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„Berufswahl und Transfer“ - Wirtschaftspädagogik Berufliche Aus ...

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ABSCHLUSSBERICHT<br />

ZUM PROJEKT<br />

„BERUFSWAHL UND TRANSFER“<br />

EVALUATION INNOVATIVER MAßNAHMEN ZUR VERBESSERUNG DES<br />

ÜBERGANGS JUGENDLICHER/MIGRANTEN IN AUSBILDUNG UND<br />

EIN PROJEKT IM RAHMEN VON<br />

GEFÖRDERT DURCH:<br />

BESCHÄFTIGUNG<br />

FKZ: 01NL0401<br />

PROJEKTTRÄGER:<br />

PROJEKTKOORDINATION:<br />

Universität Duisburg-Essen,<br />

Campus Essen<br />

Fachbereich Bildungswissenschaft<br />

Institut für Berufs- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

Fachgebiet <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> /<br />

<strong>Berufliche</strong> <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

Prof. Dr. Rolf Dobischat<br />

Universitätsstraße 12<br />

45141 Essen


SCHLUSSBERICHT<br />

ZUM PROJEKT<br />

BERUFSWAHL UND TRANSFER – EVALUATION INNOVATIVER<br />

MAßNAHMEN ZUR VERBESSERUNG DES ÜBERGANGS<br />

BENACHTEILIGTER JUGENDLICHER/MIGRANTEN IN<br />

AUSBILDUNG UND BESCHÄFTIGUNG<br />

GEFÖRDERT DURCH:<br />

PROJEKTTRÄGER:<br />

FKZ: 01NL401<br />

PROJEKTKOORDINATION:<br />

Fachbereich Bildungswissenschaft<br />

Institut für Berufs- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

Fachgebiet <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> /<br />

<strong>Berufliche</strong> <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

Prof. Dr. Rolf Dobischat


I. Kurzdarstellung........................................................................................................6<br />

1 <strong>Aus</strong>gangslage <strong>und</strong> Aufgabenstellung ...........................................................................6<br />

2 Untersuchungsdesign <strong>und</strong> Zielsetzungen.....................................................................8<br />

3 Wissenschaftlicher Stand ..........................................................................................10<br />

3.1 Fachliteratur................................................................................................................10<br />

3.2 Datenbanken ..............................................................................................................25<br />

3.3 Newsletter...................................................................................................................26<br />

3.4 Veranstaltungen..........................................................................................................26<br />

4 Zusammenarbeit mit anderen Stellen.........................................................................27<br />

II. Eingehende Darstellung ......................................................................................31<br />

A. Die <strong>Aus</strong>bildungssituation am Niederrhein .............................................................34<br />

1 Einleitung....................................................................................................................35<br />

2 Topografie...................................................................................................................37<br />

3 Bevölkerung................................................................................................................39<br />

3.1 Bevölkerungsstruktur..................................................................................................39<br />

3.2 Bevölkerungsentwicklung ...........................................................................................41<br />

4 Allgemein bildende Schulen .......................................................................................46<br />

4.1 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler...........................................................................................46<br />

4.2 Schulabschlüsse.........................................................................................................49<br />

5 Arbeitsmarkt................................................................................................................53<br />

5.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte...................................................................54<br />

5.2 Arbeitslose..................................................................................................................61<br />

6 <strong>Aus</strong>bildungsmarkt .......................................................................................................64<br />

6.1 Berufsausbildung im Dualen System..........................................................................64<br />

6.1.1 Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen................................................65<br />

6.1.2 Angebot <strong>und</strong> Nachfrage in Berufsgruppen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsbereichen ......................71<br />

6.2 <strong>Berufliche</strong> Schulen......................................................................................................76<br />

6.3 Berufsvorbereitende Maßnahmen ..............................................................................82<br />

7 <strong>Aus</strong>blick ......................................................................................................................84<br />

8 Tabellenanhang ..........................................................................................................87<br />

9 Verzeichnisse .............................................................................................................93<br />

9.1 Tabellenverzeichnis ....................................................................................................93<br />

9.2 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................94<br />

2


B. Erste Ergebnisse einer Befragung zur Beruforientierung von Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern der 10. Klassen von Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />

in der Region Duisburg, Wesel <strong>und</strong> Kleve ........................................................... 95<br />

1 Vorbemerkungen ........................................................................................................97<br />

2 Feldbericht <strong>und</strong> Design der Studie: Onlinebefragung in Schulen .............................101<br />

2.1 Technische Voraussetzungen ..................................................................................101<br />

2.2 Vorteile einer elektronischen Datenerhebung...........................................................102<br />

2.3 Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung der Befragung........................................................104<br />

3 Wer wurde befragt ...................................................................................................106<br />

3.1 Region <strong>und</strong> Schulform ..............................................................................................106<br />

3.1 Migrationshintergr<strong>und</strong> der Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen...............................................109<br />

3.3 Geschlechtsspezifische Bildungsbeteiligung ........................................................... 113<br />

3.4 Herkunftsfamilie ........................................................................................................113<br />

3.4.1 Familienstruktur ........................................................................................................113<br />

3.4.2 Schulabschlüsse der Eltern ......................................................................................114<br />

4 Was wollen die Jugendlichen nach dem Abschluss der 10.Klasse? ........................115<br />

4.1 Einstellungen zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen ......................................115<br />

4.2 Schule oder Berufsausbildung?................................................................................119<br />

4.2.1 Pläne für die Zeit nach der Schule............................................................................119<br />

4.2.1.1 Bivariate Analysen ....................................................................................................119<br />

4.2.1.2 Kurzer Exkurs zum Verständnis der Regressionsanalyse........................................123<br />

4.2.1.3 Multivariate Analyse..................................................................................................125<br />

4.2.2 Besuch einer Schule.................................................................................................129<br />

4.2.2.1 Bivariate Analyse .....................................................................................................129<br />

4.2.2.2 Multivariate Analysen ...............................................................................................134<br />

4.2.3 Schulbesuch als zweite Wahl? .................................................................................136<br />

4.2.3.1 Bivariate Analysen ....................................................................................................136<br />

4.2.3.2 Multivariate Analyse .................................................................................................139<br />

4.2.4 Berufsausbildung .....................................................................................................141<br />

4.3 Berufswünsche .........................................................................................................145<br />

4.4 Einschätzung der Chancen im Wunschberuf............................................................149<br />

4.5 Berufswahl im Zeitverlauf ........................................................................................153<br />

5 Informationsquellen im Berufswahlprozess ..............................................................155<br />

5.1 Zur Bedeutung der unterschiedlichen Informationsquellen ......................................156<br />

5.2 Anzahl der genutzten Informationsquellen ..............................................................160<br />

5.3 Welche Informationen sind bei der Berufswahl wichtig? ..........................................173<br />

5.4 Die Rolle der Schule im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler .................................182<br />

6 Rückblick auf die Analysen <strong>und</strong> Resümee ...............................................................190<br />

7 Tabellenanhang ........................................................................................................195<br />

8 Verzeichnis der Abbildungen ....................................................................................201<br />

9 Verzeichnis der Tabellen ..........................................................................................202<br />

10 Dokumentenanhang .................................................................................................204<br />

3


C. Transferprozesse benachteiligter Jugendlicher / Migranten in <strong>Aus</strong>bildung<br />

<strong>und</strong> Beschäftigung – die Beurteilung aus Sicht der Akteure .............................205<br />

1 Forschungsleitende Fragestellungen <strong>und</strong> methodisches Vorgehen.........................207<br />

2 Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation/Strukturwandel ..........................................208<br />

2.1 Einschätzung der aktuellen <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation............................................209<br />

2.2 Gründe für das <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit ....................................................................209<br />

2.3 Potenziale.................................................................................................................210<br />

2.4 Verb<strong>und</strong>ausbildung...................................................................................................211<br />

2.5 Besonders betroffene Personengruppen..................................................................211<br />

3 Duale <strong>Aus</strong>bildung/Außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung/Vollzeitschulische <strong>und</strong><br />

Berufsvorbereitende Maßnahmen ............................................................................213<br />

3.1 Die regionale Situation im Bereich der schulischen <strong>Aus</strong>bildung...............................213<br />

3.2 Qualität der Dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Berufschancen im<br />

Vergleich zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungsformen...........................................................214<br />

3.3 Einschätzung der Arbeitsmarktchancen <strong>und</strong> Erhöhung der <strong>Aus</strong>bildungs-<br />

bereitschaft durch zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe ...................................................215<br />

3.4 Berufsvorbereitende Maßnahmen ............................................................................216<br />

3.5 Einschätzung der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ) .................................217<br />

4 Zielgruppe Benachteiligte/Migranten, Förderkulisse.................................................218<br />

4.1 Einschätzung der Gruppe Jugendlicher die, im Hinblick auf ihre Chancen auf<br />

einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz, als besonders benachteiligt angesehen werden................218<br />

4.2 Chancen <strong>und</strong> Nachteile Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong><br />

kultureller Differenzen...............................................................................................219<br />

4.3 Einschätzung der <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen im<br />

Kontext erhöhter Chancen Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.........................220<br />

4.4 Effizienz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit von Förderprogrammen zum Einstieg in <strong>Aus</strong>bildung...220<br />

4.5 Durchführung <strong>und</strong>/oder Beteiligung an Maßnahmen, Programmen oder Projekten.220<br />

4.6 Lücken im Angebot der Benachteiligtenförderung....................................................221<br />

4.7 Entwicklung der öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten .......................................222<br />

4.8 Entkoppelung zwischen <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt durch erhöhten<br />

Fördermitteleinsatz ...................................................................................................223<br />

5 Berufswahl, Berufswahlorientierung, Transfer..........................................................223<br />

5.1 Probleme beim Übergang der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong><br />

hieraus resultierdender Handlungsbedarf.................................................................225<br />

5.2 Einschätzung des Angebots berufswahlorientierender Maßnahmen .......................226<br />

5.3 Berufswahlorientierung an allgemein bildenden Schulen .........................................226<br />

5.4 Überblick über das Berufswahlspektrum ..................................................................228<br />

5.5 Transparenz existierender Angebote/Informationsgrad der Jugendlichen ...............229<br />

5.6 Regionale Prägung des Berufswahlverhaltens.........................................................230<br />

5.7 Zeitpunkt der beruflichen Orientierung .....................................................................230<br />

5.8 Einschätzung der Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung, allgemein<br />

bildender <strong>und</strong> beruflicher Schulen <strong>und</strong> Unternehmen ..............................................231<br />

5.9 Nutzen von Praktika..................................................................................................233<br />

6 Institutionelle Lösungsansätze, Netzwerke, Kooperationen von Schulen mit der<br />

Wirtschaft/Perspektiven <strong>und</strong> Trends.........................................................................235<br />

6.1 Regionale Kooperationsbeziehungen Netzwerke.....................................................235<br />

6.2 Weitere Kooperationsmöglichkeiten <strong>und</strong> -bedarfe/Probleme bei der<br />

Konstituierung von Netzwerken ................................................................................237<br />

6.3 Verbesserungspotenziale/Unterstützungsbedarf......................................................239<br />

6.4 Probleme ohne kurz- bzw. mittelfristige Lösungsmöglichkeiten ...............................240<br />

4


D. Entwicklung eines regionalspezifischen Konzeptes zur<br />

Berufswahlorientierung .........................................................................................241<br />

1 Wissenschaftliche Diskussion zum Thema Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife ........242<br />

1.1 Historie <strong>und</strong> Theorien zur Berufswahl.......................................................................243<br />

1.2 Berufs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife....................................................................................249<br />

1.3 Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife fördernde Angebote.............................................254<br />

1.4 Aktuelle Diskussion...................................................................................................258<br />

1.5 Handlungsansätze ....................................................................................................262<br />

2 Diskurs zum Thema Netzwerke................................................................................269<br />

2.1 Netzwerke.................................................................................................................270<br />

2.2 Regionale Netzwerke................................................................................................271<br />

2.3 Innovation in Netzwerken .........................................................................................272<br />

2.4 Unterstützungsstrukturen für Netzwerke ..................................................................273<br />

2.5 Unterstützungsstrukturen in der Praxis.....................................................................273<br />

2.6 Formen von Unterstützungsstrukturen .....................................................................274<br />

3 Regionalspezifisches Konzept zur Berufswahlorientierung ......................................277<br />

3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ..........................................................................277<br />

3.2 Regionalspezifisches Konzept zur Berufsorientierung .............................................283<br />

Anhang<br />

5


I. Kurzdarstellung<br />

1 <strong>Aus</strong>gangslage <strong>und</strong> Aufgabenstellung<br />

Das Projekt „Berufwahl <strong>und</strong> Transfer – Evaluation innovativer Maßnahmen zur Verbesserung<br />

des Übergangs benachteiligter Jugendlicher/Migranten in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung“<br />

wurde vom Fachgebiet <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> / <strong>Berufliche</strong> <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung an der<br />

Universität Duisburg-Essen durchgeführt <strong>und</strong> im Rahmen des vom B<strong>und</strong>esministerium für<br />

Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF) im November 2001 initiierten Programms BQF – „<strong>Berufliche</strong><br />

Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf“ gefördert.<br />

Als Projektregion wurden die Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel sowie die kreisfreie Stadt Duisburg<br />

ausgewählt, da sich in den hier gegebenen Wirtschaftsstrukturen die <strong>Aus</strong>wirkungen der<br />

aktuellen Arbeitsmarktlage sowie einer damit einhergehenden, regional oftmals prekären<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation, widerspiegeln.<br />

Struktureller Wandel, betriebliche Rationalisierungsmaßnahmen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />

rückläufige Beschäftigungszahlen tragen zu einer kumulativen Verstärkung sowohl<br />

ökonomischer als auch sozialer Ungleichheiten bei. Parallel hierzu stehen die (mangelnde)<br />

<strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> eine damit verb<strong>und</strong>ene (ungenügende) berufliche Orientierung gerade<br />

unlängst vermehrt zur Debatte.<br />

Es zeigt sich, dass die Lehrstellenlücke in den letzten Jahren immer wieder neue<br />

Höchststände erreicht. Dadurch wird es für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an der ersten<br />

Schwelle ins Berufsleben zunehmend schwieriger, mit einer qualifizierten Berufsausbildung<br />

einen gelungenen Start ins Berufsleben zu schaffen, obwohl heute Lebenschancen mehr<br />

denn je über eine qualifizierte <strong>Aus</strong>bildung vergeben werden. Dabei sind, von der schlechten<br />

Lage auf dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt, bestimmte Gruppen stärker betroffen als Andere.<br />

Leidtragende von Veränderungen in der Berufs- <strong>und</strong> Arbeitswelt sind im besonderen Maße<br />

die wachsenden Gruppen Jugendlicher mit niedrigem oder gar keinem Schulabschluss oder<br />

auch Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Soziale <strong>und</strong> ethnische Merkmale bestimmen<br />

nicht nur Bildungschancen, sondern - eng damit verknüpft - auch die Chancen auf dem<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt <strong>und</strong> die individuellen Lebenschancen. Für diese Gruppe der Jugendlichen<br />

bedeutet dies somit einen erhöhten Förderbedarf, werden ihre Chancen auf einen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplatz doch zunehmend geringer.<br />

Gleichzeitig wird das immer wieder von der Politik beschworene Ziel, allen Jugendlichen eine<br />

qualifizierte berufliche Bildung zu ermöglichen, nicht ereicht. Benachteiligungen auf Gr<strong>und</strong><br />

von Schichtzugehörigkeit <strong>und</strong> Sprachproblemen führen daher bereits im Vorfeld des<br />

Übergangs zu einer Chancen- <strong>und</strong> Perspektivlosigkeit bei den Jugendlichen.<br />

6


Nachhaltige Qualifizierungs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmaßnahmen, Alphabetisierungs- <strong>und</strong><br />

Sprachkurse im Kontext einer sozialpädagogischen Betreuung werden benötigt, damit<br />

Jugendliche mit schlechten Startchancen der Warteschlange „Maßnahmekarriere“ <strong>und</strong> einem<br />

damit meist verb<strong>und</strong>enem sozialen Abstieg entkommen können. Spezifische<br />

Förderprogramme dürfen sich dahingehend jedoch nicht in kurzfristigen ad-hoc-Maßnahmen<br />

zur temporären Abfederung, im Sinne einer reaktiven <strong>und</strong> kompensatorischen Maßnahme,<br />

des Problems erschöpfen. Gefragt sind Kooperationen aus Staat, Wirtschaft, Schule <strong>und</strong><br />

Jugendberufshilfe, im Sinne des im April 2006 von B<strong>und</strong>esministerin Annette Schavan<br />

einberufenen „Innovationskreises berufliche Bildung“, die durch qualitativ vollwertige, sowohl<br />

betriebliche als auch außerbetriebliche <strong>und</strong> vollzeitschulische <strong>Aus</strong>bildungsangebote sowie<br />

diesen Bereich flankierende sozialpädagogische Unterstützungsmaßnahmen den<br />

Jugendlichen eine Perspektive bieten.<br />

Zudem hat sich gezeigt, dass die Maßnahmen als innovativ <strong>und</strong> nachhaltig betrachtet<br />

werden können, die die Übergangsprobleme der betroffenen Jugendlichen unter stärkerer<br />

Berücksichtigung individueller <strong>und</strong> sozialer Kontexte durch präventive Maßnahmen,<br />

besonders im Bereich der Berufswahlorientierung berücksichtigen. Vorausgesetz werden<br />

kann hierbei die Abhängigkeit der beruflichen Orientierung <strong>und</strong> der Berufswahl von der<br />

wirtschaftlichen Situation sowie die besondere Bedeutung der, über die Zugehörigkeit zu<br />

spezifischen sozialen Gruppen <strong>und</strong> Schichten vermittelten, sozialen Lage für das individuelle<br />

Berufswahlverhalten, wie sie bereits Lazarsfeld 1931 in der klassischen Studie „Jugend <strong>und</strong><br />

Beruf“ formulierte 1 .<br />

Im Zentrum des Projektes <strong>„Berufswahl</strong> <strong>und</strong> <strong>Transfer“</strong> stand daher der Prozess der<br />

beruflichen Orientierung vor dem Übergang.<br />

<strong>Berufliche</strong> Orientierung wird dabei, in Anlehnung an Famulla 2006 <strong>und</strong> Schober 2001,als<br />

andauernder Prozess angesehen, der sich in Interaktion der Subjekte mit verschiedenen<br />

Umweltebenen entwickelt, <strong>und</strong> nicht nur als Vorbereitung einer einmaligen Entscheidung für<br />

einen bestimmten Beruf zu verstehen ist. Nach diesem Verständnis ist es Aufgabe der<br />

schulischen Berufsorientierung, nicht nur auf die erstmalige Wahl eines Berufes beim<br />

Übergang von der Schule in den Beruf zu orientieren <strong>und</strong> das dazu notwendige Wissen zu<br />

vermitteln, sondern darüber hinaus Entscheidungsfähigkeiten zu entwickeln, die in eine<br />

berufsbiographische Gestaltungskompetenz münden <strong>und</strong> die Jugendlichen in die Lage<br />

versetzen, notwendige berufliche Orientierung-, Anpassungs- <strong>und</strong> Lernprozesse zu steuern<br />

<strong>und</strong> zu gestalten.<br />

1 Vgl. hierzu ausführlicher Lazarsfeld, Paul (1931): Die Ergebnisse <strong>und</strong> die <strong>Aus</strong>sichten der Untersuchungen über<br />

Jugend <strong>und</strong> Beruf. S. 1-87 in ders. (Hrsg.): Jugend <strong>und</strong> Beruf. Kritik <strong>und</strong> Material. Jena: Verlag Gustav Fischer.<br />

7


In der Untersuchungsregion gibt es bereits positive Beispiele zur Berufswahlorientierung <strong>und</strong><br />

–vorbereitung. Es fehlt jedoch an entsprechender Transparenz <strong>und</strong> Vernetzung über die<br />

Grenzen der einzelnen Städte <strong>und</strong> Kreise hinaus. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der<br />

subjektiven Wahrnehmung der, dem Prozess der beruflichen Orientierung dienenden,<br />

Maßnahmen durch die Jugendlichen <strong>und</strong> den von Lazarsfeld formulierten<br />

Zusammenhängen.<br />

2 Untersuchungsdesign <strong>und</strong> Zielsetzungen 2<br />

Die Vorgehensweise in der Untersuchung gliederte sich in teils aufeinander aufbauende, teils<br />

parallel laufende Arbeitsphasen.<br />

Zunächst machte es der Forschungsgegenstand erforderlich, den aktuellen theoretischen<br />

<strong>und</strong> empirischen Stands der Themenfeldforschung theoretisch-konzeptionell aufzuarbeiten.<br />

In diesem Kontext sind insbesondere auch die auf der Homepage www.netzwerk-<br />

berufsorientierung.de avisierten Angebote zu sehen.<br />

Hieran anschließend fand die sek<strong>und</strong>ärstatistische Aufbereitung, Dokumentation <strong>und</strong><br />

Analyse des regionalen Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktes, der sich im strukturellen Wandel<br />

befindlichen Untersuchungsregion unter Berücksichtigung des demografischen Wandels<br />

statt. Geklärt werden konnten hierdurch einerseits Fragen im Zusammenhang mit sektoralen<br />

Veränderungen <strong>und</strong> deren Konsequenzen für <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung sowie<br />

andererseits die Beurteilung der regionalen ökonomischen Verfassung insgesamt <strong>und</strong> sich<br />

hieraus ableitende zukünftige Potenziale. Gleichzeitig schaffte diese Analyse, im Sinne einer<br />

Bündelung, eine Übersicht zur Herstellung <strong>und</strong> Erhöhung der Transparenz für die in der<br />

Region ansässigen Institutionen mit dem Ziel einer Sensibilisierung.<br />

Über die gesamte Laufzeit wurden weiterhin im Rahmen einer qualitativen Studie insgesamt<br />

25 leitfadengestützte Interviews mit institutionellen Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertretern geführt, die<br />

mit ihren jeweiligen funktionalen Schwerpunkten <strong>und</strong> Interessen in die regionale Arbeits-,<br />

<strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Strukturpolitik eingeb<strong>und</strong>en sind. Das gewonnene Informationsmaterial –<br />

Interviewtranskripte, Gesprächnotizen oder auch Materialauswertungen – zu den<br />

verschiedenen Fragenkomplexen 3 wurde nach den Standards der empirischen<br />

Sozialforschung aufbereitet, analysiert <strong>und</strong> in vergleichender Form dokumentiert. In dieser<br />

Form erlaubt die qualitative Studie in Teilen die Evaluation innovativer, zumeist<br />

institutioneller Ansätze zur Berufwahlorientierung <strong>und</strong> –vorbereitung sowie die Untersuchung<br />

regionaler Schnittstellen <strong>und</strong> Strukturen beruflicher Orientierung.<br />

2<br />

entsprechend den Punkten 2 & 3 des Musters zum Schlussbericht<br />

3<br />

Vgl. hierzu ausführlich den im Anhang befindlichen Leitfaden sowie die unter Teil C dargestellten Ergebnisse<br />

der qualitativen Studie.<br />

8


Die qualitative Studie ergänzend können die prozessbegleitenden wissenschaftlichen<br />

Netzwerkaktivitäten des Projektträgers genannt werden, die die politische Zielsetzung<br />

verfolgen Benachteiligungen. Der im Projektvorhaben beabsichtigten modellhaften<br />

Netzwerkkonstituierung, konnte insofern entsprochen werden, als dass vielfältige Kontakte<br />

geknüpft wurden, in deren Folge ausführliche Gespräche <strong>und</strong> Arbeitssitzungen stattfanden,<br />

die in der Teilnahme der entscheidenden Beiräte „Schule <strong>und</strong> Beruf“ in Wesel <strong>und</strong> Duisburg<br />

mündeten. Es konnte eine Konsensbildung hinsichtlich der Intensivierung von Kooperation<br />

<strong>und</strong> Vernetzung erreicht werden. Übereinstimmend wurde auch festgestellt, dass ein<br />

Kooperationsbedarf besteht <strong>und</strong> dass Defizite in den Kommunikationsstrukturen – auch auf<br />

Gr<strong>und</strong> bestehender Intransparenzen in der Akteurlandschaft – vorhanden sind. Dem<br />

Projektziel, Schnittstellen zwischen den Netzwerken zu diagnostizieren <strong>und</strong> bedarfsgerechte<br />

sowie nachfrageorientierte Themen zu formulieren, konnte an dieser Stelle entsprochen<br />

werden. Handlungsbedarfe wurden gemeinsam formuliert <strong>und</strong> konkrete Gestaltungsansätze<br />

entwickelt <strong>und</strong> vorbereitet. Die Transparenz für die Betroffenen im Bereich der<br />

Berufswahlorientierung wurde durch die Präsenz des Projektes <strong>und</strong> die Vorstellung der<br />

einzelnen Projektergebnisse im Rahmen der Netzwerkarbeit insgesamt erhöht. Ein<br />

strukturiertes Handeln bereits erfolgreicher Ansätze wurde gefördert, so dass<br />

