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Die persische Miniaturmalerei - Sov-et.ch

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K A L L I G R A P H I E<br />

<strong>Die</strong> <strong>persis<strong>ch</strong>e</strong><br />

<strong>Miniaturmalerei</strong><br />

<strong>Die</strong> wunderbare Welt der <strong>persis<strong>ch</strong>e</strong>n <strong>Miniaturmalerei</strong><br />

hat mi<strong>ch</strong> immer fasziniert. Als Jugendli<strong>ch</strong>er waren es<br />

allmorgendli<strong>ch</strong> beim Hinuntergehen der Treppe die ersten<br />

Bilder, die i<strong>ch</strong> sah und die mi<strong>ch</strong> beeindruckten.<br />

I<strong>ch</strong> nahm flü<strong>ch</strong>tig die kriegführenden Ritter, die Jäger<br />

des Hofes und die S<strong>ch</strong>önheiten des Harems wahr.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Miniaturmalerei</strong> stellt die logis<strong>ch</strong>e<br />

und natürli<strong>ch</strong>e Ergänzung der<br />

Kalligraphie und der Illuminierkunst<br />

dar (siehe Torba 2/96). <strong>Die</strong><br />

Verehrung des Korans inspirierte in<br />

der Tat die musilmanis<strong>ch</strong>en Völker,<br />

wel<strong>ch</strong>e in der dekorativen Kunst<br />

sehr beflissen waren – speziell die<br />

Perser – dazu, das heilige Bu<strong>ch</strong> zu<br />

illuminieren. <strong>Die</strong> Grenze zwis<strong>ch</strong>en<br />

der Verzierung der Titelseite, der<br />

Initialen und der S<strong>ch</strong>affung<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t zu definierender Illustrationen<br />

wurde s<strong>ch</strong>nell übers<strong>ch</strong>ritten.<br />

Künstler mit grossem Talent, Urheber<br />

von fabelhaften Koranen,<br />

s<strong>ch</strong>mückten die weltli<strong>ch</strong>en Arbeiten<br />

von Di<strong>ch</strong>tern oder berühmten<br />

S<strong>ch</strong>riftstellern mit <strong>Miniaturmalerei</strong>en.<br />

<strong>Die</strong>s sollte uns erstaunen, weil die<br />

Theologen des Islams die Wiedergabe<br />

von lebenden Wesen immer<br />

missbilligten, obs<strong>ch</strong>on dies ni<strong>ch</strong>t<br />

explizit im Koran gesagt wird: <strong>Die</strong><br />

Sure untersagt nur die Standbilder,<br />

wel<strong>ch</strong>e eines Tages Objekte des<br />

Götzendienstes werden könnten.<br />

Bei den Persern hingegen erwies<br />

si<strong>ch</strong> der Wuns<strong>ch</strong>, Objekte der<br />

Kunst zu s<strong>ch</strong>affen, grösser als ihre<br />

Bereits<strong>ch</strong>aft, blind den Vors<strong>ch</strong>riften<br />

der Mullahs zu gehor<strong>ch</strong>en.<br />

<strong>Die</strong> <strong>persis<strong>ch</strong>e</strong> <strong>Miniaturmalerei</strong> ist<br />

innig mit der Literatur und der Religion<br />

verbunden, weil sie fast immer<br />

Bü<strong>ch</strong>er illustriert. <strong>Die</strong> Szenen,<br />

wel<strong>ch</strong>e die <strong>Miniaturmalerei</strong> darstellt,<br />

stammen aus der iranis<strong>ch</strong>en<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, ebenso aus Epos, Le-<br />

genden und <strong>persis<strong>ch</strong>e</strong>n Romanen.<br />

<strong>Die</strong> Ältesten, wel<strong>ch</strong>e man kennt, datieren<br />

aus dem 13. Jahrhundert und<br />

gehören der selds<strong>ch</strong>ukis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule<br />

