Anja Christine Wagner | UEBERflow

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07.03.2013 Aufrufe

© a c w Ko mp e t e n t e s L e r n e n i n d e r N e t zw e r k g e s e l l sc h a f t 84 langsam in den Fokus der Forschungen - der Networks of Practice (NoP)-Ansatz erlangte erst im Zeitalter der neuen informellen Medien breitere Aufmerksamkeit (vgl. z.B. Terry Anderson 2009). Mit der zunehmenden Komplexität von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen in der Netzwerkgesellschaft und der daraus resultierenden Spezialisierung bei gleichzeitiger Notwendigkeit, kollaborativ zu arbeiten und Wissen zu teilen, hat sich das CoP-Konzept v.a. in Business-Kreisen zu einem viel diskutierten Ansatz des modernen Wissensmanagements entwickelt (Archer 2006, 21f.). Der CoP-Ansatz wird gerne genutzt, um (möglichst erfolgreiche) Communities aufzubauen und eine lebendige Kultur von außen zu entwickeln. Nicht als emergente Entwicklung, sondern als gestaltete Gemeinschaft. Auch Etienne Wenger verfolgt diesen Weg, indem er Wege zum Aufbau einer CoP und Strategien zur Navigation durch CoPs aufzeigt - aus Sicht sogenannter Stewards (Wenger 2008). In der Netzwerkgesellschaft fungieren CoPs in ihrer Gesamtkonfiguration als Netzwerkknoten für das große, weltumspannende Sozialsystem. Die internen Prozesse einer CoP verbinden Individuen in dem konkreten Netzwerk, nicht aber zwangsläufig die Individuen mit der Welt. Der auf Wenger zurückzuführende CoP-Ansatz kann im Sinne der klassischen Netzwerkforschung zur Analyse des sozialen Zusammenhalts und der Rahmenbedingungen für soziales Lernens genutzt werden. Das Analyseziel fokussiert dabei v.a. auf die Lernprozesse der Community. Individuen dienen mit ihrem Wissensbestand als funktionale Zuträger von sozio-ökonomisch oder soziokulturell erforderlichem Knowhow. Die individuellen Lernprozesse zielen insofern auf die Optimierung des Wissensstandes für die Community. Demgegenüber ist Siemens' Connectivism-Ansatz eher mit Castells' Meta-Analyse der Netzwerkgesellschaft vergleichbar, indem Individuen, CoPs und auch mediale Artefakte als Netzwerkknoten betrachtet werden. Aber nicht nur die Netzwerkforschung ist hier im Blick, sondern der Ansatz beinhaltet auch Elemente der Chaos-Theorie, der Vielschichtigkeit und der Selbstorganisation (Siemens 2008a). Dies ermöglicht eine Einordnung des individuellen Lernens in einen ungeordneten, nicht planbaren, holistischen Prozess des sozialen Lernens. In dieser Perspektive rücken die Lernprozesse des Individuums stärker in den Vordergrund - über individuelle NoPs können zudem Informationen zwischen CoPs ausgetauscht werden. Hier kommt die von Friedman oben angeführte „Globalisierung 3.0“ voll zum Zuge, während der CoP-Ansatz eher der „Globalisierung 2.0“ als Versuch einer unternehmerischen Vernetzung gleichkommt. Während CoPs also kollektives Lernen in Communities forcieren helfen, analysiert der Konnektivismus das kollaborative Lernen in Netzwerken. Lernen als Netzwerkaktivität zu betrachten, ist kein neuer Ansatz. Wie in Kap. 2.2.3 angeführt, vertrat Ivan Illich bereits 1972 die These:

© a c w Ko mp e t e n t e s L e rn e n in d e r N e t zw e r k g e s e l l sc h a f t 85 „Unsere derzeitigen Bildungseinrichtungen dienen den Zielen des Lehrers. Wir brauchen aber Beziehungsstrukturen, die es jedermann ermöglichen, sich selbst dadurch zu entwickeln, daß er lernt und zum Lernen anderer beiträgt.“ (Illich 2003, 104) Und die Geschichte des Internets ist eine des vernetzten Lernens, da wichtigste Triebkraft der Entstehung und Entwicklung des Internets die Hyper-Struktur ist (Scholz 2007). Insofern sind die Diskussionen rund um frei zugängliche, offen verfügbare und urheberrechtlich adaptierbare Inhalte und Systeme eine logische Folgerung des sozio-technologischen Wandels seit der Einführung des Internets. Gegen die sozio-technologisch bedingten Eigendynamiken kann man sich nicht individuell wehren oder sie ignorieren. Vielmehr kann der Kommunikationscode dieser Prozesse nur von innen heraus verstanden und mitgestaltet werden (Castells 2001a). „Perhaps the necessary analytical step to understanding the new forms of social interaction in the age of the Internet is to build on a redefinition of community, de-emphasizing its cultural component, emphazing its supportive role to individuals and families, and de-linking its social existence from a single kind of material support.“ (ebd., 127) Insofern machen proprietäre oder gestaltete Umgebungen auch wenig Sinn. Die Menschen gestalten sich bereits ihre eigenen Personal Learning Environments (PLE), die ihnen zunächst als technologische Schnittstelle zum Netzwerk, zu NoPs und zu CoPs entgegen treten. Während der CoP-Ansatz ein modifiziertes Instructional-Design ermöglichen will und die optimale Gestaltung der Lernumgebung im Blick hat, erfordert das PLE im Kontext eines konnektivistischen Ansatzes persönliche Kompetenzen, um die subjektiven Voraussetzungen mitbringen zu können. Der virtuelle Ort, der bei gestalteten CoPs vorgegeben ist, ist flüchtiger bei individuell gestalteten Zugängen. Im „Raum der Ströme" sind aber Orte eine Zugangsvoraussetzung, um in den Informations- und Kommunikationsfluss springen zu können. Insofern können CoPs aufgrund ihrer räumlichen Nähe zur realen Welt ein gutes Sprungbrett für Individuen darstellen, einen ersten, und sei es auch indirekten, Netzwerkknoten aufzubauen und anzudocken in der Netzwerkgesellschaft. Als Konsequenz verschiedene CoPs zu konzipieren, um die Lernprozesse zu steuern, ist allerdings zu kurz gegriffen. Interpretiert man CoPs nämlich aus Sicht Castells, so besteht wenig Hoffnung für von außen gestaltete Communities, die vernetzten Menschen zu erreichen. Um diesen Standpunkt zu verstehen, ist ein Perspektiv-Wechsel notwendig: Nicht aus Blick des Designers auf das Tableau zu schauen, sondern aus Sicht der vernetzten Individuen. Dann sind CoPs lediglich äußere Formen der Kultur realer Virtualität, die entstehen

