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Der ehemalige Hausierhandel der Erzgebirge - Geschichte-ana.de

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Dr. E. Köhler<br />

<strong>Der</strong> <strong>ehemalige</strong> <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Erzgebirge</strong>r<br />

Wo die Anhänglichkeit und Liebe zur heimischen Scholle fehlt, nimmt <strong><strong>de</strong>r</strong> auf ihr Geborne mehr<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger freudig von <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Abschied und wan<strong><strong>de</strong>r</strong>t in die weite Welt hinaus, um sich eine<br />

neue Heimat und ein neues Vaterland zu suchen. Wo aber diese Liebe im Herzen unvertilgbare<br />

Wurzeln geschlagen, da bleibt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch seßhaft und sei er auch noch so arm; bei kärglichem Brote<br />

und mancher sonstigen Trübsal <strong>de</strong>s Lebens ist er <strong>de</strong>nnoch glücklich, wenn er nur die liebgewonnenen<br />

Plätze betreten, <strong>de</strong>n Wald, die grünen Berghal<strong>de</strong>n, die Thäler mit ihren Quellen und<br />

Bächen sehen kann, welche ihm seit seiner Kindheit vertraut gewor<strong>de</strong>n sind. Zwingt ihn aber die<br />

Notdurft <strong>de</strong>s Lebens, daß er sein väterliches Haus und <strong>de</strong>n Ort verlassen muß, in welchem er je<strong>de</strong>n<br />

kennt und wo er selbst von je<strong>de</strong>m gekannt ist, dann leiten ihn in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frem<strong>de</strong>, wie die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> unsers<br />

erzgebirgischen Historikers Christian Lehmann im Vorworte zu <strong>de</strong>ssen Schauplatze schrieben, seine<br />

Gedanken in <strong><strong>de</strong>r</strong> Stille an die bekannten Orte, wo er in <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend, im Vaterlan<strong>de</strong> seine kindische<br />

Ergötzlichkeit hatte, so daß er oft damit zu einer innigen Freu<strong>de</strong> bewegt und öfters im Schlaf durch<br />

Träume ins Vaterland versetzt und mit einer Schattenlust davon unterhalten wird. Niemals verblaßt<br />

seine Anhänglichkeit zur Heimat, so daß er die Tage und Stun<strong>de</strong>n sehnsüchtig zählt, bis er mit <strong>de</strong>m<br />

an fernen Orten in <strong><strong>de</strong>r</strong> schönen Jahreszeit erworbenen Verdienste wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in die nicht selten ärmliche<br />

Hütte, wo ihn die Seinigen erwarten, zurückkehren kann, um mit <strong>de</strong>nselben in Genügsamkeit die<br />

Wintertage zu verleben. Zahlreiche <strong>Erzgebirge</strong>r früherer Zeit wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ten in je<strong>de</strong>m Jahre Monate lang<br />

gleich Zugvögeln in die Frem<strong>de</strong>, um dann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zur heimischen Scholle zurückzukehren, die ihnen<br />

als das schönste Er<strong>de</strong>nfleckchen erschien und darum über alles teuer war.<br />

Könnten wir aber um ein Jahrtausend rückwärts schauen, wie wür<strong>de</strong>n wir von <strong><strong>de</strong>r</strong> Majestät <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gewaltigen dunklen Fichtenwäl<strong><strong>de</strong>r</strong> ergriffen wer<strong>de</strong>n, die damals unser Gebirge be<strong>de</strong>ckten. Unter <strong>de</strong>n<br />

Riesenbäumen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Bezirk wohl kaum <strong><strong>de</strong>r</strong> Fuß eines mit Wurfgeschoß und Streitaxt bewaffneten<br />

Jägers betrat, wei<strong>de</strong>ten unbesorgt vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe <strong>de</strong>s Menschen zahlreiche Hirsche, die nur gefähr<strong>de</strong>t<br />

waren von blutgierigen Wölfen; auf <strong>de</strong>n ausge<strong>de</strong>hnten trügerischen Mooren wühlte das Wildschwein,<br />

in Schluchten hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bär seine Lagerplätze, und oben im Geäst lauerte <strong><strong>de</strong>r</strong> Luchs auf<br />

vorüberschreiten<strong>de</strong>s Wild. <strong>Der</strong> böhmische Wald, wie unser Gebirge später wohl vielfach genannt<br />

wur<strong>de</strong>, ruhte noch in tiefer Einsamkeit. Erst später drangen wenige Familien in die Wildnis vor und<br />

grün<strong>de</strong>ten kleine Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungen; es waren vorzugsweise Deutsche, vereinzelt aber auch Angehörige<br />

slavischer Stämme, die aus <strong>de</strong>n tiefer gelegenen Gegen<strong>de</strong>n kamen, um vielleicht in <strong>de</strong>m damals<br />

von nieman<strong>de</strong>m als Eigentum beanspruchten Waldgebirge Freiheit und Schutz zu suchen. Eine neue<br />

Zeit begann jedoch, als man von <strong>de</strong>n reichen metallischen Schätzen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiefe <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong> Kun<strong>de</strong><br />

erhielt. Jetzt mehrten sich von Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t zu Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t die geschlossenen Ansie<strong>de</strong>lungen; <strong>de</strong>nn<br />

zahlreich strömten Unternehmungslustige und Arbeiter herbei; in <strong>de</strong>n bis dahin geschlossenen dichten<br />

Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>n entstan<strong>de</strong>n Lichtungen, Bergstädte blühten rasch auf, und in ihrer Umgebung erhoben<br />

sich kahle Hal<strong>de</strong>n tauben Gesteins, während das aus <strong>de</strong>n Gruben geför<strong><strong>de</strong>r</strong>te Erz <strong>de</strong>n Pochwerken<br />

und Schmelzhütten zugeführt wur<strong>de</strong>. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung Freibergs in <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Hälfte <strong>de</strong>s<br />

12. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, veranlaßt durch die bei Christiansdorf ent<strong>de</strong>ckten reichen Silbererzgänge, welche<br />

einen starken Einwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsstrom hervorriefen, folgten vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 15. bis zum ersten Drittel<br />

<strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts infolge an<strong><strong>de</strong>r</strong>wärts gefun<strong>de</strong>ner Erze die Gründungen Schneebergs, Annabergs<br />

mit Buchholz, Altenbergs, Scheibenbergs, Jöhstadts, Marienbergs, Oberwiesenthals, und auf <strong>de</strong>m<br />

böhmischen Teile <strong><strong>de</strong>r</strong> Städte Kupferberg, Sebastiansberg, Sonneberg, Platz und Joachimsthal, sowie<br />

von Gottesgab und Platten, welche damals noch zum Meißnischen Gebiete gehörten. Durch Einwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />

bedrängter Evangelischer aus Böhmen entstan<strong>de</strong>n im 17. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te mitten in <strong>de</strong>n<br />

oberen Waldgebieten neue Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungen, o<strong><strong>de</strong>r</strong> bereits vorhan<strong>de</strong>ne wur<strong>de</strong>n vergrößert; in diese<br />

Zeit fallen die Gründungen von Johanngeorgenstadt, Georgenfeld, Deutsch-Katharinaberg, Deutsch-<br />

Neudorf und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er.<br />

= 1 =


So wur<strong>de</strong> das bei <strong>de</strong>m ersten Vordringen <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen noch einsame Gebirge immer bevölkerter,<br />

die auf seiner nördlichen Abdachung und an seinem Fuße einst zum Schutze gegen die<br />

slavischen Einfälle und Erhebungen gebauten festen Burgen, <strong>de</strong>nen sich sehr bald die Häuser ackerbautreiben<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bewohner angeschlossen hatten, waren nicht mehr die einzigen Stätten, welche die<br />

Wildnis unterbrachen, und dazu kamen noch die über das Gebirge führen<strong>de</strong>n Straßen, an die sich, so<br />

beschwerlich ihre Benutzung auch für Lasttiere und Wagengespanne Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te lang war, doch<br />

die Kultur <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>ns allmählich anfügte.<br />

Hatte unser Gebirge bis dahin <strong>de</strong>n Charakter eines Waldgebirges bewahrt, was ja auch noch<br />

gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mittelalters die Benennung „Böhmische Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>“ und „Böhmischer Wald“ zum<br />

Ausdrucke brachten, so trat später seine Eigentümlichkeit als erzreiches Gebirge immer bestimmter<br />

hervor. Nach<strong>de</strong>m man im 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te einzelne seiner Teile als „die <strong>Erzgebirge</strong>“ bezeichnet<br />

hatte, entwickelte sich später und zwar erst gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 17. und am Anfange <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> jetzt allgemein gebräuchliche Name „<strong>Erzgebirge</strong>“ für <strong>de</strong>n gesamten Gebirgszug.<br />

Grün<strong>de</strong>te sich diese Benennung vorzugsweise auf die reichen Anbrüche von Silbererzen, so waren<br />

doch neben diesen auch Kupfer, Zinn, Blei, Kobalt und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Metalle gewinnbringen<strong>de</strong> Ausbeuten,<br />

welche man aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiefe gewann, und ganz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s grün<strong>de</strong>ten sich auf <strong>de</strong>m Vorkommen<br />

von Eisenerzen mehrere über unser Gebirge ausge<strong>de</strong>hnte Industrien. Ja <strong><strong>de</strong>r</strong> Bergbau auf Eisenerze<br />

ist bei uns vielleicht viel älter als <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Silber und reicht in seinen ersten, wenn auch noch unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />

