Anja Christine Wagner | UEBERflow
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© a c w U s e r Ex p e r i e n c e a l s F lo w - An a l y s e 126 bewegen als die Informationseliten - ohne dass es gemeinsame Schnittstellen gäbe. Diese Aussage lässt sich in der Sichtweise Csikszentmihalyis nicht aufrechterhalten: Im Flow-Zustand existieren keine elitären Zugänge - sowohl BergbäuerInnen als auch Wallstreet-Broker können Flow-Erlebnisse generieren (vgl. Mihaly Csikszentmihalyi 1995a, 378ff.). Deren zeitlose Zeit ist vom persönlichen Empfinden her vergleichbar - allerdings nicht in der Kompatibilität ihrer Auswirkungen. Die zeitlose Zeit der Netzwerkgesellschaft verbindet die Menschen nicht mehr - die Verbindung muss über Netzwerkknoten laufen, die in mehreren Netzwerken wirken. In der Konsequenz bleibt festzuhalten, dass Flow aus subjektiver Sicht auch unabhängig vom space of flows entstehen kann. Einfluss auf die gesellschaftlich prägenden Netzwerke der Netzwerkgesellschaft aber kann nur ausüben, wer über den space of places in den space of flows einsteigt und die persönliche Zielsetzung mit mindestens einem Netzwerk verbindet. Erst dann lässt sich Flow im space of flows erleben. Seitens der einzelnen Person muss dieser Einstieg nicht zwangsläufig über digitale Schnittstellen geschehen, wohl aber über die Einflussnahme auf die Verbindungspunkte verschiedener Netzwerke - und diese sind zunehmend digitalisiert. 3.1.3 IDENTITÄT UND MACHT BEI AUTOTELISCHEN PERSÖNLICHKEITEN Wie also kann man als Person Einfluss nehmen auf die Gestaltung der Netzwerkgesellschaft? Nach Castells kann Macht genau an den Verbindungspunkten ausgeübt werden, die u.a. die zeitlose Zeit der Netzwerkgesellschaft zu synchronisieren vermag. 50 Dabei entspricht Macht in der Netzwerkgesellschaft einer symbolischen Gewalt über die kulturellen Codes und Protokolle. Kultur, verstanden als Prozess und nicht als Inhalt. Dieser Prozess ist strukturell determiniert: Die verschiedenen Netzwerkknoten bedingen sich wechselseitig, sowohl was die Identität des Einzelnen als auch des Netzwerkes angeht. Ist ein spezifischer Netzwerkknoten für das Gesamt- Netzwerk nicht mehr von Bedeutung, wird er umgangen. Diese potentielle Bedeutungslosigkeit jedes einzelnen Netzwerkknotens, und im Zweifel auch jeden Individuums als Netzwerkknoten, bedarf einer stabilen individuellen Identität. Die Gestaltungsspielräume individueller Identitätsentwürfe haben durch das Internet erheblich zugenommen. Erzählte Netzidentitäten stehen archivierten Netzprofilen gegenüber und erobern sich einen Autonomieanspruch gegen die Vereinnahmung der Herrschaftsstrukturen der Netzwerkgesellschaft. Das Selbst setzt sich gegen das Netz zur Wehr - und nur diese selbst konstruierte, primäre Identität, die sich selbst erhält, über Raum und Zeit hinweg, bietet den Menschen in der Netzwerkgesellschaft einen 50 Siehe Kapitel 2.1.5
© a c w U se r Ex p e r i e n c e a l s F lo w - An a l y s e 127 Sinn. „Die 'digitale Elite' setzt sich aus Akteuren zusammen, die mehrheitlich am Projekt einer personalen Identität festhalten. Wer in diesem Kreis nach Vertretern einer postmodernen Ich-Auflösung sucht, sollte sich auf Enttäuschungen gefasst machen. Es mag paradox klingen, aber allem Anschein nach entsteht eine besonders stabile Identität gerade im Umgang mit einer Maschine, die ungeahnte Spielräume der Kontingenz und der Verunsicherung öffnet.“ (Ellrich 2002, 110) Gleichzeitig sind die sich herausbildenden, kulturellen Charakteristika für eine Person im Rahmen der geteilten Kultur konstitutiv und beeinflussen deren Identität. Im Kontext des Wandels (re-)konfiguriert sich der stabile Kern ständig weiter und führt zur „Individuation“ (Giddens). Indem ständig neue Symbole und kulturelle Codes produziert und in die sozialen Organisationen und Institutionen diffundiert werden, entsteht das Machtpotential der „realisierten Virtualität“ (Castells). Castells diagnostiziert die oppositionellen, sozialen Bewegungen als Hauptquelle kollektiver Identität und als Schlüsselmotor sozialer Innovation. Neben der kulturellen Hegemonie auf gesellschaftlicher Ebene kennzeichnet Macht in der Netzwerkgesellschaft eine temporäre Beziehung, verwaltet in kurzfristigen Projekten. Macht demonstriert sich in der Einflussnahme auf die Zielsetzung des Netzwerkes oder in der Fähigkeit, als Verbindungsglied zwischen verschiedenen Netzwerken strategisch zu wirken, um Synergien zu entwickeln bzw. zu kontrollieren. Fehlt diese Möglichkeit, sich in der Netzwerkgesellschaft identitätsbildend einzubringen, ist die Gefahr gegeben, Opfer tradierter Werte und Codes zu werden, die von den Machtbeziehungen des space of places dominiert sind. Die IKT-Flows gewinnen dabei an Bedeutung, weil sie in die Institutionen hineinreichen und über deren Vermittlung neue Symbole der Sinnstiftung einfliessen können. 