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In Putins Russland

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er sah, dass die ehemalige Frau seines vorbildlichen Häftlings<br />

den Tränen nahe war.<br />

»Ich habe Angst«, entgegnete sie.<br />

»Das brauchen Sie nicht«, beruhigte sie der Direktor.<br />

»Er ist ein anderer geworden, viel ruhiger. Trinkt auch<br />

nicht mehr. Der bringt keinen mehr um, glaube ich.«<br />

Dann strich er sich über das Haar, nahm einen<br />

Schluck Tee, rieb energisch die Handflächen aneinander,<br />

so als gelte es, ein Feuer zu entfachen, und fuhr im<br />

Vollgefühl seiner Verantwortung für die Umerziehung<br />

der Gestrauchelten fort :<br />

»Wenn ich ehrlich bin, tut es mir ein bisschen leid,<br />

dass Mischa bald geht. Er ist der Beste … wirklich mein<br />

allerbester Häftling.«<br />

Von diesem Augenblick an waren wir darauf gefasst, dass<br />

Mischa jeden Tag wieder in Moskau auftauchen konnte.<br />

Doch er kam erst 2001, nachdem seine Reststrafe aufgehoben<br />

worden war. Einige Wochen lang trieb er sich<br />

in der Hauptstadt herum, ohne Bleibe, ohne eine Menschenseele,<br />

die sich um ihn kümmerte. Sein Deutsch<br />

hatte er vergessen, zu dem neuen Leben, das inzwischen<br />

herrschte, fand er nicht den geringsten Zugang.<br />

Ich wusste schon lange, dass Mischa wieder in Moskau<br />

war. Doch wir begegneten uns ganz zufällig, auf dem<br />

Twerskoi-Boulevard, er kam mir entgegen, und beinahe<br />

hätten wir einander nicht erkannt. Wir setzten uns auf<br />

eine Bank, redeten und redeten, drei Stunden lang. Ich<br />

fragte nach seinem Nikita, nach meinen Kindern fragte<br />

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