kraft schenken für Dein<br />
Fasten, das als lebendiges Zeugnis Deiner<br />
Verbundenheit mit dem Evangelium<br />
Jesu und den Armen wirkt.<br />
Dort und da wird gesagt, Dein<br />
Fasten habe nichts mit dem pastoralen<br />
Auftrag <strong>der</strong> Kirche zu tun. Kümmere<br />
Dich nicht darum, Dom Luiz! Denn es<br />
wird immer Leute geben, die behaupten,<br />
<strong>der</strong> Prophet sei im Unrecht. Das haben<br />
sie selbst Jesus unterstellt. Über ihn<br />
verbreiteten sie, dass er wahnsinnig sei<br />
(siehe Mk 3,21) und von einem bösen<br />
Geist getrieben werde (Mk 3,21).<br />
Wenn Du Dich vor jener Menge<br />
kleiner Leute findest, die sich um Dich<br />
schart, mit Dir betet und Deine konkrete<br />
Geste unterstützt, dann vergiss alle Kritik<br />
<strong>der</strong> sogenannten Weisen und Verständigen;<br />
vielmehr mach Dir das Lob<br />
Carlos Mesters, Theologe und Karmelit,<br />
ist Mitbegrün<strong>der</strong> des Ökumenischen<br />
Zentums für Bibelstudien (CEBI)<br />
und einer <strong>der</strong> bekanntesten Theologen<br />
und Exegeten Lateinamerikas.<br />
Jesu zu eigen: „Ich preise dich, Vater,<br />
weil Du all das den Weisen und Klugen<br />
verborgen, den Unmündigen aber geoffenbart<br />
hast. Ja, Vater; denn so hat es dir<br />
gefallen!” (Mt 11,25-26)<br />
Dom Cappio, bete Du auch für mich<br />
und für alle, die Dich unterstützen, auf<br />
dass uns Dein Zeugnis helfe, das Evangelium<br />
Jesu immer besser zu verstehen<br />
und mit all seinen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
zu leben, als Christen im Heute, hier im<br />
Brasilien des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Eine herzliche Umarmung von Deinem<br />
Bru<strong>der</strong><br />
Carlos Mesters, vom Orden <strong>der</strong><br />
Karmeliter<br />
Dom Cappio, bete Du<br />
auch für mich und für<br />
alle, die Dich unterstützen,<br />
auf dass uns<br />
Dein Zeugnis helfe ...<br />
Carlos Meesters – Brief an den franziskanischen Mitbru<strong>der</strong><br />
41
Bischof Cappio neben <strong>der</strong> Franziskus-Statue<br />
42 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch
Luiz Cappio, warum bist Du denn<br />
gekommen, uns zu stören?<br />
Paulo Suess<br />
Die repräsentative Demokratie zu verän<strong>der</strong>n, heißt nicht mit<br />
<strong>der</strong> Demokratie zu brechen. Wohl aber mit den elitären, den<br />
antidemokratischen und den korrupten Kräften zu brechen,<br />
die das Land beherrschen.<br />
In <strong>der</strong> Erzählung „Der Großinquisitor“<br />
von Dostojewski überquert <strong>der</strong> Kardinal-<br />
Inquisitor den Platz von Sevilla und begegnet<br />
einem Menschen, in dem <strong>der</strong>/<br />
die Lesende später Jesus erkennt. „Antworte<br />
nicht, schweig! Warum bist Du<br />
denn gekommen, uns zu stören?” Später<br />
denkt <strong>der</strong> Inquisitor über die Antworten<br />
nach, die Jesus nach seinem 40tägigen<br />
Fasten dem Teufel gegeben hat, wo<br />
er das Brot als Privileg und ebenso den<br />
Ruhm an <strong>der</strong> Zinne des Tempels und<br />
die Macht durch Götzenanbetung zurückgewiesen<br />
hat. ”Du wolltest den<br />
Menschen nicht <strong>der</strong> Freiheit berauben<br />
und verschmähtest die drei einzigen<br />
Mächte, die ein Volk unterwerfen können:<br />
das Wun<strong>der</strong> zum eigenen Vorteil,<br />
das Geheimnis, um die an<strong>der</strong>en zu verwirren<br />
und die Autorität, um die Armen<br />
zu unterwerfen!” Im Kontext <strong>der</strong> Regierung<br />
Lula würde <strong>der</strong> Kardinal sagen: Du<br />
hast das Wun<strong>der</strong> in Form <strong>der</strong> Grundversorgung<br />
mit Lebensmitteln, das Geheimnis<br />
<strong>der</strong> Regierbarkeit zur Besiegelung <strong>der</strong><br />
Partnerschaft von Mo<strong>der</strong>nität und sozia-<br />
Paulo Suess, katholischer Theologe aus<br />
Deutschland, lebt und wirkt seit 1966<br />
in Brasilien. Er hat in seinen wissenschaftlichen<br />
Arbeiten maßgeblich die<br />
Theologie <strong>der</strong> Inkulturation geprägt.<br />
lem Rückschritt und den Autoritarismus<br />
einer angeblichen Unfehlbarkeit <strong>der</strong><br />
Technokraten abgelehnt.<br />
Warum bist Du denn gekommen,<br />
uns zu stören? In <strong>der</strong> Weihnachtszeit<br />
und zum Jahresende, in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong><br />
übervollen Tische, hat <strong>der</strong> Hungerstreik<br />
von Dom Luís Cappio in <strong>der</strong> Tat das allgemeine<br />
Klima des Konsumismus gestört.<br />
Mehr noch, man stellte im Namen<br />
<strong>der</strong> Demokratie und <strong>der</strong> christlichen<br />
Lehre in Frage, dass dieses Fasten legitim<br />
sei. An<strong>der</strong>s ausgedrückt: bis heute<br />
ist nicht entschieden, ob das Verhalten<br />
des franziskanischen Bischofs <strong>der</strong> Diözese<br />
Barra (Bahía), das <strong>der</strong> Umleitung des<br />
Rio São Francisco ein alternatives Projekt<br />
entgegenstellen wollte, ein Hungerstreik<br />
war o<strong>der</strong> eine Fastenzeit im Advent, dessen<br />
23 Tage noch weit entfernt waren<br />
von den 40 Tagen des Fastens Jesu in<br />
<strong>der</strong> Wüste von Palästina.<br />
Was es auch gewesen sein mag, ob<br />
ordentliches Fasten o<strong>der</strong> Hungerstreik,<br />
alle fühlten sich gestört und suchten<br />
nach “honorigen Lösungen”, damit sich<br />
<strong>der</strong> Zynismus <strong>der</strong> Regierung und <strong>der</strong><br />
Opportunimus einiger politischer Wallfahrer,<br />
das Mitleiden <strong>der</strong> sozialen Bewegungen<br />
und <strong>der</strong> kämpferische Geist von<br />
pastoralen Mitarbeitern darin wie<strong>der</strong><br />
fänden, obwohl die letztgenannten<br />
nach Meinung anerkannter Soziologen<br />
Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?<br />
43
Die formale Demokratie wurde<br />
zum Grundelement für die Akkumulation<br />
des Kapitals und die<br />
Reproduktion <strong>der</strong> strukturellen<br />
Ungerechtigkeit.<br />
nicht in <strong>der</strong> Lage waren, korrekt zwischen<br />
Glauben und Politik zu vermitteln.<br />
Von <strong>der</strong> Catedra aus zu sprechen ist einfacher,<br />
als in <strong>der</strong> Strohhütte einen Dialog<br />
zu führen. Wer die 22 indigenen<br />
Völker gesehen hat, die durch die Verle-<br />
Bischof Cappio und das Volk beim Gebet<br />
44 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
gung des Flusses betroffen sein werden,<br />
än<strong>der</strong>t seinen “Umgang mit Vermittlung”.<br />
Er o<strong>der</strong> sie wird entdecken, dass<br />
es nicht die indigenen Völker sind o<strong>der</strong><br />
die Anrainer, die Fischer o<strong>der</strong> die Quilombo-Bewohner<br />
im São Francisco-<br />
Becken, die sich weigerten, jenes Glas<br />
Wasser, von dem die Bibel spricht, ihrem<br />
durstigen Bru<strong>der</strong> zu reichen, wie<br />
die Propaganda <strong>der</strong> Regierung behauptete.<br />
Im Gegenteil, es ist die Leitung des<br />
Agrobusiness und <strong>der</strong> Wasserwirtschaft,<br />
die ihnen bis heute die Grundsanierung<br />
verweigerte und sie jetzt gezwungen<br />
hat, in die Logik des neoliberalen Mark-
tes einzutreten, die jede Art von Solidarität<br />
erstickt. Von 100 Gläsern Wasser,<br />
die durch das Projekt <strong>der</strong> Regierung<br />
dem São Francisco entnommen werden,<br />
