Humboldt Kosmos 90/2007: Wissen schafft Entwicklung

Humboldt Kosmos 90/2007: Wissen schafft Entwicklung Humboldt Kosmos 90/2007: Wissen schafft Entwicklung

07.03.2013 Aufrufe

Wissen schafft Entwicklung | || From Knowledge to Development Wissen schafft Entwicklung | || From Knowledge to Development Antia: Gerade deshalb müssen wir erforschen, wie Regierungen und Gesellschaften dort mit dieser Bürde umgehen. Nur so können wir die Schwächen angehen und die Stärken ausbauen. Übrigens erinnert uns das Robert Koch-Institut regelmäßig daran, dass die Zahl der Infektionen mit HIV auch in Deutschland ansteigt. Zugleich wird das Umfeld für die Gesundheitsvorsorge immer multikultureller. Die AIDS-Hilfe in Bielefeld untersucht deshalb seit einigen Jahren, wie Zielgruppen aus verschiedenen Ländern auf Anti-AIDS-Kampagnen in Deutschland und in ihren Heimatländern reagieren. Nur so finden sie eine wirksame Kommunikationsstrategie. Es wäre nicht klug zu meinen, von einem Land können wir nichts lernen, nur weil es in Afrika liegt. Kosmos: Herr Professor Kirk, Sie beschreiten die Zweibahnstraße der Zusammenarbeit in die andere Richtung. Gerade kommen Sie von einem längeren Forschungsaufenthalt aus dem südlichen Afrika zurück. Was lernen Sie als Gastforscher in einem Entwicklungsland? Kirk: Wenn ich in Namibia oder Benin arbeite, bin ich tatsächlich in erster Linie der Lernende: Unsere Partner arbeiten teils seit Jahrzehnten sehr erfolgreich an den Themen, die uns gemeinsam interessieren. Sie haben die praktische Erfahrung in der Feldforschung mit all ihren Unwägbarkeiten, sie kennen Bedürfnisse und auch Empfindlichkeiten, sie wissen Theorien im lokalen Kontext zu überprüfen und verstehen es allein, die jeweilige Wissenschaftsgemeinschaft und die Politik ins Boot zu holen sowie bürokratische Probleme zu meistern. Sie können natürlich im umgekehrten Fall dieses auch von uns in Deutschland erwarten. Kosmos: Sie forschen nach Wegen für eine effiziente landwirtschaftliche Ressourcennutzung in Entwicklungsländern. Wie kommt Ihr Rat als Europäer bei Ihren Partnern an? Schließlich steht das europäische Modell mit seinen Agrarsubventionen in der Kritik auch der Entwicklungsländer. Kirk: In der Tat, spontan fallen wohl nicht nur Wissenschaftlern zunächst die negativen Beispiele bisheriger EU- und USA-Subventionspolitik ein: Durch Exportsubvention der EU geraten die Erzeugerpreise in den Ländern des Südens unter massiven Druck. Armut im ländlichen Raum, forcierte Umweltzerstörung, Abwanderung und damit hohe gesamtgesellschaftliche Kosten sind die Folgen. Die EU hat mit der Agenda 2000 erste Reformschritte eingeleitet, die aus der Perspektive des Südens natürlich Antia: This is precisely why we must find out how governments and societies cope with the burden. This is the only way we can tackle the weak points and develop the strong ones. By the way, the Robert Koch Institute regularly reminds us that the number of HIV infections is growing in Germany, too. At the same time, the healthcare environment is getting ever more multicultural. That’s the reason why, for some years, the Bielefeld self-help organisation, AIDS-Hilfe, has been investigating how target groups from various countries react to AIDS campaigns in Germany and their own countries. This is the only way to find an effective communication strategy. It wouldn’t be clever to imagine we can’t learn anything from another country just because it happens to be in Africa. Kosmos: Professor Kirk, you are going down the cooperation two-way street in the other direction. You’ve just returned from an extended research stay in southern Africa. What can you learn as a guest researcher in a developing country? Kirk: Actually, when I’m working in Namibia or Benin, I’m the one who’s essentially the learner: in some cases, our partners have been working very successfully on topics that interest us both for years. They have the practical experience of field work with all its vicissitudes and they’re