Anja Christine Wagner | UEBERflow

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07.03.2013 Aufrufe

© a c w Ko mp e t e n t e s L e r n e n i n d e r N e t zw e r k g e s e l l sc h a f t 86 und vergehen - die Kontrolle über die Beziehung zwischen Person und CoP setzt aber die Person. Es sei denn, man entwickelt Zwangssysteme, die Personen in eine CoP drängen. Lässt die Person aber keine Bindung zu, entwickelt sich die Identität außerhalb der Zwangs-CoP, denn im Zeitalter des space of flows entstehen weltweit eine Vielzahl freiwilliger Communities und Netzwerke, an die Personen andocken können, wenn ihnen der Zugang zum Internet möglich ist. In diesen fragmentierten Lernsystemen bewegen sich die Personen, weil die Botschaft dort wieder zur Botschaft geworden ist (Castells 2009a, 418). Das Medium tritt in den Hintergrund und Personen mit Internetzugang sind nunmehr die aktiv Interagierenden. Für das Individuum stellt sich dabei seine Erfahrung als zusammenhängend dar. Gleichgültig, in wie vielen CoPs und NoPs sich die Person bewegt, die persönliche Geschichte ist eine kohärente, unabhängig von den Lebenszyklen der einzelnen Praxisbezüge. Eine integrale Identität entsteht, die selbst ihren Zugang zu den verschiedenen Bezügen bestimmt und somit keine Community mehr als identitätsstiftendes Moment der Geschichte auftreten lässt. Sinn ergibt sich in einer durch IKT vernetzten Gesellschaft nur durch Abgrenzung des Selbst vom Netz, vom Unterlaufen der von außen gesetzten Zwänge und dem Versuch einer narrativ kontrollierten, digitalen Identität. Sinn stiftend für die persönliche Identität sind demnach die kulturellen Praxen der verschiedenen Bezüge im Zusammenspiel - eine Community alleine vermag im vernetzten Zeitalter keine Deutungshoheit über ihre Mitglieder übernehmen. Wie entsteht die kulturelle Praxis mehrerer Bezüge in CoPs und NoPs? Indem alle Beteiligten die Codes der kulturellen Hegemonie selbst mitbestimmen durch ihre Mitarbeit - im IKT-Flow. Macht innerhalb eines Bezuges kann insofern nur aus dem Inneren heraus von den aktiven Individuen ausgeübt werden. Und hier könnten ggf. (Instructional) Designer ansetzen: Sie können sich als Lernbegleiter/innen in entstehende oder bestehende Praxisbezüge aktiv einbringen, sich als Netzwerkknoten mit anderen verbinden. Nicht i.S. eines Raumgestalters, als vielmehr als Mitfließende im space of flows, die v.a. an den Grenzen dieser Bezugssysteme verschiedene Communities thematisch miteinander verbinden helfen könnten, um den Fokus der beteiligten Menschen zu erweitern und die zeitlichen Störungen der timeless time partiell aufzufangen. Was also derzeit geschieht, ist ein Phänomen, dass zunehmend ehemals lokale Kommunikationsformen (wie Konversation, Teilen, Community) die globalen Kommunikationsformen des massenmedialen Zeitalters (Broadcasting, Zentralisierung, proprietäre Angebote, Kommerz) aufgrund ihrer Kompatibilität mit vernetzten Medienformen ersetzen (Downes 2007). Und im Bildungsprozess lassen sich zwei Ebenen an Veränderungen erkennen: Zum einen mutieren Lernräume von Klassenräumen zu komplexen Lernökologien und zum anderen wandeln sich die Lernstrukturen von hierarchischem Content zu vernetztem Lernen. Während in der