Anfängen je<strong>de</strong>nfalls bis in die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung slavischer Ansie<strong>de</strong>lungen am Fuße und<br />

Nordabhange <strong>de</strong>s Gebirges zurück. Die Gewinnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Eisenerze aber zog die Anlage von Hohöfen,<br />

Hammerwerken, Blechhämmern und Drahtziehereien nach sich. <strong>Der</strong> ausge<strong>de</strong>hntere Bergbau<br />

auf Eisenerze und die damit zusammenhängen<strong>de</strong> Industrie begann bei uns in <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Hälfte <strong>de</strong>s<br />

14., einen weitern Aufschwung gewannen bei<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Hälfte <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, aber<br />

schon am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts gingen einzelne Hammerwerke infolge <strong>de</strong>s bereits merklichen<br />

Holzmangels wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ein. Entstan<strong>de</strong>n waren z.B. die Eisenhämmer zu Raschau und Steinbach um<br />

1400, <strong><strong>de</strong>r</strong> zu Elterlein 1500, zu Breitenhof 1570, Ober-Rittersgrün 1584, Wil<strong>de</strong>nthal 1598, Wittigsthal<br />

1640, Carlsfeld 1679, und ihnen allen schlossen sich <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Werke o<strong><strong>de</strong>r</strong> Blechhämmer noch<br />

in Mul<strong>de</strong>nhammer, <strong>de</strong>ssen Ursprung man selbst bis in die Sorbenzeit zurückverlegt, in Morgenröthe<br />

und Tannenbergsthal (bereits im 15. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te), Erla, Pfannenstiel, Schönhei<strong>de</strong>, Schmie<strong>de</strong>berg,<br />

Thalheim und Einsie<strong>de</strong>l an <strong><strong>de</strong>r</strong> Zwönitz, Einsie<strong>de</strong>l Sensenhammer und Wiesenthal im höheren Gebirge<br />

und zahlreiche an<strong><strong>de</strong>r</strong>e an. Wie sehr aber durch diese Werke <strong><strong>de</strong>r</strong> Holzreichtum <strong>de</strong>s Gebirges<br />

abgenommen hatte, erfahren wir unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em aus einer Bemerkung <strong>de</strong>s Eibenstocker Chronisten<br />

Oettel vom Jahre 1748: „Die Hammerwerke haben die Waldungen schon zu versilbern gewußt,<br />

aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong>gestalt dünn gemacht, daß man sich vor keine Bären und Wölfe mehr fürchten darf“.<br />

Dennoch war <strong><strong>de</strong>r</strong> Eisenbergbau ein Segen für unser Gebirge; zahlreiche Bewohner fan<strong>de</strong>n nicht nur<br />

unmittelbar bei <strong>de</strong>mselben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in <strong>de</strong>n Hammerwerken, Walz- und Drahtwerken, sowie<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> weiteren Bearbeitung <strong>de</strong>s Eisens und Stahls zu Löffeln, Nägeln, Na<strong>de</strong>ln, Schnei<strong>de</strong>werkzeugen<br />

und dgl. Beschäftigung und Brot.<br />

Zur Herstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Löffel bezog man früher in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwarzenberger Gegend das in Stäben geschmie<strong>de</strong>te<br />

Eisen von <strong>de</strong>n Hammerwerken; die Plattenschmie<strong>de</strong> verfertigten daraus Platten, die Löffelmacher<br />

teuften dieselben auf einem Ambosse in stählernen Formen aus, und endlich wur<strong>de</strong> die<br />

auf diese Weise geformte Ware verzinnt und gescheuert, um unter <strong>de</strong>m nicht völlig zutreffen<strong>de</strong>n<br />

Namen „Blechlöffel“ in <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l gebracht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Wie die eigentlich aus Eisenstäben geformten sogenannten „Blechlöffel“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Verzinnung unterworfen<br />

wur<strong>de</strong>n, so geschah dies auch mit <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n Blechhämmern gelieferten schwarzen<br />

Eisenbleche. Das Zinn lieferte unser Gebirge in auskömmlicher Menge, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>ssen Erz teils<br />

durch Grubenbau in Altenberg und Geyer, teils durch die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong><strong>de</strong>r</strong> Eibenstocker Gegend und<br />

auf <strong>de</strong>m Gebirgskamme zwischen Gottesgab und Platten schon seit alter Zeit betriebene Seifenarbeit<br />

gewonnen wur<strong>de</strong>.<br />

= 2 =


Die Klempnerei ernährte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge in manchen Orten, z.B. in Eibenstock, das zu Anfang unsers<br />

Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts gegen 90 Klempnermeister besaß, eine erhebliche Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewohner. Neben<br />

<strong>de</strong>n Waren aus verzinntem Blech wur<strong>de</strong>n auch, z.B. in Schönhei<strong>de</strong> und Grünhain, solche aus<br />

Schwarzblech gefertigt, und letztgenannter Ort lieferte außer<strong>de</strong>m, ebenso wie Elterlein, noch Nägel<br />

und Zwecken als seine hauptsächlichsten Industrieerzeugnisse. Ganz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s aber blühte in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ersten Hälfte dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts die Nagelfabrikation im Raschauer Grun<strong>de</strong> bis nach Scheibenberg.<br />

Dieselbe war dort ein Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te alter Erwerbszweig, zu <strong>de</strong>m das in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegend hergestellte weiche<br />

Holzkohleneisen die Veranlassung gegeben hatte. Man arbeitete mit <strong>de</strong>n einfachsten Werkzeugen<br />

an einem Kohlenfeuer, <strong>de</strong>ssen Zuthat leicht und billig zu beschaffen war. (Richter, Beschr.<br />

d. K. Sachsen II. 394.)<br />

Oberwiesenthal dagegen lieferte gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s vorigen und zu Anfange dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />

Haarna<strong>de</strong>ln, Messer und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e stählerne Gegenstän<strong>de</strong>. Alle die genannten Produkte <strong><strong>de</strong>r</strong> Handarbeit<br />

unserer <strong>Erzgebirge</strong>r aber wur<strong>de</strong>n von zahlreichen Personen im Kleinhan<strong>de</strong>l vertrieben, und so bil<strong>de</strong>ten<br />

sie die teilweise Veranlassung zu einem Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>leben, das lange Zeit hindurch eine Eigentümlichkeit<br />

sehr vieler Bewohner unsers Gebirgs gewesen ist. Bereits im Jahre 1628 schrieben Richter<br />

und Schöppen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein<strong>de</strong> Bockau, daß die dortigen Einwohner außer mit hölzernen auch mit<br />

„Plechern wahren“ die Jahrmärkte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entfernung von „viel meilen“ besuchten, und weiter<br />

wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts unter <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lsgegenstän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewohner genannten<br />

Ortes außer <strong>de</strong>n blechernen auch die eisernen Waren genannt, ja von einem Johann Gottlob Lorenz<br />

daselbst wird um dieselbe Zeit gesagt, daß er neben <strong>de</strong>m Vitriol auf seiner Reise nach Steyermark<br />

auch steyrische Eisenwaren geführt habe, also wahrscheinlich von dort als Han<strong>de</strong>lsgegenstand mitbrachte.<br />

Noch aus <strong>de</strong>m Jahre 1821 mel<strong>de</strong>n die Akten von einem Sosaer Händler, <strong><strong>de</strong>r</strong> neben Eisen- und<br />

Stahlwaren, auf welche sein Paß lautete, auch Arzneimittel bei sich führte, weshalb er mit Bischofswerda<br />

gefänglich eingezogen wur<strong>de</strong>.<br />

Die mit schwarzen Blechwaren hausieren<strong>de</strong>n Schönhei<strong><strong>de</strong>r</strong> nannte man „Röhrenschieber“, was<br />

wahrscheinlich darauf hinweist, daß zu <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lsgegenstän<strong>de</strong>n aus genanntem Orte auch blecherne<br />

Ofenrohre gehörten. Mit ihnen waren es auch Bärenwal<strong><strong>de</strong>r</strong>, Bernsbacher und Beierfel<strong><strong>de</strong>r</strong>, welche<br />

auf Schiebkarren o<strong><strong>de</strong>r</strong> kleinen selbstgezogenen Wagen die schwarzen Blech- und Eisenwaren von<br />

Ort zu Ort fuhren und so lange von ihrem Dorfe fortblieben, bis sie alles verkauft hatten. Ja einzelne<br />

von ihnen hatten an gewissen Orten förmliche Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lagen, und von hier aus trieben sie dann <strong>de</strong>n<br />

<strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Umgegend. Dabei wur<strong>de</strong>n sie nicht selten von ihren Söhnen, selbst wenn diese<br />

erst im Alter von 10 bis 12 Jahren stan<strong>de</strong>n, unterstützt. (Engelhardt, Erdbeschr. v. Kursachsen I.<br />

