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KLAENGE CD - SPECIAL - Jecklin & Co. AG

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Zürcher Kammerorchester<br />

Vitus – Zu gescheit<br />

für diese Welt<br />

Der neue Spielfilm von Fredi M. Murer<br />

erzählt die Geschichte von Vitus, einem<br />

beinah utopisch hochbegabten Kind.<br />

Am Schluss des Films spielt Vitus in<br />

der Tonhalle Zürich. Ein Bericht über<br />

die Dreharbeiten und ein Konzert mit<br />

dem Zürcher Kammerorchester.<br />

Es ist Donnerstagabend, der 7. Oktober<br />

2004. Der grosse Tonhallesaal ist bei-<br />

nahe bis auf den letzten Platz besetzt,<br />

Spannung liegt in der Luft. Ein normales<br />

Konzert? Nicht für jene, die genauer hinse-<br />

hen. Diskret sind an verschiedenen Orten<br />

Kameras aufgestellt, und die Filmcrew<br />

von Fredi M. Murer trifft die letzten<br />

Vorbereitungen für die Aufnahmen. Ge-<br />

dreht wird die Schlussszene für Murers<br />

neuen Film «Vitus». Die Titelfigur, Vitus,<br />

spielt das Klavierkonzert in a-Moll von<br />

Robert Schumann mit dem Zürcher Kam-<br />

merorchester. Vitus ist zwölf Jahre alt.<br />

Geschichte einer Kindheit<br />

Fredi M. Murer bezeichnet seinen Film<br />

als «Menschwerdungsgeschichte». Er<br />

beginnt bei der Geburt von Vitus und<br />

geht bis zu seinem zwölften Lebensjahr.<br />

Der Bub ist biologisch ein ganz norma-<br />

les Kind, kommt durch einen geneti-<br />

schen Defekt jedoch mit dem Wissen<br />

und Können eines gebildeten erwach-<br />

senen Menschen zur Welt. Im Alter von<br />

drei Jahren spielt Schach, Klavier und<br />

interessiert sich für Börsenkurse. Die<br />

Eltern legen dem hochbegabten Kind<br />

einen anspruchsvollen und ehrgeizigen<br />

Lebensplan zurecht, doch Vitus will<br />

eines Tages nichts mehr von diesen Wün-<br />

schen und Erwartungen wissen, er möch-<br />

te vielmehr seinem eigenen «Stern» fol-<br />

gen. So brilliert er nicht nur durch sein<br />

ausserordentliches Klavierspiel, was<br />

ja an sich immer sehr gern gesehen ist,<br />

sondern ärgert seine siebzehnjährigen<br />

Mitschüler und entwickelt sich zu einem<br />

visionären Geschäftsmann, wobei er<br />

eine schlitzohrige Beziehung zu seinem<br />

Grossvater (Bruno Ganz) unterhält. Vi-<br />

tus entwickelt sich zum Albtraum seines<br />

sozialen Umfelds.<br />

Zwischen Mozart und Simplizissimus<br />

Murer entwickelt die Idee, das Exposé<br />

und die Grundgeschichte für seine Dreh-<br />

bücher selber. Für diesen Film holte er<br />

als <strong>Co</strong>-Autor den 29-jährigen Peter Luisi<br />

(«Verflixt verliebt»), der, wie Murer meint,<br />

den heutigen Zeitgeist besser einzubrin-<br />

gen vermag. Denn um Zeitgeist geht es<br />

Murer. Er bezeichnet seinen Film auch<br />

als Parodie auf die Hochbegabtenwelle,<br />

von der heute immer mehr junge Eltern<br />

beim kleinsten Anzeichen von ausser-<br />

gewöhnlichem Verhalten seitens ihrer<br />

Sprösslinge ergriffen werden. Über Vi-<br />

tus sagt er: «Das Utopische an Vitus ist<br />

die Begebenheit, dass er, wie von einem<br />

andern Stern kommend, in die heutige<br />

Alltagswelt eindringt und sakrosank-<br />

te Normen und Massstäbe durch seine<br />

Ausserordentlichkeit auf den Kopf stellt.<br />

Eigentlich ist Vitus eine Kunstfigur – ein<br />

Mischwesen aus Kaspar Hauser, Mozart,<br />

Simplizissimus und Einstein.»<br />

Realität und Fiktion<br />

Für die Figur von Vitus suchte Murer<br />

einen Buben, der real überdurchschnitt-<br />

lich gut Klavier spielt. Ausserdem mus-<br />

ste er schauspielerisches Talent haben<br />

und die nötige Reife, die komplexe Rolle<br />

zu erfassen. Er fragte an Konservatorien<br />

und Musikschulen – und fand Teo Ghe-<br />

Howard Griffiths, Fredi M. Murer und Teo Gheorghiu<br />

orghiu, der just im August 2004 zwölf<br />