werden nicht einmal 4 <strong>der</strong> armen Bevölkerung<br />
angeboten. 70 Gläser Wasser<br />
werden dem Agrobusiness dienen und<br />
26 den Industriestandorten in den Städten.<br />
Das Projekt, das die sozialen Bewegungen<br />
und Dom Cappio vertreten,<br />
stellt zum halben Preis Wasser für die<br />
vierfache Anzahl von Menschen zur Verfügung.<br />
Was steht bei <strong>der</strong> Umleitung eines<br />
Teils des Flusses São Francisco auf dem<br />
Spiel? Im besten Fall wird die Umleitung<br />
die Verhungernden mit Hungerrationen<br />
versorgen, bzw. – da es sich um Wasser<br />
handelt – mit Wasserrationen für chronisch<br />
Ausgetrocknete o<strong>der</strong> saisonbedingte<br />
Durstleidende. Ich sagte, im besten<br />
Fall, denn man vermutet, dass diese<br />
Umleitung des Wassers zu den Ausgetrockneten<br />
und den Durstleidenden<br />
nur als Vorwand dient und dass dieses<br />
Wasser eher “die Hände” <strong>der</strong> Bauunternehmer,<br />
des Agrobusiness und <strong>der</strong><br />
‚schwarzen’ Kasse <strong>der</strong> nächsten Wahlen<br />
“befeuchten” wird als die Kehlen <strong>der</strong> Armen.<br />
Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen,<br />
muss man sagen, dass die Radikalität<br />
und Schlichtheit des Fastens von<br />
Dom Cappio eine Bedeutung hat, die<br />
weit über das Problem am Fluss São<br />
Francisco hinausgeht. Es verweist auf<br />
demokratische Praxis, auf Mittel und<br />
Ziele <strong>der</strong> Entwicklung und auf die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Kirche in gesellschaftlichen<br />
Konflikten.<br />
Demokratische Praxis<br />
Wir leben in einer Gesellschaft, die<br />
durch die kapitalistische Produktionsweise<br />
bestimmt ist, die das Geld als höchsten<br />
Wert durchsetzt und <strong>der</strong>en Ziel die<br />
Gewinnmaximierung ist. Die formale<br />
Demokratie wurde zum Grundelement<br />
für die Akkumulation des Kapitals und<br />
die Reproduktion <strong>der</strong> strukturellen Ungerechtigkeit.<br />
Sie legalisiert die rein ökonomische<br />
Sicht <strong>der</strong> Welt mit ihren<br />
Alles, was man nicht kaufen<br />
kann, sagte Kant, hat Würde.<br />
Angesichts dieser ungewöhn-<br />
lichen Würde wandte sich die<br />
Regierung in ihrer Ratlosigkeit<br />
an den Vatikan mit <strong>der</strong> Bitte<br />
einzuschreiten.<br />
Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?<br />
45
Schwerpunkten von Nutzen, Konsumismus,<br />
Individualismus und Wettbewerb.<br />
In diesem Zusammenhang muss das<br />
Megaprojekt <strong>der</strong> Umleitung des São<br />
Francisco (für 6 Billionen Reais) verstanden<br />
werden. Es entstand in den Zeiten<br />
des Kaiserreichs und trägt bis heute imperiale<br />
Merkmale. Entscheidungen werden<br />
im Geheimen getroffen, das Blaue<br />
vom Himmel wird versprochen, aber die<br />
Adressaten des Projektes werden nicht<br />
aktiv einbezogen. Pro forma wurde die<br />
Öffentlichkeit an einem Mittwoch <strong>der</strong><br />
Karnevalszeit in Salvador angehört und<br />
auf diese Weise demokratische Mitwirkung<br />
vorgetäuscht. Um die nationale<br />
Bedeutung des Projekts zu unterstreichen<br />
und jeden Wi<strong>der</strong>stand zu erstikken,<br />
hat Lula das Militär geschickt, als<br />
das autoritäre Projekt <strong>der</strong> Umleitung des<br />
Rio São Francisco in Gang gesetzt wurde.<br />
Wenn Regierungssprecher behaupteten,<br />
<strong>der</strong> Hungerstreik sei eine autoritäre<br />
Handlung, dann verwechseln sie den<br />
Feuerwehrmann mit dem Brandstifter;<br />
dann verwechseln sie moralische Autorität<br />
mit Autoritarismus und verhin<strong>der</strong>n<br />
Wi<strong>der</strong>stand außerhalb von Wahlkampfzeiten.<br />
Stimmen von Senatoren und Abgeordneten<br />
können gekauft werden.<br />
Das Fasten von Frei Cappio, <strong>der</strong> bereit<br />
war, sein Leben zu geben, um das Projekt<br />
zu verhin<strong>der</strong>n, das die Armen gefährdet,<br />
ist ein Geschenk. Und ein Geschenk<br />
kann man nicht in Ware verwandeln<br />
wie die Umleitung des Flusses. Dieses<br />
Geschenk (= O DOM* – Cappio)<br />
wurde nicht verkauft. Alles, was man<br />
nicht kaufen kann, sagte Kant, hat Würde.<br />
Angesichts dieser ungewöhnlichen<br />
Würde wandte sich die Regierung in ihrer<br />
Ratlosigkeit an den Vatikan mit <strong>der</strong><br />
Bitte einzuschreiten. In Konfliktzeiten erinnern<br />
sich die Mächtigen, dass sie<br />
„compadres“ sind und sich gegenseitig<br />
Gunst schulden.<br />
Welche Möglichkeiten haben denn<br />
soziale Bewegungen, Arbeiterbewegungen<br />
und Bewegungen <strong>der</strong> Zivilgesellschaft,<br />
in den Handlungsablauf einer Re-<br />
gierung einzugreifen, die im<br />
Dienst <strong>der</strong> Eliten steht, außer<br />
<strong>der</strong>, die öffentlichen Angelegenheiten<br />
erneut zu politisieren,<br />
und zwar auch durch<br />
symbolische Gesten wie das<br />
Fasten von Dom Cappio? Angesichts<br />
<strong>der</strong> Dekadenz und<br />
<strong>der</strong> Anzeichen von Irrationalität<br />
in <strong>der</strong> formalen Demokratie<br />
kritisiert <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />
durch sein Handeln unsere<br />
halbherzige demokratische<br />
Praxis grundlegend. Er macht<br />
darauf aufmerksam, das man<br />
eine stärker partizipative Demokratie<br />
anstreben muss, um<br />
das Prinzip <strong>der</strong> Volkssouveränität,<br />
das dem Gesellschaftsvertrag<br />
zu Grunde liegt, zu<br />
retten. Die Verfassung von<br />
1988 sieht zwar die Möglichkeit<br />
von Volksabstimmungen,<br />
Streiks und öffentlichen Anhörungen<br />
vor, aber dennoch<br />
kann das Volk nur sehr eingeschränkt<br />
aktiv mitwirken. Wir<br />
müssen die Demokratie radikalisieren.<br />
Die repräsentative<br />
Demokratie zu verän<strong>der</strong>n,<br />
heißt nicht mit <strong>der</strong> Demokratie<br />
zu brechen. Wohl aber mit<br />
den elitären, den antidemokratischen<br />
und den korrupten<br />
Kräften zu brechen, die das<br />
Land beherrschen. Die Arbeit<br />
an <strong>der</strong> Basis hat den Sinn, dafür<br />
zu arbeiten, dass im einfachen<br />
Volk die Basis immer<br />
größer wird, um die notwendigen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen am System<br />
herbeiführen zu können.<br />
Ziel und Mittel <strong>der</strong><br />
Entwicklung<br />
Nicht <strong>der</strong> Durst des einfachen<br />
Volkes treibt das Projekt zur<br />
Umleitung des São Francisco<br />
voran, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wasserbe-<br />
46 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
Die Kirche<br />
Jesus<br />
Zeichen für<br />
Gerechtig<br />
Verände<br />
ersetzt den<br />
eine<br />
Welt nicht<br />
einen<br />
lischen<br />
mit Grund<br />
mitteln”, so<br />
eigene<br />
gung von<br />
und<br />
überflüssig
setzt wie<br />
konkrete<br />
Offenheit,<br />
keit und<br />
rung. Sie<br />
Kampf für<br />
bessere<br />
durch<br />
„himm-<br />
Warenkorb<br />
nahrungs-<br />
dass die<br />
Anstren-<br />
Denken<br />
Handeln<br />
würde.<br />
darf von Agrobusiness und Industrie.<br />
Die Durchführung<br />
von Großprojekten, die große<br />
Geschäfte für wenige Menschen<br />
bedeuten, verbrauchen<br />
immer mehr Naturvorkommen<br />
(Land und Wasser). Dieses<br />
Modell missachtet das<br />
Wissen <strong>der</strong> lokalen Gemeinden,<br />
laugt die Böden aus, verunreinigt<br />