163.)<br />

Neben <strong>de</strong>n Haarna<strong>de</strong>ln und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en in das Nadlergewerbe einschlagen<strong>de</strong>n, aus Stahl gefertigten<br />

Gegenstän<strong>de</strong>n lieferte Oberwiesenthal vor ungefähr 100 Jahren beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch Steckna<strong>de</strong>ln, zu<br />

<strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Messingdraht aus Ro<strong>de</strong>wisch bezogen wur<strong>de</strong>. Noch gegen die Mitte dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />

scheint das Nadlergewerbe in Oberwiesenthal ziemlich schwunghaft betrieben wor<strong>de</strong>n zu sein, <strong>de</strong>nn<br />

1846 gab es daselbst 30 Nadlermeister, welche außer allen Arten von Na<strong>de</strong>ln auch Knöpfe, Senkel<br />

und Heftel verfertigten. (Richter a.a.O. II. 333.) Die Absatzgebiete waren nicht nur Leipzig und<br />

Dres<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch Frankfurt a.M., und neben <strong>de</strong>m Versand im Großen befaßten<br />

sich auch Händler mit <strong>de</strong>m Kleinvertriebe, da sie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Bevölkerung hauptsächlich in<br />

<strong>de</strong>n Dörfern auf Absatz rechnen konnten. Das Ro<strong>de</strong>wischer Messingwerk aber, welches 1603 an<br />

Stelle eines Eisenwerkes gegrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n war und zu <strong>de</strong>n Na<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>n Draht lieferte, bezog zur<br />

Herstellung <strong>de</strong>s Messings das Zink aus Oberschlesien und Kupfer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s aus <strong>de</strong>m Mannsfeldischen.<br />

Ein Produkt <strong>de</strong>s erzgebirgischen Bergbau's dagegen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Speiskobalt, welchen die Bergleute <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schneeberger Gegend bisher als unbrauchbar auf die Hal<strong>de</strong>n geworfen hatten, wur<strong>de</strong> im 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />

in seinem Werte erkannt und zur Gewinnung einer blauen Farbe für Glas-, Thon- und<br />

Porzellanwaren bearbeitet. Die Schneeberger Chronik von Meltzer erzählt, daß bereits 1521 ein ge-<br />

= 3 =


wisser Peterb Wey<strong>de</strong>nhammer aus Franken aus diesem Kobalt eine blaue Farbe bereitet, <strong><strong>de</strong>r</strong> Glasmacher<br />

Christoph Schürer aus <strong>de</strong>m böhmischen Städtchen Neu<strong>de</strong>k die Herstellung aber zwischen<br />

<strong>de</strong>n Jahren 1540 und 1560 vervollkommnet habe. Es entstan<strong>de</strong>n die ersten „Farbmühlen“ als<br />

anfänge <strong><strong>de</strong>r</strong> jetzigen, mit <strong>de</strong>n Hilfsmitteln <strong><strong>de</strong>r</strong> Chemie arbeiten<strong>de</strong>n Blaufarbenwerke. Anfänglich<br />

und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s so lange, als nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kobalthan<strong>de</strong>l durch die Kurfürsten Christian II., Johann Georg<br />

I. und III. infolge gesetzlicher Bestimmungen beschränkt wor<strong>de</strong>n war, bekümmerte man sich,<br />

wie Engelhardt in seiner Erdbeschreibung von Kursachsen (I. 178) sagt, von seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung<br />

gar nicht um die neue, aus Kobalt gewonnene blaue Farbe; als aber in Holland die Erfindung vervollkommnet<br />

wor<strong>de</strong>n war, ließ Joh. Georg I. zwei „Farbmacher“ von dorther kommen und bei<br />

Schneeberg „Farbmühlen“ anlegen. Dadurch wur<strong>de</strong>n die bei Platten entstan<strong>de</strong>nen kleinen Werke<br />

zugrun<strong>de</strong> gerichtet. Vor dieser Zeit bewegte sich also wahrscheinlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkauf <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen blauen<br />

Farbe teilweise in ähnlichen Bahnen, wie das später mit <strong>de</strong>m Absatze an<strong><strong>de</strong>r</strong>er mineralischer Farben<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war. Unter <strong>de</strong>n von erzgebirgischen Hausierern geführten Waren wer<strong>de</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt auch<br />

Farben genannt. So gab z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Paß eines Einwohners aus Bockau noch in <strong>de</strong>n dreißiger Jahren<br />

dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts außer Viehpulver auch blaue Farbe an, womit <strong><strong>de</strong>r</strong> Betreffen<strong>de</strong> han<strong>de</strong>ln durfte.<br />

Einige Jahre früher hatten Bockauer Laboranten, welche bereits verschie<strong>de</strong>ne Säuren und Salze, wie<br />

Vitriolöl, Salpetersäure, Bleizucker, Glaubersalz, u.s.w. fertigten, mit Erfolg um die Erlaubnis nachgesucht,<br />

auch Bergblau, Berliner Blau, Mineralblau, Berggrün, Braunschweiger Grün, Casseler<br />

Gelb, Grünspan, Neurot, Frankfurter Schwarz, Bleiweiß und einige an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Farben herstellen zu<br />

dürfen. Wenn nun auch diese Erzeugnisse vielfach auf Bestellung geliefert wur<strong>de</strong>n, so war es doch<br />

nicht ausgeschlossen, daß dieselben im Kleinhan<strong>de</strong>l durch „Landreisen<strong>de</strong>“ ebenfalls zum Vertriebe<br />

kamen.<br />

Die Herstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> bis jetzt genannten Produkte steht mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger mit <strong>de</strong>m Bergbaue in<br />

Verbindung. Eine Erwähnung verdient schließlich auch noch die Gewinnung <strong>de</strong>s Vitriolöls obschon<br />

dieses wohl kaum ein Gegenstand gewesen ist, welchen die hausieren<strong>de</strong>n Händler mit sich führten.<br />

Möglich ist es aber doch, daß einzelne von ihnen in späterer Zeit, da sich auch Handwerker, Holzarbeiter<br />

und Bauern mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Herstellung <strong>de</strong>s Öls befaßten, <strong>de</strong>n Verkauf vermittelten. Im Jahre 1783<br />

war infolge<strong>de</strong>ssen <strong><strong>de</strong>r</strong> Preis für ein Pfund <strong>de</strong>s Vitriolöls auf 5 Groschen gesunken und <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrieb in<br />

vielen Brennereien, welcher einige Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te vorher einen lebhaften Aufschwung genommen<br />

hatte, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb gänzlich eingestellt. Im Jahre 1740 befan<strong>de</strong>n sich im <strong>Erzgebirge</strong> nur die bei<strong>de</strong>n<br />

Vitriolbrennereien zu Beierfeld und Geyer, 1756 gab es bereits 10 <strong><strong>de</strong>r</strong>selben, aber zu En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s vorigen<br />

Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts waren nur noch 5 vorhan<strong>de</strong>n.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewinnung <strong>de</strong>s Vitriolöls war zugleich die <strong>de</strong>s Schwefels verbun<strong>de</strong>n. Zur Herstellung<br />

bei<strong><strong>de</strong>r</strong> benutzte man die Eisen- und Kupferkiese, welche z.B. beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auf Stamm Asser am Graul<br />

bei Schwarzenberg gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n. Nach<strong>de</strong>m dieselben gewaschen wor<strong>de</strong>n waren, kamen sie in<br />

<strong>de</strong>n langgebauten und mit eingemauerten thönernen Röhren versehenen Brennofen. In diesen Röhren<br />

schied sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwefel von <strong>de</strong>m Eisen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kupfer <strong><strong>de</strong>r</strong> Kiese und sammelte sich in eisernen<br />

Kästen, wo er erstarrte. Es war dies <strong><strong>de</strong>r</strong> sogenannte „rohe Schwefel“, welcher dann ebenfalls in<br />

eisernen Gefäßen „geläutert“, d.h. gereinigt und darauf für Pulvermühlen u.s.w. in run<strong>de</strong> Stangen<br />

gegossen wur<strong>de</strong>. In dieser Form kam er wohl durchgängig nur auf Bestellung in <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l. Nebenbei<br />

aber wur<strong>de</strong>n aus ihm auch beim „Läutern“ verschie<strong>de</strong>ne Figuren, wie Bären, Hun<strong>de</strong>, Katzen<br />

u.s.w. gegossen, die dann mit <strong>de</strong>n Schwefelfä<strong>de</strong>n wohl vorzugsweise Gegenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Klein- und<br />

<strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong>s waren. Zur Herstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwefelfä<strong>de</strong>n, welche in einer Zeit, da man sich zum<br />

Feuermachen noch <strong>de</strong>s Stahls, Feuersteins und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zun<strong><strong>de</strong>r</strong>büchse bediente, in <strong>de</strong>n Haushaltungen<br />

nicht zu entbehren waren, schmolz man <strong>de</strong>n Stangenschwefel in Pfannen und zog Garnfä<strong>de</strong>n durch,<br />

an <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> erstarrte Schwefel haftete.<br />

