"obligatorische" Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs

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244 Oellers-Frahm Mittelamerika durch eine weitere Beteiligung gedient der USA an dem Verfahren sei. Durch dieses Verfahren würden die Ziele des IGH in ihr Gegenteil verkehrt3. Außerdem, so wurde dem.IGH mit Schreiben vom and mani- 18.Januar 1985 mitgeteilt, sei das Zuständigkeitsurteil festly erroneous as to both fact and law";. Zudem seien die USA der festen Überzeugung, habe 4 daß der IGH keine Zuständigkeit für diese Streitigkeit Damit machten die USA die Nichtbeachtlichkeitdes Urteils von 1984 geltend, was unter rechtlichen Gesichtspunkten, ohne, daß die USA dies deutlich ausgesprochen hätten-, den Vorwurf der,Nichtigkeit des Urteils bedeutet. Nur einem nichtigen Urteil kann mit Recht die Beachtung ver- sagt werden, ein Fall, für den es in der internationalen Gerichtsbarkeit extrem wenige Präzedenzfälle gibt6. Daher ist hier zunächst zu prüfen, ob dieser Grund für die Rechtfertigung der amerikanischen Haltung durch- greift. 1. Die Nichtigkeit von Urteilen internationaler Gerichte ist deshalb ein so kompliziertes Problem, weil es in der.Regel an einer Institution fehlt, die die Nichtigkeit feststellt7. So liegt die Feststellung der Nichtigkeit bei den Parteien, die 8 sich entweder ausdrücklich auf* sie berufen oder ohne, einen solchen ausdrücklichen Rechtfertigungsversuch das Urteil eines in- ternationalen Gerichts mißachten eine Haltung, die allerdings darauf schließen läßt, daß Zweifel an der Berechtigung dieses Vorgehens beste- hen. Denn auch wenn es an einer positiven Regelung der Nichtigkeitsgründe fehlt, so haben doch die Praxis und Doktrin zur Herausbildung eines Systems geführt, das. man als gewohnheitsrechtlich anerkannt an i- sehen kann";. 3 Vgl. Editor's Note in World Affairs, 148 (1985), S.5. 4 ICJ Rep.1986, S.23. 5 Deutlich wurde dieser Vorwurf erhoben und als berechtigt angesehen von W.M. Reisman, Has the International Court of justice Exceeded its jurisdiction?, AJIL 80 (1986), S.128-134. 6 Vgl. K. 0 e I I - e r s F r a h m, judicial and Arbitral Decisions: Validity and Nullity, in: R. Bernhardt (ed.), Encyclopedia of Public International Law (EPIL), Instalment 1 (1981), S.118ff. 7 Anders nur in Art.52 Abs.3 der Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals (ICSID-Konvention) vom 18.3.1965. 8 So Argentinien nach der Entscheidung des Schiedsgerichts in der Beagle Kanal-Streitig- keit vom 2.5.1977, Text in ILM 17 (1978), S.634ff. 9 Z. B. der Iran im Teheraner Geisel-Fall bezüglich der Entscheidungen des. IGH von 1979 (einstweilige Maßnahmen) und 1980 (Hauptsache). 10 Vgl. hierzu 0 e 11 - e r s F r ah m (Anm.6) mit bibliographischen Nachweisen. http://www.zaoerv.de © 1987, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Die obligatorische Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs 245 Von den vier anerkannten Gründen der Nichtigkeit: manifeste Zu- ständigkeitsüberschreitung, manifester Rechtsirrtum, Bestechung der Richter und Ungültigkeit des Kompromisses, kommt im vorliegenden Fall nur der erste in Betracht. Die Zuständigkeitsüberschreitung umfaßt excess of power und excess of jurisdiction, die nicht mit letzter- Klarheit voneinander abzugrenzen sind. In diese Kategorie fallen Entscheidungen, die außerhalb des Kompromisses bzw. der übertragenen Zuständigkeit liegen; ein Irrtum bezüglich der Zuständigkeit; ein Irrtum in1 Verständnis und in Anwendüng des anwendbaren Rechts sowie ein schwerwiegendes Abweichen von grundlegenden Verfahrensregeln. Da die wesentliche Betonung hier auf dem Begriff der 0 f f e n s 1 c h t 11 c h k e i t der Kompetenzüberschrei- tung liegt, also die bloße Möglichkeit, mit rechtlichen Erwägungen zu einem anderen Ergebnis zu kommen, nicht ausreicht, kommt es darauf an, ob dieser Vorwurf für die Zuständigkeitsentscheidung von 1984 begründet ist. a) Die Zuständigkeit auf Grund der Fakultativklausel, Art.36 Abs.2 des Statuts, war von den USA mit einer Erklärung aus dem Jahre 1946 anerkannt worden. Die Zuständigkeit im konkreten Fall hing von der Feststellung ab, ob es sich bei Nicaragua um a State accepting the same obligation"; handelte 11. Das war deshalb streitig, weil Nicaraguas Erklärung aus dem Jahre 1929 stammte und dem Ständigen Internationalen Gerichtshof (StIGH) gegenüber abgegeben war, zwar nach dem entsprechenden Art.36 Abs.2 des damaligen Statuts und ohne Vorbehalte und zeitliche Befristung, aber in Ermangelung der Erfüllung einer weiteren wesentlichen Bedingung. Unter dem Statut des StIGH, das nicht Bestandteil der Völkerbundssatzung war, wie es das jetzige Statut hinsichtlich der UN-Charta ist, war Voraussetzung für das Wirksamwerden einer Unterwerfungserklärung nach Art.36 Abs.2, daß zusätzlich ein Protokoll ratifiziert wurde. Nicara- gua hatte dieses Protokoll zwar unterzeichnet und behauptete auch, es - ratifiziert zu haben, aber beim Völkerbund war niemals trotz ausdrückli- cher Aufforderung - eine Ratifikationsurkunde hinterlegt worden. Damit stand ein Punkt. ohne Zweifel fest: nämlich daß die Unterwerfungserklärung Nicaraguas unter die Zuständigkeit des StIGH zu keiner Zeit verbindlich geworden war, daß also Nicaragua der Gerichtsbarkeit des StIGH niemals unterworfen war. Daß überhaupt nach dieser Feststellung geprüft werden konnte, ob die Unterwerfungserklärung nach Art.36 Abs.5 des Statuts vom StIGH auf den IGH übergeleitet wurde, ist auf die unglückli- 11 ICJRep.1984,S.398. http://www.zaoerv.de © 1987, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Die obligatorische <strong>Gerichtsbarkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Internationalen</strong> <strong>Gerichtshofs</strong> 245<br />

