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Grüne Reihe 103: Störenfried - Missionszentrale der Franziskaner

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Der Präsident – Geisel des Kapitals?!<br />

Stephan Ottenbreit OFM und Pfarrer Norbert Arntz<br />

Der Hungerstreik des brasilianischen <strong>Franziskaner</strong>bischofs<br />

Luiz Flavio Cappio zusammen<br />

mit den Sozialbewegungen Brasiliens zeigt eine<br />

beachtliche Wirkung. Im Februar 2008 debattiert<br />

<strong>der</strong> Senat im Kongress einen ganzen<br />

Tag lang erstmals mit Cappio, mit Ministern<br />

und Wissenschaftlern. Man streitet über die<br />

Konsequenzen des gigantischen Flussumleitungsprojekts<br />

am Rio São Francisco, das 2007<br />

von <strong>der</strong> Armee in Angriff genommen worden<br />

war. Vor Weihnachten 2007 hatte Bischof<br />

Cappio durch diesen 24-tägigen prophetischen<br />

Gestus gegen das umstrittene Projekt weltweit Aufsehen erregt.<br />

Als Bischof Cappio nach dem ersten Hungerstreik 2005 in den<br />

Präsidentenpalast vorgelassen wird, sagt er Lula klare <strong>Franziskaner</strong>-<br />

Worte: „Senhor, ich habe mitgekämpft, damit Sie Präsident werden.<br />

Doch Sie haben ihre und jenes Volkes Wurzeln vergessen, das<br />

Sie gewählt hat. Senhor Lula, heute sind Sie Geisel des Kapitals,<br />

großer in- und ausländischer Wirtschaftsgruppen.“<br />

Der so redet und handelt, ist zweifellos ein kenntnisreicher <strong>Störenfried</strong>.<br />

Bei seiner Wallfahrt 1992 den Rio São Francisco entlang –<br />

immerhin fast 2800 km – wird ihm <strong>der</strong> Strom zum Symbol für einen<br />

Planeten mit vergifteten Flüssen, verwüsteten Wäl<strong>der</strong>n, ohne<br />

Biodiversität, dominiert von Monokulturen, besetzt von einer unsagbar<br />

reichen, ausbeuterischen, technokratischen und <strong>der</strong> Zukunft<br />

<strong>der</strong> Mutter Erde gegenüber gleichgültigen Elite. Über neunzig<br />

Prozent des Wassers seien für Industrie und Exportlandwirtschaft<br />

bestimmt, nur fünf Prozent für bedürftige Menschen. Deren<br />

Wasserprobleme würden bei weitem nicht gelöst. Dies könnten<br />

weit billigere Alternativprojekte leisten.<br />

Das Vorbild für Bischof Cappio: Franz von Assisi, <strong>der</strong> sich Anfang<br />

des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit den Opfern <strong>der</strong> entstehenden Industrie<br />

solidarisierte. Franziskus entledigte sich auf dem Platz von<br />

Assisi seiner Klei<strong>der</strong>. Die Technik, mit <strong>der</strong> sein Vater diese Tücher<br />

produzieren ließ, brachte die Kunsthandwerker um ihre Arbeit und<br />

ihr Einkommen und verdammte sie damit ins Elend.<br />

Wir publizieren dieses Heft mit Briefen und Texten von Bischof<br />

Cappio, mit Deutungen von Weggefährten und Theologen. Das<br />

tun wir, um sein prophetisches Engagement zu stützen, aber auch<br />

um <strong>der</strong> Opfer <strong>der</strong> Verhältnisse willen, denen dieser prophetische<br />

Gestus gilt, und in <strong>der</strong> franziskanischen Tradition, die heute wie<strong>der</strong><br />

Menschen zu mobilisieren vermag.<br />

Vorwort<br />

3


4<br />

Bischof Cappio erhält einen Unterstützungsbrief.<br />

<strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch


Inhalt<br />

7 Brief von Bischof Luiz Cappio<br />

Zur Wie<strong>der</strong>aufnahme des Fastens am 27.11.2007<br />

9 Dom Cappio beendet sein Fasten<br />

Den Kampf gemeinsam fortsetzen<br />

13 Lebenslauf von Bischof Luiz Cappio<br />

Bischof in einer sehr armen Gegend<br />

15 Rückblende auf die Protestbewegung<br />

Kurze Übersicht über die wichtigsten Ereignisse<br />

19 Brief von Bischof Cappio an den Präsidenten Brasiliens<br />

Betrug an <strong>der</strong> brasilianischen Gesellschaft<br />

21 Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen<br />

Zum Abbruch des Fastens aufgefor<strong>der</strong>t<br />

23 „Warum ich in Sobradinho faste“<br />

Bischof Cappio in <strong>der</strong> Tageszeitung A Tarde – Salvador de Bahia<br />

27 „Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“<br />

Bischof Cappio in <strong>der</strong> Tageszeitung Folha de São Paulo<br />

31 Erklärung <strong>der</strong> Präsidentschaft <strong>der</strong> Brasilianischen Bischofskonferenz<br />

Wasser ist öffentliches Gut<br />

33 Memorandum des Präsidenten <strong>der</strong> CNBB für den Präsidenten<br />

Vorschlag für eine Dialog-Kommission<br />

35 Für das Leben von Dom Luiz Cappio,<br />

für das Leben des Rio São Francisco<br />

Eine öffentliche Erklärung<br />

37 Solidaritätsbrief <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz an Präsident Lula<br />

Den Hilferuf erhören<br />

39 Brief an den franziskanischen Mitbru<strong>der</strong> Carlos Mesters<br />

Der Prophet im Unrecht?<br />

41 Lob des Wahnsinns Leonardo Boff<br />

Bischof Luiz hat sich zum „Wahnsinnigen Gottes“ gemacht<br />

43 Luíz Cappio, warum bist Du denn<br />

gekommen, uns zu stören? Paulo Suess<br />

Mit den elitärem und korrupten Kräften brechen<br />

49 Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind gefor<strong>der</strong>t José Comblin<br />

Erwartet werden sichtbare prophetische Gesten<br />

55 Bisher erschienene Titel <strong>der</strong> <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />

Inhalt<br />

5


Demonstration vor dem Kongress in Brasilia. Der Text lautet:<br />

„Der São Francisco soll leben: Erde und Wasser, Fluss und Volk!“<br />

„Ich kämpfe für sinnvolle<br />

Lösungen um das Leben<br />

in Fülle für die<br />

Bevölkerung des Sertão.“<br />

Bischof Cappio<br />

6 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch


Brief von Bischof Luiz Cappio zur Wie<strong>der</strong>aufnahme<br />

des Fastens am 27.11.2007<br />

Weil die Regierung ihr Versprechen nicht gehalten, son<strong>der</strong>n<br />

den Dialogprozess abgebrochen hat, blieb Bischof Cappio keine<br />

an<strong>der</strong>e Alternative, als sein Fasten und Beten wie<strong>der</strong> aufzunehmen.<br />

Liebe Brü<strong>der</strong> und Schwestern<br />

aus dem Nordosten, aus Ceará,<br />

Rio Grande do Norte, Paraíba<br />

und Pernambuco,<br />

Pax et Bonum!<br />

Als ich vor zwei Jahren mein elftägiges<br />

Fasten in Cabrobó (Pernambuco) beendete,<br />

war ich guten Glaubens, dass die<br />

Bundesregierung unsere gemeinsam unterzeichnete<br />

Vereinbarung einhalten<br />

würde. Dieses Abkommen legte fest, die<br />

nachhaltige Entwicklung <strong>der</strong> semiariden<br />

Region und des São Francisco-<br />

Tals mit <strong>der</strong> Bevölkerung öffentlich, landesweit<br />

und umfassend zu debattieren.<br />

Ich vertraute darauf, dass in einer ehrlichen<br />

Debatte die wirklichen Bedürfnisse<br />

und Potentiale <strong>der</strong> semiariden Region<br />

aufgezeigt werden könnten. Dadurch<br />

würde deutlich, dass die Flussumleitung<br />

für die Bevölkerung und den Fluss we<strong>der</strong><br />

notwendig noch dienlich ist. Die<br />

reichhaltigen Wasserreserven sprechen<br />

für sich. Die vorhandenen Alternativvorschläge<br />

würden sich durchsetzen, wie<br />

die Bauvorhaben des Atlas des Nordostens<br />

und die Methoden zur Regenwassernutzung<br />

und zu alternativen Anbaumethoden,<br />

die vom Netzwerk <strong>der</strong><br />

Nichtregierungsorganisationen in <strong>der</strong><br />

semiariden Region (ASA) entwickelt<br />

worden waren.<br />

Die Regierung hat ihr Versprechen<br />

nicht gehalten. Sie hat den begonnenen<br />

Dialogprozess abgebrochen, nachdem<br />

die Wahlen gewonnen waren, und sie<br />

hat das Militär damit beauftragt, die<br />

Bauarbeiten <strong>der</strong> Flussumleitung zu beginnen.<br />

Soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche<br />

Organisationen verstärkten<br />

ihre Mobilisierungen und Proteste.<br />

Aber die Regierung stellte sich taub.<br />

Somit blieb mir keine an<strong>der</strong>e Alternative,<br />

als mein Fasten und Beten wie<strong>der</strong><br />

aufzunehmen. Dass hatte ich angekündigt<br />

für den Fall, dass das Abkommen<br />

mit <strong>der</strong> Regierung nicht eingehalten<br />

würde. Ich habe dafür die Franziskuskapelle<br />

in Sobradinho (Bahia) gewählt,<br />

die am Ufer des vor 30 Jahren gebauten<br />

Sobradinho-Stausees liegt. Dort<br />

sieht man: <strong>der</strong> Rio São Francisco ist ein<br />

kranker Fluss, und zwar im Endstadium.<br />

Ich weiß, dass meine Geste bei vielen<br />

von Euch auf Unverständnis und Befremden<br />

stoßen wird. Ich werfe Euch<br />

das nicht vor.<br />

Seit Generationen wird Euch gesagt,<br />

dass nur das Riesen-Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />

das Dürreproblem lösen kann.<br />

Das meiste Interesse an diesem Projekt<br />

haben jene Leute, die ihr bereits gut<br />

kennt: es sind dieselben, die seit vielen<br />

Jahren die Region dominieren und ausbeuten.<br />

Sie nutzen die Dürre aus, um<br />

Bischof Cappio – Brief zur Wie<strong>der</strong>aufnahme des Fastens am 27.11.2007<br />

7


öffentliche Mittel zu unterschlagen und<br />

die Wahlen zu gewinnen.<br />

„eine Geste <strong>der</strong> Liebe zum Leben“ Bischof Cappio<br />

Die mit <strong>der</strong> Dürre zusammenhängenden<br />

Probleme lassen sich aber nicht<br />

mit großen Bauvorhaben lösen. Im<br />

Nordosten wurden bereits siebzigtausend<br />

Stauseen angelegt, die insgesamt<br />

eine Speicherkapazität von über 36 Milliarden<br />

Kubikmeter Wasser haben. Es<br />

fehlen jedoch die Zuleitungen und Kanäle,<br />

die das Wasser zu den Bedürftigen<br />

bringen. Viele dieser Projekte liegen<br />

brach, genau wie die Agrarreform, die<br />

nicht vorwärts geht. Die Umleitung von<br />

größeren o<strong>der</strong> kleineren Wassermengen<br />

des Rio São Francisco wird das gesamte<br />

verfügbare Wasser teurer machen und<br />

zu Wassergebühren für nicht aufbereitetes<br />

Wasser im ganzen Nordosten führen.<br />

Und die Bevölkerung, vor allem die<br />

<strong>der</strong> Städte, wird die agroindustriellen<br />

Folgeprojekte wie den Anbau von Tropenfrüchten,<br />

Krabbenzucht sowie die<br />

Stahlproduktion – alles für den Export<br />

bestimmt (!) – “subventionieren”. Das<br />

gleiche geschieht bereits mit dem elektrischen<br />

Strom, <strong>der</strong> für die Firmen viel<br />

billiger ist als für uns. Das ist <strong>der</strong> wirkliche<br />

Zweck <strong>der</strong> Flussumleitung, den man<br />

Euch vorenthält. Die Kanäle würden<br />

weit weg von den trockensten Gebieten<br />

des Sertão dorthin fließen, wo es schon<br />

Wasser gibt.<br />

Folglich bin ich nicht gegen Euer<br />

heiliges Anrecht auf Wasser. Ganz im<br />

Gegenteil, ich setze mein Leben aufs<br />

Spiel, damit euer Anrecht darauf nicht<br />

schon wie<strong>der</strong> missachtet und manipuliert<br />

wird, wie es immer wie<strong>der</strong> passierte.<br />

Ich kämpfe für sinnvolle Lösungen:<br />

um das Leben in Fülle für die Bevölkerung<br />

des Sertão. Das war mein Lebensinhalt<br />

während meiner letzten 33 Jahren<br />

als Pater und Bischof im Sertão. Es ist somit<br />

eine Geste <strong>der</strong> Liebe zum Leben, zur<br />

Gerechtigkeit und zur Gleichheit. Diese<br />

haben im semi-ariden Gebiet noch nie<br />

geherrscht, sei es hier am São Francisco<br />

o<strong>der</strong> weit weg vom Fluss. Gerade im<br />

Moment leidet die<br />

Bevölkerung unweit<br />

des Flusses und des<br />

Stausees von Sobradinho<br />

sehr. Der Stausee verfügt nur<br />

noch über 14% seiner Wasserspeicherkapazität,<br />

weil immer mehr Wasser zur<br />

Stromgewinnung benötigt wird, und<br />

diese Entwicklung kommt <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

nicht zu Gute. Investitionen von<br />

13 Millionen Real (ca. 4,5 Mio Euro)<br />

würden die Wasserversorgung <strong>der</strong> vier<br />

Gemeinden um den Stausee garantieren.<br />

Aufgrund fehlen<strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong><br />

Regierung warten die Bauvorhaben seit<br />

2001 auf ihre Umsetzung.<br />

Wir müssen uns dringend um den<br />

Rio São Francisco kümmern. Es darf keine<br />

weitere rein auf Gewinnstreben abzielende<br />

Nutzung des Flusses geben,<br />

wie sie seit langem geschieht. Ich habe<br />

Euch schon das letzte Mal gesagt: wäre<br />

die Flussumleitung die wirkliche Lösung<br />

für Eure Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Wasserversorgung,<br />

dann würde ich mich an<br />

vor<strong>der</strong>ster Front dafür einsetzen.<br />

Was wir brauchen, ist eine neue<br />

Mentalität und ein respektvoller Umgang<br />

mit Wasser, und zwar nicht nur<br />

hier im Nordosten. Wir müssen gegen<br />

die Verschwendung vorgehen und jeden<br />

verfügbaren Tropfen wertschätzen,<br />

damit es bei <strong>der</strong> Fortpflanzung von Leben<br />

– und nicht nur beim menschlichen<br />

– nicht an Wasser fehlt. Wir müssen<br />

neu überdenken, wie wir mit den<br />

natürlichen Ressourcen unseres Planeten<br />

umgehen. Wir müssen uns Gedanken<br />

über die Wege <strong>der</strong> Entwicklung in Brasilien<br />

und in <strong>der</strong> Welt machen. Sonst sind<br />

wir verdammt, unser eigenes Heim und<br />

unser eigenes Leben zu zerstören, entgegen<br />

dem Plan Gottes. Gott, Herr des<br />

Lebens, hilf uns dabei! ”Damit alle das<br />

Leben haben!” (Joh 10,10).<br />

Gott segne Euch,<br />

8 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

Dom Luiz Flávio Cappio, OFM


Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten<br />

übersetzt und eingeleitet von Gustav Krammer<br />

In seinem Brief kündigt Dom Luiz Cappio an, den Kampf um<br />

das Überleben des Rio São Francisco gemeinsam fortsetzen.<br />

Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra, erklärte<br />

am Donnerstag (20.12.2007)<br />

nach <strong>der</strong> Abendmesse in Sobradinho,<br />

die von Dom José Geraldo, Bischof von<br />

Juazeiro, geleitet wurde, sein Fasten offiziell<br />

für beendet.<br />

Aus Protest gegen die von <strong>der</strong> Regierung<br />

mit zweifelhaften Methoden<br />

in Angriff genommene<br />

Umleitung des Rio São Francisco<br />

hat er bereits 23 Tage ohne<br />

Nahrungsaufnahme zugebracht.<br />

Nach <strong>der</strong> Bekanntgabe<br />

einer höchstrichterlichen Entscheidung<br />

vom 19.12., <strong>der</strong> den<br />

Bau <strong>der</strong> Kanalsysteme – zwischendurch<br />

war ein Baustop<br />

verfügt worden – wie<strong>der</strong> freigab,<br />

war Dom Cappio zusammengebrochen<br />

und musste<br />

kurzzeitig im Spital Memorial in<br />

Petrolina behandelt werden.<br />

Vor über 700 Teilnehmern<br />

las Dom Cappio im Rollstuhl<br />

sitzend und offensichtlich in<br />

guter Verfassung einen Brief an<br />

die Menschen des Nordostens:<br />

„Nach diesen 24 Tagen<br />

beende ich mein Fasten, aber<br />

nicht meinen Kampf, <strong>der</strong> auch<br />

unserer ist.“ Er bedankte sich<br />

bei allen Anwesenden für die<br />

Solidarität. Seine Entscheidung<br />

wurde mit Freude und mit viel Applaus<br />

zur Kenntnis genommen. Seit seiner Einlieferung<br />

ins Krankenhaus war seitens<br />

seiner Familie sowie von Künstlern und<br />

Weggefährten <strong>der</strong> Wunsch nach einem<br />

Ende des Hungerstreiks laut geworden.<br />

Während <strong>der</strong> 24 Tage des Fastens hat<br />

Bischof Cappio beim Briefe Lesen und Schreiben<br />

Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten<br />

9


Dom Cappio neun Kilo verloren und<br />

wiegt nun 63,5 kg.<br />

Der Befreiungstheologe Leonardo<br />

Boff sagte, durch seinen Hungerstreik<br />

habe Dom Cappio eine breite Debatte<br />

über die Lage im brasilianischen Nordosten<br />

ausgelöst. „Im Grunde wollte<br />

Dom Luiz den Präsidenten daran erinnern,<br />

dass er gewählt wurde, weil er<br />

versprochen hatte, für die Armen zu regieren”.<br />

Bereits am Tag zuvor wie<strong>der</strong>holte<br />

Präsident Lula auf die Fragen von Journalisten<br />

über die Umsetzung des Projekts,<br />

dass er mit allen Mitteln daran<br />

festhält und dass sie – bereits von Pedro<br />

Brief von Bischof Luiz Cappio über das Ende des Fastens<br />

gegen die Umleitung des Rio São Francisco<br />

Sobradinho, 20.12.2007<br />

Ankunft des Herrn<br />

Meine Schwestern und Brü<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Region des São Francisco,<br />

des Nordostens und von Brasilien:<br />

Paz e Bem! Friede und Wohlergehen!<br />

Macht die erschlafften Hände wie<strong>der</strong><br />

stark und die wankenden Knie wie<strong>der</strong><br />

fest! Sagt den Verzagten: Habt Mut,<br />

fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer<br />

Gott! Die Rache Gottes wird kommen<br />

und seine Vergeltung; er selbst wird<br />

kommen und euch erretten. Dann werden<br />

die Augen <strong>der</strong> Blinden geöffnet,<br />

auch die Ohren <strong>der</strong> Tauben sind wie<strong>der</strong><br />

offen. Dann springt <strong>der</strong> Lahme wie<br />

ein Hirsch, die Zunge des Stummen<br />

jauchzt auf. (Jes. 35, 3-6)<br />

Gestern vollendete ich 36 Jahre meines<br />

Priesterseins - 36 Jahre im Dienst an den<br />

Bewohnern <strong>der</strong> Favelas von Petropolis<br />

(Rio de Janeiro), <strong>der</strong> Arbeiter an den<br />

10 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

II. als Traum ausgesprochen – das größte<br />

Werk seiner Regierung sein wird.<br />

„Würde sich <strong>der</strong> Staat ergeben, würde<br />

er sich aufgeben – er muss aber funktionieren”,<br />

sagte Lula und for<strong>der</strong>te Dom<br />

Cappio zum Abbruch des Fastens auf,<br />

da er nicht nachgeben wird. Das Projekt<br />

würde 12 Millionen Menschen des<br />

Nordostens zugute kommen und auch<br />

die Zukunft des Flusses garantieren. Die<br />

Gegner des Projekts und Dom Cappio<br />

bezweifeln das allerdings und sprechen<br />

von Privilegien für die exportorientierte<br />

Agro- und Hydro-Industrie.<br />

Stadträn<strong>der</strong>n von São Paulo und dem<br />

Volk in den semiariden Gebieten des<br />

Nordostens Brasiliens. Gestern sahen wir<br />

fassungslos, wie die Mächtigen das<br />

Theater <strong>der</strong> Unterwürfigkeit <strong>der</strong> Justiz<br />

feierten. Gestern, als mir meine Kräfte<br />

ausgingen, erfuhr ich wirklich die Hilfe<br />

jener, die mir in diesen langen und leidvollen<br />

Tagen zur Seite standen.<br />

Aber unser Kampf geht weiter und er<br />

hat seine Fundamente dort, wo alles seinen<br />

Bestand hat: im Glauben an den<br />

Gott des Lebens und in <strong>der</strong> organisierten<br />

Vorgangsweise des Volk. Unser weiterer<br />

Kampf besteht darin, das Leben<br />

des Rio São Francisco und seines Volkes<br />

zu garantieren und den Zugang zum<br />

Wasser sowie eine wirkliche Entwicklung<br />

zugunsten aller betroffener Bevölkerungsteile<br />

im gesamten semiariden Gebiet<br />

zu gewährleisten, und nicht nur eines<br />

Teiles.<br />

Das ist den Einsatz meines Lebens<br />

wert und ich bin glücklich, dass ich<br />

mich dazu entschieden habe, als Teil<br />

meiner Hingabe an den Gott des Le-


ens, an das lebendige Wasser,<br />

das Jesus ist und das sich denen<br />

schenkt, die elendiglich zu leben<br />

haben aufgrund von Strukturen<br />

<strong>der</strong> Unterdrückung und des Todes.<br />

Während dieser Tage war es<br />

eine große Freude für uns zu sehen,<br />

wie das Volk sich erhebt und<br />

wie in seinem Herzen die bewusste<br />

Kraft <strong>der</strong> Einheit wie<strong>der</strong> aufleuchtet,<br />

wenn Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />

Lie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hoffnung und Parolen<br />

mit erhobenen Händen singen;<br />

wenn die Blicke sich in eine Zukunft<br />

richten, die wir für unser geliebtes Brasilien<br />

ersehnen: eine Zukunft, in <strong>der</strong> alle –<br />

alle ohne irgendwelche Ausnahmen –<br />

Brot zu essen, Wasser zu trinken, Land<br />

zum Arbeiten, Menschenwürde und<br />

Bürgerrecht haben.<br />

Ich habe mit viel Liebe und Hochachtung<br />

die Solidarität von jedem von<br />

euch, nahe o<strong>der</strong> entfernt, erhalten. Ich<br />

freute mich über die Solidarität meiner<br />

Brü<strong>der</strong> im Bischofsamt, Väter und Hirten,<br />

die auf brü<strong>der</strong>liche Weise ihr Verständnis<br />

<strong>der</strong> schwerwiegenden Momente,<br />

die wir erleben, zum Ausdruck<br />

brachten.<br />

Durch ihr mutiges Positionspapier<br />

machte uns die Brasilianische Bischofskonferenz<br />

CNBB wie<strong>der</strong> Hoffnung und<br />

lässt sie wie<strong>der</strong> als solche erkennen, die<br />

sie immer in ihren Blütezeiten war: Jesus<br />

und seinem Evangelium gegenüber treu<br />

ist sie eine Einrichtung, die sich den großen<br />

Anliegen Brasiliens und seines Volkes<br />

zuwendet und bei <strong>der</strong> Verteidigung<br />

<strong>der</strong> Würde <strong>der</strong> menschlichen Person<br />

und <strong>der</strong> unaufgebbaren Grundrechte<br />

klare und entschlossene Positionen einnimmt.<br />

Vorrangig stellt sie sich auf die<br />

Seite <strong>der</strong> Armen und Marginalisierten in<br />

diesem Land.<br />

Ich habe mit großem Respekt die<br />

Appelle meiner Familienangehörigen,<br />

von Freunden und Schwestern und Brü<strong>der</strong>n<br />

vernommen, die mich in diesem<br />

Kampf begleiten und die mich stets lebend<br />

und im Einsatz für das Leben woll-<br />

„Wir ersehnen für unser geliebtes<br />

Brasilien eine Zukunft, in <strong>der</strong> alle –<br />

alle ohne irgendwelche Ausnahmen –<br />

Brot zu essen, Wasser zu trinken,<br />

Land zum Arbeiten, Menschenwürde<br />

und Bürgerrecht haben.“<br />

Bischof Cappio<br />

ten: im Kampf gegen die Zerstörung unserer<br />

Biodiversität, unserer Flüsse, unserer<br />

Landsleute und gegen die Arroganz<br />

jener, die alles in einen Kaufladen und in<br />

Wechselgeld transformieren wollen. In<br />

Sobradinho ist ein wun<strong>der</strong>bares Gemeinschaftswerk<br />

entstanden, wir erleben<br />

unvergleichbare Momente <strong>der</strong> intensiven<br />

Gemeinsamkeit und <strong>der</strong> Ausübung<br />

von Solidarität.<br />

Nach diesen 24 Tagen beende ich<br />

mein Fasten, aber nicht meinen Kampf,<br />

<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> eure ist, <strong>der</strong> unserer ist.<br />

