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Mathematischer und Naturwissenschaftlicher Unterricht<br />

Organ des Deutschen Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts e. V.<br />

Jahrgang 1, 2/<strong>2009</strong>, 15. April <strong>2009</strong>, ISSN 1867-9439<br />

1.<br />

Stufe<br />

Problemgewinnung<br />

Was möchte ich<br />

herausfinden?<br />

5.<br />

Stufe<br />

Wissenssicherung<br />

Ich wiederhole:<br />

Wo kann ich das Gelernte<br />

anwenden?<br />

2.<br />

Stufe<br />

Überlegung<br />

zur Problemlösung<br />

Was weiß ich bereits?<br />

Vermutungen, mögliche<br />

Experimente<br />

Herausgeber<br />

3.<br />

Stufe<br />

Durchführung<br />

eines Lösevorschlags<br />

Ich plane und führe<br />

das Experiment durch<br />

und beobachte.<br />

4.<br />

Stufe<br />

Abstraktion<br />

Kann ich<br />

das Beobachtete<br />

erklären?<br />

Hauptschriftleiter<br />

Prof. Dr. BERND RALLE<br />

Technische Universität Dortmund<br />

Fak. Chemie, Didaktik der Chemie<br />

44221 Dortmund<br />

Bernd.Ralle@mnu.de<br />

STANDPUNKT<br />

43 BERND RALLE<br />

Lehrerbildung in Bewegung<br />

AUS BILDUNG UND WISSENSCHAFT<br />

44 CLAUDIA FISCHER – KAREN RIECK – BRIGITTE DEDEKIND<br />

SINUS-Transfer Grundschule<br />

SCHULPRAXIS<br />

49 THOMAS ROTTMANN<br />

Diagnose von Rechenstörungen<br />

52 CHRISTINE GAUER<br />

Sachaufgaben – ein ergänzendes Angebot aus dem Internet<br />

60 JOACHIM HRZÁN – EMAD SEFIEN<br />

Gleichungen mit x in der Grundschule?! – Teil 2<br />

64 RUPERT SCHEUER – HILDEGARD LUCAS<br />

Von »Anionischen Tensiden« bis »Zeolithe« – Teil 2<br />

69 HEINZ SCHMIDKUNZ<br />

Die Geschichte von Stefan und dem Früchtetee<br />

72 INGRID SCHWEITZER<br />

Ausgangspunkte des Lernens im Sachunterricht<br />

77 INFORMATIONEN/TAGUNGEN<br />

Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe –<br />

Informationskompetens in der Grundschule – Jahrestagung der GDSU –<br />

Unterrichtsentwicklung voranbringen – Das Projekt PIK-AS<br />

78 AKTUELLES AUS DEM FÖRDERVEREIN<br />

100. Jahreskongress des Fördervereins vom 5. bis 9. April <strong>2009</strong><br />

in Regensburg<br />

BESPRECHUNGEN<br />

79 Zeitschriften Naturwissenschaften<br />

79 Zeitschriften Mathematik<br />

80 Bücher<br />

Fachschriftleiterin<br />

Naturwissenschaften<br />

Prof. Dr. MIRJAM STEFFENSKY<br />

Seminar für Didaktik<br />

des Sachunterrichts<br />

Westfälische<br />

Wilhelms-Universität Münster<br />

Leonardo-Campus 11<br />

48149 Münster<br />

steffensky@uni-muenster.de<br />

Fachschriftleiterin<br />

Mathematik<br />

Prof. Dr. ANNA SUSANNE STEINWEG<br />

Otto-Friedrich-Universität<br />

Didaktik der<br />

Mathematik & Informatik<br />

Markusplatz 3<br />

96045 Bamberg<br />

anna.steinweg@uni-bamberg.de


Förderverein <strong>MNU</strong><br />

Deutscher Verein zur Förderung des<br />

mathematischen und naturwissenschaftlichen<br />

Unterrichts e. V.<br />

http://www.mnu.de<br />

Der Verein ist durch Verfügung des Finanzamtes für Körperschaften<br />

in Hamburg als gemeinnützig anerkannt. Die<br />

Beiträge werden nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet.<br />

Kontoverbindung: Förderverein <strong>MNU</strong>, Hamburger Sparkasse,<br />

BLZ 200 505 50, Konto-Nr. 1090 213 404<br />

Vorsitzende der Landesverbände<br />

Baden-Württemberg: FRITHJOF STEPHAN, Limes-Gymnasium,<br />

Helmut-Glock-Straße 2, 73642 Welzheim<br />

Berlin: Dr. THOMAS KIRSKI,<br />

Sesenheimer Straße 17, 10627 Berlin<br />

Brandenburg: Dr. BERND LAGOIS (kommissar.),<br />

Helsunger Straße 21a, 38889 Blankenburg<br />

Bremen: Dr. JÖRN GERDES,<br />

Annette-Kolb-Straße 19, 28215 Bremen<br />

Franken: HARALD WALTER,<br />

In den Berten 10, 90766 Fürth<br />

Hamburg: MICHAEL EDLER,<br />

Grasredder 19, 21029 Hamburg<br />

Hessen: MANFRED ENGEL,<br />

Bahnhofstraße 1, 36199 Rotenburg<br />

Mecklenburg-Vorpommern Dr. WOLFGANG ROSENOW,<br />

Goldberger Straße 51, 18273 Güstrow<br />

Niedersachsen: WERNER WEGNER,<br />

Zum großen Freien 93, 31275 Lehrte<br />

Nordrhein: ALEXANDRA DREISEIDLER,<br />

Prinzgasse 54, 53347 Alfter<br />

Ostbayern: RICHARD SPARRER,<br />

Mitterfeldweg 20, 93173 Wenzenbach<br />

Rheinland-Pfalz: RENATE STÜCK,<br />

Untermarkstraße 26, 56330 Kobern-Gondorf<br />

Saarland: Dr. MICHAEL VOSS,<br />

Birkenweg 25, 66292 Riegelsberg<br />

Sachsen: ROSMARIE SCHMIDT,<br />

Brockhausstraße 5, 04229 Leipzig<br />

Sachsen-Anhalt: PD Dr. GERD RIEDL,<br />

Ahornweg 4, 06179 Bennstedt<br />

Schleswig-Holstein: Dr. JÜRGEN M. KÜSTER,<br />

Seeblick 22, 24211 Preetz<br />

Südbayern: UTE FREDENHAGEN,<br />

Geigenbergerstraße 6, 81477 München<br />

Thüringen: HEIDRUN SCHÖNFELD,<br />

Ortsstraße 47, 07929 Gräfenwarth<br />

Westfalen: PAUL GIETZ,<br />

Droste-Hülshoff-Straße 34 A, 46282 Dorsten<br />

Weitere Ansprechpartner:<br />

Reisestipendien Dt. Museum WOLFGANG ASSELBORN,<br />

Konrad-Adenauer-Allee 26,<br />

66740 Saarlouis<br />

Neue Bundesländer Dr. BERND LAGOIS,<br />

Helsunger Straße 21a,<br />

38889 Blankenburg<br />

Redaktion Zeitschrift KLAUS SEEBERGER,<br />

Vossenacker Straße 9<br />

41464 Neuss<br />

Begabtenförderung Dr. ILONA SCHULZE,<br />

Giessener Straße 1,<br />

50679 Köln<br />

<strong>MNU</strong>-Kongresse ALEXANDRA DREISEIDLER,<br />

Prinzgasse 54,<br />

53347 Alfter<br />

Verlag Klaus Seeberger<br />

Vossenacker Straße 9, 41464 Neuss<br />

Telefon 02131 1248864<br />

Telefax 02131 1248862<br />

Seeberger@mnu.de + info@seeberger-verlag.de<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong>-Erscheinungsweise:<br />

viermal jährlich (alle zwölf Wochen),<br />

je 40 Seiten Umfang<br />

Heft-Nr. Erscheinungstermin Anzeigenschluss<br />

1 15. Januar 15. Dezember<br />

2 15. April 15. März<br />

3 15. Juli 15. Juni<br />

4 15. Oktober 15. September<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong>-Bezugsbedingungen<br />

Pro Jahrgang 4 Hefte = 160 Seiten und Archiv-CD-ROM: 50,00 €,<br />

Einzelheft 12,50 €, zuzüglich Versandspesen.<br />

Für Mitglieder des Fördervereins ist der Bezugspreis im Vereinsbeitrag<br />

in Höhe von 30,00 € pro Jahr enthalten.<br />

Eine Kündigung des Jahresabonnements kann nur anerkannt werden,<br />

wenn die schriftliche Kündigung für das folgende Jahr am<br />

1. Oktober des laufenden Jahres beim Verlag vorliegt.<br />

Anschriftenänderungen<br />

bitte rechtzeitig dem Verlag (nicht dem Geschäftsführer des<br />

Fördervereins und nicht der Post) mitteilen. Bei Anschriftenänderungen,<br />

die nicht mindestens 4 Wochen vor Erscheinen des<br />

nächsten Heftes beim Verlag gemeldet sind, kann bei Verlust eines<br />

Heftes Ersatz nur gegen Berechnung gestellt werden, da die<br />

Post Zeitschriften weder nachsendet noch an den Verlag zurückgibt.<br />

Redaktionelle Zuschriften<br />

bitte an die zuständige <strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> Fachschriftleitung senden.<br />

Hinweise für Autoren sind im Heft zu fi nden, außerdem im Internet<br />

unter:<br />

http://www.mnu.de<br />

Verlag, Anzeigen- und Beilagenverwaltung<br />

Verlag Anschrift wie oben. Anzeigen- und Beilagenpreise gemäß<br />

Tarif 1/<strong>2009</strong>. Anzeigenschluss jeweils vier Wochen vor Erscheinen<br />

(s. obige Termine).<br />

Satz, Druck, Bindearbeiten:<br />

Appel & Klinger Druck und Medien GmbH, Kronach<br />

Mittelstraße 9, 96317 Kronach, Tel. 09261 96243-0<br />

www.ak-druck-medien.de; E-Mail: info@ak-druck-medien.de<br />

Copyright/Fotokopien<br />

Sämtliche Rechte liegen beim Verlag. Die Zeitschrift und ihre Teile<br />

sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung in anderen<br />

als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf deshalb der vorherigen<br />

schriftlichen Einwilligung des Verlages.


STANDPUNKT<br />

Lehrerbildung in Bewegung<br />

Die Umstellung der Studienstrukturen auf die Bedingungen<br />

eines gestuften Bachelor/Master-Systems führt seit<br />

einiger Zeit zu erheblicher Unruhe in den Universitäten.<br />

So sind die Studiengänge nicht allein zu modularisieren<br />

und mit Kompetenzbeschreibungen zu versehen, es müssen<br />

für die sechssemestrigen Bachelor-Abschlüsse auch<br />

weitergehende berufl iche Perspektiven eröffnet werden,<br />

was bislang keineswegs als gelungen bezeichnet werden<br />

kann.<br />

Mehr und mehr werden auch die Lehramtsstudiengänge<br />

von diesem Prozess erfasst. In fast allen Bundesländern<br />

wird an der Umstellung gearbeitet. Dabei ist von der Vorgabe<br />

der Kultusministerkonferenz auszugehen, dass mit<br />

der Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem die Gesamtausbildungsdauer<br />

in den beiden Phasen der Lehrerbildung<br />

gegenüber dem aktuellen Stand nicht verlängert<br />

werden darf.<br />

Zudem wird das alte Staatsexamen zwar nicht überfl üssig,<br />

es rückt jedoch ein wenig in den Hintergrund, sind<br />

die Universitäten doch zunächst einmal allein für die Studiengänge<br />

verantwortlich. Sie müssen sich allerdings einem<br />

Akkreditierungsverfahren stellen, in dem u. a. auch<br />

die staatliche Seite eine gewisse Kontrollfunktion ausübt.<br />

Am Ende müssen die Universitäten sicher stellen, dass<br />

ihre Studierenden so ausgebildet werden, dass sie die Zugangsbedingungen<br />

für den Vorbereitungsdienst erfüllen.<br />

Ich denke, damit ist der Druck auf die Universitäten groß<br />

genug, und die Gefahr, dass sich die Lehrerbildung an<br />

den geforderten Qualitätsansprüchen vorbei entwickeln<br />

könnte, ist gering.<br />

Für die Ausbildungsgänge in den verschiedenen Lehrämtern<br />

hat dies dennoch insgesamt weitreichende Konsequenzen.<br />

Die im ersten Umstellungsschritt vorgenommene<br />

Einführung eines sechssemestrigen Bachelorstudiums<br />

und viersemestrigen Masterstudiums für die Gymnasiallehrerausbildung<br />

(6 + 4-System) und eines 6 + 2-Systems<br />

für die Grund-, Haupt- und Realschullehrerstudiengänge<br />

hat aktuell zur Folge, dass die Ausbildung in der 1. Phase<br />

um ein Semester verlängert worden ist. Hier muss also<br />

gegengesteuert werden, wenn die Vorgaben der KMK eingelöst<br />

werden sollen.<br />

Nordrhein-Westfalen hat mit dem nun vorgelegten Lehrerausbildungsgesetz<br />

einen mutigen Schritt getan, der<br />

nicht allein strukturelle Implikationen hat, sondern auch<br />

ausgesprochen ehrgeizige inhaltliche Ziele anstrebt. Andere<br />

Länder werden vermutlich in ähnlicher Weise folgen.<br />

Danach soll es u. a. folgende wesentliche Änderungen<br />

geben:<br />

Alle Lehramtsstudiengänge haben einen Umfang von<br />

zehn Semestern (6 + 4-System);<br />

Ein halbes Jahr des Vorbereitungsdienstes wird in die<br />

Masterausbildung der 1. Phase integriert. Diese Praxisphase<br />

wird von Vertretern der 2. Phase betreut.<br />

Die Änderungen werden von verschiedenen Seiten insgesamt<br />

als wegweisend für die Lehrerbildung eingeschätzt,<br />

lösen sie doch Forderungen ein, die schon seit langem im-<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seite 43, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

mer wieder einmal erhoben wurden. Allerdings sind auch<br />

Skepsis und Unsicherheit zu erkennen. Viele Betroffene<br />

fragen sich, welche Konsequenzen die Umstellung für den<br />

curricularen Aufbau der Studiengänge hat. Insbesondere<br />

für die Ausbildung unserer zukünftigen Grundschullehrerinnen<br />

und -lehrer stellen sich viele Fragen. Welche Anteile<br />

sollen in dem verlängerten Studium aufgenommen werden?<br />

Sollen zum Beispiel sonderpädagogische Elemente<br />

einen starken Stellenwert erhalten? Wie kann Diagnose<br />

und Förderung hochwertig im Studium verankert werden?<br />

Wird sich die interessierte Studierenden-Klientel ändern,<br />

wenn sich die Ansprüche an das Studium deutlich verlagern?<br />

Nicht zuletzt wird man fragen müssen, ob unsere<br />

Universitäten mit dem einher gehenden größeren<br />

und veränderten Lehraufwand zurecht kommen. Werden<br />

entsprechende Ressourcen bereit gestellt, und gibt es<br />

überhaupt genügend qualifi ziertes Personal für die neue<br />

Ausbildung?<br />

Die Integration eines Praxissemesters in die 1. Phase der<br />

Ausbildung geht ebenfalls einher mit zunächst noch ungelösten<br />

Aufgaben. Wie kann die Theorie-Praxis-Ausbildung<br />

unter Einbeziehung des Praxissemesters als ein kumulativer<br />

Kompetenzentwicklungsprozess gestaltet werden, in<br />

dem beide Phasen, die Universität und auch die Studienseminare,<br />

ihre eindeutige Rolle haben? Sind die beiden<br />

Phasen überhaupt in der Lage, auf curricularer Ebene<br />

sinnvoll miteinander zu kooperieren? Es wird spannend<br />

sein zu beobachten, wie sich der Professionalisierungsprozess<br />

der Studierenden gestallten lässt. Auf jeden Fall<br />

sollte darauf geachtet werden, dass sich weder in der<br />

universitären Ausbildung noch in der Praxisausbildung die<br />

Vermittlung von Handlungsroutinen in den Vordergrund<br />

drängt, sondern eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung<br />

mit Theorieansätzen, Praxisphänomenen und der<br />

eigenen Lehrerpersönlichkeit geschieht.<br />

Diese und weitere Fragen stellen sich. Hier müssen die<br />

Beteiligten sich fi nden und Kooperation muss gestaltet<br />

werden. In dem Ringen um Antworten auf die sich stellenden<br />

Fragen sollte nicht übersehen werden, dass die Lehrerbildung<br />

mit diesen Änderungen erstmals als Ganzes in<br />

den Blick genommen wird und Jahrzehnte alte Forderungen<br />

nun endlich die Chance haben umgesetzt zu werden.<br />

Die Aufwertung der bisherigen »kleinen« Studiengänge<br />

und auch die stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis<br />

stellen Fortschritte dar, für die sich aller Einsatz lohnt.<br />

BERND RALLE<br />

gc<br />

43


SINUS-Transfer Grundschule<br />

Lehrkräfte verändern ihren Mathematikunterricht<br />

und ihren naturwissenschaftlichen Sachunterricht an<br />

Grundschulen – (wie) geht das?<br />

CLAUDIA FISCHER – KAREN RIECK – BRIGITTE DEDEKIND<br />

SINUS-Transfer Grundschule ist ein Unterrichtsentwicklungsprogramm, in dessen Zentrum die Weiterentwicklung<br />

des Mathematikunterrichts und des naturwissenschaftlichen Sachunterrichts an Grundschulen steht. Der Beitrag<br />

stellt beispielhaft vor, wie Lehrkräfte – unterstützt durch das Programm – innerhalb eines mehrjährigen Prozesses<br />

ihren Unterricht verändern. Gezeigt wird auch, welche Erfahrungen sie dabei machen und welche professionelle<br />

Weiterentwicklung sie vollziehen.<br />

1 Einleitung<br />

Frau Schmidt (46 Jahre) ist Lehrerin und unterrichtet<br />

seit Jahren mit viel Freude an einer Grundschule. Aus<br />

ihrer Sicht kommt ihr Unterricht gut an und die meisten<br />

Kinder lernen erfolgreich. Allerdings stellt sie über<br />

die Jahre eine starke Zunahme der Heterogenität in der<br />

Schülerschaft fest, die auch Einfl uss auf ihren Unterricht<br />

hat. Sie fühlt sich als Lehrerin stärker gefordert, ihren<br />

Unterricht so zu gestalten, dass sie allen Kindern gerecht<br />

wird. Die dazu nötigen Veränderungen gehören nicht zu<br />

ihren Routinen. Sie verspürt die dringende Notwendigkeit,<br />

sich fachlich und methodisch zu informieren und Neues<br />

dazu zu lernen.<br />

Frau Schmidt stellen wir in diesem Beitrag als eine beispielhafte<br />

Lehrkraft aus dem bundesweiten Modellversuch<br />

SINUS-Transfer Grundschule vor. Sie ist keine tatsächlich<br />

existierende Person, sondern ein Prototyp, in dem die<br />

charakteristischen Lehrermerkmale konzentriert sind, die<br />

wir über Datenerhebungen im Programm SINUS-Transfer<br />

Grundschule ermittelt haben. Die Daten werden dabei<br />

über Schulfragebögen, regelmäßige Berichterstattung<br />

der Länder, Untersuchung von schriftlichen Dokumentationen<br />

der Lehrkräfte (Logbücher) und Akzeptanzbefragung<br />

erhoben.<br />

2 Das Programm SINUS-Transfer<br />

Grundschule<br />

Als bundesweites Unterrichtsentwicklungsprogramm startete<br />

SINUS-Transfer Grundschule im August 2004 und<br />

endet im Juli <strong>2009</strong>. Lehrkräfte aus 400 Grundschulen in<br />

14 Bundesländern arbeiten während dieser Zeit kooperativ<br />

an der Veränderung ihres Mathematikunterrichts und<br />

ihres naturwissenschaftlichen Sachunterrichts und professionalisieren<br />

sich damit weiter. Das Programm wird<br />

in der gemeinsamen Verantwortung der Länder durchgeführt,<br />

die Programmträgerschaft liegt – wie bei den auf<br />

die Sekundarstufen ausgerichteten Vorläuferprogrammen<br />

SINUS und SINUS-Transfer – beim Kieler Leibniz-Institut<br />

für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN), das das<br />

Programm auch wissenschaftlich begleitet.<br />

Empirische Studien zeigen, dass der Entwicklungsbedarf<br />

im Unterricht von Mathematik und den Naturwissenschaften<br />

in Deutschland besonders groß ist (Stigler & Hie-<br />

44<br />

AUS BILDUNG UND WISSENSCHAFT<br />

bert 1997; Baumert et al. 1997; BLK 1997; Baumert,<br />

Bos & Lehmann, 1998). Unterrichtsveränderung muss<br />

deshalb darauf abzielen, die Bedingungen für effektives<br />

Lernen in diesen beiden Bereichen zu verbessern. Damit<br />

alle Schülerinnen und Schüler – unabhängig von ihrer<br />

sozialen und ethnischen Herkunft – ein höheres Niveau<br />

der mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenz<br />

erreichen, ist es sinnvoll, frühzeitig zu beginnen.<br />

Ziel jeden Unterrichts ist es, Lernende dabei zu unterstützen,<br />

Sachverhalte geistig zu durchdringen und dabei<br />

anschlussfähiges und anwendbares Wissen aufzubauen.<br />

Eine andere Gruppe von Lernenden, nämlich Kinder und<br />

Jugendliche mit besonderen Begabungen, wird derzeit<br />

in deutschen Schulen nicht ausreichend gefördert. Unterricht<br />

hat die Aufgabe, über differenzielle Angebote die<br />

unterschiedlichen Lernausgangslagen zu berücksichtigen<br />

und Über- sowie Unterforderung zu vermeiden. Die Unterrichtsentwicklung<br />

in SINUS-Transfer Grundschule hilft bei<br />

der Bewältigung dieser Anforderungen.<br />

Das Programm SINUS-Transfer Grundschule lädt Lehrkräfte<br />

dazu ein, sich auf das nahe Liegende zu konzentrieren,<br />

nämlich auf ausgewählte – empirisch nachgewiesene<br />

– Problembereiche des Unterrichts (z. B. die Aufgabenkultur<br />

oder den Umgang mit Heterogenität). Diese Problembereiche<br />

sind für die Grundschule in zehn so genannten<br />

Modulen formuliert (vgl. Abb. 1). Zu jedem der Module<br />

werden fachdidaktische Handreichungen (Modulbeschreibungen)<br />

als Ausgangsimpuls für die Lehrkräfte bereitgestellt.<br />

3 Warum engagieren sich Lehrkräfte?<br />

Derzeit sind ca. 1.500 Lehrkräfte freiwillig am Programm<br />

SINUS-Transfer Grundschule beteiligt.<br />

Aus der Sicht von Lehrkräften ist die Mitarbeit in diesem<br />

Programm besonders attraktiv, weil es:<br />

aktuelle und brennende Fragen des Unterrichts aufgreift<br />

und zu Veränderungen anregt,<br />

Lehrkräfte direkt mit ihrer durch den Beruf und das<br />

Leben erworbenen Expertise für Unterricht anspricht,<br />

kooperatives Arbeiten voraussetzt,<br />

innerhalb eines gesetzten Rahmens Lehrkräften große<br />

Freiheiten der Ausgestaltung lässt,<br />

strukturiertes und koordiniertes Arbeiten bietet,<br />

ein effektives Unterstützungssystem ausgebildet hat<br />

und<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 44–49, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss


AUS BILDUNG UND WISSENSCHAFT // SINUS-TRANSFER GRUNDSCHULE<br />

über regelmäßige Evaluation die Zielorientierung und<br />

Zielerreichung sichert.<br />

Einige dieser Gründe wollen wir im Folgenden genauer beleuchten.<br />

4 Aktuelle und brennende Fragen<br />

des Unterrichts aufgreifen<br />

Frau Schmidt unterrichtet in einem Stadtteil mit einem<br />

traditionell hohen Akademikeranteil. Seit einigen Jahren<br />

wandelt sich die Wohnbevölkerung im Einzugsbereich der<br />

Schule. In der Klasse sind jetzt auch Kinder aus eingewanderten<br />

Familien, die kaum Deutsch sprechen und Kinder<br />

aus Familien, in denen schon seit mehreren Jahren niemand<br />

mehr einer geregelten Arbeit nachgeht. Daneben<br />

gibt es nach wie vor Kinder aus anderen Elternhäusern,<br />

in denen Mütter nur für die Kinder da sind und an jedem<br />

Nachmittag nach der Schule für eine anregende Freizeitbeschäftigung<br />

sorgen. Frau Schmidt fühlt sich als Lehrerin<br />

stärker gefordert. Ihr Unterricht soll jedem Kind gerecht<br />

werden. Das ist nicht immer leicht. Als die Schule<br />

die Möglichkeit erhält, sich am Programm SINUS-Transfer<br />

Grundschule zu beteiligen, eröffnet sich die Chance,<br />

etwas zu unternehmen.<br />

Die Mitarbeit im SINUS-Programm gibt Frau Schmidt<br />

Gelegenheit, ihr Problem zu thematisieren, es genauer<br />

zu untersuchen und an seiner Lösung zu arbeiten. Sie<br />

nimmt das Angebot des Projekts an und vermutet, dass<br />

eine Veränderung der Aufgabenkultur im Mathematikunterricht<br />

helfen könnte, den Unterricht besser an die unterschiedlichen<br />

Lern- und Leistungsvoraussetzungen der<br />

Abb. 1 Zehn Module für die Grundschule<br />

Kinder anzupassen. Sie macht daher Modul G1 zu einem<br />

Arbeitsschwerpunkt ihrer SINUS-Arbeit. Wie die Abbildung<br />

2 zeigt, werden in beiden fachlichen Schwerpunkten<br />

(Mathematik bzw. naturwissenschaftlicher Sachunterricht)<br />

vor allem die drei Basismodule als Bezugspunkte<br />

gewählt. Diese Modulwahl entspricht der Konzeption, die<br />

vorsieht, dass die Schulen zunächst mit der Arbeit auf der<br />

Grundlage eines Basismoduls beginnen. Ab dem zweiten<br />

bzw. dritten Programmjahr wählen sie ein weiteres Basismodul<br />

oder ein Erweiterungsmodul hinzu und bringen<br />

sich dadurch in die Lage, komplexere Anforderungen des<br />

Unterrichts zu bearbeiten. Ein Beispiel wäre die Entwicklung<br />

von Aufgaben, die besonders dabei helfen, Talente<br />

zu entdecken.<br />

5 Lehrkräfte sind Experten für Unterricht<br />

Frau Schmidt arbeitet seit über 20 Jahren in ihrem Beruf<br />

und ist damit auf vielen Gebieten sehr praxiserfahren.<br />

Damit sie mit Heterogenität besser umgehen kann,<br />

braucht sie jedoch mehr als die bisherige praktische Erfahrung.<br />

Auf Theoriewissen aus der Ausbildung kann sie<br />

nicht zurückgreifen, denn Heterogenität bzw. individuelle<br />

Förderung waren damals keine wichtigen Themen. Fortbildung<br />

könnte helfen, doch allzu häufi g besucht sie solche<br />

Veranstaltungen nicht, denn es darf keine Unterrichtsstunde<br />

ausfallen und Vertretungsregelungen stoßen an<br />

ihre Grenzen. Die Schulleiterin unterstützt Fortbildungswünsche<br />

prinzipiell, hat aber oft Schwierigkeiten, sie zu<br />

realisieren. Frau Schmidt erlebt, dass die angebotenen<br />

Fortbildungsthemen nicht immer ihre Fragen beantworten;<br />

insbesondere zum Umgang mit Heterogenität gibt es<br />

kaum Angebote, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten<br />

www.mnu.de 45


AUS BILDUNG UND WISSENSCHAFT // SINUS-TRANSFER GRUNDSCHULE<br />

sind. Die Lehrkräfte wissen oft nicht, worin sie sich fortbilden,<br />

da im Schulalltag wenig Zeit zum Austausch bleibt.<br />

Umgekehrt weiß Frau Schmidt auch nichts von den Fortbildungserfahrungen<br />

anderer Kolleginnen und Kollegen.<br />

Das Programm SINUS-Transfer Grundschule versteht<br />

Lehrkräfte als berufs- und lebenserfahrene Experten<br />

für Unterricht. Sie kennen die Probleme am besten und<br />

sind dazu prädestiniert, sie zu bearbeiten und zu lösen.<br />

Dabei bringen sie ihr vorhandenes Wissen und Können<br />

ein und erhalten gezielte Unterstützung. Eine solche Hilfestellung<br />

erfolgt in Form von Fortbildungsimpulsen, von<br />

thematisch orientierten schriftlichen Handreichungen,<br />

fachlicher Beratung und kollegialem Austausch. SINUS-<br />

Lehrkräfte konzentrieren ihre Arbeit auf die Veränderung<br />

des Unterrichts. Unterrichtsveränderung im Sinne von<br />

SINUS bedeutet nicht, den gesamten Unterrichtsansatz<br />

über Bord zu werfen. Stattdessen wählen die Lehrkräfte<br />

Kernbereiche aus und ergreifen gezielt Maßnahmen, mit<br />

denen sie rasch zu sichtbaren und spürbaren Veränderungen<br />

kommen. Unterrichtsveränderung ist ein Prozess<br />

des Konstruierens. Im Zentrum dieses Prozesses stehen<br />

didaktische Unterlagen: sie werden erprobt, die Ergebnisse<br />

überprüft, der Einsatz refl ektiert, etwas verändert,<br />

erneut erprobt usw. Durch ein solches Vorgehen erleben<br />

Lehrkräfte einen Zugewinn an professioneller Kompetenz<br />

und verfügen schließlich über mehr und neue Möglichkeiten,<br />

ihr Handeln an die unterrichtlichen Erfordernisse<br />

anzupassen.<br />

6 Kollegial zusammenarbeiten<br />

In ihrem Berufsleben hat Frau Schmidt schon oft versucht,<br />

etwas in ihrem Unterricht zu verändern. Meist erlebte sie<br />

sich dabei als Einzelkämpferin, d. h. sie setzte sich als<br />

Einzelne mit Problemen einer Klasse, eines Kindes oder<br />

eines Aspekts von Unterricht auseinander. Von Fall zu Fall<br />

konnte sie sich mit einer anderen Kollegin beraten. Aber<br />

oft erlebte sie andere Lehrkräfte im Kollegium auch als<br />

skeptisch oder offen ablehnend. Im SINUS-Programm ist<br />

die kollegiale Zusammenarbeit ein Grundprinzip der Arbeit,<br />

d. h. in einer Schule arbeiten mehrere Lehrkräfte als<br />

SINUS-Gruppe zusammen und tauschen ihre Erfahrungen<br />

aus. In einem Schulset sind jeweils mehrere Schulen zusammengefasst<br />

und arbeiten schulübergreifend zusammen.<br />

Und auch auf Landesebene gibt es Kooperation und<br />

Austausch (vgl. auch Abbildung 3).<br />

46<br />

Anz. d. Länder<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

G1 G2 G3 G4 G5 G6 G7 G8 G9 G10 Module<br />

Mathematik<br />

Sachunterricht<br />

Abb. 2 Modulwahl nach Anzahl der Länder im Vergleich der Fächer Mathematik und naturwissenschaftlicher Sachunterricht<br />