Synergieeffekte geschaffen werden konnten. Die im Rahmen der Netzwerkaktivitäten<br />

gewonnenen Erkenntnisse flossen zudem in die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft 4<br />

„Unterstützungsstrukturen“ der vom BQF-Programm initiierten Entwicklungsplattform 4<br />

„Netzwerkbildung“ ein.<br />

Durch die einzelnen Arbeitspakete war es möglich, institutionelle <strong>und</strong> regionale Aspekte der<br />

Problembearbeitung miteinander zu koppeln. Durch eine möglichst vollständige<br />

Beschreibung <strong>und</strong> Analyse von regionalen Entwicklungen <strong>und</strong> Tendenzen wurde die<br />

Transparenz für die Akteure erhöht. Informationsdefizite können durch eine zukünftige<br />

Optimierung von Beratungsprozessen vermieden werden. Diese, auch auf individuelle<br />

Aspekte ausgerichtete, Beratungsleistung wird durch das Kernstück des Projektes<br />

<strong>„Berufswahl</strong> <strong>und</strong> Transfer ….“ ermöglicht. Eine Befragung von insgesamt 1.434 Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern der 10´ten Klassen in 23 Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen der<br />

Untersuchungsregion, leistete unter Berücksichtigung der ethnischen sowie<br />

sozioökonomischen Lage der Herkunftsfamilien einen Beitrag zur Untersuchung des<br />

Entscheidungsverhaltens von Jugendlichen an der Schwelle von der Schule in den Beruf.<br />

Die Ergebnisse dieser Befragung bieten im Hinblick auf individuelle Defizite <strong>und</strong> Potentiale<br />

den am Prozess der beruflichen Orientierung beteiligten Akteuren die Möglichkeit einer<br />

stärker zielgerichteten Konzeption dieses Prozesses.<br />

Insgesamt kann durch die Untersuchung die Frage beantwortet werden, inwiefern<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich auf individueller Ebene den benachteiligten Jugendlichen für den Start in die<br />

9


erufliche Erstausbildung bzw. in eine Berufstätigkeit ein angemessenes Rüstzeug zur<br />

eigenverantwortlichen <strong>und</strong> aktiven Gestaltung ihrer Erwerbsbiographie mit auf den Weg zu<br />

geben wird.<br />

Eine eingehende, in ein dreigliederiges Zielsystem überführte, Beschreibung der Ziele <strong>und</strong><br />

Teilziele entsprechend der Handreichung zur Zielformulierung findet sich im Anhang.<br />

3 Wissenschaftlicher Stand<br />

3.1 Fachliteratur<br />

A<br />

Allen, Robert C. (1983): Collective invention. In: Journal of Economic Behavior and<br />

Organization 4, Nummer 1, S. 1-24<br />

Andreß, Hans-Jürgen/Hagenaars, Jacques A. / Kühnel, Steffen (1997): Analyse von Tabellen<br />

<strong>und</strong> kategorialen Daten. Log-lineare Modelle, latente Klassenanalyse, logistische<br />

Regression <strong>und</strong> GSK-Ansatz. Berlin u.a.: Springer.<br />

Arbeitskreis Einstieg/psychonomics AG (2006): Berufswahl in Hamburg. Eine Umfrag unter<br />

Hamburger Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern. Internetpublikation:<br />

(http://fhh.hamburg.de/stadt/ Aktuell/behoerden/bildung-sport/berufs-<strong>und</strong>weiterbildung/berufswahl-hamburg,property=<br />

source.pdf)<br />

Artelt, Cordula/Demmrich, Anke/Baumert, Jürgen (2001): Selbstreguliertes Lernen. S. 271-<br />

298 in: Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), a.a.O.<br />

Avenarius, Hermann/Ditton, Hartmut/Döbert, Hans/Klemm, Klaus/Klieme, Eckhard/Rürup,<br />

Matthias/Tenorth, Elmar/Weishaupt, Horst/Weiß, Manfred (2003): Bildungsbericht für<br />

Deutschland. Erste Bef<strong>und</strong>e. Opladen: Leske+Budrich<br />

B<br />

Bandilla, Wolfgang/Bosnjak, Michael (2000): Online Surveys als Herausforderung für die<br />

Umfrageforschung: Chancen <strong>und</strong> Probleme. S. 9 – 28 in: Mohler, Peter Ph. / Lüttinger,<br />

Paul (Hrsg.): 2000. Querschnitt. Festschrift für Max Kaase. Mannheim: ZUMA.<br />

Baumert, Jürgen/Schümer, G<strong>und</strong>el (2001): Familiäre Lebensverhältnisse,<br />

Bildungsbeteiligung <strong>und</strong> Kompetenzerwerb. S. 323 – 407 in Deutsches PISA-<br />

Konsortium ( Hrsg.), a.a.O.<br />

Beinke, L./Wascher, U. (1993): Unterrichtsthema Berufswahl. Didaktik <strong>und</strong> Methodik.<br />

Darmstadt.<br />

10


Beinke, Lothar (Hrsg). (2002): Familie <strong>und</strong> Berufswahl. Bad Honnef.<br />

Beck, Klaus (1974): Bedingungsfaktoren der Berufsentscheidung. Eine<br />

erziehungswissenschaftliche Untersuchung am Beispiel ungelernter junger Arbeiter<br />

<strong>und</strong> Arbeiterinnen. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhart.<br />

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http://www.bibb.de/dokumente/pdf/naa309_Berufsgruppenzuordnung_BG13_2004.pdf;<br />

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Preyer, K. (1978): Berufs- <strong>und</strong> Betriebspädagogik. Einführung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>legung.<br />

München/Basel.<br />

Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (1999): Wissen managen. Wie Unternehmen ihre<br />

wertvollste Ressource optimal nutzen. 3. Aufl. Wiesbaden<br />

R<br />

Reißig, Birgit/Gaupp, Nora/Lex, Tilly (2004): Längsschnittstudie zum Übergang Schule-<br />

Beruf. Hoffnungen <strong>und</strong> Ängste – Jugendliche aus Zuwandererfamilien an der Schwelle<br />

zur Arbeitswelt. DJI Bulletin 69 (Winter 2004), S. 4-7.<br />

Reißig, Birgit/Gaupp, Nora/Hofmann-Lun, Irene/Lex, Tilly (2006): Schule - <strong>und</strong> dann?<br />

Schwierige Übergänge von der Schule in die Berufsausbildung. Reihe Wissenschaft für<br />

alle. München / Halle: Deutsches Jugendinstitut.<br />

(http://cgi.dji.de/uebergang/schule<strong>und</strong>dann2006.pdf)<br />

Rheinberg, Alexander/Hummel, Markus (2002): Zur langfristigen Entwicklung des<br />

qualifikationsspezifischen Arbeitskräfteangebots <strong>und</strong> -bedarfs in Deutschland.<br />

Empirische Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> aktuelle Projektionsergebnisse. In: Mitteilungen aus der<br />

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Roitsch, J. (2003): Orwells Kinder. Der weltweite Pisa-Test: Ergebnisse <strong>und</strong> Folgen für die<br />

B<strong>und</strong>esrepublik. In: Gewerkschaftliche Monatshefte 1/2003, 54. Jahrgang. S. 50 – 59.<br />

Rützel, Josef (2000a): Wandel von Arbeit <strong>und</strong> Beruf – <strong>Aus</strong>wirkungen auf die Berufsreife. In:<br />

Rützel, J./ Sehrer, A./ Ziehm, S.(Hrsg.) (2000): Berufseignung <strong>und</strong> berufliche<br />

20


Anforderungen. Handlungsfelder der Berufsvorbereitung <strong>und</strong> Berufsausbildung.<br />

Darmstädter Beiträge zur Berufspädagogik. Darmstadt. S. 9 – 31.<br />

Rützel, Josef (2002): Fit für <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beruf. Berufseignung zwischen Bewertung,<br />

Prognose <strong>und</strong> Förderung. In: Berufsbildung (2002)73, S. 3 - 8.<br />

S<br />

Schaeper, H./Kühn, T./Witzel, A. (2000): Diskontinuierliche Erwerbskarriere <strong>und</strong><br />

Berufswechsel in den 1990ern: Strukturmuster <strong>und</strong> biografische Umgangsweisen<br />

betrieblich ausgebildeter Fachkräfte. In: Mitteilungen der Arbeitsmarkt- <strong>und</strong><br />

Berufsforschung 33(2000)1, S. 80-99.<br />

Scharmann, T. (1956): Arbeit <strong>und</strong> Beruf. Eine soziologische <strong>und</strong> psychologische<br />

Untersuchung über die heutige Berufssituation. Tübingen.<br />

Schober, Karen (2001): Berufswahlorientierung im Wandel – Vorbereitung auf eine<br />

veränderte Arbeitswelt. S. 7-38 in: Wissenschaftliche Begleitung des Programms<br />

„Schule – Wirtschaft / Arbeitsleben“ (Hrsg.): Schule – Wirtschaft / Arbeitsleben.<br />

Dokumentation 2. Fachtagung 30. u. 31.05.2001. Bielefeld: SWA-Materialien Nr. 7.<br />

Schober, Karin (2004): <strong>Aus</strong>bildungsreife. Zur Diskussion um ein schwieriges Konstrukt –<br />

Erfahrungen der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit. Vortrag beim Experten-Workshop der<br />

Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AGBFN). Bonn.<br />

Schrumpf, Heinz/Budde, Rüdiger (1999): Die langfristigen Entwicklungsperspektiven der<br />

Region Niederrhein. Hrsg. vom Rheinisch-Westfälischen Institut für<br />

Wirtschaftsforschung Essen, Essen.<br />

Schumpeter, Joseph (2006): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Nachdruck der 1.<br />

Auflage von 1912. Herausgegeben <strong>und</strong> ergänzt um eine Einführung von Röpke, J. /<br />

Stiller, O. Duncker & Humblot. Berlin.<br />

Schwappacher, A./ Sommer, C.(1979): Die Förderung nicht berufsreifer Jugendlicher: Bericht<br />

über einen Modellversuch. Karlsruhe.<br />

Seifert, K-H. (1977): Theorien der Berufswahl <strong>und</strong> der beruflichen Entwicklung. In: Seifert, K.-<br />

H./Eckhardt, H.-H./Jaide, W. (Hrsg.): Handbuch der Berufspsychologie.<br />

Göttingen/Toronto/Zürich, S. 173-279.<br />

Seifert, K.H. (1988). Berufswahl <strong>und</strong> Laufbahnentwicklung. In: Frey, D./Graf Hoyos,<br />

C./Stahlberg, D. (Hrsg.): Angewandte Psychologie (S. 187-204). München.<br />

Seifert, Karl Heinz (1989): <strong>Berufliche</strong> Entwicklung <strong>und</strong> berufliche Sozialisation. In: Roth,<br />

Erwin (Hg.) (1989): Organisationspsychologie, erschienen in der Reihe: Enzyklopädie<br />

der Psychologie. Göttingen u. a., S. 608-630.<br />

21


Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland (1998): Stärkung der <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit als Beitrag zur Verbesserung<br />

der <strong>Aus</strong>bildungssituation. In: Dostal, W./Parmentier, K./Schober, K. (Hrsg.): Mangelnde<br />

Schulleistungen oder überzogene Anforderungen? Zur Problematik<br />

unbesetzter/unbesetzbarer <strong>Aus</strong>bildungsplätze. Dokumentation eines Workshops in der<br />

B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit am 16. Oktober 1997 in Nürnberg. Beiträge zur Arbeitsmarkt<strong>und</strong><br />

Berufsforschung 202. Nürnberg, S. 232-240.<br />

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (2003): Vereinbarung<br />

über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10).<br />

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (2004): Vereinbarung<br />

über Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9).<br />

Skiba, E-G. u.a. (1995) (Hrsg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. Band 8. Erziehung im<br />

Jugendalter – Sek<strong>und</strong>arstufe 1. Stuttgart.<br />

Sprenger, Rolf-Ulrich (2001): ADAPT Unternehmensnetzwerke <strong>und</strong> regionale Netzwerke.<br />

Chance für Beschäftigung <strong>und</strong> Umweltschutz. Hrsg. von der Nationalen<br />

Unterstützungsstelle (NU) ADAPT der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit. Bonn.<br />

Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.) (2003a): Im Jahr 2050 wird jeder Dritte in Deutschland 60<br />

Jahre oder älter sein. Pressemitteilung vom 6. Juni 2003. URL: http://www.destatis.<br />

de/presse/deutsch/pk/2003/Bevoelkerung_2050.pdf; 02.02.05.<br />

Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.) (2003b): Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 10.<br />

koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Presseexemplar. URL:<br />

http://www.destatis.de/ presse/deutsch/pk/2003/Bevoelkerung_2050.pdf; 02.02.05.<br />

Stauffer, Ernst (1981): Die Berufswahl als Produkt von Eignung <strong>und</strong> Neigung. In: Stoll (1981,<br />

S. 377-413).<br />

Stövesand, H. (o.J.): Schulentwicklung nach Klippert – Über den Anspruch, mittels Dressur<br />

Selbstständigkeit zu fördern.<br />

Stoll, Francois (Hg.) (1981): Anwendungen im Berufsleben. Arbeits- , Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Verkehrspsychologie. Bd. 8 der Reihe „Die Psychologie des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts“, Zürich.<br />

SWA-Glossar (2004): <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit. URL: hhtp:// www.swaprogramm.de/datenbank/glossar.php<br />

stichwort=<strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit<br />

T<br />

Thoma, Günter (2001): Die Kluft zwischen Schule <strong>und</strong> Arbeitswelt <strong>und</strong> Ansätze zu ihrer<br />

Überwindung. In: Wirtschaft <strong>und</strong> Berufserziehung 53(2001)6, S. 22 – 27.<br />

22


Thoma, Günter (2002): Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen – aber wie? In: Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Berufserziehung 54(2002)9, S. 13 - 19.<br />

ThyssenKrupp Steel AG (2006): Präsentation der Projekts „Chance“ auf der Fachtagung<br />

„Erfolgreiche Wege in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beruf“ des B<strong>und</strong>esministeriums für Arbeit <strong>und</strong><br />

Soziales <strong>und</strong> der Initiative für Beschäftigung! am 6. Oktober 2006 in Berlin<br />

URL: http://www.initiative-fuer-beschaeftigung.de/fileadmin/PDF/Fachtagung_Forum_3<br />

_Praesentationen.pdf<br />

Troltsch, Klaus (2003): Bildungsbeteiligung <strong>und</strong> –chancen von ausländischen Jugendlichen<br />

<strong>und</strong> jungen Erwachsenen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, S. 49-62 in: Integration durch<br />

Qualifikation. Chancengleichheit für Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der beruflichen<br />

Bildung. Ergebnisse, Veröffentlichungen <strong>und</strong> Materialien aus dem BIBB, Bonn: BIBB<br />

(im Internet unter: www.bibb.de/dokumente/pdf/pr_pr-material_2003_migranten.pdf)<br />

U<br />

Ulrich, Joachim Gerd (2003): Ergänzende Hinweise aus der Lehrstellenbewerberbefragung<br />

2002 zur Interpretation der Berufsbildungsstatistik: das Problem der latenten<br />

Nachfrage. Informationen für die Beratungs- <strong>und</strong> Vermittlungsdienste (ibv) 13/03,<br />

S. 1775-1784.<br />

Ulrich, Joachim Gerd (2004): Wege zwischen dem Verlassen der der allgemein bildenden<br />

Schule <strong>und</strong> dem Beginn einer beruflichen <strong>Aus</strong>bildung. Ein Rückblick auf die<br />

Entwicklung der vergangenen Jahre. Informationen für die Beratungs- <strong>und</strong><br />

Vermittlungsdienste (ibv) 23/04, S. 49-60.<br />

Ulrich, Joachim Gerd (2005): Probleme bei der Bestimmung von <strong>Aus</strong>bildungsplatznachfrage<br />

<strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebot. Definitionen, Operationalisierungen, Messprobleme.<br />

S. 5-36 in B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Der <strong>Aus</strong>bildungsmarkt <strong>und</strong> seine<br />

Einflussfaktoren. Dokumentation der Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft<br />

Berufsbildungsforschungsnetz vom 01./02. Juli 2004. Bonn: BIBB.<br />

Ulrich, Joachim Gerd (2005a): <strong>Aus</strong>bildungschancen von Jugendlichen mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong>. Ergebnisse aus der BIBB-Berufsbildungsforschung. In: INBAS<br />

(Hrsg.): Werkstattbericht 2005. Frankfurt a.M.<br />

Ulrich, Joachim Gerd/Krekel, Elisabeth M./Flemming, Simone (2006a): Lage auf dem<br />

Lehrstellenmarkt<br />

(20.01.2006).<br />

weiterhin sehr angespannt. URL: www.bibb.de/de/22024.htm<br />

Ulrich, Joachim Gerd/Flemming, Simone/Granath, Ralf-Olaf/Krekel, Elisabeth M. (2006b):<br />

Zahl der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge fällt auf den niedrigsten Stand seit<br />

der Wiedervereinigung. URL: http://www.bibb.de/de/23711.htm (20.01.2006).<br />

23


Ulrich, Joachim Gerd (2006c): Der Verbleib der Schulabgänger/innen in quantitativer <strong>und</strong><br />

qualitativer Hinsicht. Vortrag anlässlich der 6. SWA-Fachtagung zum Thema<br />

„Berufsorientierung-Berufsvorbereitung-Berufsausbildung“ in Hamburg (15. Mai. 2006).<br />

Im Internet unter: http://www.swa-programm.de/tagungen/hamburg/vortrag_ulrich.pdf.<br />

Ulrich, Joachim Gerd (2006d): Wie groß ist die „Lehrstellenlücke“ wirklich? Vorschlag für<br />

einen alternativen Berechnungsmodus. In: Berufsbildung in Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis<br />

35, S. 12-16.<br />

V<br />

Vetter, W. (1997): Mit Brief <strong>und</strong> Siegel – Erwartungen an Bildung in der Schule. In: Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Berufserziehung 49(1997)1, S. 20 – 27.<br />

W<br />

Weyer, Johannes (2000): Soziale Netzwerke. München, Oldenbourg.<br />

Wachtveitl, Erich/Witzel, Andreas (1987): Hauptschüler <strong>und</strong> berufliche Zukunft – aus der<br />

Sicht ihrer Erfahrungen auf dem Weg ins Berufsleben. S. 107-126 in: Axel Bolder <strong>und</strong><br />

Klaus Rodax (Hg.): Das Prinzip der aufge(sc)hobenen Belohnung. Die Sozialisation<br />

von Arbeiterkindern für den Beruf. Bonn: Verlag Neue Gesellschaft.<br />

Wiethaupt, Ulrich (1998): Einige Anregungen zur Verbesserung der Lage. In: Dostal, W./<br />

Parmentier, K./ Schober, K. (Hrsg.) (1998): Mangelnde Schulleistungen oder<br />

überzogene Anforderungen? Zur Problematik unbesetzter/ unbesetzbarer<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplätze. Beiträge zur Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Berufsforschung 216. Nürnberg,<br />

S.119 – 120.<br />

Z<br />

Zander, E. (2001): Schule <strong>und</strong> Wirtschaft. – Ein Kommentar von Prof. Dr. Ernst Zander – . In:<br />

Personal 1(2001), S. 20-21.<br />

Zedler, R. (2003): Förderung der <strong>Aus</strong>bildungsreife – was ist zu tun? In: Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Berufserziehung 55(2003)8, S.12 – 15.<br />

24


3.2 Datenbanken<br />

Des Weiteren wurde auf verschiedene statistische Datenquellen herangezogen. U. a. hält<br />

das Landesamt für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik Nordrhein-Westfalen (LDS NRW)<br />

besonders zu den Bereichen Bevölkerung, Schulen <strong>und</strong> sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>zubildende eine umfangreiche Datensammlung vor 4 . Ergänzend hierzu<br />

folgende Statistiken:<br />

• <strong>Aus</strong> der Beschäftigtenstatistik 5 liefert die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit Angaben über die<br />

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten <strong>und</strong> die Arbeitslosen an das LDS NRW,<br />

veröffentlicht aber auch selbst ausführliche Informationen über Arbeitslose in der über<br />

das Internet erreichbaren Datenbank „Der Arbeitsmarkt in Deutschland“.<br />

• Angaben zu Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt sowie zu den neu<br />

abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträgen bietet die im Herbst durchgeführte Erhebung des<br />

B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung (BIBB). Ergebnisse sind in den Berufsbildungsberichten<br />

des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong> Forschung, ausführlicher aber wiederum im<br />

Internet über die BIBB-Datenbank "Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge zum<br />

30.09." erhältlich.<br />

• Ergänzt wird das Datenangebot zum <strong>Aus</strong>bildungsmarkt durch die vom Ministerium für<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Mittelstand, Energie <strong>und</strong> Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

herausgegebenen „Regionaldaten zur beruflichen Bildung in Nordrhein-Westfalen“, in<br />

denen auch gr<strong>und</strong>legende Daten zu den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der<br />

B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit enthalten sind.<br />

Die Liste der Datenquellen verdeutlicht, dass die amtliche Statistik eine Fülle von<br />

Informationen für die Bestandsaufnahme der Arbeitsmarktregion Wesel/Kleve/Duisburg <strong>und</strong><br />

deren Entwicklung bereithält. Diese Daten differieren im Hinblick auf Erhebungseinheiten,<br />

räumlichen Abgrenzungskriterien, regionalen Merkmalstiefen, Zeitreihen-Darstellungen <strong>und</strong><br />

Systematiken. Trotz dieser unterschiedlichen zeitlichen <strong>und</strong> räumlichen Perspektiven (oder<br />

auch gerade deshalb) bieten sie die Möglichkeit, eine umfassende Analyse der<br />

demographischen Rahmenbedingungen, der ökonomischen Verfassung <strong>und</strong> der<br />

Entwicklungen im Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarkt vornehmen zu können.<br />

Fachinformationen wurden zudem gewonnen aus der Literaturdatenbank „<strong>Berufliche</strong><br />

Bildung“ sowie dem Publikationsverzeichnis des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsforschung, dem<br />

4 Als Beispiele seien die CD/DVD „NRW regional. Statistische Informationen für die Gemeinden <strong>und</strong> Kreise<br />

Nordrhein-Westfalens“ <strong>und</strong> die über das Internet erreichbare „Landesdatenbank NRW“ genannt<br />

5 Die in der Beschäftigtenstatistik der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit erhobenen Daten beruhen auf den Meldungen<br />

der Arbeitgeber zur Sozialversicherung. Erfasst werden alle sozialversicherungspflichtig beschäftigten<br />

Arbeiterinnen <strong>und</strong> Arbeiter, Angestellten <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>zubildenden. Diese repräsentieren ca. 80% aller<br />

Erwerbstätigen. Nicht sozialversicherungspflichtig <strong>und</strong> somit auch nicht in der Beschäftigtenstatistik enthalten<br />

sind Beamte, Selbstständige <strong>und</strong> mithelfende Familienangehörige (vgl. Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2000a). Diese<br />

Begrenzung galt bis Mitte 1999 auch für geringfügig Beschäftigte, die bis dahin nur vom Mikrozensus erfasst<br />

wurden. Per Gesetz wurden ab dem 01.04.1999 die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse der<br />

Sozialversicherungspflicht unterworfen <strong>und</strong> können daher im Rahmen der Beschäftigtenstatistik ebenfalls<br />

nachgewiesen werden.<br />

25


Publikationsverzeichnis des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong> Forschung, dem online<br />

Auftritt des bwp@ 6 , online Dokumentation des Deutschen Jugendinstitutes.<br />

3.3 Newsletter<br />

BiBBpraxis, BiBBforschung, Pressemitteilungen der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit,<br />

Sozialpolitische Informationen (SPI) des B<strong>und</strong>esministeriums für Arbeit <strong>und</strong> Soziales<br />

(BMAS), Pressemitteilungen des B<strong>und</strong>esministeriums für Ges<strong>und</strong>heit (BMG) <strong>und</strong> des<br />

B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF), BMBF-Aktuell, bwp@newsletter,<br />

Partner für Schule, Good Practice Center zur Förderung von Benachteiligten, Gesellschaft<br />

für innovative Beschäftigungsförderung NRW.<br />

3.4 Veranstaltungen<br />

Ferner wurden im Rahmen des Projektes die folgenden Veranstaltungen im Dialog zum<br />

Wissensaufbau <strong>und</strong> –austausch besucht:<br />

„Fit für die <strong>Aus</strong>bildung – Können, was Zukunft hat“ (Fachtagung des BMBF im Rahmen der<br />

<strong>Aus</strong>bildungsoffensive, Düsseldorf)<br />

"Bitte umsteigen im <strong>Aus</strong>bildungsbahnhof Richtung Zukunft" (Fachtagung der SPI Consult<br />

GmbH, Berlin)<br />

„Übergangsprobleme Jugendlicher an der ersten Schwelle in NRW“ (Tagung des Instituts<br />

