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Der ehemalige Hausierhandel der Erzgebirge - Geschichte-ana.de

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Zeit an Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lagstätten nachsen<strong>de</strong>n ließen. Die meisten aber kehrten alljährlich zum Winter<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e reisten während dieser Jahreszeit und gingen im Sommer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beschäftigungen<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat nach.<br />

Daß das Umherziehen erzgebirgischer Han<strong>de</strong>lsleute, und ganz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen, welche Arzneiwaren,<br />

Olitäten und wohlriechen<strong>de</strong> Wässer unter <strong>de</strong>m leichtgläubigen Volke abzusetzen suchten,<br />

mit mancherlei gesundheitlichen und sittlichen Gefahren verbun<strong>de</strong>n sein mußte, sahen wahrhafte<br />

Volksfreun<strong>de</strong> und Behör<strong>de</strong>n ein, doch waren alle Warnungen und Maßregeln sehr häufig<br />

vergeblich. Erst nach und nach konnte <strong>de</strong>m eingerissenen Übelstan<strong>de</strong> erfolgreich begegnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Schon zu Anfange dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts schrieb Engelhardt in seiner Erdbeschreibung von<br />

Kursachsen (I. 205): „Während die Landreisen<strong>de</strong>n im In- und Auslan<strong>de</strong> umherzogen, mußten ihre<br />

Familien sehen, wie sie von Klöppeln und an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Handarbeiten, wohl auch vom Borgen sich<br />

mühselig ernährten. Kehrten diese wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Hausväter zum Winter heim, so sollten sie die<br />

Schul<strong>de</strong>n beim Bäcker, beim Fleischer u.s.w. bezahlen, was sie jedoch nicht immer ganz imstan<strong>de</strong><br />

waren, so daß sie dauernd in einer mißlichen Lage blieben.“ Engelhardt wies dabei auch darauf<br />

hin, daß das „Landgehen“ in vieler Rücksicht unter die moralisch schädlichen Nahrungszweige gehöre,<br />

da das beständige Herumschweifen nichts weniger als gute Sitten erzeuge. Fern von Weib und<br />

Kind wür<strong>de</strong>n die heiligen Ban<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Häuslichkeit, die Gatten- und Vaterpflichten nur zu leichtn<br />

vergessen. Auch Knaben erzog man zum Han<strong>de</strong>l mit Arzneien; man sah dieselben im Alter von 14<br />

bis 15 Jahren bereits mit ihren Vätern in die Frem<strong>de</strong> gehen, so daß sie sich wie letztere bald unterfingen,<br />

sogleich beim Eintritt in die Stuben <strong>de</strong>n Leuten zu sagen, ob sie an „Herzwürmern, Herzgespann<br />

u.s.w.“ litten. „Die Kirchhöfe erhielten“, wie Engelhardt hinzufügt, „durch diese reisen<strong>de</strong>n<br />

Afterärzte gewiß manches unzeitige Opfer“. Im Jahre 1821 hatte unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>en auch <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige<br />

Schwarzenberger Amtsphysikus Dr. Zeune bei Abfassung eines Gutachtens die geeignetste Gelegenheit,<br />

sich kräftig gegen diesen Arzneihan<strong>de</strong>l auszusprechen, in<strong>de</strong>m er auf bereits erlassene<br />

Verordnungen und die Gutachten medzininischer und volkswirtschaftlicher Schriftsteller und<br />

schließlich ebenfalls auf diejenige nachteilige Seite dieses Medizinalhan<strong>de</strong>ls hinwies, welche für die<br />

Sittlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Herumträger daraus erwachsen müsse. Er meinte, dieselben gewöhnten sich an ein<br />

herumschweifen<strong>de</strong>s Leben und müßten, in<strong>de</strong>m sie stets auf Betrug und Überlistung bedacht seien, in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel schlechte Hausväter und noch schlechtere Staatsbürger sein. Zur Begründung wies er als<br />

ein Beispiel auf Sosa hin, in welchem Orte „die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> vagieren<strong>de</strong>n Arznei- und Olitätenhändler<br />

legion sei, <strong>de</strong>ssen Einwohner aber durch ihre Immoralität und Hinneigung zu Exzessen bekannt seien“.<br />

Es wird nun auch die Thatsache nicht auffallen, daß zahlreiche „Landreisen<strong>de</strong>“ im Verkehre<br />

unter einan<strong><strong>de</strong>r</strong> sich einer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sprache, <strong><strong>de</strong>r</strong> sogenannten „Knochensprache“ bedienten, in<br />

welcher das Hoch<strong>de</strong>utsch mit einer großen Anzahl von Wörtern durchsetzt war, die aus <strong>de</strong>m Hebräischen,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ziegeunersprache u.s.w. stammten o<strong><strong>de</strong>r</strong> neu gebil<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n waren. Diese Sprache,<br />

welche nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es als eine Abart <strong>de</strong>s „Rothwelsch“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kun<strong>de</strong>nsprache“ ist, war <strong>de</strong>m Unkundigen<br />

völlig unverständlich.<br />

Von <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n und seinenb Erzeugnissen unabhängig hatten sich im <strong>Erzgebirge</strong> mehrere Industriezweige<br />

eingebürgert, welche ebenfalls Gegenstän<strong>de</strong> für einen ausgebreiteten <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong><br />

lieferten. Von diesen Erwerbszweigen mögen die Spitzenklöppelei, Posamenten- und Bürstenfabrikation<br />

hervorgehoben wer<strong>de</strong>n.<br />

Als gegen Mitte <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts Barbara Uttmann, geborne von Elterlein und Gemahlin<br />

eines begüterten Annaberger Bergherrn, armen Mädchen das Spitzenklöppeln lehrte, ahnte man<br />

vielleicht zunächst noch nicht, welche Wohlthat diese Kunst in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge für unsere erzgebirgische<br />

Bevölkerung wer<strong>de</strong>n sollte. Bei <strong>de</strong>m allmählichen Darnie<strong><strong>de</strong>r</strong>liegen <strong>de</strong>s Bergbaues öffnete sich durch<br />

das Klöppeln für Frauen und Mädchen, ja teilweise auch für Männer, welche infolge ihres Alters<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer Gebrechlichkeit harte Arbeiten nicht verrichten konnten, eine Einnahmequelle, durch<br />

welche die Sorgen mancher armen Familie gehoben o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch gemil<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>n. Ja selbst kleine<br />

Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> konnten zum Unterhalte <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie durch ihre geschickten fleißigen Hän<strong>de</strong> etwas beitragen.<br />

Die Klöpplerin kaufte entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n Spitzen nötigen Zwirn selbst, um sodann erstere aus<br />

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