07/09 - Evangelische Kirchen in Erfurt

07/09 - Evangelische Kirchen in Erfurt 07/09 - Evangelische Kirchen in Erfurt

erfurt.kirche.de
von erfurt.kirche.de Mehr von diesem Publisher
07.03.2013 Aufrufe

THEMA: GEBEN FÜR KIRCHE 6 Generativität – Nachhaltigkeit – Stabilität Axel W.-O. Schmidt Zur Sinnhaftigkeit von Stiftungen für Kirchengemeinden und die Geschichte vom Goldenen Ball Erik H. Erikson hat 1950 den Begriff der Generativität eingeführt und meint damit, dass die jeweilige Generation bemüht ist, etwas zu hinterlassen, sie will Spuren legen. Der nächsten Generation, verkörpert durch die Kinder, sollen Werte, die für gut und richtig erachtet werden, mit auf den Weg gegeben werden. Nachhaltigkeit, ein Begriff der ursprünglich aus der Holzwirtschaft stammt meint, dass immer nur so viel ausgegeben werden darf, wie neu generiert wird. Also einen Baum einschlagen und einen neuen pflanzen. Erst wenn der neue Baum so groß ist wie ein vergleichbares Exemplar, darf gefällt werden. Stabilität beschreibt die Fähigkeit eines Systems, nach einer Störung wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren. Das Gegenteil der Stabilität ist die Instabilität. Stabilität ist die Fähigkeit eines Systems, sich durch möglichst niedrigen Regelungsaufwand in zeitlicher und räumlicher Hinsicht selbst zu erhalten und robust zu bleiben. Diese drei Prinzipien sollten auch für jede Kirchengemeinde gelten und Berücksichtigung finden. Ausdruck dieser Bestrebungen kann eine Gemeindestiftung sein. „Gemeinde“ ist ein dauernder Prozess stetiger Veränderungen. Die Kirchengemeinde ist ein soziales System mit aufeinander verweisenden, sinnhaften Kommunikationen. Gemeinde ist ein System, das sich in einer Umwelt immer wieder stabilisieren muss. Zu diesem System gehören drei zentrale Elemente: Religion, formale Organisation und Gemeinschaft. Vor allem der Zusammenhalt und die formale Organisation der Gemeinde kann durch eine Gemeindestiftung gestärkt werden. Die Stiftung schüttet nur einen Teil der erwirtschafte- ten Zinsen für in der Satzung bestimmte Zwecke aus, dies aber dauerhaft mit steigender Tendenz und regelmäßig über Jahrzehnte. Mustersatzungen lassen sich leicht finden. Die Verwaltung der Gelder geschieht professionell im KVA. Eine Erbschaft sollte auf jeden Fall Anlass sein, eine Stiftung zu gründen. Man kann aber auch einfach anfangen und sagen: Hier sind 500 Euro, jetzt geht es los. Schon bei einem relativ geringen Stiftungskapital kann und soll die Ausschüttung der Zinsen erfolgen, selbst wenn es nur einige Hundert Euro sind, damit die Gemeinde und die Unterstützer sehen, dass nicht nur der „input“ sondern auch ein „output“ erfolgt. Das Stiftungskapital vermehrt sich jährlich durch die Verzinsung und die Zustiftungen. Die Stiftung wird zum Selbstläufer und ist nicht mehr zu bremsen. Sie beinhaltet die Gedanken der Generativität, der Nachhaltigkeit und der Stabiliserung in der Idealform. Finanzielle Ressourcen und ethische Werte werden so weiter gegeben. Der goldene Ball, den wir heute in den Händen halten, gehört uns nicht, denn er wird weitergeworfen in die nächsten Generationen. Der goldene Ball (Börries Freiherr von Münchhausen, 1874-1945) Was auch an Liebe mir vom Vater ward, ich hab’s ihm nicht vergolten, denn ich habe als Kind noch nicht gekannt den Wert der Gabe und ward als Mann dem Manne gleich und hart. Nun wächst ein Sohn mir auf, so heiß geliebt wie keiner, dran ein Vaterherz gehangen, und ich vergelte, was ich einst empfangen, an dem, der mir’s nicht gab – noch wiedergibt. Denn wenn er Mann ist und wie Männer denkt, wird er, wie ich, die eignen Wege gehen, sehnsüchtig werde ich, doch neidlos sehen, wenn er, was mir gebührt, dem Enkel schenkt. Weithin im Saal der Zeiten sieht mein Blick dem Spiel des Lebens zu, gefaßt und heiter, den goldnen Ball wirft jeder lächelnd weiter, – und keiner gab den goldnen Ball zurück!

