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Humboldt Kosmos 90/2007: Wissen schafft Entwicklung

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<strong>Wissen</strong> <strong>schafft</strong> <strong>Entwicklung</strong> | || From Knowledge to Development <strong>Wissen</strong> <strong>schafft</strong> <strong>Entwicklung</strong> | || From Knowledge to Development<br />

hindern die Wüstenbildung, die Zerstörung der Bodenkrume,<br />

massenhafte Umweltflucht in die Küstenstädte oder nach Europa<br />

und erhalten einzigartige Kulturen mobiler Tierhalter.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Wer die biologische Vielfalt nicht erhält, sägt am Ast,<br />

auf dem er sitzt ...<br />

Kirk: Genau. Die Wirkstoffe vieler Pflanzen sind noch gar nicht<br />

bekannt. Zerstören wir sie heute, werden wir ihre Vorteile niemals<br />

wieder nutzen können. Denken Sie an die heute wirtschaftlich<br />

verwerteten Gene des Neembaums, der nicht nur in Indien,<br />

sondern auch in Afrika weit verbreitet ist. Bestandteile von Pflanzen,<br />

die die San im südlichen Afrika seit Jahrtausenden nutzen,<br />

helfen bei Erkältungskrankheiten oder unterdrücken Hungergefühle<br />

– ein Riesenmarkt für Medikamente der Zukunft.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Herr Antia, manche Kritiker sehen in der Suche nach<br />

biologischen Anwendungen einen neuen Forschungskolonialismus,<br />

in dem der biologische und der geistige Reichtum von <strong>Entwicklung</strong>sländern<br />

ausgebeutet werden. Zu Recht?<br />

Antia: Nein, zumindest nicht notwendigerweise. Die Dritte Welt<br />

hat schließlich selber ein großes Interesse an dieser Nutzung,<br />

dem sogenannten Bioprospecting. So wird der Neembaum auch<br />

an meiner Heimatuniversität in Maiduguri intensiv mit Blick auf<br />

mögliche Wirkstoffe für Medikamente und Pestizide erforscht. In<br />

Pflanzenchemielaboren in ganz Deutschland arbeiten <strong>Humboldt</strong>ianer<br />

aus <strong>Entwicklung</strong>sländern genau an solchen Themen.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Welche Grenzen sehen Sie als Forscher für die Ausbeutung<br />

biologischen Reichtums?<br />

Antia: Das Problem hierbei, genau wie bei der Entdeckung von<br />

Rohstoffen, ist, wie wir mit den Folgen umgehen, mit Umweltzerstörung,<br />

mit dem Wegfall traditioneller Existenzgrundlagen<br />

oder mit Zwangsumsiedlungen. Denken Sie an die Gewinnung<br />

von Rohöl im Nigerdelta in meiner Heimat oder an die Waldrodungen<br />

in Zentralafrika. Beidem ging die Forschung voraus.<br />

Genau wie im Falle des brasilianischen Zuckerrohrs oder dem<br />

Palmöl in Indonesien und Malaysia, die jetzt als Quellen für Biokraftstoffe<br />

populär geworden sind. In solchen Fällen ist im Vorfeld<br />

immer von Nachhaltigkeit die Rede, aber viel zu oft werden<br />

die Versprechen nicht gehalten. So wird Forschung zum Helfershelfer<br />

eines gewissenlosen Ressourcenabbaus, der alles andere ist<br />

als nachhaltig.<br />

destruction of the topsoil, mass environmental migration to the<br />

coastal towns or Europe, and preserves the unique cultures of<br />

mobile animal husbandry.<br />

<strong>Kosmos</strong>: He who fails to preserve biological diversity, cuts the<br />

ground from under his own feet …<br />

Kirk: Exactly. We don’t even know the properties of many plants.<br />

If we destroy them today, we shall never ever be able to tap their<br />

advantages. Just think of the genes of the neem tree that isn’t only<br />

widespread in India, but in Africa, too. Today, they’re exploited<br />

commercially. The San in southern Africa have used constituent<br />

parts of plants to relieve colds and suppress hunger pangs for millennia<br />

– a huge market for future medicines.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Professor Antia, some critics see the search for biological<br />

applications as a new form of research colonialism, exploiting<br />

the biological and intellectual wealth of developing countries. Are<br />

they right?<br />

Antia: No, at least, not necessarily. There is, naturally, in the<br />

developing world a lot of interest in using this wealth, so-called<br />

bioprospecting. For instance, at my home university in Maiduguri<br />

the neem tree has been the focus of extensive research and development<br />

from the standpoint of medicines and pesticides. Across<br />

plant chemistry laboratories in Germany, there are <strong>Humboldt</strong>ians<br />

from the developing world engaged in this kind of research.<br />

<strong>Kosmos</strong>: As a researcher, what do you see as the limits of exploiting<br />