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langsam in den Fokus der Forschungen - der Networks of Practice (NoP)-Ansatz<br />

erlangte erst im Zeitalter der neuen informellen Medien breitere Aufmerksamkeit (vgl.<br />

z.B. Terry Anderson 2009).<br />

Mit der zunehmenden Komplexität von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen in<br />

der Netzwerkgesellschaft und der daraus resultierenden Spezialisierung bei<br />

gleichzeitiger Notwendigkeit, kollaborativ zu arbeiten und Wissen zu teilen, hat sich<br />

das CoP-Konzept v.a. in Business-Kreisen zu einem viel diskutierten Ansatz des<br />

modernen Wissensmanagements entwickelt (Archer 2006, 21f.). Der CoP-Ansatz wird<br />

gerne genutzt, um (möglichst erfolgreiche) Communities aufzubauen und eine<br />

lebendige Kultur von außen zu entwickeln. Nicht als emergente Entwicklung, sondern<br />

als gestaltete Gemeinschaft. Auch Etienne Wenger verfolgt diesen Weg, indem er Wege<br />

zum Aufbau einer CoP und Strategien zur Navigation durch CoPs aufzeigt - aus Sicht<br />

sogenannter Stewards (Wenger 2008).<br />

In der Netzwerkgesellschaft fungieren CoPs in ihrer Gesamtkonfiguration als<br />

Netzwerkknoten für das große, weltumspannende Sozialsystem. Die internen Prozesse<br />

einer CoP verbinden Individuen in dem konkreten Netzwerk, nicht aber zwangsläufig<br />

die Individuen mit der Welt. Der auf Wenger zurückzuführende CoP-Ansatz kann im<br />

Sinne der klassischen Netzwerkforschung zur Analyse des sozialen Zusammenhalts<br />

und der Rahmenbedingungen für soziales Lernens genutzt werden. Das Analyseziel<br />

fokussiert dabei v.a. auf die Lernprozesse der Community. Individuen dienen mit<br />

ihrem Wissensbestand als funktionale Zuträger von sozio-ökonomisch oder soziokulturell<br />

erforderlichem Knowhow. Die individuellen Lernprozesse zielen insofern auf<br />

die Optimierung des Wissensstandes für die Community.<br />

Demgegenüber ist Siemens' Connectivism-Ansatz eher mit Castells' Meta-Analyse der<br />

Netzwerkgesellschaft vergleichbar, indem Individuen, CoPs und auch mediale<br />

Artefakte als Netzwerkknoten betrachtet werden. Aber nicht nur die<br />

Netzwerkforschung ist hier im Blick, sondern der Ansatz beinhaltet auch Elemente der<br />

Chaos-Theorie, der Vielschichtigkeit und der Selbstorganisation (Siemens 2008a).<br />

Dies ermöglicht eine Einordnung des individuellen Lernens in einen ungeordneten,<br />

nicht planbaren, holistischen Prozess des sozialen Lernens. In dieser Perspektive<br />

rücken die Lernprozesse des Individuums stärker in den Vordergrund - über<br />

individuelle NoPs können zudem Informationen zwischen CoPs ausgetauscht werden.<br />

Hier kommt die von Friedman oben angeführte „Globalisierung 3.0“ voll zum Zuge,<br />

während der CoP-Ansatz eher der „Globalisierung 2.0“ als Versuch einer<br />

unternehmerischen Vernetzung gleichkommt. Während CoPs also kollektives Lernen<br />

in Communities forcieren helfen, analysiert der Konnektivismus das kollaborative<br />

Lernen in Netzwerken.<br />

Lernen als Netzwerkaktivität zu betrachten, ist kein neuer Ansatz. Wie in Kap. 2.2.3<br />

angeführt, vertrat Ivan Illich bereits 1972 die These:

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