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Pedal To The Medal Oliver Koletzki Andrea Rosso - PROUD Magazine

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wired in mitte<br />

Die Nacht verbringe ich mit einem<br />

Kubaner oder Mexikaner. Genau weiß<br />

ich es auch nicht. Wir sind zusammen<br />

auf einer typischen Mitteparty, wie<br />

sie im Schulbuch hätte stehen<br />

können. Die Typen sehen größtenteils<br />

albern aus und featuren sich mit<br />

merkwürdigen Gimmicks, die Frauen<br />

sind sexy, rotlippig und hochhackig.<br />

Das Lineup zufriedenstellend, aber<br />

alle stehen herum, als wäre es eine<br />

Aktionärsvollversammlung. Erst das<br />

<strong>To</strong>ilettenaufsichtspaar, beide Rentner,<br />

erzeugen ein Stück Feierlaune in mir.<br />

Das letzte Mal als ich die beiden<br />

sah war es 19 Uhr im Salon und sie<br />

empfahl mir inständig nicht in das<br />

Lokal an der Ecke gegenüber zu gehen.<br />

In meinem Zustand wäre ich sowieso<br />

nicht in eine Eckpinte gegangen, aber<br />

der Rat war wirklich herzlich gemeint,<br />

zumal ich Hunger hatte. Damals<br />

bedankte ich mich. Jetzt setze ich mich<br />

zu ihr und wir reden ein wenig. Heimlich<br />

staune ich über das Farbspektrum<br />

der feilgebotenen Süßigkeiten<br />

und entscheide mich für ein rotes<br />

Feuerzeug.<br />

60 wired<br />

Die Installationen im hinteren Teil<br />

schaue ich mir natürlich auch an.<br />

Wie es sich hier gehört, sind wir ja<br />

eigentlich auf einer Vernissage – heute<br />

gibt es Videoinstallationen mit Soße.<br />

Am längsten bleibe ich im Raum<br />

sitzen, in der Personen in kleinen<br />

Ikea-Räumen gezeigt werden. Die<br />

quadratischen Zimmer sind wie an<br />

einem Band nebeneinander montiert<br />

und schieben sich stets vom rechten<br />

Rand aus dem Bild. Ich bekomme<br />

bei einer derartigen Ikea-Schleife<br />

Beklemmungen. Ich hasse Ikea. Sobald<br />

ich dort länger als eine halbe Stunde<br />

drin bin, beginne ich wahllos Mensch<br />

und Möbel ohne Grund anzupöbeln.<br />

Dort werde ich zum Tier. Die Installation<br />

wühlt mich ähnlich auf. Ich vergesse<br />

meinen mittelamerikanischen Besuch<br />

und gebe mich der Gefühlswelt<br />

hin. Nach einer Weile lerne ich die<br />

Protagonisten kennen und sehe, dass<br />

diese ebenfalls in der nordischen<br />

Designgleichschaltung durchdrehen.<br />

Bei mir setzt nun die Schadenfreude<br />

ein und mir gefällt die Installation<br />

plötzlich.<br />

Die Party bleibt hingegen lahm und<br />

schön. Die Frauen tratschen unter<br />

sich oder rennen ihren Typen treudoof<br />

hinterher, einzelne Männer drücken in<br />

Holzfällerhemden auf ihren Telefonen<br />

herum und ich entscheide mich<br />

zu gehen. Draußen steht ein Wust<br />

von Stylerbikes. Eines schönes, als<br />

das andere. Die schmalen Rohre<br />

reflektieren das List in graziler Weise,<br />

dass ich erst einmal stehen bleiben<br />

muss. Ins Auge fällt mir vor allem<br />

ein Schaltrad, welches lediglich eine<br />

Hinterbremse besitzt. Eine Bremse<br />

– ungewöhnlich in Kombination mit<br />

einer Schaltung, aber zum abstylen<br />

sicher genug. Gerne würde ich das<br />

Rad in einen Suicidebomber umbauen,<br />

ich habe sogar das nötige Werkzeug<br />

dabei, aber der Blick des Türstehers<br />

lässt mich besinnen. Angesicht der<br />

vielen teuer gekauften Räder schwinge<br />

ich mich auf meine Stadtschlampe<br />

und fliege nach Hause durch die<br />

funkelnde Stadt und denke an meinen<br />

freundlichen Besuch.<br />

Text Cato Frisch

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