familiar with requirements and sensibilities; they’re the only ones who know about examining theories in the local context and how to win over the relevant science community or politicians as well as overcoming bureaucratic hurdles. Of course, in Germany they can expect this of us the other way round. Kosmos: You are looking for ways of utilising agricultural resources efficiently in developing countries. How do your partners react to a European giving them advice? After all, the European model with its agricultural subsidies is the butt of criticism in developing countries, too. Kirk: Indeed, scientists are not the only ones who immediately think of all the negative examples there have been of the EU’s and the USA’s subsidies schemes. Because of the EU’s export subsidies the producer prices in countries in the south come under enormous pressure. The consequences are poverty in rural areas, accelerated environmental destruction, migration and thus enormous costs for society as a whole. The EU’s Agenda 2000 introduced the first steps towards reform, but of course, from the point Eine weltweite Anstrengung wird AIds besiegen. Anti-AIds-Plakat aus Mali | || Worldwide endeavour will conquer AIds. Anti-AIds poster from Mali völlig unzureichend bleiben. Doch diese warten ja nicht nur auf die Wohltaten des Nordens. Lokale kleine und mittlere Betriebe unternehmen oft enorme Anstrengungen, die hierzulande oft aus dem Blick geraten. Kosmos: Beispielsweise? Kirk: Sie kämpfen um ihren Marktzugang und suchen Nischen, etwa Bio-Produkte oder zertifizierte Rohstoffe. Sie versuchen, Bauernverbände aufzubauen und sich gegen mächtige Aufkäufer und Supermarktketten zu behaupten. Sie beweisen Ideenreichtum, um lebenswichtige Informationen über Preise zu beschaffen oder über Qualitätsstandards und Verbraucherwünsche im Norden. Moderne Medien und der Siegeszug des Handys in vielen Dörfern helfen dabei. Alles geschieht unter den Bedingungen hoher natürlicher Risiken durch Dürren und Überschwemmung, un sichere Lieferbedingungen für Dünger, Saatgut und bisweilen schwer kalkulierbare Regierungspolitik. Das verdient höchsten Respekt! Kosmos: Wie verträgt sich der Kampf um Märkte und Erträge mit dem Erhalt der natürlichen Umwelt? Kirk: Das muss sich miteinander vertragen! Ohne intakte Ökosysteme gibt es keine nachhaltige Entwicklung: Waldgebiete mit ihren komplizierten, bisher kaum verstandenen Ökosystemen sichern den Wasserhaushalt, verhindern Erosion und begrenzen Waldbrände. Funktionsfähige Weidegebiete in der Sahelzone ver- of view of the south, they’re totally inadequate. Not that people there are just waiting around for manna from the north. Local small and medium-sized firms often make enormous efforts of their own which just don’t come to our attention here. Kosmos: Such as? Kirk: Such as fighting for access to markets and finding niches like bio products or certified raw materials. They try to form farmers’ organisations and to hold their own against powerful buyers and supermarket chains. They are very creative when it comes to getting essential information on prices or quality standards and the desires of consumers in the north. In many villages, modern media and the triumph of the mobile phone have played their part in this. And all this takes place under conditions of heightened natural risk of drought or flooding, uncertain delivery terms for fertiliser, seeds and, at times, governmental policy that is difficult to predict. I really take my hat off to them! Kosmos: What is the relationship between the battle for markets and profits and preserving the natural environment? Kirk: It has to be good! You can’t have sustainable development without intact ecosystems: forested areas with their complicated ecosystems, which we know very little about as yet, guarantee the hydrologic balance, prevent erosion and limit forest fires. Work able grazing land in the Sahel prevents desertification, the 16 Humboldt kosmos sonderausgabe 2008 17