Arbeit <strong>und</strong> Technik, Gelsenkirchen)<br />

„Geprüft <strong>und</strong> für zu schwach bef<strong>und</strong>en“ (Fachtagung der Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong><br />

Wissenschaft, Berlin)<br />

„Duale <strong>Aus</strong>bildung in innovativen Technologiefeldern“ (Veranstaltung der Kausa, Berlin)<br />

<strong>Berufliche</strong> Bildung in NRW „Reform des Berufbildungsgesetzes“ (Veranstaltung im Rahmen<br />

des Dortm<strong>und</strong>er Forschertages „<strong>Berufliche</strong> Bildung“ der Sozialforschungsstelle Dortm<strong>und</strong>,<br />

Dortm<strong>und</strong>)<br />

„Perspektiven Berufsbildung“ (Fachtagung des Bertelsmann Verlag, Bielefeld)<br />

„ABBEO-Impulstag <strong>und</strong> Best-Practice-<strong>Aus</strong>tausch“ (Veranstaltung der UnternehmerHaus AG,<br />

Duisburg)<br />

Vorstellung des Hamburger Hauptschulmodells (Einladung der Arbeitsstiftung Hamburg<br />

GmbH, Koordinierungsstelle <strong>Aus</strong>bildung, Hamburg)<br />

„Kompetenzen stärken, Qualifikationen verbessern, Potenziale nutzen - <strong>Berufliche</strong> Bildung<br />

von Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>“ (Fachtagung des<br />

Gesprächskreises Migration & Integration der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn)<br />

„Bildungswege von Migranten“ (Veranstaltung des Rhein-Ruhr-Bildungsvereins e.V.,<br />

Duisburg)<br />

„Lernen, Arbeiten <strong>und</strong> Unternehmen ohne Grenzen“ (Konferenz im Rahmen von EURegio,<br />

Nijmegen)<br />

6<br />

Das bwp@ ist ein interaktives Medium, durch das innerhalb der Berufs- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> die<br />

Kommunikation via Internet gefördert werden soll.<br />

26


„<strong>Aus</strong>bildung jetzt – Erfolg braucht alle“ (<strong>Aus</strong>bildungskonferenz der IHK Niederrhein &<br />

mittlerer Niederrhein, Duisburg, Dinslaken)<br />

„Jobcenter auf dem Prüfstand: Anforderungen aus der Perspektive von Jugend <strong>und</strong> Familie“<br />

(Fachtagung des deutschen Vereins für öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge, Erfurt)<br />

„Fachkonferenz Berufsberatung <strong>und</strong> Schule“ (Veranstaltung der Agentur für Arbeit, Bochum)<br />

Herbsttagung der Sektion für Berufs- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> der DGfE, ERfurt<br />

„<strong>Berufliche</strong> Bildung, Innovation <strong>und</strong> soziale Integration“ (14. Hochschultage <strong>Berufliche</strong><br />

Bildung, Bremen)<br />

Methodenworkshop: Jugendliche mit niedrigen Bildungsabschlüssen in der Panelforschung<br />

(Fachtagung des Deutschen Jugendinstituts, Halle)<br />

„Neue Kooperationen zwischen Schule <strong>und</strong> Arbeitswelt“ (Programmübergreifende<br />

Fachtagung der Programme Schule-Wirtschaft-Arbeitsleben/Kompetenzen fördern/Lernende<br />

Regionen, Bad Honnef)<br />

„Lernende Regionen – Zukunftsmodell für Bildung in NRW“ (Fachtagung der Lernenden<br />

Regionen in Kooperation mit dem Landesinstitut für Qualifizierung NRW, Münster)<br />

„Auf die Plätze! Fertig! Beruf!“ (Fachtagung der Stiftung Partner für Schule NRW, Bochum)<br />

„Professionell kooperieren <strong>und</strong> qualifizieren in der Benachteiligtenförderung. Rückblicke –<br />

Einblicke – <strong>Aus</strong>blicke“ (4. Flensburger Fachgespräche Benachteiligtenförderung)<br />

„Bildung, Arbeit <strong>und</strong> Identität im Jugendalter“ (Tagung der Sektionen Jugendsoziologie <strong>und</strong><br />

Bildung <strong>und</strong> Erziehung des DGS, Bielefeld)<br />

„Pisa: Unternehmen wollen Taten sehen“ (Vortrag von Andreas Schleicher im Rahmen des<br />

Unternehmertages, Duisburg)<br />

Veranstaltungen im Rahmen des BQF-Programmes (Auftakt- & Abschlussveranstaltung etc.<br />

sowie die regelmäßige Teilnahme an den Treffen der Entwicklungsplattform 4 <strong>und</strong> den<br />

Treffen der Arbeitsgemeinschaft 4)<br />

Teilnahme an verschiedenen <strong>Aus</strong>bildungsbörsen <strong>und</strong> –märkten in der Region<br />

Besuch von Open-Space & Assessment Center Veranstaltungen sowie einem Workshop<br />

zum Berufswahlpass<br />

4 Zusammenarbeit mit anderen Stellen<br />

Die Zusammenarbeit mit anderen Stellen fand auf mehreren Ebenen statt. Dabei wurden<br />

Initiativen zur Vernetzung <strong>und</strong> Kooperation verschiedener Akteure in der Region in<br />

vielfältiger Form aufgegriffen, bereits vorhandene Einzelkooperationen wurden mit<br />

relevanten Akteuren in Kontakt gebracht. Anzubringen ist an dieser Stelle, dass allein, das<br />

die Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve umfassende Gebiet größer ist als die gemeinschaftlichen<br />

Gebiete aller kreisfreien Städte des Ruhrgebietes. Insofern kann das Setzen positiver<br />

Impulse an einigen zentralen Stellen <strong>und</strong> zwar dort, wo sich die gesamtwirtschaftliche<br />

Situation in der Region zurzeit eher negativ darstellt, als ein Erfolg der Bemühungen<br />

innerhalb des Projektes gewertet werden. Gleichsam bestanden zu Beginn des Projektes –<br />

nicht allein auf Gr<strong>und</strong> der Größe der Gesamtregion – nur einige unverbindliche<br />

Verbindungen zwischen den Akteuren, die meist im Bereich der einzelnen Institutionen (z. B.<br />

auf Ebene der Schulen oder der Bildungsträger oder der Kreise bzw. der Stadt Duisburg)<br />

27


verblieben. Zusammengetragen <strong>und</strong> wurden alle relevanten Partner in zeitintensiver<br />

Kleinarbeit, diese finden sich in Form einer Zuordnung als mindmap auf der<br />

Projekthomepage www.netzwerk-berufsorientierung.de.<br />

Als wichtigste Partner können im Projekt neben den befragten regionalen Schulen 7 , die<br />

Beiräte Schule <strong>und</strong> Beruf in Duisburg <strong>und</strong> Wesel 8 , die Berufsberatungsstellen der<br />

Arbeitsagenturen, das U25-Team der ARGE in Duisburg, die Regionalagentur NiederRhein 9<br />

<strong>und</strong> die UnternehmerHaus AG 10 die, als Tochter der UnternehmerverbandsGruppe e. V., u.<br />

a. den rechtsrheinischen Arbeitskreis Schule / Wirtschaft moderiert, genannt werden.<br />

Daneben fand eine Zusammenarbeit mit der verschiedenen regionalen Bildungsträgern wie<br />

z. B. dem Institut für Maßnahmen zur Förderung der beruflichen <strong>und</strong> sozialen Eingliederung<br />

e.V. (IMBSE), der gemeinnützigen Gesellschaft für Beschäftigungsförderung mbH (GfB), der<br />

sci: moers gGmbH 11 oder dem Rhein-Ruhr-Bildungsverein, dem TIAD 12 , der Arbeitsgruppe<br />

ABBEO 13 , der Lernenden EURegio Niederrhein (hier explizit im Handlungsfeld 1: Übergang<br />

Schule <strong>und</strong> Beruf), dem Arbeitskreis „Schule-Beruf“ der Ernst-Balach-Gesamtschule, dem<br />

7 Hauptschule (HS) Hitzestraße, Duisburg / Adolph-Kolping-Hauptschule, Duisburg / HS Alpen / Anne-Frank-<br />

Hauptschule, Geldern / HS Anne-Frank-Schule, Duisburg / HS Bronkhorststraße Duisburg / HS Emil-<br />

Rentmeister-Schule, Duisburg / HS Friedrich-Ebert-Straße, Duisburg / HS Gustav-Heinemann, Dinslaken / HS<br />

Haarbeckschule, Neukirchen-Vluyn / Heinrich-Meyers HS, Hamminkeln / HS Im Angerbogen, Duisburg /<br />

Konrad-Adenauer-HS, Kleve / HS Rheinberg / HS St Nikolaus, Kalkar / HS Wachtendonk / HS Werthstraße,<br />

Duisburg / HS Xanten / Realschule (RS) Am Westwall, Geldern / RS Gustav-Heinemann, Dinslaken / RS<br />

Gustav-Stresemann, Duisburg / Heinrich-Meyers RS, Hamminkeln / RS Jeanette-Wolff, Dinslaken / RS Voerde<br />

/ RS Wesel Mitte / Gesamtschule (GS) Duisburg Mitte / GS Erich-Kästner, Duisburg / Ernst-Barlach-GS<br />

Dinslaken / GS Hünxe / GS Ruhrort, Duisburg / GS Schermbeck / GS Voerde<br />

8 Die Beiräte unterstützen die schulübergreifende örtliche Abstimmung <strong>und</strong> Entwicklung der am Prozess der<br />

Berufswahlorientierung beteiligten Akteure. Mitglieder der Beiräte sind u. a. Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertreter der<br />

verschiedenen Schultypen (von der Förderschule bis zum Berufskolleg), das Jugendamt / die Jugendhilfe,<br />

Kammern (IHK, HWK <strong>und</strong> Kreishandwerkskammer), Arbeitgeberverbände, der deutsche Gewerkschaftsb<strong>und</strong><br />

sowie Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertreter verschiedener Arbeitskreise <strong>und</strong> Projekte. Als wissenschaftlicher Vertreter<br />

soll auf der nächsten Sitzung Herr Prof. Dr. Rolf Dobischat in den Beirat Schule <strong>und</strong> Beruf Duisburg berufen<br />

werden. Der Vorsitz der Beiräte obliegt aktuell gemeinsam je einem Schulaufsichtsbeamten <strong>und</strong> einem<br />

Mitarbeiter des Arbeitsamtest. Die Aufgaben des Beirates agieren im Bereich der Beratung <strong>und</strong> Information.<br />

Schwerpunkte finden sich u. a. in der Berufswahlorientierung, der Entwicklung von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf<br />

dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt, im Bereich vollzeitschulischer <strong>Aus</strong>bildungsangebote sowie der Koordination der<br />

Nutzung von Praktikumsplätzen, der Lehrerfortbildung oder auch dem Transfer regionaler Aktivitäten in diesen<br />

Bereichen.<br />

9 Die Regionalagentur NiederRhein umfasst die Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve sowie die kreisfreie Stadt Duisburg. In<br />

ihrer Funktion agiert sie als Netzwerkknoten zwischen der Region <strong>und</strong> dem Land Nordrhein-Westfalen. Dabei<br />

zeichnet sie sich gleichsam auch als Dienstleister für regionale Unternehmen aus. Vorrangiges Ziel der<br />

Regionalagentur ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen <strong>und</strong> die Sicherung der<br />

Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern. Im Rahmen des Projektes fokussierte sich die<br />

Arbeit auf die eines Multiplikators <strong>und</strong> Vermittlers.<br />

10 Die UnternehmerHaus AG ist eine Tochtergesellschaft der UnternehmerverbandsGruppe e.V.. Als lokaler<br />

Partner <strong>und</strong> direkter Partner des Projektes verfügt sich über vielfältige Netzwerkbeziehungen u. a. zu<br />

regionalen Unternehmen. Gleichzeitig hat sie es sich zum Ziel gesetzt junge Menschen an der Schnittstelle<br />

zwischen Schule <strong>und</strong> Beruf über die realen Anforderungen der betrieblichen Arbeitswelt zu informieren, um auf<br />

diesem Wege eine zielgerichtete <strong>und</strong> realistische Berufswahlorientierung zu unterstützen. Als Mitglied<br />

verschiedener Arbeitskreise Schule/Wirtschaft sowie auch in den Beiräten Schule <strong>und</strong> Beruf pflegt die UHS AG<br />

einen intensiven Erfahrungsaustausch mit Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertretern regionaler Unternehmen sowie den<br />

Pädagogen <strong>und</strong> Lehrkräften allgemein bildender <strong>und</strong> weiterführender Schulen.<br />

11 Die sci:moers gGmbH – Gesellschaft für Einrichtungen <strong>und</strong> Betriebe sozialer Arbeit ist ein gemeinnütziger<br />

anerkannter Träger <strong>und</strong> Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband.<br />

12 Deutsch-Türkischer Unternehmerverein e.V.<br />

13 Förderung der <strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> Berufswahlorientierung.<br />

28


Arbeitskreis Niederrheinischer Berufskollegs <strong>und</strong> den in der Region verankerten Projekten im<br />

Rahmen von STARegio 14 statt.<br />

Die Zusammenarbeit ermöglichte es im Allgemeinen, die Beiräte <strong>und</strong> Arbeitskreise im Sinne<br />

von Multiplikatoren zum Transfer der Ergebnisse – insbesondere der sek<strong>und</strong>ärstatistischen<br />

<strong>Aus</strong>wertungen sowie der Resultate der Schülerinnen- <strong>und</strong> Schülerbefragung – zu nutzen.<br />

Gleichzeitig konnten durch diese Form der Netzwerkarbeit die Gespräche zu einer<br />

Verbesserung von Matchingprozessen im Sinne der Transparenzerhöhung sowie zur<br />

weiteren Vernetzung der einschlägigen regionalen Institutionen mit dem Ziel der Bündelung<br />

von Ressourcen <strong>und</strong> Potenzialen genutzt werden. Eine Verständigung über<br />

Problemlösungswege fand statt. Es wurde weitere Treffen - auch nach dem Ablauf des BQF-<br />

Projektes – verabredet, um auch weiterhin das Thema Berufsorientierung im Bewusstsein<br />

der Öffentlichkeit zu halten.<br />

Zugleich wurden die im Projekt erfahrenen Ergebnisse auch über die von der<br />

UnternehmerHaus AG initiierten Unternehmenszusammenkünfte wie z.B. die „Business<br />

Breaks“ in die Unternehmen transferiert.<br />

Im Einzelnen wurden in die Beiräte Schule <strong>und</strong> Beruf die Projektergebnisse transferiert. Die<br />

laufenden Projektaktivitäten wurden vorgestellt <strong>und</strong> ein gemeinsames Konzept im Hinblick<br />

auf zukünftige Aktivitäten erarbeitet. In den Gesprächen mit dem TIAD wurde deutlich, dass<br />

die große Anzahl regionaler Einzel- <strong>und</strong> Familienunternehmen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

nach wie vor große Schwellenängste vor den deutschen Behöroden haben. Es besteht hier<br />

insbesondere die Sorge den deutschen Vorschriften <strong>und</strong> Verordnungen mangels eigener<br />

Sprachkenntnisse nicht gerecht werden zu können. Die mit der UnternehmerHaus AG<br />

eingegangene Partnerschaft äußerte sich des Weiteren in einer engen Kooperation im<br />

Rahmen von ABBEO. Hier wurde vor allem an einer weiterführenden Planung <strong>und</strong><br />

Durchführung der Schülerinnen- <strong>und</strong> Schülerbefragung gearbeitet 15 . Mit den Beiräten <strong>und</strong><br />

der Regionalagentur NiederRhein wurde jeweils in Absprache die Konstituierung eines<br />

Netzwerkes zur Berufsorientierung modellhaft entwickelt 16 . Neben dem Erfahrungsaustausch<br />

<strong>und</strong> der Planung weiterführender Projektaktivitäten entstand auf diesem Wege zudem eine<br />

Vereinbarung über die weitere Nutzung der Plattform www.netzwerk-berufsorientierung.de,<br />

im Sinne der Nachhaltigkeit. Mit dem Lernenden NiederRhein wurden aktuelle <strong>und</strong><br />

zukünftige Maßnahmen im Übergang Schule/Beruf abgestimmt <strong>und</strong> Formen möglicher<br />

Zusammenarbeit festgestellt. Der Lernende NiederRhein findet u. a. auch Berücksichtigung<br />

durch die Integration in der Mindmap der Projekthomepage. In den Arbeitskreis „Schule-<br />

14 Das Programm STARegio - „Strukturverbesserung der <strong>Aus</strong>bildung in ausgewählten Regionen“ wurde im<br />

April 2003 als Bestandteil der jährlichen <strong>Aus</strong>bildungsoffensive vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong><br />

Forschung (BMBF) initiiert.<br />

15 Vgl. hierzu ausführlicher Birkelbach, Klaus in diesem Band<br />

16 Vgl. hierzu ausführlicher Goertz, Bianca Teil D unter II. in diesem Band<br />

29


Beruf“ der Ernst-Balach-Gesamtschule wurden die Projektaktivitäten transferiert. In<br />

Kooperation mit der UnternehmerHaus AG wurde hier auch der Berufswahlpass vorgestellt.<br />

Im Rahmen des Arbeitskreises Niederrheinischer Berufskollegs oblag dem Projektträger die<br />

Entwicklung einer Projektidee zur Entwicklung <strong>und</strong> Erprobung von Systemvarianten zur<br />

Sicherung einer qualifizierten Berufsausbildung in der Region Niederrhein. Zu nennen ist<br />

ergänzend noch die Zusammenarbeit mit den Projekten der vom BQF-Programm initiierten<br />

Entwicklungsplattform 4 „Netzwerkbildung“, hier im Besonderen der Arbeitsgemeinschaft 4<br />

„Unterstützungsstrukturen“. Gemeinsam wurde mit den hier beteiligten Projekten der<br />

Erfahrungsaustausch vorangetrieben, ein Transfer fand über die eigene Region hinaus statt,<br />

dies nicht zuletzt auf Gr<strong>und</strong> der gemeinschaftlichen Arbeit am Band II D „Verbesserung der<br />

beruflichen Integrationschancen von benachteiligten Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen<br />

durch Netzwerkbildung“, Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Aufbau von Unterstützungstrukturen<br />

für die Netzwerkarbeit“ im Rahmen der Schriftenreihe zum Programm „Kompetenzen fördern<br />

– <strong>Berufliche</strong> Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf (BQF-Programm)“.<br />

30


II. Eingehende Darstellung<br />

In Deutschland besteht nach wie vor ein Mismatch zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf<br />

dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt. Dabei haben insbesondere Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit<br />

niedrigem oder keinem Schulabschluss Probleme beim Übergang in das <strong>Aus</strong>bildungssystem.<br />

Hiervon sind auch <strong>und</strong> vor allem Jugendliche mit Migrationhintergr<strong>und</strong> betroffen 17 , so dass<br />

auch bei gleichwertigem Abschluss ein Übergang nicht sicher gestellt ist. Soziale wie auch<br />

ethnische Merkmale führen somit zu Benachteiligungen. Der internationale PISA-Bericht zur<br />

Situation von Kindern aus Migrantenfamilien, den die OECD auf der Basis der Daten von<br />

2003 vorstellte, hat gezeigt, dass Deutschland zu den Staaten zählt, in denen die<br />

Leistungsunterschiede zwischen einheimischen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern <strong>und</strong> jenen mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> am stärksten ausgeprägt sind. Mit einem Fokus darauf, dass bereits<br />

heute jede zehnte Familie mit Kindern eine ausländische Familie ist, in einigen Großstädten<br />

bereits mehr als 40% der Heranwachsenden einen Migrationshintergr<strong>und</strong> aufweisen <strong>und</strong><br />

bereits jedes Achte in Deutschland geborene Kind Eltern mit ausländischer<br />

Staatangehörigkeit hat (vgl. Henry-Huthmacher / Hoffmann 2006, S. 26ff.) gewinnt diese<br />

Entwicklung weiterhin an Brisanz. Gleichzeitig legt Gr<strong>und</strong>mann 2002 an Hand der PISA-<br />

Studie 18 dar, dass die Differenz zwischen leistungsstarken <strong>und</strong> –schwachen Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern <strong>und</strong> dem Zusammenhang zu ihrer sozialen Schichtzugehörigkeit in keinem<br />

anderen Land so ausgeprägt ist wie in Deutschland.<br />

Hat sich die Berufsbildungspolitik zum Ziel gesetzt allen Jugendlichen eine qualifizierte<br />

berufliche Bildung zu ermöglichen, um zum einen die persönliche Entwicklung jedes<br />

Einzelnen <strong>und</strong> somit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt, zum anderen aber<br />

auch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, da mehr denn je Lebenschancen<br />

heute über eine qualifizierte <strong>Aus</strong>bildung vergeben werden (vgl. BMBF 2002), so stellt sich die<br />

Frage, ob sich davon implizit ein Bedeutungszusammenhang zwischen den Begriffen „alle<br />

Jugendlichen“ <strong>und</strong> „Chancengleichheit“ ableiten lässt.<br />

Die Jugendarbeitslosigkeit stellt aktuell immer noch eines der gewichtigsten<br />

bildungspolitischen Themen dar. Gleichzeitig zeichnet die mediale Diskussion unter dem<br />

Fokus der Chancen- <strong>und</strong> Perspektivlosigkeit mit <strong>Aus</strong>sagen wie: „Der passende Azubi<br />

verzweifelt gesucht! (WAZ, 20.08.05, S.3) oder „[...] es wird Schulen für Reiche <strong>und</strong> Schulen<br />

für Arme geben [...]“ (RP, 20.08.05, S.7) ein Bild, dass zeigt, dass sich Chancengleichheit -<br />

17 Vgl. hierzu ausführlicher Ulrich, Joachim Gerd (2005a): <strong>Aus</strong>bildungschancen von Jugendlichen mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong>. Ergebnisse aus der BIBB-Berufsbildungsforschung. In: INBAS (Hrsg.): Werkstattbericht<br />

2005. Frankfurt a.M.<br />

18 PISA steht für ‚Programme for International Student Assessment’, ein Programm zur zyklischen Erfassung<br />

basaler Kompetenzen der nachwachsenden Generation. OECD PISA, Schülerleistungen im internationalen<br />

Vergleich, Nationaler Ergebnisbericht. Vgl. http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa<br />

31


im Sinne von <strong>Aus</strong>bildung für alle - als bildungspolitisches Ziel nicht ohne Weiteres in die<br />

Praxis umzusetzen ist.<br />

Wie die im Projekt durchgeführte Befragung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern an allgemein<br />

bildenden Schulen in der Untersuchungsregion im Folgenden noch zeigen wird, wirkt sich<br />

vielmehr dieser fokussierte Zustand bereits auf das Berufswahl- <strong>und</strong> damit auch auf das<br />

Orientierungsverhalten der Jugendlichen aus.<br />

Zunächst kann davon ausgegangen werden, dass Chancengleichheit nur dort besteht, wo<br />

der einzelne „Jugendliche“ seine Chancen überhaupt kennt bzw. wahrnimmt.<br />

Die unter A präsentierten Ergebnisse der sek<strong>und</strong>ärstatischen Analyse des regionalen<br />

Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktes ermöglichen es, insbesondere unter dem Blickwinkel<br />

demografischer Entwicklungen, den am Prozess der beruflichen Orientierung beteiligten<br />

Akteuren, den Jugendlichen ein angemessenes Rüstzeug zur eigenverantwortlichen <strong>und</strong><br />

aktiven Gestaltung ihrer Erwerbsbiographie mit auf den Weg zu geben. Die Risiken aber<br />

auch Chancen, die die Region in sich birgt, können im Rahmen einer richtungsweisenden<br />

Positionierung von Berufswahlstrategien transparent gemacht werden, um den Jugendlichen<br />

Zukunftschancen aufzuzeigen <strong>und</strong> in diesem Sinne <strong>Aus</strong>bildungsabbrüchen <strong>und</strong>/oder<br />

unrealistischen Berufsvorstellungen <strong>und</strong> –erwartungen entgegenzuwirken.<br />

Woran sich Jugendliche bisher bei ihrer Berufswahl orientieren <strong>und</strong> welche Informationen sie<br />

sich für ihr zukünftiges Berufsleben aneignen, zeigt sich in den unter B präsentierten<br />

Ergebnissen einer Befragung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der 10´ten Klassen an<br />

allgemein bildenden Schulen. Aufgearbeitet wird dabei die spezifische Problematik von<br />

Berufswahl- <strong>und</strong> Transferprozessen benachteiligter Jugendlicher mit <strong>und</strong> ohne<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> in der Region <strong>und</strong> die Frage, ob sich aufgr<strong>und</strong> der gewonnenen<br />

Ergebnisse ein Zusammenhang zwischen beruflicher Orientierung <strong>und</strong> sozialer/ethnischer<br />

Herkunft oder schulischer <strong>Aus</strong>bildung herstellen lässt, der dem Streben der<br />

Berufsbildungspolitik nach Chancengleichheit eine empirische Basis bieten würde.<br />

