Anja Christine Wagner | UEBERflow
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© a c w U s e r Ex p e r i e n c e a l s F lo w - An a l y s e 128 statische Einheit, die verkauft oder lizenziert werden kann. 52 Die Frage, die sich nun aufdrängt, ist die, ob autotelische Persönlichkeiten in der Netzwerkgesellschaft generell einen stabileren Identitätskern ausbilden und ggf. die Machtmechanismen für ihre Zielsetzungen nutzen. Es spricht einiges dafür, denn die Fähigkeit einer autotelischen Person, sich intrinsisch zu belohnen, demonstriert eine klare Abgrenzung des Selbst vom Netz. Zudem nutzt eine solchermaßen aktive Persönlichkeit die Netzwerke funktional für ihre Zwecke. Sie kontrolliert ihre Netzwerktätigkeiten und es ist davon auszugehen, dass diese Person versucht, die Netzwerke in ihrem Sinne zu transformieren. Was aber ist Sinn? Nach Csikszentmihalyi bedeutet Sinn, „(...) Ordnung in den Inhalt des Bewusstseins zu bringen, indem die Handlungen eines Menschen zu einer einheitlichen Flow-Erfahrung gefügt werden“ (Mihaly Csikszentmihalyi 2008b, 283). Der konkrete Inhalt ist dabei gleichgültig. Einen Lebenssinn vermag jedweder einheitliche Zweck vermitteln - im Rahmen des sozio-kulturellen Kontextes. Denn jede Kultur und jeder Mensch verfügt über diverse Kombinationen an sinnlichen und ideatischen Weltsichten. Eine sinnliche Kultur organisiert ihre Ziele nach ihren Sinnen, die die Realität befriedigen soll - an Herausforderungen setzen Menschen dieser Kultur sich Ziele, das Leben angenehmer, bequemer und lustvoller zu gestalten. Demgegenüber betonen ideatische Kulturen die nichtmateriellen, idealistischen Ziele. Zentrale Herausforderungen drehen sich um die spirituelle Ordnung (ebd., 287). Psychologisch gesehen, durchlaufen Menschen während ihres Lebens verschiedene Stadien der Sinnstiftung entlang einer Spirale der Komplexität, basierend auf einer dialektischen Spannung zwischen Differenzierung und Integration. Das individuelle Leben besteht in dieser Sichtweise aus einer Reihe verschiedener Schritte, die unterschiedlichen Zielen und Herausforderungen folgen, die sich mit der Zeit und der persönlichen Weiterentwicklung verändern. Komplexität entsteht durch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst und den Kräften ausserhalb der eigenen Individualität (ebd., 291f.). In der Spiegelung dieser psychologischen Sinndeutung auf die Sinnstiftung des vernetzten Individuums lässt sich ermessen, welche Bedeutung einer erzählten Identität zukommt: Das Selbst dokumentiert seine Entwicklung hin zu einer komplexeren Persönlichkeit. Insofern es sich um eine autotelische Persönlichkeit handelt, wird sie diese erzählte Identität zur Verfolgung der eigenen Interessen und Zielsetzungen nutzen. Sie bietet sich als Netzwerkknoten im grossen Spiel der Netzwerkgesellschaft an und kann ggf. über ihre Vermittlungsrolle im Stile der sich konnektivistisch durchsetzenden Remix-Kultur Einfluss nehmen auf die von ihr 52 Die Bedeutung des geistigen Eigentums als identitätsstiftendes, politisches Äquivalent zum materiellen Eigentum ist ein seit der Aufklärung wesentliches Charakteristikum der westlichen Ideengeschichte.
© a c w U se r Ex p e r i e n c e a l s F lo w - An a l y s e 129 bespielten Netzwerke. Vielleicht besteht die Gefahr, im Machtspiel selbst eine Flow-Erfahrung zu generieren, so dass der Machterhalt oder gar die Machtausdehnung zur zentralen Antriebsfeder werden. Allerdings zeichnet eine autotelische Persönlichkeit aus, nicht die Kontrolle über andere, sondern das Eintauchen in eine autotelische Aktivität als zentrales Motiv des Handelns anzustreben. Indem Flow-Erfahrungen zwar ein Feedback verlangen, um das intendierte Ziel zu erreichen, könnten kontrollierte Personen vielleicht als positive Belohnung verstanden werden - dies aber nur als Mittel zum Zweck. Es liesse sich daraus schliessen, dass nicht die konkrete Machtausübung zum Flow-Erleben einer autotelischen Person beiträgt, wohl aber das Machtstreben, das sich bereits im Moment des Zielerfolges selbst überholt hat. Macht als Selbstzweck kann kein Flow- Erleben provozieren - lediglich als temporäres Mittel. Andererseits besteht die Gefahr, langfristige Ziele nicht realisieren zu können, da die Person die Rahmenbedingungen des Tuns aus den Augen verliert und in den konkreten autotelischen Aktivitäten aufgeht. Diese weltvergessene Verfolgung eigener Ziele kann allerdings bei einer autotelischen Persönlichkeit nur im Stadium der selbstbezogenen Integrität zutreffen - im Zuge ihres eigenen Komplexitätsaufbaus wird die Person sich bald der Welt außerhalb ihrer eigenen Grenzen zuwenden. Ein auf sich zentriertes Selbst