biological wealth?<br />

Antia: The problem is just the same as it is when resources are<br />

discovered, i.e., how we deal with the consequences, with environmental<br />

degradation, the loss and non-replacement of traditional<br />

means of livelihood, or with forced displacement. Just<br />

think of the commercial exploitation of crude oil in the Niger<br />

Delta in my own country or logging in Central Africa. Both were<br />

preceded by research, just like Brazilian sugar cane or palm oil<br />

in Indonesia and Malaysia, which have now become popular as<br />

biofuel sources. Although at the onset of such prospecting there is<br />

usually talk of sustainability in resource exploitation, all too often<br />

promises are not kept. In effect, research becomes an ancillary to<br />

the unprincipled exploitation of resources, which is anything but<br />

sustainable.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Wenn Sie faire terms of trade für den Forschungsaustausch<br />

zwischen Industrie- und <strong>Entwicklung</strong>sländern formulieren<br />

müssten, wie würden sie lauten?<br />

Antia: Ich würde bei fairen Preisen für Medikamente anfangen.<br />

Wie viel sollen <strong>Entwicklung</strong>sländer für Wirkstoffe bezahlen, die<br />

in Industrieländern auf der Grundlange von Substanzen produziert<br />

werden, die aus <strong>Entwicklung</strong>sländern stammen und in einigen<br />

Fällen sogar von hiesigen Forschern entdeckt wurden? Die<br />

Autorenschaft für wissenschaftliche Publikationen ist ein weiteres<br />

umstrittenes Thema. Sollen lokale <strong>Wissen</strong>schaftler nur als Quellen<br />

angegeben werden? Oder sollten sie als Koautoren an Studien<br />

beteiligt sein, die in ihrem Heimatland durchgeführt worden<br />

sind?<br />

Kirk: Genau, aber da tut sich ja auch schon einiges. Dennoch: Wir<br />

bräuchten etwas wie einen Ehrenkodex für ein wissenschaftliches<br />

Fair Play zwischen Nord und Süd. Vor allem aber gilt es, weiter<br />

die Chancen jüngerer, vernetzter Kolleginnen und Kollegen aus<br />

dem Süden zu stärken: durch gleichberechtigte Forschungsbedingungen,<br />

etwa was Laboraustattungen und Computer angeht.<br />

Durch gleichberechtigte Publikationsbedingungen und Teilnahmemöglichkeiten<br />

an Konferenzen. Und schließlich durch den<br />

systematischen Aufbau langfristiger, vertrauensvoller Kooperationen<br />

mit starken wechselseitigen Anreizen, wie sie das Georg<br />

Forster-Programm bietet, und Süd-Süd-Zusammenarbeit. Hier<br />

liegen Potentiale, die terms of trade nachhaltig zu beeinflussen. n<br />

Interview: Georg scholl<br />

Prof. Dr. Bassey e. Antia Prof. Dr. Michael Kirk<br />

<strong>Kosmos</strong>: If you had to formulate fair terms of trade for knowledge<br />

exchange between industrialised and developing countries,<br />

what would they be?<br />

Antia: I would start with fair prices for drugs. What should developing<br />

countries be made to pay for medicines produced in the<br />

industrialised world on the basis of substances taken from local<br />

environments, in some cases actually discovered by local scientists?<br />

Authorship of research publications is another contentious<br />

issue. Should local academics be simply acknowledged as<br />

resource persons, or should they be empowered to participate as<br />

co-authors of publications arising from studies conducted in their<br />

own countries?<br />

Kirk: Precisely, although things are beginning to happen. Nevertheless,<br />

we need something along the lines of a code of honour<br />

for scientific fair play between north and south. But, most of all,<br />

we have to boost the opportunities for younger, networked colleagues<br />

from the south, by equal research conditions, like laboratory<br />

equipment and computers; by equal publication conditions<br />

and opportunities to participate in conferences; and, finally, by<br />

systematically developing long-term collaborations based on<br />

trust with strong incentives in both directions, like the Georg<br />

Forster Programme and South-South Cooperation. This is where<br />

the potential lies for sustainably influencing the terms of trade. n<br />

Interview: Georg scholl<br />

Professor Dr. Bassey E. Antia<br />

lehrt Sprachwissen schaft an der<br />

Maiduguri universität in Nigeria.<br />

Seit 2006 ist er als Georg Forster-<br />

Forschungsstipendiat an der<br />

universität Bielefeld. Professor<br />

Dr. Michael Kirk lehrt Wirt schaftswissenschaften<br />

an der uni versität<br />

Marburg. er ist Vor sitzender des<br />

Georg Forster-Auswahlausschusses.<br />

Professor Dr. Bassey E. Antia<br />

teaches linguistics at Maiduguri<br />

university in Nigeria. Since 2006<br />

he has been working at Bielefeld<br />

university as a Georg Forster<br />

research Fellow. Professor Dr.<br />

Michael Kirk teaches economics<br />

at Marburg university. he is chairman<br />

of the Georg Forster Selection<br />

committee.<br />

18 <strong>Humboldt</strong> kosmos sonderausgabe 2008<br />

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