Unter C werden die im Rahmen der qualitativen Studie, geführten Interviews mit<br />

institutionellen Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertretern, die mit ihren jeweiligen funktionalen<br />

Schwerpunkten <strong>und</strong> Interessen in die regionale Arbeits-, <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Strukturpolitik<br />

eingeb<strong>und</strong>en sind, dargestellt. Hier zeigt sich inwiefern eine Transparenz über die Arbeits<strong>und</strong><br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation sowie die Bereitschaft <strong>und</strong> Einstellung der Betriebe zur<br />

<strong>Aus</strong>bildung besteht, inwieweit bestimmte Zielgruppen als benachteiligt eingeschätzt,<br />

Förderprogramme für bestimmte Zielgruppen bekannt <strong>und</strong> Probleme im Bereich der<br />

beruflichen Orientierung gesehen werden. Unter den Aspekten „institutionelle<br />

Lösungsansätze, Netzwerke“ <strong>und</strong> „Perspektiven <strong>und</strong> Trends“ wird deutlich, inwieweit bereits<br />

eine kreis- <strong>und</strong> oder städteübergreifende Vernetzung vorhandener Ansätze sowie eine<br />

32


Abstimmung zwischen den Akteuren zur Schaffung von Synergieeffekten <strong>und</strong> Erhöhung der<br />

Angebotstransparenz besteht, die im Rahmen einer Evaluation innovativer Maßnahmen<br />

herangezogen werden können.<br />

Den abschließenden Teil D bildet ein regionalorientiertes Konzept zur beruflichen<br />

Orientierung, das basierend auf einer <strong>Aus</strong>führung zum Stand der wissenschaftlichen<br />

Diskussion zum Thema <strong>„Berufswahl</strong>- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife“ <strong>und</strong> einer diskursiven<br />

<strong>Aus</strong>einandersetzung zum Thema Netzwerke erstellt wurde.<br />

Ergänzend finden sich im Teil E <strong>Aus</strong>züge aus Diplomarbeiten die innerhalb des Projektes<br />

themenspezifisch einzelne Aspekte bearbeitet haben.<br />

33


Axel Stender<br />

Teil A Die <strong>Aus</strong>bildungssituation am Niederrhein –<br />

Inhalt<br />

dargestellt anhand der amtlichen Statistik<br />

1 Einleitung.................................................................................................................35<br />

2 Topografie ...............................................................................................................37<br />

3 Bevölkerung.............................................................................................................39<br />

3.1 Bevölkerungsstruktur...............................................................................................39<br />

3.2 Bevölkerungsentwicklung ........................................................................................41<br />

4 Allgemein bildende Schulen ....................................................................................46<br />

4.1 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler .......................................................................................46<br />

4.2 Schulabschlüsse......................................................................................................49<br />

5 Arbeitsmarkt ............................................................................................................53<br />

5.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ...............................................................54<br />

5.2 Arbeitslose...............................................................................................................61<br />

6 <strong>Aus</strong>bildungsmarkt ....................................................................................................64<br />

6.1 Berufsausbildung im Dualen System.......................................................................64<br />

6.1.1 Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen.............................................65<br />

6.1.2 Angebot <strong>und</strong> Nachfrage in Berufsgruppen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsbereichen...................71<br />

6.2 <strong>Berufliche</strong> Schulen...................................................................................................76<br />

6.3 Berufsvorbereitende Maßnahmen ...........................................................................82<br />

7 <strong>Aus</strong>blick ...................................................................................................................84<br />

8 Tabellenanhang.......................................................................................................87<br />

9 Verzeichnisse ..........................................................................................................93<br />

9.1 Tabellenverzeichnis.................................................................................................93<br />

9.2 Abbildungsverzeichnis.............................................................................................94


1 Einleitung<br />

Die Entscheidung eines Jugendlichen für einen bestimmten <strong>Aus</strong>bildungsberuf ist von vielen,<br />

auch sich untereinander beeinflussender Faktoren abhängig (vgl. Beinke 2002, Jaide 1977,<br />

1981, Lange 1974, Seifert 1977, 1989, Stauffer 1981). Neben der subjektiven Berufswahlsituation<br />

(Werte, Risikobereitschaft, Engagement, Informationsniveau, Zeitpunkt <strong>und</strong> -dauer<br />

der Entscheidung) hat auch die sozio-ökonomische Situation (Geschlecht, Familie, Schulbildung<br />

<strong>und</strong> -leistung sowie der regionale Kontext) einen großen Einfluss auf die Berufswahl<br />

einer Person (vgl. Lange 1974, S. 334). Mit der von uns durchgeführten Schülerbefragung<br />

(vgl. Birkelbach 2006 in diesem Band) können sowohl die subjektive als auch sozioökonomische<br />

Situation analysiert werden, für den regionalen Kontext muss jedoch auf die<br />

amtliche Statistik zurückgegriffen werden. Entsprechende Daten aus verschiedenen Untersuchungsbereichen<br />

werden im Folgenden bezüglich ihrer Konsequenzen auf das <strong>Aus</strong>bildungsgeschehen<br />

überprüft.<br />

<strong>Aus</strong> dem Gebiet der Bevölkerungsstatistik ist beispielsweise die Prognose der Anzahl der<br />

Jugendlichen bedeutsam, da sich hieraus das in den nächsten Jahren ergebende Potenzial<br />

an <strong>Aus</strong>bildungsplatznachfragern abschätzen lässt. Ebenso lassen sich Unterschiede in der<br />

Versorgung der Jugendlichen mit allgemein bildenden Schulen oder in der Wirtschaftsstruktur<br />

auch auf die Siedlungsdichte einer Region zurückführen.<br />

Der zweite Untersuchungsbereich fokussiert auf das allgemein bildende Schulwesen, denn<br />

ein regional unterschiedliches Angebot an allgemein bildenden Schulen wirkt sich auf die<br />

Struktur der Schulabschlüsse aus, die wiederum verschiedene berufliche Optionen (Berufsausbildung,<br />

Studium) eröffnen.<br />

In einem weiteren Schritt wird der Arbeitsmarkt untersucht. Dieser wird bestimmt von der<br />

regionalen Wirtschaftsstruktur sowie der aktuellen <strong>und</strong> zu erwartenden Wirtschaftslage (hier<br />

gemessen als Arbeitslosigkeitsquote) <strong>und</strong> steht in unmittelbarem Zusammenhang zum <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebot<br />

sowohl in dessen qualitativer also auch quantitativer Dimension.<br />

Im vierten Abschnitt werden die Entwicklungen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt dargestellt. Da<br />

das Angebot an dualen <strong>Aus</strong>bildungsplätzen in den letzten Jahren <strong>und</strong> besonders in den hier<br />

untersuchten Regionen die Nachfrage nicht mehr abdeckt, müssen immer mehr Jugendliche<br />

auf alternative berufsbildende Qualifizierungswege ausweichen. <strong>Aus</strong> diesem Gr<strong>und</strong>e wird<br />

neben den bei der Arbeitsagentur gemeldeten Bewerbern <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplätzen sowie den<br />

neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträgen auch auf die alternativen Bildungsmöglichkeiten<br />

bzw. Auffangbecken eingegangen, wie sie an den Berufskollegs oder in den von der Arbeitsagentur<br />

finanzierten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen angeboten werden.<br />

35


Soweit dies mit den Daten der amtlichen Statistik möglich ist, werden in den einzelnen Abschnitten<br />

auch Merkmale analysiert, die im Allgemeinen mit einer Benachteiligung gleich<br />

gesetzt werden. Im Allgemeinen existiert eine Vielzahl an Ursachen für eine Benachteiligung,<br />

die zusammenfassend unter strukturellen <strong>und</strong> persönlichen Aspekten subsumiert werden<br />

können (vgl. BMBF 2002, 18-26):<br />

a) Benachteiligungen aufgr<strong>und</strong> des Berufsbildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungssystems<br />

An den allgemein bildenden Schulen wird bemängelt, dass sie ihren Bildungs- (Mängel<br />

bei den Gr<strong>und</strong>rechenarten, der schriftlichen <strong>und</strong> mündlichen Kommunikation usw.) <strong>und</strong><br />

Erziehungsauftrag (fehlende Schlüsselqualifikationen wie Fleiß, Pünktlichkeit) nur unzureichend<br />

umsetzen. Zudem setzt die Berufsorientierung oft erst in der neunten Klasse<br />

<strong>und</strong> somit zu spät ein. Insgesamt fehlen Konzepte als Reaktion auf unzureichende<br />

Sprachvoraussetzungen oder häusliche Probleme <strong>und</strong> für eine individuelle Förderung der<br />

Kinder. Folglich wirkt das deutsche Schulsystem insgesamt in hohem Maße selektiv.<br />

Beim Übergang von der Schule in die Berufsausbildung ergeben sich Probleme daraus,<br />

dass die Berufsorientierung erst spät einsetzt <strong>und</strong> so genannte Frühabgänger/innen, welche<br />

die Schule nach der sechsten, siebten oder achten Klasse verlassen, häufig uninformiert<br />

bleiben. Außerdem erschwert bzw. verhindert die oftmals fehlende Abstimmung<br />

zwischen den beteiligten Institutionen (Netzwerk) eine durchgängige Betreuung der Jugendlichen,<br />

so dass diese im „Meer“ der Unqualifizierten verschwinden oder aber nicht<br />

aufeinander abgestimmte <strong>und</strong> daher sinnlose <strong>und</strong> demotivierende Maßnahmekarrieren<br />

durchlaufen.<br />

Neben den Problemfeldern allgemein bildende Schulen <strong>und</strong> Übergangsregime gehört<br />

auch der (regionale) Arbeitsmarkt hierzu. Verschiedene Faktoren führen zu einem Verdrängungswettbewerb,<br />

der die schwächeren Mitbewerber/innen aus dem Markt wirft.<br />

Hierzu zählen strukturschwache Regionen in denen generell <strong>Aus</strong>bildungsbetrieb <strong>und</strong><br />

damit -plätze fehlen, ein generell unzureichendes Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen der<br />

Wirtschaft, die steigenden Qualifikationsanforderungen in den Berufsbildern sowie die<br />

Konkurrenz unter den geburtenstarken Jahrgängen. Liegen zu den ersten beiden Problemfeldern<br />

kaum Daten aus der amtlichen Statistik vor, existiert zum Arbeitsmarkt umfangreiches<br />

Datenmaterial.<br />

b) Benachteiligungen, aufgr<strong>und</strong> persönlicher Merkmale<br />

Das Geschlecht ist besonders für Mädchen ein entscheidendes Kriterium, da ihnen bspw.<br />

die zukünftig einzunehmende Rolle der Mutter zugewiesen wird <strong>und</strong> sie damit für den Arbeitsmarkt<br />

nur bedingt verfügbar erscheinen <strong>und</strong> daher auch im dualen System seltener<br />

einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz erhalten.<br />

36


Die schulische Vorbildung wirkt ebenfalls selektiv, da steigende Bildungswünsche, höhere<br />

Anforderungen auf Seiten der Betriebe <strong>und</strong> anspruchsvoller werdende Berufsbilder zu<br />

einer Entwertung des Hauptschulabschlusses führten. Jugendliche ohne einen Hauptschulabschluss<br />

haben es noch schwerer eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle zu finden.<br />

Ein weiteres Merkmal ist die soziale Herkunft. Eltern mit einer niedrigen beruflichen Stellung<br />

(Vererbung des Ungelernten-Status) oder einem Bruch in traditionellen familiären<br />

Berufsbiografien (Bergarbeiter-, Landwirtfamilie) können ihre Kinder aufgr<strong>und</strong> der eigenen<br />

Orientierungslosigkeit häufig nur unzureichend bei der Berufswahl unterstützen. Familiäre<br />

Konflikte, Verlust eines Elternteils, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Sucht- <strong>und</strong>/oder Kriminalitätserfahrungen,<br />

aber auch existenzielle Versorgungsmängel wie schlechte Ernährung,<br />

Verschuldung <strong>und</strong> unzureichende Wohnverhältnisse führen oft zu Beeinträchtigungen.<br />

Die soziale Herkunft zeigt sich auch in Sprache, Normen, Verhaltensweisen, Lebensstil,<br />

Wohnort <strong>und</strong> Bildungsverlauf sowie Berufsorientierung <strong>und</strong> Herangehensweise<br />

bei der <strong>Aus</strong>bildungsplatzsuche. Neben fachlichen dürften auch diese nichtfachlichen Einstellungskriterien<br />

bei der Einstellung einer bzw. eines <strong>Aus</strong>zubildenden für einen Betrieb<br />

eine Rolle spielen.<br />

Die Herkunft der Jugendlichen ist insofern bedeutsam, als sich Benachteiligungen für<br />

Migranten/-innen, <strong>Aus</strong>länder/innen, <strong>Aus</strong>siedler/innen oder Flüchtlingen unter anderem<br />

aus dem niedrigeren sozialen <strong>und</strong> beruflichen Status der Eltern sowie aus unzureichenden<br />

Kenntnissen der deutschen Sprache <strong>und</strong> einer damit eingeschränkten gesellschaftlichen<br />

Teilhabe ergeben können.<br />

Eine Eingrenzung dieser Benachteiligungsgründe in den verschiedenen Bereichen der<br />

amtlichen Statistik ist nur teilweise möglich. Während Angaben zum Geschlecht <strong>und</strong> zum<br />

<strong>Aus</strong>länderstatus durchweg gängig sind, fehlen in den meisten Fällen Angaben zur schulischen<br />

Vorbildung, zur sozialen Herkunft oder zum Status Migrant/in bzw. <strong>Aus</strong>siedler/in.<br />

Der Bericht stellt somit Daten zu den Bereichen Bevölkerung, allgemein bildende Schulen<br />

<strong>und</strong> Arbeitsmarkt (Beschäftigten- <strong>und</strong> Arbeitslosenstatistik) zusammen <strong>und</strong> beschreibt deren<br />

Verbindung zur <strong>Aus</strong>bildungssituation in der Region. Zudem wird der <strong>Aus</strong>bildungsmarkt selbst<br />

anhand der Berufsbildungsstatistik, der beruflichen Schulen <strong>und</strong> der Berufsvorbereitenden<br />

Bildungsmaßnahmen betrachtet. Die Unterschiede zwischen den Regionen werden herausgestellt<br />

<strong>und</strong> die in den jeweiligen Statistiken verfügbaren Merkmale zu Benachteiligungen<br />

dargestellt.<br />

2 Topografie<br />

Die aus dem Projektzusammenhang hervorgehende Abgrenzung der Region Niederrhein<br />

beinhaltet die Verwaltungseinheiten der kreisfreien Stadt Duisburg sowie der Kreise Kleve<br />

37


<strong>und</strong> Wesel (vgl. Abb. 1). Duisburg war im Jahr 2003 mit r<strong>und</strong> 506.000 Einwohnern die fünftgrößte<br />

Stadt Nordrhein-Westfalens. Sie gehört zum Kerngebiet des Ruhrgebiets <strong>und</strong> nimmt<br />

für die Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel oberzentrale Versorgungsfunktionen 1 wahr (bspw. durch<br />

Fachkliniken oder die Hochschule). Der Kreis Wesel befindet sich am nordwestlichen Rande<br />

des Ruhrgebiets <strong>und</strong> besteht aus neun Städten <strong>und</strong> vier Gemeinden, in denen im Jahr 2003<br />

r<strong>und</strong> 477.000 Menschen wohnten (vgl. auch Tab. 1). Im ländlich geprägten Kreis Kleve lebten<br />

r<strong>und</strong> 306.000 Menschen in acht Städten <strong>und</strong> acht Gemeinden (vgl. auch Tab. 1). Im Norden<br />

<strong>und</strong> Westen grenzt der Kreis Kleve an die Niederlande. Insgesamt ist das Gebiet der<br />

Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve größer als die Gebiete aller kreisfreien Städte des Ruhrgebietes<br />

zusammen.<br />

Abb. 1: Die Region Niederrhein<br />

Kranenburg<br />

Kleve<br />

Goch<br />

Kreis Kleve<br />

Fläche: 1.232 qkm<br />

Bevölkerung (2003): 305.599<br />

Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weeze<br />

Emmerich<br />

Bedburg-<br />

Hau<br />

Kalkar<br />

Uedem<br />

Kevelaer<br />

Straelen<br />

Geldern<br />

Sonsbeck<br />

Wachtendonk<br />

Rees<br />

Xanten<br />

Issum<br />

1<br />

Der deutsche Geograf Walter Christaller entwickelte in den dreißiger Jahren das System zentraler Orte. Die<br />

Orte höherer Hierarchiestufe (z. B. größere Städte) weisen dabei <strong>Aus</strong>stattungsmerkmale auf, die Orten niedrigerer<br />

Hierarchiestufe fehlen (z. B. bestimmte Verwaltungs- <strong>und</strong> Dienstleistungsfunktionen). In Deutschland<br />

wurde diese Struktur auf die Hierarchiestufen Unterzentren, Mittelzentren <strong>und</strong> Oberzentren übertragen (vgl.<br />

Heineberg 2003).<br />

38<br />

Alpen<br />

Rheurdt<br />

Kerken<br />

Kamp<br />

Lintfort<br />

Neukirchen<br />

Vluyn<br />

Hamminkeln<br />

Wesel<br />

Duisburg<br />

Fläche: 233 qkm<br />

Bevölkerung (2003): 506.496<br />

Voerde<br />

Rheinberg<br />

Moers<br />

Kreis Wesel<br />

Fläche: 1.042 qkm<br />

Bevölkerung (2003): 477.481<br />

Schermbeck<br />

Hünxe<br />

Dinslaken<br />

Duisburg


3 Bevölkerung<br />

In diesem Teil werden einige zentrale Angaben über die Bevölkerungsstruktur (z. B. Einwohnerdichte,<br />

<strong>Aus</strong>länderanteil) <strong>und</strong> die Bevölkerungsentwicklung gemacht. Die künftig zu erwartende<br />

Entwicklung der Jugendlichen ist insofern relevant, da hieraus das Nachfragepotenzial<br />

an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen grob abgeschätzt werden kann.<br />

3.1 Bevölkerungsstruktur<br />

In der Region Niederrhein lebten Ende 2003 r<strong>und</strong> 1,3 Mio. Menschen (vgl. Tab. 1). Dies entspricht<br />

7,1 % an der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens. Auf die kreisfreie Stadt Duisburg<br />

entfielen 39,3 % der Bevölkerung, auf den Kreis Kleve r<strong>und</strong> 23,7 % <strong>und</strong> auf den Kreis Wesel<br />

37,0 %. Der Anteil der Frauen an der Bevölkerung lag im Kreis Kleve bei 50,6 % <strong>und</strong> in den<br />

übrigen hier untersuchten Regionen bei 51,3 %.<br />

Die größte Einwohnerdichte wies die kreisfreie Stadt Duisburg auf (vgl. Tab. 1). Von den<br />

beiden Kreisen war der Kreis Wesel mit 458 Einwohnern pro Quadratkilometer fast doppelt<br />

so dicht besiedelt wie der Kreis Kleve mit nur 248 Einwohnern pro Quadratkilometer. Wie<br />

eine weiter differenzierende Analyse nach einzelnen Gemeinden <strong>und</strong> Städte zeigt, verteilten<br />

sich die Einwohner im Kreis Wesel heterogener über die einzelnen Gebiete als im Kreis Kleve.<br />

Die Spanne der Einwohnerdichte reichte im Kreis Kleve von 126 (Kranenburg) bis zu 502<br />

(Stadt Kleve) Einwohnern pro qkm <strong>und</strong> im Kreis Wesel von 123 (Schermbeck) bis zu 1.594<br />

(Moers) Einwohnern pro qkm. Die unterschiedliche Siedlungsstruktur in den drei Verwaltungsbezirken,<br />

die besonders hohe Einwohnerdichte in der kreisfreien Stadt Duisburg, der<br />

stärker besiedelte, da ans Ruhrgebiet angrenzende Kreis Wesel sowie der ländlich geprägte<br />

Kreis Kleve, wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt <strong>und</strong> damit auf den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt aus.<br />

So dürfte das Angebot an Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplätzen in Duisburg mengenmäßig größer,<br />

aber auch qualitativ differenzierter sein, als beispielsweise im stark ländlich geprägten<br />

Kreis Kleve, wo zum Beispiel die Landwirtschaft noch viel stärker vertreten ist. Dies macht<br />

sich auch bei der Zahl der Ein- bzw. <strong>Aus</strong>pendler bemerkbar, also derjenigen, die außerhalb<br />

ihres Wohnortes ihren Arbeitsplatz haben bzw. suchen müssen (vgl. weiter hinten Tab. 7).<br />

Am Niederrhein lebten Ende 2003 145.502 (11,3%) Einwohner mit ausländischer Nationalität<br />

(vgl. Tab. 1). Duisburg wies mit 16,5 % den höchsten <strong>Aus</strong>länderanteil auf, während die beiden<br />

Kreise gleichauf bei r<strong>und</strong> 8 % lagen <strong>und</strong> sich damit unterhalb des Landesdurchschnitts<br />

von 10,9 % befanden. Der vergleichsweise hohe <strong>Aus</strong>länderanteil in Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong><br />

dort insbesondere in den Regionen mit hoher Einwohnerdichte erfordert besondere Anstrengungen<br />

der Integrationspolitik.<br />

39


40<br />

Tab. 1: Die Bevölkerungsstruktur in den Gemeinden des Niederrheins (31.12.2003)<br />

Gebiet Kataster-<br />

fläche<br />

in qkm<br />

Bevölkerung Einwohner Geburten- Wanderungs- Veränderung (in %)<br />

Insgesamt Frauenanteil Anteil Nichtdeutsche<br />

je qkm bzw. Sterbeüberschussbilanz<br />

2003/<br />

2002<br />

2003/<br />

1993<br />

Duisburg, krfr. Stadt 233 506.496 51,3 16,5 2.176 -1.787 -381 -0,4 -5,6<br />

Kreis Kleve 1.232 305.599 50,6 7,9 248 -526 1.949 0,5 8,4<br />

- Bedburg-Hau 61 12.736 49,3 6,0 208 -47 289 1,9 3,7<br />

- Emmerich am Rhein, Stadt 80 29.276 51,1 13,1 365 -95 104 0,0 0,9<br />

- Geldern, Stadt 97 33.795 50,5 5,8 349 -27 237 0,6 9,6<br />

- Goch, Stadt 115 33.538 50,7 8,2 291 -42 204 0,5 10,2<br />

- Issum 55 12.218 51,4 3,9 223 -12 41 0,2 6,8<br />

- Kalkar, Stadt 88 13.996 51,3 6,3 159 -65 51 -0,1 16,7<br />

- Kerken 58 12.738 50,7 3,9 220 -12 109 0,8 6,7<br />

- Kevelaer, Stadt 100 27.824 51,1 6,2 277 13 220 0,8 10,7<br />

- Kleve, Stadt 98 49.105 51,4 9,8 502 -158 103 -0,1 2,6<br />

- Kranenburg 77 9.670 50,1 18,6 126 -21 146 1,3 16,6<br />

- Rees, Stadt 110 22.374 49,8 6,9 204 -50 213 0,7 14,4<br />

- Rheurdt 30 6.597 49,1 4,4 220 14 57 1,1 13,9<br />

- Straelen, Stadt 74 15.361 50,4 5,6 207 10 -50 -0,3 10,1<br />

- Uedem 61 8.501 50,2 5,6 139 -6 122 1,4 16,0<br />

- Wachtendonk 48 7.745 49,9 4,3 161 -10 86 1,0 12,3<br />

- Weeze 79 10.125 48,5 10,7 127 -18 17 0,0 10,7<br />

Kreis Wesel 1.042 477.481 51,3 8,0 458 -1.173 748 -0,1 4,0<br />

- Alpen 60 12.849 51,0 2,9 216 -30 84 0,4 9,2<br />

- Dinslaken, Stadt 48 70.857 51,2 9,7 1.486 -74 -262 -0,5 4,8<br />

- Hamminkeln, Stadt 164 27.403 50,5 5,3 167 3 14 0,1 5,6<br />

- Hünxe 107 13.717 51,5 2,4 128 -53 66 0,1 2,1<br />

- Kamp-Lintfort, Stadt 63 39.706 51,3 12,6 629 -126 -114 -0,6 -1,9<br />

- Moers, Stadt 68 107.903 51,6 10,2 1.594 -385 269 -0,1 1,2<br />

- Neukirchen-Vluyn, Stadt 43 28.809 51,7 8,9 663 -113 93 -0,1 4,7<br />

- Rheinberg, Stadt 75 32.015 51,1 5,0 426 -68 230 0,5 10,9<br />

- Schermbeck 111 13.656 50,3 2,2 123 -66 89 0,2 6,7<br />

- Sonsbeck 55 8.608 51,9 4,3 155 -50 45 -0,1 17,9<br />

- Voerde (Niederrhein), Stadt 53 38.849 51,2 6,5 726 -15 -96 -0,3 2,7<br />

- Wesel, Stadt 123 61.828 51,6 7,2 505 -82 -86 -0,3 1,2<br />

- Xanten, Stadt 72 21.281 51,5 5,3 294 -114 416 1,4 19,6<br />

Region Niederrhein 2.507 1.289.576 51,1 11,3 514 -3.486 2.316 -0,1 0,9<br />

Nordrhein-Westfalen 34.083 18.079.686 51,3 10,9 530 -30.910 34.241 0,0 1,8<br />

Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik; eigene Berechnungen.