die Gewässer und<br />
treibt in die Arbeitslosigkeit.<br />
Es zwingt die Menschen, zuzulassen,<br />
dass die Artenvielfalt<br />
in ihrer Region, ihre Böden<br />
und ihre Subsistenzwirtschaft<br />
zu Län<strong>der</strong>eien für Viehzucht<br />
und Monokultur verwandelt<br />
werden. Der größere Teil <strong>der</strong><br />
Landbevölkerung wird gezwungen,<br />
in die Peripherien<br />
<strong>der</strong> Städte abzuwan<strong>der</strong>n. Die<br />
herrschende Leitvorstellung<br />
von Entwicklung basiert auf<br />
großflächigen Län<strong>der</strong>eien, auf<br />
Maschinen, auf chemischen<br />
Zusätzen und auf genetisch<br />
verän<strong>der</strong>tem Samengut. Solche<br />
Entwicklung produziert<br />
für den Großmarkt und den<br />
Außenmarkt. Die Geste von<br />
Frei Cappio war ein Versuch,<br />
gegen dieses sich ständig weiter<br />
ausbreitende Modell von<br />
Latifundien, von Monokultur,<br />
Export, Industrialisierung des<br />
Elends (“Industrie <strong>der</strong> Trokkengebiete”),<br />
von privilegiertem<br />
Luxus und sozioökologischer<br />
Zerstörung Wi<strong>der</strong>stand<br />
zu mobilisieren. Frei<br />
Cappio und das Volk <strong>der</strong> Region<br />
stehen für ein nachhaltiges<br />
Zusammenleben mit dem Gebiet<br />
des halbtrockenen Klimas<br />
(Auffangen des Regenwassers<br />
in Zisternen und unterirdische<br />
Wasserreservoire). Versuche<br />
für dieses Modell sind von <strong>der</strong><br />
Landpastoral (CPT) und <strong>der</strong><br />
Landlosenbewegung (MST)<br />
gemacht worden. Diese setzen sich ein<br />
für landwirtschaftliche Vielfalt, Familienwirtschaft,<br />
Agrarreform, Wie<strong>der</strong>erlangung<br />
des Gleichgewichts zwischen Land<br />
und Stadt, Stärkung <strong>der</strong> lokalen und regionalen<br />
Märkte und für Nahrungsmittelautonomie.<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Kirche<br />
Die Kirche hat von Jesus von Nazaret<br />
gelernt, mit den Kleinen und Leidenden<br />
mitzuleiden. Sie kennt die Armen und<br />
die An<strong>der</strong>en; sie respektiert ihre theologische<br />
Autorität: „Die Kirche … ist das<br />
Zuhause für die Armen Gottes”, sagten<br />
die Bischöfe in Aparecida (DA 8, 524).<br />
Das Mitleiden mit den Armen gehört<br />
zum Selbstverständnis <strong>der</strong> Kirche, bestimmt<br />
ihre Vorstellungswelt und ihre<br />
Symbolik. Sie baut nicht an einem Paradies<br />
auf Erden, aber wie Jesus setzt sie<br />
konkrete Zeichen für Offenheit, Gerechtigkeit<br />
und Verän<strong>der</strong>ung. Sie ersetzt den<br />
Kampf für eine bessere Welt nicht durch<br />
einen “himmlischen Warenkorb mit<br />
Grundnahrungsmitteln”, so dass die eigene<br />
Anstrengung von Denken und<br />
Handeln überflüssig würde. Indem sie<br />
uns Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hoffnung unterbreitet<br />
(„Auferstehung”), greift sie unsere Freiheit<br />
auf, entschlüsselt uns aber nicht alle<br />
Rätsel <strong>der</strong> menschlichen Existenz. Die<br />
Teufel sind immer noch los. Und wir haben<br />
keine an<strong>der</strong>en Sicherheiten als die<br />
Wahrscheinlichkeiten unseres Glaubens.<br />
Wer einen Hungerstreik, ein Mittel<br />
des gewaltlosen Kampfes, beginnt, weiß<br />
nicht, wie er enden wird. Das Ziel ist<br />
nicht, den Kampf “zu gewinnen”. Wer<br />
gewinnt, das sind die an<strong>der</strong>en. Das Ziel<br />
ist, ein Anliegen voranzubringen. Indem<br />
Frei Cappio seine fast unsichtbare Gestalt<br />
sichtbar macht, bringt er das Anliegen<br />
<strong>der</strong> Anrainer, <strong>der</strong> indigenen Bevölkerung<br />
und <strong>der</strong> Quilombo-Bewohner<br />
am Fluss São Francisco voran. Indem er<br />
auf symbolische Weise ihr genügsames<br />
Leben teilte und für das Wasser <strong>der</strong><br />
Durstleidenden kämpfte, wurde Luís<br />
Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?<br />
47
Cappio zur Ikone <strong>der</strong> Hoffnung und<br />
zum Zeichen einer höheren Gerechtigkeit.<br />
Durch Schweigen, Gebet und Fasten<br />
in <strong>der</strong> Kapelle São Francisco in<br />
Sobradinho (Bahía) motivierte er uns erneut,<br />
an die Gegenwart eines Gottes zu<br />
glauben, <strong>der</strong> sich entäußerte, um an <strong>der</strong><br />
Seite <strong>der</strong> Kleinen seinen Platz einzunehmen.<br />
Wir leben von den Wallfahrten um<br />
Land, vom Schrei um Land, vom Fasten<br />
und Beten, von <strong>der</strong> Mystik bei den<br />
Landbesetzungen <strong>der</strong> Landlosen (MST),<br />
von den Gottesdiensten im Gedenken<br />
an unsere Märtyrer, von <strong>der</strong> Eucharistie<br />
– wir leben von all diesen unscheinbaren<br />
Zeichen, die unseren Kämpfen<br />
Kraft geben. Der Kampf geht weiter,<br />
weil die Teufel immer noch los sind.<br />
Doch die Große Cobra, die sich in den<br />
Flüssen São Francisco, Araguaia, Xingú/<br />
Bischof Cappio liebt die Menschen (II)<br />
48 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
Amazonas versteckte, fand in Luís Cappio,<br />
Pedro Casaldáliga und Erwin Kräutler<br />
tapfere Krieger, die uns zusammenrufen,<br />
um an einer neuen Welt zu bauen,<br />
in <strong>der</strong> solche heroischen Gesten<br />
nicht mehr notwendig sind, weil in dieser<br />
Welt die Verzweiflung sich in Hoffnung<br />
verwandelt.<br />
* Im Portugiesischen bedeutet "o Dom" sowohl<br />
Bischof als auch Geschenk. Durch die doppelte<br />
Wortbedeutung ergibt sich inhaltlich, dass man<br />
Dom (Cappio) nicht verkauft hat [Anmerkung<br />
<strong>der</strong> Übersetzerin].<br />
Übersetzt aus dem brasilianischen<br />
Portugiesisch von Maria Schwabe
Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind<br />
gefor<strong>der</strong>t<br />
José Comblin<br />
Inmitten einer Gesellschaft, in <strong>der</strong> das Geld den höchsten<br />
Wert darstellt und Wettbewerb und Machterweiterung regieren,<br />
kann die Kirche nicht mehr durch Verlautbarungen Zeugnis<br />
geben. Erwartet werden sichtbare prophetische Gesten.<br />
Das II. Vatikanische Konzil verkündete,<br />
dass die Kirche im Dienst <strong>der</strong> Welt steht<br />
und kein Selbstzweck ist. Ihr Ziel ist die<br />
Erlösung aller Völker, <strong>der</strong> ganzen<br />
Menschheit. Das Konzil anerkennt, dass<br />
die Welt autonom ist und dass nicht<br />
mehr die Kirche die Welt regiert, wie zu<br />
den Zeiten christlicher Herrschaft. In<br />
Gaudium et Spes verzichtet man auf dieses<br />
Projekt <strong>der</strong> Christenheit. Allerdings<br />
sind die Worte das Eine, die Realität ist<br />
ganz an<strong>der</strong>s. In <strong>der</strong> Praxis handelt ein<br />
großer Teil <strong>der</strong> Kirche so, als gäbe es<br />
noch die gesellschaftlich herrschende<br />
Christenheit wie in <strong>der</strong> ersten Hälfte des<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>ts o<strong>der</strong> als könne man sie<br />
wie<strong>der</strong>herstellen. Als in Brasilien die<br />
Trennung von Staat und Kirche vollzogen<br />
wurde, erarbeiteten die Bischöfe ein<br />
Programm zur Rückeroberung <strong>der</strong> verlorenen<br />
Macht und nutzten dabei die<br />
Strukturen <strong>der</strong> republikanischen Gesellschaft,<br />
so dass die Kirche in <strong>der</strong> Praxis<br />
José Comblin, katholischer Theologe<br />
aus Belgien, lebt seit 1958 in Brasilien.<br />
Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten<br />