Wir müssen die Debatten ausweiten, die<br />

wahren Informationen verbreiten und<br />

am Wachsen unserer Bewegung arbeiten,<br />

bis wir jenes Projekt des Todes zum<br />

Fall gebracht und eine wirkliche Entwicklung<br />

für die semiariden Gebiete<br />

und den São Francisco erreicht haben.<br />

Euch zuliebe, die ihr mit mir gekämpft<br />

habt und den gleichen Weg beschreitet,<br />

beende ich mein Fasten. Ich<br />

weiß, dass ich mit euch rechnen kann,<br />

und ihr könnt auf mich zählen, wenn es<br />

darum geht, unseren Kampf fortzusetzen,<br />

damit „alle das Leben haben, und<br />

zwar Leben in Fülle“.<br />

Dom Frei Luiz Flávio Cappio,<br />

OFM<br />

Bischof von Barra-BA<br />

Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten<br />

11


Bischof Cappio liebt die Menschen (I)<br />

12 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch


Lebenslauf von Bischof Luiz Cappio<br />

Bischof Luiz Flavio Cappio gehört dem <strong>Franziskaner</strong>-Orden an<br />

und ist Bischof <strong>der</strong> Diözese Barra, in einer sehr armen Gegend<br />

am Mittellauf des Rio São Francisco in Nordost-Brasilien.<br />

1946<br />

Am 4. Oktober, am Tag des Heiligen<br />

Franziskus, wird Luiz Cappio in Guratinguetá<br />

(São Paulo) geboren.<br />

1965<br />

Am 19. Dezember tritt er in den <strong>Franziskaner</strong><br />

Orden ein und verlässt damit seine<br />

wohlhabende Familie.<br />

1971<br />

Nach dem Noviziat, dem<br />

Studium <strong>der</strong> Philosophie,<br />

<strong>der</strong> Theologie und Betriebswirtschaftslehre<br />

wird er am<br />

19. Dezember 1971 zum<br />

Priester geweiht. Anfangs<br />

wirkt er in <strong>der</strong> Arbeiter-<br />

Pastoral in São Paulo.<br />

1974<br />

1974 bricht er auf in die Armenregion<br />

des Nordostens Brasiliens, in die arme<br />

semiaride Region des Bundesstaates Bahia,<br />

lediglich mit <strong>der</strong> Kleidung, die er<br />

am Leib trägt.<br />

1992<br />

In diesem Jahr beginnt er seine berühmte<br />

Wallfahrt längs des Rio São Francisco.<br />

Zusammen mit dem Soziologen Adriano<br />

Martins, Schwester Conceição und dem<br />

Bauern Orlando de Araújo, wallfahrtet er<br />

die 2800 km des Flusses von <strong>der</strong> Quelle<br />

bis zur Mündung. Mit diesem symbolischen<br />

Akt weisen die Wallfahrer die Öffentlichkeit<br />

auf die gravierenden Probleme<br />

des Flusstals und seiner Bevölkerung<br />

hin. In einem Gottesdienst an <strong>der</strong> Quelle<br />

zu Beginn <strong>der</strong> Pilgerreise zieht Bischof<br />

Cappio folgendes Resümee: „Die verzweifelte<br />

Lage im São Francisco Tal ist<br />

Teil einer globalen Krise. Sie macht uns<br />

„Die verzweifelte Lage im São Francisco<br />

Tal ist Teil einer globalen Krise. Es liegt<br />

an uns, weiter dem Weg des Todes zu<br />

folgen o<strong>der</strong> uns für das Leben einzusetzen.“<br />

Bischof Cappio<br />

bewusst, dass <strong>der</strong> blinde Fortschrittsglaube<br />

zur Unterentwicklung vieler Völker<br />

geführt hat und das Leben <strong>der</strong> ganzen<br />

Erde bedroht. Es liegt an uns, weiter<br />

dem Weg des Todes zu folgen o<strong>der</strong> uns<br />

für das Leben einzusetzen.” Die Situation<br />

des Flusses verschlimmert sich jedoch<br />

weiter.<br />

1997<br />

Am 6. Juli wird er zum Bischof von Barra<br />

(Bahia) geweiht.<br />

Bischof Cappio – Lebenslauf<br />

13


2005<br />

2005 beschließt die Regierung Lula die<br />

Umleitung des Rio São Francisco<br />

Am 26. September beginnt Bischof<br />

Luiz sein Fasten und Beten – seinen<br />

Hungerstreik – in <strong>der</strong> Tradition des gewaltfreien<br />

Protestes von Mahatma<br />

Gandhi. Er wählt den Ort Cabrobó, an<br />

dem die Wasserentnahme für den Nordkanal<br />

gebaut werden soll. Tausende<br />

Menschen kommen nach Cabrobó, um<br />

sich solidarisch zu zeigen. Aus <strong>der</strong> ganzen<br />

Welt schicken die Menschen Briefe,<br />

um den Wi<strong>der</strong>stand zu unterstützen.<br />

Nach elf Tagen beendet Luiz Cappio<br />

sein Fasten, weil <strong>der</strong> Präsident Luiz Ignacio<br />

Lula da Silva, verspricht, über das<br />

Projekt <strong>der</strong> Umleitung einen umfassenden<br />

Dialogprozess mit <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

durchzuführen und <strong>der</strong> Revitalisierung<br />

des Flusses Vorrang zu geben.<br />

2005 bis 2007<br />

Organisationen <strong>der</strong> Zivilgesellschaft bemühen<br />

sich darum, einen demokratischen,<br />

transparenten und partizipativen<br />

Dialog über das Projekt zu erreichen.<br />

Vergeblich. Die Vereinbarung zwischen<br />

dem Präsidenten und dem Bischof wird<br />

vom Präsidenten nicht eingehalten.<br />

2007<br />

Ende Mai wird das brasilianische Militär<br />

beauftragt, mit den Bauarbeiten zu beginnen.<br />

Eine Flut von Protesten und<br />

rechtlichen Einsprüchen gegen das Projekt<br />

wird dadurch ausgelöst.<br />

Am 27. November beginnt Bischof<br />

Cappio einen zweiten Hungerstreik als<br />

Zeichen des friedlichen Wi<strong>der</strong>stands gegen<br />

die Zerstörung des Rio São Francisco,<br />

und zwar in <strong>der</strong> São Franziskus-<br />

Kapelle in <strong>der</strong> Gemeinde Sobradinho<br />

(Bahia), am Ufer des Sobradinho-<br />

Stausees. An diesem Ort zeigt sich <strong>der</strong><br />

gravierende Zustand des Rio São Francisco<br />

und seine fehlende Wasserkapazität<br />

beson<strong>der</strong>s deutlich. Der riesige Stausee<br />

ist <strong>der</strong>zeit auf lediglich 14% seiner<br />

Kapazität reduziert. Am 19. Dezember<br />

trifft das Bundesgericht ein Urteil zugun-<br />

14 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

sten <strong>der</strong> Umleitung. Bischof Cappio<br />

bricht zusammen. Am 20. Dezember<br />

2007 beendet Luiz Cappio sein Fasten.<br />

Demonstration gegen das<br />

Umleitungsprojekt.<br />

Der Text lautet:<br />

„Nein zur Flussumleitung.<br />

Das Zusammenleben<br />

mit dem Semi Árido<br />

ist die Lösung!“


Rückblende auf die Protestbewegung<br />

gegen die Flussumleitung<br />

Ein breites Netzwerk von sozialen Bewegungen mobilisiert<br />

sich gegen das Umleitungsprojekt für den Rio São Francisco,<br />

weil sie es für illegal hält und weil die Regierung undemokratisch<br />

vorgeht.<br />

Seit das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung von<br />

<strong>der</strong> brasilianischen Regierung angedacht<br />

wird, gibt es großen Wi<strong>der</strong>stand von<br />

breiten Teilen <strong>der</strong> brasilianischen Gesellschaft.<br />

Noch im Jahr 2001 stellten auch<br />

die Arbeiterpartei (PT) und <strong>der</strong> damalige<br />

Präsidentschaftskandidat Lula die Umsetzbarkeit<br />

und Effizienz dieses Projektes<br />

in Frage und sprachen sich dagegen<br />

aus. Jedoch kurz nach dem Wahlsieg im<br />

Jahr 2002 stellte <strong>der</strong> neugewählte Präsident<br />

Lula das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />

Rückblende auf die Protestbewegung gegen die Flussumleitung<br />

15


als eine seiner Prioritäten vor. Laut <strong>der</strong><br />

Projektpropaganda soll das Projekt die<br />

Wasserversorgung für 12 Millionen Einwohner<br />

des Nordostens garantieren.<br />

Ein breites Netzwerk von sozialen Bewegungen<br />

mobilisiert sich gegen das<br />

Projekt aufgrund seiner Unrechtmäßigkeiten<br />

und <strong>der</strong> undemokratischen Vorgehensweise<br />

<strong>der</strong> Regierung. Beispielsweise<br />

wurden die gesetzlich vorgeschriebenen<br />

öffentlichen Anhörungsverfahren<br />

mit <strong>der</strong> Bevölkerung nicht durchgeführt.<br />

Entgegen den Erwartungen <strong>der</strong><br />

Umweltverbände und Fachleuten ver-<br />

Verwüstete Landschaft am Rio São Francisco<br />

gab die Bundesumweltbehörde (IBAMA)<br />

im März 2007 die Baugenehmigung.<br />

Ende September 2005 beginnt Dom<br />

Luiz Cappio seinen Hungerstreik und<br />

macht die öffentliche Meinung auf die<br />

Manipulation durch die Projektpropaganda<br />

aufmerksam. Denn in Wirklichkeit<br />

zielt das Projekt nicht auf die Wasserversorgung<br />

<strong>der</strong> lokalen Bevölkerung ab,<br />

son<strong>der</strong>n auf wirtschaftliche Nutzung des<br />

Wassers für Bewässerung, Garnelenzucht<br />

und industrielle Nutzung. Nach<br />

elf Tagen Hungerstreik wurde eine Verhandlungslösung<br />

erreicht. In dem getroffenen<br />

Abkommen wurde mit dem<br />

Präsidenten Lula vereinbart, das Projekt<br />

zu suspendieren und einen breiten Dialogprozess<br />

beginnen. Ziel war es, über<br />

die effizienteste Art <strong>der</strong> Wasserversor-<br />

16 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

gung für die Bewohner <strong>der</strong> semiariden<br />

Region und über die nachhaltige Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Region sowie die Revitalisierung<br />

des Rio São Francisco öffentlich<br />

zu diskutieren.<br />

Monate später fand ein einziges Treffen<br />

zwischen Vertretern <strong>der</strong> Regierung<br />

und <strong>der</strong> Zivilgesellschaft statt.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> beginnenden Wahlkampfkampagne<br />

zu den Präsidentenwahlen<br />

wurde <strong>der</strong> Dialogprozess ausgesetzt<br />

und auf die Zeit nach den Wahlen<br />

vertagt. Nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>wahl des Präsidenten<br />

Lula ignoriert dieser das getroffenen<br />

Abkommen und entsendet das<br />

brasilianische Militär, um mit den Bauarbeiten<br />

zu beginnen.<br />

Im folgenden eine kurze Zusammenfassung<br />

<strong>der</strong> wichtigsten Ereignisse:<br />

2004<br />

Lula nimmt das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />

als Priorität in das Regierungsprogramm<br />

auf.<br />

2005<br />

26.September bis 06. Oktober – Dom<br />

Luiz Cappio beginnt sein Fasten gegen<br />

das Flussumleitungsprojekt, in Cabrobó<br />

(Pernambuco). Der Vatikan und die<br />

Nuntiatur drängen Bischof Cappio, “im<br />

Gehorsam gegenüber dem Hl. Stuhl”<br />

den Hungerstreik zu beenden. Aufgrund<br />

öffentlichen Drucks entsendet <strong>der</strong> Präsident<br />

Lula den damaligen Minister<br />

Jaques Wagner als Verhandlungsführer.<br />

Der “Hungerstreik” endet mit einem<br />

bei<strong>der</strong>seitig unterzeichneten Übereinkommen,<br />

in dem die Bildung einer Verhandlungskommission<br />

und <strong>der</strong> Beginn<br />

eines Dialogprozesses festgelegt wird.<br />

November – Die Bundesstaatsanwaltschaft,<br />

die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats<br />

Bahia und das Netzwerk <strong>der</strong><br />

Nicht-Regierungs-Organisation „Permanentes<br />

Forum zur Verteidigung des São<br />

Francisco in Bahia”, reichen eine neue<br />

Klage gegen das Projekt beim Obersten<br />

Gerichtshof (STF) ein, und for<strong>der</strong>n die<br />

Einstellung des Genehmigungsverfahren.


15. Dezember – Erste Audienz des<br />

Präsidenten Lula mit <strong>der</strong> Verhandlungskommission<br />

und Dom Luiz Cappio.<br />

2006<br />

23. Februar – Ein amtliches Dokument<br />

an Lula wird protokolliert, in dem er aufgefor<strong>der</strong>t<br />

wird, den Terminkalen<strong>der</strong> für<br />

die öffentlichen Debatten über das Flussumleitungsprojekt<br />

festzulegen: Das hatte<br />

die Regierung seit Oktober 2005 versprochen.<br />

Unterschrieben werden die<br />

Dokumente von Bischof Tomaz Balduino<br />

für die Landpastoral, von Dom<br />

Luiz Cappio, von <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft<br />

und vom Komitee für das Wassereinzugsgebiet<br />

des Rio São Francisco.<br />

06. und 07. Juli – Workshop über<br />

nachhaltige Entwicklung im semi-ariden<br />

Gebiet, zwischen Vertretern <strong>der</strong> organisierten<br />

Zivilbevölkerung und Vertretern<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung, es entstehen drei<br />

thematische Arbeitsgruppen, um die<br />

Debatte über die Revitalisierung des<br />

Flussgebietes zu vertiefen.<br />

Vom 04. bis 07. Oktober – Mobilisierungs-<br />

und Bildungscamp in Cabrobó<br />

(Pernambuco) zur Entwicklung gemeinsamer<br />

Strategien des Wi<strong>der</strong>standes mit<br />

Teilnahme von sozialen Bewegungen,<br />

Fischern, indigenen Gruppen und traditioneller<br />

Bevölkerung.<br />

10. November – Der Oberste Rechnungshof<br />

veröffentlicht eine Verfahrensprüfung<br />

des Flussumleitungsprojektes<br />

und stellt Empfehlungen an das zuständige<br />

Ministerium aus.<br />

Dezember – Die Nationale Wasserbehörde<br />

(ANA) veröffentlicht den “Atlas<br />

des Nordostens”, <strong>der</strong> alternative Vorschläge<br />

für die Wasserversorgung in den<br />

Kleinstädten <strong>der</strong> neun Bundesstaaten<br />

des Nordostens, sowie des Nordens von<br />

Minas Gerais enthält.<br />

19. Dezember – Der Oberste Bundesrichter<br />

Sepúlveda Pertence (STF) erklärt<br />

die 11 Einspruchsverfahren, die<br />

den Beginn <strong>der</strong> Arbeiten für die Flussumleitung<br />

verhin<strong>der</strong>ten, für unrechtmäßig.<br />

2007<br />

22. Januar – Veröffentlichung des Regierungsprogramms<br />

zur Beschleunigung<br />

des Wachstums (PAC). Darin sind öffentliche<br />

Mittel im Umfang von R$ 6,6<br />

Milliarden (2,5 Mrd. Euro) für den Zeitraum<br />

von 2007 bis 2010 für das Flussumleitungsprojekt<br />

bestimmt.<br />

5. Februar – NGO-Netzwerk “Permanentes<br />

Forum zur Verteidigung des<br />

São Francisco in Bahia” reicht erneut eine<br />

Klage beim Obersten Bundesgerichtshof<br />

gegen die Entscheidung des<br />

Bundesrichters Pertence, <strong>der</strong> die laufenden<br />

Klagen aufgehoben hatte.<br />

12. Februar – Der oberste Bundesstaatsanwalt,<br />

Fernando Antonio de Souza,<br />

reicht eine Klage beim Obersten<br />

Bundesgerichtshof ein und for<strong>der</strong>t, das<br />

Genehmigungsverfahren für die Bauarbeiten<br />

<strong>der</strong> Flussumleitung auszusetzen.<br />

21. Februar – Dom Luiz Cappio<br />

reicht einen Brief an Lula ein, in dem er<br />

die Wie<strong>der</strong>aufnahme des Dialogs for<strong>der</strong>t.<br />

März – Die brasilianische Bundesumweltbehörde<br />

(IBAMA) vergibt die Baugenehmigung<br />

für den Beginn <strong>der</strong> Bauarbeiten.<br />

12. bis 16. März – Protest-Camp in<br />

Brasília "Für das Leben des Flusses São<br />

Francisco und des Nordostens, gegen<br />

die Flussumleitung", mit mehr als 600<br />

Teilnehmern aus dem Flusstal und an<strong>der</strong>en<br />

Bundesstaaten, wie Ceará und São<br />

Paulo.<br />

16. März – Geddel Vieira Lima wird<br />

zum Amtsnachfolger von Pedro Brito als<br />

Minister des Ministeriums für Nationale<br />

Integration ernannt.<br />

16. April – Die brasilianische Rechtsanwaltskammer<br />

von Sergipe (OAB/SE)<br />

erhebt Klage gegen das Umleitungsprojekt.<br />

Das Dokument mit 150 Gutachten<br />

beinhaltet eine Studie <strong>der</strong> Weltbank, sowie<br />

Berichte über die hydrologischen<br />

Bedingungen in den Empfängerbundesstaaten.<br />

Demnach sind die Probleme<br />

<strong>der</strong> Wasserknappheit auf die schlechte<br />

Verteilung des Wasser zurückführen.<br />

Mai - Das Militär beginnt mit den<br />

Rückblende auf die Protestbewegung gegen die Flussumleitung<br />

17


18<br />

Bauarbeiten bei den Wasserentnahmestellen<br />

am Nord- sowie am Ostkanal des<br />

Projektes.<br />

4. Juni – Vertreter <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />

for<strong>der</strong>n in einem Brief die Einhaltung<br />

des 2005 von <strong>der</strong> Regierung beschlossenen<br />

Abkommens. Es unterzeichnen<br />

den Brief: Dom Luiz Cappio, Adriano<br />

Martins, Yvonilde Medeiros, Jonas<br />

Dantas (Permanentes Forum zur Verteidigung<br />

des São Francisco), Luciana<br />

Khoury (Staatsanwaltschaft Bahia), ASA<br />

(Netzwerk <strong>der</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />

des semi-ariden Region), Frente<br />

Cearense für eine Neue Wasserkultur;<br />

Forum Sergipano, Via Campesina Brasil,<br />

Landlosenbewegung MST, quilombolas,<br />

Fischer und indigene Völker des Flusstals,<br />

sowie die Staatsanwaltschaft von<br />

Sergipe und die Professoren João Suassuna<br />

un João Abner.<br />

26. Juni bis 4. Juli – Mehr als 1500<br />

Aktivisten besetzen die Baustelle des<br />

Nordkanals des Projektes <strong>der</strong> Transposição<br />

in Cabrobó (Pernambuco). An den<br />

folgenden Tagen führen die indigenen<br />

Gruppen <strong>der</strong> Truká e Tumbalalá Landnahmen<br />

ihrer angestammten Territorien<br />

in <strong>der</strong> gleichen Region durch.<br />

Juli - Der oberste Bundesstaatsanwalt<br />

reicht eine Petition ein, in <strong>der</strong> er die unmittelbare<br />

Suspension <strong>der</strong> Bauarbeiten<br />

<strong>der</strong> Flussumleitung for<strong>der</strong>t.<br />

19. August bis 1. Sept. - Fachleute<br />

und Vertreter <strong>der</strong> Zivilgesellschaft unternehmen<br />

eine Kampagnen-Reise durch<br />

11 brasilianische Großstädte. In öffentlichen<br />

Veranstaltungen wurden die zentralen<br />

Argumente gegen die Flussumleitung<br />

und Gegenvorschläge für die ländliche<br />

Entwicklung in <strong>der</strong> semiariden Region<br />

vorgestellt und diskutiert.<br />

10. bis 14. September – Basisarbeits-<br />

Kampagne in den Dörfern und Städten<br />

entlang des geplanten Ostkanals mit Beteiligung<br />

von Vertretern verschiedener<br />

sozialer Bewegungen.<br />

03. bis 10. November – Basisarbeits-<br />

Kampagne in den Dörfern und Städten<br />

entlang des geplanten Nordkanals mit<br />

Beteiligung von Vertretern verschiede-<br />

<strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappio<br />

ner sozialer Bewegungen.<br />

27. November – Dom Luiz Cappio<br />

nimmt den Hungerstreik wie<strong>der</strong> auf und<br />

bekundet, diesen erst abzubrechen,<br />

wenn das Militär aus <strong>der</strong> Region abgezogen<br />

wird und das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />

endgültig zu den Akten gelegt<br />

wird.<br />

19. Dezember – Der Oberste Bundesgerichtshof<br />

gibt den Weiterbau <strong>der</strong><br />

Kanalsysteme frei. Dom Luiz erleidet einen<br />

Zusammenbruch.<br />

20. Dezember – Dom Luiz beendet<br />

sein Fasten und schreibt in einem Brief:<br />

“Euch zuliebe, die ihr mit mir gekämpft<br />

habt und den gleichen Weg beschreitet,<br />

beende ich mein Fasten. Ich weiß, dass<br />

ich mit euch rechnen kann, und ihr<br />

könnt auf mich zählen, wenn es darum<br />

geht, unseren Kampf fortzusetzen, damit<br />

”alle das Leben haben, und zwar Leben<br />

in Fülle”. [...] Ich habe mit großem<br />

Respekt die Appelle meiner Familienangehörigen,<br />

von Freunden und Schwestern<br />

und Brü<strong>der</strong>n vernommen, die<br />

mich in diesem Kampf begleiten und<br />

die mich stets lebend und im Einsatz für<br />

das Leben wollten: im Kampf gegen die<br />

Zerstörung unserer Biodiversität, unserer<br />

Flüsse, unserer Landsleute und gegen<br />

die Arroganz jener, die alles in einen<br />

Kaufladen und in Wechselgeld transformieren<br />

wollen.”<br />

2008<br />

14. Februar – Dom Luiz debattiert im<br />

Senat des Kongresses die Konsequenzen<br />

des Flussumleitungsprojekts.


