Anja Christine Wagner | UEBERflow

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07.03.2013 Aufrufe

© a c w U s e r Ex p e r i e n c e a l s F lo w - An a l y s e 174 sozio-kulturelle Bedingungen voraus, die sich sozio-historisch weiterentwickeln. Zunächst bedarf es am space of places eines physikalischen Zugangs zum Netz des space of flows als Grundvoraussetzung zur Teilhabe an der Netzwerkgesellschaft. Wird Hofstedes Indexdenken als Maßstab angelegt, so lässt sich vorhersagen: Je höher die nationale Machtdistanz ausfällt, desto schwieriger und abhängiger gestaltet sich der Netzzugang. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, in welchem Ausmaß und welcher Geschwindigkeit die offene, transparente, wenig machtdistanzierte Kultur der Netzwerkgesellschaft über die Netzwerkknoten am space of places und die global vernetzte Medienkultur auf die nationalen Kulturen einwirkt und die sozio-kulturellen Codes und Praktiken zumindest in diesem Punkt nachhaltig prägt. Hier üben noch die nationalen Unterschiede hinsichtlich des präferierten medialen Kulturmodells (Kulturunterstützung, Kulturgüterorientierung, Kulturperformance) ihren derzeit noch vorherrschenden Einfluss aus, über welche spezifischen Kanäle die Infiltration und damit der Netzzugang sich vollzieht. Eine weitere wichtige Grundvoraussetzung, um zumindest theoretisch Flow im space of flows empfinden zu können, stellt die individuelle Netz-Kompetenz als Querschnittskompetenz dar. Auch hier wird das nationale, mediale Kulturmodell individuelle Präferenzen vorgeben, in welcher konkreten Web 2.0-Dimension (Circular Entertainment, Creative Production, Social Computing) sich die persönliche Netzaktivität zunächst vollzieht. Inwiefern klassische interkulturelle Kompetenzen in einer sich angleichenden globalen Netzkultur hilfreich sind, bliebe zu diskutieren. In Kap. 3.2.3 wurde zusammenfassend festgestellt, dass die sozialen Verbindungen in der Netzwerkgesellschaft wichtiger sind als der je konkrete, zirkulierende, sich ständig transformierende Content. Fortan kommt dem Vertrauensfaktor eine entscheidende Bedeutung zu, sich in die Netzwerke aktiv einzubringen. Für die Annahme einer Herausforderung ist aufgrund der High-Context-Kommunikation im Web 2.0-System sowohl das persönliche als auch das Systemvertrauen eine wesentliche Voraussetzung. Nach dem Systemtheoretiker Niklas Luhmann ist Vertrauen eine Reduktion sozialer Komplexität, indem die Unsicherheit auf ein noch tragbares Maß erhöht wird (Mafaalani 2008, 16). Auch das Vertrauen in Technik ist soziales Vertrauen, also Systemvertrauen, da anderen Personen vertraut werden muss (ebd., 25). Dabei wird die Fähigkeit, Vertrauen entwickeln zu können, sozio-kulturell erlernt. Kulturen mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung und einer klaren Rollenverteilung haben höhere Hürden zu überwinden, um zu vertrauen. Schließlich bedarf es einer autotelischen Persönlichkeitsstruktur, um Flow empfinden und wahrnehmen zu können - mitsamt der daran gekoppelten Fähigkeit, diesen Wert in den sozio-kulturellen Code aufzunehmen und weiterzureichen. Kennzeichen einer autotelischen Persönlichkeit sind -neben der Fähigkeit, eigene Zielsetzungen zu verfolgen- die Selbstvergessenheit, die intrinsische Belohnung und eine langfristige

© a c w U se r Ex p e r i e n c e a l s F lo w - An a l y s e 175 Orientierung. Je nach kultureller Herkunft bringen einzelne Personen mehr oder weniger optimale Bedingungen mit. Selbstvergessenheit fällt vielleicht individualistischeren Kulturen schwerer als kollektivistischen; intrinsische Belohnungen müssen ängstliche Kulturen eventuell erst abstreifen, um Selbstbewusstsein erfahren und leben zu können; und langzeitorientierte Kulturen werden eine langfristige Orientierung der persönlichen Zielerfüllung eher nahelegen als kurzzeitorientierte Kulturen. Lässt man diese interkulturellen Anforderungen für das individuelle Flow-Empfinden Revue passieren, fällt auf, dass die im vorherigen Kapitel hergeleitete Web 2.0-Kultur exakt diesen Anforderungen entspricht. Insofern scheinen nationale Kulturen, die diese idealtypischen Voraussetzungen für die Web 2.0-Kultur und das Flow- Empfinden möglichst breit abbilden, besser prädestiniert zu sein, in ihren gesellschaftlichen Institutionen eine kollektive Netzwerk-Kompetenz auszubilden - zumindest im Rahmen ihres national präferierten, medialen Kulturmodells. Erst dann sind erste Voraussetzungen geschaffen, vielfältige Netzwerkknoten in der globalen Netzwerkgesellschaft aufzubauen und über die aktive Mitgestaltung des Netzwerkes auch konstruktiv bildungspolitisch zu agieren. Nicht als Selbstzweck, sondern um dem sozio-kulturellen Wandel hin zum Social Web begegnen zu können, der einerseits in der Entwicklung der Netzwerkgesellschaft angelegt ist, andererseits forciert wird durch die Möglichkeiten einer technologisch innovativen, ökonomisch wirkenden Praxis, der Social Software. Die sozio-kulturelle Praxis, die sich durch diese sich ergänzenden Entwicklungen -Netzwerkgesellschaft und Social Software- im Rahmen des national präferierten medialen Kulturmodells ausprägt und den Entwicklungsprozess dynamisch an die Bedürfnisse und kreativen Nutzungsarten der User anpasst, lässt sich kaum seitens des Designs unter interkulturellen Gesichtspunkten steuern. Wohl aber lässt sich die interkulturell unterschiedliche Nutzung und Präferenz einzelner Social Software- Dienste erklären (siehe im Appendix Kap. 8.1.4.7). Über diesen Weg vermag eine interkulturelle Forschung ggf. die kulturelle Neigung einzelner Personen in einem konkreten space of places erklären, sich z.B. bestimmten Web 2.0-Diensten zuzuwenden. Sie vermag allerdings kaum den Einfluss einer trans-kulturellen Entwicklung auf einzelne (nationale) Kulturen zu analysieren oder gar die Entfaltung einer globalen Netzkultur - mit ihren nationalen Schieflagen. Die Frage, inwiefern adaptive Systeme mit interkultureller Differenzierung (Design, Navigation, Cultural Markers etc.) im space of flows das Flow-Empfinden unterstützen helfen, muss hier bezweifelt werden, da die Personen selbst ihre asymmetrischen, temporären Netzwerke regelmäßig re-konfigurieren. Im space of places können lediglich interkulturell optimierte Systeme als Trittleiter Sinn stiftend sein. Denn nach dem UX- Forscher Donald Norman kann Design auf drei Ebenen der individuellen Nutzung wirken (siehe Kap. 3.2.1.3):