Da <strong>Aus</strong>siedlerinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler ab einem Jahr nach ihrem Zuzug nicht mehr von den<br />

ansässigen Deutschen unterschieden werden (vgl. Deutscher B<strong>und</strong>estag 2002, S. 117), wird<br />

ihre Anzahl <strong>und</strong> ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung zwangsläufig unterschätzt. Zudem<br />

macht die amtliche Bevölkerungsstatistik keine Angaben zu <strong>Aus</strong>siedlern <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedlerinnen,<br />

so dass für die Darstellung der räumlichen Verteilung von <strong>Aus</strong>siedlerinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedlern<br />

hilfsweise die Schulstatistik als ein Indikator herangezogen werden musste – vergleiche<br />

hierzu Kapitel 1.3.<br />

Die Bilanz der natürlichen Bevölkerungsbewegung, also der Geburten <strong>und</strong> Sterbefälle, wies<br />

Ende 2003 in fast allen Gemeinden <strong>und</strong> Städten am Niederrhein ein negatives Vorzeichen<br />

auf, so dass die Sterbefälle überwogen (vgl. Tab. 1). Die räumlichen Bevölkerungsbewegungen<br />

bzw. Wanderungen, sprich die Zu- <strong>und</strong> Fortzüge, fielen regional unterschiedlich aus. In<br />

Duisburg überwogen die Fortzüge, im Kreis Wesel <strong>und</strong> insbesondere im Kreis Kleve die Zuzüge.<br />

<strong>Aus</strong> der natürlichen <strong>und</strong> räumlichen Bevölkerungsbewegung ergab sich gegenüber<br />

dem Vorjahr per Saldo für Duisburg ein Bevölkerungsrückgang von 2.168 Personen (-0,4 %).<br />

Für den Kreis Wesel ergab sich ebenfalls ein leichter Rückgang (-0,1 %), während im Kreis<br />

Kleve der Wanderungsüberschuss den negativen Saldo der natürlichen Bevölkerungsbewegung<br />

mehr als ausglich (0,5 %). Auch über einen längeren Zeitraum (1993 bis 2003) ergab<br />

sich für Duisburg ein Bevölkerungsrückgang. Die beiden Kreise gewannen allerdings hinzu –<br />

insbesondere der Kreis Kleve (8,4 %; vgl. Tab. 1). Eingehender wird die Entwicklung der<br />

Bevölkerung im folgenden Abschnitt behandelt.<br />

3.2 Bevölkerungsentwicklung<br />

Zwei Trends sind bei der gegenwärtigen Entwicklung der Bevölkerung zu beobachten, die<br />

sich in der Zukunft voraussichtlich noch verstärken werden <strong>und</strong> mit dem Stichwort „Demografischer<br />

Wandel“ umschrieben werden. Dies sind:<br />

• ein schrumpfender Bevölkerungsbestand <strong>und</strong><br />

• eine zunehmend älter werdende Bevölkerung.<br />

Beide Trends erklären sich zum einen aus den kontinuierlich sinkenden Geburtenraten <strong>und</strong><br />

zum anderen aus der gestiegenen Lebenserwartung. Auch wenn die Möglichkeit besteht,<br />

diese Tendenzen durch Zuwanderung etwas abzumildern, werden sie nicht mehr umgedreht<br />

werden können. So wird in der mittleren Variante der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung<br />

des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes (2003a) davon ausgegangen, dass die in<br />

Deutschland lebende Bevölkerung von derzeit r<strong>und</strong> 82,5 Millionen in den nächsten Jahren<br />

noch leicht anwachsen wird, aber ab dem Jahre 2013 zurückgehen wird bis auf 75 Millionen<br />

im Jahre 2050. In diesem Zeitraum wird sich die Altersstruktur der Bevölkerung derart verän-<br />

41


dern, dass bspw. die unter 20jährigen von 21 % in 2001 auf 16 % in 2050 fallen werden,<br />

während die Personen ab 65 Jahren von 17 % in 2001 auf 30 % in 2050 ansteigen werden<br />

(vgl. Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2003b, S. 42).<br />

Abb. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen von 1975 bis 2020<br />

220 %<br />

210 %<br />

200 %<br />

190 %<br />

180 %<br />

170 %<br />

160 %<br />

150 %<br />

140 %<br />

130 %<br />

120 %<br />

110 %<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

220 %<br />

210 %<br />

200 %<br />

190 %<br />

180 %<br />

170 %<br />

160 %<br />

150 %<br />

140 %<br />

130 %<br />

120 %<br />

110 %<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

1975<br />

1975<br />

1980<br />

1980<br />

1985<br />

Duisburg Kreis Kleve<br />

1990<br />

1995<br />

2000<br />

2004<br />

2010<br />

2015<br />

2020<br />

42<br />

1975<br />

Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />

1985<br />

1990<br />

1995<br />

2000<br />

2004<br />

2010<br />

2015<br />

2020<br />

1975<br />

1980<br />

1980<br />

1985<br />

1985<br />

1990<br />

1990<br />

1995<br />

1995<br />

2000<br />

2000<br />

2004<br />

2010<br />

2015<br />

2020<br />

2004<br />

2010<br />

2015<br />

2020<br />

220 %<br />

210 %<br />

200 %<br />

190 %<br />

180 %<br />

170 %<br />

160 %<br />

150 %<br />

140 %<br />

130 %<br />

120 %<br />

110 %<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

220 %<br />

210 %<br />

200 %<br />

190 %<br />

180 %<br />

170 %<br />

160 %<br />

150 %<br />

140 %<br />

130 %<br />

120 %<br />

110 %<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

0-15 Jahre 15-25 Jahre 25-65 Jahre 65 Jahre <strong>und</strong> älter Gesamt<br />

Quelle: LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />

Nach den Bevölkerungsprognosen des Landesamtes für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik<br />

Nordrhein-Westfalen (abgekürzt: LDS NRW) werden sich diese Megatrends auch in den hier<br />

untersuchten Regionen niederschlagen, allerdings mit eigenen regionalen Akzenten. So hat<br />

in der kreisfreien Stadt Duisburg schon seit längerem ein Bevölkerungsschw<strong>und</strong> eingesetzt,<br />

der voraussichtlich auch in Zukunft nicht zu stoppen sein wird (vgl. Abb. 2 <strong>und</strong> Tab. 2). Im<br />

Kreis Kleve wird hingegen die Bevölkerung voraussichtlich weiterhin kontinuierlich zunehmen,<br />

allerdings mit abnehmender Zuwachsrate. Im Kreis Wesel <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />

wird das Bevölkerungsniveau des Jahres 2003 bis etwa 2010 gehalten <strong>und</strong> dann in den<br />

nächsten 10 Jahren kaum merklich etwa 1 % abnehmen. Im Gegensatz zu den zuvor ge-


nannten Regionen verzeichnet die Stadt Duisburg bereits schon heute hohe Rückgänge, die<br />

sich in der Zukunft voraussichtlich weiter verstärken werden.<br />

Der zweite Trend, die Verschiebung in der Altersstruktur, ist allerdings bereits in allen untersuchten<br />

Regionen deutlich zu erkennen. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich ergaben sich aber<br />

schon in der Vergangenheit (seit 1975) deutliche Umwälzungen, die sich in der Zukunft, hier<br />

für die Jahre 2010, 2015 <strong>und</strong> 2020, fortsetzen werden. Die Altersgruppe der bis unter<br />

15jährigen, die noch die allgemein bildenden Schulen besucht, wird in Zukunft die stärksten<br />

Verluste aufweisen, während auf der anderen Seite die Gruppe der Älteren stark anwachsen<br />

wird (vgl. Tab. 2). Insgesamt zeigen die Prognosen schon für die kommenden 15 Jahre gravierende<br />

Umwälzungen in der Altersstruktur in den hier untersuchten Regionen. Für die im<br />

Projektzusammenhang besonders interessierende Altersgruppe der 15 bis unter 25jährigen,<br />

die zum größten Teil eine Berufsbildende Schule zur Berufsvorbereitung, Berufsausbildung<br />

oder Höherqualifizierung besuchen, wird bis etwa 2010 noch zunehmen <strong>und</strong> dann ebenfalls<br />

zurückgehen. Dies dürfte sich auch in einer zunächst ansteigenden Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />

bemerkbar machen, vorausgesetzt, die Zahl der Hochschulabsolventen steigt<br />

nicht unerwartet stark an. Sollte das Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen nicht genügen, werden<br />

die Jugendlichen alternative Möglichkeiten wahrnehmen müssen, soweit diese von den beruflichen<br />

Schulen, der Agentur für Arbeit oder anderen Bildungsträgern in der Region angeboten<br />

werden. Zu prüfen wäre an dieser Stelle, ob der personelle <strong>und</strong> räumliche Bestand an<br />

den beruflichen Schulen dem Anstieg in den nächsten Jahren gewachsen ist, der allerdings<br />

nur vorübergehend sein wird, denn bis 2020 wird sich die Zahl der 15 bis unter 25jährigen<br />

wieder reduziert haben. Anstieg <strong>und</strong> Rückgang fallen dabei regional unterschiedlich stark<br />

aus. Im Kreis Kleve mit seiner überdurchschnittlich positiven Bevölkerungsentwicklung wird<br />

2020 die Zahl der jungen Erwachsenen etwa gleichauf mit dem <strong>Aus</strong>gangsjahr 2003 sein (vgl.<br />

Tab. 2). In Duisburg <strong>und</strong> im Kreis Wesel wird es dagegen etwa 11 bis 13 % weniger junge<br />

Erwachsene geben. Langfristig wird es somit, entgegen der heutigen Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt,<br />

zu einem Mangel an jungen Fachkräften kommen (vgl. Bucher/Puhlmann<br />

2003, Rheinberg/Hummel 2002), besonders betroffen davon sind möglicherweise Duisburg<br />

<strong>und</strong> der Kreis Wesel.<br />

Da die amtliche Statistik keine getrennte Prognose der deutschen <strong>und</strong> nichtdeutschen Bevölkerung<br />

veröffentlicht hat, wird im Folgenden auf die Entwicklung der vergangenen Jahre<br />

zurückgegriffen (vgl. Tab. 3). Zum Vergleich ist die prozentuale Veränderung der deutschen<br />

Bevölkerung gegenübergestellt. Seit 1990 hatte die ausländische Bevölkerung in fast allen<br />

dargestellten Regionen überproportional zugenommen, lediglich der Kreis Wesel wies ein<br />

relativ ausgeglichenes Wachstum sowohl der ausländischen als auch der deutschen Einwohnerinnen<br />

<strong>und</strong> Einwohner auf. Somit stieg nach eigenen Berechnungen der Anteil der<br />

<strong>Aus</strong>länderinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder im Kreis Wesel von 7,8 % im Jahre 1990 auf 8,0 % im Jahre<br />

43


2003 <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen von 9,3 % auf 10,9 %. In Duisburg wuchs der <strong>Aus</strong>länderanteil<br />

von 14,6 % auf 16,5 % <strong>und</strong> im Kreis Kleve von 6,4 % auf 7,9 %.<br />

Tab. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen von 2003 bis 2020<br />

Alter von …<br />

bis unter …<br />

Entwicklung absolut Entwicklung in %<br />

Jahren<br />

Duisburg<br />

2003 2010 2020 2003 2010 2020<br />

0-15 75.817 65.459 60.513 100,0 86,3 79,8<br />

15-25 54.462 56.867 47.276 100,0 104,4 86,8<br />

25-65 274.283 258.679 247.920 100,0 94,3 90,4<br />

65 <strong>und</strong> älter 101.934 106.660 103.937 100,0 104,6 102,0<br />

Summe 506.496 487.665 459.646 100,0 96,3 90,8<br />

Kreis Kleve<br />

0-15 52.295 47.286 45.320 100,0 90,4 86,7<br />

15-25 35.289 40.328 35.698 100,0 114,3 101,2<br />

25-65 166.150 167.045 173.778 100,0 100,5 104,6<br />

65 <strong>und</strong> älter 51.865 59.839 68.678 100,0 115,4 132,4<br />

Summe 305.599 314.498 323.474 100,0 102,9 105,8<br />

Kreis Wesel<br />

0-15 74.500 64.839 59.288 100,0 87,0 79,6<br />

15-25 52.954 56.947 47.227 100,0 107,5 89,2<br />

25-65 263.665 258.378 255.717 100,0 98,0 97,0<br />

65 <strong>und</strong> älter 86.362 99.292 109.927 100,0 115,0 127,3<br />

Summe 477.481 479.456 472.159 100,0 100,4 98,9<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

0-15 2.828.849 2.551.414 2.394.301 100,0 90,2 84,6<br />

15-25 2.026.822 2.151.203 1.914.228 100,0 106,1 94,4<br />

25-65 9.932.265 9.729.682 9.809.593 100,0 98,0 98,8<br />

65 <strong>und</strong> älter 3.291.750 3.641.222 3.832.146 100,0 110,6 116,4<br />

Summe 18.079.686 18.073.521 17.950.268 100,0 100,0 99,3<br />

Quelle: LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />

Die Zunahme der ausländischen Bevölkerung basierte insbesondere auf dem Anstieg der<br />

25- bis unter 65jährigen, da sie zahlenmäßig die größte Gruppe bildeten (vgl. Tab. 3). Die<br />

kleinste Altersgruppe, die sich im Rentenalter befindlichen über 65jährigen, wies in den meisten<br />

Regionen den höchsten Anstieg aller Altersgruppen auf. Die Anzahl der ausländischen<br />

Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene nahmen hingegen – mit <strong>Aus</strong>nahme des Kreises<br />

Kleve – ab, <strong>und</strong> dies teilweise stärker als ihr deutsches Pendant. Die Zunahme der 0- bis<br />

15jährigen Deutschen sind noch die „<strong>Aus</strong>läufer“ des Baby-Booms aus den 60er Jahren – die<br />

Generation der Enkel (vgl. hierzu noch mal Abb. 2). Die bemerkenswerten, größeren Verluste<br />

bei den Nachkommen der nichtdeutschen Bevölkerung in Duisburg, im Kreis Wesel als<br />

auch in Nordrhein-Westfalen dürften zum Teil durch das geänderte Staatsangehörigkeitsgesetz<br />

(StAG) erklärbar sein. Neben dem schon vorher gültigen Abstammungsprinzip, wonach<br />

ein Kind mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhält, wenn ein Elternteil deutscher<br />

Staatsbürger ist, gilt ab dem 1. Januar 2000 zusätzlich das Geburtsrecht. In Deutschland<br />

geborene Kinder ausländischer Eltern, die dauerhaft hier leben, werden automatisch<br />

deutsche Staatsbürger (vgl. § 4 StAG).<br />

44


Tab. 3: Entwicklung der ausländischen Bevölkerung von 1990 bis 2003<br />

Alter<br />

von …<br />

bis<br />

unter ...<br />

Jahren 1990 2003<br />

Anzahl Veränderung<br />

2003 zu 1990<br />

(in %)<br />

<strong>Aus</strong>länder <br />

Deutsche<br />

45<br />

Anzahl Veränderung<br />

2003 zu 1990<br />

(in %)<br />

1990 2003<br />

<strong>Aus</strong>länder <br />

Deutsche<br />

Duisburg Kreis Kleve<br />

0-15 20.367 15.672 -23,1 5,0 2.543 3.004 18,1 13,8<br />

15-25 17.440 12.843 -26,4 -20,0 2.336 2.703 15,7 -8,2<br />

25-65 38.571 49.009 27,1 -14,6 9.988 15.716 57,3 10,3<br />

65 u. ä. 1.800 5.918 228,8 13,9 2.332 2.676 14,8 33,7<br />

Summe 78.178 83.442 6,7 -7,5 17.199 24.099 40,1 11,7<br />

Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />

0-15 8.782 6.477 -26,2 5,2 392.214 341.872 -12,8 8,9<br />

15-25 6.983 5.835 -16,4 -10,0 315.891 305.350 -3,3 -15,1<br />

25-65 17.685 23.017 30,1 2,0 862.769 1.191.244 38,1 -1,3<br />

65 u. ä. 1.021 2.632 157,8 46,7 41.408 126.689 206,0 23,2<br />

Summe 34.471 37.961 10,1 7,2 1.612.282 1.965.155 21,9 2,4<br />

Quelle: LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />

Die amtliche Bevölkerungsstatistik weist hinsichtlich der Herkunft deutliche Lücken <strong>und</strong> Unschärfen<br />

auf. Ein Konzept zur Erfassung des Migrationshintergr<strong>und</strong>s wie es in Stichprobenerhebungen<br />

wie PISA erhoben wird fehlt in der amtlichen Statistik völlig. Die Zahl der <strong>Aus</strong>siedlerinnen<br />

<strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler wird unterschätzt, da sie ein Jahr nach ihrem Zuzug nicht mehr<br />

von den ansässigen Deutschen unterschieden werden. Auch die Zahl der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

von <strong>Aus</strong>länderinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>ländern wird unterschätzt, da diese durch Geburt<br />

oder Einbürgerung nun leichter die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen können. Somit<br />

bleibt das mit der Migration verb<strong>und</strong>ene Problempotential zunehmend verborgen.<br />

Zusammenfassend kann folgendes zur Bevölkerungsstruktur <strong>und</strong> -entwicklung in der Region<br />

Niederrhein gesagt werden:<br />

• In der Stadt Duisburg <strong>und</strong> im Kreis Wesel lebten Ende 2003 jeweils r<strong>und</strong> eine halbe Millionen<br />

Menschen, im Kreis Kleve r<strong>und</strong> 300.000. Als Oberzentrum des Niederrheins ist<br />

Duisburg am dichtesten besiedelt, während der Kreis Wesel als Randregion des Ruhrgebiets<br />

mehrere größere Städte umfasst <strong>und</strong> damit gegenüber dem ländlich geprägten <strong>und</strong><br />

dünn besiedelten Kreis Kleve eine höhere Einwohnerdichte aufweist. Die unterschiedliche<br />

Siedlungsstruktur wirkt sich auch auf die Qualität (Branchenstruktur) <strong>und</strong> Quantität<br />

der angebotenen Arbeitsplätze <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsstellen aus.<br />

• Beim <strong>Aus</strong>länderanteil ist ebenfalls ein Stadt-Land-Gefälle sichtbar, in Duisburg lebten<br />

Ende 2003 16,5 % Nichtdeutsche <strong>und</strong> in den Kreisen lediglich 8 %.<br />

• Ein Vergleich der Jahre 2020 <strong>und</strong> 2003 zeigt, dass Duisburg voraussichtlich etwa 9 %<br />

seiner Einwohner verlieren wird, der Bevölkerungsbestand im Kreis Wesel recht stabil<br />

bleiben wird <strong>und</strong> im Kreis Kleve als einziger Region voraussichtlich noch ein Bevölke-


ungswachstum von r<strong>und</strong> 6 % stattfinden wird. Bei den 15 bis unter 25jährigen wird es bis<br />

etwa 2010 noch einen Anstieg geben, langfristig dann aber einen Rückgang. Bis 2020<br />

wird Duisburg 13 % <strong>und</strong> der Kreis Wesel 11 % dieser Altersgruppe verlieren, während<br />

der Kreis Kleve etwa wieder das Niveau von 2003 erreicht. Bezogen auf den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />

ist daher mittelfristig (bis 2010) mit einem Anstieg der Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />

zu rechnen, der zu einer weiteren Verschlechterung der <strong>Aus</strong>bildungsmarktlage<br />

führen kann. Langfristig ist (bis 2020) aber mit einer Abnahme der Jugendlichen<br />

zu rechnen, was wiederum zu einem Mangel an Nachwuchskräften führen könnte.<br />

4 Allgemein bildende Schulen<br />

Neben der Angebotsstruktur allgemein bildender Schulen in einer Region <strong>und</strong> dem Bildungsverhalten<br />

verschiedener Schülergruppen werden auch die Entwicklungen <strong>und</strong> regionalen<br />

Unterschiede bei den Schulabschlüssen dargestellt.<br />

4.1 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

Im Herbst 2004 besuchten r<strong>und</strong> 111.000 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine allgemein bildende<br />

Schule am Niederrhein. Das Gymnasium war mit einem Drittel der Schülerschaft die größte<br />

Schulform. Da beim Gymnasium <strong>und</strong> bei der Gesamtschule auch die gymnasiale Oberstufe<br />

(Sek<strong>und</strong>arbereich II) enthalten ist, wird das Größenverhältnis zugunsten dieser Schulen verzerrt.<br />

Dieses statistische Artefakt konnte für die übrigen in Tabelle 4 aufgeführten Merkmale<br />

nicht aufgehoben werden, wird diese Merkmale aber auch nicht wesentlich beeinflussen.<br />

Wird die gymnasiale Oberstufe herausgerechnet 2 <strong>und</strong> somit nur der Sek<strong>und</strong>arbereich I betrachtet,<br />

besuchten in Duisburg nicht 12.067 (vgl. Tab. 4) sondern nur 8.704 Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler ein Gymnasium. Der Anteil der Gesamtschule als stärkster Schulform stieg damit<br />

von 32,0 % auf 34,9 % an. Nach dieser Korrektur war im Kreis Kleve nicht mehr das<br />

Gymnasium, sondern mit 34,2 % die Hauptschule die am häufigsten gewählte Schulform.<br />

2 Die Berechnungen erfolgten mit Zahlen vom Ministerium für Schule, Jugend <strong>und</strong> Kinder NRW.<br />

46


47<br />

Tab. 4: Schulen sowie Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler 1)<br />

Region <strong>und</strong><br />

Schulart<br />

Schulen<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

Anzahl Verteilung (2004, in %) 2) Veränderung<br />

Anteil der … (2004, in %)<br />

1999 2004 99 zu 04<br />

(in %)<br />

gesamt Deutsche <strong>Aus</strong>länder <strong>Aus</strong>siedler Frauen <strong>Aus</strong>länder <strong>Aus</strong>siedler<br />

Duisburg<br />

- Sonderschule 17 2.486 2.798 12,6 6,9 6,1 10,1 0,5 38,7 31,5 0,1<br />

- Hauptschule 20 6.458 6.504 0,7 16,0 12,9 26,5 24,6 43,5 35,6 2,1<br />

- Realschule 10 5.336 6.339 18,8 15,6 17,1 10,7 6,8 50,1 14,8 0,6<br />

- Gymnasium 13 11.086 12.067 8,8 29,6 34,5 12,2 28,2 54,4 8,9 1,3<br />

- Gesamtschule 13 12.449 13.053 4,9 32,0 29,5 40,6 39,9 50,3 27,2 1,7<br />

- Freie Waldorfschule - - - - - - - - - - -<br />

Gesamt 73 37.815 40.761 7,8 100,0 100,0 100,0 100,0 49,6 21,5 1,4<br />

Kreis Kleve<br />

- Sonderschule 12 1.598 1.761 10,2 6,4 6,1 13,5 3,8 34,3 9,3 1,4<br />

- Hauptschule 22 8.011 8.547 6,7 31,0 29,0 52,1 71,6 44,2 7,4 5,5<br />

- Realschule 10 5.998 7.010 16,9 25,5 26,2 14,7 16,0 53,5 2,5 1,5<br />

- Gymnasium 12 8.664 9.136 5,4 33,2 34,6 16,9 8,3 52,7 2,2 0,6<br />

- Gesamtschule 1 384 1.085 182,6 3)<br />

3,9 4,1 2,7 0,3 50,6 3,0 0,2<br />

- Freie Waldorfschule - - - - - - - - - - -<br />

Gesamt 57 24.655 27.539 11,7 100,0 100,0 100,0 100,0 49,0 4,4 2,4<br />

Kreis Wesel<br />

- Sonderschule 14 1.877 2.306 22,9 5,5 5,1 9,4 3,3 36,6 16,0 1,3<br />

- Hauptschule 19 7.052 6.842 -3,0 16,2 13,6 37,1 32,8 40,8 21,3 4,4<br />

- Realschule 14 8.966 9.877 10,2 23,4 24,8 13,1 11,8 50,1 5,2 1,1<br />

- Gymnasium 14 12.902 13.374 3,7 31,7 34,2 9,7 20,4 54,1 2,8 1,4<br />

- Gesamtschule 9 8.387 9.363 11,6 22,2 21,1 30,6 31,6 48,4 12,8 3,1<br />

- Freie Waldorfschule 1 423 467 10,4 1,1 1,2 0,1 0,0 51,2 0,6 0,0<br />

Gesamt 71 39.607 42.229 6,6 100,0 100,0 100,0 100,0 48,8 9,3 2,2<br />

NRW<br />

- Sonderschule 708 91.621 104.400 13,9 6,8 2,4 12,7 5,1 35,6 22,0 2,9<br />

- Hauptschule 733 273.471 282.990 3,5 18,4 15,8 34,4 40,4 42,8 22,1 8,5<br />

- Realschule 554 314.348 344.387 9,6 22,4 24,0 17,0 24,3 50,3 9,0 4,2<br />

- Gymnasium 627 534.620 557.038 4,2 36,2 41,9 14,7 14,0 53,9 4,8 1,5<br />

- Gesamtschule 216 211.179 230.326 9,1 15,0 14,6 21,1 16,2 49,5 16,6 4,2<br />

- Freie Waldorfschule 49 14.522 17.821 22,7 1,2 1,4 0,2 0,0 51,1 1,8 0,0<br />

Gesamt 2.887 1.439.761 1.536.962 6,8 100,0 100,0 100,0 100,0 49,9 11,8 3,9<br />

Quelle: Ministerium für Schule, Jugend <strong>und</strong> Kinder NRW; eigene Berechnungen; Stichtag: 15.10. des Jahres.