Brief von Bischof Cappio an den Präsidenten<br />

Brasiliens, Luiz Inacio „Lula“ da Silva<br />

Während seines zweiten Fastens schreibt Bischof Cappio dem<br />

Präsidenten und macht ihm den Vorwurf, er habe das Abkommen<br />

nicht eingehalten, son<strong>der</strong>n ihn und die brasilianische Gesellschaft<br />

betrogen.<br />

Barra, BA, 4. Oktober 2007,<br />

am Fest des Heiligen Franziskus<br />

Herr Präsident,<br />

Pax et Bonum!<br />

Am 6.10.2005 haben wir gemeinsam in<br />

Cabrobó (Pernambuco) die Vereinbarung<br />

getroffen, das Projekt <strong>der</strong> Umleitung<br />

des Rio São Francisco auszusetzen<br />

und einen umfassenden Dialogprozess<br />

zwischen <strong>der</strong> Regierung und <strong>der</strong> brasilianischen<br />

Zivilgesellschaft zu beginnen,<br />

um Alternativen für die nachhaltige Entwicklung<br />

<strong>der</strong> ganzen semi-ariden Region<br />

zu suchen. Angesichts dessen habe<br />

ich das Fasten abgebrochen und an das<br />

Abkommen und die Verhandlung geglaubt.<br />

Zwei Jahre sind vergangen, <strong>der</strong> Dialogprozess<br />

wurde lediglich begonnen<br />

und sogleich unterbrochen. Es gibt bereits<br />

konkrete Gegenvorschläge, wie die<br />

Wasserversorgung für die ganze Bevölkerung<br />

<strong>der</strong> semiariden Region garantiert<br />

werden kann: die im Atlas des Nordostens<br />

vorgesehenen Projekte - vorgestellt<br />

von <strong>der</strong> Nationalen Wasserbehörde<br />

(ANA), sowie die vom Netzwerk <strong>der</strong><br />

Nichtregierungsorganisationen <strong>der</strong> semi-ariden<br />

Region (ASA) entwickelten<br />

Maßnahmen.<br />

Am 22. Februar 2007 habe ich im<br />

„Eine Nation kann man nur<br />

mit aufrichtigen Menschen<br />

schaffen, angefangen bei<br />

seinen Regierenden. Würde<br />

und Ehrbarkeit sind notwendige<br />

Voraussetzungen<br />

für die Bürgerrechte.“<br />

Bischof Cappio<br />

Regierungspalast ein Dokument eingereicht,<br />

das die Wie<strong>der</strong>aufnahme und<br />

Weiterführung des Dialogprozesses for<strong>der</strong>t,<br />

<strong>der</strong> wahrhaftig, transparent und<br />

partizipativ sein soll. Ihre Antwort war<br />

<strong>der</strong> Beginn <strong>der</strong> Bauarbeiten <strong>der</strong> Umleitung<br />

durch das brasilianische Militär.<br />

Herr Präsident, Sie haben ihr Wort<br />

nicht gehalten. Sie haben unser Abkommen<br />

nicht eingehalten. Sie haben mich<br />

und die ganze brasilianische Gesellschaft<br />

betrogen.<br />

Eine Nation kann man nur mit aufrichtigen<br />

Menschen schaffen, angefangen<br />

bei seinen Regierenden. Würde und<br />

Ehrbarkeit sind notwendige Voraussetzungen<br />

für die Bürgerrechte. Daher nehme<br />

ich mein Fasten und Beten wie<strong>der</strong><br />

Bischof Cappio – Brief an den Präsidenten Brasiliens, Luiz Inacio „Lula“ da Silva<br />

19


auf. Und ich werde es erst beenden mit<br />

dem Rückzug des Militärs von <strong>der</strong> Baustelle<br />

<strong>der</strong> Flussumleitung am Nord- und<br />

am Ostkanal und mit <strong>der</strong> endgültigen<br />

Archivierung des Projektes <strong>der</strong> Umleitung<br />

des Rio São Francisco. Es besteht<br />

keine an<strong>der</strong>e Alternative.<br />

Ich nehme an, dass die Kräfte, die Interessen<br />

in dem Projekt haben, alle Mittel<br />

nutzen werden, um unseren Wi<strong>der</strong>stand<br />

zu entmutigen und die öffentliche<br />

Meinung zu verwirren. Doch als Jesus<br />

sich entschlossen hat, sein Leben zu opfern,<br />

hatte er keine Angst vor dem<br />

Kreuz. Ich nehme es auf mich, gekreuzigt<br />

zu werden, denn das ist <strong>der</strong> Preis,<br />

<strong>der</strong> zu zahlen ist.<br />

Bischof Cappio bei einer Demonstration<br />

20 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

Das Leben des Flusses und seines<br />

Volkes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tod eines brasilianischen<br />

Bürgers.<br />

„Wenn es keine Vernunft mehr gibt,<br />

ist <strong>der</strong> Wahnsinn <strong>der</strong> Weg.”<br />

Der Gott des Lebens sei die Garantie<br />

des vollkommenen Lebens.<br />

„Brasilien ist ein Land von Größe.<br />

Wird es auch Regierende von gleicher<br />

Größe haben?” (Bourdoukan Georges<br />

in „Capitão Mouro”).<br />

Dom Frei Luiz Flávio Cappio,<br />

OFM


Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen<br />

übersetzt und eingeleitet von Gustav Krammer<br />

Dom Luiz antwortet einem Mitbischof, <strong>der</strong> ihn zum Abbruch<br />

des Fastens aufgefor<strong>der</strong>t hatte.<br />

„Viel wichtiger als meine Person sind die<br />

Probleme des Flusses, die Probleme des<br />

Volkes”, sagte Dom Luiz Cappio, als er<br />

über die Notwendigkeit und die persönlichen<br />

Gründe seines Hungerstreiks befragt<br />

wurde. Er bekam viel Besuch von<br />

<strong>der</strong> lokalen Bevölkerung sowie aus den<br />

umliegenden Städten. Auch Landtagsabgeordnete<br />

von Bahia und Lokalpolitiker<br />

kamen.<br />

Die Bundesregierung versucht weiterhin,<br />

den Protest zu ignorieren. Der<br />

Minister für Nationale Integration und<br />

verantwortlich für das Projekt, Geddel<br />

Viera Lima, verurteilte den Weg, den<br />

Dom Luiz gewählt hatte, und bezeichnete<br />

ihn als „einen absoluten Irrtum“<br />

und „gegen jeden gesunden Menschenverstand“.<br />

Er vergab weitere Bauaufträge<br />

in Millionenhöhe und bekräftigte,<br />

dass das Projekt nicht umkehrbar sei.<br />

Dom Luiz ließ sich von diesen Aussagen<br />

nicht beeindrucken.<br />

Auch Dom Aldo Pagotto, Erzbischof<br />

von Paraiba und Befürworter <strong>der</strong> Flussumleitung,<br />

kritisierte Dom Luiz und for<strong>der</strong>te<br />

ihn zum Abbruch des Fastens auf.<br />

Dom Luiz Cappio antwortet ihm.<br />

Sobradinho, am 30 November 2007<br />

Fest des Hl. Andreas, Märtyrer<br />

Lieber Dom Aldo,<br />

Pax et Bonum!<br />

Ich habe Ihr “Erklärungs-Schreiben” erhalten<br />

und aus Respekt vor Ihnen antworte<br />

ich. Zugleich nütze ich die Gelegenheit,<br />

um den Brü<strong>der</strong>n und Schwestern<br />

von Paraiba den Sinn meines Tuns<br />

zu erklären.<br />

1. Ich stimme zu, dass unser Leben<br />

Gott gehört und wir nicht das Recht haben,<br />

es uns zu nehmen. Genau weil<br />

mein Leben nicht mir gehört, son<strong>der</strong>n<br />

Gott – seit vielen Jahren habe ich es Ihm<br />

übergeben – , bringe ich es Ihm dar für<br />

das Leben vieler. Ich nehme mir nicht<br />

das Leben – ich faste und bete nur, wie<br />

es biblische und christliche Tradition ist,<br />

und das auf unbestimmte Zeit, bereit<br />

bis zum Ende zu gehen.<br />

Erstens wende ich mich dadurch an<br />

Gott, den Herrn des Lebens und <strong>der</strong> Geschichte,<br />

als ein Opfer: Er möge sich unser<br />

erbarmen und das Herz <strong>der</strong> Menschen<br />

- erblindet durch Macht und<br />

Geld - än<strong>der</strong>n.<br />

Zweitens wende ich mich dadurch<br />

an die Regierenden dieses Landes, als<br />

legitime Handlungsweise eines Bürgers,<br />

um – nachdem alles versucht wurde<br />

Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen<br />

21


und die bisherigen Bemühungen ergebnislos<br />

geblieben sind – breiten Sektoren<br />

<strong>der</strong> Zivilgesellschaft Gehör und Respekt<br />

zu verschaffen. Das ist ein persönliches<br />

Zeichen, aber mit kollektiver Bedeutung.<br />

2. Wenn Sie mein Leben kennen,<br />

wissen Sie, dass mein aktuelles Verhalten<br />

in unumstößlichem Zusammenhang<br />

mit meinem Franziskanischen Werdegang<br />

steht: als Pater und Bischof im<br />

Dienst <strong>der</strong> Verteidigung und För<strong>der</strong>ung<br />

des Lebens zu sein. Das will mein bischöflicher<br />

Wahlspruch zum Ausdruck<br />

bringen: “Damit alle das Leben haben”<br />

(Joh 10,10).<br />

3. Wörtlich hat mich <strong>der</strong> Heilige<br />

Stuhl durch den Apostolischen Nuntius<br />

“gebeten”, dass ich nicht mehr zum<br />

Mittel des Hungerstreiks greifen sollte.<br />

Es handelte sich dabei nur um eine<br />

“Bitte”. Den Ausdruck “Hungerstreik”<br />

verwendete ich letztes Mal, weil er bekannter<br />

ist und wegen seiner politischen<br />

Bedeutung. Dieses Mal bevorzuge ich<br />

“Fasten und ständiges Gebet”.<br />

4. Bezüglich des Projekts <strong>der</strong> Flussumleitung<br />

sollten Sie und an<strong>der</strong>e gut<br />

informierte Persönlichkeiten, die es verteidigen,<br />

dem Volk die ganze Wahrheit<br />

darüber sagen: seine wirklichen Ziele,<br />

Kosten, Gebührenerhebungen für Wasser,<br />

Trassenverläufe weit weg von den<br />

wirklichen Trockengebieten, Geschäftsinteressen<br />

etc. Dieses Projekt ist keine<br />

Lösung, es wird eher ein Problem sein.<br />

In <strong>der</strong> momentanen Situation ist es eine<br />

Fortsetzung des alten “Diskurses von <strong>der</strong><br />

Trockenheit” o<strong>der</strong> das Predigen eines<br />

“Wasser-Populismus” im Dienst <strong>der</strong> gewohnten<br />

“Industrie <strong>der</strong> Trockenheit”,<br />

jetzt ganz mo<strong>der</strong>n “Hydrobusiness” genannt,<br />

ein schlechter Dienst am Volk<br />

und eine Perversion unseres Hirtenauftrags.<br />

Die Frage, um die es hier geht, ist<br />

nicht technischer, son<strong>der</strong>n pastoraler<br />

Art, denn “Schafe” in Gefahr suchen die<br />

Fürsorge des Guten Hirten. Basierend<br />

auf dieser Argumentation trugen die Bischöfe<br />

des Nordostens vor fast 60 Jah-<br />

22 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

ren – mit pastoraler Kompetenz und<br />

technischer Hilfe – zur Bildung <strong>der</strong> SU-<br />

DENE [Anm. <strong>der</strong> Redaktion: SUDENE ist<br />

das Amt für die Entwicklung des Nordostens.]<br />

bei.<br />

5. Das Projekt <strong>der</strong> Flussumleitung<br />

wird keinen wirklichen Fortschritt bringen.<br />

Die Propaganda für die Bewässerung<br />

des São Francisco Tales verdeckt<br />

das wahre Gesicht <strong>der</strong> sozialen und umweltbedingten<br />

Schäden, und auch die<br />

wirtschaftlichen Erfolge sind relativ. Es<br />

ist kein Modell, das man för<strong>der</strong>n sollte,<br />

es bedarf dringend einer Überarbeitung.<br />

Warum setzt man sich nicht genauso<br />

lautstark ein für die 530 Maßnahmen,<br />

die im Atlas des Nordostens von <strong>der</strong> Nationalen<br />

Wasserbehörde (ANA) vorgeschlagen<br />

werden, und für die mehr als<br />

140 angepassten Maßnahmen, entwikkelt<br />

vom Netzwerk <strong>der</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />

<strong>der</strong> semi-ariden Region<br />

(ASA) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />

Bundesforschungsanstalt (EMBRAPA)?<br />

Denn diese sind wirkliche Lösungen und<br />

um vieles billiger. Sie lösen den Wassermangel<br />

in den Städten und för<strong>der</strong>n eine<br />

den vielfältigen Gegebenheiten des semi-ariden<br />

Gebietes angepasste Entwicklung.<br />

Dadurch werden dem ohnehin<br />

schon so leidgeplagten Volk des Nordostens<br />

und <strong>der</strong> Umwelt keine neuen Lasten<br />

auferlegt.<br />

6. Die Stimme des Geistes des Herrn<br />

weht, wo Er will (vgl. Joh 3,8) und<br />

beim Wehklagen des Volkes for<strong>der</strong>t Er<br />

von uns, “arglos zu sein wie die Tauben<br />

und schlau wie die Schlangen” (Mt<br />

10,16).<br />

Mögen Sie meinen Gruß annehmen,<br />

<strong>der</strong> auch allen Schwestern und Brü<strong>der</strong>n<br />

von Paraiba gilt!<br />

+ Luiz Flávio Cappio<br />

Bischof <strong>der</strong> Diözese Barra<br />

(Bahia)


„Warum ich in Sobradinho faste“<br />

Dom Luiz erklärt am Samstag, den 8. Dezember 2007 in <strong>der</strong><br />

Tageszeitung A Tarde – Salvador de Bahia einer breiten Öffentlichkeit<br />

die Motive seines Protestes.<br />

Vor 33 Jahren kam ich in das vom São<br />

Francisco Strom durchflossene Hinterland<br />

Bahias, und fand mich in diesem<br />

Fluß wie<strong>der</strong>. Hier entdeckte ich die mir<br />

angemessene Form, dem Beispiel des<br />

Franz von Assisi zu folgen, <strong>der</strong> für mich<br />

Vater und Vorbild in <strong>der</strong> Nachfolge Jesu<br />

ist. Wie <strong>der</strong> Heilige Franz verließ ich eine<br />

gutsituierte Familie, um mich in den<br />

Dienst <strong>der</strong> Armen zu stellen. Geboren<br />

im entwickelten Umland von São Paulo,<br />

fand ich mich nun im Armenhaus des<br />

brasilianischen Nordostens wie<strong>der</strong>. Mit<br />

dem São Francisco Strom ist es ähnlich:<br />

er entspringt im Bundesstaat Minas Gerais,<br />

das zum reichen Südwesten Brasiliens<br />

gehört, und fließt - im Unterschied<br />

zu den Flüssen seiner Nachbarschaft - in<br />

den verarmten Nordosten Brasiliens,<br />

wohin er Wasser und Nahrung trägt.<br />

Der Strom ist die Achse,<br />

das Zentrum, die Lebensa<strong>der</strong><br />

für das Volk. So<br />

kommt es, dass ich mich<br />

diesem Volk und seinem<br />

Fluß zutiefst verbunden<br />

fühle und für eine Ökologie<br />

einstehe, die von meiner<br />

franziskanischen Spiritualität<br />

getragen wird.<br />

In all diesen Jahren erlebte<br />

ich Tag für Tag den<br />

ökologischen und sozialen<br />

Nie<strong>der</strong>gang am Rio São Francisco und<br />

an seinen Zuflüssen mit. Die eingesessenen<br />

Anwohner entlang <strong>der</strong> Flüsse beklagten<br />

sich über die wachsenden<br />

Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt<br />

aus dem Fluss zu gewinnen: <strong>der</strong> Fischbestand<br />

ist im Schwinden, die fruchtbaren<br />

Schwemmgebiete gehen verloren,<br />

Sandbänke breiten sich aus, die Schifffahrt<br />

gestaltet sich immer schwieriger,<br />

vergiftetes Wasser, Verschmutzung, Austrocknung,<br />

… Angesichts dessen fühlte<br />

ich mich zu einer radikalen Reaktion gezwungen,<br />

die über die weitgehend<br />

nutzlosen Anklagen <strong>der</strong> Missstände hinausgehen<br />

sollte. So kam es, dass ich<br />

zwischen 1992 und 1993 mit zwei Gefährten<br />

und einer Ordensschwester eine<br />

große Pilgerreise unternahm, die uns<br />

über ein Jahr lang von <strong>der</strong> Quelle bis zur<br />

Bischof Cappio beim Pressegespräch (Ausschnitt)<br />

Bischof Cappio – „Warum ich in Sobradinho faste”<br />

23


Bischof Cappio erklärt Demonstranten<br />

seinen Standpunkt<br />

Mündung des São Francisco Stromes<br />

führte. Wir wollten die Menschen am<br />

Strom aufrütteln, das öffentliche Bewusstsein<br />

auf die Flussproblematik lenken<br />

sowie das Volk und seine Vertretungen<br />

aufrufen, sich <strong>der</strong> Bewegung<br />

zur Rettung des São<br />

Francisco Stroms und seiner<br />

Menschen anzuschließen.<br />

Diese Wan<strong>der</strong>ung bot die<br />

außerordentliche Chance, den Strom,<br />

seine Nöte, seine Schönheit und sein<br />

Potenzial aus nächster Nähe zu erleben.<br />

Dabei wurde uns klar, dass vor allem die<br />

ausgedehnten Rodungen <strong>der</strong> Galerie-<br />

Wäl<strong>der</strong>* größten Schaden anrichten. Sie<br />

werden abgeholzt, um monokulturellen<br />

Ackerbau zu betreiben o<strong>der</strong> Holz für<br />

Köhlereien zu gewinnen. In <strong>der</strong> Folge<br />

versiegen die Quellen, die Flussbette<br />

versanden, die Ufer erodieren. Dazu<br />

kommen die Verschmutzung durch<br />

städtische und industrielle Abwässer sowie<br />

Wasservergiftungen, die auf schonungslosen<br />

Berg- und Ackerbau zurückgehen.<br />

Des weiteren sind die großen<br />

Bewässerungsanlagen zu nennen, die<br />

einerseits enorme Konzentrationen an<br />

Spritzmitteln einsetzen, andrerseits Unmengen<br />

von Wasser verschwenden. Die<br />

Dämme und Stromkraftwerke führen<br />

sehr oft zur Vertreibung <strong>der</strong> eingesesse-<br />

24 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

nen Flussanrainer, bringen den natürlichen<br />

Wasserkreislauf aus dem Lot und<br />

beanspruchen 70% <strong>der</strong> Abflussmenge<br />

für die Energie-Gewinnung. Vor allem<br />

aber bewirkt die Umweltzerstörung am<br />

Fluss die Misere und Vernachlässigung<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung des Flusstals, denn diese<br />

Menschen erfahren die Konsequenzen<br />

<strong>der</strong> Zerstörung des Flusses am eigenen<br />

Leib.<br />

Die Wurzel all dieser Fehlentwicklungen<br />

liegt im sogenannten „Entwicklungsmodell”,<br />

das nichts an<strong>der</strong>es ist als<br />

die ungezügelte Anhäufung von Kapital.<br />

Die darin begründete maßlose, unbegrenzte<br />

und konfliktreiche Übernutzung<br />

von Land, Wasser und Bevölkerung des<br />

”Velho Chico”, die einzig auf Gewinnmaximierung<br />

abzielt, ist das Todesurteil<br />

für den Rio São Francisco, und die Gal-<br />

„Der Strom ist die Achse, das Zentrum,<br />

genfrist läuft buchstäblich ab. Augenscheinlich<br />

wird das an <strong>der</strong> rasanten Abholzung<br />

des Cerrado-Gebiets im Westen<br />

Bahias, wo die wichtigsten Zuflüsse entspringen<br />

o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Vernichtung <strong>der</strong><br />

Caatinga, jene an die Trockenheit angepasste<br />

Vegetationsform Nordostbrasiliens,<br />

die heute in Holzkohle umgewandelt<br />

wird. Diese Abholzung führt zur<br />

Versandung <strong>der</strong> Zuflüsse und des<br />

Hauptstroms. Der Boom <strong>der</strong> Agro-<br />

Treibstoffe aus Zuckerrohr, Soja und Eukalyptus<br />

ist die jüngste Gefahr, vielleicht<br />

jene, die schlussendlich den Tod des<br />

Flusses besiegeln wird.<br />

Für die Rettung des São Francisco<br />

Stroms gibt es keine an<strong>der</strong>e Alternative<br />

als die unverzügliche, generelle Aussetzung<br />

jeglicher weiterer zerstörerischen<br />

Projekte und ein entschlossenes Programm<br />

zur Fluss-Revitalisierung. Letzteres<br />

würde ein Mammut-Unternehmen<br />

„Für die Rettung des São Francisco Stroms gibt es keine an<strong>der</strong>e<br />

weiterer zerstörerischen Projekte und ein entschlossenes


edeuten, über Generationen hinweg,<br />

unter Zusammenwirken aller staatlichen<br />

und zivilgesellschaftlichen Kräfte. Was<br />

sich heute als Revitalisierungs-Programm<br />

ausgibt, ist allenfalls eine Augenwischerei,<br />

ein Feigenblatt für das Flussumleitungs-Projekt,<br />

um nicht zu sagen ein<br />

marktschreierischer Kuhhandel, wie <strong>der</strong><br />

Propaganda-Feldzug des Ministers Geddel<br />

gezeigt hat.<br />

Sobradinho ist ein Sinnbild<br />

Ich habe den Ort Sobradinho als Ort<br />

meines Fastens ausgewählt. Vor 30 Jahren<br />

wurde hier ein riesiges Stauwerk errichtet<br />

und dem São Francisco Tal als<br />

künstliches Herz eingepflanzt, reduziert<br />

auf die Funktion eines Energie-<br />

Lieferanten, <strong>der</strong> für 17 % <strong>der</strong> Strom-<br />

Produktion Brasiliens sorgt bzw. für 95%<br />

<strong>der</strong> im Nordosten konsumierten elektri-<br />

die Lebensa<strong>der</strong> für das Volk.“ Bischof Cappio<br />

schen Energie. Wir können also schon<br />

hier von einer ”Transposição” sprechen,<br />

einer ”Umleitung” des Wassers in die<br />

Energie-Produktion, ein gewaltiger Eingriff<br />

in den natürlichen Flusslauf.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> äußerst autoritären<br />