(Stichtag: 31.07.2007)<br />

An Frau Schmidts Schule wurde Kooperation zwar immer<br />

gewünscht aber noch nicht praktiziert. Mit Beginn der SI-<br />

NUS-Arbeit gelingt es Frau Schmidt und der Schulleiterin,<br />

noch zwei weitere Kolleginnen und einen Kollegen für die<br />

Teilnahme zu gewinnen. Zunächst hat niemand Erfahrung,<br />

wie eine solche Zusammenarbeit aussieht. Es dauert eine<br />

ganze Weile, bis sie alles verabredet haben: wann sie<br />

sich treffen, in welchen Zeitabständen, welches Thema<br />

sie bearbeiten wollen, wie sie ihre Tätigkeit (schriftlich)<br />

festhalten, wer in der Gruppe welche Rolle spielt, usw..<br />

Da alle Mathematik unterrichten, einigen sie sich auf Modul<br />

G1 (»Gute Aufgaben«), die Weiterentwicklung der Aufgabenkultur<br />

im Mathematikunterricht als Arbeitsgrundlage.<br />

Zunächst lesen und diskutieren sie gemeinsam die<br />

Abb. 3 Organigramm von SINUS-Transfer Grundschule<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


AUS BILDUNG UND WISSENSCHAFT // SINUS-TRANSFER GRUNDSCHULE<br />

Modulbeschreibung. Vieles ist sofort einleuchtend, bei<br />

einigen Punkten gibt es Fragen, die sie nicht beantworten<br />

können. Die Gruppe fühlt sich angesprochen mit ihrem<br />

Sachverstand und ihrer Berufserfahrung. Die Kolleginnen<br />

und der Kollege machen völlig neue Erfahrungen: noch<br />

nie haben sie sich gegenseitig so sachlich ihre Auffassungen<br />

mitgeteilt, selten einander so aufmerksam zugehört.<br />

Ganz neu ist, dass sie sich selbst ein Ziel setzen und die<br />

Schritte festlegen. Entlastend wirkt schon gleich der Austausch<br />

didaktischer Unterlagen. Selbstverständlich gibt<br />

es auch Schwierigkeiten: Jemand übernimmt eine Aufgabe<br />

und vergisst, sie zu erledigen. Dass der Termin für das<br />

regelmäßige Treffen während der Unterrichtszeit stattfi ndet,<br />

muss erst durchgesetzt werden. Und am Anfang ist<br />

der zusätzliche Arbeitsaufwand enorm: das Lesen vieler<br />

bedruckter Seiten, die Verständigung darüber, die Verabredung<br />

von Tätigkeiten und das Aufschreiben kosten viel<br />

mehr Zeit als zunächst angenommen.<br />

7 Ein festgesetzter Rahmen und Freiheit<br />

bei der Ausgestaltung<br />

Frau Schmidt und die Mitglieder der SINUS-Gruppe schätzen<br />

sehr, dass das Programm SINUS-Transfer Grundschule<br />

einen klar umrissenen Rahmen hat, in dem <strong>Inhalt</strong>e<br />

und Organisation festgelegt sind. Das macht die Aufgabe<br />

überschaubar.<br />

Die Programmstruktur legt für jede Ebene der Koordination<br />

die Aufgaben fest und stimmt sie aufeinander ab (vgl.<br />

Abbildung 3). Frau Schmidt und ihre Kolleginnen und Kollegen<br />

wissen, wen sie ansprechen und bei wem sie Hilfe<br />

bekommen können. Die Programmexpertise enthält die<br />

Grundlage mit Zielen, Arbeitsweisen und zeitlichem Ablauf<br />

– jeder der Aktiven kann sich darüber informieren. Und<br />

die Module stecken den inhaltlichen Rahmen ab.<br />

Die SINUS-Gruppe von Frau Schmidt schätzt sehr, dass ihnen<br />

das Programm große Freiheit einräumt und ganz bewusst<br />

darauf verzichtet, sie anhand eines vorgefertigten<br />

Curriculums durch das Programm zu führen. Immer wieder<br />

betonen sie, wie gut ihnen gefällt, ohne Vorschriften<br />

planen und arbeiten zu können, selbst entscheiden zu dürfen,<br />

welchen thematischen Schwerpunkt sie wählen, wie<br />

viel Zeit sie sich für die Bearbeitung nehmen und wie sie<br />

methodisch dabei vorgehen: »Ich fi nde es sehr gut, dass<br />

uns niemand sagt, was wir wie tun sollen. Das passiert<br />

ja sonst ständig und wir haben es schon oft kritisiert.<br />

Endlich dürfen wir einmal selbst entscheiden, was wichtig<br />

ist und was wir tun wollen!« Allerdings löst die Offenheit<br />

der Aufgabenstellung auch Bedenken aus: »Warum sagt<br />

uns keiner, was wir jetzt machen sollen? Wie können wir<br />

wissen, ob wir es richtig machen, wenn uns keiner sagt,<br />

wie wir es machen sollen«, sagt eine Kollegin. Und eine<br />

andere ergänzt: »Was ist denn nun eine gute Aufgabe?<br />

Auch wenn ich die Modulbeschreibung gründlich gelesen<br />

habe – verstanden habe ich es nicht.«<br />

8 Für die Weiterentwicklung des<br />

Unterrichts Multiplikatoren qualifi zieren<br />

Die SINUS-Gruppe von Frau Schmidt muss mit ihren<br />

Fragen und Bedenken nicht allein bleiben. Sie hilft sich<br />

zunächst selbst. Wenn sie zusätzliche Unterstützung<br />

braucht, kann sie sich an die Set- oder Landeskoordination<br />

wenden.<br />

Die Frage nach der »guten Aufgabe« ist für die Gruppe<br />

so wichtig, dass sie damit den Setkoordinator anspricht.<br />

Er schlägt vor, dass das Thema beim nächsten Set-Treffen<br />

besprochen wird. Der Austausch mit Lehrkräften aus<br />

vier weiteren Schulen führt schon zu einer weiteren Klärung.<br />

Frau Schmidt nimmt dann noch bei einer im Programmrahmen<br />

angebotenen Fortbildungsveranstaltung<br />

am Workshop zu den »guten Aufgaben« teil. Dort erhält<br />

sie wichtige Anregungen, über die sie anschließend in der<br />

Gruppe berichtet. Auf dieser Grundlage formulieren die<br />

Kolleginnen und der Kollege für sich als Ziel, die bisher<br />

in der dritten Klasse eingesetzten Aufgaben dahingehend<br />

zu überprüfen, welche Differenzierungsmöglichkeiten bzw.<br />

Niveauabstufungen die Aufgaben zulassen. Sie planen<br />

dann, einen kommentierten Aufgabenpool zu entwickeln,<br />

in dem erprobte Aufgaben für das ganze Kollegium zusammengestellt<br />

sind.<br />

Koordinierungspersonen spielen in allen SINUS-Programmen<br />

eine wichtige Rolle. Sie haben die Aufgabe, maßgeschneiderte<br />

Angebote auf den verschiedenen Ebenen des<br />

Programms bereit zu stellen. Dafür erhalten sie Impulse<br />

innerhalb des zentralen Aus- und Fortbildungsprogramms<br />

des Programmträgers. Diese Impulse beziehen sich auf<br />

das Programm und die Konzeption, auf die Themen der<br />

Module und Möglichkeiten der Arbeit mit den Modulen,<br />

auf die Nutzung eines so genannten Logbuchs als Instrument<br />

für die Dokumentation und Refl exion sowie auf<br />

Fragen des Projektmanagements, auf Konfl ikte innerhalb<br />

des Programms und deren Lösung. Der Programmträger<br />

bietet jährlich zwei zentrale Fortbildungsveranstaltungen<br />

für die Zielgruppe der Landes- und Setkoordinatoren an.<br />

Außerdem drei jährliche Veranstaltungen, die dem länderübergreifenden<br />

Erfahrungsaustausch dienen und ein<br />

thematisch abgestimmtes Angebot enthalten (z. B. Teamentwicklung).<br />

Unterrichtsentwicklung nach dem SINUS-Ansatz<br />

soll nicht nur bei den beteiligten Schulen wirken. Ziel<br />

ist, diesen Ansatz innerhalb eines Landes auf noch weitere<br />

Schulen zu übertragen. Dafür ist es nötig, die bisherige<br />

Arbeit vielfach zu vernetzen: mit Lehreraus- und -fortbildungsinstituten,<br />

mit Universitäten und Pädagogischen<br />

Hochschulen. Auf diese Weise können wissenschaftliche<br />

und fachdidaktische Ressourcen für die Arbeit im Land<br />

genutzt werden. Umgekehrt können der Programmansatz<br />

und Ergebnisse der Programmarbeit für die Ausbildung<br />

und Fortbildung künftiger und erfahrener Lehrkräfte genutzt<br />

werden.<br />

Frau Schmidt ist mit dem für ihre Schule zuständigen<br />

Setkoordinator sehr zufrieden. Er ist stets ansprechbar,<br />

hört sich alle Probleme aufmerksam an, gibt praktikable<br />

Ratschläge und vermittelt die auf den Fortbildungen erhaltenen<br />

Impulse weiter. Beim letzten Treffen führte er einen<br />

Workshop zum Umgang mit zählend rechnenden Kindern<br />

durch. Das war so anregend, dass sie nicht bedauerte,<br />

dafür einen Samstag geopfert zu haben. Außerdem<br />

nimmt der Setkoordinator die Wünsche der Lehrkräfte<br />

auf, bespricht sie mit der Landeskoordinatorin und trägt<br />

so dazu bei, dass landesweite Fortbildungsveranstaltungen<br />

auch an den Bedürfnissen der Lehrkräfte aus dem<br />

Set orientiert sind.<br />

9 Mit regelmäßiger Evaluation<br />

Zielorientierung und Zielerreichung<br />

prüfen<br />

Die SINUS-Gruppe von Frau Schmidt nimmt sich für die<br />

Überprüfung der Mathematikaufgaben drei Monate Zeit.<br />

www.mnu.de 47


AUS BILDUNG UND WISSENSCHAFT // SINUS-TRANSFER GRUNDSCHULE<br />

Während der nächsten sechs Monate entwickelt sie einen<br />

kommentierten Aufgabenpool, in dem solche – erprobten<br />

– Aufgaben zusammengestellt werden. Nach neun Monaten<br />

überprüft sie, ob sie ihre Ziele erreicht hat. Dazu<br />

nutzt sie ein so genanntes Logbuch, das die Gruppe zur<br />

Begleitung ihres Arbeitsprozesses führt. Dort werden die<br />

Ziele festgehalten, die Tätigkeiten, die die Gruppe unternimmt<br />

und die Ergebnisse, die sie erreicht. Außerdem ist<br />

dokumentiert, welche Personen an den einzelnen Treffen<br />

beteiligt sind und wann die Treffen stattfi nden. Auf der<br />

Grundlage dieser Aufzeichnungen stellt die Gruppe fest,<br />

ob die Ziele realistisch waren, ob die Tätigkeiten im Sinn<br />

der Zielsetzung erfolgten und ob das Ergebnis auf Ziele<br />

und Tätigkeiten bezogen war. Während des gesamten<br />

ersten Jahres hatte die Gruppe mit dem Instrument große<br />

Schwierigkeiten. Das lag auch daran, dass den Lehrkräften<br />

nicht klar war, was genau sie eigentlich schreiben<br />

sollten und welche exemplarischen Unterlagen ihre Arbeit<br />

dokumentieren. Inzwischen haben sie sich das Logbuch<br />

so zu Eigen gemacht, dass es ihnen beim Überblick über<br />

ihre Arbeit hilft. Sie formulieren ihre Vorhaben so, dass<br />

sie vor allem auf ihre Umsetzbarkeit achten und freuen<br />

sich, wenn sie ein Ziel erreicht haben.<br />

Zusätzlich zur Arbeit mit dem Logbuch, die zentral vom<br />

Programmträger evaluiert wird, fi ndet regelmäßige Evaluation<br />

statt, um sicher zu stellen, dass im Programm<br />

an der Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts und<br />

des naturwissenschaftlichen Sachunterrichts gearbeitet<br />

wird.<br />

Dafür werden regelmäßige Berichte und Erhebungen aus<br />

den Ländern genutzt, außerdem Akzeptanzbefragungen.<br />

10 Stand der Arbeit<br />

Ganz generell zeigen die bisher erhobenen Daten, dass<br />

das Programm gut akzeptiert ist und die Beteiligten mit<br />

viel Engagement mitarbeiten. Es zeigt sich auch, dass<br />

Koordinierungspersonen und Lehrkräfte ihre Arbeit systematisch<br />

an der Programmkonzeption ausrichten. Das<br />

bedeutet im Einzelnen:<br />

Sie stellen einen Problembezug her und<br />

beziehen ihre Arbeit auf den Unterricht,<br />

sie strukturieren, koordinieren und evaluieren ihre<br />

Tätigkeit und<br />

arbeiten kollegial zusammen,<br />

sie dokumentieren und refl ektieren ihre Arbeit.<br />

Die Datenerhebung zeigt auch, dass die Unterstützung<br />

durch die Schulleitung eine wichtige Rahmenbedingung<br />

ist, um die Arbeit an der Schule voranzubringen. Dort,<br />

wo die Schulleitung das Programm unterstützt, wo SINUS<br />

vielleicht sogar Teil des Schulprogramms ist, gelingt Vieles<br />

leichter als dort, wo Lehrkräfte mit Duldung oder sogar<br />

gegen den Widerstand der Schulleitung agieren.<br />

Im Lauf der Jahre ist eine belastbare und ausbaufähige<br />

Arbeitsstruktur entstanden. Sie kann genutzt werden,<br />

um den Programmansatz weiter in die Fläche zu verbreiten.<br />

Denkbar ist auch, den SINUS-Ansatz innerhalb einer<br />

Schule in den Unterricht in anderen Fächern zu transportieren.<br />

48<br />

11 Welchen Gewinn hat Frau Schmidt,<br />

wie profi tiert ihre Schule?<br />

Frau Schmidt arbeitet seit inzwischen vier Jahren im Programm<br />

zusammen mit einer SINUS-Gruppe, deren Tätigkeit<br />

von der Schulleitung unterstützt und vom Kollegium<br />

mit Interesse verfolgt wird. Auf ihre Fragen nach Möglichkeiten<br />

differenzierenden Unterrichts vor dem Hintergrund<br />

zunehmender Heterogenität hat sie praktikable Antworten<br />

gefunden. Und nicht nur das: Nach ihrer Meinung hat sie<br />

in spürbarem Umfang professionelle Kompetenzen dazu<br />

gewonnen. Diese schlagen sich ganz handfest in ihrer Fähigkeit<br />

nieder, den Unterricht strukturell so zu verändern,<br />

dass es ihr in vielen Phasen gelingt, Lernen effektiv zu<br />

begleiten, Leistung zu beobachten, einzuordnen und zu<br />

beurteilen. Viel besser als früher sieht sie sich in der<br />

Lage, Kinder beim gemeinsamen Lernen zu beraten und<br />

sie dabei zu unterstützen, eigene Lernziele zu verfolgen.<br />

Die Schule hat einen Einstieg in kollegiale Zusammenarbeit<br />

und fachbezogene Unterrichtsentwicklung gefunden.<br />

SINUS ist inzwischen Bestandteil des Schulprogramms<br />

als Arbeitsprogramm.<br />

Literarur und weitere Informationen<br />

zum Programm:<br />

BAUMERT, J., LEHMANN, R., LEHRKE, M., SCHMITZ, B.,<br />

CLAUSEN, M., HOSENFELD, I. et al. (1997): TIMSS – Mathematisch-naturwissenschaftlicher<br />

Unterricht im<br />

internationalen Vergleich. Deskriptive Befunde. Opladen:<br />

Leske + Budrich<br />

BAUMERT, J., BOS, W. & LEHMANN, R. (1998): TIMSS/III<br />

– Schülerleistungen in Mathematik und den Naturwissenschaften<br />

am Ende der Sekundarstufe II im internationalen<br />

Vergleich. Berlin: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.<br />

BLK (Hg.) (1997): Gutachten zur Vorbereitung des programms<br />

»Steigerung der Effi zienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Unterrichts«. Bonn: BLK, Heft 12<br />

PRENZEL, M. et al. (2004): SINUS-Transfer Grundschule.<br />

Weiterentwicklung des mathematischen und naturwissenschaftlichen<br />

Unterrichts an Grundschulen. Gutachten<br />

des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften<br />

(IPN) Kiel. Heft 112 der Materialien zur<br />

Bildungsplanung und Forschungsförderung. Bonn: BLK.<br />

Auch: www.blk-bonn.de<br />

STIGLER, J. W. & HIEBERT, J. (1997): Understanding and<br />

improving classroom mathematics instruction: An overview<br />

of the TIMSS Video Study. Phi Delta Kappan 79(1),<br />

14–21.<br />

Internetseiten des Programms SINUS-Transfer Grundschule<br />

unter www.sinus-grundschule.de. Dort fi nden sich<br />

auch Ergebnisse aus Datenerhebungen und Evaluation.<br />

Die Autorinnen sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen<br />

des IPN und in der zentralen Koordinierungsstelle im Programm<br />

SINUS-Transfer Grundschule tätig.<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


CLAUDIA FISCHER ist promovierte<br />

Erziehungswissenschaftlerin<br />

und leitet die zentrale<br />

Koordinierungsstelle und ist für die<br />

Bereiche Koordination und Evaluation<br />

zuständig.<br />

KAREN RIECK ist promovierte<br />

Physikdidaktikerin und koordiniert<br />

die naturwissenschafts didaktischen<br />

Komponenten.<br />

Korrespondenzadresse:<br />

BRIGITTE DEDEKIND ist<br />

Grundschullehrerin (Mathematik,<br />

Sport) und koordiniert die<br />

mathematikdidaktischen<br />

Komponenten.<br />

Dr. CLAUDIA FISCHER<br />

Leibniz-Institut für die Pädagogik<br />

der Naturwissenschaften (IPN)<br />

Programm SINUS-Transfer Grundschule<br />

Olshausenstr. 62<br />

24098 Kiel<br />

cfi scher@ipn.uni-kiel.de<br />

Diagnose von Rechenstörungen<br />

Möglichkeiten und Grenzen von Diagnoseverfahren<br />

im Mathematikunterricht<br />

THOMAS ROTTMANN<br />

SCHULPRAXIS<br />

Dieser Beitrag setzt sich kritisch mit unterschiedlichen Verfahren zur Diagnose von Rechenstörungen auseinander<br />

und analysiert deren Verwendbarkeit und Nutzen für die schulische Diagnose. Anhand von Auszügen aus einem<br />

»Praxistest« werden Problemstellen standardisierter Verfahren (am Beispiel des Zareki) aufgezeigt und deren<br />

Ergebnisse mit denen einer prozessorientierten Diagnostik verglichen. Auf dieser Grundlage werden schließlich<br />

Empfehlungen und Folgerungen für die schulische Diagnostik ausgesprochen.<br />

Die Bildungsstandards und in deren Folge die unterschiedlichen<br />

Vergleichsarbeiten orientieren sich mehr oder minder<br />

an »Regelanforderungen«, welche von Schülerinnen<br />

und Schülern zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt werden<br />

sollten. Die Praxis zeigt jedoch, dass es nicht allen<br />

Schülern gelingt, diesem Anspruch gerecht zu werden;<br />

das Mathematiklernen bereitet einigen Schülern derartige<br />

Schwierigkeiten, dass diese den <strong>Inhalt</strong>en des aktuellen<br />

Mathematikunterrichts nicht erfolgreich folgen können.<br />

Bei solchen Problemen wird häufi g die Frage gestellt,<br />

ob eine Rechenstörung vorliegen kann. Die üblichen Vergleichs-<br />

und Orientierungsarbeiten stellen in diesen Fällen<br />

keine Hilfe dar. Zur Diagnose einer Rechenstörung werden<br />

i. d. R. spezielle Diagnoseinstrumente herangezogen,<br />

welche gezielt auf die besonders problematischen Mathematikleistungen<br />

ausgerichtet sind. Nachfolgend werden<br />

einige Diagnoseansätze kritisch auf ihre Eignung für die<br />

Verwendung in der Schule geprüft.<br />

1 Typen von Diagnoseverfahren<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 49–52, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

