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Anja Christine Wagner | UEBERflow

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© a c w Ko mp e t e n t e s L e rn e n in d e r N e t zw e r k g e s e l l sc h a f t 53<br />

umfassende wie normative Bandbreite aufweisen soll (Löw 2006, 20). In der<br />

anschließenden Universitätsausbildung aber sah Humboldt auf methodischer Ebene<br />

die Studierenden nicht länger als Lernende, sondern als Forschende, die von<br />

Professoren geleitet und unterstützt wurden. Über Forschung gelangen in dieser<br />

Sichtweise die „Lernenden“ zur Selbstbildung durch Wissenschaft (Hörster 2007, 49).<br />

Die Konzentration der Erziehungsdebatte auf die Bildung der Lernenden ist in der<br />

deutschen Ideengeschichte nicht unumstritten. Bereits die aufklärerischen<br />

Philanthropen bemühten sich, Bildung und Ausbildung miteinander zu vereinen:<br />

„Die Menschlichkeit des Menschen soll durch eine<br />

produktionsorientierte Berufs- und Standesbildung hervorgebracht<br />

werden.“ (Lütgert 2002c)<br />

Indem sie den Bildungsbegriff auf seine gesellschaftliche Brauchbarkeit reduzieren,<br />

finden aktuelle Vertreter/innen einer instrumentellen Sicht auf die Bildung eine<br />

Vielzahl an Anknüpfungspunkten. Dieser Diskurs, wem die (Aus-)Bildung denn primär<br />

nützen solle -dem Individuum oder der Gesellschaft- wendet sich zunächst gegen Ende<br />

des 19. Jahrhunderts im Zuge der industrialisierten Gesellschaft zugunsten der<br />

„ökonomischen, technischen und industriellen Brauchbarkeit des Erlernten“ (Löw<br />

2006, 21). Gegen Ende des 20. Jahrhunderts münden diese Diskussionen im EU-<br />

Kontext im so genannten Bologna-Prozess und der Dominanz formaler,<br />

wirtschaftsorientierter Bildungsangebote in der bildungspolitischen Ausrichtung.<br />

Inhaltlich verschiebt sich die Diskussion des curricularen Grundstocks der Ausbildung<br />

auf das Wissen- und Können-Lernen. Doch es gilt zu bedenken:<br />

„Wissen ist höchstens eine Komponente von Bildung. Wissen ohne<br />

Reflexionskompetenz und Verantwortungsbewusstsein, das reine Abrufen<br />

von Daten und Fakten, führt nicht zur Mündigkeit im Sinne einer auf<br />

Bildung beruhenden individuellen Handlungskompetenz, sondern, wie<br />

Adorno (1903-1969) formulierte, allenfalls zu einer Halbbildung.“<br />

(Michael Schmidt 2005, 9)<br />

Um dieser einseitigen Fokussierung entgegen zu wirken, entstanden bereits Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts erste reformpädagogische Ansätze, die Pädagogik sowohl in der<br />

Theorie als auch in der Praxis aus Sicht des Menschen (ursprünglich aus Sicht des<br />

Kindes) dachten. Eine kulturkritische Haltung an der Institutionalisierung und<br />

Formalisierung schulischen Lernens zeichnete diese Ansätze aus, die sich darin einig<br />

waren, die Individualität des Kindes resp. des Menschen verkümmere im bestehenden<br />

Bildungssystem (vgl. dazu Baumgart 2007, 121ff.). Illich schloss sich ein halbes<br />

Jahrhundert später dieser Kritik an und zeigte auf, welche hierarchischen,<br />

bürokratischen, ungerechten, kapitalistischen und systembewahrenden Potentiale dem<br />

klassischen Schulsystem inhärent sind und nichts mit dem aufklärerischen<br />

Bildungsideal gemein hätten. Eine radikale Trennung von Staat und Erziehung

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