Jahre alt wurde. Als dieser am Abend des<br />

Konzerts die Bühne betritt, traut man<br />

seinen Augen kaum. Teo Gheorghiu, im<br />

Frack und sehr klein, wird innert Kürze<br />

ein Werk spielen, das Ausdauer, Kraft und<br />

ein komplexes musikalisches Verständnis<br />

erfordert. Seine Interpretation ist glas-<br />

klar, der Ton rund und voll und dies,<br />

anders kann man es sich nicht erklären,<br />

muss das Ergebnis einer ausgeprägten<br />

Vorstellungskraft und einer unglaub-<br />

lichen Musikalität sein. Klavierspielen<br />

kann er und schauspielern, wie Murer<br />

bezeugt, auch. Ausserdem liest Teo täg-<br />

lich die NZZ und den Tages-Anzeiger von<br />

der ersten bis zur letzten Seite und ist ein<br />

fanatischer Fussballer. Diesbezüglich er-<br />

innert sich Fredi M. Murer schmunzelnd<br />

an ein Erlebnis. Teo gewann den Klavier-<br />

Wettbewerb in San Marino, Italien, und<br />

war nach der Preisverleihung plötzlich<br />

spurlos verschwunden. Irgendwann<br />

fand man ihn in seinem Zimmer, wo er<br />

lieber Manchester United zujubelte, als<br />

sich selber feiern zu lassen. Obwohl man<br />

mit ihm problemlos über amerikanische<br />

Aussenpolitik diskutieren kann und er,<br />

schnell von Begriff, sich nichts zwei-<br />

mal sagen lässt, möchte Teo Gheorghiu<br />

– halb Rumäne, halb Schweizer – Pianist<br />

werden. Im Moment besucht er die<br />

Purcell-School in Bushey, England, ein<br />

Gymnasium für musikalisch Hochbegab-<br />

te. Schumanns Klavierkonzert spielte<br />

er anlässlich der Filmaufnahmen zum<br />

ersten Mal mit Orchester. Howard Grif-<br />

fiths und die Musiker des Zürcher Kam-<br />

merorchesters waren begeistert und<br />

Einzelne sagten sogar, dass sie durch<br />

das Zusammenspiel zu Höchstform auf-<br />

gelaufen seien. Das Publikum dankte es<br />

ihm mit einer Standing-Ovation. Für den<br />

jungen Pianisten ein erfolgreiches Debüt<br />

– im Jahr 2005 folgen weitere Auftritte<br />

mit dem Zürcher Kammerorchester.<br />

Charme der Authentizität<br />

Auch Fredi M. Murer ist extrem zufrie-<br />

den mit dem Resultat – ein voller Saal,<br />

frenetischer Applaus und eine befruch-<br />

tende Zusammenarbeit verschiedener<br />

Kulturzweige – besser hätte er sich den<br />

Dreh, der durch die Unwiederholbarkeit<br />

den Charme der Authentizität besitzt,<br />

nicht vorstellen können. Barbara Pfister<br />

Die vier Amateur-Solisten: R. Besio, R. Honegger, J. Blass und P. M. Ott<br />

Das Amateursolistenkonzert<br />

des Zürcher Kammerorchesters<br />

Den ersten Teil des Konzerts bestritten<br />

vier Amateursolisten der Gesellschaft der<br />

Freunde des Zürcher Kammerorchesters.<br />

Dieser traditionelle Anlass ist aus dem<br />

Jahresprogramm der ZKO-Freunde nicht<br />

mehr wegzudenken und erfreut sich gros-<br />

ser Beliebtheit. Dieses Mal wurde auf den<br />

zweiten Teil zugunsten der Filmaufnahmen<br />

verzichtet – eine neue und bereichernde<br />

Erfahrung, waren die Freunde für einmal<br />

nicht nur Solisten oder Zuschauer, son-<br />

dern auch Protagonisten in einem Film.<br />

Die Amateursolisten Remo Besio, Joachim<br />

Blass, Peter Manuel Ott und Raphael Maxi-<br />

milian Honegger spielten je einen Satz aus<br />

Mozarts Klavierkonzerten. Bemerkenswert<br />

sind die Auftritte angesichts der beruf-<br />

lichen Beschäftigung der Solisten, so ist<br />

Besio Leiter des Technoramas Winterthur,<br />

Blass pensionierter Lehrer, Ott Facharzt für<br />

Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten und der<br />

Jüngste, Raphael Honegger, angehender<br />

Physikstudent. Alle vier Solisten sorgten<br />

für berührende musikalische Momente und<br />

begeisterten das Publikum mit engagier-<br />

tem, facettenreichem Spiel. B.P.<br />

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