Anja Christine Wagner | UEBERflow

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© a c w Bi ld u n g s p o l it i s c h e r R a h me n f ü r d i e RT D - E rg e b n i s s e 288 Multi-Stakeholder-Ansatzes wenig geändert (Khan 2007). So ist es Castells' Überzeugung, dass die Staaten lediglich nach modernen Regulierungsmöglichkeiten des Internets fahnden (Castells 2009a, 115). Gleichwohl stellt der WSIS-Prozess einen Erfahrungshorizont bereit, aus dem sich einige Lehrstücke ziehen lassen für die Organisation einer globalen Zivilgesellschaft: • In einem langwierigen bottom-up-Prozess gelang es der globalen Zivilgesellschaft, sich über eine komplexe institutionelle Struktur zu organisieren und eine zivilgesellschaftliche Deklaration zu verabschieden (Dany 2008, 57). • Die Dominanz organisierter, westlicher, zumeist europäischer NGOs desintegriert die vielen einzelnen zivilgesellschaftlichen Aktiven und Unterprivilegierten - es gilt, den vielen Einzelnen der Zivilgesellschaft ein Forum zu bieten und die traditionellen institutionellen Strukturen zu transformieren (ebd., 60f.). • Ernüchtert stellten BeobachterInnen des WSIS-Prozesses fest, dass über diesen Weg das Ziel einer inklusiven Informationsgesellschaft nicht erreicht werden kann. Einen fluiden Netzwerk-Ansatz auf Governance-Ebene zu konstituieren, der Menschen vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Interessen repräsentiert, könnte eine Lehre sein, die sich aus dem schwierigen WSIS-Prozess für die Etablierung eines Multi-Stakeholder-Ansatzes der Global Governance ziehen lässt (Hintz 2007, 11ff.). • Auch dürfte die Zeit gekommen sein für informelle soziale Bewegungen und „organisierte Netzwerke“, die Möglichkeiten der Online-Vernetzung zu nutzen und formale, zentralisierte Methoden mit der informellen Rückbindung zu verbinden. Erst über derart skalierbare, neue, institutionalisierte Formen liesse sich eventuell die Vielzahl an Wünschen, Bedürfnissen und Interessen, die sich über vielfältige sozio-technologische Beziehungen artikulieren, organisieren und zu einer informationellen Demokratie führen (Rossiter 2006, 100f.). 5.1.6 ZWISCHENFAZIT: BILDUNGSPOLITIK IN DER NETZWERKGESELLSCHAFT Der wachsende Einfluss internationaler Organisationen (IO) auf die nationale Bildungspolitik ist gross und spiegelt sich im modernen Governance-Analyseansatz wider. Kollektives Handeln verschiedener staatlicher wie nicht-staatlicher Akteure organisiert sich bei der Global Governance in einem komplexen Mehrebenensystem der internationalen Politik, die auch innerstaatliche Akteure und Institutionen einbezieht. Ähnlich verhält es sich mit der Educational Governance, die Potenziale und Grenzen bewusst gestalteter Handlungskoordinationen verschiedener Akteure analysiert und über diesen Weg nationale Unterschiede eines global harmonisierten Bildungsverständnisses aufzuzeigen vermag. Diese Harmonisierungstendenzen

© a c w Bi ld u n g s p o l it i s c h e r R a h m e n fü r d i e RT D - E rg e b n i s s e 289 begründen sich durch den Bedeutungszuwachs und die Eigendynamik verschiedener IOs, die -ursprünglich von staatlichen Akteuren instrumentell eingesetzt, um nationale Widerstände zu umgehen- zunehmend eine world polity betreiben. Deren Macht speist sich primär aus einem globalen Agenda-Setting, das in einem window of opportunity im Zusammenspiel mit realen Problemen standardisierte Lösungsvorschläge anbietet und die Durchsetzung mittels breit legitimierter Instrumente ermöglicht. Indem policy, politics und polity gleichermaßen beeinflusst werden können seitens einflussreicher IOs, formen sie vordergründig nationalstaatliche Politik mit. Je nach nationalem Weltbild gelingt die Implementierung vorgeschlagener Reformen dann besser oder schlechter. Über die längerfristige Zeitachse hinweg ist allerdings eine internationale Harmonisierung zu erkennen - vor allem im bildungspolitischen Bereich. Dort hat sich ein globales multilaterales Bildungssystem herausgebildet, das u.a. auf einer Vielzahl an Bildungs-IOs bzw. -NGOs und staatlichen wie privaten Bildungsinstitutionen aufbaut, die sich zwischenzeitlich zu komplexen, beratenden Bildungsnetzwerken ausdifferenzierten. Auffällig ist, wie auch hier die harmonisierende Weltkultur wirkt, die sich nur in Nuancen konkreter Handlungspraktiken unterscheidet. Dabei kommt v.a. der OECD eine wichtige Rolle zu, die es versteht, im Wechselspiel mit mächtigen innerstaatlichen Veto-Spielern auf der politics-Ebene ihre policy einzubringen und über analytische Reviews bzw. empirische Vergleichsstudien auf die polity einzuwirken. So hat sich über das Gros staatlicher wie nicht-staatlicher Bildungsakteure ein moderner Bildungsbegriff in Gestalt des Lebenslangen Lernens gelegt, der als eigenes Menschenrecht über den klassischen Bildungsbegriff hinausgeht, sich aber weiterhin über formalisierte Bildungsangebote realisiert. Gleichzeitig fügt sich das neue Verständnis in die kulturelle Hegemonie ein, die mittels eines dichten Netzwerkes diverser IO-Aktivitäten gestützt wird - im Non-Profit- wie im Profit-Sektor. Beiden Organisationsformen kommt dabei eine die staatlichen Aktivitäten korrigierende Bedeutung zu, die sich in der neoliberalen Logik des staatlichen Rückzugs wieder findet. Solange die IO-Aktivitäten die kulturelle Hegemonie unterstützen, wirken sie gar als Gerüst einer transnationalen Zivilgesellschaft, die Demokratiedefizite staatlich legitimierter IOs kompensiert. Mit der Auflösung der Deckungsgleichheit von Staat, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik gelangt die Frage, inwiefern eine globale Zivilgesellschaft auf der Basis gemeinsamer oder konkurrierender Werte einen kulturellen Zusammenhalt zu generieren vermag, zu großer Bedeutung. „In the last resort, it is only the power of global civil society acting on the public mind via the media and communication networks that may eventually overcome the historical inertia of nation-states and thus bring these nation-states to accept the reality of their