51 Hier konkurrieren auf globaler Ebene die Netzwerke des Wohlstands, der Macht, der Informationen und der Bilder, die im space of flows zirkulieren. Die technischen Potenziale der neuen Medien unterlaufen traditionelle Vermachtungen im space of places. Die „Internet-Galaxis“ mit ihrer zufälligen Mischung an Bedeutungen fordert die Subjekte heraus, ihre eigene Bedeutung zu finden und sich im kommunikativen Austausch von Symbolen auf elektronischer Grundlage einzubringen. Die alte „Gutenberg-Galaxis“ ist abgelöst und auch das alte Urheberrecht ist fortan nicht mehr an die Person gebunden, sondern an den Zeitgeist, der die Medien sich stetig verändernd im Kulturraum Internet kursieren lässt. Digitale Informationen können nicht mehr als geistiges Eigentum weitergereicht werden, da sie sich im zeitlichen Fluss bewegen - als Symbol, das sich zeitlich verändert und nicht mehr als 51 Vgl. dazu Castells in Kap. 2.1.3
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bewegen als die Informationseliten - ohne dass es gemeinsame Schnittstellen gäbe.<br />
Diese Aussage lässt sich in der Sichtweise Csikszentmihalyis nicht aufrechterhalten: Im<br />
Flow-Zustand existieren keine elitären Zugänge - sowohl BergbäuerInnen als auch<br />
Wallstreet-Broker können Flow-Erlebnisse generieren (vgl. Mihaly Csikszentmihalyi<br />
1995a, 378ff.). Deren zeitlose Zeit ist vom persönlichen Empfinden her vergleichbar -<br />
allerdings nicht in der Kompatibilität ihrer Auswirkungen. Die zeitlose Zeit der<br />
Netzwerkgesellschaft verbindet die Menschen nicht mehr - die Verbindung muss über<br />
Netzwerkknoten laufen, die in mehreren Netzwerken wirken.<br />
In der Konsequenz bleibt festzuhalten, dass Flow aus subjektiver Sicht auch<br />
unabhängig vom space of flows entstehen kann. Einfluss auf die gesellschaftlich<br />
prägenden Netzwerke der Netzwerkgesellschaft aber kann nur ausüben, wer über den<br />
space of places in den space of flows einsteigt und die persönliche Zielsetzung mit<br />
mindestens einem Netzwerk verbindet. Erst dann lässt sich Flow im space of flows<br />
erleben.<br />
Seitens der einzelnen Person muss dieser Einstieg nicht zwangsläufig über digitale<br />
Schnittstellen geschehen, wohl aber über die Einflussnahme auf die<br />
Verbindungspunkte verschiedener Netzwerke - und diese sind zunehmend digitalisiert.<br />
3.1.3 IDENTITÄT UND MACHT BEI AUTOTELISCHEN<br />
PERSÖNLICHKEITEN<br />
Wie also kann man als Person Einfluss nehmen auf die Gestaltung der<br />
Netzwerkgesellschaft? Nach Castells kann Macht genau an den Verbindungspunkten<br />
ausgeübt werden, die u.a. die zeitlose Zeit der Netzwerkgesellschaft zu synchronisieren<br />
vermag. 50 Dabei entspricht Macht in der Netzwerkgesellschaft einer symbolischen<br />
Gewalt über die kulturellen Codes und Protokolle. Kultur, verstanden als Prozess und<br />
nicht als Inhalt. Dieser Prozess ist strukturell determiniert: Die verschiedenen<br />
Netzwerkknoten bedingen sich wechselseitig, sowohl was die Identität des Einzelnen<br />
als auch des Netzwerkes angeht. Ist ein spezifischer Netzwerkknoten für das Gesamt-<br />
Netzwerk nicht mehr von Bedeutung, wird er umgangen. Diese potentielle<br />
Bedeutungslosigkeit jedes einzelnen Netzwerkknotens, und im Zweifel auch jeden<br />
Individuums als Netzwerkknoten, bedarf einer stabilen individuellen Identität.<br />
Die Gestaltungsspielräume individueller Identitätsentwürfe haben durch das Internet<br />
erheblich zugenommen. Erzählte Netzidentitäten stehen archivierten Netzprofilen<br />
gegenüber und erobern sich einen Autonomieanspruch gegen die Vereinnahmung der<br />
Herrschaftsstrukturen der Netzwerkgesellschaft. Das Selbst setzt sich gegen das Netz<br />
zur Wehr - und nur diese selbst konstruierte, primäre Identität, die sich selbst erhält,<br />
über Raum und Zeit hinweg, bietet den Menschen in der Netzwerkgesellschaft einen<br />
50 Siehe Kapitel 2.1.5