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COMMON LAW UND CIVIL LAW EIN ... - Thomas Fleiner

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solcher generell abstrakter Normen auf gleichartige Sachverhalte ist nicht nur die<br />

Vorhersehbarkeit sondern auch die Gleichbehandlung letzterer gewährleistet. 101<br />

Im schweizerischen Recht gilt also die Meinung, dass die generell abstrakten<br />

Rechtsnormen die Grundlage der Rechtsfindung bilden. 102 In der Tat schreibt die<br />

Hierarchieordnung des Art. 1 ZGB dem Richter vor, bei der Suche nach der<br />

geeigneten Lösung für ein bestimmtes Rechtsproblem in erster Linie das<br />

Gesetzesrecht zu konsultieren. Dies ist aber nicht so einfach, wie es auf den ersten<br />

Blick vielleicht erscheinen mag. Zu bedenken ist nämlich, dass die schweizerischen<br />

Gesetze mehrheitlich konkretisierungsbedürftige Generalklauseln und unbestimmte<br />

Gesetzesbegriffe enthalten. Ferner wird es aufgrund der Vielfältigkeit und dem<br />

ständigen Wandel der Gesellschaft immer Sachverhalte und Lebensverhältnisse<br />

geben, die das Gesetz nicht regelt (sog. Lücke im Gesetz).<br />

In solchen Fällen, in denen das Gesetz sozusagen versagt, herrscht also über die<br />

juristische Antwort auf das zu lösende Problem noch Ungewissheit. Dies bedeutet,<br />

dass der Richter mittels eines Urteils die Rechtssicherheit in der Rechtsordnung<br />

wieder herstellen muss. 103<br />

Welche Wirkungen haben nun solche richterliche Entscheidungen für das<br />

schweizerische Recht? In der Schweiz werden Gerichtsentscheidungen anders als im<br />

Common Law System nur als Reflexe des zur Anwendung gebrachten Gesetzes<br />

aufgefasst. 104 D.h. die vom Richter aufgestellte Regel gilt nicht formell als<br />

Rechtsregel für künftige ähnliche Fälle und wird damit nicht zu positivem Recht.<br />

Diese Tatsache kann wiederum damit erklärt werden, dass die Civil Law Tradition im<br />

Zusammenhang mit ihrer Definition der Rechtssicherheit eine “Furcht” vor verfehlten<br />

und unvernünftigen Präjudizien hat, die womöglich den Willen des Gesetzgebers<br />

verfehlen bzw. ihm widersprechen könnten. 105<br />

Aufgrund der Tatsache, dass Präjudizien also nicht bindend sind, führt das allgemein<br />

ausgedrückt dazu, dass ein Sachverhalt von einem Gericht einmal so und einmal<br />

anders entschieden werden kann, vorausgesetzt natürlich, die Entscheidung beruhe<br />

auf sachliche Gründe. Als Beispiel sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtes zum<br />

101 PROBST, S. 432.<br />

102 PROBST, S. 398<br />

103 PROBST, S. 398.<br />

104 PROBST, S. 393.<br />

105 PROBST, S. 393.<br />

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