Umsetzung des Kraftwerk-Projekts, <strong>der</strong><br />

Umsiedelung von etwa 72.000 Anrainer-<br />

Familien und <strong>der</strong> Vernichtung ausgedehnten<br />

Kulturlandes ist <strong>der</strong> Ort Sobradinho<br />

als Beispiel in die Geschichte eingegangen,<br />

wie das Leben <strong>der</strong> Gier und<br />

dem Profit unterworfen wird und <strong>der</strong><br />

Bevölkerung ein Entwicklungsmodell<br />

aufgezwungen wird, dessen hohe soziale<br />

und ökologische Kosten zum Tod des<br />

São Francisco-Tals führen werden. Im<br />

Augenblick liegt <strong>der</strong> Wasserstand des<br />

Stausees bei 14% seines Fassungsvermögens.<br />

Die Menschen an den Ufern<br />

tragen wie<strong>der</strong> die Konsequenzen. Somit<br />

ist Sobradinho schlicht zum Abbild des<br />

schwer kranken São Francisco Stroms<br />

geworden. Ein Beispiel für falsche Prioritätensetzung:<br />

Die vier Gemeinden, die<br />

an den Stausee angrenzen, haben enorme<br />

Schwierigkeiten, ihre Bevölkerung<br />

mit Wasser zu versorgen; mit 13 Millionen<br />

Reais wäre Abhilfe geschaffen, doch<br />

warten die Gemeinden seit 2001 auf<br />

grünes Licht aus <strong>der</strong> Politik …<br />

Das Projekt zur Flussumleitung folgt<br />

<strong>der</strong> gleichen Logik wie <strong>der</strong> Staudamm<br />

Sobradinho. Eigentlich laufen alle großen<br />

nationalen Projekte auf diese Logik<br />

hinaus, begonnen von den gentechnischen<br />

Produktivitätssteigerungen bis zu<br />

den Kraftwerken am Rio Madeira o<strong>der</strong> in<br />

Angra II: immer werden Naturraum und<br />

Wasser den Interessen privater Unternehmer<br />

überlassen und somit unsere<br />

natürlichen Ressourcen <strong>der</strong> globalen kapitalistischen<br />

Ausbeutung<br />

geopfert. Die großen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen des<br />

Ressourcen-Schutzes, die<br />

das Überleben des Planeten<br />

und <strong>der</strong> menschliche Spezies bedrohen,<br />

werden missachtet.<br />

Übersetzt aus dem brasilianischen<br />

Portugiesisch von Martin Mayr<br />

* Anm <strong>der</strong> Redaktion: Mitten im “Cerrado“, <strong>der</strong><br />

größten tropischen Region Brasiliens, existieren<br />

dichte Waldformationen, die man “Galerie-<br />

Wäl<strong>der</strong>” nennt, weil sie sich längs <strong>der</strong> Flussläufe<br />

entwickeln. Solche Wäl<strong>der</strong> sind die Heimat einer<br />

grossen Artenvielfalt.<br />

Alternative als die unverzügliche, generelle Aussetzung jeglicher<br />

Programm zur Fluss-Revitalisierung. “ Bischof Cappio<br />

Bischof Cappio – „Warum ich in Sobradinho faste”<br />

25


Bischof Cappio im Gespräch mit <strong>der</strong> Presse<br />

26 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch


„Ich faste nicht zuletzt für eine wahre<br />

Demokratie“<br />

Dom Luiz Dom Luiz erklärt am Mittwoch, den 12. Dezember<br />

2007 in <strong>der</strong> Tageszeitung Folha do São Paulo das undemokratische<br />

Vorgehen <strong>der</strong> Regierung.<br />

Man wirft mir vor, ich sei ein Feind <strong>der</strong><br />

Demokratie, weil ich mit Fasten und Beten<br />

ein autoritäres und verlogenes Projekt<br />

bekämpfe: die Umleitung <strong>der</strong> Wasser<br />

des São Francisco-Stroms.<br />

Ich werde als demokratie-feindlich<br />

gescholten, weil ich mit Fasten und Beten<br />

jenem autoritären, lügnerischen und<br />

rückschrittlichen Mammut-Projekt <strong>der</strong><br />

Bundesregierung entgegentrete, das die<br />

Wasser des São Francisco Stroms umleiten<br />

will.<br />

Meine Reaktion lässt sich aber nicht<br />

so hinstellen, als hätte ich mir freiwillig<br />

und allein von mir selbst ausgehend auferlegt,<br />

was ich nun tue. Wäre dem so,<br />

so könnte ich bestimmt nicht mit soviel<br />

Unterstützung rechnen, die mir von<br />

großen Teilen <strong>der</strong> Gesellschaft in steigen<strong>der</strong><br />

Intensität zugesichert wird,<br />

selbst aus den <strong>Reihe</strong>n <strong>der</strong> Regierungspartei<br />

PT.<br />

Wenn wir tatsächlich in einer republikanischem<br />

Geist verpflichteten, unverwässerten<br />

Demokratie lebten, so<br />

bräuchte ich nicht so weit gehen, wie<br />

ich es jetzt tue.<br />

Eines <strong>der</strong> schlimmsten Übel <strong>der</strong><br />

”Demokratie” in Brasilien besteht darin,<br />

dass man meint, man habe mit dem<br />

Mandat aus <strong>der</strong> Wahlurne schrankenlose<br />

Macht und eine Lizenz erhalten, die im<br />

Wahlkampf vertretenen Positionen vergessen<br />

zu machen; als wäre durch die<br />

Wahl eine Art Blanko-Scheck erstellt für<br />

alles, was mehr Macht und mehr Vermögen<br />

verspricht. Deshalb gehören<br />

nach wie vor alle möglichen Formen<br />

von Bevorzugung, Abzweigung öffentlicher<br />

Mittel, Interessenschieberei und Bestechung<br />

zum Repertoire <strong>der</strong> brasilianischen<br />

Politik, und lei<strong>der</strong> sind die Aussichten<br />

sehr gering, dass sich dies bald<br />

än<strong>der</strong>n würde. Der Gesellschaft aber<br />

hängen diese Praktiken längst zum Hals<br />

heraus, und es ist höchste Zeit, dass sich<br />

die Gesellschaft massiv dagegen auflehnt.<br />

Es gibt Politiker - und lei<strong>der</strong> sind es<br />

nicht eben wenige -, die eine Spur von<br />

Übergriffen, Korruption und unrechtmäßiger<br />

Bereicherung ziehen, wo immer<br />

sie in das öffentliche Leben eingreifen.<br />

Da Unsitten wie klientilistischer Wähler-<br />

„... als wäre durch die Wahl eine Art Blanko-Scheck<br />

erstellt für alles, was mehr Macht und mehr Vermögen<br />

verspricht.“ Bischof Cappio<br />

Bischof Cappio – „Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“<br />

27


fang, Glorifizierung <strong>der</strong> Kandidaten, unerfüllbare<br />

Wahlversprechen und die<br />

”Wie-du-mir-so-ich-dir”-Schablone weiterhin<br />

ziehen und viel eher politische<br />

Verführung als politische Bildung angesagt<br />

bleibt, gelingt es besagten Kandidaten<br />

und Kandidatinnen immer aufs<br />

Neue, wie<strong>der</strong>gewählt zu werden und in<br />

immer höhere Positionen vorzurücken,<br />

ganz unabhängig davon, welcher Partei<br />

o<strong>der</strong> welchem politischen Bündnis sie<br />

angehören.<br />

Im Wahlkampf des Präsidenten Lula<br />

wurde das zentrale Thema ”Wasser-<br />

Umleitung” soweit wie möglich gemieden.<br />

Und doch werden unsere Wahlgänge,<br />

die auf nichts an<strong>der</strong>em als bloßem<br />

Marketing-Kalkül und undurchschaubarer<br />

Parteien-Finanzierung durch<br />

die Unternehmer aufbauen, als hehre<br />

Ausdrucksformen unserer Demokratie-<br />

Kultur hingestellt und gern mit dem<br />

Verweis auf unser elektronisches Urnen-<br />

System dekoriert, womit wir selbst den<br />

USA als Beispiel dienten …<br />

Das Wasserumleitungs-Projekt <strong>der</strong><br />

Regierung ist undemokratisch, just deshalb,<br />

weil es den Menschen im Nordosten<br />

Brasiliens, die an Wassermangel<br />

leiden, den Zugang zum Wasser eben<br />

nicht erleichtert, ganz gleich, ob sie nun<br />

nahe beim Flusslauf o<strong>der</strong> weitab vom<br />

Rio São Francisco leben.<br />

Die Regierung lügt, wenn sie behauptet,<br />

sie würde 12 Millionen Durstleidende<br />

mit Wasser versorgen. Vielmehr<br />

handelt es sich um ein Projekt, das<br />

öffentliches Geld zur Begünstigung <strong>der</strong><br />

Ausführungs-Firmen ausgeben will; ein<br />

Projekt, welches das Wasser des Nordostens<br />

Brasiliens – sowohl die Wasser<br />

28 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

<strong>der</strong> großen Stauseen wie die Wasser des<br />

São Francisco Stroms – privatisieren und<br />

in den Händen <strong>der</strong> immergleichen Eliten<br />

konzentrieren wird.<br />

Die Umleitung des Wassers vom São<br />

Francisco hat absolut nichts mit <strong>der</strong><br />

Trockenheit im Nordosten zu tun. Das<br />

zeigt sich allein schon darin, dass <strong>der</strong><br />

Nordkanal, in dem 71% des abgezweigten<br />

Wassers in den Norden fließen sollen,<br />

weitab von den tatsächlich regenarmen<br />

und von Wassernot geplagten Regionen<br />

geplant ist. Von diesem Wasser<br />

sind nicht weniger als 87% für Produktionszweige<br />

mit sehr hohem Wasserverbrauch<br />

bestimmt: für bewässerten Obstbau,<br />

für die Garnelenzucht und für die<br />

Stahlindustrie, allesamt exportorientierte<br />

Investitionen mit äußerst bedenklichen<br />

sozialen und ökologischen Folgewirkungen.<br />

Die genannten Zahlen sind den offiziellen<br />

Studien und <strong>der</strong> abschließenden<br />

Umweltverträglichkeitsstudie des Wasserumleitungs-Projekts<br />

zu entnehmen,<br />

wie sie dem Gesetz entsprechend veröffentlicht<br />

worden ist - wogegen die Regierung<br />

im Internet nur Propagandistisches<br />

über das Projekt veröffentlicht.<br />

Das Wasserumleitungs-Projekt ist illegal<br />

und wird auf eine ebenso willkürliche<br />

wie autoritäre Art forciert: Die Untersuchungen<br />

zu den ökologischen Folgen<br />

sind nicht abgeschlossen, <strong>der</strong> rechtmäßige<br />

Weg zur Erlangung <strong>der</strong> umwelttechnischen<br />

Bewilligung wurde verfälscht,<br />

indigene Gebiete sind vom Projekt<br />

betroffen, ohne dass dies - wie in<br />

<strong>der</strong> Verfassung vorgesehen - Gegenstand<br />

einer Anhörung im Nationalkongress<br />

gewesen wäre.<br />

„... es handelt sich um ein Projekt, ... welches das<br />

Wasser des Nordostens Brasiliens – sowohl die Wasser<br />

<strong>der</strong> großen Stauseen wie die Wasser des São Francisco<br />

Stroms – privatisieren und in den Händen <strong>der</strong><br />

immergleichen Eliten konzentrieren wird.“<br />

Bischof Cappio


Insgesamt stehen 14 Gerichtsverfahren<br />

an, die Gesetzesverletzungen und<br />

Verfahrensmängel anprangern, doch<br />

vom Obersten Gerichtshof bislang nicht<br />

entschieden worden sind. Dessen ungeachtet<br />

hat die Regierung Militäreinheiten<br />

zum Kanalanstich mobilisiert, was<br />

einem Missbrauch <strong>der</strong> Heeresbefugnisse<br />

und einer Militarisierung jener Gegend<br />

gleichkommt. Dass <strong>der</strong> Entscheid des<br />

Regionalen Verwaltungsgerichtshofs<br />

vom vergangenen 10. Dezember einen<br />

einstweiligen Baustopp bewirkt hat, gilt<br />

als weiteres beredtes Zeugnis für das<br />

rechtswidrige Durchdrücken des Projekts.<br />

Doch die empörendste, weil wirklich<br />

schon an Grausamkeit heranreichende<br />

Methode <strong>der</strong> Regierung besteht darin,<br />

die öffentliche Meinung - beson<strong>der</strong>s in<br />

den Bundesstaaten, die als beson<strong>der</strong>s<br />

begünstigt hingestellt werden - mit haltlosen<br />

Versprechen zu manipulieren:<br />

man redet von reichlicher und einfacher<br />

Bischof Cappio und das Volk<br />

Wasserzustellung, ohne die wirklichen<br />

Nutznießer zu nennen, und sagt auch<br />

mit keinem Wort, wie die Wasserzuleitung<br />

funktionieren soll, welche Kosten<br />

dann zu bezahlen sein werden, wie die<br />

kleinen Nutzer die großen Verbraucher<br />

indirekt subventionieren werden, ähnlich,<br />

wie dies jetzt schon mit den Stromkosten<br />

geschieht. Demgegenüber lässt<br />

<strong>der</strong> offizielle Umwelt-Bericht keinen<br />

Zweifel am Endzweck des abgeleiteten<br />

Wassers: 70 % für Bewässerung, 26 %<br />

für industriellen Gebrauch, 4 % für den<br />

Konsum <strong>der</strong> verstreuten Anwohner.<br />

Demgegenüber schlagen wir ein<br />

weitaus umfassen<strong>der</strong>es Projekt vor: Wir<br />

wollen Wasser für die 44 Millionen Bewohner<br />

und Bewohnerinnen des Trokkengürtels<br />

Nordostbrasiliens - für alle<br />

neun Bundesstaaten, nicht nur für vier;<br />

für 1.356 Gemeinden und nicht nur für<br />

397. Und das alles zum halben Preis<br />

dessen, was im Regierungsprogramm<br />

zur Anheizung des Wirtschaftswachs-<br />

Bischof Cappio – „Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“<br />

29


tums für das Wasserumleitungs-Projekt<br />

vorgesehen ist.<br />

Was vom ”Atlas des Nordostens”,<br />

herausgegeben von <strong>der</strong> Nationalen<br />

Wasserbehörde (Agência Nacional das<br />

Águas), und von den Initiativen <strong>der</strong><br />

ASA-Netzwerks (Articulação do Semi-<br />

Árido) an Vorschlägen präsentiert wird,<br />

ist wesentlich breiter, stellt die Versorgung<br />

mit Trinkwasser für Mensch und<br />

Tier in den Mittelpunkt und baut auf <strong>der</strong><br />

Nutzung <strong>der</strong> reichen, durchaus genügenden<br />

Wasserreserven des Nordostens<br />

auf.<br />

Man nannte mich einen Fundamentalisten<br />

und Feind <strong>der</strong> Demokratie, weil<br />

ich das Volk aufgerufen hätte, sich aufzulehnen.<br />

Davor haben die „Demokraten”,<br />

die mir diese Vorwürfe machen,<br />

offenbar Angst. Warum aber wird die<br />

Wahrheit über dieses Projekt nicht eingestanden,<br />

und warum wird nicht offen<br />

darüber diskutiert, welches das bessere<br />

Projekt ist bzw. welcher Weg tatsächlich<br />

Bischof Cappio mit Kardinal Majella (rechts im Bild)<br />

30 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

zur Entwicklung des Trockengebiets im<br />

Nordosten führt? In genau dieser Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

liegt die Essenz meines<br />

Wi<strong>der</strong>stands, und in genau dieser Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

vollzieht sich, was Demokratie<br />

tatsächlich ist.<br />

Dom Frei Luiz Flávio Cappio,<br />

Bischof von Barra (Bahia)<br />

Übersetzt aus dem brasilianischen<br />

Portugiesisch von Martin Mayr


Erklärung <strong>der</strong> Präsidentschaft <strong>der</strong><br />

Brasilianischen Bischofskonferenz<br />

Die Bischofskonferenz unterstreicht, wie wichtig die Revitalisierung<br />

des Flusses und <strong>der</strong> Zugang zu sauberem Wasser für<br />

die gesamte Bevölkerung ist, weil dies den Menschenrechten<br />

entspricht und Wasser ein öffentliches Gut ist.<br />

„Herr, schenk meinem Volk,<br />

in dessen Namen ich Dich bitte,<br />

das Leben” (Esther 7,3)<br />

1. Das Fasten und Beten von Dom Luiz<br />

Flávio Cappio OFM, Bischof <strong>der</strong> Diözese<br />

Barra, ist von jener Liebe inspiriert, mit<br />

welcher <strong>der</strong> Hirte sein Volk liebt. Dom<br />

Luiz drückt damit seinen ungebrochenen<br />

Einsatz für den Rio São Francisco<br />

und das Leben seiner Anwohner aus -<br />

Bauern, Nachkommen von Sklaven, Indios.<br />

In seiner Haltung spiegeln sich die<br />

Achtung vor <strong>der</strong> Würde von Mensch<br />

und Schöpfung; sie bringt seine Überzeugung<br />

zum Ausdruck, dass <strong>der</strong><br />

Mensch fähig ist, mit seiner Umwelt in<br />

ehrfürchtigem Einklang zu leben.<br />

2. Damit weist Dom Luiz Cappio auf<br />

die Patt-Stellung zwischen zwei gegenläufigen<br />

Entwicklungs-Modellen hin: Auf<br />

<strong>der</strong> einen Seite die auf die För<strong>der</strong>ung familiärer<br />

Kleinbauernlandwirtschaft und<br />

auf den Naturschutz ausgerichtete Entwicklungs-Philosophie<br />

des sozialen Einschlusses<br />

und <strong>der</strong> Nachhaltigkeit; auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite jenes Modell, welches<br />

das Geschäft um Land und Wasser bevorzugt,<br />

was zu schwerwiegenden ökologischen<br />

und sozialen Problemen führt,<br />

weil dabei Menschen ausgebeutet, die<br />

Flüsse und Wäl<strong>der</strong> zerstört werden. Der<br />

Einsatz für die Verteidigung des Rio São<br />

Francisco findet sich in <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong><br />

Lateinamerikanischen Bischofskonferenz<br />

von Aparecida wie folgt motiviert: ”Der<br />

Naturreichtum Lateinamerikas und <strong>der</strong><br />

Karibik erfährt heute eine irrationale<br />

Ausbeutung, die immer mehr Spuren<br />

<strong>der</strong> Verwüstung, ja sogar des Todes in<br />

unserer gesamten Region hinterlässt. Für<br />

diesen Prozess trägt das heutige Wirtschaftsmodell<br />

die entscheidende Verantwortung,<br />

das dem maßlosen Gewinnstreben<br />

Vorrang vor dem Leben <strong>der</strong><br />

Menschen und Völker und vor dem vernunftgemäßen<br />

Umgang mit <strong>der</strong> Natur<br />

gibt ” (DA 473)<br />

3. An Regierung und Volk gerichtet,<br />

hält die Brasilianische Bischofskonferenz<br />

weiterhin an <strong>der</strong> Notwendigkeit fest, eine<br />

breite Diskussion über die Umleitung<br />

des Wassers des Rio São Francisco fortzusetzen.<br />

Die Bischofskonferenz unter-<br />

„... eine irrationale Ausbeutung, die immer mehr Spuren<br />

<strong>der</strong> Verwüstung, ja sogar des Todes in unserer<br />

gesamten Region hinterlässt.“ Dokument von Aparecida<br />

Erklärung <strong>der</strong> Präsidentschaft <strong>der</strong> Brasilianischen Bischofskonferenz<br />

31


In seiner Haltung<br />

spiegeln sich<br />

die Achtung<br />

vor <strong>der</strong> Würde<br />

von Mensch<br />

und Schöpfung;<br />

sie bringt<br />

seine Überzeugung<br />

zum Ausdruck,<br />

dass <strong>der</strong> Mensch<br />

fähig ist,<br />

mit seiner Umwelt<br />

in ehrfürchtigem<br />

Einklang<br />

zu leben.<br />

streicht die Wichtigkeit eines Programms<br />

zur Revitalisierung des Flusses<br />

und die Sicherstellung des Zugangs zu<br />

sauberem Wasser für die gesamte Bevölkerung,<br />

weil dies den Menschenrechten<br />

entspricht und Wasser ein öffentliches<br />

Gut ist. Einer demokratisch-legitimierten<br />

Regierung ist es aufgetragen, die von<br />

<strong>der</strong> Zivilgesellschaft vorgebrachten Anliegen<br />

zu ermessen, <strong>der</strong> Gesellschaft im<br />

Blick auf das Gemeinwohl breiten Mitentscheidungs-Spielraum<br />

einzuräumen<br />

und gerichtliche Entscheidungen in<br />

friedlichem Einvernehmen zu akzeptieren.<br />

4. Wir halten es für notwendig, die<br />

Alternativen zum Regierungsprojekt<br />

ernst zu nehmen; es handelt sich um sozial<br />

ausgewogene und wirksame Vorschläge,<br />

die von Regierungsorganen,<br />

Fach-Spezialisten und zivilgesellschaftlichen<br />

Verbänden vorgelegt werden; sie<br />

veranschlagen geringere Kosten und<br />

schließen die Möglichkeit ein, mehr<br />

Menschen und Gemeinden Wasser zu<br />

32 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

Bischof Cappio am Tropf<br />

sichern. Unter diesen Vorschlägen<br />

möchten wir hervorheben, was die ANA<br />

(Agência Nacional de Águas) mittels des<br />

”Atlas zum Nordosten” präsentiert, bzw.<br />

auf das Programm <strong>der</strong> ASA (Articulação<br />

do Sémi-Árido) hinweisen, welches die<br />

Errichtung von einer Million Zisternen<br />

anstrebt.<br />

5. Jetzt im Advent, Zeit <strong>der</strong> lebendigen<br />

Hoffnung, laden wir alle christlichen<br />

Gemeinden und alle Menschen guten<br />

Willens ein, sich fastend und betend mit<br />

Dom Luiz Cappio zu verbinden und für<br />

sein Leben und seine Gesundheit zu bitten,<br />

solidarisch mit dem Anliegen, das<br />

Dom Luiz vertritt. Die Hoffnung lässt<br />

nicht zugrunde gehen (Röm 5,5).<br />

Brasilia, 12. Dezember 2007<br />

Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe<br />

(Patronin Lateinamerikas)<br />

Dom Geraldo Lyrio Rocha<br />

Erzbischof von Mariana,<br />

Präsident <strong>der</strong> CNBB


Memorandum des Präsidenten <strong>der</strong> CNBB<br />

für den Präsidenten Lula da Silva<br />

Die brasilianische Bischofskonferenz schlägt die Einsetzung einer<br />

Dialog-Kommission vor.<br />

Sehr geehrter Herr Präsident,<br />

mit Respekt und Hochachtung möchten<br />

wir Ihnen gegenüber unsere Besorgnis<br />

über das Leben und die Person von<br />

Dom Frei Luiz Cappio, OFM, Bischof <strong>der</strong><br />

Diözese Barra, zum Ausdruck bringen. Er<br />

hat, aufgrund seiner Befürchtungen im<br />

Bezug auf das Flussumleitungsprojekt<br />

des Rio São Francisco und dessen Konsequenzen<br />

und Implikationen, seit dem<br />

27 November sein ”Fasten und Beten”<br />

wie<strong>der</strong>aufgenommen.<br />

Dieselbe Initiative hat Dom Luiz Flavio<br />

Cappio bereits einmal im Jahr 2005<br />

in Cabrobó (Pernambuco) ergriffen, damals<br />

für 11 Tage. Damals beendete er<br />

sein Fasten am 6. Oktober 2005, nachdem<br />

sich <strong>der</strong> damalige Innenminister<br />

Jaques Wagner in Ihrer Vertretung mit<br />

ihm getroffen hatte.<br />

In einer Audienz am 15. Dezember<br />

2005 haben Sie Dom Luiz Flavio Cappio<br />

und Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> sozialen Bewegungen<br />

empfangen. Bei diesem Anlass wurde<br />

<strong>der</strong> Kompromiss bestätigt, einen Dialogprozess<br />

durchzuführen. Dazu wurde<br />

eine gemischte Kommission bestehend<br />

aus Regierungsvertretern und <strong>der</strong> Vertretern<br />

<strong>der</strong> Zivilgesellschaft einberufen.<br />

Als Vermittler wurden die Casa Civil und<br />

<strong>der</strong> Generalsekretär bestimmt.<br />

Trotz all dieser Anstrengungen konn-<br />

te die Kommission den Vorschlägen und<br />

Zielen nicht gerecht werden, und es<br />

kam zu keinem umfassenden Einverständnis.<br />

Die CNBB hat mehrmals bestätigt,<br />

wie wichtig es ist, die schwerwiegenden<br />

Wasserprobleme <strong>der</strong> Bevölkerung des<br />

brasilianischen Trockengebietes zu lösen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Komplexität des Projektes<br />

