Skripten - Alpmann Schmidt

2. Behörden zur Gefahrenabwehr
2.2 Trennungssystem
Die Westalliierten sahen nach 1945 im Einheitssystem eine rechtsstaatlich unerwünschte
Machtansammlung bei einer Behörde – der Polizeibehörde. Auf Betreiben
der Briten und Amerikaner wurde deshalb in der Folgezeit in den Ländern
die Vollzugspolizei von der Verwaltungspolizei organisatorisch getrennt.
Aus der Verwaltungspolizei wurden die Ordnungsbehörden. Heute gilt das
Trennungs- oder Ordnungsbehördensystem in allen Bundesländern, auch wenn
in vier Bundesländern die von der Vollzugspolizei institutionell getrennten Ordnungsbehörden
weiterhin die traditionelle Bezeichnung „Polizeibehörde“ tragen.
Der „materielle Polizeibegriff“ stimmt damit heute nicht mit dem formellen oder
institutionellen Polizeibegriff überein, er geht vielmehr erheblich über den institutionellen
Polizeibegriff hinaus. Materiell polizeirechtlich werden alle Gefahrenabwehrbehörden
tätig. Gefahrenabwehrbehörde sind eben nicht nur die Vollzugspolizei,
sondern – und dies vor allem – die Ordnungsbehörden: Gemeint sind
damit zahlreiche Fachbehörden, die im Rahmen ihres Geschäftsbereichs Aufgaben
der Gefahrenabwehr wahrnehmen und damit materiell polizeirechtlich tätig
werden („Sonderordnungsbehörden“). Schließlich wird auch die allgemeine
Ordnungsbehörde materiell polizeirechtlich tätig. Sie handelt, wenn die Gefahr
nicht in den Kompetenzbereich einer Sonderordnungsbehörde fällt.
Allgemeine Ordnungsbehörde ist in den Flächenstaaten die Gemeindeverwaltung
und damit der Bürgermeister. Institutionell gehört er zur Gemeindeverwaltung,
materiell nimmt er als allgemeine Ordnungsbehörde Polizeiaufgaben wahr.
Auch in Baden-Württemberg, Bremen, Sachsen und dem Saarland besteht trotz der Beibehaltung
der traditionellen Behördenbezeichnungen („Fachpolizei“, „Verwaltungspolizei“,
„Polizeivollzugsdienst“) gleichwohl das Trennungssystem zwischen Polizei und Ordnungsverwaltung.
Die Aufgaben der Fach- bzw. Verwaltungspolizei liegen in diesen Bundesländern –
wie in allen übrigen Bundesländern – bei der von der Vollzugspolizei getrennten Fachverwaltung
bzw. bei der Gemeindeverwaltung als „allgemeine Polizeibehörde“.
In Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen setzt sich die organisatorische
Trennung von Ordnungs- und Polizeiverwaltung auch bei den gesetzlichen Eingriffsermächtigungen
fort. In diesen vier Bundesländern stützen sich die Ordnungsbehörden, sofern
Spezialgesetze fehlen, auf ein allgemeines Ordnungsbehördengesetz des Landes (OBG;
LStVG). Davon getrennt gibt es für die Polizei jeweils ein eigenständiges Polizeigesetz (PolG,
PAG). Diese konsequente Trennung vermisst man in den übrigen Bundesländern: Sie haben
zwar Ordnungsbehörden und Polizeibehörden institutionell getrennt, stellen aber für beide
Behörden ein und dasselbe Eingriffsgesetz zur Verfügung, sofern Spezialgesetze nicht einschlägig
sind: ein allgemeines (gemeinsames) Ordnungsbehörden- und Polizeigesetz.
2.2.1 Sonderordnungsbehörden
Sonderordnungsbehörden sind alle Behörden, denen im Rahmen ihres speziellen
Aufgabenbereiches als „Annex“ auch die bereichsspezifischen Aufgaben
der Gefahrenabwehr zugewiesen sind. Die entsprechende Fachverwaltung kann
mehrinstanzlich gegliedert sein.
a) Bundesbehörden sind Sonderordnungsbehörden, soweit Bundesgesetze Fragen
der Gefahrenabwehr regeln und – ausnahmsweise (vgl. Art. 83 und 87 GG)
– von Bundesbehörden vollzogen werden.
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