Die bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewinnung <strong>de</strong>sselben in <strong>de</strong>n Röhren zurückbleiben<strong>de</strong>n Teile nannte man<br />

„Abbrän<strong>de</strong>“. Aus ihnen bereitete man wie aus <strong>de</strong>n Eisenkiesen <strong>de</strong>n Eisenvitriol, aus Kupferkiesen<br />

dagegen Kupfervitriol. Das Vitriolöl wur<strong>de</strong> dagegen nur aus <strong>de</strong>n Eisenkiesen gebrannt. (Engelhardt<br />

a.a.O. II. 209-213.) Es ist wohl anzunehmen, daß einzelne unserer hausieren<strong>de</strong>n <strong>Erzgebirge</strong>r auch<br />

= 4 =


die bei<strong>de</strong>n genannten Salze mit sich führten, und zwar beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in jener Zeit, als auch Eigenlöhner<br />

zahlreiche kleine Vitriol- und Schwefelbrennereien eingerichtet hatten und mehr Abnehmer, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Bedarf zwar meist kein großer war, gesucht wer<strong>de</strong>n mußten.<br />

Den Landreisen<strong>de</strong>n, welche im <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong> Produkte verkauften, die in näherer o<strong><strong>de</strong>r</strong> entfernterer<br />

Beziehung zum Bergbaue stan<strong>de</strong>n, können wir schließlich auch diejenigen Leute zugesellen,<br />

welche mit Nachbildungen von Berg- und Pochwerken umherzogen, um sie bei Jahrmärkten auf <strong>de</strong>n<br />

Straßen, o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Wirtsstuben vor <strong>de</strong>n Gästen, sowie ganz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n Schulen unter einer eingelernten,<br />

eintönig vorgetragenen Erklärung zu zeigen. Noch vor 50 bis 60 Jahren sahen Jugend und<br />

Erwachsene im Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> einem sich daselbst in seiner Tracht zeigen<strong>de</strong>n Bergmanne mit unverkennbarer<br />

Teilnahme nach; die Verkehrsverhältnisse waren ja zu dieser Zeit noch solche, daß es in<br />

kleinern, vom <strong>Erzgebirge</strong> entfernteren Orten nur wenige Leute gab, welche unser Gebirge besucht<br />

und Berg-, Poch- und Hüttenwerke gesehen hatten. Damals waren die Darstellungen von Bergwerken<br />

für die Jugend im Nor<strong>de</strong>n und Osten unseres Vaterlan<strong>de</strong>s wirkliche Bildungsmittel, und <strong>de</strong>n damit<br />

umherreisen<strong>de</strong>n bergfertigen, d.h. infolge ihres Alters o<strong><strong>de</strong>r</strong> eines Gebrechens nicht mehr<br />

anfahren<strong>de</strong>n Berglauten wur<strong>de</strong>n die Thüren <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulzimmer von <strong>de</strong>n Lehrern gern geöffnet. Hergestellt<br />

wur<strong>de</strong>n solche kleine Nachbildungen von Bergwerken, in <strong>de</strong>nen meist alles von Bleiglanzpapier<br />

funkelte, hauptsächlich in Johanngeorgenstadt. Sie befan<strong>de</strong>n sich abteilungsweise in einem auf<br />

<strong>de</strong>m Rücken zu tragen<strong>de</strong>n hölzernen Kasten, und die Figuren waren meist beweglich. Da sah man<br />

die Pochjungen ebenso wie die an Ort arbeiten<strong>de</strong>n Häuer, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hunt mit <strong>de</strong>n Erzen wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n<br />

Stollen gefahren, das Kunstgezeug bewegte sich, und das Glöckchen auf <strong>de</strong>m Huthause tönte nach<br />

gewissen Pausen. In genannter Stadt wur<strong>de</strong>n außer<strong>de</strong>m kleine Bergwerke kunstvoll in gläsernen Flaschen<br />

aufgebaut. Man brachte dabei die einzelnen Teile mühevoll durch <strong>de</strong>n engen Hals <strong><strong>de</strong>r</strong> Flasche<br />

und leimte sie in gehöriger Ordnung zusammen. Dann wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stöpsel in <strong>de</strong>n Hals gedreht und<br />

unten mit Riegeln und einem Vorlegeschlosse versehen. Auch letzteres konnte nur in einzelnen<br />

Stücken geschehen, weshalb man <strong>de</strong>n Stöpsel ausgehöhlt und nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Fertigstellung <strong>de</strong>s Verschlusses<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Holz ausgefüllt und Farbe überstrichen hatte. Auch die Figuren in <strong><strong>de</strong>r</strong> Flasche<br />

waren nicht selten beweglich; die Fä<strong>de</strong>n waren durch kleine, von <strong>de</strong>m Verfertiger <strong>de</strong>s Kunstwerkes<br />

selbst in die Flasche gebohrte Löcher gezogen. Solche kleine Bergwerke wur<strong>de</strong>n auch zum Verkauf<br />

angefertigt. Außer<strong>de</strong>m machte man zu diesem Zwecke in Johanngeorgenstadt auch hölzerne Kronleuchter<br />

mit einzelnen Darstellungen aus Bergwerken, große hohle Bergleute, in <strong>de</strong>nen kleine Bergwerksmaschinen<br />

Platz fan<strong>de</strong>n, o<strong><strong>de</strong>r</strong> man brachte kleine Bergleute innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Hälften großer<br />

Wallnüsse (sogen. Pfer<strong>de</strong>nüsse) unter. Ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s geschickter Bergschmied in genannter Stadt<br />

fertigte alle beim Bergwerke vorkommen<strong>de</strong>n Gerätschaften und Instrumente von Eisen und Holz so<br />

fein, daß sie sämtlich in ein Behältnis von 6 Zoll Höhe und 4 Zoll Weite gelegt wer<strong>de</strong>n konnten.<br />

(Engelhardt a.a.O. I. 199.) Alle diese Gegenstän<strong>de</strong>, abgesehen von <strong>de</strong>n zuerst erwähnten, in großen<br />

Kästen untergebrachten Bergwerken, wur<strong>de</strong>n von Händlern beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Gegen<strong>de</strong>n vertrieben, wo<br />

es keine Bergwerke gab. Manches Kind ist früher am Weihnachtsfeste damit beglückt wor<strong>de</strong>n.<br />

Als in einzelnen Gegen<strong>de</strong>n unsers Gebirgs die beginnen<strong>de</strong> geringere Ausbeute an Metallen nicht<br />

so viel Menschen wie früher zu ernähren vermochte, wur<strong>de</strong>n die letzteren allmählich genötigt, sich<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Erwerbszweigen zuzuwen<strong>de</strong>n. Zunächst bot ihnen das bei <strong>de</strong>m noch großen Waldreichtume<br />

billig zu beschaffen<strong>de</strong> Holz dazu Gelegenheit. Die im östlichen Gebirge heimische Holzwarenindustrie<br />

entwickelte sich aus kleinen Anfängen. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Bergbau in Seifen und Umgegend seinem<br />

Aussterben entgegenging, fingen zunächst die Bergleute an, verschie<strong>de</strong>ne kleine Gegenstän<strong>de</strong>, wie<br />

Schachteln, Na<strong>de</strong>lbüchsen, Knöpfe, Spin<strong>de</strong>ln u.s.w. aus Buchen-, Ahorn- und Fichtenholz zu<br />

verfertigen, und sie schritten dann zu <strong>de</strong>n einfachsten Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>spielsachen fort. Noch am Anfange<br />

dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts gab es im <strong>ehemalige</strong>n Amte Lauerstein eine Menge Familien, in <strong>de</strong>nen alle<br />

Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>, vom fünf- und sechsjährigen Kin<strong>de</strong> an bis zum Großvater, teils das ganze Jahr hindurch,<br />

teils nur im Winter Schachteln machten. Geschah <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertrieb <strong><strong>de</strong>r</strong>selben an Apotheker, Drechsler<br />

und Spielwarenfabrikanten zu dieser Zeit zwar vorzugsweise durch Aufkäufer (Engelhardt<br />

a.a.O. II. 2), so ist <strong>de</strong>nnoch anzunehmen, obschon mir darüber sichere Nachrichten fehlen, daß man<br />

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diese Gegenstän<strong>de</strong> anfänglich und später auch noch nebenbei im <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong> verkaufte. Unterstützt<br />

wird diese Annahme durch eine chronikalische Nachricht aus Bockau, nach welcher dortige<br />

Einwohner am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 15. und Anfange <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts außer Blechwaren beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch<br />

hölzerne Schachteln, Kästchen und Schüsseln fertigten. Wie M. Georg Körner (Bockauische Nachrichten,<br />

1760. 375) schrieb, füllten später diese Kästlein- und Schachtelmacher die leeren Behältnisse,<br />

mit <strong>de</strong>nen sie, wie hervorgehoben wird, auf die Märkte zogen, mit leichten und gedörrten<br />

medizinischen Wurzeln und Kräutern; daraus entwickelte sich dann <strong><strong>de</strong>r</strong> ausge<strong>de</strong>hnte Arzneihan<strong>de</strong>l,<br />

welcher <strong>de</strong>n Ort zu einer Art Berühmtheit erhob, und auf <strong>de</strong>n ich später noch ausführlicher zurückkommen<br />

wer<strong>de</strong>. Während die Anfertigung einfacher Holzwaren die Entstehung eines ganz neuten<br />