<strong>der</strong> Flussumleitung des São Francisco-Flusses,<br />

mit seinen sozialen, wirtschaftlichen,<br />

kulturellen und ökologischen<br />

Implikationen, glauben wir, dass<br />

die Notwendigkeit besteht, eine größere<br />

Diskussion mit Beteiligung <strong>der</strong> Flussanrainer,<br />

<strong>der</strong> Fischer, <strong>der</strong> indigenen Gruppen,<br />

den Quilombolas, den Wissenschaftlern,<br />

den Spezialisten und an<strong>der</strong>en<br />

Interessierten durchzuführen. Das aktuelle<br />

Projekt muss besser analysiert werden,<br />

unter Berücksichtigung an<strong>der</strong>er Alternativen,<br />

die eine qualitativ gute Wasserversorgung<br />

für das Volk des Nordostens<br />

garantieren, wie zum Beispiel das<br />

Projekt ”Ein-Millionen-Zisternen”.<br />

Wir erklären uns dazu bereit, die<br />

Wie<strong>der</strong>aufnahme des Dialogs zwischen<br />

<strong>der</strong> Regierung und Dom Luiz Flavio<br />

Cappio zu unterstützen. Dazu schlagen<br />

wir vor, eine Kommission einzuberufen,<br />

um das aktuelle Projekt besser zu analysieren<br />

sowie die Projekte, die von den<br />

Memorandum des Präsidenten <strong>der</strong> CNBB<br />

33


Nichtregierungsorganisationen, Spezialisten<br />

und sozialen Bewegungen vorgeschlagen<br />

werden, unter an<strong>der</strong>em auch<br />

die Revitalisierung und Sanierung des<br />

São Francisco Flusses, miteinzubeziehen.<br />

Mit diesen Vorschlägen möchte die<br />

CNBB beitragen, die momentane Pattsituation<br />

zu überwinden und gleichzeitig<br />

die Absicht bekräftigen, sich an weiteren<br />

Initiativen zu beteiligen, die versuchen<br />

den Wasserzugang <strong>der</strong> brasilianischen<br />

Bevölkerung in <strong>der</strong> semiariden Region<br />

Bischof Cappio erklärt seine Entscheidung<br />

34 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

zu garantieren, ”damit alle Leben haben”<br />

(cf. Jo 10,10)<br />

Brasilia, 12. Dezember 2007<br />

Dom Geraldo Lyrio Rocha<br />

Erzbischof von Mariana,<br />

Präsident <strong>der</strong> CNBB<br />

Dom Dimas Lara Barbosa<br />

Weihbischof von Rio de Janeiro,<br />

Generalsekretär <strong>der</strong> CNBB


Für das Leben von Dom Luiz Cappio,<br />

für das Leben des Rio São Francisco<br />

„Nein zum vorliegenden Projekt <strong>der</strong> Umleitung des Rio São<br />

Francisco" heißt es in <strong>der</strong> Erklärung von Persönlichkeiten des<br />

öffentlichen Lebens und von Organisationen vom 15. Dezember<br />

2007.<br />

Wir, die wir diese Erklärung unterzeichnen,<br />

drücken auf diesem Weg unsere<br />

Ablehnung des vorliegenden Bundesregierungs-Projekts<br />

zur Umleitung des São<br />

Francisco Stroms aus. Es handelt sich<br />

um ein ebenso größenwahnsinniges wie<br />

undemokratisches Projekt, weil es gerade<br />

den Menschen, die tatsächlich unter<br />

Wassernot leiden, keine gesicherte Wasserversorgung<br />

garantiert - gleich,<br />

ob diese Menschen in Flussnähe<br />

o<strong>der</strong> weitab vom Strom wohnen.<br />

Die Regierung behauptet, sie<br />

werde den Durst von 12 Millionen<br />

Menschen löschen. Die<br />

Wahrheit ist aber, dass dieses Projekt öffentliche<br />

Gel<strong>der</strong> in die Taschen <strong>der</strong> Bau-<br />

und Zulieferfirmen pumpt und die Agro-<br />

Industrie för<strong>der</strong>n will. Es handelt sich<br />

um ein Unternehmen, welches das Wasser<br />

des Nordostens Brasiliens privatisieren<br />

und in den Händen <strong>der</strong> immerselben<br />

Eliten konzentrieren wird, sowohl<br />

die Wasser <strong>der</strong> großen Stauseen wie die<br />

Wasser des São Francisco Stroms.<br />

Die Umleitung des Wassers vom São<br />

Francisco Strom hat äußerst wenig mit<br />

<strong>der</strong> Trockenheit im Nordosten zu tun.<br />

Das zeigt sich allein schon darin, dass<br />

<strong>der</strong> Nordkanal, in dem 71% des abgezweigten<br />

Wassers in den Norden fließen<br />

sollen, weitab von den tatsächlich regenarmen<br />

und von Wassernot geplag-<br />

ten Regionen geplant ist. Nicht weniger<br />

als 87% dieser Wassermenge sind für<br />

Agrar-Projekte mit intensivem Wasserverbrauch<br />

bestimmt, für bewässerten<br />

Obstbau, für die Garnellen-Zucht und<br />

für die Stahl-Industrie. Dabei handelt es<br />

sich samt und son<strong>der</strong>s um exportorientierte<br />

Unternehmen mit äußerst bedenklichen<br />

sozialen und ökologischen Folge-<br />

Dom Luiz ist ein demütiger Mensch,<br />

<strong>der</strong> den Dialog sucht und pflegt.<br />

wirkungen. Die genannten Faktoren<br />

wurden in keiner Weise offen und ehrlich<br />

mit <strong>der</strong> betroffenen Bevölkerung erörtert,<br />

we<strong>der</strong> mit den Flußanrainern,<br />

noch mit den Fischern, Indios, Quilombolas<br />

(Ansiedlungen <strong>der</strong> Nachkommen<br />

geflohener Sklaven), ja nicht einmal mit<br />

den einschlägigen Fachleuten.<br />

Das vorliegende Projekt ignoriert,<br />

dass es weit billigere Alternativ-<br />

Lösungen gibt, die auf rationellere und<br />

wirkungsvolle Weise eine wesentlich<br />

größere Menge an Nutznießern versorgen<br />

können. Das Regierungsprojekt<br />

würde zu den veranschlagten Kosten<br />

von 6 Milliarden Reais (etwa 2,4 Milliarden<br />

Euro) vier Bundesstaaten (Pernambuco,<br />

Paraíba, Rio Grande do Norde<br />

Erklärung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und von Organisationen<br />

35


und Ceará) bzw. 12 Millionen Menschen<br />

in 391 Gemeinden zugute kommen.<br />

Dagegen hat die Bundes-<br />

Wasserbehörde (Agência Nacional de<br />

Águas) mit dem ”Atlas des Nordostens”<br />

eine Lösung vorgelegt, die um etwas<br />

mehr als drei Milliarden Reais (1,2 Milliarden<br />

Euro) neun Bundesstaaten (Bahia,<br />

Sergipe, Piauí, Alagoas, Pernambuco,<br />

Rio Grande do Norte, Paraíba, Ceará<br />

und <strong>der</strong> Norden von Minas Gerais) in<br />

die verbesserte Wasserversorgung einschließen<br />

würde, etwa 34 Millionen<br />

Menschen in 1.356 Gemeinden. Weiter<br />

ist auf das Netzwerk <strong>der</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />

<strong>der</strong> semiariden Region<br />

(”Articulação do Sémiárido – ASA”)<br />

zu verweisen, das sich vorgenommen<br />

hat, eine Million Zisternen zu bauen,<br />

Dom Luiz steht auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Armen<br />

und teilt mit diesen seit mehr als 30<br />

Jahren die Nöte im São Francisco Tal.<br />

wovon 220.000 schon errichtet worden<br />

sind. Gerade mit dieser Maßnahme<br />

kann den trockensten und abgelegensten<br />

Regionen geholfen werden.<br />

Das Wasserumleitungs-Projekt wird<br />

auf eine willkürliche und autoritäre Art<br />

forciert: Die Untersuchungen zu den<br />

ökologischen Folgen sind nicht abgeschlossen,<br />

die Umweltverträglichkeitsprüfungen<br />

wurden manipuliert, indigene<br />

Gebiete und Quilombolas sind<br />

von <strong>der</strong> Flächenumwidmung betroffen,<br />

ohne dass dies - wie in <strong>der</strong> Verfassung<br />

vorgesehen - Gegenstand einer Diskussion<br />

im Bundes-Kongreß gewesen wäre.<br />

Insgesamt sind 14 Gerichtsverfahren<br />

im Laufen, die Gesetzesverstöße und<br />

Verfahrensmängel nachweisen, aber<br />

vom Obersten Gerichtshof bislang nicht<br />

entschieden worden sind. Dessen ungeachtet<br />

hat die Regierung Militär-<br />

Einheiten zum Kanal-Anstich mobilisiert,<br />

was einem Mißbrauch <strong>der</strong> Funktion des<br />

Heeres und einer Militarisierung <strong>der</strong> betroffenen<br />

Gegenden gleichkommt. Dass<br />

<strong>der</strong> Entscheid des Regionalen Verwaltungsgerichtshofs<br />

vom vergangenen 10.<br />

Dezember einen einstweiligen Baustopp<br />

bewirkt hat, ist ein weiteres Indiz für die<br />

problematische Konzeption des Regierungsprojekts.<br />

Es sind die genannten Fakten und<br />

Vorgänge, die das Fasten und Beten von<br />

Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra<br />

(Bahia), begründen. Dom Luiz ist ein<br />

demütiger Mensch, <strong>der</strong> den Dialog<br />

sucht und pflegt. Er steht auf <strong>der</strong> Seite<br />

<strong>der</strong> Armen und teilt mit diesen seit<br />

mehr als 30 Jahren die Nöte im São<br />

Francisco Tal. Er bietet sein eigenes Leben<br />

an, um dem Volk und dem Fluß<br />

neues Leben zu ermöglichen. Wir unterstützen<br />

sein prophetisches<br />

Zeichen, das ihn als wahren<br />

Nachfolger Jesu auszeichnet.<br />

„Zwischen den Armen und<br />

einem Bischof entscheide<br />

ich mich für die Armen” -<br />

dieser vom Präsidenten Lula<br />

konstruierte Gegensatz ist<br />

völlig unangemessen. Tatsächlich geht<br />

es um eine Entscheidung zugunsten <strong>der</strong><br />

Armen o<strong>der</strong> zugunsten des Geschäfts<br />

mit Wasser - und da stellen wir uns ganz<br />

entschieden auf die Seite <strong>der</strong> Armen.<br />

Unterzeichnende:<br />

36 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

Leonardo Boff, Theologe<br />

Eduardo Galeano, Schriftsteller<br />

Pedro Casaldàliga, em. Bischof<br />

<strong>der</strong> Prälatur São Félix do<br />

Araguaia, MT<br />

Letícia Sabatella, Schauspielerin<br />

Und 700 Einzelpersonen sowie<br />

Organisationen<br />

Übersetzt aus dem brasilianischen<br />

Portugiesisch von Martin Mayr


Solidaritätsbrief <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz<br />

an Präsident Lula da Silva<br />

Der damalige Vorsitzende <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz,<br />

Kardinal Karl Lehmann, solidarisiert sich in diesem Brief mit<br />

Bischof Luíz Cappio und bittet Präsident Lula, den Hilferuf von<br />

Dom Luíz und den <strong>der</strong> vielen Menschen, die sein Fasten und<br />

Beten begleiten, zu erhören.<br />

Deutsche Bischofskonferenz<br />

Der Vorsitzende<br />

Zeugnis des Bischofs Dom Frei<br />

Luíz Flavio Cappio OFM<br />

Sehr geehrter Herr Präsident,<br />

mit großer Sorge hat die Deutsche Bischofskonferenz<br />

vom radikalen Zeugnis<br />

von Herrn Bischof Luíz Flavio Cappio erfahren.<br />

Über viele Jahre haben unsere<br />

Hilfswerke ADVENIAT und MISEREOR<br />

sein entschiedenes Eintreten für die von<br />

Armut betroffene Landbevölkerung begleitet.<br />

Seine Entscheidung, sein Leben<br />

für die Natur und die Menschen am Rio<br />

São Francisco einzusetzen, haben wir<br />

mit großem Respekt aufgenommen.<br />

Als Partner <strong>der</strong> Kirche und <strong>der</strong> Menschen<br />

in Brasilien ist es uns ein tiefes Anliegen,<br />

Bischof Cappio unsere Verbundenheit<br />

auszusprechen und die Menschen<br />

in Deutschland zur Solidarität aufzurufen.<br />

Bitte verstehen Sie unseren Appell<br />

nicht als Versuch einer politischen<br />

Einmischung in die inneren Angelegenheiten<br />

Ihres Landes. Es entspricht unserem<br />

weltkirchlichen Auftrag aus dem<br />

prophetischen Geist des Evangeliums<br />

Solidarität zu üben und die Stimme zu<br />

erheben zur Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />

- über die Landesgrenzen hinaus.<br />

Die Nachrichten, die wir täglich aus<br />

Brasilien erhalten, geben uns Anlass zu<br />

<strong>der</strong> Befürchtung, dass <strong>der</strong> ungelöste<br />

Konflikt um die Umleitung des Rio São<br />

Francisco mit dem Tod unseres Mitbru<strong>der</strong>s<br />

enden könnte. Wir teilen die Position<br />

<strong>der</strong> Brasilianischen Bischofskonferenz<br />

CNBB, dass <strong>der</strong> Staat die Verantwortung<br />

hat, <strong>der</strong> Bevölkerung Zugang zu gutem<br />

Wasser zu ermöglichen und dass die Suche<br />

nach Lösungen für eine nachhaltige<br />

Entwicklung in einem breit angelegten<br />

Dialog erfolgen muss. Wir teilen auch<br />

die Meinung, dass <strong>der</strong> Rio São Francisco<br />

revitalisiert werden muss und die Rechte<br />

<strong>der</strong> regionalen Bevölkerung - beson<strong>der</strong>s<br />

<strong>der</strong> indigenen, <strong>der</strong> afrikanischstämmigen<br />

Bevölkerung und <strong>der</strong> Flussuferbevölkerung<br />

- respektiert werden<br />

müssen. Als Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Deutschen<br />

Bischofskonferenz bitte ich Sie mit allem<br />

Respekt vor Ihrer Person und Ihrer Verantwortung<br />

als Staatspräsident, den Hilferuf<br />

von Dom Luíz und <strong>der</strong> vielen Menschen,<br />

die sein Fasten und Beten begleiten,<br />

zu erhören.<br />

Über Ihre Antwort würde ich mich<br />

sehr freuen.<br />

Hochachtungsvoll<br />

Karl Kardinal Lehmann<br />

Bonn, im Dezember 2007<br />

Solidaritätsbrief <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz an Präsident Lula da Silva<br />

37


Bischof Cappio betet den Rosenkranz<br />

38 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch


Lob des Wahnsinns<br />

Leonardo Boff<br />

Bischof Luiz hat sich zum „Wahnsinnigen Gottes“ gemacht,<br />

<strong>der</strong> eine höhere Weisheit besitzt als die Klugheit dieser Welt.<br />

Bischof Fr. Luiz Flávio Cappio war mein<br />

Schüler in Theologie von 1970 bis 1971<br />

in Petrópolis. Er zeichnete sich vor den<br />

an<strong>der</strong>en Brü<strong>der</strong>n durch sein radikales<br />

Engagement an <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Armen aus<br />

und durch das Maß von Bescheidenheit<br />

und Heiligkeit, das er ausstrahlte. Er<br />

blieb mir seine Abschlussarbeit schuldig,<br />

eine kleine, wenigstens 30-seitige These.<br />

Am letzten Tag, ehe er nach São Paulo<br />

versetzt wurde, legte er unter die Türe<br />

meiner Zelle ein Blatt, worauf geschrieben<br />

stand: „Nach fünf Jahren von Studium,<br />

Betrachtung und Gebet ist dies von<br />

meiner Theologie übriggeblieben”. Er<br />

hatte in Griechisch, Latein und Portugiesisch<br />

das Vater Unser, das Gebet des<br />

Herrn, nie<strong>der</strong>geschrieben.<br />

Immer wenn ich ihn traf, fragte ich<br />

nach <strong>der</strong> Arbeit, die er mir schuldig geblieben<br />

war. Im Jahre 1975, an einem<br />

Gründonnerstag, verschwand er aus<br />

dem Kloster in São Paulo. Drei Tage später<br />

wurde auf einem Seitenaltar <strong>der</strong> Kirche<br />

ein Brief von ihm gefunden, in dem<br />

er seine Entscheidung offenbarte, zu<br />

Leonardo Boff, ehemaliger <strong>Franziskaner</strong>,<br />

ist seit 1993 Professor für Ethik<br />

und Theologie in Rio de Janeiro. 2001<br />

erhielt er zusammen mit an<strong>der</strong>en den<br />

Alternativen Nobelpreis.<br />

den Ärmsten <strong>der</strong> Armen zu gehen und<br />

ihnen im Namen des Evangeliums zu<br />

dienen. Er war in seiner Mönchskutte<br />

gegangen und hatte nur das Evangelium<br />

mitgenommen. Er war per Anhalter<br />

auf Lastwagen mitgefahren und zwei<br />

Monate später in Barra angekommen,<br />

im Bundesstaat Bahia. In seiner Mönchskutte,<br />

in <strong>Franziskaner</strong>sandalen und mit<br />

dem Evangelium in <strong>der</strong> Hand predigte<br />

er in den kleinen Landgemeinden am<br />

Fluss.<br />

Als man Bru<strong>der</strong> Luiz ausfindig gemacht<br />

hatte, rief mich <strong>der</strong> Ordensprovinzial<br />

an und sagte: „Der Bru<strong>der</strong> Luiz<br />

ist verrückt geworden, wir müssen ihn<br />

zurückholen”. Ich antwortete ihm:<br />

„Bru<strong>der</strong> Provinzial, öffnen Sie das Markus-Evangelium<br />

und lesen Sie im Kapitel<br />

3, Vers 21: „Als seine Angehörigen davon<br />

hörten, (dass Jesus umherging und<br />

predigte), machten sie sich auf den<br />

Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen;<br />

denn sie sagten: Er ist von Sinnen.” Und<br />

Ähnliches geschah mit dem Apostel<br />

Paulus, als er das Kreuz Christi predigte,<br />

ein Skandal für die Juden, eine Verrücktheit<br />

für die Heiden und die Rettung für<br />

die Christen. Das Gleiche geschah mit<br />

dem Hl. Franziskus von Assisi als ihm angeraten<br />

wurde, die geltenden Klosterregeln<br />

zu befolgen, statt sich radikal mit<br />

den Armen zu identifizieren. Er antwor-<br />

Leonardo Boff – Lob des Wahnsinns<br />

39


tete dem Gesandten des Papstes: „Gott<br />

hat mich gerufen, dem Weg <strong>der</strong> Einfachheit<br />

zu folgen; ich möchte nicht,<br />

dass Sie von an<strong>der</strong>en Regeln sprechen;<br />

<strong>der</strong> Herr hat mir seinen Wunsch offenbart,<br />

einen neuen Wahnsinnigen in <strong>der</strong><br />

Welt zu haben”. Als Bischof Fr. Luiz beschlossen<br />

hatte den Hungerstreik anzutreten,<br />

sagte er: „Wenn Verständnis und<br />

Vernunft am Ende sind, ist <strong>der</strong> Wahnsinn<br />

<strong>der</strong> Weg”.<br />

Dieser Wahnsinn ist kein Wahnsinn,<br />

nur eine an<strong>der</strong>sgeartete Logik <strong>der</strong> Liebe,<br />

eine schöpferische Kraft, die aus dem<br />

System ausbricht. Wenn es jemanden<br />

gibt, <strong>der</strong> das Tal des Sao Francisco<br />

kennt, dann ist es Bischof Frei Luiz. In<br />

den Jahren 1992 und 1993 pilgerte er<br />

mit einer kleinen Gruppe durch das gesamte<br />

Flusstal, traf sich mit den Menschen<br />

am Flussufer, zeichnete alle Probleme<br />

auf und for<strong>der</strong>te ökologische<br />

Maßnahmen. Präsident Lula erhielt während<br />

seiner Wahlkampfreise entlang des<br />

São Francisco, an <strong>der</strong> auch ich teilnahm,<br />

aus <strong>der</strong> Hand des Frei Luiz das gesamte<br />

Material, das Fachleute<br />

als sehr wertvoll einschätzten.<br />

Da Bischof Frei Luiz<br />

ein sehr spiritueller Mann<br />

ist, mit großer persönlicher<br />

Heiligkeit, hat er einen<br />

speziellen Spürsinn<br />

für die Anliegen <strong>der</strong> Armen<br />

und für die Umweltzerstörung<br />

am São Francisco<br />

entwickelt. Die Regierung<br />

spricht von technischen<br />

Lösungen. Er<br />

spricht von sozialen Lösungen.<br />

Er ist nicht gegen<br />

die Verwendung des<br />

Fluss-Wassers für das<br />

Trockengebiet. Er ist gegen<br />

diese Art <strong>der</strong> Ableitung, die nicht<br />

angemessen mit den Betroffenen diskutiert<br />

wurde und die keine soziale Lösung<br />

gewährleistet. In einer Welt, in <strong>der</strong> alles<br />

zur Handelsware und zum Profitbringer<br />

gemacht wird, sollen auch hier 70 %<br />

40 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

des abgeleiteten Wassers dem Agrobusiness<br />

für Exportzwecke dienen. Die Bundesstaaten<br />

sollten das restliche Wasser<br />

an das durstige Volk verteilen. Werden<br />

sie das machen, ohne dafür Geld zu verlangen?<br />

Bischof Frei Luiz hat in den 30 Jahren,<br />

in denen er sich mit den Armen des<br />

Flusstales identifiziert, diese Sackgasse<br />

erkannt. Er hat sich zum ”Wahnsinnigen<br />

Gottes” gemacht, weil er eine sehr viel<br />

höhere Weisheit besitzt.<br />

„Wenn Verständnis<br />

und Vernunft am<br />

Ende sind, ist <strong>der</strong><br />

Wahnsinn <strong>der</strong> Weg.“<br />

Bischof Cappio<br />

Bischof Cappio nach dem Zusammenbruch


Brief an den franziskanischen Mitbru<strong>der</strong><br />

Carlos Mesters<br />

Es wird immer Leute geben, die behaupten, <strong>der</strong> Prophet sei im<br />

