Anja Christine Wagner | UEBERflow

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© a c w Bi ld u n g s p o l it i s c h e r R a h me n f ü r d i e RT D - E rg e b n i s s e 274 Sinne zählen zur Zivilgesellschaft alle Interessengruppen, freiwilligen Assoziationen, sozialen Bewegungen, sozialen Bewegungsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Clubs, politischen Initiativen, Stiftungen etc. pp. (Deth und Maloney 2008, 4). Inwiefern sich diese Organisationen vom Markt oder vom Staat abgrenzen lassen müssen, um als zivilgesellschaftliche Akteure anerkannt zu werden, obliegt der politischen Perspektive und macht es schwierig, mit dem Begriff der Zivilgesellschaft zu operieren. NGOs sind ein Baustein der Zivilgesellschaft und ihr Bedeutungszuwachs in der internationalen Politik seit den 1990er Jahren ist ein wesentlicher Grund, warum dem zivilgesellschaftlichen Einfluss auf die Global Governance solch eine Bedeutung beigemessen wird. Zwar lassen sich NGOs ähnlich wie die Zivilgesellschaft nur schwer vom Markt oder vom Staat abgrenzen - insofern sind Definition und Anzahl von NGOs nicht eindeutig zu identifizieren. Die UNO zumindest fasst den NGO-Begriff sehr weit, indem sie alle nicht bei ihnen als offizielle Regierungsorganisationen tätigen Organisationen als NGOs führt. In diesem Verständnis stellen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Verbände von BäuerInnen und Handel oder wissenschaftlichen Einrichtungen, Wohlfahrtsverbände, Hilfsorganisationen, Stiftungen, Kirchen, Netzwerke, Selbsthilfevereine, Bürgerinitiativen allesamt NGOs dar (Klein, Walk, und Brunnengräber 2005, 14) - und sind damit fast deckungsgleich mit den Akteuren der Zivilgesellschaft. Allerdings ist ein wesentliches Merkmal der Entstehung von NGOs inhärent: Aufgrund des erforderlichen gemeinsamen sozialen, humanitären, ökologischen oder kulturellen Anliegens ist ihnen im Kontext einer globalisierten Welt die grenzüberschreitende Ausrichtung der Organisation in die Wiege gelegt, während gleichzeitig der Bezug zur lokalen Unterstützungsbasis bestehen bleibt. So vermögen sie aufgrund ihrer netzwerkförmigen Organisation verschiedene politische Ebenen zu bedienen, um ihre politischen Interessen oder operativen Angebote durchzusetzen oder zumindest in die Öffentlichkeit zu bringen. Aufgrund dessen verstehen sich die grenzüberschreitend tätigen NGOs als eigentliche Akteure einer internationalen Zivilgesellschaft und ermutigen Diskussionen, inwiefern die Weltgesellschaft bereit sei für eine Weltöffentlichkeit, in der die politischen Interessen global diskursiv ausgehandelt werden (Klein, Walk, und Brunnengräber 2005, 34ff.). Und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in weltpolitische Aktivitäten wird in Zeiten einer zunehmenden Internationalisierung der Politik immer wichtiger. Während ursprünglich dem Staat die Aufgabe zukam, Akteure zusammenzubringen und konkrete Probleme zu lösen, kommt der Öffentlichkeit -nach John Dewey- die Funktion zu, gemeinsame, demokratische Problemlösungen auszuhandeln. Öffentlichkeit entsteht, wenn sich dieser Aushandlungsprozess zwischen mindestens zwei Akteuren auf Dritte potenziell auswirken kann und diese sich -bedingt durch die Konsequenzen- in den Prozess mit einbringen möchten. Sind von diesem Prozess keine

© a c w Bi ld u n g s p o l it i s c h e r R a h m e n fü r d i e RT D - E rg e b n i s s e 275 Anderen betroffen, ist das Verhältnis als privat einzustufen. In dieser Sichtweise kommt dem Staat die Aufgabe zu, die verschiedenen Teil-Öffentlichkeiten zusammenzuführen und eine übergreifende Problemlösung anzustreben (Adloff 2005, 47f.). Was aber, wenn dem Staat die Handlungsoption genommen ist und er selbst nur Teil einer multi-lateralen Global Governance ist? Dann kommt der Zivilgesellschaft als bindende Kraft eine größere Rolle zu - und der Einfluss z.B. von NGOs auf die öffentliche Meinung steigt. Indem NGOs moderne Kommunikationsmöglichkeiten nutzen und dort öffentliche, diskursive Foren und Räume entstehen, können kulturelle Lernprozesse wachsen, die einen größtmöglichen Konsens innerhalb der nationalen und ggf. internationalen Zivilgesellschaft erzeugen. Und darauf sind staatliche Akteure angewiesen, um die wenig demokratisch legitimierten Entscheidungsprozesse in den internationalen Organisationen innerstaatlich vermitteln zu können (Klein, Walk, und Brunnengräber 2005, 42). Hier wird Realität, was Gramsci der Zivilgesellschaft zuschrieb: Auf deren Boden wird der Kampf um die kulturelle Hegemonie ausgefochten (Adloff 2005, 41). Insofern ist es nur konsequent, NGOs als legale Akteure mit Konsultations- oder Beratungsfunktion an den internationalen Organisationen zu beteiligen oder sie an den Weltkonferenzen teilhaben zu lassen (vgl. Kissling 2008). Über die engen Kontakte vieler professioneller NGOs zu den sozialen Bewegungen und transnationalen Aktionsnetzwerken kommt den Organisationen also eine Scharnierfunktion zu, v.a. hinsichtlich der Vermittlung transnationaler Problemzusammenhänge in lokale Problemstellungen (Klein, Walk, und Brunnengräber 2005, 62). Waren in den 1970er Jahren transnationale NGOs, die aus den Bewegungsnetzwerken entstanden, dadurch gekennzeichnet, Lobbying- Organisationen herauszubilden, so vernetzten sich ab 1989 die NGOs immer informeller und übten öffentlichen Druck auf den Meinungsbildungsprozess aus. Als „Standbein“ dienten ihnen Proteste und Kampagnen, während sie ihre Lobby-Arbeit als „Spielbein“ nutzten. Spätestens seit den Protesten in Seattle (1999) und Genua (2001) bildete sich dann eine globalisierungskritische Bewegung heraus, deren zentrales Charakteristikum die transnationale Vernetzung der Akteure ist (Klein, 59ff.). Dabei ist die offenkundige Interesselosigkeit der globalisierungskritischen Bewegung als Motivation für die Konstitution einer globalen Bewegung das zentrale Momentum, aus dem sie ihre moralische Autorität zieht (Holzer und Kuchler 2007, 84f.). Sie nutzen internationale Organisationen oder auch andere Staaten, um lokal etwas zu erreichen - eine typische Strategie transnationaler sozialer Bewegungen (ebd., 89). Die, um im Rahmen internationaler Organisationen Lobby-Arbeit betreiben zu können, sich über NGOs organisieren müssen. Das spielt auch den internationalen Organisationen in die Hände, denn über den NGO-Zugang können diese ihre fehlende demokratische Legitimität teilweise wiederherstellen. Zum einen, weil lokale Stakeholder über diesen Weg ihre Themen