Auf dem Markt der Diagnose- und Testverfahren sowie in<br />

Veröffentlichungen zum Themenbereich Rechenstörungen<br />

lassen sich sehr unterschiedliche Instrumente zur Feststellung<br />

einer Rechenstörung auffi nden. SCHIPPER (2005b,<br />

2007) unterscheidet drei Arten von Diagnoseverfahren:<br />

(1) Etikettierungstests, (2) Tests zum Auffi nden von Risikokindern<br />

und (3) Prozessorientierte Diagnostik.<br />

Innerhalb des ersten Typs ist der ZAREKI (VON ASTER<br />

2001) 1 zu nennen, welcher häufi g zur Diagnose einer<br />

»Dyskalkulie« eingesetzt wird. Bei diesem standardisierten<br />

Test wird die Objektivität z. B. durch die genaue Vorgabe<br />

der Aufgaben und Formulierungen sichergestellt;<br />

1 Zu diesem Test gibt es eine überarbeitete Fassung ZAREKI-R (VON ASTER<br />

2005). Für die in diesem Beitrag angeführten Überprüfungen wurde jedoch<br />

die Version aus dem Jahr 2001 verwendet.<br />

gc<br />

49


SCHULPRAXIS // DIAGNOSE VON RECHENSTÖRUNGEN<br />

ergänzende Hilfestellungen o. Ä. sind nicht gestattet. Die<br />

von den Kindern in den einzelnen Testaufgaben erzielten<br />

Punkte werden unter Berücksichtigung ihres Alters (im<br />

Vergleich zur Eichstichprobe) genauen Prozenträngen zugeordnet.<br />

Wenn ein Kind bei der Bearbeitung einer Aufgabe<br />

nicht über einen Prozentrang von 15 hinauskommt<br />

(d. h. wenn es zu den schwächsten 15 % der Kinder dieser<br />

Altersgruppe gehört), wird dies als kritische Leistung<br />

angesehen.<br />

Im Gegensatz zu den Etikettierungstests zielen Verfahren<br />

zum Auffi nden von »Risikokindern« wie z. B. der »Osnabrücker<br />

Test zur Zahlbegriffsentwicklung« (OTZ, VAN LUIT<br />

u. a. 2001) nicht auf eine trennscharfe Diagnose einer<br />

»Dyskalkulie«. Auf diese Instrumente kann an dieser Stelle<br />

jedoch nicht genauer eingegangen werden – eine kurze<br />

Rezension des OTZ nimmt HUTH vor (vgl. ROTTMANN &<br />

HUTH 2005).<br />

Prozessorientierte Diagnostik wie z. B. die »diagnostischen<br />

Aufgabensätze« von LORENZ und RADATZ (1993)<br />

oder die informelle Diagnostik von KAUFMANN und WESSO-<br />

LOWSKI (2006) zielen direkt auf eine Verbindung von Diagnose<br />

und darauf aufbauender Förderung. Das primäre<br />

Diagnoseinteresse besteht darin, das Vorgehen und die<br />

Gedankengänge der Kinder möglichst gut nachzuvollziehen<br />

und die individuellen (Fehler-) Strategien aufzudecken.<br />

Die Diagnose soll dabei helfen, einen gezielten Förderplan<br />

für das einzelne Kind zu entwickeln (s. auch SCHIPPER<br />

2005b).<br />

2 Schulische Ansprüche an eine Diagnose<br />

Ein Diagnoseinstrument, welches für den Einsatz in der<br />

Schule geeignet sein soll, muss spezifi sche Ansprüche<br />

erfüllen. Das bloße »Ergebnis«, dass ein Kind »eine Dyskalkulie<br />

hat«, hilft der Lehrerin nur wenig weiter; ihr zentrales<br />

Interesse besteht in aller Regel darin, genauere<br />

Informationen für eine möglichst angemessene Unterstützung<br />

und Förderung des Kindes zu erhalten.<br />

Eine weitere Anforderung ergibt sich durch die besonderen<br />

Rahmenbedingungen der Schule und des Mathematikunterrichts.<br />

Eine aus verschiedenen einzelnen Testverfahren<br />

bestehende Diagnostik ist in der Schule nicht praktikabel.<br />

Es fehlen Zeit und Kapazitäten, mit einem einzelnen Kind<br />

für einen Zeitraum von mehr als einer Zeitstunde eine<br />

spezielle Diagnose durchzuführen.<br />

3 Etikettierungstests im »Praxistest«<br />

Im Folgenden werden beispielhaft Erfahrungen mit der<br />

Durchführung unterschiedlicher Testinstrumente dargestellt,<br />

welche vorwiegend in der Arbeit in der Beratungsstelle<br />

für Kinder mit Rechenstörungen an der Universität<br />

Bielefeld (Leitung: Prof. Dr. W. SCHIPPER) gesammelt werden<br />

konnten. Daraus werden anschließend Folgerungen<br />

für die schulische Diagnostik abgeleitet.<br />

3.1 Florian (3. Schuljahr)<br />

Bei der Überprüfung von Florian wurde zusätzlich zur üblicherweise<br />

eingesetzten prozessorientierten Diagnostik<br />

der ZAREKI durchgeführt. Bei beiden Diagnoseinstrumenten<br />

sollten u. a. Florians Fähigkeiten im Bereich der Addition<br />

und Subtraktion erhoben werden.<br />

50<br />

Im ZAREKI werden Additions- und Subtraktionsaufgaben<br />

im Zahlenraum bis max. 32 gestellt. Für eine korrekte<br />

Antwort erhält der Proband zwei Punkte; Beobachtungen<br />

z. B. zur verwendeten Rechenstrategie können vom Versuchsleiter<br />

notiert werden, werden für die Auswertung<br />

der Daten aber nicht verwendet. Florian löst vier der<br />

sechs Additions- sowie sämtliche sechs Subtraktionsaufgaben<br />

korrekt; er erhält damit acht von zwölf Punkten<br />

(entspricht einem Prozentrang PR von 22) bei der Addition<br />

und mit zwölf Punkten die vollständige Punktzahl<br />

bei der Subtraktion (PR 100). Die Entstehung der fehlerhaften<br />

Ergebnisse der Aufgaben »15 + 12 = 23« und<br />

»13 + 19 = 14« bleibt unklar.<br />

Eine kleine Aufgabe an die Leserinnen und Leser<br />

zur »prozessbezogenen Diagnostik«: Wie hat Florian<br />

gerechnet? Erkennen Sie ein Muster, welches diese<br />

fehlerhaften Ergebnisse erklären kann?<br />

Mit Berücksichtigung der korrekten Bearbeitung im<br />

»Rückwärtszählen« erhält Florian 22 von 26 Punkten im<br />

»Rechnen« (so die Bezeichnung im ZAREKI; PR 68). Seine<br />

Leistungen sind damit unauffällig und liegen nicht in einem<br />

kritischen Bereich.<br />

Im Gegensatz zur Methode des oben aufgezeigten Tests<br />

wird Florian in der prozessbezogenen Diagnostik aufgefordert,<br />

»laut zu denken« und seinen Lösungsweg zu<br />

erklären. Bereits bei der ersten Aufgabe mit Zehnerüberschreitung<br />

erläutert der Junge ein zählendes Vorgehen,<br />

wobei er nacheinander einzelne Finger ausstreckt.<br />

Nach eigener Auskunft zählt er sonst mit seinen Fingern<br />

»eigentlich unterm Tisch«, »damit die Lehrerin das nicht<br />

sieht«.<br />

Zunächst verwundert Florians Erläuterung zur Aufgabe<br />

»46 + 23 = 63«. Er schildert: »Erst 40 plus 20, das sind<br />

60. Und dann die 6 dazu und 3 wegnehmen.« Warum er<br />

3 abzieht, kann er nicht erklären. Eine Begründung für<br />

Florians Vorgehensweise wird erst erkennbar, als er bei<br />

der Aufgabe 82–36 erläutert: »Erst 80 minus 30, sind<br />

… 50. Dann muss ich 50 plus 2 gleich 52. Und dann<br />

noch minus 6, macht … (Florian fl üstert und bewegt seine<br />

Finger) 46.«<br />

Florians individuelle Strategie ist, wie auch die Erläuterungen<br />

zu anderen Aufgaben zeigen, für Additions- und<br />

Subtraktionsaufgaben identisch. Zunächst berechnet er<br />

die Zehner, addiert dann die Einer der ersten Zahl und<br />

zieht anschließend die Einer der zweiten Zahl ab. Dieses<br />

Vorgehen führt bei sämtlichen Subtraktionsaufgaben zu<br />

korrekten Ergebnissen. Problematisch ist jedoch, dass<br />

Florian keine Rechenstrategie entwickelt hat, sondern<br />

eine unverstandene Regel anwendet, die ihm als Hilfestellung<br />

zur Lösung der anspruchsvollen Subtraktionsaufgaben<br />

»beigebracht« wurde. Diese »erfolgreiche« Regel<br />

überträgt der Junge nun auf sämtliche Aufgaben, ohne<br />

zu erkennen, dass diese nicht generell zu korrekten Lösungen<br />

führt.<br />

An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob das Auswertungsraster<br />

des ZAREKI geeignet ist. Zwar macht auch<br />

der erzielte Prozentrang von 22 bei der Addition auf gewisse<br />

Schwierigkeiten aufmerksam, sind diese aber nur<br />

bei dieser Rechenoperation zu suchen? Sind Florians<br />

Fähigkeiten bei der Subtraktion tatsächlich weiter entwickelt?<br />

Sollte nicht gerade die gewählte Lösungsstrategie<br />

bei der Beurteilung berücksichtigt werden, wo doch zahlreiche<br />

Veröffentlichungen auf die besondere Problematik<br />

des verfestigten zählenden Rechnens hinweisen (vgl.<br />

SCHIPPER 2005a/b)?<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


SCHULPRAXIS // DIAGNOSE VON RECHENSTÖRUNGEN<br />

3.2 Daniela und Nadia (3. bzw. 4. Schuljahr)<br />

Daniela und Nadia wurden an der Universität Bielefeld<br />

ebenfalls ergänzend zur prozessorientierten Diagnostik<br />

mit dem ZAREKI überprüft. Der ZAREKI enthält einen<br />

Subtest zur Überprüfung der »perzeptiven Mengenbeurteilung«.<br />

Nacheinander werden zwei Bilder gezeigt, auf<br />

denen Bälle bzw. Becher zu sehen sind (s. Abb. 1 und 2).<br />

Nach kurzer Präsentationszeit sollen die Kinder die ungefähre<br />

Anzahl der Gegenstände nennen. Bei dem Bild mit<br />

den Bällen (korrekte Anzahl: 57) wird eine Antwort von<br />

25 bis 80 als korrekt bewertet, beim zweiten Bild (korrekte<br />

Anzahl: 89) liegt diese Spanne bei 35 und 125.<br />

Auf den ersten Blick erscheint diese Aufgabe tatsächlich<br />

hilfreich, »das Zahlenverständnis im Sinne eines Schätzvorgangs«<br />

(VON ASTER 2001, S. 22) zu prüfen. Die Bearbeitungen<br />

von Nadia und Daniela lassen daran jedoch<br />

Zweifel aufkommen. Nadia schätzt die Anzahl der Bälle<br />

auf »46« und die der Becher auf »40«. Da beide Werte<br />

im Toleranzbereich liegen, erhält sie die volle Punktzahl.<br />

Daniela hingegen schätzt die Anzahl der Bälle auf »100«<br />

und die der Becher auf »150«. Beide Werte sind deutlich<br />

zu hoch; Daniela erhält folglich keine Punkte.<br />

Ist dies eine treffende Einschätzung der gezeigten Kompetenzen?<br />

Nadia hat nicht erkannt, dass auf dem zweiten Bild<br />

mehr Gegenstände abgebildet sind. Spricht dies tatsächlich<br />

für hohe Kompetenzen bei der Mengenbeurteilung?<br />

Danielas Schätzungen liegen zwar deutlich zu hoch; es<br />

gelingt ihr aber, ganz im Gegensatz zu Nadia, das zahlenmäßige<br />

Verhältnis der beiden Mengen sehr genau zu berücksichtigen.<br />

Auf dem zweiten Bild sind 1,56mal so viele<br />

Gegenstände wie auf dem ersten Bild; Daniela schätzt<br />

das Verhältnis auf 1:1,5. Deutet dies nicht möglicherweise<br />

doch auf bestehende Kompetenzen hin, auch wenn sie<br />

im ZAREKI dafür keine Punkte erhält?<br />

Abb. 2<br />

Abb. 1<br />

3.3 Maja (2. Schuljahr)<br />

In ihrer Examensarbeit hat NOSSEK (2005) Zweitklässler<br />

mit dem ZAREKI, dem DEMAT sowie einer prozessorientierten<br />

Diagnostik auf das Vorliegen einer Rechenstörung<br />

überprüft. Bei einigen Kindern, so z. B. bei Maja, einem<br />

Mädchen, welches das 1. Schuljahr wiederholt hat, zeigen<br />

sich gravierende Unterschiede in den Ergebnissen<br />

der unterschiedlichen Tests. Während Majas Leistungen<br />

im DEMAT in keinem Bereich auffällig sind, diagnostiziert<br />

der ZAREKI das Vorliegen einer »Dyskalkulie«.<br />

Ein Blick auf die einzelnen Bereiche des ZAREKI zeigt ein uneinheitliches<br />

Bild. In insgesamt sieben Subtests (einschließlich<br />

der Addition und Subtraktion) liegen Majas Ergebnisse<br />

in einem unauffälligen Bereich; sie erzielt in diesem Teil<br />

des Testverfahrens 48 von 58 möglichen Punkten. In drei<br />

Subtests erhält sie sogar die maximale Punktzahl.<br />

In den anderen fünf Subtests zeigt Maja jedoch deutliche<br />

Schwächen; sie erreicht lediglich 24 von 60 möglichen<br />

Punkten. Probleme bereiten ihr vor allem die Bereiche<br />

»Zahlenlesen«, »Zahlenschreiben« und »Zahlenvergleich<br />

(Worte)«. Eine qualitative Analyse von Majas Antworten<br />

zeigt, dass sie fast ausschließlich an solchen Aufgaben<br />

scheitert, die den Zahlenraum über 100 betreffen. Diese<br />

Schwierigkeiten im größeren Zahlenraum verwundern<br />

nicht, da Maja durch die Wiederholung erst das 2. Schuljahr<br />

besucht und der Mathematikunterricht auf den Zahlenraum<br />

bis 100 beschränkt ist. Das Auswertungsraster des<br />

ZAREKI berücksichtigt dies jedoch nicht; im Vergleich zur<br />

Eichstichprobe der Gleichaltrigen (die jedoch i. d. R. das 3.<br />

Schuljahr besuchen) schneidet Maja äußerst schlecht ab.<br />

Ist in diesem Fall der Vergleich mit anderen Kindern derselben<br />

Altersgruppe tatsächlich aussagekräftig? Sollte<br />

eine realistische Einschätzung der kindlichen Leistungen<br />

nicht vor allem die <strong>Inhalt</strong>e des bisherigen Schulunterrichts<br />

berücksichtigen?<br />

3.4 Ein Selbstversuch<br />

Neben der perzeptiven wird im ZAREKI die »kognitive<br />

Mengenbeurteilung« gefordert; eine Zahlenangabe soll<br />

in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext beurteilt werden.<br />

Wenn ich zurzeit (es ist kurz nach Weihnachten) aus dem<br />

Fenster schaue, erscheinen mir »zehn Blätter an einem<br />

Baum« als unrealistisch viel. »Acht Lampen in einem Zimmer«<br />

sind – zumindest bei den gängigen Halogenspots<br />

– nicht ungewöhnlich, während in meinem Bekanntenkreis<br />

»zwei Kinder in einer Familie« die absolute Ausnahme<br />

(nach oben) darstellen. Im ZAREKI erhielte ich für diese<br />

Antworten zwar keine Punkte, erfahre aber zumindest,<br />

dass meine eigene familiäre Situation (mit mittlerweile<br />

drei Kindern) nicht ganz »normal« ist …<br />

4 Empfehlungen und Folgerungen<br />

für die schulische Diagnostik<br />

Die Ergebnisse eines standardisierten Testverfahrens wie<br />

dem ZAREKI sollten durchaus kritisch refl ektiert werden.<br />

Die »harten Fakten« wie z. B. die genaue Zuordnung zu<br />

Prozenträngen suggerieren eine absolute Gültigkeit, die<br />

nicht gegeben ist. Wenn es um die Planung einer (schulischen)<br />

Fördermaßnahme geht, ist ein solches Etikettierungsverfahren<br />

ungeeignet, um konkrete Hilfestellungen<br />

für die Förderung zu erhalten. Lösungsprozesse fi nden in<br />

der Auswertung keine Beachtung; die Produktorientierung<br />

verbaut den Blick auf die kindlichen Vorgehensweisen.<br />

www.mnu.de 51


Bei der schulischen Diagnostik kommt man aber nicht umhin,<br />

gerade die individuellen Konzepte und Strategien der<br />

Kinder in den Fokus zu nehmen. Konkrete Hilfestellungen<br />

zur prozessbezogenen Diagnostik liefern z. B. KAUFMANN<br />

und WESSOLOWSKI (2006), LORENZ und RADATZ (1993) und<br />

SCHIPPER (2005a/b). Dabei kann die ausführliche Diagnose<br />

sicherlich sehr zeitaufwändig sein. Im o. g. Beispiel<br />

von Florian wird aber deutlich, dass bereits eine kurze<br />

Nachfrage großen Erkenntnisgewinn liefern und dann die<br />

Grundlage für eine gezielte Hilfe darstellen kann. Die drei<br />

bis fünf Minuten für eine solche zielgerichtete »Mini-Diagnose«<br />

sind sicherlich gut investiert und in jedem Unterricht,<br />

z. B. in Phasen der Einzelarbeit, möglich.<br />

Literatur<br />

KAUFMANN, S. & WESSOLOWSKI, S. (2006). Rechenstörungen<br />

– Diagnose und Förderbausteine. Seelze: Kallmeyer.<br />

LORENZ, J. H. & RADATZ, H. (1993). Handbuch des Förderns<br />

im Mathematikunterricht. Hannover: Schroedel.<br />

NOSSEK, A. (2005). Diagnoseverfahren zur Feststellung<br />

einer Rechenstörung. Unveröffentlichte Examensarbeit.<br />

Bielefeld.<br />

ROTTMANN, T. & HUTH, CH. (2005). Zwei Diagnose-Tests<br />

im Test – ZAREKI und OTZ unter der Lupe. Die Grundschulzeitschrift<br />

182, S. 32f.<br />

SCHIPPER, W. (2005a). Schulische Prävention und Intervention<br />

bei Rechenstörungen. Die Grundschulzeitschrift<br />

182, S. 6–10.<br />

SCHIPPER, W. (2005b). Lernschwierigkeiten erkennen<br />

– verständnisvolles Lernen fördern. Modul G4, SIUNS-<br />

Transfer Grundschule, Mathematik. Kiel: IPN, http://<br />

www.sinus-grundschule.de (15.7.08)<br />

SCHIPPER, W. (2007). Prozessorientierte Diagnostik<br />

von Rechenstörungen. In: LORENZ, J. H. & SCHIPPER, W.<br />

52<br />

(Hrsg.). Hendrik Radatz – Impulse für den Mathematikunterricht.<br />

Braunschweig: Bildungshaus Schulbuchverlage.<br />

VAN LUIT, J. E. H.; VAN DE RIJT, B. A. M. & HASEMANN,<br />

K. (2001). Osnabrücker Test zur Zahlbegriffsentwicklung<br />

– OTZ. Göttingen: Hogrefe.<br />

VON ASTER, M. (2001). Neuropsychologische Testbatterie<br />

für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern – ZARE-<br />

KI. Manual, Frankfurt a. M.: Swets Tests Services.<br />

VON ASTER, M. (2005). ZAREKI – R – Testverfahren zur<br />

Dyskalkulie bei Kindern. Frankfurt a. M.: Harcourt Test<br />

Services.<br />

Dr. THOMAS ROTTMANN hat in Bielefeld studiert und das 1.<br />

und 2. Staatsexamen für das Lehramt für die Primarstufe<br />

abgelegt. 2006 promovierte er als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Didaktik der Mathematik an<br />

der Universität Bielefeld zum Dr. päd.. Seit 2006 ist er<br />

Studienrat bzw. Oberstudienrat im Hochschuldienst an<br />

der Universität Bielefeld. Ein Arbeitsschwerpunkt besteht<br />

in der Mitarbeit in der dortigen Beratungsstelle für Kinder<br />

mit Rechenstörungen.<br />

Universität Bielefeld,<br />

Institut für Didaktik der Mathematik,<br />

Universitätsstraße 25, D-33615 Bielefeld,<br />

thomas.rottman@uni-bielefeld.de<br />

Sachaufgaben – ein ergänzendes<br />

Angebot aus dem Internet<br />

CHRISTINE GAUER<br />

SCHULPRAXIS<br />

Die konstruktivistische Didaktik stellt an den Mathematikunterricht u. a. die Forderung, dass die Kinder mehr und<br />

intensiver Sach-, Denk- und Knobelaufgaben bearbeiten sollen, was sich im Unterrichtsalltag als problematisch<br />

erweist. Ich stelle aus der Praxis zu dem Sachaufgaben-Konzept unserer Schule besonders den ergänzenden Teil<br />

vor: ein Angebot aus dem Internet. Die konstruktivistischen Forderungen werden von dem Internet-Angebot über<br />

weite Teile erfüllt, andererseits werden auch dessen Grenzen deutlich.<br />

1 Zur Bedeutung von Sachaufgaben<br />

Welche Grundschullehrkraft kennt das nicht: ein Aufstöhnen<br />

von Seiten der Kinder und Eltern, wenn es in Mathe<br />

um »Sachaufgaben« geht. Als Sachaufgaben bezeichne<br />

ich hier alle Aufgabenformen, die mit Hilfe eines Textes<br />

oder Bildes präsentiert werden, also eingekleidete Aufgaben,<br />

Textaufgaben, Sachprobleme, aber auch Denk- und<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 52–59, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

gc


SCHULPRAXIS // SACHAUFGABEN – EIN ERGÄNZENDES ANGEBOT AUS DEM INTERNET<br />

Knobelaufgaben. Im Folgenden möchte ich über meine<br />

schulische Arbeit mit Sachaufgaben berichten, besonders<br />

über ein Angebot aus dem Internet.<br />

Sieht man – nach der konstruktivistischen Didaktik – Lernen<br />

als Prozess der Selbstorganisation an, um neue Informationen<br />

in vorhandene Lebens- und Lernerfahrungen<br />

zu integrieren, und Lernen als eine bewusst zielgerichtete<br />

Aktivität, so ergibt sich die These: Der Lernende lernt<br />

durch Refl exion, durch weitgehend selbst bestimmtes<br />

Lernen (Lernerautonomie) und die Entwicklung individueller<br />

Lernstrategien. (vgl. GONSCHOREK/SCHNEIDER 2007)<br />

Daraus leitet sich für den Mathematikunterricht eine andere<br />

Sicht auf Fehler, Lernprozesse und Leistung ab. Das<br />

bedeutet konkret: Die Lehrkraft muss<br />

Aufgaben anbieten, die über das Rechnen hinausgehen,<br />

z. B. Sach-, Denk-, und Knobelaufgaben,<br />

Methodenkompetenz bei den Lernern auf- und Möglichkeiten<br />

selbst gesteuerten Lernens für die Kinder<br />

einbauen,<br />

Lernerfolge sichtbar sammeln, um den Fortschritt zu<br />

dokumentieren und Refl exion zu veranlassen (z. B. im<br />

»Portfolio«).<br />

2 Sachaufgaben aus dem Internet –<br />

Ein methodischer Ansatz<br />

Der methodische Ansatz, den wir für Sachaufgaben an<br />

unserer Schule entwickelt haben, sieht so aus:<br />

eine feste Sachaufgabenstunde pro Woche im Schulstundenplan<br />

für die Klassen 2 bis 4 parallel mit leistungsdifferenzierten<br />

Gruppen (gemischt aus bis zu 3<br />

Klassenstufen),<br />

Abb. 1 Sachaufgaben-Bearbeitungsblatt<br />

einem speziellen Sachaufgaben-Lösungsblatt (s. Abb. 1),<br />

das jeweils für die Bearbeitung einer einzigen, möglichst<br />

komplexen Aufgabe vorgesehen ist mit den Schritten<br />

»Text«, »Frage«, »Bild«, »zusätzlich benötigtes Wissen«,<br />

»Rechnung« bzw. »Lösung«, und »Antwort«<br />

pro Stunde wenige, evtl. differenzierte Sachaufgaben und<br />

ein gestuftes Vorgehen zum Finden der Lösung: erst in<br />

Einzelarbeit, dann als Partner- und Gruppenarbeit und<br />

schließlich Präsentation im Plenum.<br />

Als weiteren Baustein in diesem Ansatz nutze ich das<br />

Internetangebot Mathepirat von Ursula Dreisbach<br />

(www.mathepirat.de), das ich als etwas Besonderes<br />

genauer darstellen möchte.<br />

3 Der Mathepirat – Ein Onlineportal<br />

(auch) zum Sachrechnen<br />

Bei dem Mathepirat handelt es sich um ein Internetportal<br />

für Mathematik für Klasse 1 bis 7 (Abb. 2). Es bietet<br />

– neben Sachaufgaben – Geometrieaufgaben, Knobelaufgaben,<br />

Kopfrechenaufgaben, Zahlendiktat, Zahlenmauern<br />

und Sudokus.<br />

3.1 Technische Voraussetzungen<br />

Im Mathepirat arbeitet jedes Kind am PC, d. h. es muss<br />

ein Zugang zum PC und Internet ermöglicht werden. So<br />

habe ich den Zugang der Kinder zum Internet im Unterricht<br />

organisatorisch geregelt. In unserem kleineren<br />

PC-Labor (7 Rechner) arbeiten sie abwechselnd ca. eine<br />

Viertelstunde am PC und lösen die restliche Zeit Aufgaben<br />

konventionell im Klassenraum.<br />

www.mnu.de 53


SCHULPRAXIS // SACHAUFGABEN – EIN ERGÄNZENDES ANGEBOT AUS DEM INTERNET<br />

Zur (kostenpfl ichtigen) Nutzung des Mathepirat muss<br />

eine Lizenz erworben werden (Schullizenz für 28 € im<br />

Jahr zahlt bei uns die Schule). Dazu muss ich mich als<br />

Lehrkraft mit Bundesland und Schulnummer registrieren.<br />

Anschließend wird jedes Kind mit Vor- und Nachnamen<br />

und Klassenstufe angemeldet und erhält individuelle Benutzernamen<br />

und Passwörter.<br />

Die Kinder melden sich auf der allgemeinen Startseite am<br />

PC mit ihrem Benutzernamen und Passwort an (Abb. 3)<br />

und kommen auf ihre persönliche Startseite. Dort suchen<br />

sie sich Aufgaben aus und bearbeiten diese. Nach Lösung<br />

jeder Aufgabe klicken sie auf den Button »Ergebnis<br />

prüfen« und erhalten eine Rückmeldung (Abb. 4). Jedes<br />

54<br />

Abb. 2 Mathepirat Startseite<br />

Kind arbeitet dabei in seinem eigenen Tempo und seinem<br />

eigenen Aufgabenniveau.<br />

3.2 Methodisch-didaktische Möglichkeiten<br />

und Hinweise<br />

Das Programm merkt sich alle Versuche der Kinder und<br />

speichert diese. Bei richtigen Antworten erhält jedes Kind<br />

Punkte, die aufaddiert werden. Neben der reinen Leistung<br />

in Punkten speichert das Programm verschiedene<br />

Daten der Aufgabe (Art der Aufgabe, benötigte Zeit für<br />

die Antwort, Anzahl der Versuche, Verwendung der Lösungshilfe).<br />

So wird quasi ein »elektronisches Portfolio«<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


SCHULPRAXIS // SACHAUFGABEN – EIN ERGÄNZENDES ANGEBOT AUS DEM INTERNET<br />

für jedes einzelne Kind angelegt. Die Daten in Tabellenform<br />

kann ich als Lehrkraft jederzeit abrufen. Gleichzeitig<br />

werden die Daten in einen automatisch generierten, verbalen<br />

Leistungsbericht umgewandelt, den ich den Eltern<br />

gern zugänglich mache.<br />

Als Lehrkraft verfolge ich möglichst regelmäßig die Leistungen<br />

jedes einzelnen Kindes unter »Schüler zeigen« und<br />

steuere die Aufgabenauswahl unter »Einstellungen«. Das<br />

Sudoku ist mir beispielsweise zu umfangreich für den Unterricht;<br />

das gebe ich nur in den Ferien frei. Zu den vorgegebenen<br />

Aufgaben kann ich selbst erstellte eingeben,<br />

beispielsweise mehrere kombiniert als Übungseinheit, die<br />

von den Kindern dann zuerst abgearbeitet werden muss.<br />

Regelmäßig (in meinem Fall viermal im Jahr) teile ich Urkunden<br />

aus, die aus dem Lehrkraftzugang des Mathepirat<br />

stammen. Bei Erreichen von 250, 500, 1000, … Punkten<br />

können sich die Kinder selbst eine Urkunde ausdrucken<br />

(Abb. 5). Lieber erhalten sie diese jedoch mit einem<br />

Wort der Anerkennung aus meiner Hand.<br />

3.3 <strong>Inhalt</strong>liche Ausrichtung der Aufgaben<br />

Die Sach-, Geometrie- und Knobelaufgaben (Abb. 6, 7)<br />

werden meist in Text- und Bildform präsentiert. Dann<br />

werden mehrere Lösungsmöglichkeiten eingeblendet, von<br />

denen das Kind eine anklickt. Das Programm bietet zum<br />

Rechnen ein elektronisches Arbeitsblatt an, das allerdings<br />

etwas umständlich Hand zu haben ist. Teilweise kann man<br />

Lösungshilfen abrufen.<br />

Abb. 3 Mathepirat Kinder Startseite<br />

Die Sachaufgaben werden unterschieden nach (Rechen-)<br />

Art (u. a. die 4 Grundrechenarten, auch in schriftlicher<br />

Form), Zahlenraum, Schuljahr (1–7), Schulform, Jahrgang<br />

und nach verwendeten Größen (Fläche, Geld, Geschwindigkeit,<br />

Gewicht, Länge, Zeit, Volumen).<br />

Die Suche nach »Uhrzeit« »Klasse 2« »Zahlenraum bis<br />

100« liefert 9 Aufgaben, von denen ich eine hier vorstellen<br />

möchte.<br />

Es ist die Aufgabe (1479):<br />

Ich war um 16.00 Uhr mit Berti verabredet. Um 8 Uhr<br />

abends habe ich ihn wütend angerufen, weil er immer<br />

noch nicht da war.<br />

Antwortmöglichkeiten sind:<br />

a) Ich habe 8 Stunden auf Berti gewartet.<br />

b) Ich habe 4 Stunden auf Berti gewartet.<br />

c) Als ich Berti anrief, hatte ich schon 6 Stunden<br />

gewartet.<br />

d) Berti hat sich doch nur um eine Stunde<br />

verspätet.<br />

e) Ich habe 2 Stunden auf Berti gewartet.<br />

Dazu ist kein Tipp vorgesehen. Aus der bisher bearbeiteten<br />

Zahl in Relation zu den richtigen Ergebnissen wurde<br />

eine Schwierigkeitsstufe errechnet: Schwierigkeit: 1.21<br />

Unter »Aufgabenübersicht« kann ich die Aufgaben gezielt<br />

anschauen und auch ausdrucken. Die Aufgaben selbst<br />

entsprechen denen, die man aus Büchern oder Aufgabensammlungen<br />

gewohnt ist.<br />

www.mnu.de 55


SCHULPRAXIS // SACHAUFGABEN – EIN ERGÄNZENDES ANGEBOT AUS DEM INTERNET<br />

56<br />

Abb. 4 Mathepirat Rückmeldung für Kind<br />

Abb. 5 Mathepirat Schülerurkunde<br />

Selbst ausprobieren! Wer möchte, kann, sich direkt bei<br />

www.mathepirat.de die Aufgaben ansehen. Dazu gibt es<br />

einen Gastzugang (unter »Gast«), der allerdings keine<br />

Punkte speichert. Die statistischen Funktionen sind also<br />

leider nicht einsehbar, was eine zweiwöchige Testphase<br />

jedoch bietet. Insgesamt wird die Benutzerführung durch<br />

viele Erklärungen gut unterstützt.<br />

3.4 Statistiken und Auswertungen<br />

Der Mathepirat bietet spezielle Funktionen für die Lehrkraft.<br />

Hier beschreibe ich nur die Funktionen, die ich<br />

selbst häufi g nutze: Regelmäßig schaue ich unter »Schüler<br />

zeigen« (Abb. 6) nach, wer neue Punkte und evtl. eine<br />

Urkunde geschafft hat. Unter »Einstellungen« (Abb. 7)<br />

steuere ich für die ganze Klasse oder individuell für jedes<br />

Kind die Aufgabenauswahl. Neben den vorgegebenen Aufgaben<br />

kann ich eigene erstellen und frei schalten lassen.<br />

Das gleiche gilt auch für von mir ausgewählte Kinder: Sie<br />

denken sich selbst Aufgaben aus und veröffentlichen diese.<br />

Der Mathepirat bietet viele weitere Funktionen, die<br />

man auf der Website nachlesen kann. Bei der Erstellung<br />

der Aufgaben muss das Copyright beachten werden, was<br />

die Anzahl der Aufgaben einschränkt. Umso mehr ist der<br />

Mathepirat auf die Mitarbeit einzelner angewiesen.<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