7 THEMA: GEBEN FÜR KIRCHE Ehrenamt – der wahre Schatz der Kirche Christine Gohles Ehrenamtlichkeit ist zurzeit in aller Munde. Alle Welt redet von der Bedeutung des Ehrenamtes – nicht nur in Deutschland. Diskutiert werden der Strukturwandel der Freiwilligenarbeit und die veränderten Motive des Helfens. Von Kirche und Diakonie, den Verbänden und Vereinen, den Kommunen und dem Staat wird das Ehrenamt wieder neu entdeckt. Nach einer jahrzehntelangen Professionalisierungsdebatte, in der Fachlichkeit und Qualifikation gefragt waren, wird die ehrenamtliche Mitarbeit wieder stärker betont. Was sind Gründe dafür? Da ist zunächst die öffentliche Armut. Dem bundesrepublikanischen Wohlstandsstaat ist das Geld ausgegangen. Plötzlich wurde vielen klar: Wir können nicht alle erwünschten Sozial- und Dienstleistungen bezahlen. Die Krise der öffentlichen Haushalte führt zu einem Rückzug staatlichen und kommunalen Handelns. Immer häufiger wird eine Ausdünnung und Qualitätsverschlechterung sozialer Leistungen in Kauf genommen. Ähnliches gilt für den Bereich der Kirche. Auch sie wird in den nächsten Jahren ihren Personalbestand an bezahlten Kräften weiter kürzen müssen. Sie steht vor der Entscheidung: Arbeit einstellen oder unbezahlt organisieren. Die Diskussion über die Zukunft des Ehrenamtes steht auch im Kontext der Krise der Arbeitsgesellschaft. Angesichts der Tatsache, dass uns im Bereich der Produktion die bezahlte Arbeit auszugehen scheint, kommt die Frage eines unbezahlten bürgerlichen Engagements neu in die Diskussion. Unser Problem ist nicht, dass wir keine Arbeit mehr haben. Unser Problem ist vielmehr, dass wir die notwendige Arbeit für Alte, Kranke und Schwache nicht bezahlen können oder wollen. Deshalb die Forderung nach Bürgerarbeit. Das Modell der Bürgerarbeit, wie es z. B. der Soziologe Ulrich Beck auch beim Kirchentag in Stuttgart vorgestellt hat, geht davon aus, dass die Menschen in Zukunft neben ihrer Teilerwerbstätigkeit unentgeltlich für die Allgemeinheit tätig sein werden. Mit der Bürgerarbeit, so behaupten die Vertreter dieses Konzepts, entsteht neben der Erwerbsarbeit „eine alternative Aktivitäts- und Identitätsquelle, die ... nicht nur Befriedigung verschafft, sondern auch Zusammenhalt in der individualisierten Gesellschaft ... stiftet.“ (Ulrich Beck). Ein weiterer Grund für die Neubewertung des Ehrenamtes ist das wachsende Misstrauen gegen das Expertentum. Die Professionalisierung und Spezialisierung des kulturellen und sozialen Sektors der letzten Jahrzehnte hat zwar die Fachlichkeit gefördert, gelegentlich allerdings die Menschlichkeit vernachlässigt. Untersuchungen zeigen, dass die Hilfen, die engagierte „nichtberufliche“ Personen ihren Mitmenschen zuteil werden lassen, von hoher Wirksamkeit sind. Oft stehen sie den Hilfsangeboten von professioneller Seite nicht nach. Das belegen zahlreiche ehrenamtliche Projekte wie z. B. die Telefonseelsorge, die Hospizarbeit oder die Grünen Damen/ Herren in der Krankenhaushilfe. Hier gleichen häufig Anteilnahme und Engagement fehlendes berufliches Fachwissen aus. Um nicht missverstanden zu werden: Feste Berufsrollen sind heute unverzichtbar für den Auftrag von Kirche und Diakonie. Professionalität und dauerhaftes Engagement sind nötiger denn je. Die komplexe und differenzierte Welt verlangt danach. Aber zur Professionalität gehören in der Kirche die „freie Begabung“ und die „par-

THEMA: GEBEN FÜR KIRCHE 6<br />

Generativität –<br />

Nachhaltigkeit – Stabilität<br />

Axel W.-O. Schmidt<br />

Zur S<strong>in</strong>nhaftigkeit von Stiftungen für <strong>Kirchen</strong>geme<strong>in</strong>den<br />

und die Geschichte vom Goldenen<br />

Ball<br />

Erik H. Erikson hat 1950 den Begriff der Generativität<br />

e<strong>in</strong>geführt und me<strong>in</strong>t damit, dass<br />

die jeweilige Generation bemüht ist, etwas zu<br />

h<strong>in</strong>terlassen, sie will Spuren legen. Der nächsten<br />

Generation, verkörpert durch die K<strong>in</strong>der,<br />

sollen Werte, die für gut und richtig erachtet<br />

werden, mit auf den Weg gegeben werden.<br />

Nachhaltigkeit, e<strong>in</strong> Begriff der ursprünglich<br />

aus der Holzwirtschaft stammt me<strong>in</strong>t, dass<br />

immer nur so viel ausgegeben werden darf,<br />

wie neu generiert wird. Also e<strong>in</strong>en Baum e<strong>in</strong>schlagen<br />

und e<strong>in</strong>en neuen pflanzen. Erst wenn<br />

der neue Baum so groß ist wie e<strong>in</strong> vergleichbares<br />

Exemplar, darf gefällt werden. Stabilität<br />

beschreibt die Fähigkeit e<strong>in</strong>es Systems,<br />

nach e<strong>in</strong>er Störung wieder <strong>in</strong> den Ausgangszustand<br />