<strong>Wissen</strong> <strong>schafft</strong> <strong>Entwicklung</strong> | || From Knowledge to Development <strong>Wissen</strong> <strong>schafft</strong> <strong>Entwicklung</strong> | || From Knowledge to Development<br />

Antia: Gerade deshalb müssen wir erforschen, wie Regierungen<br />

und Gesellschaften dort mit dieser Bürde umgehen. Nur so können<br />

wir die Schwächen angehen und die Stärken ausbauen. Übrigens<br />

erinnert uns das Robert Koch-Institut regelmäßig daran,<br />

dass die Zahl der Infektionen mit HIV auch in Deutschland<br />

ansteigt. Zugleich wird das Umfeld für die Gesundheitsvorsorge<br />

immer multikultureller. Die AIDS-Hilfe in Bielefeld untersucht<br />

deshalb seit einigen Jahren, wie Zielgruppen aus verschiedenen<br />

Ländern auf Anti-AIDS-Kampagnen in Deutschland und in ihren<br />

Heimatländern reagieren. Nur so finden sie eine wirksame Kommunikationsstrategie.<br />

Es wäre nicht klug zu meinen, von einem<br />

Land können wir nichts lernen, nur weil es in Afrika liegt.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Herr Professor Kirk, Sie beschreiten die Zweibahnstraße<br />

der Zusammenarbeit in die andere Richtung. Gerade kommen<br />

Sie von einem längeren Forschungsaufenthalt aus dem südlichen<br />

Afrika zurück. Was lernen Sie als Gastforscher in einem <strong>Entwicklung</strong>sland?<br />

Kirk: Wenn ich in Namibia oder Benin arbeite, bin ich tatsächlich<br />

in erster Linie der Lernende: Unsere Partner arbeiten teils seit<br />

Jahrzehnten sehr erfolgreich an den Themen, die uns gemeinsam<br />

interessieren. Sie haben die praktische Erfahrung in der Feldforschung<br />

mit all ihren Unwägbarkeiten, sie kennen Bedürfnisse<br />

und auch Empfindlichkeiten, sie wissen Theorien im lokalen<br />

Kontext zu überprüfen und verstehen es allein, die jeweilige <strong>Wissen</strong>schaftsgemeinschaft<br />

und die Politik ins Boot zu holen sowie<br />

bürokratische Probleme zu meistern. Sie können natürlich im<br />

umgekehrten Fall dieses auch von uns in Deutschland erwarten.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Sie forschen nach Wegen für eine effiziente landwirtschaftliche<br />

Ressourcennutzung in <strong>Entwicklung</strong>sländern. Wie<br />

kommt Ihr Rat als Europäer bei Ihren Partnern an? Schließlich<br />

steht das europäische Modell mit seinen Agrarsubventionen in<br />

der Kritik auch der <strong>Entwicklung</strong>sländer.<br />

Kirk: In der Tat, spontan fallen wohl nicht nur <strong>Wissen</strong>schaftlern<br />

zunächst die negativen Beispiele bisheriger EU- und USA-Subventionspolitik<br />

ein: Durch Exportsubvention der EU geraten<br />

die Erzeugerpreise in den Ländern des Südens unter massiven<br />

Druck. Armut im ländlichen Raum, forcierte Umweltzerstörung,<br />

Abwanderung und damit hohe gesamtgesellschaftliche Kosten<br />

sind die Folgen. Die EU hat mit der Agenda 2000 erste Reformschritte<br />

eingeleitet, die aus der Perspektive des Südens natürlich<br />

Antia: This is precisely why we must find out how governments<br />

and societies cope with the burden. This is the only way we can<br />

tackle the weak points and develop the strong ones. By the way,<br />

the Robert Koch Institute regularly reminds us that the number of<br />

HIV infections is growing in Germany, too. At the same time, the<br />

healthcare environment is getting ever more multicultural. That’s<br />

the reason why, for some years, the Bielefeld self-help organisation,<br />

AIDS-Hilfe, has been investigating how target groups from<br />

various countries react to AIDS campaigns in Germany and their<br />

own countries. This is the only way to find an effective communication<br />

strategy. It wouldn’t be clever to imagine we can’t learn<br />

anything from another country just because it happens to be in<br />

Africa.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Professor Kirk, you are going down the cooperation<br />

two-way street in the other direction. You’ve just returned from<br />

an extended research stay in southern Africa. What can you learn<br />

as a guest researcher in a developing country?<br />

Kirk: Actually, when I’m working in Namibia or Benin, I’m the<br />

one who’s essentially the learner: in some cases, our partners have<br />

been working very successfully on topics that interest us both for<br />

years. They have the practical experience of field work with all its<br />

vicissitudes and they’re familiar with requirements and sensibilities;<br />

they’re the only ones who know about examining theories in<br />

the local context and how to win over the relevant science community<br />

or politicians as well as overcoming bureaucratic hurdles.<br />

Of course, in Germany they can expect this of us the other way<br />

round.<br />

<strong>Kosmos</strong>: You are looking for ways of utilising agricultural<br />