SCHULPRAXIS // SACHAUFGABEN – EIN ERGÄNZENDES ANGEBOT AUS DEM INTERNET<br />

3.5 Probleme<br />

Das Problem der Aufgaben mit MultipleChoice-Antworten<br />

ist, dass die Aufgabenstellung nicht besprochen, Lösungswege<br />

nicht selbst erstellt und nicht verglichen und<br />

Antworten nicht begründet werden. Daher ist es notwendig,<br />

regelmäßig Sachaufgabenstunden ohne Internet, wie<br />

z. B. eingangs beschriebene zu halten. In diesen Stunden<br />

werden aber auch in der Klasse Aufgaben aus dem Mathepirat<br />

vorgestellt und diskutiert.<br />

Der Wettbewerbsgedanke wird relativ stark betont – auch<br />

hierin kann ein Problem gesehen werden. Bei jeder Leistungsrückmeldung<br />

(Abb. 4) liefert der Mathepirat dem<br />

Kind ein kleines Ranking. Für leistungsstarke Kinder ist<br />

das durchaus ein Anreiz, Leistungsschwache werden<br />

meist schnell frustriert. Ich versuche daher, den Wettbewerb<br />

in Grenzen zu halten. So lege ich mehr Wert auf<br />

die einzelnen Urkunden als Leistungsnachweise, die ich in<br />

einem Ordner »Portfolio« sammle. Die Urkunden haben in<br />

meiner Klasse bisher alle Kinder geschafft. Von den Rankinglisten<br />

(Abb. 8) veröffentliche ich nur die 10 Besten<br />

der Klasse. Ranking-Listen, die z. B. nur den Zuwachs<br />

im letzten Monat angeben, ermöglichen auf der anderen<br />

Seite den Schwachen, sich auch mal unter den 10 Besten<br />

zu platzieren.<br />

In Bezug auf Hausaufgaben kann sich ein drittes Problemfeld<br />

ergeben. Häusliches Arbeiten im Mathepirat ist<br />

Abb. 6 Mathepirat Kinder zeigen<br />

teilweise umstritten, da manche Eltern ihre Kinder nicht<br />

allein arbeiten lassen. Die Gefahr, dass dabei zu wenig<br />

Mathe gelernt wird, ist meiner Meinung aber kleiner, als<br />

die Gefahr, dass bei Sperrung der häuslichen Arbeit gar<br />

keine Mathe gemacht wird. Prinzipiell spreche ich das<br />

Problem des »richtigen Helfens« auch immer gern am<br />

Elternabend an.<br />

4 Fazit<br />

Nach mehreren Jahren Arbeit mit dem Mathepiraten hat<br />

sich meine Überzeugung gefestigt, dass die Kinder von<br />

dem Internet-Angebot profi tieren. Der Mathepirat ersetzt<br />

allerdings nicht den Matheunterricht durch die Lehrkraft,<br />

er ist nur ein kleiner Baustein. Es fehlt neben der Besprechung<br />

der Aufgaben, der Verbalisierung- und Formulierungshilfen<br />

der Aufgabe besonders der emotionale Bezug.<br />

Dies muss die Lehrkraft leisten.<br />

Das Internetangebot ist demnach kein Selbstläufer, es<br />

funktioniert nur sinnvoll mit einem didaktischen Konzept.<br />

Der Mathepirat ist jedoch im besonderen Maße geeignet,<br />

den Kindern Sach- und Denkaufgaben näher zu bringen,<br />

da die Kinder:<br />

sich selbst ihre Aufgaben aussuchen können,<br />

in ihrem eigenen Tempo arbeiten,<br />

umgehend Rückmeldung über das Ergebnis erhalten,<br />

www.mnu.de 57


SCHULPRAXIS // SACHAUFGABEN – EIN ERGÄNZENDES ANGEBOT AUS DEM INTERNET<br />

58<br />

durch die steigende Punktzahl einen Lernzuwachs<br />

erkennen,<br />

den Lernerfolg mit Urkunden belegen können und<br />

schließlich<br />

mit einer ungeheuren Vielfalt von Aufgabe arbeiten<br />

können, die eine Lehrkraft allein nicht liefern könnte.<br />

Somit erfüllt der Mathepirat einen Teil der anfangs geforderten<br />

Bedingungen konstruktivistischen Lernens:<br />

er bietet vielfältige Aufgaben an, die über das Rechnen<br />

hinausgehen, z. B. Sach-, Denk-, und Knobelaufgaben,<br />

er baut Methodenkompetenz bei den Lernenden auf,<br />

und gibt den Kindern die Möglichkeiten ihr Lernen<br />

selbst zu steuern und<br />

Abb. 7 Mathepirat Einstellungen<br />

sammelt Lernerfolge sichtbar,<br />

um den Fortschritt zu dokumentieren und<br />

Refl exion zu veranlassen<br />

(z. B. im Leistungsbericht).<br />

Literatur<br />

DREISBACH, U. (2007) Mathepirat www.mathepirat.de<br />

(15.12.08)<br />

GONSCHOREK, G. und S. SCHNEIDER (2007). Einführung<br />

in die Schulpädagogik und Unterrichtsplanung. Auer<br />

Donauwörth.<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


Abb. 8 Mathepirat Ranking<br />

SCHULPRAXIS<br />

CHRISTINE GAUER M. A. unterrichtet seit 1991 in der Grundschule<br />

in Rheinland-Pfalz. Nach einer Weiterqualifi zierung<br />

zur Lernsystemlektorin in Saarbrücken arbeitete sie meh-<br />

rere Jahre als Dozentin in der Erwachsenenbildung (vornehmlich<br />

Computerkurse). Daneben ist sie häufi g in der<br />

Lehrerfortbildung tätig und erwarb 2006 an der Fernuni<br />

Hagen den Magistra Artium in Erziehungswissenschaft.<br />

Der sinnvolle Einsatz von Computer in der Grundschule ist<br />

seit vielen Jahren ihr besonderes Interessensgebiet.<br />

Adresse:<br />

Im Kirchtal 40, 67659 Kaiserslautern,<br />

Email: Gauer.Christine@web.de<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 59–63, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

gc<br />

59


Gleichungen mit x in der<br />

Grundschule?!<br />

– Chancen und Möglichkeiten<br />

nicht nur für leistungsstarke Kinder (Teil 2)<br />

JOACHIM HRZÁN – EMAD SEFIEN<br />

1 Einleitung<br />

Wir haben im ersten Teil gesehen, dass nicht wenige Kinder<br />

bereits mit der Nutzung von Variablen und dem Aufstellen<br />

und inhaltlichen Lösen von Gleichungen vertraut<br />

sind. Daher sollten Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen<br />

von Förderaktivitäten ein derartiges Vorgehen beim Lösen<br />

von Aufgabenstellungen analysieren, gegebenenfalls<br />

Hilfestellungen geben und die Kinder zu solchen Strategien<br />

ermutigen bzw. diese weiter inhaltlich vertiefen.<br />

Falsch wäre es u. E. nach, den Kindern zwar eine tolle<br />

Leistung zu bescheinigen, ihnen aber zu sagen, dass<br />

eine Beschäftigung mit solchen Lösungswegen erst in<br />

späteren Schuljahren erfolgen wird. Damit würden diese<br />

Kinder keine besondere Bestätigung bzw. Anerkennung<br />

ihrer Leistung von den anderen Kindern erfahren. Wir<br />

legen in den Kreisarbeitsgemeinschaften großen Wert<br />

auf das gegenseitige Vorstellen der unterschiedlichen Lösungen<br />

durch die Kinder. Eine Kommunikation ist aber<br />

sehr schwierig, da die Argumentationsbasis oft qualitativ<br />

sehr unterschiedlich ausgeprägt ist (nur etwa 2 von 15<br />

Kindern können sicher mit Buchstabenvariablen umgehen<br />

und arbeiten mit einem Gleichungsansatz). Es kann nach<br />

unserer Auffassung nur sinnvoll sein, die anderen Kinder<br />

schrittweise an dieses Niveau heranzuführen.<br />

HEINRICH WINTER hat bereits 1982 »Argumentationen von<br />

mehr algebraischer Qualität« gefordert – also den Nachweis<br />

der Gleichheit nicht nur durch Einsetzen und Nachrechnen<br />

zu erbringen. Nach unseren Erfahrungen gehört<br />

zu solchen Argumentationen auch ein entsprechendes Begriffswissen,<br />

das solche Begriffe wie Gleichheitszeichen,<br />

Gleichung, Platzhalter, Variable und Term sowie deren<br />

Verständnis beinhaltet und deren Erarbeitung langfristig<br />

durch vielfältige Aufgabenstellungen und Aktivitäten angelegt<br />

sein sollte. Im Folgenden werden solche Aktivitäten<br />

aufgezeigt.<br />

2 Aktivitäten zu Gleichungen<br />

und Variablen<br />

2.1 Gleichungen als Gleichungen erkennen<br />

Wir beobachten auch bei leistungsstarken Kindern bis<br />

zum Ende der 4. Klasse noch Schreibweisen der Art 23<br />

+ 52 = 75 + 10 = 85. Dies kann ein Hinweis darauf sein,<br />

dass die Bedeutung des Gleichheitszeichens noch nicht<br />

60<br />

SCHULPRAXIS<br />

Nachdem im Teil I des Beitrages insbesondere exemplarisch Möglichkeiten für das Finden und Bearbeiten früher<br />

algebraischer Ansätze durch Grundschulkinder dargestellt wurden, stehen jetzt Aktivitäten zur Entwicklung und<br />

Förderung frühen algebraischen Denkens und Arbeitens im Mittelpunkt. Dabei wird auch auf die Bedeutung eines<br />

erforderlichen langfristig angelegten Begriffswissens eingegangen.<br />

richtig erfasst wurde und später beim Umgehen mit Gleichungen<br />

Schwierigkeiten zu erwarten sind. Deshalb kann<br />

das Bearbeiten von Aufgabenstellungen, die sich auf den<br />

Gleichgewichtszustand einer Waage beziehen, bedeutsam<br />

dafür sein, das einseitige Verständnis der Kinder<br />

für das Gleichheitszeichen als Aufforderungszeichen zum<br />

Rechnen bzw. als Ergebnis-Zeichen zu überwinden (vgl.<br />

STEINWEG 2005).<br />

2.2 Mit Material experimentieren<br />

Der Weg vom konkreten Experimentieren mit geeignetem<br />

Material bzw. mittels bildhafter Darstellungen bis hin zu<br />

symbolischen Ansätzen und damit zu Gleichungen (und<br />

deren Lösung) ist eine weitere wichtige Aktivität.<br />

Beispiel:<br />

4 Bauklötze und 3 Murmeln sind genau so schwer wie 3<br />

Bauklötze und 5 Murmeln.<br />

Wie viele Murmeln sind genau so schwer wie ein Bauklotz?<br />

Experimentieren mit konkreten Klötzen, Murmeln und einer<br />

Balkenwaage kann zu folgenden Notationen führen:<br />

4 · + 3 = 3 · + 5<br />

+ 3 = 5<br />

= 2<br />

Ein Bauklotz ist genau so schwer wie zwei Murmeln.<br />

2.3 Variablen als Unbekannte<br />

Der Variablenaspekt »Unbekannte« kann beispielsweise<br />

durch Aufgabenstellungen zu den so genannten Zahlenmauern<br />

vorbereitet werden (vgl. MÜLLER/WITTMANN 1994).<br />

45<br />

6 9<br />

Abb. 1<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 60–63, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss


SCHULPRAXIS // GLEICHUNGEN MIT X IN DER GRUNDSCHULE?!<br />

Diese Aufgabenstellungen zu Zahlenmauern (Abb. 1) bieten<br />

den Kindern Raum für unterschiedliche inhaltliche<br />

Überlegungen und Lösungsstrategien sowie Möglichkeiten<br />

zum Erfassen der inhärenten mathematischen Strukturen.<br />

Beispielsweise ist der Ansatz 6 + + 9 + = 45 möglich,<br />

der durch Probieren oder weitere inhaltliche Überlegungen<br />

zur Lösungsfi ndung genutzt werden kann: 15 +<br />

+ = 45. (Das Doppelte welcher Zahl ergibt zu 15<br />

addiert die Zahl 45?) Mit Bezug zu vorher behandelten<br />

Aufgabenstellungen zur inhaltlichen Vertiefung der Bedeutung<br />

des Gleichheitszeichens können Kinder dann zur Gleichung<br />

+ = 30 gelangen.<br />

2.4 Knobelaufgaben<br />

Es können regelmäßig Aufgaben angeboten werden, die<br />

potenziell (erste) algebraische Ansätze erlauben bzw. zu<br />

diesen anregen. Im Folgenden stellen wir dazu eine Aufgabe<br />

und die Lösung von Hanna (8; 11) vor, in der Anfänge<br />

algebraischen Denkens deutlich werden.<br />

Aufgabe:<br />

Auf drei Bäumen sitzen insgesamt 56 Vögel. Nachdem<br />

vom erstem Baum 7 Vögel auf den zweiten und dann vom<br />

zweiten Baum 5 Vögel auf den dritten Baum gefl ogen waren,<br />

saßen nun auf dem zweiten Baum doppelt so viele<br />

Vögel wie auf dem ersten Baum und auf dem dritten<br />

Baum doppelt so viele Vögel wie auf dem zweiten Baum.<br />

Ermittle, wie viele Vögel ursprünglich auf jedem der Bäume<br />

saßen. (BARDY/HRZÁN 2006, S. 49)<br />

Hanna notiert (Abb. 2) als erstes die Gleichung 56 : 7<br />

= 8. Offensichtlich hat sie über diese Gleichung die Verteilung<br />

der Vögel nach dem Fliegen auf den drei Bäumen<br />

gefunden und kann nun durch Rückwärtsrechnen die Lösung<br />

der Aufgabe ermitteln. Als Hanna gefragt wurde, wie<br />

sie diese Gleichung gefunden hat und was sie bedeutet,<br />

schreibt sie die Gleichung 1 + 2 + 4 = 7 auf, zeichnet von<br />

dieser einen Pfeil zur ersten Gleichung und erklärt: »Ich<br />

habe die Vögel auf dem 1. Baum als Einheit aufgefasst<br />

– das ist so wie mit einem Platzhalter – und dann sind auf<br />

dem 2. Baum zwei und auf dem 3. Baum vier Einheiten,<br />

also zusammen sieben Einheiten.«<br />

2.5 Zahlenrätsel und Rechengeschichten<br />

Neben dem Finden von einfachen Gleichungen aus vorgegebenen<br />

Aufgabentexten (Zahlenrätsel), die dann schrittweise<br />

auf konkrete Sachsituationen ausgedehnt werden<br />

sollten, ist ebenso das Formulieren von Aufgabenstellungen<br />

(etwa in Form kleiner Rechengeschichten) zu vorgegebenen<br />

Gleichungen zur besseren Durchdringung der<br />

Problematik zu empfehlen.<br />

Beispiel 1:<br />

Wenn ich von meinen gesammelten Münzen Marcus 9<br />

Münzen zum Geburtstag schenke, verbleiben mir noch<br />

47 Münzen.<br />

Gesuchte Gleichung: x – 9 = 47<br />

Beispiel 2:<br />

Gegebene Gleichung: 2 · x + 10 = 50<br />

Möglicher Aufgabentext:<br />

Stefanie konnte in diesem Jahr die Anzahl ihrer Briefmarken<br />

verdoppeln. Von ihrem Bruder Paul hat sie zum Ge-<br />

Abb. 2<br />

burtstag noch 10 Marken dazu bekommen. Nun hat sie<br />

schon 50 Briefmarken im Album. Wie viele Briefmarken<br />

hatte sie am Ende des vergangenen Jahres?<br />

2.6 Muster erkennen<br />

Es können Problemstellungen zum Erkennen von (arithmetischen)<br />

Mustern und Strukturen angeboten werden, über<br />

die hinaus mathematische Verallgemeinerungen mit algebraischen<br />

Darstellungen gebildet werden können. Dazu<br />

ein Beispiel (vgl. BARDY/HRZÁN 2006, S.46):<br />

a) Dies sind die ersten vier Aufgaben einer Serie.<br />

Vervollständige die 3. und 4. Aufgabe dieser Serie.<br />

1. Aufgabe: 1 · 5 + 4 = 3 · 3<br />

2. Aufgabe: 2 · 6 + 4 = 4 · 4<br />

3. Aufgabe: 3 · 7 + 4 = ____<br />

4. Aufgabe: 4 · 8 + 4 = ____<br />

b) Schreibe die 5. Aufgabe dieser Serie vollständig auf.<br />

5. Aufgabe: __ · __ + __ = ____<br />

c) Schreibe die 50. Aufgabe dieser Serie vollständig auf.<br />

50. Aufgabe: __ · __ + __ = ____<br />

d) Schreibe die n-te Aufgabe dieser Serie vollständig auf.<br />

n. Aufgabe: ______ · (______) + ____ = (____) · (____)<br />

www.mnu.de 61


SCHULPRAXIS // GLEICHUNGEN MIT X IN DER GRUNDSCHULE?!<br />

Abb. 3 Notizen von Julian (9; 04)<br />

Mit der vollständigen Lösung obiger Aufgabe konnte Julian<br />

(Abb. 3) nachweisen, dass er bereits zu außergewöhnlichen<br />

Abstraktionsleistungen in der Lage ist und auch<br />

sicher mit Variablen umgehen kann. Offensichtlich stellt<br />

der Übergang von der Lösung der Aufgabe c) (als wichtige<br />

»Brücke« zur dann folgenden Abstraktion) zur Lösung<br />

von Aufgabe d) für ihn kein Problem dar. Häufi g lässt sich<br />

beobachten, dass Kinder die Lösung von Aufgabe c) erst<br />

dann fi nden, wenn sie hinreichend viele weitere Aufgaben<br />

(häufi g bis zur 10. Aufgabe) notiert haben. (Gegebenfalls<br />

sollte Kindern auch dieses Herangehen als Lösungshilfe<br />

für die Aufgaben c) und d) mitgeteilt werden.)<br />

2.7 Bemerkungen zu den Aufgaben<br />

Die in diesem Abschnitt vorgestellten Aufgabenstellungen<br />

sind vielfältig zu variieren und mit steigendem Anforderungsniveau<br />

anzubieten. Die auftretenden Gleichungen sollten dabei<br />

zunächst von möglichst einfacher Gestalt sein (die einzige<br />

in linearer Form auftretende Variable befi ndet sich z. B. zunächst<br />

nur auf einer Seite der Gleichung). Problemstellungen<br />

sollen darüber hinaus hinreichend viel Spielraum für innermathematische<br />

Überlegungen, Zusammenhänge zu Rechenoperationen<br />

und mathematischen Gesetzmäßigkeiten bieten.<br />

BARDY (2007) zeigt neben Möglichkeiten der Förderung algebraischen<br />

Denkens auch diesbezügliche Grenzen auf, die<br />

bei der Bearbeitung von Gleichungsansätzen insbesondere<br />

auch darin liegen, »… dass spezielle algebraische Gesetze<br />

(z. B. das Distributivgesetz) den meisten »unserer« Kinder<br />

nicht präsent sind.« (BARDY 2007, S. 219ff) Darüber hinaus<br />

plädiert er dafür, die Thematisierung solcher Gesetze dem<br />

Mathematikunterricht in der Sekundarstufe I zu überlassen.<br />

Weitere Beispiele sind auf den Arbeitsblättern im Internet<br />

zu fi nden (www.mnu.de). Dabei werden auch folgende Aktivitäten<br />

noch ergänzend integriert:<br />

Es können Gleichungen betracht werden, in denen<br />

die Gleichheit beider Gleichungsseiten (etwa durch<br />

Termvergleich) zu beurteilen ist bzw. können vielfältige<br />

Zerlegungen von Zahlen durchgeführt werden, die die<br />

Gleichheit beider Gleichungsseiten nicht verändern.<br />

Das Verständnis für die Regeln des Rechnens und die<br />

Zusammenhänge zwischen ihnen (also für mathematische<br />

Gesetzmäßigkeiten wie Kommutativ-, Assoziativ-<br />

und Distributivgesetz) kann durch geeignete Aufgabenangebote<br />

vertieft bzw. gefördert werden. Neben der<br />

Bearbeitung von Tausch- und Umkehraufgaben (die<br />

auch auf die Festigung und Vertiefung des Rückwärtsrechnens<br />

abzielen) können auch Aufgaben der folgenden<br />

Art betrachtet werden: 7 + __ · 7 = 5 · 7<br />

62<br />

3 Miteinander ins Gespräch kommen –<br />

Bedeutung des Kommunizierens<br />

Im Rahmen der Kommunikation bzw. Argumentation beim<br />

Vorstellen entsprechender Lösungsvarianten können so<br />

Kinder auf der Grundlage des in den Arbeitsblättern dargestellten<br />

Begriffswissens sich gegenseitig besser verstehen<br />

und inhaltlich folgen. Anschließen können sich dann<br />

Übungen zum Aufstellen von einfachen Gleichungen mit<br />

Variablen, insbesondere aus konkreten Problemsituationen.<br />

Unserer Auffassung nach kann der Einsatz der Arbeitsblätter<br />

auch im normalen Unterricht während des 3.<br />

Schuljahres bei Berücksichtigung des behandelten Zahlenraumes<br />

erfolgen.<br />

Kinder müssen immer wieder Gelegenheit erhalten (in den<br />

Kreisarbeitsgemeinschaften legen wir sehr viel Wert darauf),<br />

über ihre Lösungsstrategien ausführlich zu sprechen<br />

und ihr Herangehen zu begründen, diese mit den Lösungsstrategien<br />

anderer Kinder zu vergleichen und im Rahmen<br />

der Argumentation über Aufwand, Eleganz oder auch kreative<br />

Gesichtspunkte einer Lösung zu refl ektieren. Dabei<br />

sollten die Kinder auch erkennen, dass nicht immer der<br />

Weg über einen Gleichungsansatz mit Variablen besonders<br />

effektiv sein muss. Wir stellen dazu die Lösungen von Martin<br />

und Paul (Abb. 4 und 5) zu folgender Aufgabe vor:<br />

Aufgabe: Summe von drei Zahlen<br />

Die Summe von drei natürlichen Zahlen beträgt 63. Die<br />

erste dieser Zahlen ist um 3 kleiner als die zweite, die<br />

dritte um 3 größer als die zweite. Wie lauten diese drei<br />

Zahlen? Notiere deine Lösungsschritte. (vgl. BARDY/<br />

HRZÁN 2006, S. 14)<br />

Bei der Besprechung der Lösungen zu dieser Aufgabe<br />

(Martin und Paul hatten vorher ihre wichtigsten Lösungsschritte<br />

zum Vergleichen für die Kinder an der Tafel notiert<br />

und erklärt) hat Martin dann auch anerkannt, dass<br />

man bei dieser Aufgabe recht gut ohne Gleichungsansatz<br />

mit Variablen auskommt.<br />

4 Worte fi nden – Bedeutung von Begriffen<br />

Nachdem zahlreiche Aufgabenstellungen zum Finden<br />

einfacher algebraischer Ansätze unter Verwendung von<br />

Platzhaltern und Buchstabenvariablen sowie zum Finden<br />

Abb. 4 Lösung von Martin (8; 06)<br />

Abb. 5 Lösung von Paul (8; 03)<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