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Orientierung. Je nach kultureller Herkunft bringen einzelne Personen mehr oder<br />

weniger optimale Bedingungen mit. Selbstvergessenheit fällt vielleicht<br />

individualistischeren Kulturen schwerer als kollektivistischen; intrinsische<br />

Belohnungen müssen ängstliche Kulturen eventuell erst abstreifen, um<br />

Selbstbewusstsein erfahren und leben zu können; und langzeitorientierte Kulturen<br />

werden eine langfristige Orientierung der persönlichen Zielerfüllung eher nahelegen<br />

als kurzzeitorientierte Kulturen.<br />

Lässt man diese interkulturellen Anforderungen für das individuelle Flow-Empfinden<br />

Revue passieren, fällt auf, dass die im vorherigen Kapitel hergeleitete Web 2.0-Kultur<br />

exakt diesen Anforderungen entspricht. Insofern scheinen nationale Kulturen, die<br />

diese idealtypischen Voraussetzungen für die Web 2.0-Kultur und das Flow-<br />

Empfinden möglichst breit abbilden, besser prädestiniert zu sein, in ihren<br />

gesellschaftlichen Institutionen eine kollektive Netzwerk-Kompetenz auszubilden -<br />

zumindest im Rahmen ihres national präferierten, medialen Kulturmodells. Erst dann<br />

sind erste Voraussetzungen geschaffen, vielfältige Netzwerkknoten in der globalen<br />

Netzwerkgesellschaft aufzubauen und über die aktive Mitgestaltung des Netzwerkes<br />

auch konstruktiv bildungspolitisch zu agieren. Nicht als Selbstzweck, sondern um dem<br />

sozio-kulturellen Wandel hin zum Social Web begegnen zu können, der einerseits in<br />

der Entwicklung der Netzwerkgesellschaft angelegt ist, andererseits forciert wird durch<br />

die Möglichkeiten einer technologisch innovativen, ökonomisch wirkenden Praxis, der<br />

Social Software.<br />

Die sozio-kulturelle Praxis, die sich durch diese sich ergänzenden Entwicklungen<br />

-Netzwerkgesellschaft und Social Software- im Rahmen des national präferierten<br />

medialen Kulturmodells ausprägt und den Entwicklungsprozess dynamisch an die<br />

Bedürfnisse und kreativen Nutzungsarten der User anpasst, lässt sich kaum seitens des<br />

Designs unter interkulturellen Gesichtspunkten steuern. Wohl aber lässt sich die<br />

interkulturell unterschiedliche Nutzung und Präferenz einzelner Social Software-<br />

Dienste erklären (siehe im Appendix Kap. 8.1.4.7). Über diesen Weg vermag eine<br />

interkulturelle Forschung ggf. die kulturelle Neigung einzelner Personen in einem<br />

konkreten space of places erklären, sich z.B. bestimmten Web 2.0-Diensten<br />

zuzuwenden. Sie vermag allerdings kaum den Einfluss einer trans-kulturellen<br />

Entwicklung auf einzelne (nationale) Kulturen zu analysieren oder gar die Entfaltung<br />

einer globalen Netzkultur - mit ihren nationalen Schieflagen. Die Frage, inwiefern<br />

adaptive Systeme mit interkultureller Differenzierung (Design, Navigation, Cultural<br />

Markers etc.) im space of flows das Flow-Empfinden unterstützen helfen, muss hier<br />

bezweifelt werden, da die Personen selbst ihre asymmetrischen, temporären<br />

Netzwerke regelmäßig re-konfigurieren. Im space of places können lediglich<br />

interkulturell optimierte Systeme als Trittleiter Sinn stiftend sein. Denn nach dem UX-<br />

Forscher Donald Norman kann Design auf drei Ebenen der individuellen Nutzung<br />

wirken (siehe Kap. 3.2.1.3):

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