Industriezweiges anbahnte, entwickelte sich aus gleichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch ähnlichen Anfängen in Seifen,<br />

sowie in <strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n Orten Hei<strong>de</strong>lbach, Einsie<strong>de</strong>l, Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>seifenbach, Deutschneudorf,<br />

Olbernhau u.s.w. diese je<strong>de</strong>nfalls bereits im 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te begonnene Industrie weiter, so daß sie<br />

zu einem Drechslergewerbe mit Wasser- und selbst Dampfbetrieb wur<strong>de</strong> und ihre Erzeugnisse<br />

durch <strong>de</strong>n Großhan<strong>de</strong>l im In- und Auslan<strong>de</strong>, ja selbst in an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Erdteilen absetzen konnte. Dabei hat<br />

jedoch auch gegenwärtig <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong> mit „Seifner Waren“ nicht gänzlich aufgehört, wenigstens<br />

hatte ich vor wenigen Jahren Gelegenheit einem alten Händler zu begegnen, <strong><strong>de</strong>r</strong> seine grellbemalten<br />

Schachteln, seine Quirle und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e vleichte hölzerne Wirtschaftsgegenstän<strong>de</strong> von Haus zu<br />

Haus feilbot. Dabei will ich nur flüchtig <strong><strong>de</strong>r</strong> noch gegenwärtig die Jahrmärkte besuchen<strong>de</strong>n Händler<br />

von wenig kunstgerechten hölzernen Steckenpfer<strong>de</strong>n, Zappelmännern und an<strong><strong>de</strong>r</strong>em Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>spielzeug<br />

ge<strong>de</strong>nken, welche ihre Waren auf aus Böcken und einigen Brettern aufgebauten Tischen feilbieten.<br />

Dieselben gehören wenigstens teilweise ebenfalls zu <strong>de</strong>n Hausierern, da sie mit ihren Waren in Körben<br />

von Ort zu Ort wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n, wie solches ihre Vorfahren vor 60 und 100 Jahren ebenfalls thaten.<br />

Nicht allein im angrenzen<strong>de</strong>n Vogtlan<strong>de</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch im <strong>Erzgebirge</strong> und hier beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im<br />

Amte Schwarzenberg fan<strong>de</strong>l viele Bewohner durch das Pechsie<strong>de</strong>n und Rußbrennen Beschäftigung<br />

und Verdienst. Nach<strong>de</strong>m man im Frühjahre mit einem Eisen die Fichtenstämme „gerissen“, d.h. <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Rin<strong>de</strong> in bestimmten Abstän<strong>de</strong>n in langen Streifen abgeschält hatte, so daß das Harz ausfließen<br />

konnte, wur<strong>de</strong> letzteres im Herbste abgeschabt und dann in kupfernen Kesseln gekocht und in<br />

Gruben ausgegossen. Das auf diese Weise gewonnene Pech wur<strong>de</strong> in viereckige Stücke zerschlagen<br />

und nach <strong>de</strong>m Gewichte verkauft. (Engelhardt a.a.O. I. 169.) War nun zwar das Pech nicht ein<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong>s, so stand doch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Pechgewinnung die Gewinnung von Ruß in<br />

Verbindung. Es wur<strong>de</strong>n nämlich die Abgänge vom Pechsie<strong>de</strong>n in einer Hütte verbrannt, und <strong>de</strong>n bei<br />

diesem Vorgange sich bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Ruß sammelte man in einem großen Sacke von Leinwand, aus <strong>de</strong>m<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>selbe dann zusammengeklopft wur<strong>de</strong>. Dieser Ruß wur<strong>de</strong> darauf in kleine hölzerne Fäßchen, die<br />

bekannten Rußbutten, gefüllt. Rußbuttenmänner zogen damit Han<strong>de</strong>l treibend im Lan<strong>de</strong> umher. Die<br />

Herstellung von Ruß war aber vielleicht eben so alt wie das Pechsie<strong>de</strong>n. Bereits 1501 erhielt Wilhelm<br />

von Tettau durch <strong>de</strong>n Kurfürsten Friedrich <strong>de</strong>n Weisen die Belehnung über die „Pechwäl<strong><strong>de</strong>r</strong>“<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Herrschaft Schwarzenberg (Richter a.a.O. II. 403), und es hatten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge im 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />

in genannter Herrschaft über 300 Personen gegen einen an <strong>de</strong>n Grundherrn zu entrichten<strong>de</strong>n<br />

Zins die Freiheit, in <strong>de</strong>n dortigen Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu harzen. (Engelhardt a.a.O. I. 169.) Im Jahre<br />

1533 wur<strong>de</strong> die Herrschaft Schwarzenberg von <strong><strong>de</strong>r</strong> Tettauischen Familie an <strong>de</strong>n Kurfürsten Johann<br />

Friedrich <strong>de</strong>n Großmütigen verkauft. Das Pechsie<strong>de</strong>n und Rußbrennen hörte damit nicht auf, wenn<br />

es auch im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre mehr und mehr beschränkt und endlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> neuern Zeit gänzlich untersagt<br />

wur<strong>de</strong>. Noch zu Anfang dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts wird eine kurfürstliche Pechhütte zu Bermsgrün<br />

bei Schwarzenberg genannt (Engelhardt a.a.O. I. 169), und daraus ist zu folgern, daß daselbst auch<br />

noch Ruß gebrannt wor<strong>de</strong>n ist. Die erzgebirgischen Rußbuttenhändler, die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s von Schönhei<strong>de</strong><br />

und Stützengrün kamen, und <strong>de</strong>nen man noch vor ungefähr 50 Jahren gar nicht selten im<br />

Lan<strong>de</strong> begegnete, wo sie an Tischler, Stubenmaler u.s.w. ihr Produkt absetzten, sieht man jetzt gar<br />

nicht mehr; aber die Erinnerung an dieselben ist noch im Lie<strong>de</strong> erhalten geblieben.<br />

Ebenso sind auch die Händler mit Feuerschwamm verschwun<strong>de</strong>n. Dieselben stammten beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

aus Bernsbach, Beierfeld und Neuhausen, sowie aus <strong>de</strong>n Gerichtsbezirken Oberwiesenthal und<br />

= 6 =


Wolkenstein. Anfänglich verarbeitete man die heimischen Buchenschwämme; als diese aber <strong>de</strong>n<br />

Bedarf nicht mehr <strong>de</strong>ckten, wur<strong>de</strong>n solche aus Polen und Ungarn bezogen. Sie kamen in ganzen<br />

Wagenladungen an, und <strong><strong>de</strong>r</strong> aus ihnen gewonnene Feuerschwamm wur<strong>de</strong> nicht nur auf Messen und<br />

Jahrmärkten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch im <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong> verkauft. In Bernsbach verfertigte man auch sogenanntes<br />

Zün<strong><strong>de</strong>r</strong>holz, sowie die bereits angeführten Schwefelfä<strong>de</strong>n, und mit diesen ehemals zum<br />

Feuermachen unentbehrlichen Gegenstän<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> ein lebhafter Han<strong>de</strong>l getrieben, bis nach und<br />

nach die Zündmaschine, chemischen Feuerzeuge, Phosphorhölzchen und schwedischen Zündhölzer<br />

an ihre Stelle traten. An Feuerschwämmen wur<strong>de</strong>n allein aus <strong>de</strong>m Kirchspiele Neuhausen jährlich<br />

viele Zentner nach Dres<strong>de</strong>n und Freiberg versandt; wenigstens ebenso be<strong>de</strong>utend wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Absatz in<br />

Bernsbach und Beierfeld gewesen sein, abgesehen von <strong>de</strong>njenigen Mengen, welche durch<br />

Kleinhändler in <strong>de</strong>n einzelnen Haushaltungen verkauft wur<strong>de</strong>n. (Lindner, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen I. 7. Richter<br />

a.a.O. II. 199-331 und 379. Engelhardt a.a.O. II. 96.)<br />

Wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Wald, und zwar anfangs <strong><strong>de</strong>r</strong> heimatliche Wald das Material zum Feuerschwamme<br />

lieferte, so beruht auch die Korbflechterei, welche gegenwärtig einen hervorragen<strong>de</strong>n Industriezweig<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Dorfe Lauter bil<strong>de</strong>t, zum Teil auf <strong>de</strong>n Waldungen. Nicht nur aus Wei<strong>de</strong>nruten,<br />

welche z.B. aus <strong>de</strong>n Wei<strong>de</strong>nkulturen im Mul<strong>de</strong>nthale bei Zwickau bezogen wer<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

auch aus Holzspänen und Wurzeln verfertigt man in genanntem Orte Körbe, welche sowohl<br />

auf Märkten als auch von Haus zu Haus im <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong> verkauft wer<strong>de</strong>n. (Die<br />