zur Exegese hat er sich in jüngster<br />
Zeit vor allem mit <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
von Glauben, Theologie und<br />
Kirche durch die Globalisierung befasst.<br />
die gesellschaftlich herrschende Christenheit<br />
wie<strong>der</strong> herstellte. Sie setzten<br />
vor allem die uralte Strategie ein: evangelisieren<br />
durch Kin<strong>der</strong> und durch Bildungsinstitutionen.<br />
So hat die Kirche in<br />
einem Zeitraum von 50 Jahren und unter<br />
<strong>der</strong> Anleitung von Kardinal Leme, einem<br />
großen Bewun<strong>der</strong>er <strong>der</strong> europäischen<br />
Christenheit, in Brasilien wie<strong>der</strong><br />
große Macht errungen. Man sagt, dass<br />
80% <strong>der</strong> brasilianischen Elite katholische<br />
Bildungseinrichtungen besucht haben.<br />
Wie<strong>der</strong>um hatte die Kirche eine beeindruckende<br />
Fassade. Wie<strong>der</strong>um wurden<br />
Kirche und Staat miteinan<strong>der</strong> verflochten.<br />
Die herrschende Klasse spürte, dass<br />
sie die Kirche brauchte, um sich das<br />
Volk zu unterwerfen, und sparte nicht<br />
mit Begünstigungen o<strong>der</strong> gar Privilegien,<br />
von denen die katholischen Institutionen<br />
profitierten.<br />
Fast alle lateinamerikanischen Län<strong>der</strong><br />
machten eine ähnliche Entwicklung<br />
durch. Das Vorbild war <strong>der</strong> Wohlfahrtsstaat<br />
Westeuropas, das heißt ein durch<br />
Sozialgesetzgebung eingegrenzter Kapitalismus,<br />
in dem die Arbeiter beschützt<br />
und die traditionellen ethischen Werte,<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Familie, bewahrt wurden.<br />
Es stimmt jedoch, dass es auf dem<br />
Land an<strong>der</strong>s aussah. Diese neue Christenheit<br />
stellte die Strukturen auf dem<br />
Land nicht in Frage, die Menschen auf<br />
José Comblin – Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind gefor<strong>der</strong>t<br />
49
dem Land wurden ignoriert und blieben<br />
ohne Einfluss auf das Leben <strong>der</strong> Nationen.<br />
Der CEPAL-Plan passte zu diesem<br />
Modell, weil er verhin<strong>der</strong>te, dass das<br />
große Weltkapital sich <strong>der</strong> nationalen<br />
Ökonomie bemächtigte, obwohl das<br />
Eindringen nicht voll und ganz verhin<strong>der</strong>t<br />
werden konnte. Alles schien in Frieden<br />
zu sein.<br />
Neues Bündnis von politischer<br />
und religiöser Macht<br />
Die Abkommen zwischen den Bischöfen<br />
und dem Präsidenten Juscelino Kubitschek<br />
symbolisierten die harmonischen<br />
Beziehungen innerhalb einer de facto<br />
herrschenden neuen Christenheit, in <strong>der</strong><br />
die Kirche zwar offiziell über keine politische<br />
Macht verfügte, diese aber in Wirklichkeit<br />
doch besaß, und zwar dank <strong>der</strong><br />
vertraulichen Beziehungen zwischen <strong>der</strong><br />
religiösen Macht und <strong>der</strong> Macht auf nationaler,<br />
staatlicher o<strong>der</strong> kommunaler<br />
Ebene.<br />
Die danach herrschenden Militärregimes<br />
haben die Gesellschaftsstrukturen<br />
nicht grundsätzlich geän<strong>der</strong>t, außer in<br />
Chile, wo Pinochet seit den 70er Jahren<br />
das neue Modell <strong>der</strong> neoliberalen Globalisierung<br />
einführte. In Brasilien übernahm<br />
es die Kirche mit einem gewissen<br />
Erfolg, die zivilen Freiheiten und die<br />
Rechte <strong>der</strong> Bürger zu schützen. Wenn<br />
man die Län<strong>der</strong> vergleicht, war die Repression<br />
in Brasilien viel geringer als in<br />
Argentinien und Chile o<strong>der</strong> in den Län<strong>der</strong>n<br />
Zentralamerikas. Es gab hier auch<br />
nicht so viele Konflikte im Bereich <strong>der</strong><br />
sozialen und ökonomischen Struktur. In<br />
<strong>der</strong> Praxis stimmten die Militärregierungen<br />
– außer in Chile – in gewisser Weise<br />
global mit <strong>der</strong> Soziallehre <strong>der</strong> Kirche<br />
überein und zögerten so die vorhergehende<br />
Phase hinaus. Sie praktizierten einen<br />
Nationalismus, <strong>der</strong> sie vor <strong>der</strong> Ansteckung<br />
durch das neoliberale Modell<br />
schützte. Deshalb beriefen sich die Bischofskonferenzen,<br />
die mit den Militärregierungen<br />
zusammen gearbeitet ha-<br />
50 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
ben, auf das Argument <strong>der</strong> Übereinstimmung<br />
mit <strong>der</strong> Soziallehre.<br />
Nach dem Ende <strong>der</strong> Militärdiktaturen<br />
dachten viele, darunter <strong>der</strong> Klerus und<br />
die Bischöfe, dass man ganz harmonisch<br />
zum alten System <strong>der</strong> friedlichen Beziehungen<br />
zurückkehren könne, in denen<br />
die Soziallehre <strong>der</strong> Kirche die Ideologie<br />
für Regime <strong>der</strong> sozialen Wohlfahrt liefern<br />
könnte. Neu wäre lediglich, dass<br />
<strong>der</strong> Wohlfahrtsstaat auch die an<strong>der</strong>en<br />
Bevölkerungskreise, zum Beispiel die<br />
Landbevölkerung, integrieren könnte.<br />
Unter dem Anschein von<br />
Demokratie wurde die<br />
Macht von den Staaten auf<br />
die großen Finanzkomplexe<br />
und die multinationalen<br />
Unternehmen verlagert.<br />
Sie dachten, die Zeit <strong>der</strong> Agrarreform sei<br />
gekommen. Ein Blick auf Chile hätte da<br />
mehr Misstrauen erwecken können. In<br />
Chile behielt die Demokratisierung das<br />
neoliberale Modell bei, ohne es real in<br />
Frage zu stellen, und die Kirche<br />
schwieg. Die christlich demokratische<br />
Partei regierte und wurde für die Fortsetzung<br />
des neoliberalen Modells verantwortlich.<br />
Doch dann kam das neue Gesellschaftsmodell,<br />
Globalisierung o<strong>der</strong> Neoliberalismus<br />
genannt – wobei die Namen<br />
keine Bedeutung haben. Alles das<br />
vollzog sich in den 90er Jahren, in <strong>der</strong><br />
„beschämenden Dekade“ nach <strong>der</strong> „verlorenen<br />
Dekade“ <strong>der</strong> 80er Jahre. Die Lateinamerikanischen<br />
Län<strong>der</strong> öffneten sich<br />
für das neoliberale Modell und integrierten<br />
sich in das Imperium des Neokapitalismus<br />
<strong>der</strong> großen multinationalen Unternehmen.<br />
Das alles ist weithin bekannt.<br />
Was in <strong>der</strong> Ersten Welt seit den 70er<br />
Jahren und vor allem in den 80er Jahren<br />
geschah, vollzog sich in Lateinamerika
in den 90er Jahren (in Chile in den 70er<br />
Jahren), ohne spürbare Auswirkungen<br />
auf das Verhältnis Kirche-Welt gehabt zu<br />
haben.<br />
Kirchliche Soziallehre ohne<br />
Wirkung<br />
Unter dem Anschein von Demokratie<br />
wurde die Macht von den Staaten auf<br />
die großen Finanzkomplexe und die<br />
multinationalen Unternehmen verlagert.<br />
Zwischen dem Projekt<br />
<strong>der</strong> Kirche und dem<br />
Projekt des großen<br />
Kapitals gibt es<br />
keinen Kontakt<br />
mehr.<br />
Die Regierungen behaupten zwar noch<br />
immer, dass sie <strong>der</strong> christlichen Soziallehre<br />
treu blieben, aber die neue Weltwirtschaftsmacht<br />
ignoriert diese Doktrin<br />
völlig. Sie hat ganz an<strong>der</strong>e Kriterien.<br />
Zwischen dem Projekt <strong>der</strong> Kirche und<br />
dem Projekt des großen Kapitals gibt es<br />
keinen Kontakt mehr. Das ökonomische<br />
Modell beruft sich auf die Autorität <strong>der</strong><br />
Wissenschaft. Und gegen die Wissenschaft<br />