Von den vier anerkannten Gründen der Nichtigkeit: manifeste Zu-<br />

ständigkeitsüberschreitung, manifester Rechtsirrtum, Bestechung der<br />

Richter und Ungültigkeit <strong>des</strong> Kompromisses, kommt im vorliegenden<br />

Fall nur der erste in Betracht.<br />

Die Zuständigkeitsüberschreitung umfaßt excess of power und excess<br />

of jurisdiction, die nicht mit letzter- Klarheit voneinander abzugrenzen<br />

sind. In diese Kategorie fallen Entscheidungen, die außerhalb <strong>des</strong> Kompromisses<br />

bzw. der übertragenen Zuständigkeit liegen; ein Irrtum bezüglich<br />

der Zuständigkeit; ein Irrtum in1 Verständnis und in Anwendüng<br />

<strong>des</strong> anwendbaren Rechts sowie ein schwerwiegen<strong>des</strong> Abweichen<br />

von grundlegenden Verfahrensregeln. Da die wesentliche Betonung hier<br />

auf dem Begriff der 0 f f e n s 1 c h t 11 c h k e i t der Kompetenzüberschrei-<br />

tung liegt, also die bloße Möglichkeit, mit rechtlichen Erwägungen zu<br />

einem anderen Ergebnis zu kommen, nicht ausreicht, kommt es darauf<br />

an, ob dieser Vorwurf für die Zuständigkeitsentscheidung von 1984 begründet<br />

ist.<br />

a) Die Zuständigkeit auf Grund der Fakultativklausel, Art.36 Abs.2 <strong>des</strong><br />

Statuts, war von den USA mit einer Erklärung aus dem Jahre 1946 anerkannt<br />

worden. Die Zuständigkeit im konkreten Fall hing von der Feststellung<br />

ab, ob es sich bei Nicaragua um a State accepting the same obligation<strong>&quot</strong>;<br />

handelte 11. Das war <strong>des</strong>halb streitig, weil Nicaraguas Erklärung aus dem<br />

Jahre 1929 stammte und dem Ständigen<br />

<strong>Internationalen</strong> Gerichtshof<br />

(StIGH) gegenüber abgegeben war, zwar nach dem entsprechenden Art.36<br />

Abs.2 <strong>des</strong> damaligen Statuts und ohne Vorbehalte und zeitliche Befristung,<br />

aber in Ermangelung der Erfüllung einer weiteren wesentlichen Bedingung.<br />

Unter dem Statut <strong>des</strong> StIGH, das nicht Bestandteil der Völkerbundssatzung<br />

war, wie es das jetzige Statut hinsichtlich der UN-Charta ist,<br />

war Voraussetzung für das Wirksamwerden einer Unterwerfungserklärung<br />

nach Art.36 Abs.2, daß zusätzlich ein Protokoll ratifiziert wurde. Nicara-<br />

gua hatte dieses Protokoll zwar unterzeichnet und behauptete auch, es<br />

- ratifiziert zu haben, aber beim Völkerbund war niemals trotz ausdrückli-<br />

cher Aufforderung -<br />

eine<br />

Ratifikationsurkunde hinterlegt worden. Damit<br />

stand ein Punkt. ohne Zweifel fest: nämlich daß die Unterwerfungserklärung<br />

Nicaraguas unter die Zuständigkeit <strong>des</strong> StIGH zu keiner Zeit verbindlich<br />

geworden war, daß also Nicaragua der <strong>Gerichtsbarkeit</strong> <strong>des</strong> StIGH<br />

niemals unterworfen war. Daß überhaupt nach dieser Feststellung geprüft<br />

werden konnte, ob die Unterwerfungserklärung nach Art.36 Abs.5 <strong>des</strong><br />

Statuts vom StIGH auf den IGH übergeleitet wurde, ist auf die unglückli-<br />

11 ICJRep.1984,S.398.<br />

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