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Sinne zählen zur Zivilgesellschaft alle Interessengruppen, freiwilligen Assoziationen,<br />

sozialen Bewegungen, sozialen Bewegungsorganisationen,<br />

Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Clubs, politischen Initiativen, Stiftungen etc.<br />

pp. (Deth und Maloney 2008, 4). Inwiefern sich diese Organisationen vom Markt oder<br />

vom Staat abgrenzen lassen müssen, um als zivilgesellschaftliche Akteure anerkannt zu<br />

werden, obliegt der politischen Perspektive und macht es schwierig, mit dem Begriff<br />

der Zivilgesellschaft zu operieren.<br />

NGOs sind ein Baustein der Zivilgesellschaft und ihr Bedeutungszuwachs in der<br />

internationalen Politik seit den 1990er Jahren ist ein wesentlicher Grund, warum dem<br />

zivilgesellschaftlichen Einfluss auf die Global Governance solch eine Bedeutung<br />

beigemessen wird. Zwar lassen sich NGOs ähnlich wie die Zivilgesellschaft nur schwer<br />

vom Markt oder vom Staat abgrenzen - insofern sind Definition und Anzahl von NGOs<br />

nicht eindeutig zu identifizieren. Die UNO zumindest fasst den NGO-Begriff sehr weit,<br />

indem sie alle nicht bei ihnen als offizielle Regierungsorganisationen tätigen<br />

Organisationen als NGOs führt. In diesem Verständnis stellen Gewerkschaften,<br />

Arbeitgeberverbände, Verbände von BäuerInnen und Handel oder wissenschaftlichen<br />

Einrichtungen, Wohlfahrtsverbände, Hilfsorganisationen, Stiftungen, Kirchen,<br />

Netzwerke, Selbsthilfevereine, Bürgerinitiativen allesamt NGOs dar (Klein, Walk, und<br />

Brunnengräber 2005, 14) - und sind damit fast deckungsgleich mit den Akteuren der<br />

Zivilgesellschaft.<br />

Allerdings ist ein wesentliches Merkmal der Entstehung von NGOs inhärent: Aufgrund<br />

des erforderlichen gemeinsamen sozialen, humanitären, ökologischen oder kulturellen<br />

Anliegens ist ihnen im Kontext einer globalisierten Welt die grenzüberschreitende<br />

Ausrichtung der Organisation in die Wiege gelegt, während gleichzeitig der Bezug zur<br />

lokalen Unterstützungsbasis bestehen bleibt. So vermögen sie aufgrund ihrer<br />

netzwerkförmigen Organisation verschiedene politische Ebenen zu bedienen, um ihre<br />

politischen Interessen oder operativen Angebote durchzusetzen oder zumindest in die<br />

Öffentlichkeit zu bringen. Aufgrund dessen verstehen sich die grenzüberschreitend<br />

tätigen NGOs als eigentliche Akteure einer internationalen Zivilgesellschaft und<br />

ermutigen Diskussionen, inwiefern die Weltgesellschaft bereit sei für eine<br />

Weltöffentlichkeit, in der die politischen Interessen global diskursiv ausgehandelt<br />

werden (Klein, Walk, und Brunnengräber 2005, 34ff.).<br />

Und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in weltpolitische Aktivitäten wird in Zeiten<br />

einer zunehmenden Internationalisierung der Politik immer wichtiger. Während<br />

ursprünglich dem Staat die Aufgabe zukam, Akteure zusammenzubringen und<br />

konkrete Probleme zu lösen, kommt der Öffentlichkeit -nach John Dewey- die<br />

Funktion zu, gemeinsame, demokratische Problemlösungen auszuhandeln.<br />

Öffentlichkeit entsteht, wenn sich dieser Aushandlungsprozess zwischen mindestens<br />

zwei Akteuren auf Dritte potenziell auswirken kann und diese sich -bedingt durch die<br />

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