kann man nichts machen.<br />
Das bedeutet, dass die Soziallehre<br />
<strong>der</strong> Kirche ihre gesamte Durchsetzungskraft<br />
verloren hat. Sie ist unbedeutend<br />
geworden, weil ohne Effizienz und reale<br />
Wirkung in <strong>der</strong> Gesellschaft. Es ist so, als<br />
ob sie nicht existiert.<br />
Deshalb befinden wir uns in einer<br />
neuen Situation: wir haben eine Kirche<br />
des Schweigens inmitten einer Gesellschaft,<br />
in <strong>der</strong> das Geld den höchsten<br />
Wert darstellt und Wettbewerb und<br />
Machterweiterung regieren. Niemand<br />
liest die Soziallehre <strong>der</strong> Kirche, denn allen<br />
ist mehr o<strong>der</strong> weniger bewusst, dass<br />
sie jede Gültigkeit verloren hat. Gaudium<br />
et Spes ist irrelevant geworden, ist ohne<br />
realen Bezug und wird nicht angewendet.<br />
Wirksame prophetische Gesten<br />
Daher muss die Kirche ihr Zeugnis auf<br />
an<strong>der</strong>e Art und Weise kundtun. Heutzutage<br />
Dokumente zu veröffentlichen o<strong>der</strong><br />
Reden zu halten, wird nicht wahrgenommen.<br />
Niemand liest diese Dokumente,<br />
Erklärungen, Aufrufe usw. Für<br />
den Internationalen Währungsfonds ist<br />
so etwas nicht von Bedeutung. Die Welt<br />
von heute braucht konkretere, stärkere<br />
Botschaften, die es schaffen, die Medien<br />
zu mobilisieren und die Aufmerksamkeit<br />
und Emotionen <strong>der</strong> Massen zu wecken.<br />
Nicht Worte sind heute die Form,<br />
Zeugnis zu geben, son<strong>der</strong>n Gesten. Die<br />
Geste des Daniel, <strong>der</strong> sich weigerte, die<br />
Statue aus Gold anzubeten. Wo findet<br />
man die Statue aus Gold? Sie ist in Davos,<br />
im Pariser Klub, im Internationalen<br />
Währungsfonds, in <strong>der</strong> Welthandelsorganisation.<br />
Sie ist in den multinationalen<br />
Unternehmen. Ihre Auswirkungen<br />
kann man nicht zählen: Arbeit wird zur<br />
Ware, Arbeiter werden in den Betrieben<br />
wie Sklaven behandelt, die Hälfte <strong>der</strong><br />
Bevölkerung wird gesellschaftlich ausgeschlossen,<br />
ganze Stadtgebiete werden<br />
in Armenviertel verwandelt usw. Es handelt<br />
sich dabei nicht um kleine, vereinzelte<br />
Skandale, son<strong>der</strong>n um Fakten großen<br />
Ausmaßes. Und vor allem werden<br />
Menschen davon betroffen.<br />
Erwartet werden sehr deutliche,<br />
sichtbare prophetische Aktionen, die das<br />
Wort Gottes bei den Menschen kundtun,<br />
so dass dieses in <strong>der</strong> Tat bei den<br />
Massen ankommen kann. Ein Beispiel<br />
soll darauf hinweisen, wie notwendig<br />
das ist. Als <strong>der</strong> Bischof von Barra, Dom<br />
Luís Flavio Cappio, in den Hungerstreik<br />
trat, um auf die Lügen und Ungerechtigkeiten<br />
im Zusammenhang mit dem<br />
Umleitungsprojekt des Rio São Francisco<br />
aufmerksam zu machen, haben alle<br />
Nachrichtenmedien diese Nachricht<br />
José Comblin – Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind gefor<strong>der</strong>t<br />
51
übertragen. Diese einfache Aktion wurde<br />
sogar von <strong>der</strong> nationalen Öffentlichkeit<br />
diskutiert und es kam zu einem –<br />
vorläufigen – Stop dieses Projektes.<br />
Wenn die Brasilianische Bischofskonferenz<br />
ein Dokument dazu veröffentlicht<br />
hätte, hätte niemand davon Kenntnis<br />
genommen.<br />
In den Zeiten <strong>der</strong> Militärregime gab<br />
es viele ähnliche prophetische Aktionen,<br />
beispielsweise von großartigen Bischöfen<br />
in Brasilien, Chile und an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n.<br />
Der Tod von Bischof Oscar Ro-<br />
Der Feind ist das<br />
diktatorische<br />
Weltwirtschaftssystem,<br />
das in den Län<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> Ersten Welt<br />
sein Zentrum hat.<br />
mero war ein außerordentliches Zeichen.<br />
In <strong>der</strong> damaligen Zeit richteten<br />
sich die Zeichen an die Völker, die von<br />
Militärdiktaturen beherrscht wurden.<br />
Heute sind nicht mehr die Militärs das<br />
Problem. Im Gegenteil, es gibt Militärs,<br />
die zu <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Geschichte Lateinamerikas<br />
sehr starken nationalistischen Tradition<br />
zurückkehren möchten. Der Feind<br />
ist das diktatorische Weltwirtschaftssystem,<br />
das in den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ersten<br />
Welt sein Zentrum hat.<br />
Präsenz <strong>der</strong> Kirche?<br />
Seitdem das neue Kommunikationssystem<br />
auch Eingang in die Kirche gefunden<br />
hatte, richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit<br />
<strong>der</strong> Medien auf die Person<br />
des Papstes Johannes Paul II.. Er monopolisierte<br />
die Macht <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> auf sich<br />
und war praktisch <strong>der</strong> einzige durch die<br />
Medien bekannt gemachte Katholik. Der<br />
Papst besaß die Gabe <strong>der</strong> Kommunikation<br />
und wollte – bewusst o<strong>der</strong> unbe-<br />
52 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
wusst – <strong>der</strong> einzige Star sein. Dem Papst<br />
gelang es, die Kirche ausdrucksstark<br />
nach außen sichtbar zu machen. Im<br />
Großen und Ganzen aber war seine Botschaft<br />
sehr einseitig orientiert, denn es<br />
ist nicht möglich, dass eine einzige Person<br />
in sich selbst den gesamten Zeugnisauftrag<br />
<strong>der</strong> Kirche vereint.<br />
Die nach <strong>der</strong> Französischen Revolution<br />
entstandene Neochristenheit hatte<br />
die Schaffung vieler katholischer Institutionen<br />
angeregt. Diese schafften es, die<br />
alten Menschen vom Land mit ihren<br />
bäuerlichen Traditionen im Schoß <strong>der</strong><br />
Kirche zu halten. Dasselbe gelang ihnen<br />
aber nicht mit den Arbeitern o<strong>der</strong> den<br />
Intellektuellen. Auch heute entstehen<br />
viele “katholische” Institutionen. Sie haben<br />
ihre Vorteile und ihre positiven Wirkungen.<br />
Die katholischen Einrichtungen sind<br />
aber längst keine starken Signale mehr<br />
in <strong>der</strong> Welt von heute. Sie gleichen eher<br />
Inseln, Fluchtorten o<strong>der</strong> Orten, die dem<br />
Rest <strong>der</strong> Welt unbekannt bleiben. Sie<br />
dienen den traditionellen Christen, stellen<br />
aber keine Verkündigung des Evangeliums<br />
für die große Masse dar. Es gibt<br />
nicht einmal mehr eine große Bauernbevölkerung<br />
mit traditioneller Kultur. Außerdem<br />
gibt es auch solche Einrichtungen,<br />
<strong>der</strong>en Botschaft lautet, dass “die<br />
Kirche reich ist”.<br />
Darüber hinaus haben solche<br />
“katholischen” Einrichtungen die Wirkung,<br />
dass in den gesellschaftlichen Institutionen<br />
und in <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />
die Katholiken fehlen. Sie ziehen die<br />
Energien <strong>der</strong> am besten ausgebildeten<br />
Katholiken ab. Wer wird Zeugnis geben<br />
inmitten <strong>der</strong> Welt? Statt sich als Missionare<br />
ausgesandt zu wissen, leben die<br />
Katholiken in einer Parallelgesellschaft<br />
ohne Kontakt mit <strong>der</strong> Gesamtgesellschaft.<br />
Wenn die Kirche weiterhin für<br />
sich die besten Ordensleute und Laien<br />
beansprucht, wer wird dann präsent<br />
sein und Zeugnis geben in den Betrieben,<br />
in den Wohngebieten, in den Armenvierteln,<br />
in den Universitäten, in<br />
den Schulen usw.?