resources efficiently in developing countries. How do your partners<br />

react to a European giving them advice? After all, the European<br />

model with its agricultural subsidies is the butt of criticism<br />

in developing countries, too.<br />

Kirk: Indeed, scientists are not the only ones who immediately<br />

think of all the negative examples there have been of the EU’s and<br />

the USA’s subsidies schemes. Because of the EU’s export subsidies<br />

the producer prices in countries in the south come under<br />

enormous pressure. The consequences are poverty in rural areas,<br />

accelerated environmental destruction, migration and thus enormous<br />

costs for society as a whole. The EU’s Agenda 2000 introduced<br />

the first steps towards reform, but of course, from the point<br />

Eine weltweite Anstrengung wird AIds besiegen. Anti-AIds-Plakat aus Mali | || Worldwide endeavour will conquer AIds. Anti-AIds poster from Mali<br />

völlig unzureichend bleiben. Doch diese warten ja nicht nur auf<br />

die Wohltaten des Nordens. Lokale kleine und mittlere Betriebe<br />

unternehmen oft enorme Anstrengungen, die hierzulande oft aus<br />

dem Blick geraten.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Beispielsweise?<br />

Kirk: Sie kämpfen um ihren Marktzugang und suchen Nischen,<br />

etwa Bio-Produkte oder zertifizierte Rohstoffe. Sie versuchen,<br />

Bauernverbände aufzubauen und sich gegen mächtige Aufkäufer<br />

und Supermarktketten zu behaupten. Sie beweisen Ideenreichtum,<br />

um lebenswichtige Informationen über Preise zu beschaffen oder<br />

über Qualitätsstandards und Verbraucherwünsche im Norden.<br />

Moderne Medien und der Siegeszug des Handys in vielen Dörfern<br />

helfen dabei. Alles geschieht unter den Bedingungen hoher natürlicher<br />

Risiken durch Dürren und Überschwemmung, un sichere<br />

Lieferbedingungen für Dünger, Saatgut und bisweilen schwer kalkulierbare<br />

Regierungspolitik. Das verdient höchsten Respekt!<br />

<strong>Kosmos</strong>: Wie verträgt sich der Kampf um Märkte und Erträge<br />

mit dem Erhalt der natürlichen Umwelt?<br />

Kirk: Das muss sich miteinander vertragen! Ohne intakte Ökosysteme<br />

gibt es keine nachhaltige <strong>Entwicklung</strong>: Waldgebiete mit<br />

ihren komplizierten, bisher kaum verstandenen Ökosystemen<br />

sichern den Wasserhaushalt, verhindern Erosion und begrenzen<br />

Waldbrände. Funktionsfähige Weidegebiete in der Sahelzone ver-<br />

of view of the south, they’re totally inadequate. Not that people<br />

there are just waiting around for manna from the north. Local<br />

small and medium-sized firms often make enormous efforts of<br />

their own which just don’t come to our attention here.<br />

<strong>Kosmos</strong>: Such as?<br />

Kirk: Such as fighting for access to markets and finding niches like<br />

bio products or certified raw materials. They try to form farmers’<br />

organisations and to hold their own against powerful buyers<br />

and supermarket chains. They are very creative when it comes to<br />

getting essential information on prices or quality standards and<br />

the desires of consumers in the north. In many villages, modern<br />

media and the triumph of the mobile phone have played their part<br />

in this. And all this takes place under conditions of heightened<br />

natural risk of drought or flooding, uncertain delivery terms for<br />

fertiliser, seeds and, at times, governmental policy that is difficult<br />

to predict. I really take my hat off to them!<br />

<strong>Kosmos</strong>: What is the relationship between the battle for markets<br />

and profits and preserving the natural environment?<br />

Kirk: It has to be good! You can’t have sustainable development<br />

without intact ecosystems: forested areas with their complicated<br />

ecosystems, which we know very little about as yet, guarantee<br />

the hydrologic balance, prevent erosion and limit forest fires.<br />

Work able grazing land in the Sahel prevents desertification, the<br />

16 <strong>Humboldt</strong> kosmos sonderausgabe 2008<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!