UNGLAUBLICHES INDIEN - Studentenwerk Berlin
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BALLETT-ELEVEN UND MINI-MENSA<br />
Ulrich Hackhe erinnert sich auch an einige Kuriositäten. „Es existierte<br />
zum Beispiel ein Wohnheim für den Ballettnachwuchs, zwei Mitarbeiter<br />
waren extra für die Betreuung der Eleven eingestellt.“ Ein anderes<br />
skurriles Beispiel fand sich unter den Mensen: „Die Ernst-Busch-Schauspielschule<br />
hatte im Prenzlauer Berg eine Außenstelle, an der Regisseure<br />
ausgebildet wurden. Und auch diese hatten eine eigene kleine<br />
Mensa – für sage und schreibe zwölf Studierende!“<br />
Das Zusammenwachsen der Mitarbeiter aus Ost und West beschreibt<br />
der damalige Personalverantwortliche als sehr harmonisch. „Die Übernahme<br />
der Kollegen aus den Hochschulen im Ostteil war problemlos.<br />
Schließlich lief alles erst einmal weiter wie bisher“, betont Hackhe.<br />
Die Mitarbeiter in den Mensen und Wohnheimen blieben weiterhin<br />
vor Ort und verrichteten ihre Arbeit wie gewohnt. Personalabbau oder<br />
größere Umstrukturierungen – mal abgesehen vom Umzug des BAföG-<br />
Amtes an die Behrenstraße – waren vorerst nicht geplant. „Dem damaligen<br />
Geschäftsführer war es wichtig, dass es keinen Unmut und keine<br />
Arbeitslosen unter den aus dem Osten stammenden Mitarbeitern gab.<br />
Geld spielte in diesen Wendezeiten nicht die entscheidende Rolle.“ Und<br />
so war die Atmosphäre zwischen den Beschäftigten aus Ost und West<br />
von Anfang an kollegial. Außerdem wurde das Führungspersonal aus<br />
beiden Teilen im vereinigten <strong>Studentenwerk</strong> gleichermaßen an den<br />
Leitungsaufgaben beteiligt. „Ein Direktor aus dem Ostteil der Stadt<br />
übernahm zum Beispiel die Aufgabe des Abteilungsleiters Technik“,<br />
erklärt Hackhe.<br />
Auch Regina Neukrantz, Leiterin der Wohnheimverwaltung Siegmunds<br />
Hof, erinnert sich gerne an die Wendezeiten: „Für uns war es einfach<br />
toll, unsere Kollegen aus dem ehemaligen Osten bei uns zu haben.<br />
Schließlich waren wir in der geteilten Stadt groß geworden und hätten<br />
uns nicht träumen lassen, dass es jemals eine Wende geben würde.“<br />
Deshalb sei die Stimmung im <strong>Studentenwerk</strong> in den ersten Jahren<br />
nach der Wiedervereinigung Deutschlands auch regelrecht euphorisch<br />
gewesen. Denn alle hätten das Gefühl gehabt, an diesem großen geschichtlichen<br />
Ereignis beteiligt zu sein. „Wir wollten damals gemeinsam<br />
mit unseren neuen Kollegen aus dem Osten etwas bewegen“,<br />
bringt es Regina Neukrantz auf den Punkt.<br />
GEMEINSAM MITEINANDER<br />
Ganz konkret hatte Neukrantz die Aufgabe, die Mitarbeiter aus dem<br />
Ostteil der Stadt mit den Verwaltungsarbeiten, wie sie im Westen<br />
üblich waren, vertraut zu machen. „Die Kollegen waren alle sehr motiviert,<br />
aufgeschlossen und lernbereit“, betont die Wohnheimleiterin.<br />
„Wir wuchsen rasch zusammen. Spannungen und Neid kamen nicht<br />
auf und sehr schnell war auch die unterschiedliche Herkunft kein Thema<br />
mehr.“ Neukrantz erinnert sich noch gerne an die Zeit, als sie in einem<br />
gemischten Ost-West-Team die ehemaligen Alliiertenwohnungen<br />
vorübergehend in den Bestand des <strong>Studentenwerk</strong>s aufnahm. Sie sollten<br />
als Wohnheime genutzt werden.“ Dadurch war viel Mehrarbeit nötig.<br />
Oft saßen wir noch bis abends bei der Arbeit.“ Aber die Stimmung<br />
sei hervorragend gewesen. „Jeder brachte etwas mit und so aßen wir<br />
dann gemeinsam. Das war eine wirklich tolle Zeit!“<br />
Gundel Binkowski, Leiterin der Wohnheimverwaltung Sewanstraße,<br />
war zu DDR-Zeiten bei der Humboldt-Universität angestellt und arbeitete<br />
als Heimleiterin des Studentenwohnheims Dolgensee-/Mellenseestraße.<br />
„Nach der Vereinigung des <strong>Studentenwerk</strong>s mussten wir vieles<br />
neu lernen, zum Beispiel den Umgang mit Computern.“ Deshalb hat sie<br />
Anfang der 1990er-Jahre ein mehrmonatiges Praktikum im Studentenwohnheim<br />
Eichkamp absolviert.<br />
An diese Zeit erinnert sie sich trotz der langen Fahrten noch gerne.<br />
Schließlich wohnte sie in <strong>Berlin</strong>-Biesdorf, also fast am östlichen Stadtrand,<br />
und musste zu ihrem Einsatzort im Westen mehr als 60 Minuten<br />
Fahrzeit in Kauf nehmen: „Wir wurden sehr herzlich aufgenommen.<br />
Unsere Kollegen aus dem Westen haben sich viel Mühe gegeben und<br />
uns alles erklärt. Im Osten arbeiteten wir noch mit Karteikarten, Computer<br />
waren noch unbekannt.“ Heute ist das für sie alles längst Geschichte.<br />
„Innerhalb eines Jahres ist mir die Arbeit mit dem Computer<br />
in Fleisch und Blut übergangen.“ Mit den Kollegen im Westen hatte sie<br />
keine Probleme. „Wir konnten gut miteinander reden und haben uns<br />
immer respektiert.“<br />
Hackhe erinnert sich, dass Ost- und Westkollegen von der Vereinigung<br />
des <strong>Studentenwerk</strong>s profitiert haben: „Die Mitarbeiter aus dem Osten<br />
waren froh, dass sie nicht unter die Verwaltung der Treuhand fielen<br />
und einen sicheren Arbeitsplatz hatten.“ Und auch für die Kollegen aus<br />
dem Westen hatte das Miteinander von Ost und West Vorteile: „Die<br />
neuen Kollegen brachten mehr Dynamik ins <strong>Studentenwerk</strong>. Schließlich<br />
waren sie es gewohnt, mit der Mangelsituation im Osten umzugehen<br />
und Probleme zu lösen, zum Beispiel bei der Materialbeschaffung.“<br />
[Anja Schreiber]<br />
* Ulrich Hackhe in jüngeren Jahren<br />
*<br />
Report 19<br />
Fotos: privat