Heutzutage gibt es tausende von Gesellschaften<br />
und Organisationen, die gegen<br />
das neoliberale Gesellschaftsmodell<br />
kämpfen. Da gibt es auch Raum für die<br />
Katholiken. Denn in all diesen Bewegungen<br />
braucht man eine Ideologie, konkrete<br />
Projekte und überzeugende Führungspersonen.<br />
Die Katholiken hätten<br />
Platz, sich als die uneigennützigsten, bescheidensten<br />
und aufrichtigsten Diener<br />
zu erweisen. Sie könnten das Salz <strong>der</strong><br />
Erde sein, das Licht auf dem Berge, das<br />
die Blicke auf sich lenkt.<br />
Von amtlicher Seite werden die Laien<br />
immer wie<strong>der</strong> dazu ermahnt, Zeugnis in<br />
<strong>der</strong> Welt zu geben. Doch wie können sie<br />
es tun, wenn sie dazu beansprucht werden,<br />
katholischen Institutionen zu dienen.<br />
Die Kirche vereinnahmt viele Menschen,<br />
die in <strong>der</strong> Welt stehen könnten.<br />
Zwischen dem offiziellen Diskurs über<br />
die Laien und <strong>der</strong> institutionellen Praxis,<br />
die sich nicht für die Welt interessiert,<br />
gibt es einen Wi<strong>der</strong>spruch. Die Hierarchie<br />
müsste eine klarere Haltung einnehmen<br />
und keine wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />
Orientierungen geben.<br />
Wi<strong>der</strong>stand und Mystik<br />
Die Christen sind in <strong>der</strong> Welt von heute<br />
viel stärker herausgefor<strong>der</strong>t als früher,<br />
denn die herrschenden Strukturen sind<br />
sehr mächtig und autoritär. In den Unternehmen<br />
gibt es eine totale Überwachung.<br />
Niemand darf in Frage stellen,<br />
niemand kann protestieren, niemand<br />
kritisieren. Wer sich nicht wie ein Sklave<br />
unterwirft, wird verdächtigt und kann<br />
entlassen werden. Zeugnis geben bedeutet<br />
daher leidenschaftlich und mutig<br />
sein. Zugleich muss man klug sein wie<br />
die Schlange. Es gibt keine Redefreiheit.<br />
Gleichzeitig gibt es eine Kampagne <strong>der</strong><br />
Gehirnwäsche, um die Gehirne zu manipulieren<br />
und zu erreichen, dass alle davon<br />
überzeugt sind, dass man gehorchen<br />
muss, dass es keine Alternative<br />
gibt und dass man sich glücklich zu<br />
schätzen hat, weil man diesem Betrieb<br />
angehört. Alle Humanwissenschaften<br />
wetteifern darum, die Gehirne zu unterwerfen.<br />
Die Medien, die Institutionen,<br />
das globale Ambiente <strong>der</strong> Gesellschaft:<br />
alles dient dazu, jeden Verän<strong>der</strong>ungsversuch<br />
zu entmutigen. Deshalb können<br />
nur gefestigte Persönlichkeiten mit starker<br />
Überzeugung Zeugnis geben. Die<br />
Mehrheit wird im Schweigen verharren.<br />
Die neoliberale Wirtschaft hat die gleiche<br />
Kraft wie die römischen Kaiser. Der<br />
psychologische Druck ist stark. In <strong>der</strong><br />
Praxis weichen die meisten zurück und<br />
Die Christen sind in <strong>der</strong> Welt<br />
von heute viel stärker<br />
herausgefor<strong>der</strong>t als früher,<br />
denn die herrschenden<br />
Strukturen sind sehr<br />
mächtig und autoritär.<br />
geben ihre eigene Überzeugung preis.<br />
Es ist also notwendig, sich gut vorzubereiten<br />
und Unterstützung zu bekommen.<br />
Ohne eine fundierte Ausbildung<br />
kann niemand in <strong>der</strong> Gesellschaft den<br />
Mund aufmachen, son<strong>der</strong>n alle werden<br />
nur die von den Medien verbreiteten<br />
Lügen wie<strong>der</strong>holen.<br />
Heutzutage ist das Leben ständig<br />
von Sorge geprägt, sei es um den Erhalt<br />
des Arbeitsplatzes, wenn man Arbeit<br />
hat, sei es von <strong>der</strong> Suche nach einer Arbeit,<br />
wenn man keine Arbeit hat o<strong>der</strong><br />
vom Nachdenken über Möglichkeiten<br />
des Überlebens bei denen, die es aufgegeben<br />
haben, nach Arbeit zu suchen.<br />
Alle stehen miteinan<strong>der</strong> im Wettbewerb.<br />
Um eine Arbeit zu bekommen, ist<br />
es notwendig, Gefallen zu finden, zu<br />
schmeicheln und vor allem gute Beziehungen<br />
zu haben. Wie kann man in einem<br />
solchen Ambiente das Gleichgewicht<br />
bewahren? Wie kann man ernsthaft<br />
mit solchen Drohungen leben? Nur<br />
Helden können das. Der soziale Druck<br />
ist so stark, dass man sich, ohne eine tie-<br />
José Comblin – Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind gefor<strong>der</strong>t<br />
53
fe Mystik zu haben, nicht davor schützen<br />
kann. Der Klerus nimmt gar nicht<br />
mehr teil an dem, was in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
passiert. Er lebt an einem privilegierten<br />
Ort und weiß deshalb nicht, was<br />
vor sich geht. Die Hierarchie ist sich <strong>der</strong><br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />
Gesellschaft nicht bewusst. Es bringt<br />
nichts zu denken, dass sich diese Dinge<br />
durch die Entwicklung von selbst än<strong>der</strong>n,<br />
denn in den entwickelten Län<strong>der</strong>n<br />
sind diese Probleme noch stärker.<br />
Daher kann man als Christ nicht ohne<br />
Mystik in dieser Welt handeln. Rahner<br />
hat bereits gesagt, dass die Kirche<br />
im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t entwe<strong>der</strong> mystisch<br />
ist o<strong>der</strong> nicht mehr sein wird. Es gibt<br />
nicht nur eine einzige Form von Mystik,<br />
son<strong>der</strong>n eine Fülle verschiedener Mystiken<br />
ist im Entstehen. Ein Leben, ohne<br />
die ständige Erfahrung, dass Gott dabei<br />
ist, wird niemand aushalten. Heutzutage<br />
kann die Mystik nicht an einem Zufluchtsort<br />
fern von <strong>der</strong> Welt gelebt werden.<br />
Sie muss in <strong>der</strong> Gesellschaft gelebt<br />
werden wie in <strong>der</strong> ersten Zeit, das heißt<br />
in einer Gesellschaft, die konträr zum<br />
Evangelium steht, die keine moralischen<br />
Werte kennt, in einer Gesellschaft ohne<br />
Liebe und in <strong>der</strong> alle füreinan<strong>der</strong> Rivalen<br />
sind und alle nie<strong>der</strong>getreten, entlassen<br />
und allein gelassen werden können.<br />
Aber die neoliberale Wirtschaft und die<br />
Art und Weise <strong>der</strong> Globalisierung sind<br />
nicht unüberwindbar. Die Überwindung<br />
Bischof Cappio segnet eine alte Frau<br />
54 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
dieses Systems ist vielmehr das große<br />
Ziel des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts und wird nicht<br />
in wenigen Jahren zu verwirklichen sein.<br />
Es gibt bereits ein Erwachen, aber die<br />
Christen sind noch immer nicht daran<br />
beteiligt. Die Männer und Frauen, die<br />
sich beteiligen, praktizieren ein Leben,<br />
das dem Evangelium entspricht. Sie gehören<br />
zur Kirche, aber sie müssen sich<br />
gegenseitig kennen und anerkennen<br />
und einan<strong>der</strong> in Solidarität unterstützen.<br />
Dies wird die Rolle <strong>der</strong> kleinen Gemeinschaften<br />
sein. Ohne die kleinen Gemeinschaften<br />
werden auch mutige Menschen<br />
müde und mutlos werden. Mit<br />
einer lebendigen Kirche können sie jedoch<br />
an<strong>der</strong>e anziehen und diese Welt<br />
verän<strong>der</strong>n.<br />
Die Botschaft Jesu wird nicht von einer<br />
Position <strong>der</strong> Macht aus verbreitet,<br />
son<strong>der</strong>n von leidenschaftlichen, mutigen<br />
Menschen, die sich allein mit <strong>der</strong><br />
Kraft Gottes an die Spitze des Konfliktes<br />
stellen.<br />
Übersetzt aus dem Spanischen von Maria<br />
Schwabe<br />
Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem<br />
längeren Artikel mit dem Titel:<br />
„Die großen Unsicherheiten in <strong>der</strong> Kirche<br />
von heute”. Er wurde ursprünglich<br />
in <strong>der</strong> Brasilianischen Kirchenzeitung<br />
REB (Revista Eclesiástica Brasileña) Nr.<br />
265, Januar 2007, S. 36-58 veröffentlicht.
