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UNGLAUBLICHES INDIEN - Studentenwerk Berlin

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NAHAUFNAHME<br />

MIT PFARRER<br />

FEDOR PFISTNER<br />

EVANGELISCHE<br />

STUDIERENDENGEMEINDE<br />

Evangelische Studierendengemeinde im Herzen der Stadt<br />

An einem winterlichen Tag begebe ich mich auf den Weg zur Evangelischen<br />

Studierendengemeinde <strong>Berlin</strong> (ESG). Im Herzen der Stadt<br />

gelegen, unweit der Oranienburger Straße, ist sie gut zu erreichen und<br />

für jeden Interessenten geöffnet. Da die Adresse von außen etwas unscheinbar<br />

wirkt, staunt man beim Betreten der Höfe in der Borsigstraße<br />

5 nicht schlecht über die Größe des Areals, auf dem sich unter anderem<br />

ein Wohnheim befindet. Dorthin eingeladen hat mich Pfarrer Fedor<br />

Pfistner. Der gebürtige <strong>Berlin</strong>er möchte seine Arbeit für den Notfonds<br />

der ESG <strong>Berlin</strong> vorstellen.<br />

EIN BEWEGTES LEBEN<br />

Hinsichtlich meines Gesprächspartners lohnt sich jedoch zuvor ein Blick<br />

auf ein paar Etappen seines bewegten Lebens. Es war Herrn Pfistner<br />

nämlich keineswegs vom Kindesalter an vorgezeichnet, dass er einmal<br />

Pfarrer werden würde. „Als Jugendlicher war ich erfolgreicher Radleistungssportler<br />

in der DDR. Da ich mich weigerte, der FDJ beizutreten,<br />

wurde ich allerdings gesperrt. Nachdem ich später das Abitur an der<br />

Abendschule nachgemacht habe und die Voraussetzungen für ein Studium<br />

an der Humboldt-Universität erfüllte, bekam ich dort aufgrund<br />

der Totalverweigerung des Wehrdienstes keine Zulassung. So blieb mir<br />

als einzige Option für ein Studium die Theologische Universität. Während<br />

meines Praktikums wurde ich dann zum Glauben bekehrt“, erzählt<br />

der Absolvent der Predigerschule Paulinum. „Ganz kurz gesagt, wollte<br />

Jesus die Welt verändern. Das brachte mich ihm näher.“ Fedor Pfistner<br />

fühlt sich zeitlebens der Musik verbunden. Mehr als 200 Songs stammen<br />

aus seiner Feder. Konzerte gab der Liedermacher aus Leidenschaft<br />

auch noch in den Tagen, als er Gemeindepfarrer war. Es verwundert<br />

20 Nahaufnahme<br />

nicht, dass sich der gesellschaftlich stets engagierte Kirchenvertreter<br />

auch auf politischer Ebene einbrachte. Einst Mitbegründer der Grünen<br />

in der DDR, wirkte der Theologe noch bis 1997 als Kommunalpolitiker<br />

in der Partei mit. Hauptberuflich hatte es ihn zwischenzeitlich auf die<br />

Gewässer <strong>Berlin</strong>s verschlagen. Mit viel Freude verrichtete er bis zum<br />

Jahr 2009 die Tätigkeit des Schifferpfarrers, die er unfreiwillig aufgeben<br />

musste. Doch wo eine Episode endet, beginnt zumeist eine neue. Und<br />

so betraute man ihn fortan mit der Arbeit für den Notfonds der ESG in<br />

<strong>Berlin</strong>.<br />

BEIHILFE FÜR INTERNATIONALE STUDIERENDE<br />

IN NOTLAGE<br />

Das Angebot des Notfonds ist eine Beihilfe und richtet sich an internationale<br />

Studierende. „Brot für die Welt“ stellt jährlich 1,5 Mio. Euro aus<br />

Spendenmitteln für frei eingereiste Studierende in Deutschland bereit.<br />

240.000 Euro davon fließen in den Pool für bedürftige Studierende aus<br />

den Bundesländern <strong>Berlin</strong> und Brandenburg. In der Regel können damit<br />

in <strong>Berlin</strong> ungefähr 140 Personen unterstützt werden, was bei etwa 5000<br />

