UNGLAUBLICHES INDIEN - Studentenwerk Berlin
UNGLAUBLICHES INDIEN - Studentenwerk Berlin
UNGLAUBLICHES INDIEN - Studentenwerk Berlin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Irgendwie scheint Schweden ein guter Platz<br />
für Musiker zu sein. So klingt die Bandgeschichte<br />
von Shout out Louds, wie Karriereberater<br />
einen Lebenslauf gerne sehen<br />
würden: konsequent und zielstrebig. 2001<br />
gründen Adam Olenius (Vocals, Gitarre),<br />
Carl von Arbin (Gitarre) und Ted Malmros<br />
(Bass) eine Band. Bald gesellen sich die<br />
Freunde Bebban Stenborg (Keyboards, Volcals)<br />
und Eric Edman (Schlagzeug) dazu.<br />
Weil der geplante Name Luca Brasi schon<br />
vergeben ist, nennt sich die Combo fortan<br />
Shout out Louds. Bereits nach drei Songs<br />
verschickt die Band größenwahnsinnig<br />
eine Demoaufnahme und tritt live auf. Nur<br />
zwei Jahre später erscheint das Debütalbum<br />
„Howl Howl Gaff Gaff“ in Schweden.<br />
Während einer US-Tour entdeckt ein Plattenmanager<br />
des US-Major-Labels Capitol<br />
die Band und nimmt das Quintett unter<br />
Vertrag. Kurze Zeit später spielt der schwedische<br />
Popexport in den US-Talksendungen<br />
von David Letterman und Jay Leno – der<br />
internationale Durchbruch ist geschafft.<br />
2013 feiern die fünf Musiker ihr zehnjähriges<br />
Plattenjubiläum mit dem neuen Album<br />
„Optica“. Bebban Stenborg und Carl von<br />
Arbin verraten im werkblatt-Interview, warum<br />
die Aufnahmen sich über anderthalb<br />
Jahre hinzogen und was das Altwerden im<br />
Popbusiness bedeutet.<br />
Wie fühlt sich das an, über zehn Jahre als<br />
Band miteinander verbracht zu haben?<br />
Carl:„Wir sind alle sehr eng miteinander<br />
verbunden.“<br />
Bebban:„Das stimmt. Allerdings besteht für<br />
mich ein großer Unterschied zwischen dem<br />
Altern der Band und meinem persönlichen<br />
Alterungsprozess. Die Band altert gewissermaßen<br />
deutlich langsamer. Wir haben den<br />
musikalischen Prozess selbst in der Hand.<br />
Wir bestimmen, wie sich unser Material anhört.<br />
Das eigene körperliche Altern kannst<br />
du dagegen nicht beliebig aufhalten.“<br />
Es gibt also für euch zwei Zeitlinien, die der<br />
Band und die persönliche?<br />
Bebban:„Ja, für mich fühlt sich das genau<br />
so an.“<br />
Carl:„Das stimmt. Denn mit der Band zusammen<br />
bist du in einer Art Blase. Diese<br />
gemeinsame Zeit hat aber nicht unbedingt<br />
direkte Auswirkungen auf deine persönliche<br />
Entwicklung als Individuum.“<br />
Bebban:„Man merkt das z. B. an gleichaltrigen<br />
Freunden, die irgendwie wirken, als<br />
wären sie im selben Zeitraum deutlich erwachsener<br />
geworde, als wir als Band.“<br />
Liegt diese andere Art zu altern am Showbusiness<br />
als Beruf?<br />
Bebban:„Ja, das ist absolut so. Es ist zwar<br />
im Allgemeinen kein Problem, doch es gibt<br />
deutliche Unterschiede zwischen unserer<br />
Art, als Musiker älter zu werden, und dem<br />
Alterungsprozess von Freunden, die nicht im<br />
Showgeschäft arbeiten.“<br />
Carl:„Deshalb ist es nicht immer leicht, Kontakt<br />
zu halten. Du musst dich um Freundschaften<br />
außerhalb der Musikszene sehr<br />
bemühen. Es erfordert Arbeit und ist kompliziert.<br />