Bisher erschienene Titel<br />
<strong>der</strong> <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />
Die seit 1979 erschienen Hefte unserer <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />
haben wir nach Stichworten sortiert. Sie sind per Post,<br />
Telefon o<strong>der</strong> E-Mail bestellbar über die<br />
<strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />
Postfach 20 09 53, 53139 Bonn<br />
Telefon: 02 28 / 9 53 54-0, E-Mail: post@missionszentrale.de<br />
Befreiungstheologie<br />
Nr. 1, Leonardo Boff OFM, PUEBLAS<br />
HERAUSFORDERUNG AN DIE FRANZIS-<br />
KANER<br />
Nr. 5, Bernhardino Leers OFM<br />
(vergriffen), KIRCHLICHE BASISGEMEIN-<br />
DEN<br />
Nr. 6, L. Boff OFM/U. Zankanella<br />
(vergriffen), KIRCHLICHE BASISGEMEIN-<br />
DEN IM DIALOG<br />
Nr. 14, Honorio Rito OFM, THEOLO-<br />
GIE DER BEFREIUNG – Eine kritische<br />
Wertung aus franziskanischer Sicht<br />
Nr. 27, Alosio Lorschei<strong>der</strong>, Paulo<br />
Evaristo Arns, Leonardo und Clodovis<br />
Boff, BEFREIUNG UND THEOLOGIE –<br />
Beiträge zur aktuellen Diskussion<br />
Nr. 30, Kardinal Paulo Evaristo Arns,<br />
VOLK GOTTES VON SAO PAULO – Auf<br />
dem Weg zu seiner Befreiung<br />
Nr. 31, Dom Valfredo Tepe, Clodovis<br />
und Leonardo Boff, ROM UND DIE BE-<br />
FREIUNGSTHEOLOGIE – Schritte zur<br />
Verständigung<br />
Nr. 43, ENDE EINER HOFFNUNG –<br />
Dokumentation des Konfliktes um das<br />
CLAR–Projekt “Wort und Leben”<br />
Nr. 57, ARBEITERPASTORAL – Gottes<br />
befreiende Botschaft<br />
Nr. 62, ANNÄHERUNG AN DIE AN-<br />
DEREN – Befreiungstheologische Sommerschule<br />
Nr. 71, QUO VADIS, KIRCHE IN<br />
AMERIKA? – Römische Bischofssynode –<br />
Hoffnungen und Enttäuschungen<br />
Nr. 82, HOFFNUNGSTRÄGER BASIS-<br />
GEMEINDEN – Das 10. Treffen <strong>der</strong> brasilianischen<br />
Basisgemeinden im Juli 2000<br />
Nr. 89, WENN LEBEN, GLAUBEN<br />
UND DENKEN EINS SIND ... –<br />
Befreiungstheologie aktuell<br />
Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />
Nr. 3, Englischsprachige Konferenz<br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>, FRANZISKUS UND DER<br />
NEUE MATERIALISMUS – Eine franziskanische<br />
Antwort auf die Umweltkrise<br />
Nr. 26, Jan Groot Wassink, FRANZIS-<br />
KANISCHE BRUDERSCHAFT IN NATUR<br />
UND GESELLSCHAFT – Ausweg aus den<br />
Irrwegen einer wissenschaftlich–technischen<br />
Kultur<br />
Nr. 38, UMKEHR ZUM LEBEN –<br />
Franziskanische Positionen zur atomaren<br />
Bedrohung<br />
Nr. 46, UNSERE MUTTER ERDE –<br />
LEBENSRAUM FÜR ALLE<br />
Nr. 50, INDIO–FRANZISKANISCHE<br />
UTOPIEN – Zur Strategie des Überlebens<br />
Nr. 55, SANTO DOMINGO 1992 –<br />
IV. Generalversammlung <strong>der</strong> Lateinamerikanischen<br />
Bischofskonferenz, Werden –<br />
Verlauf – Wertung<br />
Bisher erschienene Titel <strong>der</strong> <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />
55
Nr. 65, MUTTER ERDE – NEUE ER-<br />
DE – Reflexionen und Texte aus Lateinamerika<br />
Nr. 70, WENN LEBEN VERFÜGBAR<br />
WIRD – Überbevölkerung, Geburtenkontrolle<br />
und an<strong>der</strong>e Fragen<br />
Nr. 102, BISCHOFSVERSAMMLUNG<br />
APARECIDA 1007 – Neues Pfingsten<br />
o<strong>der</strong> alte Gleise?<br />
Evangelisierung<br />
Nr. 8, Claudio Schnei<strong>der</strong> OFM, Brasilien,<br />
FRANZISKANISCHE GEMEIN-<br />
SCHAFTEN: EIN DIENST AN DER KIR-<br />
CHE<br />
Nr. 11, Hermann Schalück OFM,<br />
SENSIBILITÄT UND SOLIDARITÄT –<br />
Impulse zur franziskanischen Evangelisation<br />
Nr. 19, Ordensrat OFM, DAS EVAN-<br />
GELIUM FORDERT UNS HERAUS –<br />
Überlegungen zur Evangelisierung in<br />
Bahia 1983<br />
Nr. 21, DAS LEBEN TEILEN –<br />
Franziskanischer Dialog in Asien<br />
Nr. 24, Anselm Moons OFM, EVAN-<br />
GELISIERUNG ALS LERNPROZESS –<br />
Auswertung und Dokumentation<br />
Nr. 29, Kilian Holland OFM, AFRIKAS<br />
DILEMMA – Betteln o<strong>der</strong> das eigene<br />
Brot backen<br />
Nr. 33, Andreas Müller (Hrsg.),<br />
EVANGELISIERUNG FÜR EINE NEUE<br />
MENSCHHEIT UND EINE NEUE GESELL-<br />
SCHAFT – Internationaler Missionsrat<br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>, Nairobi 1987<br />
Nr. 37, WORT UND LEBEN – 500<br />
Jahre Evangelisierung Lateinamerikas,<br />
Umkehr und Neubesinnung<br />
Nr. 39, DAS WORT BERUFT DAS<br />
GOTTESVOLK – Erste Etappe des Projektes<br />
“Wort und Leben” <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />
Ordensleute<br />
Nr. 42, 1992 KEIN GRUND ZUM FEI-<br />
ERN – Die Kirche und die Eroberung eines<br />
Kontinents<br />
Nr. 44, DEIN WORT IST LEBEN –<br />
Bibelmeditationen Iateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
56 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
Nr. 45, 500 JAHRE INDIOWIDER-<br />
STAND – 500 Jahre Evangelisierung in<br />
Lateinamerika<br />
Nr. 47, DEIN WORT IST LEBEN / 2 –<br />
Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 48, 500 JAHRE: 1492 – 1992<br />
Nr. 49, 1492 – 1992, 500 JAHRE –<br />
Gold und Gott<br />
Nr. 51, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.), NACH<br />
500 JAHREN – NEUENTDECKUNG AME-<br />
RIKAS – Zeugnisse vom Indio–<br />
Wi<strong>der</strong>stand<br />
Nr. 52, DEIN WORT IST LEBEN /3 –<br />
Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 53, DEIN WORT IST LEBEN /3 (2.<br />
Teil) – Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 54, DEIN WORT IST LEBEN /3 (3.<br />
Teil) – Bibelmeditationen Iateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 64, FRANZISKANISCHE SPIRI-<br />
TUALITÄT UND EVANGELISATION –<br />
Dokumente <strong>der</strong> XIV. UCLAF<br />
Nr. 79, 500 JAHRE BRASILIEN – Für<br />
die “Entdeckten eine schlimme Entdekkung”<br />
Nr. 83, AUF DEM WEG ZU EINER IN-<br />
DISCHEN KIRCHE – Facetten einer Studienreise<br />
Nr. 92, PFINGSTEN STATT BABEL –<br />
Zur Mystik und Spiritualität im Weltsozialforum<br />
Nr. 94, „LÖSE DIE FESSELN VON<br />
DEINEM HALS” (Jes 52,2) – Das Exodus–<br />
Motiv als Leitfaden für eine Bibelwerkstatt<br />
Nr. 96, OSCAR ARNULFO RO-<br />
MERO – Zum 25. Jahrestag seiner Ermordung.<br />
