Anja Christine Wagner | UEBERflow

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07.03.2013 Aufrufe

© a c w Ko mp e t e n t e s L e r n e n i n d e r N e t zw e r k g e s e l l sc h a f t 106 ausgeliefert werden. Es könnte darauf zulaufen, nicht nur die medial passiven Personen auf den vernetzten Weg mitzunehmen, sondern gleichzeitig die Fähigkeiten der medial aktiven Menschen gesellschaftlich sinnvoll zu kanalisieren. Auf politischer und pädagogischer Ebene gilt es nach Jenkins gegen drei gesellschaftliche Spaltungen zu intervenieren (Jenkins 2006, 12ff.): • Die Partizipationslücke betrifft den Zugang, die sozialen wie medialen Kompetenzen und das Wissen, um an der Welt von morgen voll partizipieren zu können. • Das Transparenz-Problem, das das Bildungssystem von heute nicht den medialen Realitäten Rechnung trägt und junge Menschen keine klare Orientierung erhalten, wohin die Reise geht. • Die ethische Herausforderung, die daraus entsteht, dass die traditionellen Sozialisationsprozesse die Heranwachsenden nicht auf ihre wachsenden, öffentlichen Rollen als Medienmacher/innen vorbereiten. In diesem Sinne weitet die Diskussion rund um die Netzwerkkompetenz den verengten Blick von den einzelnen Internet-Nutzer/innen auf alle gesellschaftlichen Netzwerkknoten. Die Autonomie des Einzelnen lässt sich in einer vernetzten Welt nur über den sozialen Bezug wechselseitig garantieren. Es zeichnet sich ab, dass sich die Bildungspolitik in der Netzwerkgesellschaft von ihrer funktionalen Fokussierung auf die Passgenauigkeit des Individuums in das sozio-ökonomische Räderwerk lösen und emergente sozio-kulturelle Prozesse als vernetzte Gesellschaft unterstützen sollte. 2.3.4 ZWISCHENFAZIT: KOMPETENZ FÜR VERNETZTES LERNEN 43 Netz-Kompetenz ist kein umfassend eingeführter, wissenschaftlicher Begriff. Vielmehr konzentriert sich das Gros der Fachliteratur zum Kompetenz-Thema auf medienpädagogische Konzepte, um die webbasierte Informations- und Medienkompetenz bestimmter Zielgruppen intervenierend zu begleiten. Im Internet Literacy Handbook der UNESCO 44 konzentriert man sich z.B. auf die Beschreibung des Zugangs und der technischen Nutzung der einzelnen Internet-Funktionalitäten als Medien. Allerdings liegt einem solchen Medienbegriff ein lineares Mittelverständnis zugrunde, das die Entstehung des neuen semantischen Raumes, den das Internet eröffnet, vernachlässigt (vgl. hierzu Rückriem 2010). So führt beispielsweise die Allgegenwart der Online-Technologien zu einer beispiellosen Konvergenz von bis dato getrennten Bereichen (Öffentlichkeit vs. Privatleben, Arbeit und Freizeit, Bildung und Selbstlernen, Information und Unterhaltung etc.) und damit zu einer Synthese bislang 43 Das folgende Kapitel enthält Auszüge aus meinem Buchbeitrag „Kompetenzentwicklung in vernetzten Kontexten. Herausforderungen für die Bildungspolitik“ (Anja C. Wagner 2011). 44 http://www.coe.int/t/dghl/standardsetting/internetliteracy/hbk_en.asp

© a c w Ko mp e t e n t e s L e rn e n in d e r N e t zw e r k g e s e l l sc h a f t 107 als getrennt wahrgenommener Fähigkeiten. Die Gesellschaft spaltet sich - entlang der Bildung, entlang des Portemonnaies (ergo der technischen Ausstattung) und entlang der sozio-technologischen Generationen. Gleichzeitig jagen sich die medialen Entwicklungen in einem atemraubenden Tempo. Die so genannte „net generation“ (Tapscott) ist nicht das Problem, sie nimmt die neuen, technischen Hürden theoretisch recht schnell. In der praktischen sozialen Vernetzung können zwar je nach sozio-kulturellem und sozio-ökonomischen Background (boyd 2008) und je nach Bildungsgrad bzw. individuellem Interesse (Schulmeister 2008) unterschiedliche Schwerpunkte festgestellt werden - aber das subjektive Potenzial für die Möglichkeiten der neuen Medien ist gegeben. Den gesellschaftlichen Kräften gelingt es jedoch kaum, diese Entwicklungen differenziert und konstruktiv zu begleiten. Kompetenzen lediglich als individuelle Modi der Weltbegegnung oder basale Kulturwerkzeuge zu analysieren, vermag nicht die sozio-kulturelle Praxis netzwerkkompetenter Handlungen zu greifen. Und so wie Kompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen -von den technischen Grundlagen (Mausbedienung o.ä.) über die intermediären Fertigkeiten (Internetsuche, Forumsaktivität o.ä.) bis hin zu fortgeschrittenen Fähigkeiten (Kreativität, Selbstlernen, Partizipation, Kritik)- konzeptualisiert werden können, so liessen sich diese Ebenen durch soziale Strukturen fördern: Auf der grundlegenden Stufe gilt es, die Potenziale der Sozio-Technologien zugänglicher zu gestalten; auf der intermediären Ebene müssen die Fertigkeiten durch institutionellen Support gefördert und schließlich auf der anspruchvollsten Ebene bedarf die Netz-Kompetenz gesellschaftlicher Aktivitäten und Diskurse auf politischer, kultureller wie ökonomischer Ebene (Sonia Livingstone 2007, 114). Und es bedarf radikaler Diskurse, denn kooperative Netzwerke bewegen sich an der „Grauzone von Selbstpraktiken, Herrschaft und Macht“ (Reichert 2008, 13). Es entstehen neue Zwänge der Visualisierung und Vernetzung, die Personen letztlich keine autonome Entscheidung mehr für oder gegen die Online-Teilhabe garantiert. Vielmehr erschaffen Medien die Subjekte und Subjekte die Medien wechsel- und gegenseitig. Wissen basiert in der Konsequenz auf gegebenen Herrschafts- und Machtbeziehungen (ebd., 23). Für die Produktion von Wissen wird die Recherche, Analyse, Strukturierung, Vermittlung und Verarbeitung von Informationen immer wichtiger. Doch Informationen sind zwar in nie gekanntem Umfang vorhanden, jedoch nicht uneingeschränkt zugänglich (Dewe und Weber 2007, 10). Hinzu kommt die Vielfalt an medialen Zugriffsmöglichkeiten und Verarbeitungsroutinen im Zeitalter des Web 2.0, die für den Informationskreislauf genutzt werden können. Und die letztlich dahin führen, dass eine Unterscheidung zwischen Daten, Informationen und Wissen angesichts der Dynamik heute nicht mehr relevant erscheint:

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als getrennt wahrgenommener Fähigkeiten. Die Gesellschaft spaltet sich - entlang der<br />

Bildung, entlang des Portemonnaies (ergo der technischen Ausstattung) und entlang<br />

der sozio-technologischen Generationen.<br />

Gleichzeitig jagen sich die medialen Entwicklungen in einem atemraubenden Tempo.<br />

Die so genannte „net generation“ (Tapscott) ist nicht das Problem, sie nimmt die<br />

neuen, technischen Hürden theoretisch recht schnell. In der praktischen sozialen<br />

Vernetzung können zwar je nach sozio-kulturellem und sozio-ökonomischen<br />

Background (boyd 2008) und je nach Bildungsgrad bzw. individuellem Interesse<br />

(Schulmeister 2008) unterschiedliche Schwerpunkte festgestellt werden - aber das<br />

subjektive Potenzial für die Möglichkeiten der neuen Medien ist gegeben. Den<br />

gesellschaftlichen Kräften gelingt es jedoch kaum, diese Entwicklungen differenziert<br />

und konstruktiv zu begleiten.<br />

Kompetenzen lediglich als individuelle Modi der Weltbegegnung oder basale<br />

Kulturwerkzeuge zu analysieren, vermag nicht die sozio-kulturelle Praxis netzwerkkompetenter<br />

Handlungen zu greifen. Und so wie Kompetenzen auf unterschiedlichen<br />

Ebenen -von den technischen Grundlagen (Mausbedienung o.ä.) über die<br />

intermediären Fertigkeiten (Internetsuche, Forumsaktivität o.ä.) bis hin zu<br />

fortgeschrittenen Fähigkeiten (Kreativität, Selbstlernen, Partizipation, Kritik)-<br />

konzeptualisiert werden können, so liessen sich diese Ebenen durch soziale Strukturen<br />

fördern: Auf der grundlegenden Stufe gilt es, die Potenziale der Sozio-Technologien<br />

zugänglicher zu gestalten; auf der intermediären Ebene müssen die Fertigkeiten durch<br />

institutionellen Support gefördert und schließlich auf der anspruchvollsten Ebene<br />

bedarf die Netz-Kompetenz gesellschaftlicher Aktivitäten und Diskurse auf politischer,<br />

kultureller wie ökonomischer Ebene (Sonia Livingstone 2007, 114).<br />

Und es bedarf radikaler Diskurse, denn kooperative Netzwerke bewegen sich an der<br />

„Grauzone von Selbstpraktiken, Herrschaft und Macht“ (Reichert 2008, 13). Es<br />

entstehen neue Zwänge der Visualisierung und Vernetzung, die Personen letztlich<br />

keine autonome Entscheidung mehr für oder gegen die Online-Teilhabe garantiert.<br />

Vielmehr erschaffen Medien die Subjekte und Subjekte die Medien wechsel- und<br />

gegenseitig. Wissen basiert in der Konsequenz auf gegebenen Herrschafts- und<br />

Machtbeziehungen (ebd., 23).<br />

Für die Produktion von Wissen wird die Recherche, Analyse, Strukturierung,<br />

Vermittlung und Verarbeitung von Informationen immer wichtiger. Doch<br />

Informationen sind zwar in nie gekanntem Umfang vorhanden, jedoch nicht<br />

uneingeschränkt zugänglich (Dewe und Weber 2007, 10). Hinzu kommt die Vielfalt an<br />

medialen Zugriffsmöglichkeiten und Verarbeitungsroutinen im Zeitalter des Web 2.0,<br />

die für den Informationskreislauf genutzt werden können. Und die letztlich dahin<br />

führen, dass eine Unterscheidung zwischen Daten, Informationen und Wissen<br />

angesichts der Dynamik heute nicht mehr relevant erscheint:

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