Noch Notizen zu Tabelle 4<br />

1)<br />

Öffentliche <strong>und</strong> private Schulen.<br />

2)<br />

Prozentuale Verteilung über die Schulformen ohne Berücksichtigung des Weiterbildungskollegs.<br />

3)<br />

Der enorme Anstieg der Gesamtschüler im Kreis Kleve hängt mit der erst 1997 gegründeten <strong>und</strong> bisher einzigen<br />

Gesamtschule zusammen.<br />

Im Kreis Wesel lagen die Realschule (25,7 %), die Gesamtschule (24,4 %) <strong>und</strong> das Gymnasium<br />

(24,8 %) nun etwa gleichauf. Auch in Nordrhein-Westfalen verlor das Gymnasium Anteile,<br />

blieb aber mit 28,6 % weiterhin an der Spitze. Durch Herausnahme des Sek<strong>und</strong>arbereichs<br />

II wird die unterschiedliche Bildungsbeteiligung zwischen Regionen deutlicher hervorgehoben.<br />

Im gesamten B<strong>und</strong>esland dominierte das Gymnasium, in Duisburg die Gesamtschule,<br />

im Kreis Kleve die Hauptschule <strong>und</strong> im Kreis Wesel lagen Gymnasium, Gesamtschule<br />

<strong>und</strong> Realschule gleichauf. Als Folge der ungleichen Schulangebote bzw. Verteilung der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die Schulen werden sich später zwischen den Regionen auch<br />

Unterschiede bei den Schulabschlüssen ergeben. Ob hierdurch die Jugendlichen in einer<br />

Region bei der <strong>Aus</strong>bildungsplatzsuche benachteiligt werden, wird nur schwer nachzuprüfen<br />

sein. Als gesichert gilt, dass Regionen, die nur wenige Studienberechtigte in allgemein bildenden<br />

Schulen hervorbringen, letztlich auch weniger Studienanfänger aufweisen, da berufsbildende<br />

Schulen oder Kollegschulen diese Lücke über den zweiten Bildungsweg nicht<br />

mehr ausgleichen können.<br />

Wie die zurückliegende Entwicklung der Jahre 1999 bis 2004 zeigt, hat in allen Regionen die<br />

Zahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zugenommen (vgl. Tab. 4). Die geringsten Zuwachsraten<br />

wiesen die Hauptschulen <strong>und</strong> die Gymnasien auf, während die Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />

überdurchschnittlich profitierten. Bedenklich ist der überaus starke Anstieg der Schülerzahlen<br />

an den Sonderschulen, dessen Ursachen näher untersucht werden müssten.<br />

Der Frauenanteil in der Schülerschaft lag 2004 in allen Regionen knapp bei der Hälfte. In der<br />

Gesamtbevölkerung lag der Anteil leicht höher, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass<br />

Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer. Die geschlechtsspezifische Analyse<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nach Schulformen zeigt, dass sich der Anteil der Schülerinnen<br />

mit steigendem Bildungsniveau der Schulform deutlich erhöhte (vgl. Tab. 4). Zum Beispiel<br />

waren Mädchen in Nordrhein-Westfalen nur zu etwa einem Drittel an Sonderschulen,<br />

dafür aber zu über der Hälfte an Gymnasien vertreten – entsprechend umgekehrt sah es bei<br />

den Jungen aus. Demnach sollten die Mädchen bessere Chancen auf dem dualen <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />

haben als Jungen. Ein Blick in die Tabellen 11 <strong>und</strong> 3 zeigt jedoch, dass weibliche<br />

<strong>Aus</strong>zubildende bzw. Berufsschülerinnen unterrepräsentiert sind. Zu untersuchen wäre<br />

hier, ob Mädchen andere, höher qualifizierende <strong>Aus</strong>bildungswege einer dualen Berufsausbildung<br />

vorziehen.<br />

48


<strong>Aus</strong>ländische Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler waren in Nordrhein-Westfalen zu 11,8 % an allgemein<br />

bildenden Schulen vertreten (vgl. Tab. 4). Am Niederrhein ergaben sich deutliche regionale<br />

Unterschiede: Im Kreis Kleve waren nur 4,4 %, im Kreis Wesel 9,3 % <strong>und</strong> in der Stadt<br />

Duisburg gar 21,5 % der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ausländischer Herkunft. Bezogen auf die<br />

Schulform wiesen die höchsten <strong>Aus</strong>länderanteile Hauptschulen, Sonderschulen sowie Gesamtschulen<br />

auf.<br />

Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus <strong>Aus</strong>siedlerfamilien machten in Nordrhein-Westfalen 3,9 %<br />

aus, in den niederrheinischen Regionen lagen die Anteile etwas niedriger (vgl. Tab. 4). Die<br />

Schulform mit dem höchsten Anteil an <strong>Aus</strong>siedlern war die Hauptschule. Allein in Duisburg<br />

ergab sich eine relative Gleichverteilung über Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschule sowie Gymnasium.<br />

Die Verteilung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die einzelnen Schulformen zeigt deutliche<br />

Unterschiede im Bildungsverhalten der drei hier dargestellten Bevölkerungsgruppen. Bei den<br />

deutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern in Nordrhein-Westfalen dominierte mit 41,9 % das<br />

Gymnasium, während <strong>Aus</strong>länder (34,4 %) <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler (40,4 %) am häufigsten die Hauptschule<br />

besuchten (vgl. Tab. 4). Auffällig ist zudem der hohe Prozentsatz an ausländischen<br />

Jugendlichen, die eine Sonderschule besuchten.<br />

4.2 Schulabschlüsse<br />

Der Schulabschluss, mit dem die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die allgemein bildenden Schulen<br />

verlassen, ist ein zentrales Bindeglied zwischen Schul- <strong>und</strong> Beschäftigungssystem <strong>und</strong> damit<br />

ein wichtiger Baustein für die weitere berufliche Zukunft. Wie sich aus Abbildung 3 ergibt,<br />

haben sich die einzelnen Schulabschlüsse am Niederrhein von 1995 bis 2004 recht gleichmäßig<br />

entwickelt. Lediglich die Anzahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Fachhochschulreife<br />

war in den Jahren 2000 <strong>und</strong> 2001 sprunghaft angestiegen, um später aber wieder zu sinken.<br />

Dabei verlief die Entwicklung der Schulabschlüsse in den Regionen sehr unterschiedlich (vgl.<br />

Tab. 5).<br />

Ein regionaler Vergleich der Schulabschlüsse im Jahr 2004 zeigt, dass der Anteil der Absolventinnen<br />

<strong>und</strong> Absolventen mit Hochschulreife in allen drei niederrheinischen Regionen niedriger<br />

lag als der Landeswert (vgl. Tab. 5). Werden die Abschlüsse Fachhochschul- <strong>und</strong><br />

Hochschulreife zusammengefasst lag deren Anteil in Nordrhein-Westfalen bei 28,9 %, in<br />

Duisburg bei 27,1 %, im Kreis Wesel bei 24,4 % <strong>und</strong> im Kreis Kleve bei 19,2 %. Umgekehrt<br />

lag der Anteil Jugendlicher mit oder ohne Hauptschulabschluss <strong>und</strong> damit einem höheren<br />

Risikopotential für die berufliche Zukunft in Nordrhein-Westfalen bei 30,0 %, im Kreis Wesel<br />

bei 31,6 %, in Duisburg <strong>und</strong> im Kreis Kleve bei 36,3 %. Die unterschiedlichen Werte sind<br />

dabei nicht allein auf Problemlagen bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern zurückzuführen, die<br />

beispielsweise durch einen hohen <strong>Aus</strong>länder-/Migrantenanteil <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>enen<br />

49


Sprach- <strong>und</strong> Lernschwierigkeiten hervorgerufen werden. Duisburg wäre hier ein hervorstechendes<br />

Beispiel mit einem hohen Anteil (21,5 %) an ausländischen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern.<br />

Auch das regionale Angebot an Schulformen ist dafür verantwortlich, wie viele Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler eine Hochschulzugangsberechtigung erhalten können. Dies belegen die<br />

besonders niedrigen Werte des Kreises Kleve, der andererseits den niedrigsten <strong>Aus</strong>länderanteil<br />

aufweist, aber nur relativ wenige Studienberechtigte aus dem Schulsystem entlässt.<br />

Die Schulstruktur im Kreis Kleve (vergleichsweise hoher Bestand an Hauptschulen) ist allerdings<br />

nicht untypisch für einen ländlich geprägten Verwaltungsbezirk.<br />

Abb. 3: Entwicklung der Schulabschlüsse am Niederrhein<br />

250 %<br />

200 %<br />

150 %<br />

100 %<br />

50 %<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />

Quelle: LDS NRW; Stichtag: 15.10.; eigene Darstellung.<br />

Ohne<br />

Hauptschulabschluss<br />

Hauptschulabschluss<br />

Realschulabschluss<br />

Fachhochschulreife<br />

Hochschulreife<br />

Gesamt<br />

Tabelle 5 ermöglicht einen Vergleich der Anteile einzelner Schulabschlüsse zwischen den<br />

Jahren 1995 <strong>und</strong> 2004. In Duisburg nahmen die Absolventen ohne <strong>und</strong> mit Hauptschulabschluss<br />

von 39,9 % auf 34,0 % ab, während sich der mittlere (36,7 % auf 40,8 %) sowie die<br />

höheren Abschlüsse (23,3 % auf 25,2 %) verbesserten. Im Kreis Kleve blieben die unteren<br />

Abschlüsse konstant (34,5 % auf 34,4 %), der mittlere legte zu (42,5 % auf 45,8 %) <strong>und</strong> die<br />

höheren nahmen wiederum ab (23,0 % auf 19,7 %). Im Kreis Wesel nahmen die unteren<br />

Abschlüsse ab (31,7 % auf 30,3 %), der mittlere legte zu (42,4 % auf 45,3 %) <strong>und</strong> die Studienzugangsberechtigungen<br />

nahmen ab (25,9 % auf 24,4 %). In Nordrhein-Westfalen blieben<br />

die unteren (29,6 % auf 29,3 %) <strong>und</strong> höheren (29,6 % auf 29,1 %) Bildungsabschlüsse<br />

konstant, der Realschulabschluss stieg unmerklich von 40,8 % auf 41,6 % an. Zusammenfassend<br />

ist zu konstatieren, dass insbesondere der mittlere Abschluss gestärkt wurde. Da die<br />

Hochschulzugangsberechtigungen in den beiden Kreisen an Bedeutung verloren haben,<br />

dürfte sich dadurch die Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen erhöht haben. Erschreckend ist<br />

jedoch, dass – mit <strong>Aus</strong>nahme Duisburgs – die Schulabsolventinnen <strong>und</strong> Schulabsolventen<br />

ohne einen Schulabschluss seit 1995 zugenommen haben <strong>und</strong> andererseits die Studienbe-<br />

rechtigten abnehmen. Unter der Annahme eines weiterhin steigenden Qualifikationsbedarfs<br />

50


der Wirtschaft, wie dies in Bedarfsprognosen unterstellt wird (vgl. BLK 2002), <strong>und</strong> eines langfristigen<br />

Rückgangs von Nachwuchskräften, wie dies die Bevölkerungsprognosen voraussagen,<br />

öffnet sich die Schere zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage um so stärker, wenn die<br />

Schulabgänger nicht die von der Wirtschaft geforderten Qualifikationen mitbringen. Die beruflichen<br />

Schulen sollten daher versuchen, die nicht erreichten Schulabschlüsse über den<br />

zweiten Bildungsweg zu vermitteln. Zudem sollten Maßnahmen zur Förderung der Erlangung<br />

der Hochschulreife ergriffen werden, um den Hochtechnologiestandort Deutschland nicht zu<br />

gefährden. Nicht nur die hier abgebildeten Zahlen belegen eine Umkehr von der Bildungsexpansion,<br />

auch der Vergleich verschiedener Altersgruppen widerlegt mittlerweile die Annahme,<br />

dass besser qualifizierte jüngere Generationen an die Stelle schlechter qualifizierter älterer<br />

treten werden (vgl. Rheinberg/Hummel 2002, S. 594).<br />

Tab. 5: Struktur <strong>und</strong> Entwicklung der Schulabschlüsse<br />

1, 2)<br />

Schulabschlüsse<br />

Duisburg Kreis Kleve<br />

absolut in % Veränd. absolut in % Veränd.<br />

2004 1995 2004 ´95-´04 2004 1995 2004 ´95-´04<br />

Ohne HS-Abschluss 478 10,1 8,9 -0,4 245 5,8 6,7 52,2<br />

Hauptschulabschluss 1.344 29,8 25,1 -5,3 1.013 28,7 27,7 26,2<br />

Realschulabschluss 2.185 36,7 40,8 25,1 1.675 42,5 45,8 40,9<br />

Fachhochschulreife 151 2,3 2,8 39,8 58 1,1 1,6 93,3<br />

Hochschulreife 1.200 21,1 22,4 19,9 663 22,0 18,1 8,0<br />

Sonstiger Abschluss 3)<br />

- - - - - - - -<br />

Gesamt 5.358 100,0 100,0 12,7 3.654 100,0 100,0 30,6<br />

1, 2)<br />

Schulabschlüsse<br />

Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />

absolut in % Veränd. absolut in % Veränd.<br />

2004 1995 2004 ´95-´04 2004 1995 2004 ´95-´04<br />

Ohne HS-Abschluss 367 5,8 6,3 36,4 14.408 6,0 6,9 35,6<br />

Hauptschulabschluss 1.405 25,9 24,0 16,5 46.511 23,6 22,4 11,0<br />

Realschulabschluss 2.646 42,4 45,3 33,9 86.601 40,8 41,6 19,4<br />

Fachhochschulreife 144 1,9 2,5 60,0 6.735 2,2 3,2 72,3<br />

Hochschulreife 1.282 24,0 21,9 14,6 53.733 27,4 25,8 10,1<br />

Sonstiger Abschluss 3)<br />

- - - - - - - -<br />

Gesamt 5.844 100,0 100,0 25,4 207.988 100,0 100,0 17,0<br />

Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik; eigene Berechnungen.<br />

1)<br />

an öffentlichen <strong>und</strong> privaten Schulen (Sonder-, Haupt-, Real-, Gesamtschule, Gymnasium, Freie<br />

Waldorfschule <strong>und</strong> Schulen der allgemeinen Fortbildung/Weiterbildungskolleg).<br />

2)<br />

am Ende des Schuljahres.<br />

3)<br />

Schulabgängerinnen <strong>und</strong> -abgänger aus dem berufsbildenden Bereich der freien Waldorfschulen<br />

bzw. Abendrealschulen.<br />

Tabelle 5 ergänzend sind in Tabelle 6 die Schulabschlüsse für die drei Gruppen Deutsche,<br />

Nichtdeutsche <strong>und</strong> Frauen dargestellt. Das unterschiedliche Bildungsverhalten von deutschen<br />

<strong>und</strong> nichtdeutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern zeigt sich nicht nur beim Besuch der<br />

Schularten, sondern auch im Bildungserfolg – gemessen am Schulabschluss. In allen untersuchten<br />

Regionen zeigte sich, dass ausländische Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ihre Schulausbildung<br />

mit vergleichsweise deutlich niedrigeren Abschlüssen beendeten.<br />

51


Auch zwischen den Geschlechtern bestanden deutliche Unterschiede, sowohl bei deutschen<br />

als auch nichtdeutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern. Die Mädchen schnitten hinsichtlich der<br />

Bildungsabschlüsse deutlich besser ab als die (hier nicht dargestellten) Jungen (vgl. Tab. 6).<br />

Im Kreis Kleve kam es unter den weiblichen <strong>und</strong> männlichen Nichtdeutschen zu „von der<br />

Norm“ abweichenden Ergebnissen, was aber auf die sehr kleine Population von 76 männlichen<br />

<strong>und</strong> 74 weiblichen ausländischen Schülern zurückzuführen sein dürfte.<br />

Tab. 6: Schulabschlüsse bei Deutschen, <strong>Aus</strong>ländern <strong>und</strong> Frauen (2004)<br />

1, 2)<br />

Schulabschlüsse<br />

Duisburg Kreis Kleve<br />

Deutsche Nichtdeutsche Deutsche Nichtdeutsche<br />

gesamt weibl. gesamt weibl. gesamt weibl. gesamt weibl.<br />

Ohne HS-Abschluss 7,9 6,2 12,8 10,4 6,3 4,1 16,0 12,2<br />

Hauptschulabschluss 22,2 20,1 36,0 33,1 26,8 23,9 49,3 55,4<br />

Realschulabschluss 41,8 42,6 36,8 38,8 46,5 49,1 29,3 31,1<br />

Fachhochschulreife 2,9 3,5 2,6 2,5 1,7 1,6 0,0 0,0<br />

Hochschulreife 25,2 27,7 11,9 15,2 18,7 21,2 5,3 1,4<br />

Sonstiger Abschluss 3)<br />

0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0<br />

Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />

1, 2)<br />

Schulabschlüsse<br />

Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />

Deutsche Nichtdeutsche Deutsche Nichtdeutsche<br />

gesamt weibl. gesamt weibl. gesamt weibl. gesamt weibl.<br />

Ohne HS-Abschluss 6,0 3,7 8,5 6,7 6,0 4,4 13,9 10,8<br />

Hauptschulabschluss 21,6 18,5 45,6 43,8 20,5 17,1 35,9 33,6<br />

Realschulabschluss 46,2 46,6 37,2 37,8 42,4 43,3 36,4 39,7<br />

Fachhochschulreife 2,6 2,4 1,4 1,7 3,3 3,5 2,9 3,3<br />

Hochschulreife 23,6 28,7 7,3 10,0 27,9 31,7 10,9 12,6<br />

Sonstiger Abschluss 3)<br />

0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0<br />

Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />

Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik; eigene Berechnungen.<br />

1)<br />

an öffentlichen <strong>und</strong> privaten Schulen (Sonder-, Haupt-, Real-, Gesamtschule, Gymnasium, Freie<br />

Waldorfschule <strong>und</strong> Schulen der allgemeinen Fortbildung/Weiterbildungskolleg).<br />

2)<br />

am Ende des Schuljahres.<br />

3)<br />

Schulabgängerinnen <strong>und</strong> -abgänger aus dem berufsbildenden Bereich der freien Waldorfschulen<br />

bzw. Abendrealschulen.<br />

Zusammenfassend kann über das allgemein bildende Schulwesen folgendes gesagt werden:<br />

• Der Anteil der weiblichen Schüler erhöht sich mit steigendem Bildungsniveau; auf Gymnasien<br />

liegt der Frauenanteil bei über der Hälfte. Trotz dieser guten <strong>Aus</strong>gangssituation<br />

sind die Mädchen bei der Berufsausbildung unterrepräsentiert. Auch zwischen den Bevölkerungsgruppen<br />

bestanden große Unterschiede im Bildungsverhalten. Die am häufigsten<br />

besuchte Schulform in Nordrhein-Westfalen war bei deutschen Schülern das<br />

Gymnasium (42 %), bei <strong>Aus</strong>ländern (34 %) sowie <strong>Aus</strong>siedlern (40 %) die Hauptschule,<br />

so dass <strong>Aus</strong>länder <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler dadurch schon eine schlechtere <strong>Aus</strong>gangslage aufweisen.<br />

Bei den Schulabschlüssen setzten sich diese Tendenzen fort.<br />

52


• Die von den meisten Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern besuchte Schulform war 2004 im Sek<strong>und</strong>arbereich<br />

I die Gesamtschule für Duisburg, die Hauptschule für den Kreis Kleve <strong>und</strong><br />

– mit jeweils einem Viertel gleichauf – die Realschule, das Gymnasium <strong>und</strong> die Gesamtschule<br />

für den Kreis Wesel. Das Erreichen bestimmter Schulabschlüsse ist neben der<br />

Zusammensetzung der Schülerpopulation (z. B. hoher Anteil an Migranten bzw. <strong>Aus</strong>ländern<br />

wie in Duisburg mit 21,5 %, im Gegensatz dazu im Kreis Kleve nur 4,4 %) auch von<br />

dem in der Region vorhandenen Angebot an Schulen abhängig. So lag der Anteil der<br />

Studienberechtigten im Kreis Kleve niedriger als bspw. im Kreis Wesel. Insgesamt war<br />

das Bildungsniveau am Niederrhein niedriger als im Landesdurchschnitt.<br />

• Die Entwicklung der Schulabschlüsse macht deutlich, dass die Zeiten der Bildungsexpansion<br />

offensichtlich vorbei sind. Schulabsolventen ohne oder mit Hauptschulabschluss<br />

nehmen zu <strong>und</strong> Studienberechtigte nehmen ab, allerdings wurde auch der Realschulabschluss<br />

gestärkt. Dies dürfte mittelfristig dazu führen, dass neben den steigenden Absolventenzahlen<br />

der Nachfragedruck im Dualen System weiter steigen wird. Langfristig werden<br />

aber aufgr<strong>und</strong> der dann wieder sinkenden Absolventenzahlen Nachwuchsprobleme<br />

entstehen, die qualitativ dadurch verschärft werden, dass Angebot <strong>und</strong> Bedarf an Schulabschlüssen<br />

nicht übereinstimmen.<br />

5 Arbeitsmarkt<br />

Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind von entscheidender Bedeutung für den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt,<br />

wobei die zwei „Märkte“ nur in analytischer Hinsicht voneinander getrennt werden<br />

können. Der Arbeitsmarkt wird klassisch in eine Angebotsseite (Arbeitnehmer) <strong>und</strong> eine<br />

Nachfrageseite (Betriebe bzw. Arbeitgeber) unterteilt. Abbildung 4 stellt das Erwerbspersonenpotenzial,<br />

unterteilt nach verschiedenen Personengruppen, der Arbeitskräftenachfrage<br />

gegenüber, die hier in Form von Arbeitsstellen dargestellt ist.<br />

Bei den abhängig Beschäftigten sowie den Selbstständigen <strong>und</strong> mithelfenden Familienangehörigen<br />

sind Angebot <strong>und</strong> Nachfrage quasi übereingekommen – diese Personen sind erwerbstätig,<br />

sie besetzen eine Stelle. Die größte Gruppe der Erwerbstätigen sind die sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten, zu denen die amtliche Statistik eine Vielzahl von Daten<br />

liefert. Insofern ist eine Analyse dieser Personengruppe hinsichtlich ihrer Struktur <strong>und</strong> der<br />

sich im Laufe der Zeit vollziehenden Entwicklungen relativ unproblematisch möglich. Eine<br />

ähnlich gute Datenlage existiert bei den Arbeitslosen, die einen Teil des nicht realisierten<br />

Arbeitskräfteangebots repräsentieren.<br />

Für die restlichen Personengruppen <strong>und</strong> die den Agenturen für Arbeit nicht gemeldeten Stellen<br />

liegen hingegen kaum bzw. keine im Arbeitsprozess der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit oder<br />

anderer Institutionen erstellten Daten vor. Hier müsste auf amtliche oder sozialwissenschaft-<br />

53


liche Stichprobenerhebungen, wie bspw. dem Mikrozensus, ausgewichen werden, mit denen<br />

vielfältige, aktuelle Bereiche des Arbeitslebens erforscht werden können. Da mit Stichprobenerhebungen,<br />

im Gegensatz zu Vollerhebungen, aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung<br />

befragt wird, lassen sich die Ergebnisse i. d. R. kaum für kleinräumige Regionalanalysen<br />

nutzen, da sie in diesem Falle mit zu hohen Ungenauigkeiten belastet wären. <strong>Aus</strong> diesen<br />

Gründen beschränken sich die Analysen in den folgenden Abschnitten auf die sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten <strong>und</strong> die Arbeitslosen.<br />

Abb. 4: Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt<br />

den Arbeitsagenturen<br />

nicht<br />

gemeldet<br />

gemeldet<br />

nicht realisiert<br />

(unbesetzte Stellen)<br />

Sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte<br />

Arbeits(kräfte)angebot, Erwerbs(personen)potenzial<br />

realisiert<br />

(Erwerbstätige)<br />

Erwerbspersonenangebot<br />

Abhängig Beschäftigte<br />

Geringfügig/<br />

sozialversicherungsfreie<br />

Beschäftigte<br />

54<br />

Beamte,<br />

Richter,<br />

Soldaten<br />

realisiert<br />

(besetzte Stellen)<br />

Arbeits(kräfte)nachfrage<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit; eigene Darstellung.<br />

Selbstständige<br />

<strong>und</strong><br />

mithelfende<br />

Familienangehörige<br />

nicht realisiert<br />

(Beschäftigungslose)<br />

Arbeits-<br />

lose<br />

Stille<br />

Reserve 1<br />

1 „Nicht erwerbstätige Personen, die Arbeit suchen, ohne bei den Arbeitsämtern als Arbeitslose registriert<br />

zu sein, oder die bei aufnahmefähigerem Arbeitsmarkt ihre Arbeitskraft anbieten würden (Stille<br />

Reserve insgesamt). Z.T. handelt es sich bei der Stillen Reserve um beschäftigungslose Personen<br />

in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, als insbesondere in Vollzeitmaßnahmen beruflicher Weiterbildung<br />

(einschl. zur beruflichen Wiedereingliederung Behinderter <strong>und</strong> Deutsch-Sprachkursen) <strong>und</strong><br />

im Vorruhestand oder ähnlichen Maßnahmen. Bereinigt man die Stille Reserve insgesamt um diese<br />

beschäftigungslosen Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, gelangt man zur (traditionellen)<br />

Stillen Reserve i.e.S.“ (BA 2005)<br />

5.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

Im Folgenden werden die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als Ganzes sowie auch<br />

bestimmte Subgruppen (bspw. Frauen, <strong>Aus</strong>länder <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>zubildende) anhand verschiedener<br />

Merkmale untersucht. Betrachtet werden die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />

am Arbeitsort (also inklusive der Einpendler), da diese im Gegensatz zu den sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten am Wohnort, einen Einblick in die Wirtschaftsstruktur der jeweiligen<br />

Region erlauben.


