Anja Christine Wagner | UEBERflow

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© a c w Bi ld u n g s p o l it i s c h e r R a h me n f ü r d i e RT D - E rg e b n i s s e 272 am Beispiel der deutschen Bund-Länder-Kommission aufzeigen. Hier vertritt man die Auffassung, der Einfluss internationaler Organisationen (IOs) auf die nationale Bildungspolitik liesse sich nur über komparative Studien analysieren, die auf den, von der UNESCO in Kooperation mit der OECD entwickelten World Education Indicators aufbauen. Die diesen Indikatoren inhärenten, weltkulturellen Werte, denen auch die EU-Bildungspolitik folgt, werden nicht weiter in Frage gestellt (BLK 2002). Ähnlich das Lexikon der politischen Bildung (1999): Demnach zählen Gestaltung, Legitimation und Administration der organisierten und institutionalisierten Erziehungs- und Bildungsprozesse zum Auftrag der (deutschen) Bildungspolitik. Ziel sei es, „drei gesamtgesellschaftliche Grundfunktionen abzudecken: Vermittlung von Werten (Reproduktion), Verteilung von Berufseinmündungschancen sowie kulturelle Teilhabe (Selektion) und Anpassung an Anforderungen des schnellen sozialen und ökonomischen Wandels (Innovation)" (Schumacher 2010, 992:43). Die aktuellen Vorhaben der Bildungspolitik fokussieren auf die Bildungschancen für Kinder (z.B. in Form von Ganztagsschulen), die Harmonie im Hochschulraum, Marktorientierung, Technisierung der Wissensvermittlung und die wissenschaftliche Weiterbildung als Wettbewerbsfaktor (wie z.B. in der Forderung nach Lebenslangem Lernen und einer Orientierung am „Aufstieg durch Bildung“) (ebd., 43ff.). An bildungspolitischen Kontrollkonzepten dienen dabei Bildungspanels, Leistungsvergleichsstudien, Bildungsstandards (z.B. durch Kompetenzmodelle), BIP-Quoten, Graduiertensystem (Bachelor/Master), strukturelle Sicherungen (mit Leistungen und Modulen) und sog. Qualitätssicherungen (in Form von Evaluationen, Akkreditierungen und Rankings) (ebd., 65ff.). Konsequenterweise bedarf es für eine solchermaßen Output-orientierte, evidenzbasierte Bildungspolitik einer empirischen Bildungsforschung, die als subtiles Steuerungsinstrument ggf. Reformen über internationale Vergleiche nahelegt (Buchhaas-Birkholz 2009, 30). Über diesen Prozess des Bildungsmonitorings gelangt die Bildung zu einem objektiven Referenten für die Politik, der ähnlich adressierbar ist wie „die“ Wirtschaft, Gesundheit oder Sozialpolitik (Brosziewski 2007, 144ff.). Bildungsmonitoring -in diesem Sinne praktiziert-, ist allerdings keine angewandte Wissenschaft, sondern Bildungsverwaltung (ebd., 141f.). Damit tritt ein Problem für die wissenschaftliche Bildungsforschung zutage, nämlich eines der Selbstplatzierung (ebd., 136): Der Blick muss hier auf politisch steuerbare Einheiten gelenkt werden, d.h. die Institutionen des Bildungssystems inklusive der professionellen ErzieherInnen. Außen vor bleiben in dieser Perspektive die Familien, Medien und die zu Erziehenden selbst, da diese bildungspolitisch kaum zu steuern sind (ebd., 146). Oder um es überspitzt mit Blick auf die mangelnde demokratische Partizipation der Multi-Level- Governance über IOs zu formulieren: „Was bleibt, ist ein elitärer, von konformem Kultur- und Werteverständnis und breiter Ressourcenausstattung gesättigter