Spankorbindustrie in Lauter und Bockau arbeitet jetzt vor allem für <strong>de</strong>n Export. D. Schriftl.) Seit<br />

wann dieser Industriezweig betrieben wird, vermochte ich nicht festzustellen. Es waren aber nicht<br />

nur Einwohner aus Lauter, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>n benachbarten Orten, z.B. Bockau, welche <strong>de</strong>n<br />

Kleinhan<strong>de</strong>l mit Körben betrieben und daneben noch eine große Anzahl an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Gegenstän<strong>de</strong> mit<br />

sich führten. So hatte noch 1852 ein Bockauer, welcher bereits die Konzession zum Han<strong>de</strong>l mit<br />

Körben, chemischen Feuerzeugen, Räucherpulvern, wohlriechen<strong>de</strong>n Seifen, inländischen Glaswaren,<br />

Bürsten und Striegeln besaß, um die Erlaubnis nachgesucht, auch mit Kien-, Wachol<strong><strong>de</strong>r</strong>-,<br />

Tannenzapfen-, Berg-, Laven<strong>de</strong>l-, Bergamott-, Zimmt-, Zitronen- und Haaröl han<strong>de</strong>ln zu dürfen. In<br />

<strong>de</strong>m darauf erfolgten bezirksärztlichen Gutachten wur<strong>de</strong> gesagt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkauf genannter Gegenstän<strong>de</strong>,<br />

mit Ausnahme <strong>de</strong>s Wachol<strong><strong>de</strong>r</strong>öls wegen seiner Urin treiben<strong>de</strong>n Eigenschaften, keine Be<strong>de</strong>nken<br />

errege, das Tannenzapfenöl sei aber mit <strong>de</strong>m Kienöl fast i<strong>de</strong>ntisch. Das angeführte Bergöl hatte<br />

nichts mit <strong>de</strong>m Petroleum o<strong><strong>de</strong>r</strong> Erdöl gemein, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n war ein Kunstprodukt, welches aus Fichtenharz,<br />

Antimon, Schwefelblüten, Angelika-, Bär- und Baldrianwurzel nebst Leinöl und Kochsalz bereitet<br />

wur<strong>de</strong> und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s als Heilmittel bei <strong>de</strong>n Haustieren, namentlich bei Quetschungen,<br />

Aufdrücken u.s.w. in Anwendung kam. Außer <strong>de</strong>n genannten und noch an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Ölen, zu <strong>de</strong>nen ferner<br />

Räucherkerzchen, Riechdosen, Pfer<strong>de</strong>- und Rindviehpulver u. dgl. kanen, wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n<br />

Bockauer, Sosaer und Eibenstocker Händlern auch Wachol<strong><strong>de</strong>r</strong>saft hausierend feilgeboten. Ein solcher<br />

Händler aus erstgenanntem Dorfe, <strong>de</strong>ssen Reisepaß nur auf <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l mit Wachol<strong><strong>de</strong>r</strong>saft im<br />

Inlan<strong>de</strong> lautete, wur<strong>de</strong> 1835 in Marienberg gefänglich eingezogen, da er auch Arzneiwaren bei sich<br />

führte.<br />

Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s zahlreich waren die mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten einfachen und zusammengesetzten Arzneien,<br />

sowie Ölen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Olitäten nicht nur innerhalb Sachsens, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>n, selbst<br />

außer<strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n umherziehen<strong>de</strong>n Händler. Ihre Absatzgebiete waren z.B. außer <strong>de</strong>n sächsischen<br />

Erblan<strong>de</strong>n die Ober- und Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lausitz und <strong><strong>de</strong>r</strong> Neustädter Kreis, ferner Thüringen, Bayern,<br />

Mecklenburg, Polen, Schwaben, Schwe<strong>de</strong>n und selbst die Türkei. Neben <strong>de</strong>n Arzneien und Olitäten<br />

wur<strong>de</strong> früher auch ein ausge<strong>de</strong>hnter Han<strong>de</strong>l mit <strong>de</strong>m sogenannten Schneeberger Schnupftabak getrieben.<br />

<strong>Der</strong> Hauptort seiner Herstellung war Bockau, und hier brauchte dazu vor ungefähr 50 Jahren<br />

nach Angabe <strong>de</strong>s Finanzprokurators Lindner (Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen I. 22.) allein das Frie<strong><strong>de</strong>r</strong>ichsche<br />

Geschäft jährlich 14 bis 16000 Dutzend kleine Schachteln; ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es, das Zeh'sche und Brücknersche<br />

Geschäft war dazu <strong><strong>de</strong>r</strong>en jährlich an 6 bis 8000 Dutzend benötigt. Außer in Bockau wur<strong>de</strong> auch<br />

an an<strong><strong>de</strong>r</strong>n obererzgebirgischen Orten Schnupftabak hergestellt. So führt z.B. Schumanns Lexikon<br />

von Sachsen (VII. und XV.) bei Oberwiesenthal an, daß daselbst in mehreren Fabriken Schnupf-<br />

= 7 =


tabak bereitet und teils aus <strong>de</strong>m Orte selbst, teils aus Jöhstadt, Bärenstein, Satzung und Johanngeorgenstadt<br />

nach Böhmen gepascht, dort aber in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s verbreitet wer<strong>de</strong>.<br />

Die Bereitung von Arzneiwaren und <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemals sehr schwunghaft damit betriebene Han<strong>de</strong>l war<br />

aus kleinen Anfängen erwachsen. Wie in Thüringen, Schlesien und an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Gebirgsgegen<strong>de</strong>n hatten<br />

die Bewohner zunächst heilsame Kräuter gesammelt und zu Thee zubereitet. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> frühern Seltenheit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Apotheken und <strong>de</strong>m Mangel an Ärzten waren die Bewohner vor einigen Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten<br />

noch vielfach genötigt, gegen Krankheiten sogenannte Hausmittel in Anwendung zu bringen. In unsern<br />

Gebirge mochten beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwarzenberger Gegend schon im 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te von<br />

Frauen verschie<strong>de</strong>ne Kräuter zu Heilzwecken gesammelt und verkauft wor<strong>de</strong>n sein, <strong>de</strong>nn unter <strong>de</strong>m<br />

17. März 1564 erließ die Kurfürstin Anna an <strong>de</strong>n Schösser zu Schwarzenberg <strong>de</strong>n Befehl, <strong>de</strong>n<br />

„Kräuterweibern das vorzeitige Ausgraben zu untersagen, da dieselben die besten Kräuter und<br />

Wurzeln, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Kurfürst für sich graben lassen und zu gebrauchen beabsichtigt, vor <strong><strong>de</strong>r</strong> rechten<br />

Zeit ausgrüben und alles verwüsteten.“ In <strong>de</strong>n Nachrichten vom Bergflecken Bockau weist ferner<br />

M. Körner nach, daß man <strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>s dortigen Arzneihan<strong>de</strong>ls in die letzten Jahrzehnte <strong>de</strong>s<br />

16. o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts zu setzen habe. Daß es aber auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Orten Leute<br />

gab, welche sich bereits in jener Zeit mit <strong>de</strong>m Einsammeln von arzneilich nutzbaren Pflanzen<br />

beschäftigten, erfahren wir z.B. aus einer Mitteilung in Lehmanns 1699 gedruckt erschienem „Historischen<br />

Schauplatze“, nach welcher es in Neudorf „Kräuter und Wurzelhändler“ gab, die auch in<br />

ihren Gärten allerhand seltnere Gewächse zogen. Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwendung heilkräftiger Kräuter zu verschie<strong>de</strong>nen<br />

Theen schritt man bald zur Anfertigung zusammengesetzter Arzneien fort. Damit<br />

beschäftigten sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge sogenannte „Laboranten“, welche im Besitze gewisser chemischer<br />

Kenntnisse waren und dies durch eine Prüfung nachgewiesen haben mußten. Sie erhielten darauf<br />

eine lan<strong>de</strong>sherrliche Konzession. Jedoch gab es daneben noch viele Personen, welche auch ohne<br />

Konzession Arzneimittel anfertigten und verkauften. Im Jahre 1782 waren in Bockau 20 Laboratorien<br />

im Gange; 1799 gab es daselbst 9 <strong><strong>de</strong>r</strong>artige konzessionierte Geschäfte; außer<strong>de</strong>m befaßten sich<br />

aber noch 41 Personen in <strong>de</strong>m Orte mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Herstellung von Arzneien o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Wurzel- und Kräuterhan<strong>de</strong>l.<br />

Im letztgenannten Jahre besaß Eibenstock 7 Laboranten. Im Jahre 1800 wer<strong>de</strong>n in<br />

Bockau 32 Laboranten teils mit, teils ohne Konzession und 1823 dagegen 9 konzessionierte und<br />

33 unkonzessionierte Laboranten genannt. <strong>Der</strong> letzte Laborant in Bockau starb 1860. Die Erlaubnis<br />

zu neuen <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen Unternehmungen war schon seit einigen Jahren nicht mehr erteilt wor<strong>de</strong>n, da<br />

die zuständigen Behör<strong>de</strong>n gewillt waren, diesen Industriezweig nach und nach aussterben zu lassen.<br />