“Anti–imperiale” Spiritualität<br />
Nr. 97, „HR KÖNNT NICHT GOTT<br />
DIENEN UND DEM KAPITAL” –<br />
Lateinamerikanische Bibelwerkstatt<br />
Franz und Klara von Assisi<br />
Nr. 17, Anton Rotzetter OFMCap,<br />
IMPULSE FÜR EINE FRIEDENSSTRATEGIE
BEI FRANZ VON ASSISI<br />
Nr. 22, FRANZ VON ASSISI IM KON-<br />
TEXT DER KULTUREN<br />
Nr. 56, 800 JAHRE KLARA – Die<br />
weibliche Wurzel <strong>der</strong> franziskanischen<br />
Familie<br />
Nr. 87, Franziskus <strong>der</strong> Scharniermensch<br />
Nr. 101, ClARA, ELISABETH,<br />
AGNES – Franziskanische Frauen schreiben<br />
<strong>Franziskaner</strong>orden<br />
Nr. 7, Vinzenz Bohne OFM, FRAN-<br />
ZISKANISCHE JUGEND, Brasilien<br />
Nr. 12, FRANZISKANER IN VIETNAM<br />
Nr. 23, DIE ZEICHEN DER ZEIT –<br />
Standortbestimmung für einen Orden<br />
Nr. 25, STREIFLICHTER – Franzikaner<br />
auf neuen Wegen<br />
Nr. 63, FRANZISKANER IM OSTEN –<br />
Verantwortung für eine neue Wirklichkeit<br />
Frieden<br />
Nr. 41, AKTIVE GEWALTFREIHEIT –<br />
Eine franziskanische Initiative<br />
Nr. 61, BURUNDI – Paradies im Untergang?<br />
Nr. 68, SPIRITUALITÄT DER GEWALT-<br />
FREIHEIT – Eine Grundpflicht des franziskanischen<br />
Charismas<br />
Nr. 69, AUSWEG AUS DEM TRAU-<br />
MA – Bosnien und Kroatien zwischen<br />
Machtpolitik und Glaubenskampf<br />
Nr. 85, FÜR FRIEDEN UND DIALOG<br />
DER RELIGIONEN – Das Engagement<br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao / Philippinen<br />
Nr. 90, Gewaltfrei mit Franziskus –<br />
gewaltfrei durch Franziskus<br />
Nr. 98, EUROPA FRANZISKANISCH<br />
BEWEGEN<br />
Gerechtigkeit<br />
Nr. 18, ZWISCHEN ANSPRUCH UND<br />
WIRKLICHKEIT – Franziskanische Menschen<br />
stellen sich <strong>der</strong> Armut<br />
Nr. 32, DEN HUNGERNDEN DAS<br />
LAND – Die Kirche Brasiliens im Konflikt<br />
um die Landreform<br />
Nr. 35, INTERNATIONALE VER-<br />
SCHULDUNGSKRISE<br />
Nr. 40, BERGPREDIGT ODER SACH-<br />
ZWÄNGE – Theologische Anfragen an<br />
die Eigengesetzlichkeit <strong>der</strong> Ökonomie<br />
Nr. 66, NEOLIBERALISMUS – Das<br />
neue Kreuz des Südens<br />
Nr. 67, MENSCHENRECHTE –<br />
Unsere Anwaltfunktion für die Entrechteten<br />
Nr. 74, IN „GNADENJAHR“ 2000 –<br />
Initiativen und Kampagnen für einen<br />
Schuldenerlaß zur Jahrtausendwende<br />
Nr. 75, WOHNUNG, NAHRUNG,<br />
BILDUNG – ... wirtschaftliche, soziale<br />
und kulturelle Menschenrechte schützen!<br />
Nr. 80, DAS ERLASSJAHR 2000 DARF<br />
NICHT STERBEN – Plädoyer aus dem Süden<br />
Nr. 81, COLLOQUIUM 2000 –<br />
Glaubensgemeinschaften und soziale<br />
Bewegungen im Streit mit <strong>der</strong> Globalisierung<br />
Nr. 84, VERSCHWUNDEN IN AR-<br />
GENTINIEN – Neue Wege gegen Straflosigkeit<br />
und Vergessen<br />
Nr. 86, „PORTO ALEGRE” IN AFRI-<br />
KA – Alternativen zur neoliberalen Globalisierung<br />
im Südlichen Afrika<br />
Nr. 88, VISION UND WIDERSTAND<br />
IM GLOBALISIERUNGSPROZESS<br />
Nr. 91, BÜNDNIS GEGEN HUNGER –<br />
Brasiliens Kampf gegen Hunger und<br />
Verelendung<br />
Nr. 93, GRUNDLEGENDE RECHTE<br />
INDIGENER VÖLKER STÄRKEN: BEITRITT<br />
ZUR ILO–KONVENTION 169! –<br />
Materialien zur Kampagne in Deutschland<br />
Nr. 95, VERTRIEBEN IM EIGENEN<br />
LAND – Demokratische Sicherheit” in<br />
Kolumbien<br />
Bisher erschienene Titel <strong>der</strong> <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />
57
Interreligiöser Dialog<br />
Nr. 20, MIT ANDEREN AUGEN SE-<br />
HEN – Erfahrungen und Impulse zum<br />
Religionsdialog<br />
Nr. 60, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.), DER<br />
TRAUM VON EINER INDIANISCHEN KIR-<br />
CHE – Versuch einer lnkulturation<br />
Nr. 73, DIALOG DER RELIGIONEN –<br />
Wege zur Wahrheit<br />
Nr. 76, INTERRELIGIÖSE BASISGE-<br />
MEINDEN IM INDISCHEN KONTEXT<br />
NR. 78, INTERRELIGIÖSER DIALOG<br />
IN INDIEN<br />
Nr. 85, FÜR FRIEDEN UND DIALOG<br />
DER RELIGIONEN – Das Engagement<br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao / Philippinen<br />
Nr. 99, DAS EINE GEHEIMNIS UND<br />
DIE VIELEN RELIGIONEN<br />
Nr. 100, ZUM DIALOG BERUFEN –<br />
Jubiläumsausgabe zum franziskanischen<br />
Auftrag in unserer Zeit<br />
Mission<br />
Nr. 2, Andreas Müller OFM, 10 JAH-<br />
RE MISSIONSZENTRALE DER FRANZIS-<br />
KANER<br />
Nr. 4, KOMM HERÜBER UND HILF<br />
UNS – Franziskanische Predigten zur<br />
Dialogmission<br />
Nr. 9, Killian Holland OFM, MIT DEN<br />
MASSAI UNTERWEGS<br />
Nr. 10, Anselm Moons OFM, FRAN-<br />
ZISKANISCHE SENDUNG HEUTE –<br />
Skizzen zum gewandelten Missionsverständnis<br />
Nr. 13, Peter Amendt OFM, DEM<br />
EVANGELIUM HEUTE BEGEGNEN –<br />
Notizen vom Missionskongreß in<br />
Mainz/Juni 1981<br />
Nr. 15, DEN AUFBRUCH WAGEN –<br />
Die missionarische Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
<strong>Franziskaner</strong> heute<br />
Nr. 16, SCHWESTERN OHNE KLO-<br />
STERMAUERN – <strong>Franziskaner</strong>innen inmitten<br />
<strong>der</strong> Armen<br />
Nr. 28, Karl Möhring OFM, MISSI-<br />
ONSLAND DEUTSCH–LAND – Erfahrungen<br />
und Reflexionen eines <strong>Franziskaner</strong>s<br />
aus dem Arbeitermilieu<br />
Nr. 34, DIE ARMEN HABEN MICH<br />
BEKEHRT – Porträt des Erzbischofs von<br />
Fortaleza Kardinal Aloisio Lorschei<strong>der</strong><br />
Nr. 58, DER FRANZISKANISCHE MIS-<br />
SIONSAUFTRAG IN EINER VERÄNDER-<br />
TEN WELT – Erinnerung und Erneuerung<br />
Nr. 59, DIE SUCHE NACH GANZ-<br />
HEIT – Die feminine Dimension des franziskanisch–missionarischen<br />
Charismas<br />
Nr. 77, 30 JAHRE MISSIONSZENTRA-<br />
LE DER RANZISKANER: Mit den Armen<br />
unterwegs<br />
Ökumene<br />
58 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />
Nr. 36, FRANZISKANER IN SKANDI-<br />
NAVIEN – Öffnung zur Ökumene<br />
Nr. 72, DIE NEUEN HEILSBRINGER –<br />
Ein Beitrag zur Sektenproblematik<br />
„Die Mystik ... muss<br />
in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
gelebt werden wie<br />
in <strong>der</strong> ersten Zeit,<br />
das heißt in einer<br />
Gesellschaft, die<br />
konträr zum<br />
Evangelium<br />
steht ...“<br />
José Comblin