SCHULPRAXIS // GLEICHUNGEN MIT X IN DER GRUNDSCHULE?!<br />

von Möglichkeiten für ihre erfolgreiche Bearbeitung behandelt<br />

wurden – wenn es also genügend viele Einsichten<br />

in das Rechnen mit Gleichungen gibt – kann und sollte<br />

auch das bereits vorher erwähnte und für einen Austausch<br />

zwischen den Kindern bedeutsame Begriffswissen<br />

(siehe Arbeitsblätter) erarbeitet werden.<br />

In diesen Arbeitsblättern zeigen wir deshalb Möglichkeiten<br />

zur Erarbeitung bzw. Vertiefung des erforderlichen<br />

Begriffswissens auf. So wurden die Begriffsinhalte zu den<br />

Begriffen »Term«, »Gleichung« und »Gleichheitszeichen«,<br />

»Variable« und »Lösung einer Gleichung« zusammengestellt<br />

und mit Beispielaufgaben zum Verständnis bzw. zur<br />

Festigung dieser Begriffe versehen. Natürlich können<br />

auch die Reihenfolge der Bearbeitung geändert und die<br />

betreffenden Aufgaben durch andere ersetzt bzw. weitere<br />

ergänzt werden. Nach unseren Erfahrungen sollte dies<br />

spätestens bis zum Ende des dritten Schuljahres erfolgen.<br />

Das Vorgehen hängt natürlich in hohem Maße von<br />

den Vorkenntnissen der Kinder und ihrem mathematischem<br />

Leistungsniveau ab.<br />

Dass eine langfristige Erarbeitung des betreffenden Begriffswissens<br />

notwendig ist, zeigen die Ergebnisse einer<br />

(sicher nicht repräsentativen) Befragung zu Beginn von<br />

Klasse 3 im September 2007. An der Befragung waren<br />

58 Kinder aus 17 Grundschulen der Stadt Halle/Saale<br />

und des Saalkreises beteiligt, die zwei Wochen vorher in<br />

die vier von uns betreuten Kreisarbeitsgemeinschaften<br />

der Jahrgangsstufe 3 aufgenommen wurden. Obwohl der<br />

Lehrplan in Sachsen-Anhalt bis zum Ende von Klasse 2<br />

ein fl exibles anwendbares Grundwissen zu Gleichungen<br />

und Ungleichungen fordert, wozu auch der Umgang mit<br />

Platzhaltern gehört, haben wir beispielsweise festgestellt,<br />

dass nur etwa 12 % der Kinder die vollständige Bedeutung<br />

des Gleichheitszeichens erfasst haben. In den meisten<br />

anderen Fällen, wo geantwortet wurde (55 %), wird<br />

das Gleichheitszeichen lediglich als ein Zeichen gesehen,<br />

mit dem einer Aufgabe das Ergebnis zugewiesen wird.<br />

Nur etwa ein Viertel der Kinder hat Vorstellungen von<br />

einem Platzhalter und konnte Beispiele dafür (meist im<br />

Zusammenhang mit einer Gleichung/Aufgabe) angeben.<br />

Der Begriff »Term« war keinem Kind bekannt. Andererseits<br />

wussten 85 % der Kinder, wie man an die Lösung<br />

einer konkreten Platzhalteraufgabe herangeht.<br />

5 Einige Schlussbemerkungen<br />

Die von uns gemachten Erfahrungen zeigen, dass zumindest<br />

im Rahmen der Förderung mathematisch begabter<br />

und leistungsstarker Kinder algebraisches Denken und<br />

Arbeiten auf vielfältige Weise sinnvoll angebahnt und entwickelt<br />

werden kann und auch sollte.<br />

Andererseits können u. E. nach auch zahlreiche der oben<br />

angesprochenen Aktivitäten und Aufgabenstellungen bereits<br />

im normalen Mathematikunterricht der Grundschule<br />

realisiert werden. Damit kann auch hier der Weg vom<br />

arithmetischen zum algebraischen Denken sowie die Verbindung<br />

zwischen beiden inhaltlich gestaltet werden.<br />

Wichtig ist, dass Lehrerinnen und Lehrer selbst konsequent<br />

und korrekt mathematische Schriftsprache und Begriffswissen,<br />

insbesondere während der Kommunikation<br />

mit den Kindern, verwenden. Andererseits sollten sie sich<br />

stets die Zeit nehmen, Lösungsstrategien von Kindern, die<br />

auf den ersten Blick auf Grund einer individuellen Repräsentation<br />

unverständlich oder gar falsch erscheinen, zu<br />

analysieren und mit den Kindern darüber zu sprechen.<br />

Dies ist für die Entwicklung des Vertrauens dieser Kinder<br />

in die eigene mathematische Leistungsfähigkeit außerordentlich<br />

wichtig.<br />

Wir sind der Auffassung, dass auf diese Weise ein wichtiger<br />

Beitrag zur algebraischen Grundlegung mit Blick auf<br />

die höheren Schuljahresstufen geleistet werden kann.<br />

Auch die sich abzeichnende Tendenz, bereits in Vorschuleinrichtungen<br />

eine stärkere mathematische Grundlegung<br />

für die dann folgenden Lernprozesse der Kinder zielgerichteter<br />

anzugehen, spricht auf Grund der dann besseren allgemeinen<br />

Voraussetzungen ebenfalls für eine vertiefende<br />

frühere Behandlung der angesprochenen <strong>Inhalt</strong>e.<br />

Literatur<br />

BARDY, P. (2007). Mathematisch begabte Grundschulkinder.<br />

Diagnostik und Förderung. München: Elsevier,<br />

Spektrum Akademischer Verlag.<br />

BARDY, P. & HRZÀN, J. (2006). Aufgaben für kleine Mathematiker.<br />

Mit ausführlichen Lösungen und didaktischen<br />

Hinweisen. Aulis Verlag Deubner, Köln, 2. Aufl age.<br />

MÜLLER, G. & WITTMANN, E. (1994). Handbuch produktiver<br />

Rechenübungen, Stuttgart, Leipzig, Klett.<br />

STEINWEG, A. (2005). Arithmetik ist mehr als Ausrechnen,<br />

Grundschulunterricht, 7/8, S. 15–17.<br />

WINTER, H. (1982). Das Gleichheitszeichen im Mathematikunterricht<br />

der Primarstufe. in: mathematica didactica<br />

5.4, S. 185–211.<br />

Dr. JOACHIM HRZÁN ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im<br />

Arbeitsbereich Mathematik und ihre Didaktik am Institut<br />

für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik der Philosophischen<br />

Fakultät III an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,<br />

Franckeplatz 1, Haus 31, 06110 Halle<br />

(Saale), joachim.hrzan@paedagogik.uni-halle.de<br />

Seit 1996 hat er sich an der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg forschungsmäßig insbesondere auf die<br />

Identifi zierung und Förderung mathematisch begabter<br />

Grundschulkinder spezialisiert.<br />

Dr. EMAD SHAWKY MALKY SEFIEN ist Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter im Arbeitsbereich Didaktik der Mathematik<br />

und Educational Technology der Fakultät Erziehungswissenschaften<br />

an der South Valley Universität in Qena,<br />

Ägypten, esafen@yahoo.com<br />

Seit 2007 gilt sein besonderes Interesse an der South<br />

Valley Universität in Qena der Identifi zierung und Förderung<br />

mathematisch begabter Grundschulkinder. gc<br />

www.mnu.de 63


SCHULPRAXIS<br />

Von »Anionischen Tensiden«<br />

bis »Zeolithe«<br />

Die Waschmittelinhaltsstoffe im naturwissenschaftlichen<br />

Sachunterricht – Teil 2<br />

RUPERT SCHEUER – HILDEGARD LUCAS<br />

Im ersten Teil des Beitrages wurden Hintergrundinformationen zum Thema Waschmittel gegeben. Im vorliegenden<br />

Teil wird ausgeführt, auf welche Weise diese Thematik schülerorientiert für einen Experimentalunterricht gestaltet<br />

werden kann.<br />

2 Waschmittelinhaltsstoffe im<br />

naturwissenschaftlichen Sachunterricht<br />

Waschmittel sind keine Reinstoffe, sondern ein Gemisch<br />

von verschiedenen Stoffen. Ein Blick auf die Liste der <strong>Inhalt</strong>sstoffe<br />

von Waschmitteln zeigt die Vielzahl der eingesetzten<br />

Substanzen. Was sich hinter den komplizierten<br />

Begriffen verbirgt und wie diese Substanzen wirken, lässt<br />

sich gut mit Hilfe einfacher Experimente veranschaulichen<br />

(SCHEUER & LUCAS 2007). Bei diesen Experimenten kann<br />

nach dem Forschend-entwickelnden Unterrichtsverfahren<br />

gearbeitet werden, ein Verfahren, dass dem naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht eine praktikable Vorgehensweise<br />

bietet. Die Schüler lernen, Probleme zu erkennen, dazu<br />

Fragen und Hypothesen zu entwickeln und diese dann<br />

auch experimentell zu prüfen. Das Verfahren basiert vor<br />

allem auf wichtige didaktischen Lernprinzipien: Der Lernprozess<br />

wird dann günstig beeinfl usst, wenn es der Lehrende<br />

schafft, Interesse und Neugier zu wecken, wenn er<br />

den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, selbstständig<br />

Wissen zu erarbeiten und aktiv zu sein, und wenn er es<br />

schafft, für die Schülerinnen und Schüler eine Problemsi-<br />

Infokasten 6 Struktur der Arbeitsblätter<br />

tuation zu schaffen (Widerspruch zwischen bereits vorhandenem<br />

Wissen und vorhandener Erfahrung und neuen<br />

Gegenständen und Vorgängen).<br />

Mit »forschen« ist gemeint, dass der Schüler sich weitgehend<br />

selbstständig und aktiv mit seinem bereits vorhandenen<br />

Wissen und den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln<br />

neues Wissen erarbeitet. Der Lehrer steht hierbei<br />

unterstützend und helfend zur Seite (»entwickeln«). Die<br />

Stufen des Unterrichtsprozesses mit »Forschungsexperiment«<br />

veranschaulicht die Abbildung 5. Anhand verschiedener<br />

Themenfelder wurde im naturwissenschaftlichen<br />

Sachunterricht das Forschend-entwickelnde Unterrichtsverfahren<br />

bereits erprobt (LUCAS & LINDEMANN, 2004;<br />

LUCAS & SCHEUER, 2006, SCHEUER & LUCAS, 2006).<br />

Ein wichtiger Bestandteil aller Waschmittel sind die Tenside.<br />

Sie verändern die Eigenschaften des Wassers, lösen<br />

Schmutz aus den Textilien und verhindern eine Wiederablagerung<br />

der gelösten Schmutzteilchen auf dem Gewebe.<br />

Die Eigenschaften der Tenside können mit einfachen<br />

Experimenten phänomenologisch betrachtet werden. Eine<br />

Münze wird hierzu mit Wasser beträufelt, sodass ein<br />

Die Arbeitsblätter sollten möglichst immer einen gleichen Aufbau haben. Zur schnelleren Orientierung sollten die<br />

verschiedenen Bereiche mit entsprechenden Symbolen gekennzeichnet werden.<br />

Jedes Experiment hat selbstverständlich einen Namen. Bei der Wahl des Namens ist allerdings darauf zu<br />

achten, dass er das Ergebnis des Experiments nicht vorwegnimmt. In der Praxis hat sich u. a. bewährt, den<br />

Namen des Versuchs nicht mit zu kopieren und erst nach der Durchführung des Experiments gemeinsam mit<br />

den Schülern zu erarbeiten. Der Name kann dann nachträglich von den Schülern eingetragen werden.<br />

Zu Beginn sollten alle benötigten Geräte und Materialien mit der jeweiligen Menge aufgelistet werden. Mittels<br />

dieser Übersicht stellen sich die Schüler alle Materialien zusammen und nehmen sie mit an ihren Arbeitsplatz.<br />

Die Versuchsvorschrift sollte in Form einer Schritt-für-Schritt-Anleitung gegliedert sein. Insbesondere die<br />

Nummerierung der einzelnen Schritte hat sich in der Praxis als sehr wichtig erwiesen. So können u. a.<br />

lernschwächere und experimentierunerfahrene Schüler jeden durchgeführten Schritt mit einem Häkchen am<br />

Ende der Zeile »quittieren«. Zwischen den einzelnen Schritten sollten die »Jungforscher« immer wieder dazu<br />

angehalten werden, Vermutungen zu äußern und diese auch niederzuschreiben. Sie sollen die Versuchsanleitung<br />

nicht »kochbuchartig« abarbeiten, sondern immer wieder überlegen, was im nächsten Schritt passieren könnte.<br />

Die Schüler sollen schon früh an das Protokollieren des Gesehenen herangeführt werden. Neben den einzelnen<br />

Beobachtungen sollten aber auch die vorherigen Vermutungen stets verschriftlicht werden. Auf der Rückseite<br />

des Arbeitsblattes können die Schüler ein Bild zur Versuchsanordnung zeichnen.<br />

Am Ende eines jeden Experiments sollte das Erlernte in wenigen Sätzen zusammengefasst und auf der Rückseite<br />

des Arbeitsblattes vermerkt werden. Hier haben sich Merksätze, die durchgängig mit »Ich weiß jetzt« beginnen,<br />

bewährt.<br />

64 <strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 64–68, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss


SCHULPRAXIS // VON »ANIONISCHEN TENSIDEN« BIS »ZEOLITHE«<br />

kleiner »Wasserberg« entsteht. Eine zweite Münze wird<br />

mit Wasser, dem zuvor einige Tropfen Spülmittel (enthält<br />

Tenside) zugefügt wird, beträufelt. Das Wasser mit dem<br />

Spülmittel bildet keinen »Berg«, sondern fl ießt auseinander.<br />

Tenside verhindern die Bildung von großen Wassertropfen.<br />

Dies kann verdeutlicht werden, indem aus einer<br />

Pipette Wasser getropft wird und die Anzahl der Wassertropfen<br />

gezählt wird. Zum Vergleich wird das gleiche Volumen<br />

des Wasser-Spülmittel-Gemisches aus einer zweiten<br />

Pipette getropft. Hier ist die Tropfenanzahl fast doppelt<br />

so hoch. Da in beiden Experimenten das gleiche Volumen<br />

genommen wurde, muss die Tropfengröße unterschiedlich<br />

sein.<br />

In einem weiteren Experiment wird Wasser auf ein Stoffstück<br />

getropft. Das Wasser verteilt sich nicht gleichmäßig,<br />

sondern bildet einzelne Tropfen, die zu einem großen<br />

Tropfen zusammenfl ießen, wenn das Stoffstück entsprechend<br />

bewegt wird. Wird hingegen das Wasser-Spülmittel-Gemisch<br />

auf das Stoffstück getropft, so dringt dieses<br />

in den Stoff ein. Es benetzt den Stoff und auch den darin<br />

enthaltenen Schmutz. Eine gute Benetzung des Stoffs<br />

– und des Schmutzes – begünstigen den Waschprozess.<br />

Für ein schonendes Waschen der Textilien ist Schaum<br />

wichtig. Er »polstert« die Wäsche, so dass die mechanische<br />

Beanspruchung geringer ist. Mit Schaum, insbesondere<br />

mit Seifenblasen lässt sich auch gut experimentieren.<br />

Die Schüler können den Forscherauftrag erhalten,<br />

auf einem Teller eine Seifenblase zu erzeugen, in der sich<br />

kleine Spielfi gur (z. B. ein Frosch) befi ndet. Oder sie sollen<br />

herauszufi nden, wie ein spitzer Gegenstand durch eine<br />

Seifenblasehaut gestoßen werden kann, ohne dass diese<br />

platzt. Auch die Frage, wo sich eine Seifenblase beim<br />

Platzen zuerst öffnet, kann von den Schülern erforscht<br />

werden.<br />

Eine besondere Herausforderung ist auch die Herstellung<br />

von großen Seifenblasen. Fragen wie etwa »Seit wann gibt<br />

es Seifenblasen?«, »Wie groß ist die größte Seifenblase?«<br />

oder »Wer stellt in Deutschland Seifenblasenlösung?« her,<br />

kann von den Schülern im Rahmen einer Rechercheaufgabe<br />

bearbeitet werden (siehe z. B. www.pustefi x.de).<br />

Neben der Schaumbildung haben Tenside die Eigenschaft,<br />

dass sie sich rasend schnell auf der Wasseroberfl äche<br />

ausbreiten. Dies kann in einem Experiment veranschaulicht<br />

werden. Auf einen mit Wasser gefüllten Suppenteller<br />

wird Pfeffer gestreut. Sobald Spülmittel hinzugefügt<br />

wird, wird der Pfeffer an den Rand gedrängt. Statt Pfeffer<br />

kann auch ein kleines Papierboot mit Spülmittel auf dem<br />

Wasser »angetrieben« werden. Soll das Boot eine längere<br />

Strecke zurücklegen, so eignen sich hierfür Auffangwannen<br />

für Balkonkästen.<br />

Tenside besitzen die Eigenschaft, Schmutz von der Wäsche<br />

zu lösen. Ein mit Öl beträufeltes Stück Baumwolle<br />

wird in klarem Wasser, ein zweites in einem Wasser-Spülmittel-Gemisch<br />

»gewaschen«. Die Tenside umschließen<br />

das Öl und lösen es von der Faser ab. Ein erneutes Absetzen<br />

an anderer Stelle wird erhindert, da die Tenside den<br />

Schmutz umschließen. Das nur in Wasser gewaschen<br />

Stoffstück wird nicht sauber.<br />

Bleichmittel zerstören Farbstoffe. Aus diesem Grund sind<br />

Bleichmittel nicht in Color- und Feinwaschmitteln enthalten.<br />

Um die Wirkungsweise von Bleichmitteln zu demonstrieren,<br />

werden drei Gläser mit jeweils 150 ml Wasser gefüllt<br />

und mit ein bis zwei Tropfen blauer Tinte eingefärbt.<br />

In das erste Glas wird ein Teelöffel Vollwaschmittel, in das<br />

zweite Glas ein Teelöffel Feinwaschmittel gegeben. Die im<br />

Vollwaschmittel enthaltenen Bleichmittel entfärben das<br />

Wasser. Im Glas bleibt eine milchig-weiße Trübung zurück.<br />

Aufbauend auf dieses Experiment werden im Folgeexperiment<br />

drei Stoffstückchen (5 cm x 5 cm) mit einem Tropfen<br />

Tinte betropft. Diese Stoffstückchen werden jeweils in<br />

einem Glas mit klarem Wasser, mit Vollwaschmittellösung<br />

bzw. Feinwaschmittellösung »gewaschen«. Auch hier wird<br />

wieder die bleichende Wirkung des Vollwaschmittels deutlich.<br />

Wissenssicherung<br />

Ich wiederhole:<br />

Wo kann ich das Gelernte<br />

anwenden?<br />

2.<br />

Stufe<br />

Überlegung<br />

zur Problemlösung<br />

Was weiß ich bereits?<br />

Vermutungen, mögliche<br />

Experimente<br />

Abb. 5 Stufen des Unterrichtsprozesses mit »Forschungsexperiment«<br />

www.mnu.de 65<br />

1.<br />

Stufe<br />

Problemgewinnung<br />

Was möchte ich<br />

herausfinden?<br />

5.<br />

Stufe<br />

250 ml destilliertes Wasser<br />

+ 20 ml Spülmittel »Fairy«<br />

+ 10 ml Glycerin (aus der Apotheke)<br />

4.<br />

Stufe<br />

Abstraktion<br />

Kann ich<br />

das Beobachtete<br />

erklären?<br />

3.<br />

Stufe<br />

Durchführung<br />

eines Lösevorschlags<br />

Ich plane und führe<br />

das Experiment durch<br />

und beobachte.<br />

Abb. 6<br />

Frosch in einer<br />

Seifenblase<br />

Abb. 7 Boot<br />

mit Spülmittelantrieb<br />

Infokasten 7 Rezept zur Herstellung von Seifenblasen XXL


SCHULPRAXIS // VON »ANIONISCHEN TENSIDEN« BIS »ZEOLITHE«<br />

Optische Aufheller lassen mit Hilfe des UV-Anteils des<br />

Sonnenlichtes weiße Wäsche strahlender aussehen. Eine<br />

Vergilbung und Verblassung der Textilien wird durch den<br />

Einsatz der optischen Aufheller verhindert. Optische Aufheller<br />

sind insbesondere in Vollwaschmitteln und Gardinenwaschmittel<br />

enthalten. Im Experiment wird in ein Glas<br />

mit klarem Wasser, mit Vollwaschmittellösung bzw. Feinwaschmittellösung<br />

jeweils ein Baumwollstück für einige<br />

Minuten gegeben. Werden die Stoffstücke im Anschluss<br />

mit UV-Licht bestrahlt, leuchtet das in der Vollwaschmittellösung<br />

»gewaschene« Stoffstück. Der optische Aufheller<br />

hat sich um die einzelnen Fasern gelegt und kann kaum<br />

wieder herausgewaschen werden. Aus diesem Grund<br />

muss ungewaschen Baumwolle eingesetzt werden.<br />

3 Fazit<br />

66<br />

Abb. 8<br />

Optische Aufheller<br />

leuchten<br />

im UV-Licht<br />

»Man kann Menschen nicht lehren, sondern nur helfen,<br />

etwas in sich selbst zu entdecken!«<br />

GALILEO GALILEI (1564–1642)<br />

In Verbindung mit zahlreichen, leicht zu realisierenden<br />

Experimenten bieten sich beim Thema Waschmittel für<br />

Lernende und Lehrende viele Möglichkeiten für einen interessanten<br />

und motivierenden naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht. Das selbstständige Forschen ist für Schüler<br />

die Lernmethode, die langfristig gute Erfolge verspricht,<br />

denn eigenständig erarbeitetes Wissen wird nicht so<br />

schnell vergessen und kann eher in anderen Problemsituationen<br />

angewendet werden. Die systematisch aufbauenden<br />

Experimente ermöglichen eine breite Verankerung<br />

im Gehirn, was wiederum eine schnellere und sicherere<br />

Informationsspeicherung nach sich zieht (KASPAR 2006).<br />

Vermutlich erschließt sich nicht allen Schülern der theoretische<br />

Hintergrund, auf der phänomenologischen Ebene<br />

wird jedoch ein großer Teil der Schüler Lernerfolge<br />

verzeichnen können. So lernen die Schüler bereits im<br />

Sachunterricht, einen Teil ihrer Lebenswelt jenseits der<br />

Werbeversprechen kritisch zu refl ektieren.<br />

(Weitere Arbeitsblätter für die experimentelle Erschließung<br />

des Themas fi nden sich auf www.mnu.de und dort<br />

unter <strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong>)<br />

Literatur<br />

Siehe Teil 1 in Heft 1-09<br />

Bezugsquelle<br />

UV-Lampe<br />

(z. B. UV-Leuchtstoffröhren-Set 29,95 €<br />

bei www.conrad.de)<br />

Internetadressen<br />

www.quarks.de<br />

Quarks-Script »Kampf dem Schmutz«, online abrufbar<br />

www.ikw.org<br />

Industrieverband Körperpfl ege- und Waschmittel e. V.;<br />

Informationen und aktuelle Fakten über Wasch- und<br />

Reinigungsmittel<br />

www.oekotest.de<br />

Zeitschrift Öko-Test; Informationen zu Wasch- und<br />

Reinigungsmittel<br />

www.persil.de<br />

Informationen über Wasch- und Reinigungsmittel und<br />

der Geschichte der Firma Henkel KgaA<br />

www.hedinger.de<br />

Waschmittelkoffer der Firma Hedinger, Stuttgart<br />

www.pustefi x.de<br />

Hersteller von Seifenblasenlösungen<br />

HILDEGARD LUCAS ist Grundschullehrerin an der G.-W.-Leibniz-Gesamtschule<br />

in Duisburg-Hamborn und hat die naturwissenschaftlichen<br />

Workshops bei der CreativWerkstatt<br />

Herten mit aufgebaut.<br />

Dr. RUPERT SCHEUER ist Oberstudienrat im Hochschuldienst<br />

am Lehrstuhl für Didaktik der Chemie II der Universität<br />

Dortmund, Neben der Aus- und Fortbildung von Grundschullehrerinnen<br />

und -lehrern im naturwissenschaftlichen<br />

Sachunterricht führt er seit fünf Jahren Fortbildungen<br />

für Erzieherinnen und Erzieher durch. Zudem ist<br />

er seit Herbst 2002 Dozent für naturwissenschaftliche<br />

Workshops bei der CreativWerkstatt Herten und bietet<br />

dort außerschulische Experimentierworkshops für Kinder<br />

an.<br />

Korrespondenzadresse:<br />

TU Dortmund, Fakultät Chemie,<br />

Didaktik der Chemie,<br />

44221 Dortmund,<br />

rupert.scheuer@tu-dortmund.de<br />

gc<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


SCHULPRAXIS // VON »ANIONISCHEN TENSIDEN« BIS »ZEOLITHE«<br />

»Was können Tenside?«<br />

Arbeitsblatt 1<br />

Für den Versuch benötigst du:<br />

• 2 kleine Plastikbecher<br />

• 2 Pipetten<br />

• 2 gleiche Münzen<br />

• 1 Rührstab aus Holz<br />

(Schaschlikspießer mit abgeschnittener Spitze<br />

• 1 Petrischale<br />

• Spritzfl asche mit Wasser<br />

• Spülmittel<br />

So führst du den Versuch durch:<br />

1. Lege beide Münzen nebeneinander in die Petrischale.<br />

2. Fülle beide Becher zur Hälfte mit Wasser.<br />

3. Sauge aus dem ersten Becher etwas Wasser in die Pipette.<br />

4. Tropfe mit der Pipette auf die erste Münze etwas Wasser.<br />

5. Was passiert? Kannst du weitere Tropfen hinzufügen?<br />

Schreibe deine Beobachtungen auf:<br />

6. Gebe drei Tropfen Spülmittel in den zweiten Becher und rühre mit dem Rührstab<br />

langsam um.<br />

7. Sauge etwas von dem Spülmittel-Wasser in die zweite Pipette.<br />

8. Tropfe nun das Spülmittel-Wasser auf die zweite Münze.<br />

9. Beobachte, was passiert. Kannst du einen Unterschied zum ersten Experiment<br />

feststellen? Schreibe deine Beobachtungen auf:<br />

10. Zeichne auf der Rückseite ein Bild vom Experiment.<br />

PNW 08-05 Abb.1<br />

Zusatzaufgabe:<br />

Wiederhole das Experiment und zähle diesmal die Tropfen.<br />

www.mnu.de 67<br />

1 ml<br />

1 ml<br />

2 ml<br />

2 ml<br />

3 ml<br />

3 ml<br />

3 ml<br />

3 ml<br />

Wasser<br />

Geschirrspülmittel<br />

mit Zitronenkraft


SCHULPRAXIS // VON »ANIONISCHEN TENSIDEN« BIS »ZEOLITHE«<br />

»Was können Bleichmittel?«<br />

68<br />

Arbeitsblatt 2<br />

Für den Versuch benötigt ihr:<br />

• 3 Bechergläser (400 ml)<br />

• 2 Teelöffel<br />

• 2 Rührstäbe<br />

• 1 Pipette<br />

• blaue Tinte<br />

• Spritzfl asche mit Wasser<br />

• Vollwaschmittel<br />

• Symbol »Experimentieren«<br />

• Feinwaschmittel<br />

So führt ihr den Versuch durch:<br />

1. Füllt alle drei Bechergläser zur Hälfte mit Wasser.<br />

2. Gebt in jedes Glas einen Tropfen Tinte.<br />

3. Was passiert, wenn ein halber Teelöffel Vollwaschmittel in das erste Glas und ein<br />

halber Teelöffel Feinwaschmittel in das zweite Glas hinzu gegeben wird? Schreibt eure<br />

Vermutungen auf:<br />

1. Glas:<br />

2. Glas:<br />

PNW 08-05 Abb.3<br />

4. Gebt in das erste Glas einen Teelöffel Vollwaschmittel und rührt um.<br />

5. Gebt in das zweite Glas einen Teelöffel Feinwaschmittel und rührt um.<br />

6. Was könnt ihr beobachten? Schreibt eure Beobachtungen auf!<br />

7. Zeichnet auf der Rückseite ein Bild vom Experiment.<br />

400 ml<br />

Wasser REINI 60°C<br />

Feinwaschmittel 30°C<br />

300<br />

200<br />

400 100 ml<br />

400 ml<br />

300<br />

200<br />

100<br />

300<br />

200<br />

100 Tinte<br />

REINI 95°C<br />

REINI 60°C<br />

Vollwaschmittel Feinwaschmittel 30°C<br />

für alles Feine<br />

REINI<br />

Vollwaschmittel<br />

für jedes Gewebe<br />

60°C<br />

30°C<br />

95°C<br />

60°C<br />

30°C<br />

1 ml<br />

2 ml<br />

3 ml<br />

3 ml<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


SCHULPRAXIS<br />

Die Geschichte von Stefan<br />

und dem Früchtetee<br />

Versuche mit Kohle-Compretten<br />

HEINZ SCHMIDKUNZ<br />

In eine realistische Geschichte eingebunden, wird die Wirkungsweise von Aktivkohle, hier mit käufl ichen Kohle-<br />