In <strong>de</strong>n ersten Jahrzehnten unsers Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts mögen sich im Obererzgebirge noch gegen 1700 Personen<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> Herstellung und <strong>de</strong>m Vertriebe <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiwaren ernährt haben. In höchster Blüte<br />

stand bei<strong>de</strong>s gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s vorigen und zu Anfang dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, und die Hauptsitze <strong>de</strong>s<br />

Arzneihan<strong>de</strong>ls waren Bockau, Eibenstock, Sosa, Jöhstadt, Jugel, Neudorf, Crottendorf, Johanngeorgenstadt,<br />

Hundshübel, Stützengrün, Burkhardtsgrün, Steinhei<strong>de</strong>l, Friedrichsgrün, Lauter und<br />

Schneeberg. – In Sosa gab es 1790 einige 70 und 1823 sogar 107 Händler, von <strong>de</strong>nen 92 <strong>de</strong>m Bergmannsstan<strong>de</strong><br />

angehörten; die übrigen waren Tagelöhner, Schmie<strong>de</strong>- und Bäckergesellen. Vertreten<br />

waren unter <strong>de</strong>n Arzneiwaren- und Olitätenhändlern überhaupt noch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Berufsarten, mehrfach<br />

wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Akten auch verabschie<strong>de</strong>te Soldaten genannt. Bockau besaß 1835 nur 9, 1837 aber<br />

10 konzessionierte Händler, abgesehen von <strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong>de</strong>nfalls größeren Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen, welche ohne<br />

Erlaubnisschein han<strong>de</strong>lten. Desgleichen wer<strong>de</strong>n im Jahre 1821 aktenmäßig aus Eibenstock gegen<br />

40, aus Johanngeorgenstadt 4, Hundshübel 10 und Burkhardtsgrün 6, in <strong>de</strong>m Jöhstädter Kaufbuche<br />

auf die Jahre 1752 bis 1769 aber 69 Arzneihändler genannt; das Schumannsche Lexikon von<br />

Sachsen dagegen führt an, daß es in letztgenannter Stadt 1817 über 100 Arzneihändler gegeben<br />

habe.<br />

Aus diesen statistischen Angaben, die noch vermehrt wer<strong>de</strong>n könnten, ist schon ersichtlich, wie<br />

ausgebreitet in früherer Zeit bis gegen die Mitte dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts <strong><strong>de</strong>r</strong> obererzgebirgische Arzneiwarenhan<strong>de</strong>l<br />

gewesen sein muß. Einzelne Händler, welche beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s weite Absatzgebiete aufgesucht<br />

hatten, blieben zuweilen mehrere Jahre <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat fern, da sie sich <strong>de</strong>n Bedarf von Zeit zu<br />

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Zeit an Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lagstätten nachsen<strong>de</strong>n ließen. Die meisten aber kehrten alljährlich zum Winter<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e reisten während dieser Jahreszeit und gingen im Sommer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beschäftigungen<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat nach.<br />

Daß das Umherziehen erzgebirgischer Han<strong>de</strong>lsleute, und ganz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen, welche Arzneiwaren,<br />

Olitäten und wohlriechen<strong>de</strong> Wässer unter <strong>de</strong>m leichtgläubigen Volke abzusetzen suchten,<br />

mit mancherlei gesundheitlichen und sittlichen Gefahren verbun<strong>de</strong>n sein mußte, sahen wahrhafte<br />

Volksfreun<strong>de</strong> und Behör<strong>de</strong>n ein, doch waren alle Warnungen und Maßregeln sehr häufig<br />

vergeblich. Erst nach und nach konnte <strong>de</strong>m eingerissenen Übelstan<strong>de</strong> erfolgreich begegnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Schon zu Anfange dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts schrieb Engelhardt in seiner Erdbeschreibung von<br />

Kursachsen (I. 205): „Während die Landreisen<strong>de</strong>n im In- und Auslan<strong>de</strong> umherzogen, mußten ihre<br />

Familien sehen, wie sie von Klöppeln und an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Handarbeiten, wohl auch vom Borgen sich<br />

mühselig ernährten. Kehrten diese wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Hausväter zum Winter heim, so sollten sie die<br />

Schul<strong>de</strong>n beim Bäcker, beim Fleischer u.s.w. bezahlen, was sie jedoch nicht immer ganz imstan<strong>de</strong><br />

waren, so daß sie dauernd in einer mißlichen Lage blieben.“ Engelhardt wies dabei auch darauf<br />

hin, daß das „Landgehen“ in vieler Rücksicht unter die moralisch schädlichen Nahrungszweige gehöre,<br />

da das beständige Herumschweifen nichts weniger als gute Sitten erzeuge. Fern von Weib und<br />

Kind wür<strong>de</strong>n die heiligen Ban<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Häuslichkeit, die Gatten- und Vaterpflichten nur zu leichtn<br />

vergessen. Auch Knaben erzog man zum Han<strong>de</strong>l mit Arzneien; man sah dieselben im Alter von 14<br />

bis 15 Jahren bereits mit ihren Vätern in die Frem<strong>de</strong> gehen, so daß sie sich wie letztere bald unterfingen,<br />

sogleich beim Eintritt in die Stuben <strong>de</strong>n Leuten zu sagen, ob sie an „Herzwürmern, Herzgespann<br />

u.s.w.“ litten. „Die Kirchhöfe erhielten“, wie Engelhardt hinzufügt, „durch diese reisen<strong>de</strong>n<br />

Afterärzte gewiß manches unzeitige Opfer“. Im Jahre 1821 hatte unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>en auch <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige<br />

Schwarzenberger Amtsphysikus Dr. Zeune bei Abfassung eines Gutachtens die geeignetste Gelegenheit,<br />

sich kräftig gegen diesen Arzneihan<strong>de</strong>l auszusprechen, in<strong>de</strong>m er auf bereits erlassene<br />

Verordnungen und die Gutachten medzininischer und volkswirtschaftlicher Schriftsteller und<br />

schließlich ebenfalls auf diejenige nachteilige Seite dieses Medizinalhan<strong>de</strong>ls hinwies, welche für die<br />

Sittlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Herumträger daraus erwachsen müsse. Er meinte, dieselben gewöhnten sich an ein<br />

herumschweifen<strong>de</strong>s Leben und müßten, in<strong>de</strong>m sie stets auf Betrug und Überlistung bedacht seien, in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel schlechte Hausväter und noch schlechtere Staatsbürger sein. Zur Begründung wies er als<br />

ein Beispiel auf Sosa hin, in welchem Orte „die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> vagieren<strong>de</strong>n Arznei- und Olitätenhändler<br />

legion sei, <strong>de</strong>ssen Einwohner aber durch ihre Immoralität und Hinneigung zu Exzessen bekannt seien“.<br />

Es wird nun auch die Thatsache nicht auffallen, daß zahlreiche „Landreisen<strong>de</strong>“ im Verkehre<br />

unter einan<strong><strong>de</strong>r</strong> sich einer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sprache, <strong><strong>de</strong>r</strong> sogenannten „Knochensprache“ bedienten, in<br />

welcher das Hoch<strong>de</strong>utsch mit einer großen Anzahl von Wörtern durchsetzt war, die aus <strong>de</strong>m Hebräischen,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ziegeunersprache u.s.w. stammten o<strong><strong>de</strong>r</strong> neu gebil<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n waren. Diese Sprache,<br />

welche nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es als eine Abart <strong>de</strong>s „Rothwelsch“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kun<strong>de</strong>nsprache“ ist, war <strong>de</strong>m Unkundigen<br />

völlig unverständlich.<br />

Von <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n und seinenb Erzeugnissen unabhängig hatten sich im <strong>Erzgebirge</strong> mehrere Industriezweige<br />

eingebürgert, welche ebenfalls Gegenstän<strong>de</strong> für einen ausgebreiteten <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong><br />

lieferten. Von diesen Erwerbszweigen mögen die Spitzenklöppelei, Posamenten- und Bürstenfabrikation<br />

hervorgehoben wer<strong>de</strong>n.<br />

Als gegen Mitte <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts Barbara Uttmann, geborne von Elterlein und Gemahlin<br />

eines begüterten Annaberger Bergherrn, armen Mädchen das Spitzenklöppeln lehrte, ahnte man<br />

vielleicht zunächst noch nicht, welche Wohlthat diese Kunst in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge für unsere erzgebirgische<br />

Bevölkerung wer<strong>de</strong>n sollte. Bei <strong>de</strong>m allmählichen Darnie<strong><strong>de</strong>r</strong>liegen <strong>de</strong>s Bergbaues öffnete sich durch<br />

das Klöppeln für Frauen und Mädchen, ja teilweise auch für Männer, welche infolge ihres Alters<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer Gebrechlichkeit harte Arbeiten nicht verrichten konnten, eine Einnahmequelle, durch<br />

welche die Sorgen mancher armen Familie gehoben o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch gemil<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>n. Ja selbst kleine<br />

Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> konnten zum Unterhalte <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie durch ihre geschickten fleißigen Hän<strong>de</strong> etwas beitragen.<br />

Die Klöpplerin kaufte entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n Spitzen nötigen Zwirn selbst, um sodann erstere aus<br />