kann demgegenüber nicht komplexer werden, weil es aufgrund der Konzentration auf die unmittelbaren Ziele an psychischer Energie fehlt, Neues zu lernen. Bleibt die Frage, ob das Flow-Erleben kulturell bestimmt oder universale Gültigkeit für sich beanspruchen kann: Csikszentmihalyi meint, die Dynamik des Erlebens, die Freude hervorbringt, sei in allen Kulturen vergleichbar. Es könnten lediglich interkulturelle Unterschiede konstatiert werden, was die konkreten Inhalte der Aktivitäten anbelange, die Flow hervorbringen. Das Prinzip selbst gelte universell, denn es handelt sich beim Flow um „Konfektionsware des Lebens“ und kein Luxusempfinden (Mihaly Csikszentmihalyi 1995a, 379). „Die wichtigsten Dimensionen des Flow-Erlebnisses - das intensive Eingebundensein, die hohe Konzentration, die Eindeutigkeit der Ziele und der Rückmeldungen, der Verlust des Zeitgefühls, die Selbstvergessenheit und Selbst-Transzendenz, die alle zusammen zur autotelischen, d.h. zur intrinsisch belohnenden Erfahrung führen - gehören in mehr oder weniger der gleichen Form zum Erfahrungsgut von Menschen in aller Welt.“ (ebd., 378) Zusammengefasst deutet sich an, dass autotelische Persönlichkeiten ideale Netzwerkknoten in der Netzwerkgesellschaft sind. Aufgrund ihrer selbst definierten Zielsetzungen grenzen sie ihre zusehends komplexer werdende Identität gegen den Herrschaftsanspruch des Netzes ab. Sie nutzen Netzwerke, wann immer es ihren
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Die Frage, die sich nun aufdrängt, ist die, ob autotelische Persönlichkeiten in der<br />
Netzwerkgesellschaft generell einen stabileren Identitätskern ausbilden und ggf. die<br />
Machtmechanismen für ihre Zielsetzungen nutzen. Es spricht einiges dafür, denn die<br />
Fähigkeit einer autotelischen Person, sich intrinsisch zu belohnen, demonstriert eine<br />
klare Abgrenzung des Selbst vom Netz. Zudem nutzt eine solchermaßen aktive<br />
Persönlichkeit die Netzwerke funktional für ihre Zwecke. Sie kontrolliert ihre<br />
Netzwerktätigkeiten und es ist davon auszugehen, dass diese Person versucht, die<br />
Netzwerke in ihrem Sinne zu transformieren.<br />
Was aber ist Sinn? Nach Csikszentmihalyi bedeutet Sinn,<br />
„(...) Ordnung in den Inhalt des Bewusstseins zu bringen, indem die<br />
Handlungen eines Menschen zu einer einheitlichen Flow-Erfahrung<br />
gefügt werden“ (Mihaly Csikszentmihalyi 2008b, 283).<br />
Der konkrete Inhalt ist dabei gleichgültig. Einen Lebenssinn vermag jedweder<br />
einheitliche Zweck vermitteln - im Rahmen des sozio-kulturellen Kontextes. Denn jede<br />
Kultur und jeder Mensch verfügt über diverse Kombinationen an sinnlichen und<br />
ideatischen Weltsichten. Eine sinnliche Kultur organisiert ihre Ziele nach ihren<br />
Sinnen, die die Realität befriedigen soll - an Herausforderungen setzen Menschen<br />
dieser Kultur sich Ziele, das Leben angenehmer, bequemer und lustvoller zu gestalten.<br />
Demgegenüber betonen ideatische Kulturen die nichtmateriellen, idealistischen Ziele.<br />
Zentrale Herausforderungen drehen sich um die spirituelle Ordnung (ebd., 287).<br />
Psychologisch gesehen, durchlaufen Menschen während ihres Lebens verschiedene<br />
Stadien der Sinnstiftung entlang einer Spirale der Komplexität, basierend auf einer<br />
dialektischen Spannung zwischen Differenzierung und Integration. Das individuelle<br />
Leben besteht in dieser Sichtweise aus einer Reihe verschiedener Schritte, die<br />
unterschiedlichen Zielen und Herausforderungen folgen, die sich mit der Zeit und der<br />
persönlichen Weiterentwicklung verändern. Komplexität entsteht durch die<br />
Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst und den Kräften ausserhalb der eigenen<br />
Individualität (ebd., 291f.).<br />
In der Spiegelung dieser psychologischen Sinndeutung auf die Sinnstiftung des<br />
vernetzten Individuums lässt sich ermessen, welche Bedeutung einer erzählten<br />
Identität zukommt: Das Selbst dokumentiert seine Entwicklung hin zu einer<br />
komplexeren Persönlichkeit. Insofern es sich um eine autotelische Persönlichkeit<br />
handelt, wird sie diese erzählte Identität zur Verfolgung der eigenen Interessen und<br />
Zielsetzungen nutzen. Sie bietet sich als Netzwerkknoten im grossen Spiel der<br />
Netzwerkgesellschaft an und kann ggf. über ihre Vermittlungsrolle im Stile der sich<br />
konnektivistisch durchsetzenden Remix-Kultur Einfluss nehmen auf die von ihr<br />
52 Die Bedeutung des geistigen Eigentums als identitätsstiftendes, politisches Äquivalent zum materiellen<br />
Eigentum ist ein seit der Aufklärung wesentliches Charakteristikum der westlichen Ideengeschichte.