Das beginnt bereits damit, dass die<br />
Menschen meist nicht wissen, ob du zuhause<br />
bist oder wieder wochenlang auf Tour.“<br />
Bebban:„Wir haben alle großen Respekt<br />
für das Alltagsleben unserer Freunde. Ich<br />
merke, fast alle meine Bekannten haben<br />
inzwischen eine Familie gegründet, kümmern<br />
sich um ihre Häuser mit Garten und<br />
organisieren ihren Alltag. Manchmal habe<br />
ich das Gefühl, mich bei ihnen rechtfertigen<br />
zu müssen, – für meine Art zu leben. Denn<br />
ihr Leben scheint das normale zu sein. Ich<br />
hingegen sitze weiterhin in einem kleinen<br />
Aparement. Es hat sich nicht so viel geändert,<br />
seit ich mit der Band begonnen habe.<br />
Zuhause ist dann kein Glamour, da bin ich<br />
ganz für mich allein. Mir kommt es dann so<br />
vor, als wäre mein Leben viel weniger verantwortungsvoll.<br />
Dabei bekomme ich umgekehrt<br />
oft von meinen Freunden zu hören,<br />
ihr Leben sei zu eintönig, während ich als<br />
Künstlerin doch ständig spannende Dinge<br />
erleben müsse. Der gegenseitige Respekt ist<br />
also in beiden Welten vorhanden.“<br />
Welchen Einfluss haben Begriffe wie Zukunft<br />
und Vergangenheit auf euer neues<br />
Album?<br />
Bebban:„Das kann ich eigentlich gar nicht<br />
an diesen beiden Begriffen festmachen.<br />
Mit der Zeit haben sich verschiedene Dinge<br />
ergeben, die wir musikalisch verwirklichen<br />
wollten. Dadurch ist letztlich jedes unserer<br />
Alben eng mit genau der Zeit verknüpft, in<br />
der es entstand. Auf ‚Optic’“ haben wir uns<br />
in gewisser Weise vom Vorgänger ‚Work’<br />
gelöst und sind wieder ein Stück zurück<br />
in die Vergangenheit gereist ,zu unserem<br />
zweiten Album. Denn ähnlich wie damals<br />
‚Our IllsWills’, ist auch ‚Optica’ ein Puzzle.<br />
Diesmal haben wir allerdings versucht, alles<br />
selbst einzuspielen.“<br />
Carl:„Wir probieren jedes Mal wieder eine<br />
neue Art, ein Album zu schaffen. Wir wiederholen<br />
uns nie, sondern befinden uns immer<br />
auf der Suche nach dem besten Weg.“<br />
War es eine gute Erfahrung, die CD im Alleingang<br />
zu produzieren und so alles unter<br />
Band-Kontrolle zu halten?<br />
Carl:„Es war unser Wunsch, das auszuprobieren.<br />
Trotzdem war nicht alles vorher<br />
durchgeplant. Wir hatten uns einfach bei<br />
Freunden in ein Studio eingemietet. Das gab<br />
uns die Möglichkeit, ihnen einen Haufen<br />
Geld zukommen zu lassen und uns selbst<br />
anderthalb Jahre Zeit zu nehmen.“<br />
Bebban:„Wir haben natürlich nicht jeden<br />
Tag dort verbracht, aber wir konnten uns<br />
im Studio wohnlich einrichten und unsere<br />
ganze Ausrüstung permanent nutzen. Das<br />
Studio wurde so gewissermaßen unser<br />
Zuhause. Und sein Besitzer, unsee Freund<br />
Johannes Berglund, zum sechsten Bandmitglied<br />
auf ‚Optic’“. Und ich glaube, seine<br />
strukturierte Art hat uns gutgetan. Er<br />
verfügt über eine eher technische Herangehensweise<br />
und das entsprechende Wissen.<br />
Wir als Band kommen dagegen eindeutig<br />
von der kreativen Seite. Johannes arbeitete<br />
als Toningenieur zwischendurch auch an<br />
anderen Projekten und war so nicht immer<br />
vor Ort. Wir verbrachten allerdings die gesamte<br />