= 9 =


freier Hand zu verkaufen, o<strong><strong>de</strong>r</strong> sie arbeitete für einen Verleger, <strong><strong>de</strong>r</strong> ihr <strong>de</strong>n Zwirn und das auf einen<br />

Pappstreifen gezeichnete Muster, <strong>de</strong>n sogenannten Klöppelbrief lieferte und dann die fertige Arbeit<br />

bezahlte. Diese Verhältnisse fin<strong>de</strong>n sich noch gegenwärtig. Die Spitzen wur<strong>de</strong>n hierauf durch<br />

Spitzenhandlungen auf <strong>de</strong>n Messen zu Leipzig, Braunschweig, Frankfurt a.M. und a.a.O. verkauft<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> von Hausierern feilgetragen, da je<strong><strong>de</strong>r</strong> Erlaubnis zum Spitzenhan<strong>de</strong>l hatte. Daher wur<strong>de</strong>n auch<br />

auf letztgenanntem Wege viele Spitzen vertrieben. Wie be<strong>de</strong>utend und lohnend aber früher dieser<br />

Han<strong>de</strong>l gewesen ist, ersieht man aus einer Angabe Engelhardts (Erdbeschr. v. S. I. 222) zu Anfang<br />

dieses Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, nach welcher allein im Amte Schwarzenberg gegen 20000 Klöppeln<strong>de</strong> und<br />

über die Hälfte soviel im Amte Wolkenstein gerechnet wur<strong>de</strong>n. In Jöhstadt klöppelten über<br />

1000 Personen, Erwachsene und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, und ebenso war diese gegenwärtig wenig lohnen<strong>de</strong> und daher<br />

trotz aller Bemühungen durch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Industriezweige mehr und mehr verdrängte Kunst auch in<br />

<strong>de</strong>n Ämtern Grünhain, Wiesenburg, Altenberg, Freiberg, sowie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schönburg'schen Herrschaft<br />

Hartenstein verbreitet. Ein Stück Spitzen hielt damals 9 ½ bis 10 Ellen, und <strong><strong>de</strong>r</strong> Preis stieg nach<br />

Breite und Muster von 4 Groschen bis zu 15, 20 und 30 Thalern. (Engelhardt a.a.O. I. 221.)<br />

Im Anschlusse an das Spitzenklöppeln mag kurz <strong><strong>de</strong>r</strong> Bandweberei gedacht wer<strong>de</strong>n, welche um<br />

das Jahr 1590 durch eingewan<strong><strong>de</strong>r</strong>te Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>län<strong><strong>de</strong>r</strong> in Buchholz aufkam und zu Anfang <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />

von dort nach Annaberg verpflanzt wur<strong>de</strong>. Waren noch vor 80 bis 90 Jahren damit gegen<br />

400 Meister und überhaupt mehr als 800 Personen beschäftigt, so trat doch später an die Stelle<br />

dieses Gewerbes die Herstellung von Fransen, Bor<strong>de</strong>n, Quasten und Gorl. (Richter a.a.O. II. 300.)<br />

Die Bän<strong><strong>de</strong>r</strong> insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e bil<strong>de</strong>ten übrigens früher ebenfalls einen Gegenstand <strong>de</strong>s <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong>s,<br />

und die Herstellung <strong><strong>de</strong>r</strong>selben hatte sich auch noch an an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Orten, z.B. in Schönhei<strong>de</strong> und Unterstützengrün<br />

eingebürgert. Von letztgenannten bei<strong>de</strong>n Orten kamen die „Bandbuben“, wie man insgesamt<br />

jene jungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> alten Händler nannte, welche mit Bän<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Jahrmärkte besuchten<br />

(Richter, a.a.O. II. 476) o<strong><strong>de</strong>r</strong> damit in Stadt und Dorf hausierten.<br />

Schönhei<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ssen Gründung erst im Jahre 1537 geschah, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptort <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürsten-, Kehrbesen-<br />

und Pinselfabrikation. Die Zurichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Borsten fin<strong>de</strong>t hauptsächlich in Rothenkirchen und<br />

neuerdings auch in Stützengrün statt. (v. Süßmilch, das <strong>Erzgebirge</strong>, 612.) Wenn die gegenwärtig ungemein<br />

erweiterte und zum Teil auch mit Benutzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dampfkraft betriebene Fabrikation in<br />

Schönhei<strong>de</strong> ihren Anfang genommen hat, vermag ich nicht sicher anzugegen. Ältere Schriftsteller,<br />

z.B. Engelhardt in seiner Erdbeschreibung von Kursachsen und Schumann im 10ten 1823 erschienenem<br />

Ban<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lexikons von Sachsen führen diesen Erwerbszweig bei Schönhei<strong>de</strong> noch<br />

nicht an, wohl aber thut dies Richter (Beschr. v. Sachsen II.) 1846, und von Bose (Handbuch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Geogr. v. Sachsen) nennt unter <strong>de</strong>n „Artikeln <strong><strong>de</strong>r</strong> von Alters her“ in Schönhei<strong>de</strong> und Stützengrün<br />

bestan<strong>de</strong>nen Hausindustrie auch Striegeln. Wenn nun zwar <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürsten, Kehrbesen,<br />

Striegeln und Pinsel gegenwärtig in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauotsache kaufmännisch geschieht, so ziehen doch noch<br />

immer ebenso, wie dies früher geschah, viele Bürstenhändler in die Welt hinaus, um <strong>Hausierhan<strong>de</strong>l</strong><br />

zu treiben. Bemerkt mag dabei wer<strong>de</strong>n, daß die Schönhei<strong><strong>de</strong>r</strong> Bürstenbin<strong><strong>de</strong>r</strong> für das lustigste Völkchen<br />

<strong>de</strong>s <strong>Erzgebirge</strong>s gelten.<br />

Heiter und mit ihrem oftmals nur geringen Verdienste zufrie<strong>de</strong>n waren im Durchschnitte jene<br />

<strong>Erzgebirge</strong>r, welche einst von Ort zu Ort zogen und, zu bestimmten Zeiten wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehrend, ihre<br />

Waren feil boten. Kamen sie mit ihren bepackten Körben und gefüllten Tragkästen in die Wirtsstuben,<br />

um dort vielleicht eine kurze Rast zu halten, so unterließen sie es nicht, <strong>de</strong>n Anwesen<strong>de</strong>n die<br />

mitgebrachten Gegenstän<strong>de</strong> anzubieten und anzupreisen; sie gingen in <strong>de</strong>n Dörfern von Haus zu<br />

Haus und breiteten die verschie<strong>de</strong>nsten Sachen aus, unter <strong>de</strong>nen selbst die Ba<strong>de</strong>schwämme (<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hundshübler) und die Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> und Patenbriefe (<strong><strong>de</strong>r</strong> Crottendorfer) nicht fehlten; sie waren dabei unbekümmert<br />

bei <strong>de</strong>n abwehren<strong>de</strong>n Bemerkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwesen<strong>de</strong>n, daß kein Bedarf vorhan<strong>de</strong>n sei.<br />

Aus Erfahrung wußten sie, daß gar oft <strong><strong>de</strong>r</strong> bloße Anblick mancher Sachen die Kauflust reizte und<br />

endlich doch ein kleines Geschäft abzuschließen war.<br />

Landreisen<strong>de</strong> gab es je<strong>de</strong>nfalls in <strong>de</strong>n meisten obererzgebirgischen Orten, in diesen mehr, in<br />

jenen weniger; nur von Bermsgrün und Crandorf bei Schwarzenberg mel<strong>de</strong>t Lindner (Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>un-<br />

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gen I. 31. 33.), daß sie dort gefehlt hätten. Wahrscheinlich boten hier die nahen Bergwerke und<br />

Eisenhütten das ganze Jahr hindurch hinreichen<strong>de</strong>n Verdienst, so daß die Bewohner nicht genötigt<br />

waren, hausierend umherzuziehen. Die hie und da im nie<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lan<strong>de</strong> noch nicht gänzlich<br />

verschwun<strong>de</strong>ne sehr überriebene Vorstellung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Rauheit <strong>de</strong>s erzgebirgischen Klimas ist<br />

vielleicht, wenigstens teilweise, auf die Erzählungen <strong><strong>de</strong>r</strong> alten „Landreisen<strong>de</strong>n“ zurückzuführen,<br />

<strong>de</strong>nen die Erregung von Mitleid recht nützlich erscheinen mochte. Teilweise fußend auf ihre<br />

Schil<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen erfand man für jenes Stück <strong>de</strong>s obern <strong>Erzgebirge</strong>s, welches sich zwischen Jöhstadt<br />

und Carlsfeld aus<strong>de</strong>hnt, die Bezeichnung „sächsisches Sibirien“, die sich lei<strong><strong>de</strong>r</strong> noch heute in manchen<br />

Schulbüchern forterbt.<br />

Quelle: Glückauf! Organ <strong>de</strong>s Erzgebirgsvereins. 13. Jahrgang. No. 2. Februar 1893. S. 14-19 und No. 3. März 1893.<br />

S. 25-29. - Abschrift: Streifzüge durch die <strong>Geschichte</strong> <strong>de</strong>s oberen <strong>Erzgebirge</strong>s (www.streifzuege.<strong>de</strong>)<br />

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