Unrecht!<br />

Rio de Janeiro, 5. Dezember 2007<br />

Geschätzter Dom Luiz Cappio,<br />

Bru<strong>der</strong> und Freund, Bettelmönch<br />

wie ich und so Viele!<br />

Gott möge Dir Kraft schenken für Dein<br />

Fasten, das als lebendiges Zeugnis Deiner<br />

Verbundenheit mit dem Evangelium<br />

Jesu und den Armen wirkt.<br />

Dort und da wird gesagt, Dein<br />

Fasten habe nichts mit dem pastoralen<br />

Auftrag <strong>der</strong> Kirche zu tun. Kümmere<br />

Dich nicht darum, Dom Luiz! Denn es<br />

wird immer Leute geben, die behaupten,<br />

<strong>der</strong> Prophet sei im Unrecht. Das haben<br />

sie selbst Jesus unterstellt. Über ihn<br />

verbreiteten sie, dass er wahnsinnig sei<br />

(siehe Mk 3,21) und von einem bösen<br />

Geist getrieben werde (Mk 3,21).<br />

Wenn Du Dich vor jener Menge<br />

kleiner Leute findest, die sich um Dich<br />

schart, mit Dir betet und Deine konkrete<br />

Geste unterstützt, dann vergiss alle Kritik<br />

<strong>der</strong> sogenannten Weisen und Verständigen;<br />

vielmehr mach Dir das Lob<br />

Carlos Mesters, Theologe und Karmelit,<br />

ist Mitbegrün<strong>der</strong> des Ökumenischen<br />

Zentums für Bibelstudien (CEBI)<br />

und einer <strong>der</strong> bekanntesten Theologen<br />

und Exegeten Lateinamerikas.<br />

Jesu zu eigen: „Ich preise dich, Vater,<br />

weil Du all das den Weisen und Klugen<br />

verborgen, den Unmündigen aber geoffenbart<br />

hast. Ja, Vater; denn so hat es dir<br />

gefallen!” (Mt 11,25-26)<br />

Dom Cappio, bete Du auch für mich<br />

und für alle, die Dich unterstützen, auf<br />

dass uns Dein Zeugnis helfe, das Evangelium<br />

Jesu immer besser zu verstehen<br />

und mit all seinen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

zu leben, als Christen im Heute, hier im<br />

Brasilien des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Eine herzliche Umarmung von Deinem<br />

Bru<strong>der</strong><br />

Carlos Mesters, vom Orden <strong>der</strong><br />

Karmeliter<br />

Dom Cappio, bete Du<br />

auch für mich und für<br />

alle, die Dich unterstützen,<br />

auf dass uns<br />

Dein Zeugnis helfe ...<br />

Carlos Meesters – Brief an den franziskanischen Mitbru<strong>der</strong><br />

41


Bischof Cappio neben <strong>der</strong> Franziskus-Statue<br />

42 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch


Luiz Cappio, warum bist Du denn<br />

gekommen, uns zu stören?<br />

Paulo Suess<br />

Die repräsentative Demokratie zu verän<strong>der</strong>n, heißt nicht mit<br />

<strong>der</strong> Demokratie zu brechen. Wohl aber mit den elitären, den<br />

antidemokratischen und den korrupten Kräften zu brechen,<br />

die das Land beherrschen.<br />

In <strong>der</strong> Erzählung „Der Großinquisitor“<br />

von Dostojewski überquert <strong>der</strong> Kardinal-<br />

Inquisitor den Platz von Sevilla und begegnet<br />

einem Menschen, in dem <strong>der</strong>/<br />

die Lesende später Jesus erkennt. „Antworte<br />

nicht, schweig! Warum bist Du<br />

denn gekommen, uns zu stören?” Später<br />

denkt <strong>der</strong> Inquisitor über die Antworten<br />

nach, die Jesus nach seinem 40tägigen<br />

Fasten dem Teufel gegeben hat, wo<br />

er das Brot als Privileg und ebenso den<br />

Ruhm an <strong>der</strong> Zinne des Tempels und<br />

die Macht durch Götzenanbetung zurückgewiesen<br />

hat. ”Du wolltest den<br />

Menschen nicht <strong>der</strong> Freiheit berauben<br />

und verschmähtest die drei einzigen<br />

Mächte, die ein Volk unterwerfen können:<br />

das Wun<strong>der</strong> zum eigenen Vorteil,<br />

das Geheimnis, um die an<strong>der</strong>en zu verwirren<br />

und die Autorität, um die Armen<br />

zu unterwerfen!” Im Kontext <strong>der</strong> Regierung<br />

Lula würde <strong>der</strong> Kardinal sagen: Du<br />

hast das Wun<strong>der</strong> in Form <strong>der</strong> Grundversorgung<br />

mit Lebensmitteln, das Geheimnis<br />

<strong>der</strong> Regierbarkeit zur Besiegelung <strong>der</strong><br />

Partnerschaft von Mo<strong>der</strong>nität und sozia-<br />

Paulo Suess, katholischer Theologe aus<br />

Deutschland, lebt und wirkt seit 1966<br />

in Brasilien. Er hat in seinen wissenschaftlichen<br />

Arbeiten maßgeblich die<br />

Theologie <strong>der</strong> Inkulturation geprägt.<br />

lem Rückschritt und den Autoritarismus<br />

einer angeblichen Unfehlbarkeit <strong>der</strong><br />

Technokraten abgelehnt.<br />

Warum bist Du denn gekommen,<br />

uns zu stören? In <strong>der</strong> Weihnachtszeit<br />

und zum Jahresende, in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong><br />

übervollen Tische, hat <strong>der</strong> Hungerstreik<br />

von Dom Luís Cappio in <strong>der</strong> Tat das allgemeine<br />

Klima des Konsumismus gestört.<br />

Mehr noch, man stellte im Namen<br />

<strong>der</strong> Demokratie und <strong>der</strong> christlichen<br />

Lehre in Frage, dass dieses Fasten legitim<br />

sei. An<strong>der</strong>s ausgedrückt: bis heute<br />

ist nicht entschieden, ob das Verhalten<br />

des franziskanischen Bischofs <strong>der</strong> Diözese<br />

Barra (Bahía), das <strong>der</strong> Umleitung des<br />

Rio São Francisco ein alternatives Projekt<br />

entgegenstellen wollte, ein Hungerstreik<br />

war o<strong>der</strong> eine Fastenzeit im Advent, dessen<br />

23 Tage noch weit entfernt waren<br />

von den 40 Tagen des Fastens Jesu in<br />

<strong>der</strong> Wüste von Palästina.<br />

Was es auch gewesen sein mag, ob<br />

ordentliches Fasten o<strong>der</strong> Hungerstreik,<br />

alle fühlten sich gestört und suchten<br />

nach “honorigen Lösungen”, damit sich<br />

<strong>der</strong> Zynismus <strong>der</strong> Regierung und <strong>der</strong><br />

Opportunimus einiger politischer Wallfahrer,<br />

das Mitleiden <strong>der</strong> sozialen Bewegungen<br />

und <strong>der</strong> kämpferische Geist von<br />

pastoralen Mitarbeitern darin wie<strong>der</strong><br />

fänden, obwohl die letztgenannten<br />

nach Meinung anerkannter Soziologen<br />

Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?<br />

43


Die formale Demokratie wurde<br />

zum Grundelement für die Akkumulation<br />

des Kapitals und die<br />

Reproduktion <strong>der</strong> strukturellen<br />

Ungerechtigkeit.<br />

nicht in <strong>der</strong> Lage waren, korrekt zwischen<br />

Glauben und Politik zu vermitteln.<br />

Von <strong>der</strong> Catedra aus zu sprechen ist einfacher,<br />

als in <strong>der</strong> Strohhütte einen Dialog<br />

zu führen. Wer die 22 indigenen<br />

Völker gesehen hat, die durch die Verle-<br />

Bischof Cappio und das Volk beim Gebet<br />

44 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

gung des Flusses betroffen sein werden,<br />

än<strong>der</strong>t seinen “Umgang mit Vermittlung”.<br />

Er o<strong>der</strong> sie wird entdecken, dass<br />

es nicht die indigenen Völker sind o<strong>der</strong><br />

die Anrainer, die Fischer o<strong>der</strong> die Quilombo-Bewohner<br />

im São Francisco-<br />

Becken, die sich weigerten, jenes Glas<br />

Wasser, von dem die Bibel spricht, ihrem<br />

durstigen Bru<strong>der</strong> zu reichen, wie<br />

die Propaganda <strong>der</strong> Regierung behauptete.<br />

Im Gegenteil, es ist die Leitung des<br />

Agrobusiness und <strong>der</strong> Wasserwirtschaft,<br />

die ihnen bis heute die Grundsanierung<br />

verweigerte und sie jetzt gezwungen<br />

hat, in die Logik des neoliberalen Mark-


tes einzutreten, die jede Art von Solidarität<br />

erstickt. Von 100 Gläsern Wasser,<br />

die durch das Projekt <strong>der</strong> Regierung<br />

dem São Francisco entnommen werden,<br />

werden nicht einmal 4 <strong>der</strong> armen Bevölkerung<br />

angeboten. 70 Gläser Wasser<br />

werden dem Agrobusiness dienen und<br />

26 den Industriestandorten in den Städten.<br />

Das Projekt, das die sozialen Bewegungen<br />

und Dom Cappio vertreten,<br />

stellt zum halben Preis Wasser für die<br />

vierfache Anzahl von Menschen zur Verfügung.<br />

Was steht bei <strong>der</strong> Umleitung eines<br />

Teils des Flusses São Francisco auf dem<br />

Spiel? Im besten Fall wird die Umleitung<br />

die Verhungernden mit Hungerrationen<br />

versorgen, bzw. – da es sich um Wasser<br />

handelt – mit Wasserrationen für chronisch<br />

Ausgetrocknete o<strong>der</strong> saisonbedingte<br />

Durstleidende. Ich sagte, im besten<br />

Fall, denn man vermutet, dass diese<br />

Umleitung des Wassers zu den Ausgetrockneten<br />

und den Durstleidenden<br />

nur als Vorwand dient und dass dieses<br />

Wasser eher “die Hände” <strong>der</strong> Bauunternehmer,<br />

des Agrobusiness und <strong>der</strong><br />

‚schwarzen’ Kasse <strong>der</strong> nächsten Wahlen<br />

“befeuchten” wird als die Kehlen <strong>der</strong> Armen.<br />

Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen,<br />

muss man sagen, dass die Radikalität<br />

und Schlichtheit des Fastens von<br />

Dom Cappio eine Bedeutung hat, die<br />

weit über das Problem am Fluss São<br />

Francisco hinausgeht. Es verweist auf<br />

demokratische Praxis, auf Mittel und<br />

Ziele <strong>der</strong> Entwicklung und auf die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Kirche in gesellschaftlichen<br />

Konflikten.<br />

Demokratische Praxis<br />

Wir leben in einer Gesellschaft, die<br />

durch die kapitalistische Produktionsweise<br />

bestimmt ist, die das Geld als höchsten<br />

Wert durchsetzt und <strong>der</strong>en Ziel die<br />

Gewinnmaximierung ist. Die formale<br />

Demokratie wurde zum Grundelement<br />

für die Akkumulation des Kapitals und<br />

die Reproduktion <strong>der</strong> strukturellen Ungerechtigkeit.<br />

Sie legalisiert die rein ökonomische<br />

Sicht <strong>der</strong> Welt mit ihren<br />

Alles, was man nicht kaufen<br />

kann, sagte Kant, hat Würde.<br />

Angesichts dieser ungewöhn-<br />

lichen Würde wandte sich die<br />

Regierung in ihrer Ratlosigkeit<br />

an den Vatikan mit <strong>der</strong> Bitte<br />

einzuschreiten.<br />

Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?<br />

45


Schwerpunkten von Nutzen, Konsumismus,<br />

Individualismus und Wettbewerb.<br />

In diesem Zusammenhang muss das<br />

Megaprojekt <strong>der</strong> Umleitung des São<br />

Francisco (für 6 Billionen Reais) verstanden<br />

werden. Es entstand in den Zeiten<br />

des Kaiserreichs und trägt bis heute imperiale<br />

Merkmale. Entscheidungen werden<br />

im Geheimen getroffen, das Blaue<br />

vom Himmel wird versprochen, aber die<br />

Adressaten des Projektes werden nicht<br />

aktiv einbezogen. Pro forma wurde die<br />

Öffentlichkeit an einem Mittwoch <strong>der</strong><br />

Karnevalszeit in Salvador angehört und<br />

auf diese Weise demokratische Mitwirkung<br />

vorgetäuscht. Um die nationale<br />

Bedeutung des Projekts zu unterstreichen<br />

und jeden Wi<strong>der</strong>stand zu erstikken,<br />

hat Lula das Militär geschickt, als<br />

das autoritäre Projekt <strong>der</strong> Umleitung des<br />

Rio São Francisco in Gang gesetzt wurde.<br />

Wenn Regierungssprecher behaupteten,<br />

<strong>der</strong> Hungerstreik sei eine autoritäre<br />

Handlung, dann verwechseln sie den<br />

Feuerwehrmann mit dem Brandstifter;<br />

dann verwechseln sie moralische Autorität<br />

mit Autoritarismus und verhin<strong>der</strong>n<br />

Wi<strong>der</strong>stand außerhalb von Wahlkampfzeiten.<br />

Stimmen von Senatoren und Abgeordneten<br />

können gekauft werden.<br />

Das Fasten von Frei Cappio, <strong>der</strong> bereit<br />

war, sein Leben zu geben, um das Projekt<br />

zu verhin<strong>der</strong>n, das die Armen gefährdet,<br />

ist ein Geschenk. Und ein Geschenk<br />

kann man nicht in Ware verwandeln<br />

wie die Umleitung des Flusses. Dieses<br />

Geschenk (= O DOM* – Cappio)<br />

wurde nicht verkauft. Alles, was man<br />

nicht kaufen kann, sagte Kant, hat Würde.<br />

Angesichts dieser ungewöhnlichen<br />

Würde wandte sich die Regierung in ihrer<br />

Ratlosigkeit an den Vatikan mit <strong>der</strong><br />

Bitte einzuschreiten. In Konfliktzeiten erinnern<br />

sich die Mächtigen, dass sie<br />

„compadres“ sind und sich gegenseitig<br />

Gunst schulden.<br />

Welche Möglichkeiten haben denn<br />

soziale Bewegungen, Arbeiterbewegungen<br />

und Bewegungen <strong>der</strong> Zivilgesellschaft,<br />

in den Handlungsablauf einer Re-<br />

gierung einzugreifen, die im<br />

Dienst <strong>der</strong> Eliten steht, außer<br />

<strong>der</strong>, die öffentlichen Angelegenheiten<br />

erneut zu politisieren,<br />

und zwar auch durch<br />

symbolische Gesten wie das<br />

Fasten von Dom Cappio? Angesichts<br />

<strong>der</strong> Dekadenz und<br />

<strong>der</strong> Anzeichen von Irrationalität<br />

in <strong>der</strong> formalen Demokratie<br />

kritisiert <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

durch sein Handeln unsere<br />

halbherzige demokratische<br />

Praxis grundlegend. Er macht<br />

darauf aufmerksam, das man<br />

eine stärker partizipative Demokratie<br />

anstreben muss, um<br />

das Prinzip <strong>der</strong> Volkssouveränität,<br />

das dem Gesellschaftsvertrag<br />

zu Grunde liegt, zu<br />

retten. Die Verfassung von<br />

1988 sieht zwar die Möglichkeit<br />

von Volksabstimmungen,<br />

Streiks und öffentlichen Anhörungen<br />

vor, aber dennoch<br />

kann das Volk nur sehr eingeschränkt<br />

aktiv mitwirken. Wir<br />

müssen die Demokratie radikalisieren.<br />

Die repräsentative<br />

Demokratie zu verän<strong>der</strong>n,<br />

heißt nicht mit <strong>der</strong> Demokratie<br />

zu brechen. Wohl aber mit<br />

den elitären, den antidemokratischen<br />

und den korrupten<br />

Kräften zu brechen, die das<br />

Land beherrschen. Die Arbeit<br />

an <strong>der</strong> Basis hat den Sinn, dafür<br />

zu arbeiten, dass im einfachen<br />

Volk die Basis immer<br />

größer wird, um die notwendigen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen am System<br />

herbeiführen zu können.<br />

Ziel und Mittel <strong>der</strong><br />

Entwicklung<br />

Nicht <strong>der</strong> Durst des einfachen<br />

Volkes treibt das Projekt zur<br />

Umleitung des São Francisco<br />

voran, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wasserbe-<br />

46 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

Die Kirche<br />

Jesus<br />

Zeichen für<br />

Gerechtig<br />

Verände<br />

ersetzt den<br />

eine<br />

Welt nicht<br />

einen<br />

lischen<br />

mit Grund<br />

mitteln”, so<br />

eigene<br />

gung von<br />

und<br />

überflüssig


setzt wie<br />

konkrete<br />

Offenheit,<br />

keit und<br />

rung. Sie<br />

Kampf für<br />

bessere<br />

durch<br />

„himm-<br />

Warenkorb<br />

nahrungs-<br />

dass die<br />

Anstren-<br />

Denken<br />

Handeln<br />

würde.<br />

darf von Agrobusiness und Industrie.<br />

Die Durchführung<br />

von Großprojekten, die große<br />

Geschäfte für wenige Menschen<br />

bedeuten, verbrauchen<br />

immer mehr Naturvorkommen<br />

(Land und Wasser). Dieses<br />

Modell missachtet das<br />

Wissen <strong>der</strong> lokalen Gemeinden,<br />

laugt die Böden aus, verunreinigt<br />

die Gewässer und<br />

treibt in die Arbeitslosigkeit.<br />

Es zwingt die Menschen, zuzulassen,<br />

dass die Artenvielfalt<br />

in ihrer Region, ihre Böden<br />

und ihre Subsistenzwirtschaft<br />

zu Län<strong>der</strong>eien für Viehzucht<br />

und Monokultur verwandelt<br />

werden. Der größere Teil <strong>der</strong><br />

Landbevölkerung wird gezwungen,<br />

in die Peripherien<br />

<strong>der</strong> Städte abzuwan<strong>der</strong>n. Die<br />

herrschende Leitvorstellung<br />

von Entwicklung basiert auf<br />

großflächigen Län<strong>der</strong>eien, auf<br />

Maschinen, auf chemischen<br />

Zusätzen und auf genetisch<br />

verän<strong>der</strong>tem Samengut. Solche<br />

Entwicklung produziert<br />

für den Großmarkt und den<br />

Außenmarkt. Die Geste von<br />

Frei Cappio war ein Versuch,<br />

gegen dieses sich ständig weiter<br />

ausbreitende Modell von<br />

Latifundien, von Monokultur,<br />

Export, Industrialisierung des<br />

Elends (“Industrie <strong>der</strong> Trokkengebiete”),<br />

von privilegiertem<br />

Luxus und sozioökologischer<br />

Zerstörung Wi<strong>der</strong>stand<br />

zu mobilisieren. Frei<br />

Cappio und das Volk <strong>der</strong> Region<br />

stehen für ein nachhaltiges<br />

Zusammenleben mit dem Gebiet<br />

des halbtrockenen Klimas<br />

(Auffangen des Regenwassers<br />

in Zisternen und unterirdische<br />

Wasserreservoire). Versuche<br />

für dieses Modell sind von <strong>der</strong><br />

Landpastoral (CPT) und <strong>der</strong><br />

Landlosenbewegung (MST)<br />

gemacht worden. Diese setzen sich ein<br />

für landwirtschaftliche Vielfalt, Familienwirtschaft,<br />

Agrarreform, Wie<strong>der</strong>erlangung<br />

des Gleichgewichts zwischen Land<br />

und Stadt, Stärkung <strong>der</strong> lokalen und regionalen<br />

Märkte und für Nahrungsmittelautonomie.<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Kirche<br />

Die Kirche hat von Jesus von Nazaret<br />

gelernt, mit den Kleinen und Leidenden<br />

mitzuleiden. Sie kennt die Armen und<br />

die An<strong>der</strong>en; sie respektiert ihre theologische<br />

Autorität: „Die Kirche … ist das<br />

Zuhause für die Armen Gottes”, sagten<br />

die Bischöfe in Aparecida (DA 8, 524).<br />

Das Mitleiden mit den Armen gehört<br />

zum Selbstverständnis <strong>der</strong> Kirche, bestimmt<br />

ihre Vorstellungswelt und ihre<br />

Symbolik. Sie baut nicht an einem Paradies<br />

auf Erden, aber wie Jesus setzt sie<br />

konkrete Zeichen für Offenheit, Gerechtigkeit<br />

und Verän<strong>der</strong>ung. Sie ersetzt den<br />

Kampf für eine bessere Welt nicht durch<br />

einen “himmlischen Warenkorb mit<br />

Grundnahrungsmitteln”, so dass die eigene<br />

Anstrengung von Denken und<br />

Handeln überflüssig würde. Indem sie<br />

uns Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hoffnung unterbreitet<br />

