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In Putins Russland

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»Auf jeden Fall. Hier draußen halte ich es nicht aus.«<br />

Danach habe ich Mischa nicht wieder gesehen, weiß<br />

aber, dass er es nicht geschafft hat, ins Kloster einzutreten.<br />

Die Aufnahmeprozedur zog sich endlos hin : Die<br />

Gottesdienerschaft der russischorthodoxen Kirche arbeitet<br />

nicht anders als unsere Staatsdiener, dieselbe Gleichgültigkeit<br />

gegenüber allem, was nicht unmittelbar die<br />

eigenen <strong>In</strong>teressen betrifft. Mischa wurde immer wieder<br />

bei der Verwaltung des Moskauer Patriarchen vorstellig,<br />

reichte Bescheinigungen ein, arbeitete als Kirchenwächter<br />

und hauste in einem Verschlag neben dem Gotteshaus.<br />

Allmählich begann er wieder zu trinken, tauchte<br />

mehrmals bei Lena auf, um sich Geld zu borgen. Das<br />

erste Mal gab sie ihm hundert Rubel, dann nichts mehr.<br />

Völlig richtig, sie und ihr Mann arbeiteten schließlich<br />

nicht dafür, dass Mischa nach Herzenslust saufen konnte.<br />

Natürlich, das versteht man.<br />

Mischa warf sich in der Metro vor einen Zug. Wir<br />

erfuhren davon erst viel später, rein zufällig. Was wir<br />

dann noch herausfinden konnten, war nicht viel : Mischa,<br />

einer der begabtesten Menschen, die ich je gekannt habe,<br />

wurde in einem anonymen Armengrab beigesetzt. Eine<br />

Adresse hatte er nicht, und Verwandte fragten ebenfalls<br />

nicht im Leichenschauhaus nach. Solche Toten, nach<br />

denen keiner sucht, werden bei uns verbrannt. Wo genau<br />

seine Asche beigesetzt ist, weiß keiner.<br />

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