an. Sie illustrieren die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

von Kalila und Dimna. Später haben<br />

die folgenden Werke zahlrei<strong>ch</strong>e Illustrationen<br />

hervorgerufen:<br />

- Der S<strong>ch</strong>ah-Name von Firdousi,<br />

ein grosser nationaler Epos.<br />

- <strong>Die</strong> Robatäer von Khayyam, der<br />

Divan von Hafiz, der Khamseh<br />

von Nezami, di<strong>ch</strong>teris<strong>ch</strong>e Werke<br />

von allgemeiner Bekanntheit.<br />

Wie dur<strong>ch</strong> die Farben, kann man<br />

die <strong>Miniaturmalerei</strong>en in vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Ri<strong>ch</strong>tungen einteilen, verdeutli<strong>ch</strong>t<br />

dur<strong>ch</strong> den Stil:<br />

- <strong>Die</strong> selds<strong>ch</strong>ukis<strong>ch</strong>e Stilri<strong>ch</strong>tung<br />

oder die Stilri<strong>ch</strong>tung von Bagdad<br />

(13. Jahrhundert)<br />

- <strong>Die</strong> Stilri<strong>ch</strong>tung von Täbriz<br />

(15. Jahrhundert)<br />

- <strong>Die</strong> Stilri<strong>ch</strong>tung von Shiraz<br />

(15. Jahrhundert)<br />

- <strong>Die</strong> Stilri<strong>ch</strong>tung von Herat<br />

(15. Jahrhundert)<br />

- <strong>Die</strong> Stilri<strong>ch</strong>tung von Isfahan<br />

(16. Jahrhundert),<br />

deren Meister Riza-i-Abbasi war.<br />

- <strong>Die</strong> mongolis<strong>ch</strong>e Stilri<strong>ch</strong>tung in<br />

Indien (16. und 17. Jahrhundert)<br />

- <strong>Die</strong> Stilri<strong>ch</strong>tung Jala-Irid<br />

(19. Jahrhundert)<br />

Unter der Herrs<strong>ch</strong>aft von S<strong>ch</strong>ah Abbas<br />

wurden zahlrei<strong>ch</strong>e Kontakte zu<br />

westli<strong>ch</strong>en Höfen geknüpft. Am<br />

Ende des 17. Jahrhunderts verbra<strong>ch</strong>ten<br />

zahlrei<strong>ch</strong>e <strong>persis<strong>ch</strong>e</strong><br />

Künstler ein Praktikum in Rom. <strong>Die</strong><br />

<strong>Miniaturmalerei</strong>en dieser Epo<strong>ch</strong>e<br />

widerspiegeln diesen westli<strong>ch</strong>en<br />

Einfluss in ihrer Te<strong>ch</strong>nik.<br />

Während des 18. Jahrhunderts, einer<br />

sehr unruhigen Zeit in der iranis<strong>ch</strong>en<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, stellt man einen<br />

fast kompl<strong>et</strong>ten Stillstand der künst-<br />

4 t o r b a 1/97


leris<strong>ch</strong>en Tätigkeit fest. Man muss<br />

den Ma<strong>ch</strong>tantritt der Kads<strong>ch</strong>aren-<br />

Dynastie im folgenden Jahrhundert<br />

abwarten, um eine Wiederbelebung<br />

der Kunst der <strong>Miniaturmalerei</strong> zu<br />

erleben.<br />

Der Geist der <strong>Miniaturmalerei</strong> ist<br />

nahe dem Geist der Ikonen oder<br />

dem Geist der westli<strong>ch</strong>en Illuminierkünsten<br />

der romanis<strong>ch</strong>en Epo<strong>ch</strong>e.<br />

<strong>Die</strong> Erfors<strong>ch</strong>ung des Realismus<br />

fehlt gänzli<strong>ch</strong>; der Illuminierkünstler<br />

tra<strong>ch</strong>t<strong>et</strong> mehr dana<strong>ch</strong>, eine Szene<br />

zu erklären oder sie verständli<strong>ch</strong> zu<br />

ma<strong>ch</strong>en, als sie in ihrem tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Umfang wiederzugeben oder<br />

ihr eine dramatis<strong>ch</strong>e Intensität zu<br />

verleihen. Keine Aussi<strong>ch</strong>t, kein<br />

Dämmerli<strong>ch</strong>t, ni<strong>ch</strong>ts von dem, was<br />

die vers<strong>ch</strong>iedenen Ri<strong>ch</strong>tungen der<br />

Malerei seit dem Mittelalter erfunden<br />

haben, ers<strong>ch</strong>eint den <strong>persis<strong>ch</strong>e</strong>n<br />

