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In Putins Russland

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er manchmal in den Suppenküchen der Kirchen nach<br />

einem Mittagessen anstand, wobei er so tat, als sei er<br />

gläubig, und sogar lernte, sich zu bekreuzigen.<br />

Natürlich war er da schon lange nicht mehr mit seiner<br />

wortkargen Studentin zusammen, hauste wer weiß wo<br />

und wer weiß wie, sah abgerissen aus, völlig heruntergekommen,<br />

man konnte ihn für einen Penner halten.<br />

Doch kehren wir zurück in das Jahr 1992, in den Sommer<br />

des Aufbruchs zur Marktwirtschaft. Nach einer Woche,<br />

als Tanja überhaupt nicht mehr wusste, was sie den<br />

Kindern zu essen geben sollte, und ihre Schwiegermutter<br />

verlangte, sie solle Andrej verzeihen, ihn zurückholen,<br />

da kroch sie vor niemandem zu Kreuze, sondern ging<br />

auf den nahe gelegenen Markt arbeiten.<br />

Die Schwiegermutter greinte : »Was für eine Schande !<br />

Was für eine Schande !«, legte sich hin und wurde krank.<br />

Aber später fand sie sich damit ab – als ihr Tanja für das<br />

»schändliche« Geld vom Markt Medikamente kaufte. Die<br />

konnten sich weder ihr Mann, der Mathematik-Professor,<br />

noch ihre Professoren-Söhne nebst Ehefrauen leisten,<br />

weil sie allesamt keine Kopeke besaßen. Aber der Dünkel<br />

war ihnen noch nicht abhanden gekommen : Der Familienrat<br />

tagte nämlich und beschloss (mit nachdrücklicher<br />

Zustimmung der bettlägerigen Schwiegermutter, die lieber<br />

sterben als »diese Schande« ertragen wollte), dass<br />

die Erbstücke – wertvolle Möbel, seit Generationen in<br />

Familienbesitz, seltene Noten, Bilder russischer Meister<br />

des 19. Jahrhunderts – unter gar keinen Umständen<br />

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