• Entwicklung der Beschäftigten<br />

Die Entwicklung der Beschäftigten verlief in den untersuchten Regionen sehr unterschiedlich,<br />

auch wenn sie einer übergeordneten Bewegung zu folgen scheint (vgl. Abb. 5). Im Kreis Kleve<br />

verlief die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort bisher<br />

am positivsten, letztlich ergab sich ein positiver Saldo von +8,8 %, was sicherlich auch mit<br />

dem starken Bevölkerungszuzug in diese Region zu tun hat. Für die übrigen Regionen ergab<br />

sich ein negativer Saldo. Am stärksten betroffen war Duisburg, das Anfang bis Mitte der 90er<br />

Jahre große Verluste bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen hinnehmen<br />

musste. Diese Entwicklungen dürften sich ähnlich auch bei dem Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />

wieder finden.<br />

Abb. 5: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort<br />

Anzahl Veränderung<br />

120 %<br />

120 %<br />

2004 1990-2004<br />

absolut in %<br />

110 %<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

1990<br />

1992<br />

1994<br />

1996<br />

1998<br />

2000<br />

2002<br />

2004<br />

110 %<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

55<br />

Duisburg 154.292 -31.130 -16,8<br />

Kreis<br />

Kleve 74.481 6.001 8,8<br />

Kreis<br />

Wesel 113.171 -2.144 -1,9<br />

Niederrhein<br />

341.944 -27.273 -7,4<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen 5.631.485 -248.729 -4,2<br />

Quelle: LDS NRW; B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; eigene Berechnungen (Stichtag: 30.06.).<br />

• Ein <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>pendler<br />

Wie die Pendlerbewegungen zeigen, fallen Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsort bei den sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten oftmals auseinander (vgl. Tab. 7). Die Hälfte aller in Nordrhein-<br />

Westfalen wohnenden Beschäftigten musste im Jahr 2002 pendeln. In Duisburg waren es<br />

nur 40,9 %, im Kreis Kleve aber 60,2 % <strong>und</strong> im Kreis Wesel sogar 68,2 %. Nach einer Analyse<br />

von Schrumpf <strong>und</strong> Budde (1999, S. 14) mit Daten aus dem Jahre 1994 waren die drei<br />

wichtigsten Arbeitsorte für Beschäftigte aus:<br />

• Duisburg Düsseldorf, Kreis Wesel <strong>und</strong> Mühlheim,<br />

• dem Kreis Kleve Kreis Wesel, Krefeld <strong>und</strong> Duisburg <strong>und</strong><br />

• dem Kreis Wesel Duisburg, Krefeld <strong>und</strong> Düsseldorf.<br />

Zwischen den drei niederrheinischen Regionen bestand somit ein enges wirtschaftliches<br />

Geflecht, wobei Duisburg insofern eine zentrale Position innehatte, als es jeweils unter den


wichtigsten drei Arbeitsorten für Beschäftigte aus den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel aufgeführt<br />

ist. Wie sich die Pendlersituation für die <strong>Aus</strong>zubildenden darstellt kann anhand der vorliegenden<br />

Daten zwar nicht geklärt werden. Zu vermuten ist jedoch, dass in Regionen, in denen<br />

viele Beschäftigte auswärts arbeiten, dies auch für die <strong>Aus</strong>zubildenden gilt. <strong>Aus</strong>zubildende<br />

unter 18 Jahren bzw. ohne Führerschein oder ohne eigenes motorisiertes Fahrzeug<br />

sind daher auf einen gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Insgesamt<br />

werden Ihnen aber weniger Berufsmöglichkeiten offen stehen, als Jugendlichen in Regionen<br />

mit einer guten Wirtschaftsstruktur oder mit eigener Fahrmöglichkeit.<br />

Neben dem Pendlersaldo weist auch die Arbeitsmarktzentralität (AMZ) darauf hin, dass es in<br />

Duisburg mehr Einpendler gab, während in den beiden Kreisen die <strong>Aus</strong>pendler überwogen<br />

<strong>und</strong> zwar in ähnlich er Höhe (vgl. Tab. 7).<br />

Tab. 7: Ein- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>pendler nach Geschlecht am 30.06.2002<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

am Arbeitsort am Wohnort<br />

Pendler-<br />

gesamt darunter gesamt darunter <strong>Aus</strong>pendsaldo Einpendler<br />

<strong>Aus</strong>pendler ler (in %)<br />

Duisburg 155.894 65.267 153.387 62.760 40,9 2.507 104,0<br />

Kreis Kleve 76.353 40.332 90.449 54.428 60,2 -14.096 74,1<br />

Kreis Wesel 118.663 71.767 147.532 100.636 68,2 -28.869 71,3<br />

NRW 5.889.812 2.986.323 5.785.552 2.882.063 49,8 104.260 103,6<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; eigene Berechnungen.<br />

Notiz: Die Arbeitsmarktzentralität (AMZ) ist ein Maß zur Beschreibung des Verhältnisses von Ein<strong>und</strong><br />

<strong>Aus</strong>pendlern: AMZ = (Einpendler / <strong>Aus</strong>pendler) * 100.<br />

• Die Branchenstruktur<br />

Eine Übersicht über die Branchenstrukturen in den darzustellenden Regionen gibt Tabelle 14<br />

im Anhang. In Nordrhein-Westfalen waren Mitte 2002 etwa zwei Drittel im tertiären Sektor<br />

(Dienstleistungen), etwa ein Drittel im sek<strong>und</strong>ären Sektor (Produzierendes Gewerbe) <strong>und</strong><br />

r<strong>und</strong> 1 % primären Sektor (Agrarbereich) beschäftigt. Innerhalb des sek<strong>und</strong>ären Sektors waren<br />

der ehemals für Nordrhein-Westfalen bedeutsame Bergbau sowie die Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung<br />

mit r<strong>und</strong> 1 % vertreten. Einen gewichtigeren Anteil an Beschäftigten hatten<br />

das Baugewerbe mit 5,9 % sowie die beiden zum Verarbeitenden Gewerbe zählenden Branchen<br />

Metallerzeugung <strong>und</strong> -bearbeitung (6,5 %) <strong>und</strong> Maschinenbau (4,0 %). Innerhalb des<br />

tertiären Sektors waren die größten Wirtschaftszweige der Handel, das Ges<strong>und</strong>heits-, Veterinär-<br />

<strong>und</strong> Sozialwesen sowie die Dienstleistungen für Unternehmen (jeweils über 10 %).<br />

Weiterhin bedeutsam waren die Bereiche öffentliche Verwaltung, Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung<br />

sowie Erbringung öffentlicher <strong>und</strong> privater Dienstleistungen (mit jeweils etwa<br />

5 %).<br />

Die Struktur ist in den drei niederrheinischen Regionen ähnlich, so dass folgend nur auf „pro-<br />

filbildende“ Abweichungen eingegangen wird. So ist die Stadt Duisburg ein bedeutendes<br />

56<br />

AMZ


Zentrum der Stahlindustrie, was an dem weit über dem Landesdurchschnitt liegenden Beschäftigtenanteil<br />

dieser Branche abzulesen ist (15,4 %; vgl. Tab. 14 im Anhang). Zudem gilt<br />

der Duisburger Hafen als größter Binnenhafen Europas, was sich positiv auf den übrigen<br />

Logistikbereich ausgewirkt haben dürfte, da auch die Verkehrssparte Mitte 2002 mit 9,4 %<br />

überdurchschnittlich viele Beschäftigte aufwies. Der Kohlenbergbau war mit etwa 2,3 % noch<br />

überdurchschnittlich stark vertreten.<br />

Im Kreis Wesel war der sek<strong>und</strong>äre Sektor stärker ausgeprägt, als in den beiden anderen<br />

Regionen, was auf den vergleichsweise sehr hohen Beschäftigtenanteil im Kohlenbergbau<br />

(6,7 %), bei der Gewinnung von Steinen <strong>und</strong> Erden (0,9 %) <strong>und</strong> im Baugewerbe (8,6 %) zurückzuführen<br />

ist (vgl. Tab. 14 im Anhang). Das Verarbeitende Gewerbe <strong>und</strong> die meisten darunter<br />

zusammengefassten Branchen waren hingegen unterdurchschnittlich ausgeprägt, mit<br />

<strong>Aus</strong>nahme der beiden Bereiche „Herstellung von Büromaschinen etc.“ (4,8 %) <strong>und</strong> „Glasgewerbe,<br />

Keramik, Verarbeitung von Steinen <strong>und</strong> Erden“ (1,6 %). Der Dienstleistungssektor<br />

war dagegen schwächer ausgebildet, wobei eine größere negative Abweichung nur bei den<br />

Dienstleistungen für Unternehmen zu beobachten war.<br />

Im Kreis Kleve ist der Agrarbereich mit 4,1 % vergleichsweise stark ausgeprägt, während<br />

das Produzierende Gewerbe durchschnittlich <strong>und</strong> der Dienstleistungssektor etwas unterdurchschnittlich<br />

vertreten waren. Kohle wird im Kreis Kleve nicht gefördert. Ansonsten arbeiteten<br />

vergleichsweise viele Beschäftigte aus dem Produzierenden Gewerbe in den Bereichen<br />

Bau (9,5 %), Ernährung (6,3 %) <strong>und</strong> Textil- <strong>und</strong> Bekleidungsgewerbe (1,8 %). Im Bereich<br />

der Dienstleistungen gab es überdurchschnittlich viele Beschäftigte im Ges<strong>und</strong>heits-,<br />

Veterinär- <strong>und</strong> Sozialwesen (14,7 %), aber – ähnlich wie im Kreis Wesel – vergleichsweise<br />

wenige innerhalb der Dienstleistungen für Unternehmen (vgl. Tab. 14 im Anhang).<br />

Die Veränderungen in den einzelnen Branchen sind in Tabelle 15 im Anhang gegenübergestellt.<br />

Verglichen mit dem Jahr 1998 hatten die Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen bis zum<br />

Jahr 2002 um 2,7 % zugenommen. Dabei wuchsen der Dienstleistungsbereich um 10,5 %<br />

<strong>und</strong> der nur noch marginal vorkommende Agrarbereich um 7,2 %, während das Produzierende<br />

Gewerbe 9,3 % seiner Beschäftigten verlor. Die stärksten Beschäftigtenverluste erlitten<br />

insbesondere der Bergbau, die Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung sowie das zahlenmäßig<br />

gewichtigere Baugewerbe. Die drei Branchen mit den höchsten Zuwächsen in Nordrhein-<br />

Westfalen waren der Bereich Dienstleistungen für Unternehmen sowie die beiden kleineren<br />

Wirtschaftszweige Gastgewerbe als auch Erziehung <strong>und</strong> Unterricht. Für die Veränderungen<br />

in den drei niederrheinischen Regionen sei auf die Tabelle 15 verwiesen.<br />

Der Anteil der weiblichen Beschäftigten lag im Jahre 2002 in Nordrhein-Westfalen insgesamt<br />

bei 42,8 %, die sich jedoch auf die Branchen sehr unterschiedlich verteilten (vgl. Tab. 15 im<br />

Anhang). So waren in der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft (24,7 %) <strong>und</strong> im Produzierenden Ge-<br />

57


werbe (21,3 %) weit weniger Frauen beschäftigt als im Dienstleistungsbereich (54,6 %). Diese<br />

geschlechtsspezifischen Unterschiede zeigen sich auch bei der Besetzung der <strong>Aus</strong>bildungsstellen.<br />

Der Anteil der ausländischen Beschäftigten lag in Nordrhein-Westfalen bei 8,3 % (vgl. Tab.<br />

15 im Anhang). Die Branchen mit den höchsten Anteilen waren das Gastgewerbe, die Metallerzeugung<br />

<strong>und</strong> -verarbeitung sowie die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft – in den niederrheinischen<br />

Regionen gehörte auch der Bergbau dazu. Die wenigsten <strong>Aus</strong>länderinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder<br />

fanden sich in der Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung, dem Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe<br />

sowie der öffentlichen Verwaltung.<br />

• Die <strong>Aus</strong>bildungsleistung der Branchen<br />

Die <strong>Aus</strong>bildungsleistungen der Wirtschaft waren in den einzelnen Branchen <strong>und</strong> den Regionen<br />

recht unterschiedlich, wie aus Tabelle 16 im Anhang hervorgeht. Der Anteil der <strong>Aus</strong>zubildenden<br />

an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betrug am 30. Juni 2002 in<br />

Duisburg 5,2 % <strong>und</strong> im Kreis Kleve 7,0 %. Die höchsten <strong>Aus</strong>zubildendenanteile hatten in fast<br />

allen Regionen das Baugewerbe, die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, das Gastgewerbe sowie die<br />

öffentlichen <strong>und</strong> privaten Dienstleistungen. Der Agrarbereich <strong>und</strong> das Gastgewerbe waren in<br />

absoluten Zahlen besehen allerdings nur kleine Branchen, so dass deren <strong>Aus</strong>bildungsleistung<br />

nicht stark ins Gewicht fiel. Die niedrigsten <strong>Aus</strong>zubildendenanteile waren im Bergbau<br />

<strong>und</strong> im Bereich Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung zu finden.<br />

Die <strong>Aus</strong>bildungsleistung der Betriebe einer Branche allein anhand der <strong>Aus</strong>bildungsquote zu<br />

beurteilen, ist sicherlich nicht ausreichend, da viele weitere Faktoren die <strong>Aus</strong>bildungsleistung<br />

beeinflussen. Neben dem langfristig wirkenden Strukturwandel (z. B. im Bergbau) sowie dem<br />

Wirtschaftwachstum, die die Einstellungspraxis der Betriebe beeinflussen, spielt die Zusammensetzung<br />

der Belegschaft eine wichtige Rolle. In einigen Branchen werden auch Personen<br />

mit schulischem Berufsabschluss (z. B. die Assistentenberufe im Ges<strong>und</strong>heitsbereich)<br />

oder mit Hochschulabschluss eingestellt, so dass dort aus diesem Gr<strong>und</strong>e weniger dual ausgebildet<br />

wird. Zudem bilden manche Betriebe bzw. ganze Segmente (z. B. das Handwerk)<br />

mitunter über Bedarf aus, so dass der in Tabelle 16 enthaltene <strong>Aus</strong>zubildendenanteil lediglich<br />

eine erste gr<strong>und</strong>legende Information darstellt. Dies sollte mit berücksichtigt werden,<br />

wenn die <strong>Aus</strong>bildungsleistungen verschiedener Branchen verglichen werden. Auch bei einem<br />

regionalen Vergleich der <strong>Aus</strong>bildungsleistungen einer Branche sind die Hintergründe zu<br />

berücksichtigen. Beispielsweise lässt die hohe <strong>Aus</strong>bildungsleistung im Kreditgewerbe in den<br />

beiden Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel im Vergleich zur niedrigen Quote in Duisburg, die Frage<br />

aufkommen, ob in Duisburg seitens der Banken nicht mehr für die <strong>Aus</strong>zubildenden getan<br />

werden könnte, zumal die Beschäftigten in dieser Branche von 1998 bis 2002 um ein Drittel<br />

58


zugelegt haben, die <strong>Aus</strong>zubildenden aber kaum. Dieser mögliche Ansatz zum Erkennen verborgener<br />

<strong>Aus</strong>bildungspotentiale wäre anhand weiterer Daten zu unterfüttern.<br />

Zwischen 1998 <strong>und</strong> 2002 hatte die Zahl der <strong>Aus</strong>zubildenden in Nordrhein-Westfalen um<br />

8,5 % zugenommen (vgl. Tab. 16 im Anhang). Am Niederrhein schwankten die Raten zwischen<br />

0,1 % in Duisburg, 3,7 % im Kreis Wesel <strong>und</strong> 10,6 % im Kreis Kleve. Die Zahl der<br />

<strong>Aus</strong>zubildenden ist im betrachteten Zeitraum also stärker gewachsen als die der Beschäftigten.<br />

In drei Regionen zählten die öffentliche Verwaltung <strong>und</strong> das Gastgewerbe zu den Branchen<br />

mit den höchsten Zuwachsraten, während im Bergbau sowie in der Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung<br />

<strong>Aus</strong>zubildende abgebaut wurden.<br />

• Berufsstruktur<br />

Die Berufsstrukturen in den zu untersuchenden Regionen werden in der im Anhang befindlichen<br />

Tabelle 17 anhand von sechs Berufsabschnitten (einer Gruppe von Berufen) dargestellt.<br />

Die Mehrheit, r<strong>und</strong> 62,6 % der in Nordrhein-Westfalen Beschäftigten, arbeitete Mitte<br />

2002 in einem Dienstleistungsberuf, 27,6 % in einem so genannten Fertigungsberuf <strong>und</strong><br />

7,1 % in einem technischen Beruf. Die übrigen drei Berufsabschnitte lagen jeweils etwa bei<br />

bzw. unter 1 %. Zwei regionale Besonderheiten waren der mit 4 % recht hohe Anteil agrarwirtschaftlicher<br />

Berufe im Kreis Kleve <strong>und</strong> der ebenfalls mit 4 % hohe Anteil an Bergleuten<br />

<strong>und</strong> Mineralgewinnern im Kreis Wesel. Die prozentualen Veränderungsraten zeigten für den<br />

Zeitraum von 1998 bis 2002 ein starkes Wachstum der landwirtschaftlichen Berufe im Kreis<br />

Kleve, bei ansonsten unterschiedlicher Entwicklung in den übrigen Regionen. Die Bergleute<br />

<strong>und</strong> Mineralgewinner erlitten in allen Regionen die stärksten Verluste. Die am stärksten besetzte<br />

Berufsgruppe, die Dienstleistungsberufe, konnte von 1998 bis 2002 in allen Regionen<br />

Beschäftigte hinzugewinnen, während die Fertigungsberufe fast überall verloren. Die Entwicklung<br />

der technischen Berufe verlief regional unterschiedlich (vgl. Tab. 17 im Anhang).<br />

Der Branchenverteilung ähnlich arbeiteten Frauen überpropotional häufig in Dienstleistungsberufen.<br />

In den übrigen Berufsgruppen waren sie dagegen seltener anzutreffen. <strong>Aus</strong>ländische<br />

Beschäftigte waren in technischen <strong>und</strong> Dienstleistungsberufen unterrepräsentiert <strong>und</strong> in<br />

„produzierenden“ Berufen überrepräsentiert (vgl. Tab. 17 im Anhang). Überdurchschnittlich<br />

hohe Anteile an <strong>Aus</strong>zubildenden befanden sich in landwirtschaftlichen <strong>und</strong> in Fertigungsberufen.<br />

In den technischen Berufen wurde vermutlich weniger oft ausgebildet, da hier ein großer<br />

Teil der Beschäftigten einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss besitzt <strong>und</strong><br />

wahrscheinlich studiert hat. Bei den Bergleuten <strong>und</strong> Mineralgewinnern dürfte der niedrige<br />

<strong>Aus</strong>zubildendenanteil hingegen auf die wirtschaftliche Situation zurückzuführen sein. In den<br />

Dienstleistungsberufen wurde bisher leicht unterdurchschnittlich ausgebildet. Wie die Entwicklung<br />

der <strong>Aus</strong>bildungsplätze in den Dienstleistungsberufen zeigt, gab es hier in den letz-<br />

59


ten Jahren jedoch eine positive Entwicklung. Die unterschiedlichen Entwicklungen der drei<br />

Beschäftigtengruppen (Frauen, <strong>Aus</strong>länder <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>zubildende) zeigen, dass bei einer Zunahme<br />

der gesamten Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1998 bis 2002 von<br />

knapp 3 %, die <strong>Aus</strong>zubildenden mit fast 9 % am stärksten profitieren konnten, gefolgt von<br />

den weiblichen Beschäftigten, der Anteil auf über 6 % anstieg. Der Bestand an ausländischen<br />

Beschäftigten ging hingegen um fast 7 % zurück.<br />

Über die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kann Folgendes festgehalten werden:<br />

• Die Entwicklung der Beschäftigten verlief in Duisburg besonders schlecht, im Kreis Kleve<br />

dagegen überdurchschnittlich gut <strong>und</strong> im Kreis Wesel etwa dem Landesdurchschnitt entsprechend.<br />

Diese unterschiedlichen Verläufe zeigten sich auch bei den <strong>Aus</strong>zubildenden,<br />

wobei sie sich in den letzten Jahren anteilig besser entwickelten als die Beschäftigten.<br />

• Da viele Beschäftigte aus dem Kreis Wesel <strong>und</strong> dem Kreis Kleve auswärts einen Arbeitsplatz<br />

aufsuchen müssen, wird dies vermutlich auch für <strong>Aus</strong>zubildende gelten, die in solchen<br />

Regionen einen größeren „Suchradius“ nach einem <strong>Aus</strong>bildungsplatz benötigen, als<br />

vielleicht in Duisburg, wohin viele Beschäftigte zum Arbeiten einpendeln.<br />

• Nach den drei Sektoren aufgeteilt arbeiteten in Nordrhein-Westfalen Mitte 2002 etwa<br />

zwei Drittel der Beschäftigten im Dienstleistungssektor, etwa ein Drittel im Produzierenden<br />

Gewerbe <strong>und</strong> nur noch 1 % in der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft. Die größten Branchen<br />

waren in Nordrhein-Westfalen der Handel (16,3 %), das Ges<strong>und</strong>heits-, Veterinär- <strong>und</strong><br />

Sozialwesen (11,4 %) sowie die Dienstleistungen für Unternehmen (11,8 %). Regionale<br />

Stärken lagen in Duisburg in der Metallerzeugung <strong>und</strong> -bearbeitung (15,4 %) <strong>und</strong> in der<br />

Verkehrssparte (9,4 %), im Kreis Kleve im Agrarbereich (4,1 %), im Baugewerbe (9,5 %)<br />

<strong>und</strong> im Ernährungsbereich (6,3 %) sowie im Kreis Wesel im Bergbau (6,7 %), in der Gewinnung<br />

von Steinen <strong>und</strong> Erden (0,9 %), im Baugewerbe (8,6 %) <strong>und</strong> in der Herstellung<br />

von Büromaschinen (4,8 %).<br />

• Zusammengenommen nahm in fast allen Regionen – mit <strong>Aus</strong>nahme des Kreises Kleve –<br />

die <strong>Aus</strong>bildungsleistung des Produzierenden Gewerbes zwischen 1998 <strong>und</strong> 2002 ab,<br />

während sie im Dienstleistungsbereich anstieg. Dennoch ist der <strong>Aus</strong>zubildendenanteil im<br />

Produzierenden Gewerbe zurzeit noch höher als im Dienstleistungsbereich.<br />

• Die Struktur der Berufe, aufgeschlüsselt nach sechs Berufsabschnitten, zeigt, dass Mitte<br />

2002 r<strong>und</strong> 62,6 % der nordrhein-westfälischen Beschäftigten in Dienstleistungsberufen,<br />

27,6 % in Fertigungsberufen, 7,1 % in technischen Berufen <strong>und</strong> die restlichen 2,7 % in<br />

agrarwirtschaftlichen Berufen, als Bergleute oder sonstige Arbeitskräfte arbeiteten.<br />