© a c w Bi ld u n g s p o l it i s c h e r R a h m e n fü r d i e RT D - E rg e b n i s s e 289<br />

begründen sich durch den Bedeutungszuwachs und die Eigendynamik verschiedener<br />

IOs, die -ursprünglich von staatlichen Akteuren instrumentell eingesetzt, um nationale<br />

Widerstände zu umgehen- zunehmend eine world polity betreiben. Deren Macht<br />

speist sich primär aus einem globalen Agenda-Setting, das in einem window of<br />

opportunity im Zusammenspiel mit realen Problemen standardisierte<br />

Lösungsvorschläge anbietet und die Durchsetzung mittels breit legitimierter<br />

Instrumente ermöglicht. Indem policy, politics und polity gleichermaßen beeinflusst<br />

werden können seitens einflussreicher IOs, formen sie vordergründig<br />

nationalstaatliche Politik mit. Je nach nationalem Weltbild gelingt die<br />

Implementierung vorgeschlagener Reformen dann besser oder schlechter. Über die<br />

längerfristige Zeitachse hinweg ist allerdings eine internationale Harmonisierung zu<br />

erkennen - vor allem im bildungspolitischen Bereich.<br />

Dort hat sich ein globales multilaterales Bildungssystem herausgebildet, das u.a. auf<br />

einer Vielzahl an Bildungs-IOs bzw. -NGOs und staatlichen wie privaten<br />

Bildungsinstitutionen aufbaut, die sich zwischenzeitlich zu komplexen, beratenden<br />

Bildungsnetzwerken ausdifferenzierten. Auffällig ist, wie auch hier die<br />

harmonisierende Weltkultur wirkt, die sich nur in Nuancen konkreter<br />

Handlungspraktiken unterscheidet. Dabei kommt v.a. der OECD eine wichtige Rolle<br />

zu, die es versteht, im Wechselspiel mit mächtigen innerstaatlichen Veto-Spielern auf<br />

der politics-Ebene ihre policy einzubringen und über analytische Reviews bzw.<br />

empirische Vergleichsstudien auf die polity einzuwirken. So hat sich über das Gros<br />

staatlicher wie nicht-staatlicher Bildungsakteure ein moderner Bildungsbegriff in<br />

Gestalt des Lebenslangen Lernens gelegt, der als eigenes Menschenrecht über den<br />

klassischen Bildungsbegriff hinausgeht, sich aber weiterhin über formalisierte<br />

Bildungsangebote realisiert.<br />

Gleichzeitig fügt sich das neue Verständnis in die kulturelle Hegemonie ein, die mittels<br />

eines dichten Netzwerkes diverser IO-Aktivitäten gestützt wird - im Non-Profit- wie im<br />

Profit-Sektor. Beiden Organisationsformen kommt dabei eine die staatlichen<br />

Aktivitäten korrigierende Bedeutung zu, die sich in der neoliberalen Logik des<br />

staatlichen Rückzugs wieder findet. Solange die IO-Aktivitäten die kulturelle<br />

Hegemonie unterstützen, wirken sie gar als Gerüst einer transnationalen<br />

Zivilgesellschaft, die Demokratiedefizite staatlich legitimierter IOs kompensiert. Mit<br />

der Auflösung der Deckungsgleichheit von Staat, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und<br />

Politik gelangt die Frage, inwiefern eine globale Zivilgesellschaft auf der Basis<br />

gemeinsamer oder konkurrierender Werte einen kulturellen Zusammenhalt zu<br />

generieren vermag, zu großer Bedeutung.<br />

„In the last resort, it is only the power of global civil society<br />

acting on the public mind via the media and communication networks<br />

that may eventually overcome the historical inertia of nation-states<br />

and thus bring these nation-states to accept the reality of their

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