© a c w Bi ld u n g s p o l it i s c h e r R a h m e n fü r d i e RT D - E rg e b n i s s e 273 'Mittelstandsbauch' der Partizipation, der auf die Weltskala erhoben zum OECD-Kopf wird.“ (Sack und Burchardt 2008, 55) Vielleicht erklärt dieser Umstand das Befremden der Bildungswissenschaft gegenüber der Bildungspolitik als etwas Äußerem, das keinen Einfluss auf die pädagogische Autonomie der eigentlichen, institutionalisierten Bildung haben soll (Tröhler 2006, 87). Da lebenslanges Lernen sich auch außerhalb der institutionellen Bildungsorte vollzieht, ist es schwierig, das politische LLL-Gesamtkonzept in die erziehungswissenschaftliche Handlungslogik zu übersetzen und sich an gewünschten Outputs messen zu lassen. Zu offensichtlich ist die enge Kopplung von konzeptionellen Zielen politischer Konzepte mit denen der jeweiligen Agenda-Setting-setzenden, internationalen Organisation(en). Damit liesse sich erklären, warum LLL weiterhin als Synonym für Erwachsenenbildung verwendet wird und die Beharrungsmomente des institutionalisierten (Hoch-)Schulbereichs sich den gesellschaftlichen Wandlungsprozessen verschliessen (vgl. Kraus 2001). 5.1.4 EINFLUSS DER ZIVILGESELLSCHAFT & NGO S Zivilgesellschaft ist ein Modebegriff mit langer Tradition bis in die Antike. Gemeint ist damit zunächst das freiwillige Engagement von BürgerInnen in öffentlichen Vereinigungen mittels ziviler Umgangsformen. Gleichzeitig schwingen in dem Begriff normative Wertungen, Zustandsbeschreibungen und Zukunftsentwürfe mit (Adloff 2005, 7f.). Theoretisch als nationale gesellschaftliche Kraft neben Staat, Markt und Privatsphäre etabliert, wandelten sich seit den 1990er Jahren zivilgesellschaftliche Akteure zur treibenden Kraft der Global Governance und zum Hoffnungsträger einer wahrhaften Weltgesellschaft. Eingang in die neuere, breite Diskussion der westlichen Hemisphäre fand die Zivilgesellschaft über die politischen Akteure der osteuropäischen Opposition, die seit den 1970er Jahren die Möglichkeit des Aufbaus einer zweiten polis mittels zivilgesellschaftlicher Kräfte sahen (ebd., 10). Seitdem werden -je nach politischen Standort- der Zivilgesellschaft unterschiedliche Funktionen zugeschrieben, je nachdem, welche Nähe die wissenschaftliche Tradition zum Markt oder zum Staat aufzeigt (ebd., 13f.). Begleitet wird dieser diskursive Sound von einer handlungspolitischen Entwicklung innerhalb der westlichen Staaten seit den 1960ern Jahren, die partizipative Demokratie durch eine partizipative Governance herzustellen - basierend auf den kollektiven Akteuren der organisierten Zivilgesellschaft (Deth und Maloney 2008, 5). Die Dichte und Intensität der Vernetzung und die Selbstorganisationsfähigkeit der BürgerInnen definiert den zivilgesellschaftlichen Grad einer politischen Einheit. Messbar wird dies über die Zahl der Organisationen und die Beteiligung der BürgerInnen an diesen gesellschaftlichen Organisationen (Meurs 2007, 1). In diesem

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'Mittelstandsbauch' der Partizipation, der auf die Weltskala erhoben<br />

zum OECD-Kopf wird.“ (Sack und Burchardt 2008, 55)<br />

Vielleicht erklärt dieser Umstand das Befremden der Bildungswissenschaft gegenüber<br />

der Bildungspolitik als etwas Äußerem, das keinen Einfluss auf die pädagogische<br />

Autonomie der eigentlichen, institutionalisierten Bildung haben soll (Tröhler 2006,<br />

87). Da lebenslanges Lernen sich auch außerhalb der institutionellen Bildungsorte<br />

vollzieht, ist es schwierig, das politische LLL-Gesamtkonzept in die<br />

erziehungswissenschaftliche Handlungslogik zu übersetzen und sich an gewünschten<br />

Outputs messen zu lassen. Zu offensichtlich ist die enge Kopplung von konzeptionellen<br />

Zielen politischer Konzepte mit denen der jeweiligen Agenda-Setting-setzenden,<br />

internationalen Organisation(en). Damit liesse sich erklären, warum LLL weiterhin als<br />

Synonym für Erwachsenenbildung verwendet wird und die Beharrungsmomente des<br />

institutionalisierten (Hoch-)Schulbereichs sich den gesellschaftlichen<br />

Wandlungsprozessen verschliessen (vgl. Kraus 2001).<br />

5.1.4 EINFLUSS DER ZIVILGESELLSCHAFT & NGO S<br />

Zivilgesellschaft ist ein Modebegriff mit langer Tradition bis in die Antike. Gemeint ist<br />

damit zunächst das freiwillige Engagement von BürgerInnen in öffentlichen<br />

Vereinigungen mittels ziviler Umgangsformen. Gleichzeitig schwingen in dem Begriff<br />

normative Wertungen, Zustandsbeschreibungen und Zukunftsentwürfe mit (Adloff<br />

2005, 7f.). Theoretisch als nationale gesellschaftliche Kraft neben Staat, Markt und<br />

Privatsphäre etabliert, wandelten sich seit den 1990er Jahren zivilgesellschaftliche<br />

Akteure zur treibenden Kraft der Global Governance und zum Hoffnungsträger einer<br />

wahrhaften Weltgesellschaft.<br />

Eingang in die neuere, breite Diskussion der westlichen Hemisphäre fand die<br />

Zivilgesellschaft über die politischen Akteure der osteuropäischen Opposition, die seit<br />

den 1970er Jahren die Möglichkeit des Aufbaus einer zweiten polis mittels<br />

zivilgesellschaftlicher Kräfte sahen (ebd., 10). Seitdem werden -je nach politischen<br />

Standort- der Zivilgesellschaft unterschiedliche Funktionen zugeschrieben, je<br />

nachdem, welche Nähe die wissenschaftliche Tradition zum Markt oder zum Staat<br />

aufzeigt (ebd., 13f.). Begleitet wird dieser diskursive Sound von einer<br />

handlungspolitischen Entwicklung innerhalb der westlichen Staaten seit den 1960ern<br />

Jahren, die partizipative Demokratie durch eine partizipative Governance herzustellen<br />

- basierend auf den kollektiven Akteuren der organisierten Zivilgesellschaft (Deth und<br />

Maloney 2008, 5).<br />

Die Dichte und Intensität der Vernetzung und die Selbstorganisationsfähigkeit der<br />

BürgerInnen definiert den zivilgesellschaftlichen Grad einer politischen Einheit.<br />

Messbar wird dies über die Zahl der Organisationen und die Beteiligung der<br />

BürgerInnen an diesen gesellschaftlichen Organisationen (Meurs 2007, 1). In diesem

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