zurückzukehren. Das Gegenteil der<br />

Stabilität ist die Instabilität. Stabilität ist die<br />

Fähigkeit e<strong>in</strong>es Systems, sich durch möglichst<br />

niedrigen Regelungsaufwand <strong>in</strong> zeitlicher und<br />

räumlicher H<strong>in</strong>sicht selbst zu erhalten und<br />

robust zu bleiben.<br />

Diese drei Pr<strong>in</strong>zipien sollten auch für jede<br />

<strong>Kirchen</strong>geme<strong>in</strong>de gelten und Berücksichtigung<br />

f<strong>in</strong>den. Ausdruck dieser Bestrebungen kann<br />

e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>destiftung se<strong>in</strong>. „Geme<strong>in</strong>de“ ist<br />

e<strong>in</strong> dauernder Prozess stetiger Veränderungen.<br />

Die <strong>Kirchen</strong>geme<strong>in</strong>de ist e<strong>in</strong> soziales System<br />

mit aufe<strong>in</strong>ander verweisenden, s<strong>in</strong>nhaften<br />

Kommunikationen. Geme<strong>in</strong>de ist e<strong>in</strong> System,<br />

das sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Umwelt immer wieder stabilisieren<br />

muss. Zu diesem System gehören drei<br />

zentrale Elemente: Religion, formale Organisation<br />

und Geme<strong>in</strong>schaft.<br />

Vor allem der Zusammenhalt und die formale<br />

Organisation der Geme<strong>in</strong>de kann durch e<strong>in</strong>e<br />

Geme<strong>in</strong>destiftung gestärkt werden. Die Stiftung<br />

schüttet nur e<strong>in</strong>en Teil der erwirtschafte-<br />

ten Z<strong>in</strong>sen für <strong>in</strong> der Satzung bestimmte Zwecke<br />

aus, dies aber dauerhaft mit steigender<br />

Tendenz und regelmäßig über Jahrzehnte.<br />

Mustersatzungen lassen sich leicht f<strong>in</strong>den. Die<br />

Verwaltung der Gelder geschieht professionell<br />

im KVA. E<strong>in</strong>e Erbschaft sollte auf jeden Fall<br />

Anlass se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Stiftung zu gründen. Man<br />

kann aber auch e<strong>in</strong>fach anfangen und sagen:<br />

Hier s<strong>in</strong>d 500 Euro, jetzt geht es los. Schon<br />

bei e<strong>in</strong>em relativ ger<strong>in</strong>gen Stiftungskapital<br />

kann und soll die Ausschüttung der Z<strong>in</strong>sen erfolgen,<br />

selbst wenn es nur e<strong>in</strong>ige Hundert Euro<br />

s<strong>in</strong>d, damit die Geme<strong>in</strong>de und die Unterstützer<br />

sehen, dass nicht nur der „<strong>in</strong>put“ sondern<br />

auch e<strong>in</strong> „output“ erfolgt. Das Stiftungskapital<br />

vermehrt sich jährlich durch die Verz<strong>in</strong>sung<br />

und die Zustiftungen. Die Stiftung wird zum<br />

Selbstläufer und ist nicht mehr zu bremsen.<br />

Sie be<strong>in</strong>haltet die Gedanken der Generativität,<br />

der Nachhaltigkeit und der Stabiliserung<br />

<strong>in</strong> der Idealform. F<strong>in</strong>anzielle Ressourcen und<br />

ethische Werte werden so weiter gegeben. Der<br />

goldene Ball, den wir heute <strong>in</strong> den Händen<br />

halten, gehört uns nicht, denn er wird weitergeworfen<br />

<strong>in</strong> die nächsten Generationen.<br />

Der goldene Ball<br />

(Börries Freiherr von Münchhausen, 1874-1945)<br />

Was auch an Liebe mir vom Vater ward,<br />

ich hab’s ihm nicht vergolten, denn ich habe<br />

als K<strong>in</strong>d noch nicht gekannt den Wert der Gabe<br />

und ward als Mann dem Manne gleich und hart.<br />

Nun wächst e<strong>in</strong> Sohn mir auf, so heiß geliebt<br />

wie ke<strong>in</strong>er, dran e<strong>in</strong> Vaterherz gehangen,<br />

und ich vergelte, was ich e<strong>in</strong>st empfangen,<br />

an dem, der mir’s nicht gab – noch wiedergibt.<br />

Denn wenn er Mann ist und wie Männer denkt,<br />

wird er, wie ich, die eignen Wege gehen,<br />

sehnsüchtig werde ich, doch neidlos sehen,<br />

wenn er, was mir gebührt, dem Enkel schenkt.<br />

Weith<strong>in</strong> im Saal der Zeiten sieht me<strong>in</strong> Blick<br />

dem Spiel des Lebens zu, gefaßt und heiter,<br />

den goldnen Ball wirft jeder lächelnd weiter,<br />

– und ke<strong>in</strong>er gab den goldnen Ball zurück!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!