Interessenten dem oft zitierten Tropfen auf dem heißen Stein gleicht.<br />

„Die Bewerber stellen sich bei mir vor und schildern ihre Situation. Ich<br />

stelle dann den jeweiligen Beihilfeantrag, über den „Brot für die Welt“<br />

letztlich entscheidet“, erläutert Pfarrer Pfistner die Vorgehensweise.<br />

Theoretisch sollten Antragstellende ihr Studium selbst finanzieren können.<br />

Die Beihilfe sollte nur als Überbrückung einer Notsituation in einer<br />

studienentscheidenden Phase dienen. Der monatliche Höchstbetrag<br />

beläuft sich dabei auf 350 Euro. In der Regel wird dieser auch beantragt<br />

und bewilligt, damit die Empfänger nicht noch nebenbei etwas hinzuverdienen<br />

müssen. Sie sollen sich voll auf ihre Studien konzentrieren<br />

können. Die mit Abstand meisten Bewerber kommen vom afrikanischen<br />

Kontinent, gefolgt von Asien und Lateinamerika. Für das Auswahlverfahren<br />

mit ausschlaggebend ist die OECD-Liste (Organisation für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Nach der ursprünglichen<br />

Idee des Notfonds sollten vorrangig Studierende aus Entwicklungsländern<br />

gefördert werden, die nach dem Studium in ihre Heimat<br />

zurückkehren. Heute ist es so, dass sich die Antragsteller verpflichten,<br />

im Anschluss an ihr eigenes Studium Entwicklung zu fördern, in<br />

der Heimat oder anderen OECD Ländern.<br />

BEDÜRFTIGKEIT UND SOZIALES ENGAGEMENT<br />

SIND VORAUSSETZUNG<br />

Was neben der Bedürftigkeit allerdings vorausgesetzt wird, ist ein<br />

gesellschafts- oder entwicklungspolitisches Engagement. Hierzu zählen<br />

unter anderem von der ESG angebotene Seminare oder auch Veranstaltungen<br />

des Studienbegleitprogramms (StuBe) <strong>Berlin</strong>-Brandenburg. So<br />

veranstalten Studierende Themenveranstaltungen und Informationsabende<br />

für andere Studierende, bei denen man Dinge wie das Erstellen<br />

und Abhalten von Präsentationen üben und gleichzeitig noch neue<br />

Leute kennen lernen kann. Ein Beispiel ist der am Abend meines Besuches<br />

stattfindende Kamerunabend. „Solche Veranstaltungen sind eine<br />

gute Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Wer einmal<br />

teilnimmt, kommt zumeist auch wieder. Und wer sich mehr engagiert,<br />

hat oft bessere Chancen bei Bedarf berücksichtigt zu werden“, erklärt<br />

der Notfondspfarrer. Obwohl er die Funktion zu Beginn nicht freiwillig<br />

ausübte, macht ihm die Arbeit mittlerweile großen Spaß, was man ihm<br />

während des Gesprächs sichtlich anmerkt. Sämtliche Informationen<br />

über den Notfonds, den Weg der Antragstellung und die Veranstaltungen<br />

von StuBe sowie der ESG <strong>Berlin</strong> findet man im Internet unter<br />

à www.esgberlin.de.<br />

ZUKUNFTSPLÄNE<br />

Eine Anregung für die Zukunft des Projekts wäre die Umstellung auf ein<br />

geteiltes Fördersystem. Pfarrer Pfistner plädiert für die Beibehaltung<br />

einer dann monatsweise gezahlten Nothilfe. Darüber hinaus wünscht<br />

er sich eine Ausweitung der Förderung für ausgewählte Studierende –<br />

ähnlich eines Stipendiums –, die sich in besonderem Maße profilieren.<br />

Die persönliche Zukunft betreffend schmiedet er auch schon eifrig Pläne.<br />

Legt der ehemalige Schifferpfarrer im Ruhestand an, möchte er ein Buch<br />

mit dem Titel „Der Mensch – das biologische Wesen“ verfassen.<br />

Ich danke für das informative und unterhaltsame Gespräch in netter<br />

Atmosphäre.<br />

[Carsten Ueberschär]<br />

Foto[M]: ostill / 123RF Stock Foto

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