Compretten ® , dargestellt. Aktivkohle hat die Eigenschaft, vor allem organische Stoffe, z. B. auch Gifte zu adsorbieren<br />

und festzuhalten. Dieser Sachverhalt wird bei der Adsorption eines roten Farbstoffs und der Geruchstoffe<br />

von Früchtetee demonstriert.<br />

In dem Beitrag werden Gesundheits- und Umweltaspekte mit einer bedeuteten naturwissenschaftlichen Arbeitsweise<br />

verbunden.<br />

Stefan bekam an einem Nachmittag Bauchschmerzen und<br />

verspürte eine leichte Übelkeit. Er ging zu seiner Mutter<br />

und erzählte es ihr, kleinlaut fügte er hinzu, dass er vor<br />

etwa zwei Stunden in seiner Brotbüchse den Rest eines<br />

alten belegten Brotes gefunden hatte, das er dann auch<br />

gleich gegessen hatte. Seine Mutter ahnte, dass Stefan<br />

sich womöglich eine Vergiftung zugezogen hatte, zögerte<br />

nicht lange und ging mit ihm sofort zum Arzt. Der Doktor<br />

hörte sich die Geschichte kurz an, untersuchte Stefan und<br />

fragte auch, ob der Brotrest womöglich mit Wurst oder<br />

Fleisch belegt gewesen war. Das konnte Stefan und auch<br />

seine Mutter verneinen, denn sie hatte in den vergangenen<br />

Tagen die Schulbrote nicht mit Wurst (oder Fleisch)<br />

belegt. »Dann«, sagte der Arzt, »können wir eine Fleischvergiftung<br />

wohl ausschließen, anderenfalls hätte Stefan<br />

in das Krankenhaus gemusst, weil solche Vergiftungen<br />

lebensgefährlich sind«.<br />

Nun ging der Arzt zu einem Schrank und holte eine Arzneimittelpackung<br />

heraus, auf der Stefan das Wort »Kohle-Compretten<br />

® « (Abbildung 1) lesen konnte.<br />

Abb. 1 Kohle-<br />

Compretten –<br />

Aktivkohle<br />

Einem Blister (Kunststofffolie mit eingearbeiteten Tabletten)<br />

entnahm der Arzt zwei schwarze Tabletten, gab sie<br />

gleich Stefan mit der Aufforderung, sie im Mund zu zerbeißen<br />

und anschließend zu schlucken. »Was geschieht<br />

denn mit den Tabletten in meinen Magen«, fragte Stefan.<br />

Die Tabletten binden Gifte, sagte der Arzt, »so dass die<br />

Giftstoffe nicht vom Blut aufgenommen werden können,<br />

dann werden die Kohletabletten mit den Giftstoffen ganz<br />

normal mit dem Stuhl ausgeschieden«. Stefan nahm seinen<br />

ganzen Mut zusammen und steckte die Tabletten in<br />

den Mund. »Die schmecken aber nicht gut«, sagte er, zerkaute<br />

aber die Tabletten und schluckte den »Kohlebrei«<br />

runter. Sein Mund war ganz schwarz geworden, und er<br />

bekam nach dem Hinunterschlucken des schwarzen Breis<br />

großen Durst. »Kann ich Früchtetee trinken, den ich noch<br />

in meiner Schultasche habe?« Fragte er den Arzt, der<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 69–72, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

darauf hin seine Stirn ein wenig in Falten zog, nachdachte<br />

und sagte schließlich »nein, Früchtetee darfst du nicht<br />

trinken, aber Wasser gebe ich dir, das darfst du trinken«.<br />

»Warum darf ich denn keinen Früchtetee trinken«, fragte<br />

Stefan und seine Mutter fügte noch hinzu, »der Tee ist<br />

doch sicher sehr gesund«. »Natürlich ist Früchtetee gesund«,<br />

bestätigte der Arzt, aber in diesem Fall würde der<br />

Tee die Heilwirkung der Tabletten schwächen und dadurch<br />

würde das Gesundwerden von Stefan verzögert.<br />

Als Stefans Mutter etwas ungläubig schaute, fügte der<br />

Arzt an die Mutter gewandt hinzu, »ihr Bruder ist doch<br />

Chemiker, der kann ihnen die Wirkungsweise der Kohletabletten<br />

sicher genau erklären, dann werden Sie sehen,<br />

dass der Entgiftungsvorgang der Kohletabletten durch<br />

den Früchtetee vermindert würde. Nachdem Stefan noch<br />

einmal zwei der Tabletten eingenommen hatte, ging es<br />

schon bald wieder gut, die Magenschmerzen gingen<br />

schnell weg und die Übelkeit verschwand. Sicherheitshalber<br />

sollte er zwei Stunden später erneut zwei Tabletten<br />

einnehmen.<br />

Seinen Onkel erreichte Stefan über das Telefon und vereinbarte<br />

mit ihm einen Termin am nächsten Tag. Mit einem<br />

Experiment wollte er Stefan die Wirkungsweise der<br />

Kohle-Compretten vorführen, dazu müsse er aber einen<br />

Teebeutel Früchtetee mitbringen, was Stefan auch tat.<br />

Die Kohle-Compretten besorgte der Onkel in der Apotheke<br />

selbst.<br />

Bei seinem Onkel angelangt, wurde zuerst der Früchtetee<br />

bereitet, der mit seiner intensiven roten Farbe und<br />

seinem erfrischenden Geruch deutlich zu erkennen war.<br />

Dann nahm der Onkel vier Kohletabletten aus dem Blister<br />

und pulverisierte sie in einer dicken Porzellanschale (Mörser<br />

oder Reibschale, Abbildung 2).<br />

Abb. 2 Pulverisierte<br />

Kohle – Compretten<br />

69


SCHULPRAXIS // DIE GESCHICHTE VON STEFAN UND DEM FRÜCHTETEE<br />

Von dem Tee goss er etwa die Hälfte in ein anderes Glas<br />

und rührte dann portionsweise das Tablettenpulver hinein.<br />

Unter leichtem Zischen vermischte sich das Pulver<br />

mit dem Tee zu einer schwarzen »Brühe«, Abbildung 3.<br />

Der Onkel rührte noch eine Weile mit einem Glasstab um.<br />

Inzwischen nahm er ein weiteres Glas und einen Trichter,<br />

in dem er einen Papierfi lter steckte. Diesen Trichter befestigte<br />

er an einem Stativ, so dass das Auslaufrohr des<br />

Trichters in das Glas ragte (Abbildung 4).<br />

Dann goss er vorsichtig und langsam die schwarze Brühe<br />

auf den Filter im Trichter. Stefan musste nun beobachten,<br />

was aus dem Auslaufrohr des Trichters heraus kam.<br />

Stefan staunte nicht schlecht. Da kam klares Wasser aus<br />

dem Trichter, der rote Farbstoff war völlig verschwunden<br />

und der Geruch des Tees war auch weg.<br />

Beim näheren Hinsehen bemerkte er, dass die Flüssigkeit<br />

etwas grau war, und sein Onkel hatte auch eine Erklärung<br />

dafür: »Das Pulver der Tablette war so fein, dass<br />

kleinste Teilchen davon mit dem Wasser durch den Filter<br />

hindurch gingen und kaum sichtbar im Wasser schwammen«.<br />

Der Farbstoff des Tees aber war vollständig von<br />

den Tablettenteilchen festgehalten, in der Chemie sagt<br />

man adsorbiert. Nun erklärte der Onkel seinem Neffen noch einmal genau<br />

die Wirkungsweise der Kohle-Compretten.<br />

70<br />

Abb. 3 Der Früchtetee<br />

mit den pulverisierten Kohle –<br />

Compretten<br />

Abb. 4 Filtration des mit<br />

Kohle versetzten Früchtetees<br />

Abb. 5 Vergleich des Früchtetees mit dem Tee nach der<br />

Filtration<br />

Die Kohle in der Tablette – es handelt sich um eine besonders<br />

zubereitete Holzkohle speziell für medizinische<br />

Zwecke – hat die Eigenschaft, Stoffe, wie Farbstoffe oder<br />

Geruchstoffe, aber auch Giftstoffe festzuhalten. So werden<br />

krankheitserregende Stoffe im Magen von der Kohle<br />

genauso wie der Farbstoff des Tees festgehalten (adsorbiert),<br />

damit sie im Darm nicht vom Blut aufgenommen<br />

werden und zu Vergiftungen führen. Das Kohlepulver mit<br />

den Giftstoffen wird vom Körper wieder ausgeschieden,<br />

also aus dem Körper entfernt.<br />

Sein Onkel erzählte ihm weiter, dass auch unser Trinkwasser<br />

mit einer solchen Kohle gereinigt wird, damit keine<br />

Giftstoffe und Krankheitserreger in unser Essen gelangen.<br />

Die Kohle wird in große Behälter eingefüllt, durch<br />

die das Wasser geleitet wird. Auch in den Gasmasken,<br />

die z. B. unsere Feuerwehrleute bei der Bekämpfung von<br />

Bränden tragen, ist Kohle in dem Teil enthalten, durch<br />

den die Atemluft gelangt.<br />

Stefan hatte nun verstanden, wie die Kohletabletten bei<br />

ihm gewirkt haben. Eines beschäftigte ihn aber noch, Wo<br />

war denn nun wirklich der rote Farbstoff des Tees geblieben.<br />

Die Kohle im Filter war ja ganz schwarz, die müsste<br />

doch rot sein?<br />

Sein Onkel war auf so eine Frage schon gefasst. » Der<br />

Farbstoff hängt wirklich an der Kohle, auch wenn man<br />

ihn nicht mehr sieht. Wir müssen die abfi ltrierte Kohle<br />

erst trocknen lassen, bevor der Farbstoff wieder abgelöst<br />

werden kann. Das werden wir später einmal machen, bei<br />

dem Teefarbstoff geht das nicht so einfach«. Für Chemiker<br />

ist das Loslösen fest gehaltener Stoffe, wie hier des<br />

Farbstoffes, von den Kohleteilchen sehr wichtig, weil die<br />

Stoffe auf diese Weise gewonnen und genau untersucht<br />

werden können, außerdem wird die Kohle regeneriert,<br />

also in ihren ursprünglichen Zustand versetzt und kann<br />

wieder eingesetzt werden.<br />

Versuch: Die Adsorption der <strong>Inhalt</strong>sstoffe<br />

im Früchtetee mit Kohle-Compretten ®<br />

Geräte und Material:<br />

1 Teeglas mit etwa 250 mL <strong>Inhalt</strong>, 2 Gläser mit etwa<br />

150 mL <strong>Inhalt</strong>, eine Reibschale mit Pistill (oder Mörser<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


SCHULPRAXIS // DIE GESCHICHTE VON STEFAN UND DEM FRÜCHTETEE<br />

bzw. Porzellanschale mit Stößel oder Löffel), ein Trichter,<br />

wenn vorhanden eine Haltevorrichtung für den Trichter,<br />

Filterpapier (Rundfi lter zum Falten), Teelöffel, Glasstab<br />

oder langer Löffel zum Umrühren,<br />

Kohle-Compretten ® aus der Apotheke (preiswert rezeptfrei<br />

zu erhalten). Früchtetee<br />

Durchführung:<br />

Zuerst werden vier Kohle-Compretten in eine Reibschale<br />

(Mörser oder Porzellangefäß) gelegt und vollständig zerdrückt<br />

bis daraus ein schwarzes Pulver entstanden ist.<br />

Ein Teebeutel des Früchtetees wird in das Glas (250 mL)<br />

eingelegt und mit 250 mL kochendem Wasser übergossen.<br />

Der Teebeutel wird nun etwa eine Minute im heißen<br />

Wasser hin und her geschwenkt und dann herausgenommen.<br />

Das Teewasser hat inzwischen eine intensiv rote<br />

Farbe angenommen und besitzt den typischen Geruch des<br />

Früchtetees. Von dem Tee werden etwa 100 mL in ein<br />

Becherglas gegossen. In diesen Tee wird nun mit dem<br />

Teelöffel portionsweise das Kohlepulver in den Tee eingerührt,<br />

das mit Zischen sich mit dem Tee vermischt. Es<br />

wird nun etwa eine Minute ständig umgerührt. Dann lässt<br />

man das Kohlepulver eine Minute absetzen.<br />

In der Zwischenzeit wird die Haltevorrichtung mit dem<br />

Trichter bereitgestellt. In den Trichter wird der gefaltete<br />

Rundfi lter eingelegt. Der Filter haftet am Glas besser an,<br />

wenn er mit Wasser etwas angefeuchtet wird. Nun wird<br />

langsam der obere Bereich der schwarzen Brühe in den<br />

Filter gegossen. Erfahrungsgemäß läuft das Filtrat am<br />

Anfang gut durch den Papierfi lter, allmählich werden die<br />

Poren des Filters durch winzige Kohleteilchen verstopft<br />

und die Flüssigkeit läuft nur sehr langsam durch. In den<br />

ersten 10 Milliliter des Filtrats (durchgelaufene Flüssigkeitsmenge)<br />

sind noch winzige Kohleteilchen enthalten, so<br />

dass die Flüssigkeit leicht grau aussieht. Deshalb sollten<br />

die ersten etwa 10 ml der Flüssigkeit erneut fi ltriert, d. h.<br />

wieder in den Filter gegossen werden. Diejenige Flüssigkeit,<br />

die dann langsam aus dem Filterrohr tropft ist wesentlich<br />

klarer. In der Abbildung 5 ist ein Vergleich des<br />

Früchtetees mit dem Filtrat zu sehen.<br />

Beobachtung:<br />

Die Farbstoffe und die Geruchsstoffe des Tees wurden<br />

vollständig von den Kohle-Compretten gebunden (adsorbiert).<br />

Erklärung:<br />

Kohle-Compretten bestehen aus einer besonderen Art<br />

von Holzkohle, die als »Aktivkohle« bezeichnet wird. Die<br />

fein verteilten Kohlepartikel besitzen eine Oberfl äche<br />

von etwa 800 m 2 pro Gramm Kohle. Die Oberfl äche der<br />

Kohleteilchen hat die Eigenschaft, organische Stoffe, wie<br />

Farbstoffe, Geruchsstoffe und Giftstoffe, zu adsorbieren,<br />

also festzuhalten.<br />

Die mit Giftstoffen beladene Aktivkohle kann auch regeneriert<br />

werden:<br />

Der rote Farbstoff des Früchtetees lässt sich von der Aktivkohle<br />

mit Ethanol (Spiritus) wieder ablösen. Der schwarze<br />

Filterrückstand muss allerdings trocken vorliegen. Das<br />

bedeutet, dass unmittelbar nach der Filtration die Ablösung<br />

des Farbstoffs nicht vorgenommen werden kann.<br />

Der trockene schwarze Filterrückstand wird mit einem<br />

Löffel in eine Tasse (oder Porzellanschale) überführt und<br />

mit wenig Spiritus (Ethanol) übergossen. Nach kurzem<br />

Umrühren muss sofort fi ltriert werden. Der zunächst<br />

rote, deutlich sichtbare Farbstoff verschwindet allerdings<br />

nach kurzer Zeit. Offensichtlich liegt eine chemische Re-<br />

aktion des Ethanols mit dem Farbstoff zu einer fast farblosen<br />

Substanz vor.<br />

Weitere Anwendungsmöglichkeiten von Aktivkohle:<br />

Die Aktivkohle wird auch eingesetzt, um Wasser zu<br />

reinigen, so z. B. um eine Trinkwasseraufbereitung<br />

vorzunehmen.<br />

Aktivkohle dient auch dazu, um Lösemitteldämpfe in<br />

der Luft (z. B. in chemischen Betrieben) zu entfernen.<br />

Aktivkohle ist auch der Hauptbestandteil der Filtermasse<br />

in Gasmasken.<br />

Die Regeneration der Aktivkohle kann durch Erhitzen,<br />

durch Behandeln mit Wasserdampf oder auch durch<br />

Behandeln mit bestimmten organischen Lösemitteln<br />

(Alkohol, Aceton oder Benzin usw.) erfolgen. Das<br />

Verfahren ist abhängig vom adsorbierten Stoff, schont<br />

im jeden Fall die Umwelt und Ressourcen. In diesen<br />

Zusammenhang wird im Bezug auf die Aktivkohle von<br />

Kreisprozessen gesprochen, die besonders ökonomisch<br />

und ökologisch verlaufen. Die Abbildung 6 zeigt<br />

schematisch den Kreisprozess mit Aktivkohle.<br />

Weitere Versuche mit Kohle-Compretten:<br />

Mit den Kohle-Compretten lassen sich auch andere Getränke<br />

behandeln. So wird z. B. eine Orangenlimonade<br />

(z. B. Fanta ® ) ebenfalls entfärbt. In der Abbildung 7 ist<br />

Abb. 6 Kreisprozess der Aktivkohle<br />

Abb. 7 Behandlung von Fanta ® mit Aktivkohle (Vergleich)<br />

www.mnu.de 71


Ausgangspunkte des Lernens<br />

im Sachunterricht<br />

INGRID SCHWEITZER<br />

Wenn Lernvoraussetzungen und Vorstellungen von Kindern in die Planung des Unterrichts einbezogen werden<br />

sollen, ist die Berücksichtigung themenorientierter Kinderfragen als eine Grundlage unerlässlich. Sie müssen in<br />

Einklang gebracht werden mit den Bildungsanforderungen des Sachunterrichts. Wie in Zusammenhang mit mehrperspektivischen<br />

Aspekten eines Themas erste Einsichten in naturwissenschaftliche Basiskonzepte im Sachunterricht<br />

der Grundschule vermittelt werden können, wird am Beispiel »Salz« dargestellt.<br />

72<br />

SCHULPRAXIS<br />

zum Vergleich eine Orangenlimonade vor der Behandlung<br />

und nach dem Filtrieren der »Kohlebrühe« zu sehen. Mit<br />

den hier verwendeten Kohle-Compretten gelingt es jedoch<br />

nicht, ein Cola-Getränk zu entfärben. Für diesen Zweck<br />

muss man auf eine Spezialkohle zurückgreifen (Aktivkohle<br />

von Riedel de Haen, 31616).<br />

Schlussgedanke<br />

Die Bedeutung der Aktivkohle für die Reinigung von Luft<br />

und Wasser sowie zur Analyse von Stoffgemischen ist<br />

nicht hoch genug einzuschätzen. Gerade für den Umweltschutz<br />

erhält die Substanz eine zunehmende Rolle.<br />

Im Sachunterricht ist Aktivkohle in Form der Kohle-Compretten<br />

gut einzusetzen. Der Früchtetee wurde gewählt,<br />

weil die intensiv rote Farbe des Tees zur Überraschung<br />

der Schülerinnen und Schüler völlig verschwindet. Natürlich<br />

lassen sich auch andere Teearten oder Limonaden<br />

mit der Kohle entfärben. Hier sind der Phantasie keine<br />

Grenze gesetzt.<br />

1 Voraussetzungen für die Planung<br />

von Unterricht<br />

»Selbstverständlich berücksichtige ich Fragen und Interessen<br />

der Kinder im Sachunterricht!«<br />

»Ich fi nde den Lebensweltbezug der Themen enorm wichtig!«<br />

Äußerungen wie diese zeigen, dass Grundschullehrkräfte<br />

die Vorstellungen, Fragen und Interessen der Kinder im<br />

Unterrichtsalltag sehr ernst nehmen, so wie es die Fachdidaktik<br />

empfi ehlt. In diesem Beitrag sollen Möglichkeiten<br />

der thematischen Orientierung einer Unterrichtsequenz<br />

an Vorwissen und Fragen der Kinder aufgezeigt werden.<br />

Die oftmals durchgeführten Gesprächsrunden »Meine<br />

Fragen zum Thema …« oder »Das weiß ich über …« zu<br />

Beginn einer neuen Unterrichtseinheit sind begrüßenswert.<br />

Es ist nicht immer einfach, von da aus einen direkten<br />

Zusammenhang zu den Unterrichtsvorhaben herzustellen.<br />

Oft werden die Erhebungen kaum genutzt, um<br />

Lernvoraussetzungen tatsächlich zum Ausgangspunkt der<br />

Erweiterung von Wissen und Können und zur Anbahnung<br />

ausbaufähiger Basiskonzepte zu machen, und den Kindern<br />

wird der Zusammenhang zwischen ihren Fragen und<br />

Ideen und dem weiteren Unterrichtsverlauf oft nicht klar.<br />

Prof. Dr. HEINZ SCHMIDKUNZ war bis 1996 Professor für<br />

Chemie-Didaktik an der Universität Dortmund. Insbesondere<br />

in der Lehre war er intensiv an der Ausbildung von<br />

Primarstufenlehrkräften beteiligt.<br />

Adresse:<br />

Obermarkstraße 125,<br />

44267 Dortmund,<br />

h.schmidkunz@online.de<br />

Bieten Fragen, Vorwissen, Vorstellungen, Interessen von<br />

Grundschulkindern einen ausreichenden Fundus für die<br />

Grundlegung naturwissenschaftlicher Bildung im Sachunterricht?<br />

Durch den Einsatz der Fülle vorgefertigter Beispiele<br />

und Materialien für Unterrichtssequenzen werden<br />

zum Teil Antworten auf Fragen gegeben, die gar nicht<br />

gestellt wurden oder die Kinder sollen etwas lernen, was<br />

sie längst wissen. So schreibt GARLICHS (1996) »Unzählige<br />

Male habe ich selber beobachtet, dass Kinder mit<br />

ihren Antworten oder Fragen nicht landen konnten, weil<br />

sie nicht in der Zielspur des Unterrichts oder zu weit weg<br />

von den angestrebten wissenschaftlichen Erklärungskonzepten<br />

lagen.«<br />

So muss auch das Fragen stellen gelernt werden und<br />

häufi g können Fragen erst dann gestellt werden, wenn<br />

man mehr Wissen über eine Sache hat. So fordert ERNST<br />

(1996), dass man »Fragen wachsen lassen« muss. Die<br />

»ersten« Fragen müssen noch nicht besonders tragfähig<br />

sein. »Zweite« Fragen entstehen im Umgang mit<br />

der Sache und können zu Entdeckungsprozessen führen.<br />

Die sich daraus ergebenden »dritten« Fragen können zu<br />

grundlegenden Einsichten führen (vgl. ERNST, 1996). Folgerung<br />

für den Unterricht ist das Erstellen von Lernarrangements,<br />

die die Entwicklung von Fragen fördern und pro-<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 72–76, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

