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Von Prof. H. J. Diesfeld Die soziale Dimension der ... - MMH/MMS

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Gesundheit liefern. (Abb. Voraussetzungen für Gesundheit). In<br />

jüngster Zeit haben wir das auch bei uns wie<strong>der</strong> deutlich zu spüren<br />

bekommen. Neben Erleichterungen des mo<strong>der</strong>nen Lebens durch<br />

wissenschaftliche und technische<br />

Errungenschaften, auf die niemand mehr verzichten möchte, treten<br />

neue Gefahren und Gesundheitsrisiken. Ein Beispiel ist die mo<strong>der</strong>ne<br />

Agrar- und Nahrungsmittelindustrie mit <strong>der</strong> dazu gehörigen intensiven<br />

Werbung. Gesundheitsrisiken entstehen nicht nur infolge<br />

rücksichtsloser <strong>Prof</strong>itgier und Konkurrenzdruck im Kampf um den<br />

Verbrauchermarkt. Sie entstehen auch durch die angeblich dem<br />

Verbraucherwunsch nachkommende Überversorgung mit Unnötigem,<br />

das heute schon zu Übergewicht bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlich führt mit<br />

seinen späteren gesundheitlichen Folgen, wie Diabetes,<br />

Bluthochdruck etc.<br />

<strong>Die</strong> Schaffung eines Verbraucherschutz-Ministeriums, allerdings mit<br />

„ungefährlich geringer Kompetenz" ausgestattet, ist sicher ein<br />

richtiger Schritt gewesen. <strong>Die</strong> politische Toleranz gegenüber <strong>der</strong><br />

Alkohol- und Tabakwerbung ist ein weiteres gesundheitspolitisches<br />

Armutszeugnis.<br />

Ein weiteres Beispiel ist die jüngste Flutkatastrophe, die den<br />

Nachkriegsgenerationen gezeigt hat, wie schnell man wie<strong>der</strong> bei<br />

Punkt Null angelangt sein kann, allerdings bei uns mit wesentlich<br />

geringeren gesundheitlichen Folgen, als dies etwa bei<br />

Flutkatastrophen in Entwicklungslän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Fall ist.<br />

An<strong>der</strong>e Beispiele wesentlicher Voraussetzung für Gesundheit, sind<br />

Arbeit und Einkommen ebenso wie Erziehung, Bildung und Rolle <strong>der</strong><br />

Frau in <strong>der</strong> Gesellschaft. <strong>Die</strong> Abhängigkeit von Art und Häufigkeit von<br />

Krankheiten und die Höhe <strong>der</strong> Mütter- und Säuglingssterblichkeit von<br />

Einkommen und <strong>soziale</strong>m Status sind nicht nur in<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n nachgewiesen worden. <strong>Die</strong>s geschah<br />

wissenschaftlich und empirisch bereits im Europa des ausgehenden<br />

19.Jahrhun<strong>der</strong>ts. Sozial engagierte Ärzte, wie Rudolf Virchow und<br />

Robert Koch o<strong>der</strong> Dichter wie Gerhart Hauptmann o<strong>der</strong> Maler wie<br />

Käthe Kollwitz und Heinrich Zille und viele an<strong>der</strong>e haben dies längst<br />

vor den Politikern erkannt und die Öffentlichkeit mobilisiert. Zwar<br />

haben Public Health-Fachleute diese Zusammenhänge immer wie<strong>der</strong><br />

erkannt u benannt. Ihr politisches Gewicht ist aber zu gering, als dass<br />

sie die gesamtgesellschaftlichen politischen Handlungsspielräume<br />

nutzen könnten. Außerdem haben Politiker jenseits von politisch<br />

brisanten Katastrophen an<strong>der</strong>e Prioritäten.<br />

Erst jüngst stellten im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>-<br />

Armuts-Debatte hochkarätige Wirtschaftswissenschaftler fest, was<br />

Public Health-Fachleute schon lange festgestellt hatten: Ohne<br />

Entwicklung findet keine Gesundheit statt und Armut und Krankheit<br />

stehen in unheilvoller Wechselwirkung [WHO, 2001]. Auch innerhalb<br />

<strong>der</strong> Medizin besteht eine tiefe Kluft zwischen Public Health und<br />

Gesundheitsvorsorge einerseits sowie klinischer Medizin und<br />

Heilbehandlung an<strong>der</strong>erseits. <strong>Die</strong>se zieht sich durch sämtliche<br />

Ebenen, von <strong>der</strong> medizinischen Ausbildung über<br />

Forschungsschwerpunkte bis hin zur praktischen Umsetzung von<br />

Medizin. Public Health und Heilbehandlung sind keine Gegensätze,<br />

son<strong>der</strong>n müssen sich in einem, den Problemen angemessenen<br />

Gleichgewicht gegenseitig anerkennen und ergänzen. Hier liegt vieles<br />

im Argen. <strong>Die</strong> übliche medizinische Versorgung und Überversorgung<br />

steht den kurzfristigen wirtschaftlichen und politischen Interessen<br />

näher, als eine nachhaltige, langfristige gesundheitsorientierte Politik.<br />

<strong>Die</strong>ses ist allerdings ein globales Problem und we<strong>der</strong> auf<br />

Deutschland noch auf Entwicklungslän<strong>der</strong> beschränkt. Hier sieht sich<br />

auch die Weltgesundheitsorganisation vor ähnlichen politischen<br />

Problemen, obwohl sie sich gerade in den letzten Jahren vermehrt<br />

wie<strong>der</strong> ihrem eigentlichen gesundheitspolitischen Auftrag widmet.<br />

<strong>Die</strong>ses Konzept von Gesundheit als öffentliches Gut und als<br />

gesellschaftliche Verantwortung wird vor allem im internationalen<br />

Dialog und in <strong>der</strong> Gesundheitspolitik <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> sehr viel<br />

konkreter behandelt, als bei uns in Deutschland. Neben den Public<br />

Health Programmen im engeren Sinn (wie Impfprogramme,<br />

spezifische Krankheitsbekämpfungsprogramme, Medizinische

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