Zeit in seinem Studio. Manchmal kam<br />
MUSIK-INTERVIEW<br />
es mir so vor, als sei er der Star und wir die<br />
Begleitband, die auf ihn wartet. Aber es blieb<br />
alles entspannt und harmonisch zwischen<br />
uns (lacht).“<br />
Ist das nicht verdammt kompliziert, alle<br />
Entscheidungen als Band alleine zu treffen<br />
und nicht den Produzenten mit in die Pflicht<br />
zu nehmen?<br />
Carl:„Es war ein harter Lernprozess, auf all<br />
das musikalische Material zu achten und daraus<br />
schließlich ein Album zu formen. Wir haben<br />
auch hart diktiert und uns gefragt: Was<br />
muss das Album enthalten, um alle Prozesse<br />
aus der Studiophase abzubilden? Haben wir<br />
alles gesagt, was wir mitteilen wollen? Dabei<br />
merkt man erst, welch starken Einfluss ein<br />
Produzent hat. Er drückt nicht nur die richtigen<br />
Knöpfe und mischt den Sound. Ein guter<br />
Produzent spürt die Stimmung innerhalb<br />
der Band und hilft im Kampf um die richtige<br />
Materialauswahl. Genau dabei hat uns<br />
Johannes dann doch unterstützt. Denn die<br />
Songauswahl ist hart, speziell wenn man viel<br />
gutes Material aufgenommen hat. Wir hatten<br />
diesmal etwa 20 vollständige Songs für<br />
die CD. Das ist für unsere Verhältnisse viel.<br />
Denn normalerweise produzieren wir nur so<br />
viele Stücke, wie auf ein Album passen“<br />
Bebban:„Hinzu kam, dass wir diesmal von<br />
fast jedem einzelnen Track vier oder fünf<br />
verschieden Versionen hatten. Das erschwerte<br />
die Auswahl zusätzlich. Ich würde sagen,<br />
wir waren diesmal sehr kreativ. Wir haben<br />
viel gearbeitet.“<br />
Verratet mal, welche Dinge das Popstarsein<br />
attraktiv machen und was nervt?<br />
Bebban:„Bei mir ist es ein und dasselbe Ding,<br />
wie unterschiedliche Seiten der Münze, ich<br />
meine das Reisen. Das ist gleichzeitig aufregend<br />
und nervend. Denn ich komme an Orte,<br />
die ich nicht selbst ausgesucht habe. Natürlich<br />
passieren dabei immer wieder spannende<br />
Dinge und es ist schön, das zu erleben.<br />
Auf der anderen Seite verlierst du durch<br />
das lange Reisen den Kontakt zu geliebten<br />
Menschen daheim. Außerdem gibst du einen<br />
Teil deiner Individualität auf. Denn während<br />
einer Tour entscheidest du nicht selbst, wo<br />
du dich aufhältst.“<br />
Carl:„Für mich hat das Musikmachen einen<br />
großen Vorteil. Du bist nicht angestellt und<br />
dir kann niemand vorschreiben, was du zu<br />
tun und zu lassen hast. Es ist deine Sache,<br />
wie du die Zeit und Energie einteilst. Und<br />
hey, Zeit ist Geld (lacht). Nein im Ernst, es ist<br />
eine angenehme Art, sein Leben zu leben.<br />
Natürlich ist es stellenweise sehr anstrengend.<br />
In diesen Phasen spürst du dann die<br />
Nachteile dieser Freiheit.“<br />
[Interview: Dirk M. Oberländer]<br />
Aktuelles Album: Optica<br />
(Universal Music, 2013)<br />
à www.shoutoutlouds.com<br />
In diesem werkblatt verwenden wir QR-Codes:<br />
Scannen Sie den QR-Code mit Ihrem internetfähigen<br />
Handy, auf dem ein QR-Reader installiert<br />
ist, den Code und holen Sie sich weitere<br />
Informationen zum Thema.<br />
Shout out loud im Interview 25<br />
Foto: Frode & Marcus (2012)