(„Auferstehung”), greift sie unsere Freiheit<br />

auf, entschlüsselt uns aber nicht alle<br />

Rätsel <strong>der</strong> menschlichen Existenz. Die<br />

Teufel sind immer noch los. Und wir haben<br />

keine an<strong>der</strong>en Sicherheiten als die<br />

Wahrscheinlichkeiten unseres Glaubens.<br />

Wer einen Hungerstreik, ein Mittel<br />

des gewaltlosen Kampfes, beginnt, weiß<br />

nicht, wie er enden wird. Das Ziel ist<br />

nicht, den Kampf “zu gewinnen”. Wer<br />

gewinnt, das sind die an<strong>der</strong>en. Das Ziel<br />

ist, ein Anliegen voranzubringen. Indem<br />

Frei Cappio seine fast unsichtbare Gestalt<br />

sichtbar macht, bringt er das Anliegen<br />

<strong>der</strong> Anrainer, <strong>der</strong> indigenen Bevölkerung<br />

und <strong>der</strong> Quilombo-Bewohner<br />

am Fluss São Francisco voran. Indem er<br />

auf symbolische Weise ihr genügsames<br />

Leben teilte und für das Wasser <strong>der</strong><br />

Durstleidenden kämpfte, wurde Luís<br />

Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?<br />

47


Cappio zur Ikone <strong>der</strong> Hoffnung und<br />

zum Zeichen einer höheren Gerechtigkeit.<br />

Durch Schweigen, Gebet und Fasten<br />

in <strong>der</strong> Kapelle São Francisco in<br />

Sobradinho (Bahía) motivierte er uns erneut,<br />

an die Gegenwart eines Gottes zu<br />

glauben, <strong>der</strong> sich entäußerte, um an <strong>der</strong><br />

Seite <strong>der</strong> Kleinen seinen Platz einzunehmen.<br />

Wir leben von den Wallfahrten um<br />

Land, vom Schrei um Land, vom Fasten<br />

und Beten, von <strong>der</strong> Mystik bei den<br />

Landbesetzungen <strong>der</strong> Landlosen (MST),<br />

von den Gottesdiensten im Gedenken<br />

an unsere Märtyrer, von <strong>der</strong> Eucharistie<br />

– wir leben von all diesen unscheinbaren<br />

Zeichen, die unseren Kämpfen<br />

Kraft geben. Der Kampf geht weiter,<br />

weil die Teufel immer noch los sind.<br />

Doch die Große Cobra, die sich in den<br />

Flüssen São Francisco, Araguaia, Xingú/<br />

Bischof Cappio liebt die Menschen (II)<br />

48 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

Amazonas versteckte, fand in Luís Cappio,<br />

Pedro Casaldáliga und Erwin Kräutler<br />

tapfere Krieger, die uns zusammenrufen,<br />

um an einer neuen Welt zu bauen,<br />

in <strong>der</strong> solche heroischen Gesten<br />

nicht mehr notwendig sind, weil in dieser<br />

Welt die Verzweiflung sich in Hoffnung<br />

verwandelt.<br />

* Im Portugiesischen bedeutet "o Dom" sowohl<br />

Bischof als auch Geschenk. Durch die doppelte<br />

Wortbedeutung ergibt sich inhaltlich, dass man<br />

Dom (Cappio) nicht verkauft hat [Anmerkung<br />

<strong>der</strong> Übersetzerin].<br />

Übersetzt aus dem brasilianischen<br />

Portugiesisch von Maria Schwabe


Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind<br />

gefor<strong>der</strong>t<br />

José Comblin<br />

Inmitten einer Gesellschaft, in <strong>der</strong> das Geld den höchsten<br />

Wert darstellt und Wettbewerb und Machterweiterung regieren,<br />

kann die Kirche nicht mehr durch Verlautbarungen Zeugnis<br />

geben. Erwartet werden sichtbare prophetische Gesten.<br />

Das II. Vatikanische Konzil verkündete,<br />

dass die Kirche im Dienst <strong>der</strong> Welt steht<br />

und kein Selbstzweck ist. Ihr Ziel ist die<br />

Erlösung aller Völker, <strong>der</strong> ganzen<br />

Menschheit. Das Konzil anerkennt, dass<br />

die Welt autonom ist und dass nicht<br />

mehr die Kirche die Welt regiert, wie zu<br />

den Zeiten christlicher Herrschaft. In<br />

Gaudium et Spes verzichtet man auf dieses<br />

Projekt <strong>der</strong> Christenheit. Allerdings<br />

sind die Worte das Eine, die Realität ist<br />

ganz an<strong>der</strong>s. In <strong>der</strong> Praxis handelt ein<br />

großer Teil <strong>der</strong> Kirche so, als gäbe es<br />

noch die gesellschaftlich herrschende<br />

Christenheit wie in <strong>der</strong> ersten Hälfte des<br />

20. Jahrhun<strong>der</strong>ts o<strong>der</strong> als könne man sie<br />

wie<strong>der</strong>herstellen. Als in Brasilien die<br />

Trennung von Staat und Kirche vollzogen<br />

wurde, erarbeiteten die Bischöfe ein<br />

Programm zur Rückeroberung <strong>der</strong> verlorenen<br />

Macht und nutzten dabei die<br />

Strukturen <strong>der</strong> republikanischen Gesellschaft,<br />

so dass die Kirche in <strong>der</strong> Praxis<br />

José Comblin, katholischer Theologe<br />

aus Belgien, lebt seit 1958 in Brasilien.<br />

Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten<br />

zur Exegese hat er sich in jüngster<br />

Zeit vor allem mit <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

von Glauben, Theologie und<br />

Kirche durch die Globalisierung befasst.<br />

die gesellschaftlich herrschende Christenheit<br />

wie<strong>der</strong> herstellte. Sie setzten<br />

vor allem die uralte Strategie ein: evangelisieren<br />

durch Kin<strong>der</strong> und durch Bildungsinstitutionen.<br />

So hat die Kirche in<br />

einem Zeitraum von 50 Jahren und unter<br />

<strong>der</strong> Anleitung von Kardinal Leme, einem<br />

großen Bewun<strong>der</strong>er <strong>der</strong> europäischen<br />

Christenheit, in Brasilien wie<strong>der</strong><br />

große Macht errungen. Man sagt, dass<br />

80% <strong>der</strong> brasilianischen Elite katholische<br />

Bildungseinrichtungen besucht haben.<br />

Wie<strong>der</strong>um hatte die Kirche eine beeindruckende<br />

Fassade. Wie<strong>der</strong>um wurden<br />

Kirche und Staat miteinan<strong>der</strong> verflochten.<br />

Die herrschende Klasse spürte, dass<br />

sie die Kirche brauchte, um sich das<br />

Volk zu unterwerfen, und sparte nicht<br />

mit Begünstigungen o<strong>der</strong> gar Privilegien,<br />

von denen die katholischen Institutionen<br />

profitierten.<br />

Fast alle lateinamerikanischen Län<strong>der</strong><br />

machten eine ähnliche Entwicklung<br />

durch. Das Vorbild war <strong>der</strong> Wohlfahrtsstaat<br />

Westeuropas, das heißt ein durch<br />

Sozialgesetzgebung eingegrenzter Kapitalismus,<br />

in dem die Arbeiter beschützt<br />

und die traditionellen ethischen Werte,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Familie, bewahrt wurden.<br />

Es stimmt jedoch, dass es auf dem<br />

Land an<strong>der</strong>s aussah. Diese neue Christenheit<br />

stellte die Strukturen auf dem<br />

Land nicht in Frage, die Menschen auf<br />

José Comblin – Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind gefor<strong>der</strong>t<br />

49


dem Land wurden ignoriert und blieben<br />

ohne Einfluss auf das Leben <strong>der</strong> Nationen.<br />

Der CEPAL-Plan passte zu diesem<br />

Modell, weil er verhin<strong>der</strong>te, dass das<br />

große Weltkapital sich <strong>der</strong> nationalen<br />

Ökonomie bemächtigte, obwohl das<br />

Eindringen nicht voll und ganz verhin<strong>der</strong>t<br />

werden konnte. Alles schien in Frieden<br />

zu sein.<br />

Neues Bündnis von politischer<br />

und religiöser Macht<br />

Die Abkommen zwischen den Bischöfen<br />

und dem Präsidenten Juscelino Kubitschek<br />

symbolisierten die harmonischen<br />

Beziehungen innerhalb einer de facto<br />

herrschenden neuen Christenheit, in <strong>der</strong><br />

die Kirche zwar offiziell über keine politische<br />

Macht verfügte, diese aber in Wirklichkeit<br />

doch besaß, und zwar dank <strong>der</strong><br />

vertraulichen Beziehungen zwischen <strong>der</strong><br />

religiösen Macht und <strong>der</strong> Macht auf nationaler,<br />

staatlicher o<strong>der</strong> kommunaler<br />

Ebene.<br />

Die danach herrschenden Militärregimes<br />

haben die Gesellschaftsstrukturen<br />

nicht grundsätzlich geän<strong>der</strong>t, außer in<br />

Chile, wo Pinochet seit den 70er Jahren<br />

das neue Modell <strong>der</strong> neoliberalen Globalisierung<br />

einführte. In Brasilien übernahm<br />

es die Kirche mit einem gewissen<br />

Erfolg, die zivilen Freiheiten und die<br />

Rechte <strong>der</strong> Bürger zu schützen. Wenn<br />

man die Län<strong>der</strong> vergleicht, war die Repression<br />

in Brasilien viel geringer als in<br />

Argentinien und Chile o<strong>der</strong> in den Län<strong>der</strong>n<br />

Zentralamerikas. Es gab hier auch<br />

nicht so viele Konflikte im Bereich <strong>der</strong><br />

sozialen und ökonomischen Struktur. In<br />

<strong>der</strong> Praxis stimmten die Militärregierungen<br />

– außer in Chile – in gewisser Weise<br />

global mit <strong>der</strong> Soziallehre <strong>der</strong> Kirche<br />

überein und zögerten so die vorhergehende<br />

Phase hinaus. Sie praktizierten einen<br />

Nationalismus, <strong>der</strong> sie vor <strong>der</strong> Ansteckung<br />

durch das neoliberale Modell<br />

schützte. Deshalb beriefen sich die Bischofskonferenzen,<br />

die mit den Militärregierungen<br />

zusammen gearbeitet ha-<br />

50 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

ben, auf das Argument <strong>der</strong> Übereinstimmung<br />

mit <strong>der</strong> Soziallehre.<br />

Nach dem Ende <strong>der</strong> Militärdiktaturen<br />

dachten viele, darunter <strong>der</strong> Klerus und<br />

die Bischöfe, dass man ganz harmonisch<br />

zum alten System <strong>der</strong> friedlichen Beziehungen<br />

zurückkehren könne, in denen<br />

die Soziallehre <strong>der</strong> Kirche die Ideologie<br />

für Regime <strong>der</strong> sozialen Wohlfahrt liefern<br />

könnte. Neu wäre lediglich, dass<br />

<strong>der</strong> Wohlfahrtsstaat auch die an<strong>der</strong>en<br />

Bevölkerungskreise, zum Beispiel die<br />

Landbevölkerung, integrieren könnte.<br />

Unter dem Anschein von<br />

Demokratie wurde die<br />

Macht von den Staaten auf<br />

die großen Finanzkomplexe<br />

und die multinationalen<br />

Unternehmen verlagert.<br />

Sie dachten, die Zeit <strong>der</strong> Agrarreform sei<br />

gekommen. Ein Blick auf Chile hätte da<br />

mehr Misstrauen erwecken können. In<br />

Chile behielt die Demokratisierung das<br />

neoliberale Modell bei, ohne es real in<br />

Frage zu stellen, und die Kirche<br />

schwieg. Die christlich demokratische<br />

Partei regierte und wurde für die Fortsetzung<br />

des neoliberalen Modells verantwortlich.<br />

Doch dann kam das neue Gesellschaftsmodell,<br />

Globalisierung o<strong>der</strong> Neoliberalismus<br />

genannt – wobei die Namen<br />

keine Bedeutung haben. Alles das<br />

vollzog sich in den 90er Jahren, in <strong>der</strong><br />

„beschämenden Dekade“ nach <strong>der</strong> „verlorenen<br />

Dekade“ <strong>der</strong> 80er Jahre. Die Lateinamerikanischen<br />

Län<strong>der</strong> öffneten sich<br />

für das neoliberale Modell und integrierten<br />

sich in das Imperium des Neokapitalismus<br />

<strong>der</strong> großen multinationalen Unternehmen.<br />

Das alles ist weithin bekannt.<br />

Was in <strong>der</strong> Ersten Welt seit den 70er<br />

Jahren und vor allem in den 80er Jahren<br />

geschah, vollzog sich in Lateinamerika


in den 90er Jahren (in Chile in den 70er<br />

Jahren), ohne spürbare Auswirkungen<br />

auf das Verhältnis Kirche-Welt gehabt zu<br />

haben.<br />

Kirchliche Soziallehre ohne<br />

Wirkung<br />

Unter dem Anschein von Demokratie<br />

wurde die Macht von den Staaten auf<br />

die großen Finanzkomplexe und die<br />

multinationalen Unternehmen verlagert.<br />

Zwischen dem Projekt<br />

<strong>der</strong> Kirche und dem<br />

Projekt des großen<br />

Kapitals gibt es<br />

keinen Kontakt<br />

mehr.<br />

Die Regierungen behaupten zwar noch<br />

immer, dass sie <strong>der</strong> christlichen Soziallehre<br />

treu blieben, aber die neue Weltwirtschaftsmacht<br />

ignoriert diese Doktrin<br />

völlig. Sie hat ganz an<strong>der</strong>e Kriterien.<br />

Zwischen dem Projekt <strong>der</strong> Kirche und<br />

dem Projekt des großen Kapitals gibt es<br />

keinen Kontakt mehr. Das ökonomische<br />

Modell beruft sich auf die Autorität <strong>der</strong><br />

Wissenschaft. Und gegen die Wissenschaft<br />

kann man nichts machen.<br />

Das bedeutet, dass die Soziallehre<br />

<strong>der</strong> Kirche ihre gesamte Durchsetzungskraft<br />

verloren hat. Sie ist unbedeutend<br />

geworden, weil ohne Effizienz und reale<br />

Wirkung in <strong>der</strong> Gesellschaft. Es ist so, als<br />

ob sie nicht existiert.<br />

Deshalb befinden wir uns in einer<br />

neuen Situation: wir haben eine Kirche<br />

des Schweigens inmitten einer Gesellschaft,<br />

in <strong>der</strong> das Geld den höchsten<br />

Wert darstellt und Wettbewerb und<br />

Machterweiterung regieren. Niemand<br />

liest die Soziallehre <strong>der</strong> Kirche, denn allen<br />

ist mehr o<strong>der</strong> weniger bewusst, dass<br />

sie jede Gültigkeit verloren hat. Gaudium<br />

et Spes ist irrelevant geworden, ist ohne<br />

realen Bezug und wird nicht angewendet.<br />

Wirksame prophetische Gesten<br />

Daher muss die Kirche ihr Zeugnis auf<br />

an<strong>der</strong>e Art und Weise kundtun. Heutzutage<br />

Dokumente zu veröffentlichen o<strong>der</strong><br />

Reden zu halten, wird nicht wahrgenommen.<br />

Niemand liest diese Dokumente,<br />

Erklärungen, Aufrufe usw. Für<br />

den Internationalen Währungsfonds ist<br />

so etwas nicht von Bedeutung. Die Welt<br />

von heute braucht konkretere, stärkere<br />

Botschaften, die es schaffen, die Medien<br />

zu mobilisieren und die Aufmerksamkeit<br />

und Emotionen <strong>der</strong> Massen zu wecken.<br />

Nicht Worte sind heute die Form,<br />

Zeugnis zu geben, son<strong>der</strong>n Gesten. Die<br />

Geste des Daniel, <strong>der</strong> sich weigerte, die<br />

Statue aus Gold anzubeten. Wo findet<br />

man die Statue aus Gold? Sie ist in Davos,<br />

im Pariser Klub, im Internationalen<br />

Währungsfonds, in <strong>der</strong> Welthandelsorganisation.<br />

Sie ist in den multinationalen<br />

Unternehmen. Ihre Auswirkungen<br />

kann man nicht zählen: Arbeit wird zur<br />

Ware, Arbeiter werden in den Betrieben<br />

wie Sklaven behandelt, die Hälfte <strong>der</strong><br />

Bevölkerung wird gesellschaftlich ausgeschlossen,<br />

ganze Stadtgebiete werden<br />

in Armenviertel verwandelt usw. Es handelt<br />

sich dabei nicht um kleine, vereinzelte<br />

Skandale, son<strong>der</strong>n um Fakten großen<br />

Ausmaßes. Und vor allem werden<br />

Menschen davon betroffen.<br />

Erwartet werden sehr deutliche,<br />

sichtbare prophetische Aktionen, die das<br />

Wort Gottes bei den Menschen kundtun,<br />

so dass dieses in <strong>der</strong> Tat bei den<br />

Massen ankommen kann. Ein Beispiel<br />

soll darauf hinweisen, wie notwendig<br />

das ist. Als <strong>der</strong> Bischof von Barra, Dom<br />

Luís Flavio Cappio, in den Hungerstreik<br />

trat, um auf die Lügen und Ungerechtigkeiten<br />

im Zusammenhang mit dem<br />

Umleitungsprojekt des Rio São Francisco<br />

aufmerksam zu machen, haben alle<br />

Nachrichtenmedien diese Nachricht<br />

José Comblin – Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind gefor<strong>der</strong>t<br />

51


übertragen. Diese einfache Aktion wurde<br />

sogar von <strong>der</strong> nationalen Öffentlichkeit<br />

diskutiert und es kam zu einem –<br />

vorläufigen – Stop dieses Projektes.<br />

Wenn die Brasilianische Bischofskonferenz<br />

ein Dokument dazu veröffentlicht<br />

hätte, hätte niemand davon Kenntnis<br />

genommen.<br />

In den Zeiten <strong>der</strong> Militärregime gab<br />

es viele ähnliche prophetische Aktionen,<br />

beispielsweise von großartigen Bischöfen<br />

in Brasilien, Chile und an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n.<br />

Der Tod von Bischof Oscar Ro-<br />

Der Feind ist das<br />

diktatorische<br />

Weltwirtschaftssystem,<br />

das in den Län<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Ersten Welt<br />

sein Zentrum hat.<br />

mero war ein außerordentliches Zeichen.<br />

In <strong>der</strong> damaligen Zeit richteten<br />

sich die Zeichen an die Völker, die von<br />

Militärdiktaturen beherrscht wurden.<br />

Heute sind nicht mehr die Militärs das<br />

Problem. Im Gegenteil, es gibt Militärs,<br />

die zu <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Geschichte Lateinamerikas<br />

sehr starken nationalistischen Tradition<br />

zurückkehren möchten. Der Feind<br />

ist das diktatorische Weltwirtschaftssystem,<br />

das in den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ersten<br />

Welt sein Zentrum hat.<br />

Präsenz <strong>der</strong> Kirche?<br />

Seitdem das neue Kommunikationssystem<br />

auch Eingang in die Kirche gefunden<br />

hatte, richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit<br />

<strong>der</strong> Medien auf die Person<br />

des Papstes Johannes Paul II.. Er monopolisierte<br />

die Macht <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> auf sich<br />

und war praktisch <strong>der</strong> einzige durch die<br />

Medien bekannt gemachte Katholik. Der<br />

Papst besaß die Gabe <strong>der</strong> Kommunikation<br />

und wollte – bewusst o<strong>der</strong> unbe-<br />

52 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

wusst – <strong>der</strong> einzige Star sein. Dem Papst<br />

gelang es, die Kirche ausdrucksstark<br />

nach außen sichtbar zu machen. Im<br />

Großen und Ganzen aber war seine Botschaft<br />

sehr einseitig orientiert, denn es<br />

ist nicht möglich, dass eine einzige Person<br />

in sich selbst den gesamten Zeugnisauftrag<br />

<strong>der</strong> Kirche vereint.<br />

Die nach <strong>der</strong> Französischen Revolution<br />

entstandene Neochristenheit hatte<br />

die Schaffung vieler katholischer Institutionen<br />

angeregt. Diese schafften es, die<br />

alten Menschen vom Land mit ihren<br />

bäuerlichen Traditionen im Schoß <strong>der</strong><br />

Kirche zu halten. Dasselbe gelang ihnen<br />

aber nicht mit den Arbeitern o<strong>der</strong> den<br />

Intellektuellen. Auch heute entstehen<br />

viele “katholische” Institutionen. Sie haben<br />

ihre Vorteile und ihre positiven Wirkungen.<br />

Die katholischen Einrichtungen sind<br />

aber längst keine starken Signale mehr<br />

in <strong>der</strong> Welt von heute. Sie gleichen eher<br />

Inseln, Fluchtorten o<strong>der</strong> Orten, die dem<br />

Rest <strong>der</strong> Welt unbekannt bleiben. Sie<br />

dienen den traditionellen Christen, stellen<br />

aber keine Verkündigung des Evangeliums<br />

für die große Masse dar. Es gibt<br />

nicht einmal mehr eine große Bauernbevölkerung<br />

mit traditioneller Kultur. Außerdem<br />

gibt es auch solche Einrichtungen,<br />

<strong>der</strong>en Botschaft lautet, dass “die<br />

Kirche reich ist”.<br />

Darüber hinaus haben solche<br />

“katholischen” Einrichtungen die Wirkung,<br />

dass in den gesellschaftlichen Institutionen<br />

und in <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />

die Katholiken fehlen. Sie ziehen die<br />

Energien <strong>der</strong> am besten ausgebildeten<br />

Katholiken ab. Wer wird Zeugnis geben<br />

inmitten <strong>der</strong> Welt? Statt sich als Missionare<br />

ausgesandt zu wissen, leben die<br />

Katholiken in einer Parallelgesellschaft<br />

ohne Kontakt mit <strong>der</strong> Gesamtgesellschaft.<br />

Wenn die Kirche weiterhin für<br />

sich die besten Ordensleute und Laien<br />

beansprucht, wer wird dann präsent<br />

sein und Zeugnis geben in den Betrieben,<br />

in den Wohngebieten, in den Armenvierteln,<br />

in den Universitäten, in<br />

den Schulen usw.?