gc


SCHULPRAXIS // AUSGANGSPUNKTE DES LERNENS IM SACHUNTERRICHT<br />

zessbegleitende Fragephasen berücksichtigen. Auch in<br />

der Refl exion des Unterrichts ist es wichtig zu beachten,<br />

dass Kinder die erarbeiteten Antworten auf Fragen als<br />

bedeutsamen Wissenszuwachs wertschätzen können.<br />

Fragen sind aber nur ein Teil dessen, was Voraussetzung<br />

für die Planung des Unterrichts sein kann: Vorwissen und<br />

Vorstellungen prägen außerdem die Erwartungen, mit denen<br />

Kinder neuen Lerninhalten begegnen. Eine weitere<br />

Komponente sind die Vorgaben und Lehrabsichten der<br />

Lehrkraft. Das ist zu berücksichtigen, denn nicht alles,<br />

was unterrichtlich vermittelt werden soll, befi ndet sich<br />

bereits im Fragehorizont der Kinder. »Kindorientierung<br />

und Zielorientierung müssen im Unterricht beide zu ihrem<br />

Recht kommen. Die Kunst des Unterrichtenden besteht<br />

darin, geeignete Wege zu fi nden, Kinder und Sache so zueinander<br />

ins Verhältnis zu setzen, dass die Kinder in ihrem<br />

Selbstwerden über die Beschäftigung mit Sachverhalten<br />

gestärkt werden, dass sie die Befangenheit in Eigenwelten<br />

überwinden und Anteil an allgemeinen Deutungsmustern<br />

unserer Kultur gewinnen« (GARLICHS, 1996) und damit<br />

auch an den Naturwissenschaften.<br />

Durch Zusammenstellungen von Aufgabenbeispielen und<br />

Experimentierangeboten kann ein Verständnis für naturwissenschaftliche<br />

Konzepte angebahnt werden, die in<br />

Zusammenhang mit Vorwissen und Fragen von Kindern<br />

bzw. mit Situationen aus der Alltagswelt stehen. So wird<br />

die Aufmerksamkeit der Kinder auf Phänomene gelenkt,<br />

die ihnen häufi g begegnen, auch ohne dass sie bisher in<br />

Frage gestellt wurden.<br />

Es ist meine Aufgabe als Lehrerin die »Weltaufmerksamkeit«<br />

anzubahnen, manchmal auch durch lenkendes Eingreifen,<br />

z. B. durch ein Angebot von Lernsituationen, die<br />

einen Transfer ermöglichen. Der Sachunterricht bietet<br />

zudem die Möglichkeit der Darstellung der Bandbreite eines<br />

Themas, dessen lebensweltbezogene Aspekte über<br />

ausschließlich naturwissenschaftliche Fragestellungen hinausgehen.<br />

Damit lassen sich die in sehr heterogener<br />

Weise gemachten Grunderfahrungen, die die Kinder mit<br />

in die Schule bringen, berücksichtigen. Schließlich haben<br />

sie auch bereits Vorstellungen und Konzepte zu naturwissenschaftlichen<br />

Sachverhalten entwickelt, Wissen<br />

aus unterschiedlichen Quellen gesammelt und eigene Erfahrungen<br />

gemacht. Aufzugreifen sind ebenfalls fachlich<br />

nicht tragfähige Konzepte und diese gegebenenfalls zu erweitern<br />

oder zu verändern. Das sollte bei der Gestaltung<br />

realer Lernsituationen im Sachunterrichts berücksichtigt<br />

werden, die eben nicht an dem bereits vorhandenen Wissen<br />

und an den Erfahrungen der Kinder vorbeigehen sollten.<br />

Diese Vorüberlegungen bildeten die Grundlage bei der Zusammenstellung<br />

von Anregungssituationen zur Entwicklung<br />

eines Unterrichtsbeispiels zum Thema »Salz – nicht<br />

nur für die Suppe«. Im Folgenden werden zunächst die<br />

hier relevanten naturwissenschaftlichen Konzepte dargestellt,<br />

dann Fragen von Kindern zu dem Thema skizziert<br />

und abschließend Beispiele und Aufgaben vorgeschlagen,<br />

mit denen auf die Fragen eingegangen werden kann. Sie<br />

sind nicht im Sinne einer festgelegten Unterrichtseinheit<br />

zu verstehen.<br />

2 »Salz – nicht nur für die Suppe«<br />

Im Hinblick auf die naturwissenschaftlichen Aspekte des<br />

Unterrichtsbeispiels bietet das Thema die Möglichkeit einer<br />

Anbahnung eines Verständnisses des grundlegenden<br />

Chemie-bezogenen Fachkonzeptes von Stoffen und Stoffveränderungen.<br />

Die übergeordnete Leitfrage für die Unterrichtsplanung<br />

könnte lauten:<br />

Wie lassen sich Stoffe und ihre Veränderungen in Natur<br />

und Umwelt erkennen und verstehen?<br />

Anzustrebendes Ziel ist ein Verständnis dafür, dass Stoffe<br />

durch ihre Stoffeigenschaften (Materialeigenschaften)<br />

beschrieben werden,<br />

sich teilweise vollständig verändern, aber<br />

in der Welt nicht verloren gehen (vgl. BÜNDER & WIM-<br />

BER, 2008).<br />

Damit wären erste Einsichten in naturwissenschaftliche<br />

Basiskonzepte ermöglicht (Stoffe/Stoffveränderung und<br />

Erhaltungssätze). Konzepte sollen hier als gedankliche<br />

Werkzeuge, mit deren Hilfe wir in der Welt sinnfällig handeln<br />

können, verstanden werden (ATKINSON, 1990, zit.<br />

nach MÖLLER 1999). Sie bilden die Grundlagen für das<br />

kumulative Weiterlernen in den naturwissenschaftlichen<br />

Fächern.<br />

Fragen und Vorwissen der Kinder einer dritten Klasse<br />

wurden in einer realen Unterrichtssituation im Heimat-<br />

und Sachunterricht unter der Überschrift »Ich und das<br />

Salz« erhoben. Als Hinführung zum Thema »Salz – nicht<br />

nur für die Suppe« eignete sich die Märchenerzählung<br />

(»Wie das Salz ins Meer kam – Ein Märchen aus Asien«),<br />

an die sich ein »Nachdenkgespräch« anschloss.<br />

Dieses Gespräch wurde durch drei zentrale Impulse strukturiert.<br />

Den ersten Impuls, mit dem vor allem das Vorwissen<br />

erhoben wurde, bildete der Satzstreifen »Das weiß<br />

ich über das Salz«. Im Gespräch ergaben sich weitere<br />

Fragen, z. B. was mit dem Salz in der Suppe passiert und<br />

warum Eis bei der Zugabe von Salz schmilzt. Dann folgte<br />

der Impuls »Das möchte ich über das Salz wissen«. Die<br />

Frage »Was meinst du – wie ist das Salz ins Meer gekommen«<br />

wiederum führte zurück zu der Märchenerzählung<br />

und gab Aufschluss über weitere Schülervorstellungen.<br />

Alle Äußerungen der Kinder wurden von der Lehrkraft<br />

mitprotokolliert, gemeinsam geordnet und fi nden sich zusammengefasst<br />

in Abbildung 1.<br />

Natürlich kann vor allem aus zeitlichen, organisatorischen,<br />

technischen Gründen nicht immer allen Interessen, Ideen<br />

und Fragen der Kinder nachgegangen werden. Gleichwohl<br />

ist es entscheidend, den Bezug zwischen den gesammelten<br />

Ideen der Lerner und dem anschließenden Unterricht<br />

explizit zu machen, dazu können Ideen und Fragen gemeinsam<br />

mit den Lernern strukturiert werden, es können<br />

Prioritäten gesetzt oder z. B. arbeitsteilig vorgegangen<br />

werden. Einige Ideen können in Experimenten untersucht<br />

werden, Antworten auf andere Fragen werden in Texten<br />

gefunden.<br />

Die folgenden Aufgabenangebote sind Beispiele für Gesprächs-<br />

und Handlungssituationen im Unterricht, die<br />

sich direkt auf die Fragen und das Vorwissen der Kinder<br />

einer dritten Klasse zum Thema Salz beziehen. Viele der<br />

Versuche fi nden sich in Experimentiermaterialien aus dem<br />

Internet (z. B. BLUME, 2002).<br />

Einige Äußerungen der Schülerinnen und Schüler beziehen<br />

sich auf die Eigenschaften von Salz, z. B. Form und<br />

Farbe, bzw. Salzwasser, z. B. Brennbarkeit und Auftrieb.<br />

Zum Kennen lernen des Stoffes Salz bzw. des Stoffge-<br />

www.mnu.de 73


SCHULPRAXIS // AUSGANGSPUNKTE DES LERNENS IM SACHUNTERRICHT<br />

A. »Das weiß ich über Salz«<br />

Salzwasser brennt.<br />

Salz sind Kristalle. Es gibt ganz große Salzkristalle.<br />

Salz kommt durch Regen.<br />

Es gibt Salzpfl anzen.<br />

Wenn man im Salzwasser schwimmt, schwimmt man<br />

oben. Es gibt dem Körper Auftrieb. Salzwasser ist<br />

schwerer als anderes Wasser.<br />

Salz braucht man, also der Mensch.<br />

»Wo begegnet uns Salz?«<br />

Lecksteine für Tiere, Salzwasser, Salzstangen/<br />

Laugenstangen, im Gestein, im Küchenschrank,<br />

Streusalz<br />

»Was kann das Salz?«<br />

Wasser einsaugen, Haltbarmachen, würzen, Eis<br />

auftauen<br />

»Was passiert mit dem Salz in der Suppe?«<br />

Im warmen Wasser schmilzt das Salz.<br />

»Warum taut es, wenn man Salz streut?«<br />

Salz schmilzt, wenn die Sonne es erwärmt, und das<br />

kann das Eis nicht ab.<br />

B. »Das würde ich gern wissen über Salz«<br />

Wie ist das Salz ins Meer gekommen?<br />

Wo kommt das ganze Salz her?<br />

Welche Experimente können wir mit Salz machen?<br />

C. »Was meinst du – wie ist das Salz ins Meer<br />

gekommen?«<br />

Das Salz kommt aus dem Meeresboden.<br />

Das Salz stammt aus der Eiszeit.<br />

Salz ist durch Lava entstanden. Das Salz wurde von<br />

den Steinen abgerieben, als Lava vorbei fl oss. Dann<br />

kam es durch die Regenzeit ins Meer<br />

Abb. 1 Äußerungen von Schülerinnen und Schülern einer<br />

3. Klasse in einem Gespräch zum Thema Salz.<br />

misches Salzwasser können zunächst die verschiedenen<br />

Eigenschaften erarbeitet werden. Dabei gehen die Kinder<br />

zum einen mit ihnen vermutlich bereits bekannten Stoffeigenschaften,<br />

wie Farbe, um, und zum anderen lernen<br />

sie neue Stoffeigenschaften, z. B. die Löslichkeit, kennen,<br />

mit denen Stoffe noch genauer charakterisiert werden<br />

können.<br />

Salzkristalle<br />

Die kristalline Struktur des Salzes kann man mit dem bloßen<br />

Auge bereits sehen, die charakteristische Form kann<br />

besonders gut mit der Lupe oder ggf. unter dem Mikroskop<br />

beobachtet werden. Vergleiche von grobem und feinem<br />

Salz sind auch möglich. Auch die Wiedergewinnung<br />

von Salz aus Wasser durch Verdampfen des Wassers<br />

eignet sich, um die »entstehenden« Salzkristalle zu beobachten.<br />

Die Beobachtungen der Kinder können durch<br />

Zeichnungen dokumentiert und dann verglichen werden.<br />

Salz verändert das Wasser<br />

In der hier beschriebenen Unterrichtssituation sagt ein<br />

Schüler, dass Salzwasser schwerer als anderes Wasser<br />

ist (möglicherweise ist hier die höhere Dichte von Salzwasser<br />

gemeint). Die Aussage kann ohne großen Aufwand<br />

überprüft werden, in dem Wasser mit und ohne<br />

Salz abgewogen werden. Viele Kinder sind über die Beobachtung,<br />

dass das Wasser nach der Zugabe von Salz,<br />

das sich ja löst und damit nicht mehr sichtbar ist, trotzdem<br />

mehr wiegt, überrascht. Komplexer ist es, den im<br />

Salzwasser und Süßwasser unterschiedlichen Auftrieb,<br />

74<br />

der mit der unterschiedlichen Dichte von Salz- und Süßwasser<br />

zusammenhängt, zu erarbeiten. Eine Möglichkeit,<br />

das Phänomen zu beobachten, stellt der Versuch dar, bei<br />

dem ein Ei in Leitungswasser gelegt wird und dann beobachtet<br />

wird, was passiert, wenn man Salz hinzugibt. Erklärungen<br />

und weiterführende Versuche zum Schwimmen<br />

und Sinken fi nden sich z. B. in KAHLERT, 2007.<br />

Natürlich lassen sich in diesem Zusammenhang weitere<br />

Stoffeigenschaften benennen, in denen Salz- und Süßwasser<br />

sich unterscheiden, z. B. Geschmack oder die Leitfähigkeit.<br />

Die von den Schülern geäußerte Vermutung, dass<br />

Salzwasser brennt, kann leicht mit einem Streichholz oder<br />

einem entsprechenden Löschversuch überprüft werden<br />

Auch die geäußerte Idee, dass Regenwasser salzig ist,<br />

kann durch Geschmacksproben oder Verdampfungsversuche<br />

überprüft werden.<br />

Eine weitere Eigenschaft von Salz wird in der Aussage »Im<br />

warmen Wasser schmilzt das Salz« angesprochen. Tatsächlich<br />

handelt es sich nicht um einen Schmelzvorgang,<br />

sondern einen Lösungsvorgang. Diese beiden Vorgänge<br />

werden häufi g verwechselt, sodass es sich anbietet, die<br />

Unterschiede herauszuarbeiten. Hierfür eignen sich zwei<br />

Versuche, in denen beobachtet und verglichen wird, was<br />

passiert, wenn man Salz in Wasser gibt und wenn man<br />

einen Eiswürfel in Wasser gibt, was mit Salz auf einem<br />

Teller und einem Eiswürfel auf einem Teller passiert. Mithilfe<br />

der Versuche können die Kinder erkennen, dass es<br />

für den Lösungsvorgang einen sich lösenden Stoff und<br />

ein Lösungsmittel (in diesem Fall Wasser) braucht, für<br />

den Schmelzvorgang aber nicht. Schmelzen und häufi g<br />

auch Lösen wird durch die Zufuhr von Wärme beschleunigt,<br />

was die Unterscheidbarkeit der beiden Prozesse für<br />

Lernanfänger manchmal erschwert. Die Eigenschaft Löslichkeit<br />

in Wasser kann in vielen Experimenten genauer<br />

untersucht werden, z. B. der Vergleich der Löslichkeit<br />

von Salz in warmem und kaltem Wasser oder die Untersuchung<br />

der Menge von Salz, die sich in einer festgelegten<br />

Menge Wasser, z. B. in 100 ml, lösen lässt.<br />

Ein weiteres Merkmal von Salz, das von einem Kind benannt<br />

wird, ist die Eigenschaft Wasser anzuziehen (einzusammeln),<br />

also hygroskopisch zu sein. Aus dem Alltag<br />

kennt man z. B. das Zusammenklumpen von Salz im Salzstreuer,<br />

weil es Feuchtigkeit anzieht. Legt man rohe Kartoffelstücke<br />

oder Salatblätter in Leitungswasser bzw. in<br />

Salzwasser und vergleicht diese nach einigen Stunden,<br />

zeigt sich, dass das Gemüse im Salzwasser verschrumpelt,<br />

während es im Leitungswasser »knackig« bleibt. Das<br />

Salz entzieht dem Gemüse Wasser, weswegen es verschrumpelt.<br />

Hintergrund hierfür sind osmotische Effekte.<br />

Die Äußerungen über Salzpfl anzen, z. B. am Wattenmeer,<br />

sowie die Notwendigkeit von Salz für Menschen lassen<br />

sich in der Regel leichter durch Rechercheaufgaben und<br />

Informationstexte aufgreifen. Sie können die Grundlage<br />

für »Experteneferate« bilden.<br />

Verwendung von Salz<br />

Neben den Eigenschaften thematisieren die Schülerinnen<br />

und Schüler auch Verwendungsmöglichkeiten von Salz.<br />

Auch diese Idee können aufgegriffen und überprüft werden,<br />

z. B. durch die Herstellung von Salzgurken. Dafür<br />

werden kleine Gemüsegurken gesäubert, in einem Glas<br />

geschichtet und mit Pfefferkörnern und/oder Dill gewürzt.<br />

Ein Liter Wasser wird mit zwei Esslöffeln Salz gekocht und<br />

über die Gurken gegossen. Das verschlossene Gefäß wird<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


SCHULPRAXIS // AUSGANGSPUNKTE DES LERNENS IM SACHUNTERRICHT<br />

nach dem Abkühlen in den Kühlschrank gestellt. Nach 24<br />

Stunden können die Gurken gegessen werden. Kühl aufbewahrt<br />

halten sie sich zehn Tage.<br />

Auch die Wirkung von Salz auf Eis kann einfach experimentell<br />

überprüft werden, in dem beobachtet wird, was<br />

passiert, wenn man einen Eiswürfel mit Salz bestreut, im<br />

Vergleich zu einem Eiswürfel ohne Salz. Da die wissenschaftliche<br />

Erklärung sehr komplex ist, sollte man sich<br />

Materialien<br />

1 Plastikfl asche (PET, 1l)<br />

1 Messer<br />

feste Unterlage<br />

dünner Nagel<br />

Watte<br />

weißer Seesand<br />

Salz<br />

Becherglas oder Marmeladenglas,<br />

(etwas kleiner als die PET-Flasche)<br />

Folienschreiber<br />

Durchführung<br />

Schneide den Boden der Plastikfl asche ab.<br />

Schraub den Deckel ab und bohre<br />

mit dem Nagel mehrere Löcher in den Deckel<br />

Stecke etwas Watte in den Flaschenhals<br />

und schraub den Deckel wieder zu.<br />

Drehe die Flasche um und fülle Sand hinein<br />

(etwa 10 cm hoch)<br />

Gib darauf eine Salzschicht (etwa 2 cm dick)<br />

Bedecke die Salzschicht wieder mit Sand<br />

(etwa 5 cm)<br />

Stelle die Flasche kopfüber, also mit dem Deckel<br />

nach unten, in das Glas.<br />

Achte darauf, dass die Flasche sicher steht,<br />

dass der Flaschenhals aber nicht den Boden<br />

berührt!<br />

Kennzeichne die Grenzen der Schichten<br />

mit dem Folienschreiber<br />

Nun lässt du Wasser durch die Flasche laufen<br />

und fängst es in dem Glas auf.<br />

Fragen:<br />

zunächst auf die Beobachtung und Beschreibung des Phänomens<br />

durch die Kinder beschränken.<br />

Wie kommt das Salz ins Meer?<br />

Nach dem die Kinder Eigenschaften des Salzes und des<br />

Salzwassers erarbeitet haben, kann die oben genannte<br />

Frage wiederum durch Informationstexte bearbeitet werden.<br />

Wie kommt das Salz ins Meer?<br />

So kann man es untersuchen.<br />

PET-Flasche<br />

Glasgefäß, in dem<br />

die Flasche kopfüber<br />

stehen kann, aber nicht<br />

den Boden berührt.<br />

Was hat das Experiment mit der Frage »Wie kommt das Salz ins Meer« zu tun?<br />

Weißt du, wie du zeigen kannst, ob in dem aufgefangenen Wasser Salz enthalten ist?<br />

aufgeschnittener Flaschenboden<br />

Sandschicht<br />

Salzschicht<br />

Sandschicht<br />

Watteschicht<br />

durchlöcherter<br />

Flaschendeckel<br />

www.mnu.de 75


SCHULPRAXIS // AUSGANGSPUNKTE DES LERNENS IM SACHUNTERRICHT<br />

76<br />

Wie kommt das Salz ins Meer?<br />

Überall im Boden und im Gestein befi ndet sich Salz.<br />

Wenn es regnet, versickert ein Teil des Wassers und<br />

löst geringe Mengen von dem Salz im Boden auf.<br />

Das Wasser sammelt sich in den Bächen und Flüssen.<br />

Diese fl ießen über Erdreich und Gestein. Wieder löst sich<br />

etwas Salz aus dem Boden im Wasser. Der Salzgehalt im<br />

Flusswasser ist aber so gering, dass wir immer noch von<br />

Süßwasser sprechen.<br />

Die Flüsse bringen ihr Wasser ins Meer. Meerwasser<br />

verdunstet, es bilden sich Wolken, die Wolken bringen<br />

Regen, das Regenwasser löst Salz aus dem Boden.<br />

Und das passiert schon seit vielen Millionen von Jahren.<br />

(s. hierzu z. B. auch<br />

www.nationalpark-wattenmeer.niedersachsen.de/<br />

oder www.wasistwas.de/)<br />

Der im Arbeitsblatt beschriebene Versuch verdeutlicht den<br />

Vorgang des Lösens von Salz aus dem Boden und stellt<br />

gleichzeitig den Rückbezug zur Eigenschaft Löslichkeit her.<br />

Experiment: Was passiert mit dem Salz im Boden<br />

In den Flaschenhals einer am Boden abgeschnittenen PET-<br />

Flasche wird etwas Watte gesteckt und die Flasche mit<br />

dem durchbohrten Deckel (oder Ventildeckel) verschlossen.<br />

Nun wird die Flasche mit 10–15 cm Sand befüllt.<br />

Auf diese Schicht gibt man vorsichtig eine ca. 1–2 cm<br />

dicke Salzschicht, die anschließend wieder mit einer ca.<br />

5 cm dicken Sandschicht bedeckt wird. Daraufhin wird die<br />

Flasche kopfüber in ein Glas gestellt. Man muss bei der<br />

Wahl des Glases darauf achten, dass die Flasche sicher<br />

steht und gleichzeitig der Flaschenhals nicht den Boden<br />

berührt. Lässt man nun Wasser durch die Flasche laufen,<br />

kann man es in dem Glas auffangen. Die Salzschicht wird<br />

kleiner oder – je nach zugegebener Wassermenge – verschwindet<br />

vollständig.<br />

Hinweise zum Experiment für die Lehrkraft:<br />

Zum Durchstechen des Flaschendeckels evtl. einen<br />

Piekser nehmen.<br />

Für ungeduldige Kinder ggf. die Zeit stoppen lassen,<br />

bis das Wasser im Glas ankommt!<br />

Die Untersuchung des aufgefangenen Wassers zeigt<br />

das Vorhandensein von Salz. Dazu wenig der durchgelaufenen<br />

Lösung auf einem dunklen Untergrund<br />

(schwarzer Pappstreifen o. ä.) oder einer Untertasse<br />

verdampfen lassen.<br />

In einem Salzlexikon mit individuell und gemeinsam erstellten<br />

Begriffserklärungen, Texten, Bildern und Ergebnissen,<br />

können die Erkenntnisse fortlaufend festgehalten werden.<br />

Einen Bogen zur Anfangssituation schlägt das Grimmsche<br />

Märchen »Prinzessin Mäusehaut«, in dem eine Prinzessin<br />

ihrem Vater sagt, sie habe ihn lieber als Salz – ein weiterer<br />

Impuls für ein »Nachdenkgespräch« zum Schluss der<br />

Unterrichtseinheit.<br />

Natürlich können an dem Thema Salz noch zahlreiche<br />

andere Aspekte bearbeitet werden: aus der technischen<br />

Perspektive, z. B. die Herstellung von Süßwasser oder<br />

aus der regionalen oder historischen Perspektive, z. B.<br />

die Bedeutung von Salinen und Salzstraßen, das kennen<br />

lernen von Orten, die etwas mit »Salz« zu tun haben. Ein<br />

schöner Abschluss des Themas kann auch die gemeinsame<br />

Herstellung von »Schokoladeneis ohne Kühlschrank«<br />

sein, für die man ein Salz-Eis-Gemisch zum Kühlen einsetzt<br />

(SCHWEITZER 1999, S. 19).<br />

Die skizzierten Beispiele sollen einerseits zeigen, welche<br />

Ideen, Interessen und Fragen Kinder zum Thema Salz haben<br />

und andererseits skizzieren, wie auf diese Fragen im<br />

Unterricht eingegangen werden kann. Damit wären Fragen,<br />

Interessen, Vorwissen und erste Basiskonzepte von Kindern<br />

in einen sinnvollen Zusammenhang mit grundlegenden Anforderungen<br />

des Bildungsanspruchs in Einklang zu bringen.<br />

Literatur<br />

BLUME, R. (2002). Unterrichtseinheiten für Grundschule<br />

und Chemie-Eingangsunterricht.<br />

http://www.chemieunterricht.de/dc2/grundsch/<br />

versuche/inhalt2.htm (27.08.08).<br />

BÜNDER, W. & WIMBER, F. (2008). Kleines Lexikon der<br />

Fachkonzepte. Handout für die SINUS-Fachteamqualifi<br />

zierung in Schleswig-Holstein, Kiel: unveröffentlichtes<br />

Arbeitspapier.<br />

ERNST, K. (1996). Den Fragen der Kinder nachgehen.<br />

Die Grundschulzeitschrift 98, 6–11.<br />

GARLICHS, A. (1996). Sachunterricht zwischen Kinderfragen<br />

und Zielorientierung. Die Grundschulzeitschrift 98, 49.<br />

KAHLERT, J. (2007). Themenfeld Schwimmen und Sinken.<br />

In: J. KAHLERT & DEMUTH, R. (Hg.): Wir experimentieren<br />

in der Grundschule. Einfache Versuche zum Verständnis<br />

physikalischer und chemischer Zusammenhänge, Köln:<br />

Aulis-Verlag.<br />

MÖLLER, K. (1999). Konstruktivistisch orientierte Lehr-<br />

Lernprozessforschung im naturwissenschaftlich-technischen<br />

Bereich des Sachunterrichts. In: KÖHNLEIN, W.<br />

(Hg.): Vielperspektivisches Denken im Sachunterricht,<br />

Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 139.<br />

SCHWEITZER, I. (1999). Den Winter erleben, wenn er<br />

kommt, Sache-Wort-Zahl 25, 16–19.<br />

www.nationalpark-wattenmeer.niedersachsen.de/<br />

(30.8.2008)<br />

www.wasistwas.de/ (30.8.2008)<br />

INGRID SCHWEITZER ist Grundschullehrerin und Studienleiterin<br />

für Heimat- und Sachunterricht. Sie arbeitet in der 2. Phase<br />

der Lehrerausbildung in Schleswig-Holstein und ist als<br />

Landeskoordinatorin für SINUS-Transfer Grundschule tätig.<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen<br />

Schleswig-Holstein (IQSH),<br />

Schreberweg 5, 24119 Kronshagen,<br />

Ingrid.schweitzer@iqsh.de<br />

gc<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)


INFORMATIONEN/TAGUNGEN<br />

Grundschulforschung und<br />

Pädagogik der Primarstufe<br />

Vom 21. bis zum 23. September <strong>2009</strong><br />

fi ndet an der Universität Hildesheim<br />

die 18. Jahrestagung der Kommission<br />

»Grundschulforschung und Pädagogik<br />

der Primarstufe« der Deutschen Gesellschaft<br />

für Erziehungswissenschaft<br />

(DGfE, Sektion Schulpädagogik) statt.<br />

Das Thema der Tagung ist<br />

Zwischen Fachdidaktik und<br />

Stufendidaktik: Perspektiven für die<br />

Grundschulpädagogik<br />

Auf der Tagung sollen Wege zur Positionierung<br />

der Grundschulpädagogik<br />

im öffentlichen, bildungspolitischen<br />

und wissenschaftlichen Umfeld diskutiert<br />

und die Entwicklungsperspektiven<br />

der Grundschulpädagogik vor<br />

diesem Hintergrund aufgezeigt werden.<br />

Dabei wird ein breites Spektrum<br />

von Problemstellungen aufgespannt,<br />

die sowohl die Grundschule als Institution<br />

wie auch die Grundschulpädagogik<br />

als Disziplin betreffen.<br />

Auf der Tagung werden Einzelvorträge,<br />

Symposien als auch Poster präsentiert.<br />

Anmeldeschluss für Beiträge<br />

ist der 30.06.09.<br />

Nähere Informationen<br />

fi nden sich unter http://www.kgdgeschichtsdidaktik.rub.de/media/<br />

Aktuelles/Grundschulforschung<br />

<strong>2009</strong>_Einladung.<strong>pdf</strong><br />

gc<br />

Informationskompetenz<br />

in der Grundschule<br />

Deutscher Bildungsserver<br />

und Schulen ans Netz<br />

präsentieren gemeinsam<br />

entwickeltes Lernmodul<br />

Der Deutsche Bildungsserver und<br />

»Schulen ans Netz e. V.« haben gemeinsam<br />

ein neues Lernmodul entwickelt,<br />

das Grundschülern einen<br />

besseren Umgang mit den Angeboten<br />

im Internet vermitteln soll. Mit<br />

der Unterstützung zweier Figuren,<br />

des Außerirdischen Tech Pi und seines<br />

Freundes Mali Bu, einem kleinen<br />

Schmetterling, können Kinder u. a.<br />

lernen, die Qualität von Webseiten<br />

im Internet zu bewerten und in der<br />

Bibliothek altersgerechte Bücher und<br />

Filme auszusuchen. Die für die Grundschule<br />

konzipierte Unterrichtseinheit<br />

ist direkt zu fi nden unter:<br />

http://www.bildungsserver.de/<br />

link/techpi_infokompetenz<br />

(DBS Newsletter 5/<strong>2009</strong>)<br />

Jahrestagung der GDSU<br />

Vom 12. bis 14. März <strong>2009</strong> fand an<br />

der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

die Jahrestagung der Gesellschaft für<br />

Didaktik des Sachunterrichts (GDSU)<br />

statt. Die Tagung stand unter dem<br />

Thema »Anschlussfähige Bildung aus<br />

der Perspektive des Sachunterrichts«.<br />

Prof. Dr. OLAF KÖLLER, Direktor des<br />

Instituts für Qualitätsentwicklung im<br />

Bildungswesen (IQB Berlin), diskutierte<br />

in seinem Plenarvortrag die Bedeutung<br />

von Bildungsstandards für das<br />

Fach Sachunterricht. Angesichts der<br />

Vielfalt der im Fach Sachunterricht<br />

vorgesehenen <strong>Inhalt</strong>sbereiche warnte<br />

KÖLLER davor, Schwierigkeiten bei der<br />

Implementierung und Messung von<br />

Standards für den Sachunterricht zu<br />

unterschätzen.<br />

Ein von den GDSU-Kommissionen<br />

»Nachwuchsförderung« und »Didaktische<br />

Forschung« ausgerichtetes<br />

Forum gab Nachwuchswissenschaftlerinnen<br />

und -wissenschaftlern Hilfestellungen<br />

beim Vorbereiten von<br />

Drittmittelanträgen. Insgesamt umfasste<br />

das Tagungsprogramm ca.<br />

40 Einzelvorträge, Workshops und<br />

Foren. Organisiert wurde die Tagung<br />

von der Arbeitsgruppe um Prof. Dr.<br />

DETLEF PECH. Nähere Informationen<br />

fi nden sich unter http://www.gdsu.<br />

de/wb/pages/posts/jahrestagung-<br />

<strong>2009</strong>34.php<br />

gc<br />

Unterrichtsentwicklung<br />

voranbringen – Das Projekt<br />

PIK-AS<br />

Der Leiter des Instituts für Schulentwicklungsforschung<br />

der TU Dortmund,<br />

Prof. Dr. WILFRIED BOS, und<br />

der Dortmunder Mathematikdidaktiker<br />

Prof. Dr. CHRISTOPH SELTER haben<br />

mit Unterstützung des Ministeriums<br />

für Schule und Weiterbildung NRW<br />

und der Deutschen Telekom Stiftung<br />

ein interessantes Projekt gestartet.<br />

Die primäre Zielsetzung des Projekts<br />

ist die Bereitstellung von Unterstützungsleistungen<br />

und -materialien,<br />

die von den beteiligten Akteuren der<br />

fachbezogenen Unterrichtsreform<br />

– Lehrerinnen, Mathe-Expertinnen,<br />

Schulleitungen, Mitgliedern der Kom-<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seite 77, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