© a c w Ko mp e t e n t e s L e rn e n in d e r N e t zw e r k g e s e l l sc h a f t 87 Logik kapitalistisch agierender Bildungsinstitutionen die klassischen Lernräume und -zeiten sich zunächst in das Netz ausdehnen, resultiert die daraufhin einsetzende „Zeit- Raum-Kompression“ in einer Beschleunigung der Halbwertzeit des Wissens und führt in ihrer vernetzten Ausdehnung zu neuen, individualisierten Verarbeitungsformen dieser pulsierenden, sich kontinuierlich aktualisierenden Wissensbestände. Insofern stellen PLEs als individuell gestaltbare, digitale Arbeits- und Lernumgebungen eine logische Transformation eines generisch sich entwickelnden Prozesses der Anpassung der Bildungseinrichtungen an global sich vernetzende Wissensstrukturen dar. PLEs konfigurieren den neu entstandenen Raum mit einer asynchron wirkenden, synchron empfundenen Zeitstruktur - und formalisieren auf eine spezifische, chaotische, flexible Art die informellen Arbeits- und Lernprozesse. In dessen Konsequenz entwickelt sich die Externalisierung des internen Wissens zu einem menschlichen Bedürfnis, da es Teil des individuellen, vernetzten Lernprozesses ist und in das Netzwerk eingeschleust werden muss. „The pipe is more important than the content within the pipe.“ (Siemens 2004) So lautet die Botschaft der Botschaft. Und diese „pipe“ wird heute primär medial abgebildet. Nicht als kohärentes System, das von einer Organisation bereitgestellt wird, sondern als sich stetig veränderndes Online-Netz mit vielfältigen Informations- und Kommunikationskanälen. Die „hyperconnected“ (Aducci und Al 2008) Welt der globalen Information Worker bewegt und bildet sich in genau solch einem medialen Gefüge. Doch nicht voraussetzungslos. Stephen Downes listet auf, welcher individuellen Voraussetzungen es bedarf, um den Anforderungen zur aktiven Teilhabe im Sinne des Konnektivismus gerecht werden zu können (Downes 2006): • Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, welche Inhalte zum aktuellen Zeitpunkt die richtigen sind, denn aktuelles Wissen ist das Ziel der konnektivistischen Lernaktivitäten; • Aufbau und Pflege von vielfältigen, individuell relevanten Verbindungen, um darauf just-in-time/case zugreifen zu können; • Lernwille ist wichtiger als vorhandenes Wissen, um sich stetig weiterzubilden; • Akzeptanz verschiedener Meinungen als Fundus des eigenen Lernens; • Konnektivistischer Pragmatismus: Netzwerken beizutreten und mitzuwirken. Wie könnten nun die „passiven Onliner“ und die „Barebones“ (Aducci und Al 2008, 3) herangeführt werden? Welche konkreten individuellen Kompetenzen sind erforderlich und sollten bildungspolitisch gestützt werden, um diese Voraussetzungen schaffen zu können? Bedürfen Menschen eines geschützten Raumes, um sich nicht gleich im Lichte der Öffentlichkeit zu erproben? Sind CoPs als geeignete Lernräume und Übergangslösung bzw. erste Andockstation für konnektivistische Aktivitäten geeignet?

© a c w Ko mp e t e n t e s L e rn e n in d e r N e t zw e r k g e s e l l sc h a f t 87<br />

Logik kapitalistisch agierender Bildungsinstitutionen die klassischen Lernräume und<br />

-zeiten sich zunächst in das Netz ausdehnen, resultiert die daraufhin einsetzende „Zeit-<br />

Raum-Kompression“ in einer Beschleunigung der Halbwertzeit des Wissens und führt<br />

in ihrer vernetzten Ausdehnung zu neuen, individualisierten Verarbeitungsformen<br />

dieser pulsierenden, sich kontinuierlich aktualisierenden Wissensbestände. Insofern<br />

stellen PLEs als individuell gestaltbare, digitale Arbeits- und Lernumgebungen eine<br />

logische Transformation eines generisch sich entwickelnden Prozesses der Anpassung<br />

der Bildungseinrichtungen an global sich vernetzende Wissensstrukturen dar.<br />

PLEs konfigurieren den neu entstandenen Raum mit einer asynchron wirkenden,<br />

synchron empfundenen Zeitstruktur - und formalisieren auf eine spezifische,<br />

chaotische, flexible Art die informellen Arbeits- und Lernprozesse. In dessen<br />

Konsequenz entwickelt sich die Externalisierung des internen Wissens zu einem<br />

menschlichen Bedürfnis, da es Teil des individuellen, vernetzten Lernprozesses ist und<br />

in das Netzwerk eingeschleust werden muss.<br />

„The pipe is more important than the content within the pipe.“<br />

(Siemens 2004)<br />

So lautet die Botschaft der Botschaft. Und diese „pipe“ wird heute primär medial<br />

abgebildet. Nicht als kohärentes System, das von einer Organisation bereitgestellt<br />

wird, sondern als sich stetig veränderndes Online-Netz mit vielfältigen Informations-<br />

und Kommunikationskanälen. Die „hyperconnected“ (Aducci und Al 2008) Welt der<br />

globalen Information Worker bewegt und bildet sich in genau solch einem medialen<br />

Gefüge. Doch nicht voraussetzungslos. Stephen Downes listet auf, welcher<br />

individuellen Voraussetzungen es bedarf, um den Anforderungen zur aktiven Teilhabe<br />

im Sinne des Konnektivismus gerecht werden zu können (Downes 2006):<br />

• Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, welche Inhalte zum aktuellen Zeitpunkt die<br />

richtigen sind, denn aktuelles Wissen ist das Ziel der konnektivistischen<br />

Lernaktivitäten;<br />

• Aufbau und Pflege von vielfältigen, individuell relevanten Verbindungen, um darauf<br />

just-in-time/case zugreifen zu können;<br />

• Lernwille ist wichtiger als vorhandenes Wissen, um sich stetig weiterzubilden;<br />

• Akzeptanz verschiedener Meinungen als Fundus des eigenen Lernens;<br />

• Konnektivistischer Pragmatismus: Netzwerken beizutreten und mitzuwirken.<br />

Wie könnten nun die „passiven Onliner“ und die „Barebones“ (Aducci und Al 2008, 3)<br />

herangeführt werden? Welche konkreten individuellen Kompetenzen sind erforderlich<br />

und sollten bildungspolitisch gestützt werden, um diese Voraussetzungen schaffen zu<br />

können? Bedürfen Menschen eines geschützten Raumes, um sich nicht gleich im<br />

Lichte der Öffentlichkeit zu erproben? Sind CoPs als geeignete Lernräume und<br />

Übergangslösung bzw. erste Andockstation für konnektivistische Aktivitäten geeignet?

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