Heutzutage gibt es tausende von Gesellschaften<br />

und Organisationen, die gegen<br />

das neoliberale Gesellschaftsmodell<br />

kämpfen. Da gibt es auch Raum für die<br />

Katholiken. Denn in all diesen Bewegungen<br />

braucht man eine Ideologie, konkrete<br />

Projekte und überzeugende Führungspersonen.<br />

Die Katholiken hätten<br />

Platz, sich als die uneigennützigsten, bescheidensten<br />

und aufrichtigsten Diener<br />

zu erweisen. Sie könnten das Salz <strong>der</strong><br />

Erde sein, das Licht auf dem Berge, das<br />

die Blicke auf sich lenkt.<br />

Von amtlicher Seite werden die Laien<br />

immer wie<strong>der</strong> dazu ermahnt, Zeugnis in<br />

<strong>der</strong> Welt zu geben. Doch wie können sie<br />

es tun, wenn sie dazu beansprucht werden,<br />

katholischen Institutionen zu dienen.<br />

Die Kirche vereinnahmt viele Menschen,<br />

die in <strong>der</strong> Welt stehen könnten.<br />

Zwischen dem offiziellen Diskurs über<br />

die Laien und <strong>der</strong> institutionellen Praxis,<br />

die sich nicht für die Welt interessiert,<br />

gibt es einen Wi<strong>der</strong>spruch. Die Hierarchie<br />

müsste eine klarere Haltung einnehmen<br />

und keine wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

Orientierungen geben.<br />

Wi<strong>der</strong>stand und Mystik<br />

Die Christen sind in <strong>der</strong> Welt von heute<br />

viel stärker herausgefor<strong>der</strong>t als früher,<br />

denn die herrschenden Strukturen sind<br />

sehr mächtig und autoritär. In den Unternehmen<br />

gibt es eine totale Überwachung.<br />

Niemand darf in Frage stellen,<br />

niemand kann protestieren, niemand<br />

kritisieren. Wer sich nicht wie ein Sklave<br />

unterwirft, wird verdächtigt und kann<br />

entlassen werden. Zeugnis geben bedeutet<br />

daher leidenschaftlich und mutig<br />

sein. Zugleich muss man klug sein wie<br />

die Schlange. Es gibt keine Redefreiheit.<br />

Gleichzeitig gibt es eine Kampagne <strong>der</strong><br />

Gehirnwäsche, um die Gehirne zu manipulieren<br />

und zu erreichen, dass alle davon<br />

überzeugt sind, dass man gehorchen<br />

muss, dass es keine Alternative<br />

gibt und dass man sich glücklich zu<br />

schätzen hat, weil man diesem Betrieb<br />

angehört. Alle Humanwissenschaften<br />

wetteifern darum, die Gehirne zu unterwerfen.<br />

Die Medien, die Institutionen,<br />

das globale Ambiente <strong>der</strong> Gesellschaft:<br />

alles dient dazu, jeden Verän<strong>der</strong>ungsversuch<br />

zu entmutigen. Deshalb können<br />

nur gefestigte Persönlichkeiten mit starker<br />

Überzeugung Zeugnis geben. Die<br />

Mehrheit wird im Schweigen verharren.<br />

Die neoliberale Wirtschaft hat die gleiche<br />

Kraft wie die römischen Kaiser. Der<br />

psychologische Druck ist stark. In <strong>der</strong><br />

Praxis weichen die meisten zurück und<br />

Die Christen sind in <strong>der</strong> Welt<br />

von heute viel stärker<br />

herausgefor<strong>der</strong>t als früher,<br />

denn die herrschenden<br />

Strukturen sind sehr<br />

mächtig und autoritär.<br />

geben ihre eigene Überzeugung preis.<br />

Es ist also notwendig, sich gut vorzubereiten<br />

und Unterstützung zu bekommen.<br />

Ohne eine fundierte Ausbildung<br />

kann niemand in <strong>der</strong> Gesellschaft den<br />

Mund aufmachen, son<strong>der</strong>n alle werden<br />

nur die von den Medien verbreiteten<br />

Lügen wie<strong>der</strong>holen.<br />

Heutzutage ist das Leben ständig<br />

von Sorge geprägt, sei es um den Erhalt<br />

des Arbeitsplatzes, wenn man Arbeit<br />

hat, sei es von <strong>der</strong> Suche nach einer Arbeit,<br />

wenn man keine Arbeit hat o<strong>der</strong><br />

vom Nachdenken über Möglichkeiten<br />

des Überlebens bei denen, die es aufgegeben<br />

haben, nach Arbeit zu suchen.<br />

Alle stehen miteinan<strong>der</strong> im Wettbewerb.<br />

Um eine Arbeit zu bekommen, ist<br />

es notwendig, Gefallen zu finden, zu<br />

schmeicheln und vor allem gute Beziehungen<br />

zu haben. Wie kann man in einem<br />

solchen Ambiente das Gleichgewicht<br />

bewahren? Wie kann man ernsthaft<br />

mit solchen Drohungen leben? Nur<br />

Helden können das. Der soziale Druck<br />

ist so stark, dass man sich, ohne eine tie-<br />

José Comblin – Nicht Worte, son<strong>der</strong>n Gesten sind gefor<strong>der</strong>t<br />

53


fe Mystik zu haben, nicht davor schützen<br />

kann. Der Klerus nimmt gar nicht<br />

mehr teil an dem, was in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

passiert. Er lebt an einem privilegierten<br />

Ort und weiß deshalb nicht, was<br />

vor sich geht. Die Hierarchie ist sich <strong>der</strong><br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />

Gesellschaft nicht bewusst. Es bringt<br />

nichts zu denken, dass sich diese Dinge<br />

durch die Entwicklung von selbst än<strong>der</strong>n,<br />

denn in den entwickelten Län<strong>der</strong>n<br />

sind diese Probleme noch stärker.<br />

Daher kann man als Christ nicht ohne<br />

Mystik in dieser Welt handeln. Rahner<br />

hat bereits gesagt, dass die Kirche<br />

im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t entwe<strong>der</strong> mystisch<br />

ist o<strong>der</strong> nicht mehr sein wird. Es gibt<br />

nicht nur eine einzige Form von Mystik,<br />

son<strong>der</strong>n eine Fülle verschiedener Mystiken<br />

ist im Entstehen. Ein Leben, ohne<br />

die ständige Erfahrung, dass Gott dabei<br />

ist, wird niemand aushalten. Heutzutage<br />

kann die Mystik nicht an einem Zufluchtsort<br />

fern von <strong>der</strong> Welt gelebt werden.<br />

Sie muss in <strong>der</strong> Gesellschaft gelebt<br />

werden wie in <strong>der</strong> ersten Zeit, das heißt<br />

in einer Gesellschaft, die konträr zum<br />

Evangelium steht, die keine moralischen<br />

Werte kennt, in einer Gesellschaft ohne<br />

Liebe und in <strong>der</strong> alle füreinan<strong>der</strong> Rivalen<br />

sind und alle nie<strong>der</strong>getreten, entlassen<br />

und allein gelassen werden können.<br />

Aber die neoliberale Wirtschaft und die<br />

Art und Weise <strong>der</strong> Globalisierung sind<br />

nicht unüberwindbar. Die Überwindung<br />

Bischof Cappio segnet eine alte Frau<br />

54 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

dieses Systems ist vielmehr das große<br />

Ziel des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts und wird nicht<br />

in wenigen Jahren zu verwirklichen sein.<br />

Es gibt bereits ein Erwachen, aber die<br />

Christen sind noch immer nicht daran<br />

beteiligt. Die Männer und Frauen, die<br />

sich beteiligen, praktizieren ein Leben,<br />

das dem Evangelium entspricht. Sie gehören<br />

zur Kirche, aber sie müssen sich<br />

gegenseitig kennen und anerkennen<br />

und einan<strong>der</strong> in Solidarität unterstützen.<br />

Dies wird die Rolle <strong>der</strong> kleinen Gemeinschaften<br />

sein. Ohne die kleinen Gemeinschaften<br />

werden auch mutige Menschen<br />

müde und mutlos werden. Mit<br />

einer lebendigen Kirche können sie jedoch<br />

an<strong>der</strong>e anziehen und diese Welt<br />

verän<strong>der</strong>n.<br />

Die Botschaft Jesu wird nicht von einer<br />

Position <strong>der</strong> Macht aus verbreitet,<br />

son<strong>der</strong>n von leidenschaftlichen, mutigen<br />

Menschen, die sich allein mit <strong>der</strong><br />

Kraft Gottes an die Spitze des Konfliktes<br />

stellen.<br />

Übersetzt aus dem Spanischen von Maria<br />

Schwabe<br />

Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem<br />

längeren Artikel mit dem Titel:<br />

„Die großen Unsicherheiten in <strong>der</strong> Kirche<br />

von heute”. Er wurde ursprünglich<br />

in <strong>der</strong> Brasilianischen Kirchenzeitung<br />

REB (Revista Eclesiástica Brasileña) Nr.<br />

265, Januar 2007, S. 36-58 veröffentlicht.


Bisher erschienene Titel<br />

<strong>der</strong> <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />

Die seit 1979 erschienen Hefte unserer <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />

haben wir nach Stichworten sortiert. Sie sind per Post,<br />

Telefon o<strong>der</strong> E-Mail bestellbar über die<br />

<strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

Postfach 20 09 53, 53139 Bonn<br />

Telefon: 02 28 / 9 53 54-0, E-Mail: post@missionszentrale.de<br />

Befreiungstheologie<br />

Nr. 1, Leonardo Boff OFM, PUEBLAS<br />

HERAUSFORDERUNG AN DIE FRANZIS-<br />

KANER<br />

Nr. 5, Bernhardino Leers OFM<br />

(vergriffen), KIRCHLICHE BASISGEMEIN-<br />

DEN<br />

Nr. 6, L. Boff OFM/U. Zankanella<br />

(vergriffen), KIRCHLICHE BASISGEMEIN-<br />

DEN IM DIALOG<br />

Nr. 14, Honorio Rito OFM, THEOLO-<br />

GIE DER BEFREIUNG – Eine kritische<br />

Wertung aus franziskanischer Sicht<br />

Nr. 27, Alosio Lorschei<strong>der</strong>, Paulo<br />

Evaristo Arns, Leonardo und Clodovis<br />

Boff, BEFREIUNG UND THEOLOGIE –<br />

Beiträge zur aktuellen Diskussion<br />

Nr. 30, Kardinal Paulo Evaristo Arns,<br />

VOLK GOTTES VON SAO PAULO – Auf<br />

dem Weg zu seiner Befreiung<br />

Nr. 31, Dom Valfredo Tepe, Clodovis<br />

und Leonardo Boff, ROM UND DIE BE-<br />

FREIUNGSTHEOLOGIE – Schritte zur<br />

Verständigung<br />

Nr. 43, ENDE EINER HOFFNUNG –<br />

Dokumentation des Konfliktes um das<br />

CLAR–Projekt “Wort und Leben”<br />

Nr. 57, ARBEITERPASTORAL – Gottes<br />

befreiende Botschaft<br />

Nr. 62, ANNÄHERUNG AN DIE AN-<br />

DEREN – Befreiungstheologische Sommerschule<br />

Nr. 71, QUO VADIS, KIRCHE IN<br />

AMERIKA? – Römische Bischofssynode –<br />

Hoffnungen und Enttäuschungen<br />

Nr. 82, HOFFNUNGSTRÄGER BASIS-<br />

GEMEINDEN – Das 10. Treffen <strong>der</strong> brasilianischen<br />

Basisgemeinden im Juli 2000<br />

Nr. 89, WENN LEBEN, GLAUBEN<br />

UND DENKEN EINS SIND ... –<br />

Befreiungstheologie aktuell<br />

Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />

Nr. 3, Englischsprachige Konferenz<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>, FRANZISKUS UND DER<br />

NEUE MATERIALISMUS – Eine franziskanische<br />

Antwort auf die Umweltkrise<br />

Nr. 26, Jan Groot Wassink, FRANZIS-<br />

KANISCHE BRUDERSCHAFT IN NATUR<br />

UND GESELLSCHAFT – Ausweg aus den<br />

Irrwegen einer wissenschaftlich–technischen<br />

Kultur<br />

Nr. 38, UMKEHR ZUM LEBEN –<br />

Franziskanische Positionen zur atomaren<br />

Bedrohung<br />

Nr. 46, UNSERE MUTTER ERDE –<br />

LEBENSRAUM FÜR ALLE<br />

Nr. 50, INDIO–FRANZISKANISCHE<br />

UTOPIEN – Zur Strategie des Überlebens<br />

Nr. 55, SANTO DOMINGO 1992 –<br />

IV. Generalversammlung <strong>der</strong> Lateinamerikanischen<br />

Bischofskonferenz, Werden –<br />

Verlauf – Wertung<br />

Bisher erschienene Titel <strong>der</strong> <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />

55


Nr. 65, MUTTER ERDE – NEUE ER-<br />

DE – Reflexionen und Texte aus Lateinamerika<br />

Nr. 70, WENN LEBEN VERFÜGBAR<br />

WIRD – Überbevölkerung, Geburtenkontrolle<br />

und an<strong>der</strong>e Fragen<br />

Nr. 102, BISCHOFSVERSAMMLUNG<br />

APARECIDA 1007 – Neues Pfingsten<br />

o<strong>der</strong> alte Gleise?<br />

Evangelisierung<br />

Nr. 8, Claudio Schnei<strong>der</strong> OFM, Brasilien,<br />

FRANZISKANISCHE GEMEIN-<br />

SCHAFTEN: EIN DIENST AN DER KIR-<br />

CHE<br />

Nr. 11, Hermann Schalück OFM,<br />

SENSIBILITÄT UND SOLIDARITÄT –<br />

Impulse zur franziskanischen Evangelisation<br />

Nr. 19, Ordensrat OFM, DAS EVAN-<br />

GELIUM FORDERT UNS HERAUS –<br />

Überlegungen zur Evangelisierung in<br />

Bahia 1983<br />

Nr. 21, DAS LEBEN TEILEN –<br />

Franziskanischer Dialog in Asien<br />

Nr. 24, Anselm Moons OFM, EVAN-<br />

GELISIERUNG ALS LERNPROZESS –<br />

Auswertung und Dokumentation<br />

Nr. 29, Kilian Holland OFM, AFRIKAS<br />

DILEMMA – Betteln o<strong>der</strong> das eigene<br />

Brot backen<br />

Nr. 33, Andreas Müller (Hrsg.),<br />

EVANGELISIERUNG FÜR EINE NEUE<br />

MENSCHHEIT UND EINE NEUE GESELL-<br />

SCHAFT – Internationaler Missionsrat<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>, Nairobi 1987<br />

Nr. 37, WORT UND LEBEN – 500<br />

Jahre Evangelisierung Lateinamerikas,<br />

Umkehr und Neubesinnung<br />

Nr. 39, DAS WORT BERUFT DAS<br />

GOTTESVOLK – Erste Etappe des Projektes<br />

“Wort und Leben” <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />

Ordensleute<br />

Nr. 42, 1992 KEIN GRUND ZUM FEI-<br />

ERN – Die Kirche und die Eroberung eines<br />

Kontinents<br />

Nr. 44, DEIN WORT IST LEBEN –<br />

Bibelmeditationen Iateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

56 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

Nr. 45, 500 JAHRE INDIOWIDER-<br />

STAND – 500 Jahre Evangelisierung in<br />

Lateinamerika<br />

Nr. 47, DEIN WORT IST LEBEN / 2 –<br />

Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 48, 500 JAHRE: 1492 – 1992<br />

Nr. 49, 1492 – 1992, 500 JAHRE –<br />

Gold und Gott<br />

Nr. 51, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.), NACH<br />

500 JAHREN – NEUENTDECKUNG AME-<br />

RIKAS – Zeugnisse vom Indio–<br />

Wi<strong>der</strong>stand<br />

Nr. 52, DEIN WORT IST LEBEN /3 –<br />

Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 53, DEIN WORT IST LEBEN /3 (2.<br />

Teil) – Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 54, DEIN WORT IST LEBEN /3 (3.<br />

Teil) – Bibelmeditationen Iateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 64, FRANZISKANISCHE SPIRI-<br />

TUALITÄT UND EVANGELISATION –<br />

Dokumente <strong>der</strong> XIV. UCLAF<br />

Nr. 79, 500 JAHRE BRASILIEN – Für<br />

die “Entdeckten eine schlimme Entdekkung”<br />

Nr. 83, AUF DEM WEG ZU EINER IN-<br />

DISCHEN KIRCHE – Facetten einer Studienreise<br />

Nr. 92, PFINGSTEN STATT BABEL –<br />

Zur Mystik und Spiritualität im Weltsozialforum<br />

Nr. 94, „LÖSE DIE FESSELN VON<br />

DEINEM HALS” (Jes 52,2) – Das Exodus–<br />

Motiv als Leitfaden für eine Bibelwerkstatt<br />

Nr. 96, OSCAR ARNULFO RO-<br />

MERO – Zum 25. Jahrestag seiner Ermordung.<br />

“Anti–imperiale” Spiritualität<br />

Nr. 97, „HR KÖNNT NICHT GOTT<br />

DIENEN UND DEM KAPITAL” –<br />

Lateinamerikanische Bibelwerkstatt<br />

Franz und Klara von Assisi<br />

Nr. 17, Anton Rotzetter OFMCap,<br />

IMPULSE FÜR EINE FRIEDENSSTRATEGIE


BEI FRANZ VON ASSISI<br />

Nr. 22, FRANZ VON ASSISI IM KON-<br />

TEXT DER KULTUREN<br />

Nr. 56, 800 JAHRE KLARA – Die<br />

weibliche Wurzel <strong>der</strong> franziskanischen<br />

Familie<br />

Nr. 87, Franziskus <strong>der</strong> Scharniermensch<br />

Nr. 101, ClARA, ELISABETH,<br />

AGNES – Franziskanische Frauen schreiben<br />

<strong>Franziskaner</strong>orden<br />

Nr. 7, Vinzenz Bohne OFM, FRAN-<br />

ZISKANISCHE JUGEND, Brasilien<br />

Nr. 12, FRANZISKANER IN VIETNAM<br />

Nr. 23, DIE ZEICHEN DER ZEIT –<br />

Standortbestimmung für einen Orden<br />

Nr. 25, STREIFLICHTER – Franzikaner<br />

auf neuen Wegen<br />

Nr. 63, FRANZISKANER IM OSTEN –<br />

Verantwortung für eine neue Wirklichkeit<br />

Frieden<br />

Nr. 41, AKTIVE GEWALTFREIHEIT –<br />

Eine franziskanische Initiative<br />

Nr. 61, BURUNDI – Paradies im Untergang?<br />

Nr. 68, SPIRITUALITÄT DER GEWALT-<br />

FREIHEIT – Eine Grundpflicht des franziskanischen<br />

Charismas<br />

Nr. 69, AUSWEG AUS DEM TRAU-<br />

MA – Bosnien und Kroatien zwischen<br />

Machtpolitik und Glaubenskampf<br />

Nr. 85, FÜR FRIEDEN UND DIALOG<br />

DER RELIGIONEN – Das Engagement<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao / Philippinen<br />

Nr. 90, Gewaltfrei mit Franziskus –<br />

gewaltfrei durch Franziskus<br />

Nr. 98, EUROPA FRANZISKANISCH<br />

BEWEGEN<br />

Gerechtigkeit<br />

Nr. 18, ZWISCHEN ANSPRUCH UND<br />

WIRKLICHKEIT – Franziskanische Menschen<br />

stellen sich <strong>der</strong> Armut<br />

Nr. 32, DEN HUNGERNDEN DAS<br />

LAND – Die Kirche Brasiliens im Konflikt<br />

um die Landreform<br />

Nr. 35, INTERNATIONALE VER-<br />

SCHULDUNGSKRISE<br />

Nr. 40, BERGPREDIGT ODER SACH-<br />

ZWÄNGE – Theologische Anfragen an<br />

die Eigengesetzlichkeit <strong>der</strong> Ökonomie<br />

Nr. 66, NEOLIBERALISMUS – Das<br />

neue Kreuz des Südens<br />

Nr. 67, MENSCHENRECHTE –<br />

Unsere Anwaltfunktion für die Entrechteten<br />

Nr. 74, IN „GNADENJAHR“ 2000 –<br />

Initiativen und Kampagnen für einen<br />

Schuldenerlaß zur Jahrtausendwende<br />

Nr. 75, WOHNUNG, NAHRUNG,<br />

BILDUNG – ... wirtschaftliche, soziale<br />

und kulturelle Menschenrechte schützen!<br />

Nr. 80, DAS ERLASSJAHR 2000 DARF<br />

NICHT STERBEN – Plädoyer aus dem Süden<br />

Nr. 81, COLLOQUIUM 2000 –<br />

Glaubensgemeinschaften und soziale<br />

Bewegungen im Streit mit <strong>der</strong> Globalisierung<br />

Nr. 84, VERSCHWUNDEN IN AR-<br />

GENTINIEN – Neue Wege gegen Straflosigkeit<br />

und Vergessen<br />

Nr. 86, „PORTO ALEGRE” IN AFRI-<br />

KA – Alternativen zur neoliberalen Globalisierung<br />

im Südlichen Afrika<br />

Nr. 88, VISION UND WIDERSTAND<br />

IM GLOBALISIERUNGSPROZESS<br />

Nr. 91, BÜNDNIS GEGEN HUNGER –<br />

Brasiliens Kampf gegen Hunger und<br />

Verelendung<br />

Nr. 93, GRUNDLEGENDE RECHTE<br />

INDIGENER VÖLKER STÄRKEN: BEITRITT<br />

ZUR ILO–KONVENTION 169! –<br />

Materialien zur Kampagne in Deutschland<br />

Nr. 95, VERTRIEBEN IM EIGENEN<br />

LAND – Demokratische Sicherheit” in<br />

Kolumbien<br />

Bisher erschienene Titel <strong>der</strong> <strong>Grüne</strong>n Schriftenreihe<br />

57


Interreligiöser Dialog<br />

Nr. 20, MIT ANDEREN AUGEN SE-<br />

HEN – Erfahrungen und Impulse zum<br />

Religionsdialog<br />

Nr. 60, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.), DER<br />

TRAUM VON EINER INDIANISCHEN KIR-<br />

CHE – Versuch einer lnkulturation<br />

Nr. 73, DIALOG DER RELIGIONEN –<br />

Wege zur Wahrheit<br />

Nr. 76, INTERRELIGIÖSE BASISGE-<br />

MEINDEN IM INDISCHEN KONTEXT<br />

NR. 78, INTERRELIGIÖSER DIALOG<br />

IN INDIEN<br />

Nr. 85, FÜR FRIEDEN UND DIALOG<br />

DER RELIGIONEN – Das Engagement<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao / Philippinen<br />

Nr. 99, DAS EINE GEHEIMNIS UND<br />

DIE VIELEN RELIGIONEN<br />

Nr. 100, ZUM DIALOG BERUFEN –<br />

Jubiläumsausgabe zum franziskanischen<br />

Auftrag in unserer Zeit<br />

Mission<br />

Nr. 2, Andreas Müller OFM, 10 JAH-<br />

RE MISSIONSZENTRALE DER FRANZIS-<br />

KANER<br />

Nr. 4, KOMM HERÜBER UND HILF<br />

UNS – Franziskanische Predigten zur<br />

Dialogmission<br />

Nr. 9, Killian Holland OFM, MIT DEN<br />

MASSAI UNTERWEGS<br />

Nr. 10, Anselm Moons OFM, FRAN-<br />

ZISKANISCHE SENDUNG HEUTE –<br />

Skizzen zum gewandelten Missionsverständnis<br />

Nr. 13, Peter Amendt OFM, DEM<br />

EVANGELIUM HEUTE BEGEGNEN –<br />

Notizen vom Missionskongreß in<br />

Mainz/Juni 1981<br />

Nr. 15, DEN AUFBRUCH WAGEN –<br />

Die missionarische Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> heute<br />

Nr. 16, SCHWESTERN OHNE KLO-<br />

STERMAUERN – <strong>Franziskaner</strong>innen inmitten<br />

<strong>der</strong> Armen<br />

Nr. 28, Karl Möhring OFM, MISSI-<br />

ONSLAND DEUTSCH–LAND – Erfahrungen<br />

und Reflexionen eines <strong>Franziskaner</strong>s<br />

aus dem Arbeitermilieu<br />

Nr. 34, DIE ARMEN HABEN MICH<br />

BEKEHRT – Porträt des Erzbischofs von<br />

Fortaleza Kardinal Aloisio Lorschei<strong>der</strong><br />

Nr. 58, DER FRANZISKANISCHE MIS-<br />

SIONSAUFTRAG IN EINER VERÄNDER-<br />

TEN WELT – Erinnerung und Erneuerung<br />

Nr. 59, DIE SUCHE NACH GANZ-<br />

HEIT – Die feminine Dimension des franziskanisch–missionarischen<br />

Charismas<br />

Nr. 77, 30 JAHRE MISSIONSZENTRA-<br />

LE DER RANZISKANER: Mit den Armen<br />

unterwegs<br />

Ökumene<br />

58 <strong>Grüne</strong> Schriftenreihe <strong>103</strong> – <strong>Störenfried</strong>: Bischof Cappios prophetischer Einspruch<br />

Nr. 36, FRANZISKANER IN SKANDI-<br />

NAVIEN – Öffnung zur Ökumene<br />

Nr. 72, DIE NEUEN HEILSBRINGER –<br />

Ein Beitrag zur Sektenproblematik<br />

„Die Mystik ... muss<br />

in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

gelebt werden wie<br />

in <strong>der</strong> ersten Zeit,<br />

das heißt in einer<br />

Gesellschaft, die<br />

konträr zum<br />

Evangelium<br />

steht ...“<br />

José Comblin

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