gc<br />

petenzteams, Fachleiterinnen – als<br />

hilfreich für ihre Arbeit wahrgenommen<br />

werden.<br />

Die in der Mathematikdidaktik der<br />

Primarstufe sowie in den Studienseminaren<br />

und den Kompetenzteams<br />

bereits vorhandene Kompetenz, Anregungen<br />

zur Weiterentwicklung des<br />

Unterrichts zu geben und diese in<br />

einer Weise zu kommunizieren, dass<br />

sie als Grundlage für die Weiterentwicklung<br />

des eigenen Unterrichts genutzt<br />

werden, soll in Kooperation mit<br />

Lehrerinnen und Lehrern und dem<br />

MSW ausgebaut werden. Hierzu wird<br />

das Projekt PIK ins Leben gerufen.<br />

PIK ist die Abkürzung für ›Prozess-<br />

und <strong>Inhalt</strong>sbezogene Kompetenzen‹.<br />

Wie die bundesweiten Bildungsstandards<br />

der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK 2004) geht auch der neue Mathematiklehrplan<br />

für die Grundschule<br />

in NRW davon aus, dass Mathematiklernen<br />

mehr umfasst als die Aneignung<br />

von Kenntnissen, wie beispielsweise<br />

die reine Verfügbarkeit der<br />

Resultate der Einmaleinsaufgaben,<br />

und von Fertigkeiten, wie etwa die geläufi<br />

ge Beherrschung des Normalverfahrens<br />

der schriftlichen Addition. Im<br />

Mathematikunterricht sind neben solchen<br />

inhaltsbezogenen immer auch<br />

prozessbezogene Kompetenzen wie<br />

Argumentieren oder Darstellen zu<br />

entwickeln. Deren stärkere Berücksichtigung<br />

darf aber nun andererseits<br />

nicht zu einer Vernachlässigung<br />

der inhaltsbezogenen Kompetenzen<br />

führen. Wo möglich und sinnvoll, sollen<br />

beide Kompetenzfelder integriert<br />

angesprochen werden.<br />

Im Rahmen des Teilprojekts AS (Anregung<br />

von fachbezogener Schulentwicklung)<br />

entsteht ein ›Schulleiterhandbuch<br />

für FACHbezogene<br />

Unterrichtsentwicklung‹. Ein solches<br />

Handbuch kann und soll nicht für jedes<br />

Fach geschrieben werden, aber<br />

an ausgewählten Beispielen für die<br />

Mathematik fachbezogen so konkretisiert<br />

werden, dass eine Übertragung<br />

auch auf andere Fächer denkbar ist.<br />

Das Material wird in Fortbildungsveranstaltungen<br />

adressatenbezogen<br />

für die verschiedenen Zielgruppen<br />

(Kollegium, Mathe-Expertinnen, Fachberater)<br />

distribuiert und auf der einzurichtenden<br />

PIK-AS-Homepage zur<br />

Verfügung gestellt. Diese muss dann<br />

in der Unterrichtspraxis fl ächendeckend<br />

bekannt gemacht werden.<br />

Weitere Informationen: http://www.<br />

pikas.uni-dortmund.de<br />

gc<br />

77


100. Jahreskongress<br />

des Fördervereins<br />

vom 5. bis 9. April <strong>2009</strong><br />

in Regensburg<br />

War der eine oder andere zunächst<br />

noch etwas skeptisch, ob sich die<br />

vielen neuen Ideen, die sich der Landesverband<br />

Ostbayern für die Durchführung<br />

des 100. Jahreskongresses<br />

des Fördervereins in Regensburg<br />

einfallen ließ, »auszahlen« würden, so<br />

kann man heute ohne Einschränkungen<br />

feststellen, dass sich der Mut der<br />

Organisatoren um OStD RICHARD SPAR-<br />

RER und den Tagungsgeschäftsführer<br />

Dr. MICHAEL SINZINGER gelohnt hat.<br />

Am Kongress, dem zweiten nach 34<br />

Jahren in Regensburg, nahmen etwa<br />

2000 Gäste aus dem In- und Ausland<br />

teil. Für die Veranstaltung stellte die<br />

Universität Regensburg großzügig ihre<br />

Räumlichkeiten zur Verfügung.<br />

Die Universität Regensburg lud zum<br />

100. <strong>MNU</strong>-Kongress ein<br />

Viele der Gäste trafen bereits am<br />

Sonntag in Regensburg ein und nahmen<br />

an dem Eröffnungsabend teil, der<br />

anregend und abwechslungsreich gestaltet<br />

wurde. Schirmherren für diesen<br />

Kongress waren Bundespräsident<br />

Dr. HORST KÖHLER und der Bayerische<br />

Staatsminister für Unterricht und Kultus,<br />

Dr. LUDWIG SPAENLE, der auch die<br />

Grußworte auf der Eröffnungsveranstaltung<br />

sprach.<br />

Prof. THEODOR W. HÄNSCH vor den<br />

Regensburger Domspatzen<br />

Das Mammut-Programm der Kongresseröffnung<br />

mit Begrüßungsansprachen,<br />

Rede des <strong>MNU</strong>-Vorsitzenden<br />

78<br />

AKTUELLES AUS DEM FÖRDERVEREIN<br />

ARNOLD A CAMPO, Preisverleihungen<br />

und – als Krönung – dem Festvortrag<br />

des bayrischen Nobelpreisträgers<br />

Prof. THEODOR W. HÄNSCH zum Thema<br />

»Der Pulsschlag des Lichts« wurde<br />

professionell organisiert. Ein besonderer<br />

Genuss war die musikalische Einrahmung<br />

der Eröffungsveranstaltung<br />

durch die Gruppe Canto di Cosmo und<br />

den berühmten Chor der Regensburger<br />

Domspatzen.<br />

Von Montagmittag bis Mittwochnachmittag<br />

wurden parallel eine Fülle mathematischer,<br />

naturwissenschaftlicher<br />

und pädagogischer Vorträge, Symposien<br />

zu den Themen »Medizintechnik«,<br />

»Geophysik« und »Klimawandel«, Posterausstellungen<br />

und Workshops angeboten.<br />

Dem Anliegen des Fördervereins,<br />

sich in Fortbildungen zunehmend<br />

auch den Lehrkräften der Grundschulen<br />

zuzuwenden, kam der Ortsverband<br />

auf ganz hervorragende Weise nach.<br />

So wurde eine Extra-Vortragsschiene<br />

mit durchweg anspruchsvollen Referaten<br />

für Grund- und Hauptschullehrkräfte<br />

angeboten, die sehr gut nachgefragt<br />

wurde. Einige der Referate<br />

werden in <strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> abgedruckt.<br />

Fortbildung fand auch im Labor statt.<br />

Ein neues Tagungskonzept speziell für<br />

die Kinder der Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer bot auch den jüngsten Besuchern<br />

ein buntes Programm und<br />

verschaffte den Eltern die Freiräume<br />

für die Wahrnehmung der Veranstaltungen.<br />

Der Ortsausschuss hatte sich zudem<br />

auf die Fahne geschrieben, die Öffentlichkeit<br />

in Regensburg für die Tagung<br />

zu interessieren, ja, sie in die Tagung<br />

einzubeziehen. So verriet Dr. WERNER<br />

GRUBER von der Universität Wien in<br />

seinem unterhaltsamen Vortrag (»Die<br />

kulinarische Physik: Physik und Chemie<br />

des Kochens«) dem Regensburger Auditorium<br />

einige Geheimnisse aus der<br />

Küche aus wissenschaftlicher Sicht.<br />

Am Mittwochabend zelebrierte der bekannte<br />

Astrophysiker Prof. Dr. HARALD<br />

LESCH aus München auf ungewöhnliche,<br />

aber sehr gut vom Publikum angenommene<br />

Weise seine Antwort auf<br />

die Frage: »Das Rätsel des Anfangs<br />

– wie ist die Welt entstanden?« Das<br />

Auditorium Maximum war bis auf den<br />

letzten Platz gefüllt. Die Zuhörer wurden<br />

nicht enttäuscht. Die Öffentlichkeit<br />

wurde jedoch noch darüber hinaus auf<br />

Mathematik und Naturwissenschaften<br />

in verschiedenen weiteren Veranstaltungen<br />

aufmerksam gemacht.<br />

Als besonders herausragendes Ereignis,<br />

nicht zuletzt auch für die Regensburger<br />

Bevölkerung, erwies sich das<br />

musikalische Höhenfeuerwerk »An der<br />

schönen blauen Donau«, das den festlichen<br />

Abschluss des <strong>MNU</strong>-Abends am<br />

Dienstag bildete. Dieses Feuerwerk<br />

wurde als ein Geschenk der Aussteller<br />

für den Förderverein anlässlich des<br />

100. Kongresses veranstaltet.<br />

Während des gesamten Kongresses<br />

und insbesondere zum Kongressabschluss<br />

am Donnerstag wurden interessante<br />

Exkursionen angeboten.<br />

Die Organisation des Exkursionsprogramms<br />

lag in den Händen von ELISA-<br />

BETH SPARRER, der es mit ihrem Team<br />

gelang, eine Vielfalt von attraktiven<br />

Besuchsorten in das Programm einzubeziehen.<br />

Ziele waren Forschungseinrichtungen,<br />

internationale und regionale<br />

Unternehmen sowie kulturell und<br />

künstlerisch interessante Orte und<br />

Einrichtungen, mit denen diese Region<br />

Deutschlands reich bestückt ist.<br />

Schon ohne den <strong>MNU</strong>-Kongress ist<br />

die Stadt Regensburg immer eine<br />

Reise wert. Mit den Eindrücken der<br />

hervorragenden Tagung und dem Kennenlernen<br />

des UNESCO-Welterbes der<br />

Regensburger Altstadt jedoch stellten<br />

sich Erlebnisse besonderer Art bei<br />

den Besuchern ein. Warmes Frühsommerwetter<br />

lud dazu ein, die Stadt<br />

kennen zu lernen und die Gastronomie<br />

und die vielen Sehenswürdigkeiten zu<br />

genießen.<br />

Der Förderverein <strong>MNU</strong> bedankt sich<br />

bei dem Ortsausschuss, der Universität,<br />

der Stadt Regensburg sowie den<br />

vielen Sponsoren für den herausragenden<br />

Kongress und die Gastfreundschaft.<br />

Der Vorsitzende des Ortsausschusses<br />

bedankt sich wiederum auf das Herzlichste<br />

bei allen seinen Mitgliedern für<br />

deren hoch engagierte Arbeit in den<br />

einzelnen Ämtern. Auch den vielen<br />

Förderern und Sponsoren gebührt ein<br />

großes Dankeschön. Ohne diese Gruppen<br />

wären die oben genannten vielen<br />

Ideen bei der Verwirklichung dieses<br />

Jubiläumskongresses nicht möglich<br />

gewesen.<br />

ARNOLD A CAMPO<br />

(Bundesvorsitzender)<br />

RICHARD SPARRER<br />

(Landesverbandsvorsitzender<br />

Leiter des Ortsausschusses)<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seite 78, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

gc


Zeitschriften<br />

Naturwissenschaften<br />

BESPRECHUNGEN<br />

Grundschule, Heft 3, März 2008<br />

Schwerpunktthema dieser Ausgabe<br />

von »Grundschule« ist das Thema<br />

»Phänomenal! Naturerscheinungen<br />

im Sachunterricht«. Frei nach dem<br />

Motto »Wer nicht fragt, …« werden<br />

Fragen von Kindern aufgegriffen und<br />

methodische Anregungen gegeben,<br />

wie Fragen von Kindern aufgegriffen<br />

und auch provoziert werden können.<br />

In dieser Ausgabe von Grundschule<br />

begegnen den Leserinnen und Lesern<br />

viele weitere Fragen aus dem<br />

Alltag der Kinder, wie zum Beispiel<br />

phänomenale Stoffe aus dem Küchenschrank<br />

(PETER HEINZERLING), die<br />

Frage was das Haar des Eisbären<br />

mit moderner Lichtleitertechnologie<br />

gemein hat (WERNER und GABI STENT-<br />

ZENBACH) und wie die Sonne durch ein<br />

Loch passt (HANS JOACHIM SCHLICH-<br />

TING).<br />

Grundschulunterricht<br />

Sachunterricht, Heft 4, 2008<br />

Diese Ausgabe widmet sich dem Thema<br />

»Praktisches Lernen und ökonomische<br />

Bildung«. Praktisches Lernen<br />

in Verbindung mit praktischer Arbeit<br />

ist insbesondere gedacht für Schülerinnen<br />

und Schüler, die Probleme mit<br />

dem »theoretischen« Lernen haben.<br />

Die Autoren geben viele Anregungen,<br />

wie Kinder beim praktischen Arbeiten<br />

intensiv lernen können, etwa im<br />

Schulgarten (RAINER MÖLLER). Im Beitrag<br />

wird die besondere Bedeutung<br />

der praktischen Arbeit im Schulgarten<br />

und deren Verknüpfung mit ökologischem<br />

und ökonomischem Lernen<br />

anhand eines Beispiels verdeutlicht.<br />

In einem weiteren Beitrag beschreibt<br />

EGON KÖHLER Entwicklungs-und Fertigungsprozesse<br />

als Thema im Bereich<br />

Technik im Sachunterricht. Schülerinnen<br />

und Schüler sollen vielfältige<br />

Varianten entwickeln und jede dieser<br />

Varianten nach ökonomischen Gesichtspunkten<br />

beurteilen. Ein mögliches<br />

Vorgehen wird an den Beispielen<br />

»Herstellen von Rädern« und »Bauen<br />

einer Seilwinde« gezeigt.<br />

Grundschule Sachunterricht,<br />

Heft 41, <strong>2009</strong><br />

Schwerpunktthema dieser Ausgabe<br />

ist »Klima im Wandel«. HENNING UN-<br />

GLAUBE beschreibt in seinen Beiträgen<br />

diese äußerst komplexe Thematik und<br />

zeigt auf wie man diese im Sachunterricht<br />

kindgerecht erarbeiten kann.<br />

Grundlegende Begriffe wie Wetter<br />

oder Klima können von den Kindern<br />

handlungsorientiert erarbeitet wer-<br />

den. Methoden wie Experimente,<br />

Erkundungen und eigene Recherche<br />

haben eine zentrale Funktion. Für<br />

den Unterricht ergeben sich fünf<br />

Arbeitsschwerpunkte von der Erfassung<br />

und Strukturierung des Vorwissens<br />

bis hin zum umweltbewussten<br />

Handeln, denen jeweils unterschiedliche<br />

Arbeitsweisen zugeordnet sind.<br />

Auch die Ursachen und Folgen des<br />

Klimawandels werden hinterfragt und<br />

diskutiert. EVA GLÄSER liefert mit ihrem<br />

Beitrag einen Leitfaden zur Diskussion<br />

mit Schülern in der 3. und<br />

4. Klasse.<br />

Praxis Sachunterricht, Heft 12<br />

In diesem Heft dreht sich alles um<br />

das Thema »Bauen und Bauten«.<br />

Schon Kleinkinder beginnen mit dem<br />

Aufeinanderstapeln von Bauklötzen<br />

zu Bauen. Später folgt das Spielen<br />

mit Modellbaukästen und das Entwerfen<br />

ganzer Stadtteile. Die Beiträge in<br />

dieser Ausgabe sind drei übergreifenden<br />

Lernbereichen zugeordnet:<br />

Bauen, Hausbau und Städtebau. Dabei<br />

wird eine Vielfalt an Themen angesprochen,<br />

so geht es um den Bau<br />

von Türmen, die Konstruktion von<br />

Brücken, Kanälen und Windrädern,<br />

darum wie die Menschen früher lebten<br />

und um das Wohnen in anderen<br />

Ländern.<br />

Praxis Sachunterricht, Heft 10<br />

Schwerpunktthema ist das Wetter.<br />

Das Wetter hat Einfl uss auf das Leben<br />

der Kinder. Deshalb ist es wichtig,<br />

dass sie ihre Wahrnehmung<br />

ausdifferenzieren und die Wettererscheinungen<br />

hinsichtlich Temperatur,<br />

Wind, Bewölkung und Niederschlägen<br />

unterscheiden können. Diese Ausgabe<br />

bietet ein umfangreiches Themenangebot<br />

und viele Unterrichtsvorschläge.<br />

Beginnend mit der Frage<br />

»Wer macht das Wetter?« wird von<br />

der Klärung grundlegender Begriffe<br />

bis hin zu tiefgreifenden Themen wie<br />

beispielsweise »Sonne als Wettermotor«,<br />

Luftgewicht und Luftdruck bis<br />

hin zu den Bauernregeln und Experimenten<br />

zum Messen der Niederschlagsmengen<br />

das große Thema<br />

Wetter kindgerecht dargestellt und<br />

viele Anregungen für die Umsetzung<br />

im Unterricht gegeben.<br />

Zeitschriften Mathematik<br />

Grundschule Mathematik. Heft 19,<br />

4. Quartal 2008 Themenheft:<br />

Größen & Sachrechnen: Gewichte<br />

Damit Kinder Vorstellungen von Gewichten<br />

entwickeln und ausbauen, ist<br />

es wichtig, vom ersten Schultag an<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>) Seiten 79–80, ISSN 1867-9439, © Verlag Klaus Seeberger, Neuss<br />

immer wieder auch diesen Größenbereich<br />

zu thematisieren – nicht nur<br />

im Mathematikunterricht, dies entwickelt<br />

BRIGITTE HÖLZEL in »Gewichte<br />

– wichtig von Anfang an«.<br />

ASTRID EMMRICH beschreibt in »Schätzen,<br />

wiegen und vergleichen« Ideen,<br />

wie Kinder immer wieder dazu angeregt<br />

werden sollten, Gewichte von<br />

Gegenständen zu schätzen, auszuwiegen<br />

und mit einander zu vergleichen.<br />

Nur so können sie sich einen Fundus<br />

an Repräsentanten an eignen, die sie<br />

wiederum zum Schätzen anderer Gewichte<br />

heranziehen können.<br />

Die Bedeutung des Messinstruments<br />

Waage und ihren Einsatz im Rahmen<br />

eines Stationenlernens in für die Kinder<br />

sinnvollen Sachzusammenhängen<br />

zeigt HENNY KÜPPERS.<br />

Dass sich erste Größenvorstellungen<br />

durch das Vergleichen und Ordnen<br />

von Gewichten durch Anheben entwickeln,<br />

darauf verweist GABRIELE HINZE<br />

in »Leichter oder schwerer?« Außerdem<br />

erfahren die Kinder so, dass<br />

das Gewichtsempfi nden subjektiv ist<br />

und von der Form und Größe des Gegenstandes<br />

abhängt.<br />

Beim Schreiben von Sachaufgaben<br />

zum Thema »Gewichte«, so BÄRBEL<br />

CZORNACK-MENZZER, müssen die Kinder<br />

sinnvolle Gewichtsangaben fi nden<br />

und auf die Lebenswirklichkeit beziehen.<br />

Das vertieft ihre Größenvorstellungen<br />

und ist eine gute Übung für<br />

das Interpretieren der rechnerischen<br />

Lösungen beim Sachrechnen.<br />

Das Video eines spektakulären<br />

Schwertransports ist in der Unterrichtsidee<br />

von KARIN ANDERS Anlass,<br />

im Internet auf die Suche nach großen<br />

Gewichten zu gehen. Können Sie<br />

auf Anhieb das ungefähre Gewicht eines<br />

Airbus, eines Hauses oder eines<br />

Güterzugs angeben? Bei sehr schweren<br />

Gewichten versagt unsere Vorstellung.<br />

Gerade deshalb üben sie auf<br />

Kinder eine große Faszination aus.<br />

Gewichtsangaben bleiben oft sinnleer<br />

– nicht nur für Kinder, so meint LILO<br />

VERBOOM in »Wie schwer sind 600<br />

Gramm?« Wenn dem weiterhin so<br />

ist, dann entgeht uns ein wesentlicher<br />

Aspekt unserer Umwelt.<br />

Schon vor der unterrichtlichen Thematisierung<br />

sind Vortests oder auch<br />

Standortbestimmungen möglich, die<br />

helfen, auf die Kenntnisse der Schülerinnen<br />

und Schüler einzugehen und<br />

diese unterrichtlich aufzugreifen. Ei-<br />

79


BESPRECHUNGEN<br />

nen solchen zu Gewichtsvorstellungen<br />

stellt ASTRID EMMRICH dar.<br />

Eine ganz andere Stoßrichtung von<br />

Tests sind Leistungserhebungen.<br />

Häufi g werden hierin nur einfache<br />

Fertigkeiten überprüft. BRIGITTE<br />

STEINAU deutet an, wie zum Thema<br />

»Gewichte« auch anspruchsvollere<br />

Fähigkeiten und das Vorhandensein<br />

von Größenvorstellungen getestet<br />

werden können, Die konkreten Aufgabenbeispiele<br />

in diesem Beitrag geben<br />

dazu Hinweise.<br />

Größen als physikalische Eigenschaften<br />

von Objekten sind der Hintergrund<br />

des Beitrags von DINAH REUTER. Hier<br />

werden physikalische Fragen virulent:<br />

Was sind die Besonderheiten?<br />

Wie unterscheiden sich Gewicht und<br />

Masse? Wie funktionieren Waagen?<br />

Zudem müssen didaktische Gewohnheiten<br />

hinterfragt werden.<br />

Grundschulunterricht Mathematik.<br />

Heft 4 November 2008<br />

Im Themenheft Geometrie werden diverse<br />

Praxisbeispiele gegeben: ANNA<br />

KLEINSCHMIDT Geometrieunterricht.<br />

Eine gut durchdachte Planung und<br />

ein früher Beginn legen die Basis,<br />

MAIKE RODEMER Kompetenzen von<br />

Kindern des 2. Schuljahres beim Erstellen<br />

und Interpretieren von Bauplänen,<br />

KATHRIN DING Vergrößerungen<br />

am Overheadprojektor untersuchen,<br />

MELANIE SCHMIDT Flächeninhalt im<br />

jahrgangsübergreifenden Unterricht,<br />

ELVIRA SEMATON Von der Fläche zum<br />

Flächeninhalt, HANS-GÜNTHER SENFT-<br />

LEBEN Zerlegen und Bauen mit dem<br />

Achterwürfel, CHRISTINE MAUS Von<br />

der regulären Parkettierung zu den<br />

Kunstwerken Eschers und BIRGIT GLA-<br />

SER/AYSHA WEGENER Praxis: Zweitklässler<br />

erweitern ihre geometrischen<br />

Grunderfahrungen im Umgang<br />

mit dem Geobrett.<br />

Grundschulmagazin<br />

Heft 6 November 2008<br />

In diesem Heft fi nden sich zwei Beiträge<br />

zur inhaltlichen Kompetenz Daten<br />

und Zufall sowie ein Beitrag zur allgemeinen<br />

Kompetenz des Argumentierens.<br />

Kombinatorische Aufgabenbeispiele<br />

für das 3. und 4. Schuljahr<br />

stellen ANNIKA DRAGON & WOLFGANG<br />

ZILLMER vor.<br />

80<br />

Zufall hat im Bereich der Grundschule<br />

einen Bezug zu einem konkreten<br />

Spiel. Ein solches Spiel zeigt uns SIL-<br />

VIA BRINKHAUS. Fragen nach der Fairness<br />

sollen hier den Weg zu Erkenntnissen<br />

über Zufall ebnen.<br />

Die allgemeinen Kompetenzen wie<br />

Problemlösen, Kreativ sein etc. sind<br />

ein wesentliches Moment des heutigen<br />

Mathematikunterrichts.<br />

ANGELA BEZOLD widmet sich insbesondere<br />

dem Argumentieren in dem<br />

Beitrag »Beweisen – argumentieren<br />

– begründen: Entwicklung von Argumentationskompetenzen<br />

im Mathematikunterricht<br />

(3/4)«.<br />

Grundschulmagazin<br />

Heft 1 Januar <strong>2009</strong><br />

In einer einseitigen Beschreibung<br />

und sieben Kopiervorlagen führt NI-<br />

COLE FRANZEN-STEPHAN im Materialbeitrag<br />

dieses Heftes in die Welt der<br />

Parkettierungen nach M. C. ESCHER<br />

ein. Dieser Beitrag steht unter dem<br />

Motto: Kunst in der Mathematik oder<br />

Mathematik in der Kunst.<br />

MIRJAM STEFFENSKY &<br />

ANNA SUSANNE STEINWEG<br />

Bücher<br />

FRANK HELLMICH & HILDE KÖSTER<br />

(Hrsg.): Vorschulische<br />

Bildungsprozesse in Mathematik<br />

und in den Naturwissenschaften.<br />

Klinkhardt 2008,<br />

ISBN 978-3781516229.<br />

gc<br />

Vorschulische Bildung ist – endlich<br />

wieder – im Blickpunkt, auch die Bedeutungmathematisch-naturwissenschaftlicher<br />

Bildung wird zunehmend<br />

wahrgenommen. Mit dem Interesse<br />

ist zugleich der Informationsbedarf<br />

über Forschungsstand und Fördermöglichkeiten<br />

gestiegen. In dem vorliegenden<br />

Band von FRANK HELLMICH<br />

und HILDE KÖSTER wird nun über ein<br />

breites Spektrum von Aspekten mathematisch-naturwissenschaftlicher<br />

Frühförderung informiert. Der Leser<br />

erfährt den aktuellen Stand der<br />

Forschung und erhält anknüpfend an<br />

Forschungsergebnisse Hinweise zur<br />

Umsetzung in die Praxis von Kindertagesstätten.<br />

Nach einem Überblick über die Situation<br />

der Frühpädagogik (Roux)<br />

steht im umfangreicheren, mathematisch<br />

geprägten Teil zunächst die<br />

Diagnose mathematischer Fähigkeiten<br />

(HASEMANN, HELLMICH/JANSEN,<br />

LORENZ) im Vordergrund, woran sich<br />

Forschungsperspektiven (HELLMICH)<br />

und praktische Anregungen zur Förderung<br />

(Quaiser-Pohl) anschließen.<br />

Erkundungen zu Vorstellungen und<br />

zu mathematischen Kompetenzen<br />

im Übergang zur Grundschule (ROTT-<br />

MANN, STEINWEG) runden diesen Teil<br />

ab.<br />

Im naturwissenschaftlichen Schwerpunkt<br />

des Buches fi nden sich Aspekte<br />

von Aus- und Fortbildung der Erzieherinnen<br />

(RISCH), Fragen naturwissenschaftlicher<br />

Grundbildung und ihre<br />

exemplarische Umsetzung (STEFFENS-<br />

KY) sowie Studien zu Möglichkeiten<br />

und Grenzen der Förderung mit physikalischen<br />

Experimenten (KÖSTER).<br />

Wem ist das Buch zu empfehlen? Es<br />

enthält wissenschaftlichen Hintergrund,<br />

zeigt konkrete Ansätze für die<br />

Praxis auf mit einer Unterscheidung<br />

nach Förderbereichen, es erörtert<br />

zugleich Diagnoseinstrumente. Wer<br />

daher ein Handbuch für Aktivitäten<br />

erwartet, liegt falsch. Wer aber nach<br />

Orientierung sucht, Einbettung in<br />

theoretischen Hintergrund wünscht,<br />

und dies an konkreten Bezügen festmachen<br />

möchte, hat eine interessante<br />

und anregende Sammlung vor<br />

sich, die sich als Grundlage in Studium<br />

und Weiterbildung eignet.<br />

MARTIN WINTER<br />

gc<br />

<strong>MNU</strong> <strong>PRIMAR</strong> 1/2 (15.4.<strong>2009</strong>)

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