Künstlern zweckdienli<strong>ch</strong>. <strong>Die</strong> Natur<br />

ist ni<strong>ch</strong>t mit si<strong>ch</strong> selber bes<strong>ch</strong>äftigt,<br />

die Lands<strong>ch</strong>aften sind nie eine<br />

Kunst in si<strong>ch</strong>. <strong>Die</strong> Lands<strong>ch</strong>aften<br />

sind im Hintergrund mit einer Szene<br />

angedeut<strong>et</strong>; sie dienen als Dekoration.<br />

Zum Beispiel wird die Na<strong>ch</strong>t<br />

dur<strong>ch</strong> einen im Lapislazuli-Ton<br />

sternenbeleu<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>en Himmel dargestellt.<br />

Aber die Szene im Vorder-<br />

t o r b a 1/97<br />

grund ist wie am Tage erhellt.<br />

Wi<strong>ch</strong>tig ist ni<strong>ch</strong>t, die Illusion eines<br />

nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Umfeldes zu erzeugen,<br />

sondern nur nahezulegen, dass es<br />

bereits Na<strong>ch</strong>t ist.<br />

Das Wunderbare einfangen<br />

Im übrigen äussern die Perser einen<br />

Ges<strong>ch</strong>mack, wel<strong>ch</strong>er gezei<strong>ch</strong>n<strong>et</strong> ist<br />

dur<strong>ch</strong> eine kindli<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>tweise des<br />

Universums. <strong>Die</strong> Perser su<strong>ch</strong>en<br />

ni<strong>ch</strong>t dana<strong>ch</strong>, die Realität zu verstehen<br />

oder sie zu dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>auen, wie<br />

wir dies im Westen zu tun pflegen,<br />

sondern sie vers<strong>et</strong>zen si<strong>ch</strong> in Erstaunen.<br />

Der Künstler stellt vielfa<strong>ch</strong><br />

Orte dar, die dem Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t<br />

zugängli<strong>ch</strong> sind, zum Beispiel das<br />

Rei<strong>ch</strong> der Toten, oder lässt den<br />

B<strong>et</strong>ra<strong>ch</strong>ter in einem paradiesis<strong>ch</strong>en<br />

Garten, wel<strong>ch</strong>er mit Traumkreaturen<br />

bevölkert ist, umhers<strong>ch</strong>weifen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Miniaturmalerei</strong>en<br />

und die Teppi<strong>ch</strong>e<br />

Für die Historiker von Orientteppi<strong>ch</strong>en<br />

sind die <strong>Miniaturmalerei</strong>en<br />

eine Quelle von sehr interessanten<br />

Informationen. <strong>Die</strong> illustrierten<br />

Manuskripte sind im Gegensatz zu<br />

Teppi<strong>ch</strong>en fast immer datiert oder<br />

man kann ihr Alter von ihrer Stilri<strong>ch</strong>tung<br />

ableiten. Deshalb ist es<br />

lei<strong>ch</strong>t, die Teppi<strong>ch</strong> zu datieren,<br />

wel<strong>ch</strong>e auf <strong>Miniaturmalerei</strong>en zu<br />

finden sind. Man vermut<strong>et</strong> au<strong>ch</strong>,<br />

dass das gegenwärtige Motiv der<br />

Medaillonteppi<strong>ch</strong>e im 17. Jahrhundert<br />

dur<strong>ch</strong> Miniaturmaler entworfen<br />

wurde. <strong>Die</strong> Miniaturmaler,<br />

wel<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>ah Thamasp<br />

beauftragt wurden, neue Motive für<br />

Orientteppi<strong>ch</strong>e zu su<strong>ch</strong>en, sahen<br />

si<strong>ch</strong> von den Mustern der Bu<strong>ch</strong>ums<strong>ch</strong>läge<br />

inspiriert, um einen neuen<br />

Stil für Orientteppi<strong>ch</strong>e zu erfinden<br />

und so diese traditionelle Kunst zu<br />

erneuern.<br />

Text: Jacques Gans<br />

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