60


5.2 Arbeitslose<br />

Das Risiko, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, ist am Niederrhein regional sehr unterschiedlich<br />

verteilt. Am 30. Juni 2005 war die Lage in der Stadt Duisburg mit 19,2 % Arbeitslosen<br />

an den abhängig beschäftigten zivilen Erwerbspersonen besonders angespannt (vgl.<br />

Tab. 8). Zwischen den Geschlechtern existierten nur geringfügige Unterschiede. Die – mit<br />

etwas größerem Abstand zu den Männern – günstigste <strong>Aus</strong>gangslage auf dem Arbeitsmarkt<br />

finden Frauen im Kreis Kleve vor.<br />

Neben den absoluten Zahlen sind in Tabelle 8 auch die Anteile spezieller Arbeitslosengruppen<br />

an allen Arbeitslosen wiedergegeben. Junge Erwerbspersonen aus Duisburg hatten vergleichsweise<br />

schlechtere <strong>und</strong> die aus den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel bessere Chancen auf<br />

dem Arbeitsmarkt. Im Kreis Wesel suchte nur ein Viertel dieses Personenkreises länger als<br />

sechs Monate nach einer Anstellung. Im Kreis Kleve, der zwar den niedrigsten Anteil junger<br />

Menschen unter den Arbeitslosen verzeichnete, suchten immerhin 38,4 % länger als sechs<br />

Monate nach einem neuen Arbeitsplatz. Auch bei den Langzeitarbeitslosen hatte der Kreis<br />

Kleve den höchsten Anteil, was auf ein strukturelles Problem auf dem Arbeitsmarkt hindeuten<br />

dürfte.<br />

Je nach Region waren etwa 60 % der unter 25jährigen Arbeitslosen männlichen Geschlechts<br />

(vgl. Tab. 8). Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gab es nach den Angaben<br />

des Landesamtes für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik in der gleichen Altersgruppe im Jahr<br />

2002 lediglich etwa 52 bis 54 % Männer. Somit scheinen die männlichen Jugendlichen größere<br />

Probleme beim Übergang an der zweiten Schwelle gehabt zu haben.<br />

Von den Arbeitslosen unter 25 Jahren hatten in Duisburg 27,0 % keinen Schulabschluss. Sie<br />

lagen damit weit über dem Landesdurchschnitt, während die jugendlichen Arbeitslosen in<br />

den beiden Kreise darunter blieben. Wird diese Kennziffer mit dem Indikator Schulabsolventen<br />

ohne Schulabschlüsse verglichen, zeigt sich das erhöhte Arbeitslosigkeitsrisiko für Erwerbspersonen<br />

ohne Schulabschluss bzw. mit niedriger Qualifikation. In Duisburg verließen<br />

2004 8,9 % der Absolventen eine allgemein bildende Schule ohne Abschluss, im Kreis Kleve<br />

6,7 %, im Kreis Wesel 6,3 % <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen 6,9 % (vgl. Tab. 5 weiter oben). 3<br />

Erstaunlich ist, dass der Kreis Kleve einerseits den höchsten Anteil an Schulabgängern ohne<br />

Schulabschluss, andererseits aber den niedrigsten Anteil jugendlicher Arbeitslose ohne<br />

3<br />

Anstelle der Schulabsolventen wäre ein Vergleich mit derselben Altersgruppe innerhalb der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten adäquater gewesen. Leider fehlen diese Daten in der Datenbank des LDS NRW.<br />

Ein Vergleich mit – zum großen Teil 16jährigen – Schulabsolventen birgt mehrere Probleme. Da das Alter nicht<br />

übereinstimmt, ist davon auszugehen, dass ein Teil der Schulabgänger später noch einen Schulabschluss<br />

nachholen wird, bspw. durch den Besuch einer „Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr“ (vgl. hierzu Tab. 5). Außerdem<br />

wird ein großer Teil der Abiturienten ein Studium aufnehmen <strong>und</strong> fehlt insofern in der Arbeitslosenstatistik<br />

auftauchen, so dass ihr Anteil an den Arbeitslosen geringer sein muss.<br />

61


Schulabschluss aufwies. Anscheinend gab es hier noch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

für gering qualifizierte Jugendliche.<br />

Tab. 8: Arbeitslose <strong>und</strong> Arbeitslosenquoten am 30.06.2005<br />

Duisburg Kreis Kleve Kreis Wesel NRW<br />

absolut in % absolut in % absolut in % absolut in %<br />

Arbeitslose<br />

Arbeitslose insgesamt 41.751 100,0 11.649 100,0 22.676 100,0 1.032.112 100,0<br />

Frauen 18.718 44,8 4.712 40,4 10.279 45,3 455.422 44,1<br />

Arbeiter 27.914 66,9 7.347 63,1 14.429 63,6 671.025 65,0<br />

Angestellte 13.837 33,1 4.302 36,9 8.247 36,4 361.087 35,0<br />

Langzeitarbeitslose 17.139 41,1 5.436 46,7 8.528 37,6 411.471 39,9<br />

<strong>Aus</strong>länder 10.259 24,6 1.027 8,8 3.052 13,5 201.519 19,5<br />

55 Jahre <strong>und</strong> älter 4.972 11,9 1.441 12,4 2.655 11,7 128.832 12,5<br />

Unter 20 Jahre alt 912 2,2 61 0,5 240 1,1 16.093 1,6<br />

Unter 25 Jahre alt 4.892 11,7 1.007 8,6 2.082 9,2 103.681 10,0<br />

Unter 25 Jahre alt<br />

davon:<br />

- Männer 2.862 58,5 645 64,1 1.318 63,3 62.389 60,2<br />

- Frauen 2.030 41,5 362 35,9 764 36,7 41.292 39,8<br />

darunter:<br />

- Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

1.125 23,0 57 5,7 203 9,8 17.097 16,5<br />

- über 6 Monate arbeitslos<br />

1.684 34,4 387 38,4 512 24,6 31.409 30,3<br />

davon:<br />

- kein Schulabschluss 1.319 27,0 116 11,5 314 15,1 21.380 20,6<br />

- Hauptschule/mittlere<br />

Reife 3.146 64,3 766 76,1 1.494 71,8 70.274 67,8<br />

- FH/HS-Reife 427 8,7 125 12,4 274 13,2 12.027 11,6<br />

Arbeitslosenquoten<br />

- alle zivilen Erwerbspersonen<br />

17,9 7,4 9,9 11,7<br />

- abhängige zivile Erwerbspersonen<br />

19,2 8,7 11,0 12,9<br />

davon:<br />

- Männer 19,1 9,8 11,1 13,5<br />

- Frauen 19,3 7,5 10,8 12,1<br />

AA Duisburg AA Wesel NRW<br />

Arbeitslosenquoten<br />

alle zivilen Erwerbspersonen<br />

insgesamt 17,9 8,9 11,7<br />

abhängige zivile<br />

Erwerbspersonen 19,2 10,1 12,9<br />

davon:<br />

- Männer 19,1 10,6 13,5<br />

- Frauen 19,3 9,5 12,1<br />

Jüngere<br />

- Unter 20 Jahre 13,2 2,0 5,4<br />

- 20 bis unter 25 Jahre 21,2 9,7 12,7<br />

- Unter 25 Jahre 19,0 7,0 10,5<br />

<strong>Aus</strong>länder 35,0 20,8 28,8<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit; eigene Berechnungen.<br />

62


Der Anteil der Arbeitslosen ausländischer Herkunft lag in Duisburg bei 24,6 % <strong>und</strong> damit<br />

deutlich höher als der Landesdurchschnitt, während die beiden Kreise weit unter dem Landesdurchschnitt<br />

lagen. Der <strong>Aus</strong>länderanteil unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />

lag dagegen Mitte 2002 in Duisburg bei 9,7 % (vgl. Tab. 16 im Anhang). Somit ist das<br />

Arbeitslosigkeitsrisiko auch für diese Erwerbspersonengruppe sehr hoch.<br />

Abbildung 6 vermittelt eine Übersicht auf die Entwicklung der Arbeitslosenquoten in den drei<br />

niederrheinischen Regionen <strong>und</strong> Nordrhein-Westfalen. Die Arbeitslosenquoten verliefen in<br />

den zurückliegenden Jahren – mit <strong>Aus</strong>nahme des letzten Jahres – in allen Regionen nach<br />

einem ähnlichen Muster. Bis 1997 verschlechterte sich die Arbeitsmarktlage zunächst <strong>und</strong><br />

erholte sich dann in den kommenden Jahren leicht. In den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel scheint<br />

dabei in 2004 ein vorläufiger Höhepunkt erreicht zu sein, während in Nordrhein-Westfalen<br />

<strong>und</strong> insbesondere in Duisburg ein weiterer Anstieg der Arbeitslosenquote erfolgte. Insgesamt<br />

lag die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren in Duisburg weit über dem Landesdurchschnitt<br />

<strong>und</strong> in den beiden Kreisen leicht darunter.<br />

Neben der zurückliegenden Entwicklung wird des Weiteren der aktuelle Stand der Arbeitsmarktlagen<br />

in den einzelnen Geschäftsstellenbezirken der Agenturen für Arbeit in Duisburg<br />

<strong>und</strong> Wesel gezeigt. So liegen die Arbeitslosenquoten in den Geschäftsstellen Hamborn <strong>und</strong><br />

Rheinhausen deutlich über der im Hauptamt Duisburg. Die Geschäftsstellen auf dem Klever<br />

Gebiet weisen durchweg günstigere Werte auf als die Geschäftsstellen auf dem Gebiet des<br />

Kreises Wesel.<br />

Zusammenfassend bleibt festzuhalten:<br />

• Die Arbeitslosenquote in Nordrhein-Westfalen lag Mitte 2005 bei 12,9 %. In einer vergleichsweise<br />

günstigen Position befinden sich somit die Erwerbspersonen in den Kreisen<br />

Kleve (8,7 %) <strong>und</strong> Wesel (11,0 %), während die Lage in der Stadt Duisburg mit 19,2 %<br />

sehr schwierig ist. Dabei hat sich die Arbeitsmarktlage in den letzten Jahren wieder deutlich<br />

verschlechtert, was sich in den Daten zu den Beschäftigten noch nicht zeigte, da sie<br />

nur bis ins Jahr 2002 reichten. Die Lage auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt dürfte sich daher in<br />

den letzten Jahren verschlechtert haben.<br />

• Das Arbeitslosigkeitsproblem an der ersten Schwelle, bei Jugendlichen unter 20 Jahren,<br />

ist im Arbeitsagenturbezirk Wesel (2,0 %) <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen (5,4 %) als eher<br />

gering einzustufen, während die Duisburger Jugendlichen davon deutlich stärker betroffen<br />

sind (13,2 %).<br />

• Das Risiko arbeitslos zu werden <strong>und</strong> möglicherweise keine <strong>Aus</strong>bildung zu absolvieren<br />

steigt, wenn die Person einen niedrigen bzw. gar keinen Schulabschluss oder eine ausländische<br />

Herkunft hat.<br />

63


Abb. 6: Entwicklung <strong>und</strong> Stand der Arbeitslosenquoten<br />

20 %<br />

15 %<br />

10 %<br />

5 %<br />

Entwicklung der Arbeitslosenquoten<br />

(1993-2005)<br />

Duisburg Kreis Wesel<br />

20 %<br />

15 %<br />

10 %<br />

5 %<br />

Kreis Kleve NRW<br />

0 %<br />

0 %<br />

1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005<br />

64<br />

Arbeitslosenquoten am 30.06.2005<br />

Bezirke ges. m w<br />

HA Duisburg 17,0 17,5 16,4<br />

GSt D.-Hamborn 21,8 20,7 23,1<br />

GSt D.-Rheinhausen 22,5 22,2 22,9<br />

AA Duisburg 19,2 19,1 19,3<br />

HA Wesel 11,8 11,5 12,1<br />

GSt Dinslaken 10,8 10,5 11,3<br />

GSt Emmerich 9,6 10,8 8,3<br />

GSt Geldern 7,1 7,7 6,5<br />

GSt Goch 8,7 9,7 7,5<br />

GSt Kamp-Lintfort 10,0 10,7 9,2<br />

GSt Kleve 9,9 11,6 7,9<br />

GSt Moers 10,9 11,7 10,0<br />

AA Wesel 10,1 10,6 9,5<br />

Nordrhein-Westfalen 12,9 13,5 12,1<br />

Arbeitsagentur Wesel Arbeitsagentur Duisburg<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen (Stichtag: 30.06.).<br />

Notiz: ges. = gesamt, m = männlich, w = weiblich, HA = Hauptamt, GSt = Geschäftsstelle, AA = Arbeitsagenturbezirk.<br />

6 <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />

Im Folgenden werden verschiedene Daten zu Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />

im dualen System, den Schülerstrukturen an beruflichen Schulen <strong>und</strong> der Entwicklung<br />

einzelner Schulformen sowie zu den von der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit angebotenen<br />

berufsvorbereitenden Maßnahmen dargestellt.<br />

6.1 Berufsausbildung im Dualen System<br />

Zur Beschreibung von Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen im dualen System<br />

kann eine Vielzahl von Indikatoren angewandt werden, wie bspw. neu abgeschlossene


<strong>Aus</strong>bildungsverträge, unbesetzte Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong> noch nicht vermittelte Bewerber,<br />

die im ersten Abschnitt dargestellt <strong>und</strong> interpretiert werden. Anschließend wird auf<br />

die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe <strong>und</strong> die Situation in einzelnen Berufsfeldern<br />

eingegangen.<br />

6.1.1 Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />

Im Abschnitt über die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wurde bereits die Verteilung<br />

der <strong>Aus</strong>zubildenden über die einzelnen Branchen dargestellt (vgl. auch Tab. 18 im Anhang).<br />

Im Folgenden werden die in einem Jahr neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge <strong>und</strong> weitere<br />

Kennziffern erläutert, mit deren Hilfe das <strong>Aus</strong>bildungsgeschehen näher untersucht wird.<br />

• Die Angebots-Nachfrage-Situation<br />

Zu den neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträgen zählen Verträge, die im Zeitraum vom<br />

1. Oktober des Vorjahres bis zum 30. September des aktuellen Jahres neu abgeschlossen<br />

wurden <strong>und</strong> die am 30. September noch bestanden haben. Die Angaben werden im Laufe<br />

des Oktobers vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung bei den für die Berufsausbildung zuständigen<br />

Stellen (Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern<br />

usw.) erhoben. Kleinste regionale Einheit sind die Arbeitsagenturbezirke. Vom<br />

01.10.2004 bis 30.09.2005 wurden im Arbeitsagenturbezirk Duisburg 3.132 <strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />

neu abgeschlossen, 4,6 % mehr als im Vorjahr, <strong>und</strong> im Arbeitsagenturbezirk Wesel<br />

4.321 Verträge, 4,3 % weniger als im Vorjahr. In der langfristigen Perspektive von 1991 bis<br />

2005 zeigt sich in allen Regionen ein massiver Verlust an <strong>Aus</strong>bildungsstellen (vgl. Tab. 9).<br />

Bei den nun folgenden Kennziffern handelt es sich um Zahlen, die von der B<strong>und</strong>esagentur<br />

für Arbeit veröffentlicht werden bzw. darauf aufbauen. Bei deren Verwendung ist zu beachten,<br />

dass diese Zahlen zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts für das Jahr 2005 noch<br />

vorläufig sind (vgl. BIBB 2006). Ferner hat die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit das Zuordnungsverfahren<br />

geändert, so dass die regionale Zuordnung der Bewerber zu den Arbeitsagenturbezirken<br />

nicht mehr nach dem Ort der Beratung (Arbeitsagentur), sondern nach dem Wohnort des<br />

Bewerbers erfolgt. Insofern soll eine Vergleichbarkeit zu den Vorjahren nur eingeschränkt<br />

möglich sein (vgl. ebenda). Da beide Arbeitsagenturbezirke mit den Verwaltungsgrenzen<br />

übereinstimmen, der Arbeitsagenturbezirk Wesel deckt die Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel vollständig<br />

abdeckt, dürften sich hieraus keine Veränderungen ergeben.<br />

65


Tab. 9: Die Angebots-Nachfrage-Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt in den Arbeitsagenturbezirken<br />

Duisburg, Wesel <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen<br />

66<br />

Anzahl Veränderung (in %)<br />

1991 2004 2005 91 zu 05 04 zu 05<br />

Arbeitsagenturbezirk Duisburg<br />

Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge 1) 4.113 2.995 3.132 -23,9 4,6<br />

Gesamtangebot 4.704 3.039 3.155 -32,9 3,8<br />

Gesamtnachfrage 4.376 3.179 3.405 -22,2 7,1<br />

Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) 107,5 95,6 92,7 -13,8 -3,1<br />

Unbesetzte Berufsausbildungsstellen 2) 591 44 23 -96,1 -47,7<br />

Noch nicht vermittelte Bewerber 2) 263 184 273 3,8 48,4<br />

Unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem<br />

Bewerber 2,2 0,2 0,1<br />

Beim AA gemeldete Berufsausbildungsstellen 1) 4.750 3.017 2.708 -43,0 -10,2<br />

Beim AA gemeldete Bewerber 1) 3.769 4.995 4.827 28,1 -3,4<br />

Stellen-Bewerber-Relation 1,3 0,6 0,6<br />

Arbeitsagenturbezirk Wesel<br />

Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge 1) 5.600 4.515 4.321 -22,8 -4,3<br />

Gesamtangebot 6.481 4.531 4.341 -33,0 -4,2<br />

Gesamtnachfrage 5.745 5.055 4.711 -18,0 -6,8<br />

Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) 112,8 89,6 92,1 -18,3 2,8<br />

Unbesetzte Berufsausbildungsstellen 2) 881 16 20 -97,7 25,0<br />

Noch nicht vermittelte Bewerber 2) 145 540 390 169,0 -27,8<br />

Unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem<br />

Bewerber 6,1 0,0 0,1<br />

Beim AA gemeldete Berufsausbildungsstellen 1) 6.696 3.237 2.910 -56,5 -10,1<br />

Beim AA gemeldete Bewerber 1) 5.472 6.149 6.076 11,0 -1,2<br />

Stellen-Bewerber-Relation 1,2 0,5 0,5<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge 1) 143.634 115.987 111.190 -22,6 -4,1<br />

Gesamtangebot 170.693 119.345 113.906 -33,3 -4,6<br />

Gesamtnachfrage 148.116 125.443 120.325 -18,8 -4,1<br />

Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) 115,2 95,1 94,7 -17,9 -0,5<br />

Unbesetzte Berufsausbildungsstellen 2) 27.059 3.358 2.716 -90,0 -19,1<br />

Noch nicht vermittelte Bewerber 2) 4.482 9.456 9.135 103,8 -3,4<br />

Unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem<br />

Bewerber 6,0 0,4 0,3<br />

Beim AA gemeldete Berufsausbildungsstellen 1) 164.978 105.346 96.496 -41,5 -8,4<br />

Beim AA gemeldete Bewerber 1) 119.162 142.380 146.207 22,7 2,7<br />

Stellen-Bewerber-Relation 1,4 0,7 0,7<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung; eigene Berechnungen.<br />

1)<br />

Es handelt sich hierbei um die Jahressumme des Erhebungszeitraumes vom 01.10. des vergangenen bis<br />

30.09. des aktuellen Jahres.<br />

2)<br />

Es handelt sich hierbei um die Bestandszahl am 30.09. des jeweiligen Jahres.<br />

Notiz: P. = Prozentpunkte, die absolute Differenz zwischen zwei Prozentwerten.<br />

Bei den unbesetzten Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong> den noch nicht vermittelten Bewerbern<br />

handelt es sich um Bestandszahlen am 30. September des aktuellen Jahres, die aus der<br />

laufenden Vermittlungsarbeit der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit stammen. Wie sich zeigt, sank in<br />

allen Regionen die Anzahl der offenen Stellen seit 1991 sehr stark, während die Bestände


der Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerber anwuchsen <strong>und</strong> letztlich die Zahl der unbesetzten Berufsausbildungsstellen<br />

übertrafen (vgl. Tab. 9). Die aus beiden Werten errechnete Relation<br />

„unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem Bewerber“ lag 1991 in Duisburg noch bei 2<br />

offenen Stellen pro Bewerber/in <strong>und</strong> im Arbeitsagenturbezirk Wesel <strong>und</strong> in Nordrhein-<br />

Westfalen bei 6 Stellen pro Bewerber/in. Hier hätten die noch nicht vermittelten Bewerberinnen<br />

<strong>und</strong> Bewerber zumindest rechnerisch noch eine <strong>Aus</strong>wahlmöglichkeit bzw. eine Chance<br />

auf einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz gehabt. Im Jahr 2004 lag diese Kennziffer in allen Regionen weit<br />

unter 1.<br />

Werden die neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge mit den unbesetzten Berufsausbildungsstellen<br />

addiert, ergibt sich das Gesamtangebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen. Werden sie<br />

hingegen mit den noch nicht vermittelten Bewerbern addiert ergibt sich die Gesamtnachfrage<br />

nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen. Beide Kennziffern können allerdings nur als Indikator für Angebot<br />

<strong>und</strong> Nachfrage gelten, da die Betriebe auch an der Arbeitsagentur vorbei Stellen offerieren<br />

bzw. <strong>Aus</strong>zubildende einstellen können <strong>und</strong> auch die jugendlichen Nachfrager nicht die Arbeitsagentur<br />

einschalten müssen. In allen drei Regionen ging das Gesamtangebot langfristig<br />

um etwa 33 % <strong>und</strong> die Gesamtnachfrage zwischen 18 % bis 22 % zurück (vgl. Tab. 9). Die<br />

Angebotsseite wird von der wirtschaftlichen Lage geprägt, während die Nachfrageseite elastisch<br />

auf Angebotsänderungen reagiert. Das heißt: Steigt das Angebot, steigt auch die Nachfrage<br />

<strong>und</strong> umgekehrt – vgl. hierzu auch den Vorjahresvergleich in Duisburg. <strong>Aus</strong> Nachfragerückgängen<br />

darf daher nicht unmittelbar auf ein gesunkenes Interesse der Jugendlichen an<br />

der betrieblichen <strong>Aus</strong>bildung geschlossen werden (vgl. BMBF 2003, S. 36-37). Bei einer<br />

schwierigen <strong>Aus</strong>bildungslage werden Bildungsentscheidungen zugunsten von <strong>Aus</strong>bildungsalternativen<br />

bzw. weiteren Vorbereitungsphasen umgelenkt, wie die steigenden Schülerzahlen<br />

in den vollzeitschulischen Bildungsgängen belegen (vgl. hierzu den nächsten Abschnitt).<br />

Eine komprimierte Darstellung des Geschehens auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt gibt die Angebots-Nachfrage-Relation<br />

(ANR), die berechnet wird, indem das Gesamtangebot durch die<br />

Gesamtnachfrage dividiert wird. Ein Wert unter 100 indiziert ein Übergewicht an Bewerbern<br />

bzw. <strong>Aus</strong>bildungsplatznachfragern, ein Wert über 100 weist auf das Überwiegen der <strong>Aus</strong>bildungsstellen<br />

<strong>und</strong> auf eine günstige <strong>Aus</strong>bildungsmarktlage hin. Bei genau 100 wird ein rechnerischer<br />

<strong>Aus</strong>gleich erzielt, das heißt, jeder Bewerber bzw. jede Bewerberin könnte theoretisch<br />

eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle erhalten. Voraussetzung dafür sind natürlich, dass die Berufswünsche<br />

mit dem Angebot übereinstimmen, die Bewerber/innen die Anforderungen der Arbeitgeber/innen<br />

erfüllen, die Stelle für die Jugendlichen bspw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

erreichbar ist usw. 1991 wies die Angebots-Nachfrage-Relation in allen drei Regionen<br />

ein Überangebot an <strong>Aus</strong>bildungsstellen aus, das sich jedoch in den Folgejahren in ein Unterangebot<br />

verwandelte, wovon insbesondere die beiden hier untersuchten Bezirke betroffen<br />

67


waren. In 2005 lagen beide gleichauf bei einem Wert von etwa 92; Nordrhein-Westfalen lag<br />

bei 95 (vgl. Tab. 9).<br />

Eine ausführlichere Interpretation zieht auch die einzelnen Kennziffern<br />

• neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge,<br />

• unbesetzte Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong><br />

• noch nicht vermittelte Bewerber,<br />

auf deren Berechnung die ANR beruht, mit ein. Zum Beispiel stieg die ANR im Arbeitsagenturbezirk<br />

Wesel von 2004 auf 2005 um 4,3 % leicht an, <strong>und</strong> dies obwohl sich die Zahl der<br />

neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge verringert hatte (vgl. Tab. 9). Der Zuwachs der<br />

unbesetzten <strong>Aus</strong>bildungsstellen um 25 % fällt nicht ins Gewicht, da es sich lediglich um vier<br />

Stellen handelte. Allein der Rückgang der noch nicht vermittelten Bewerber verursachte die<br />

leicht verbesserte ANR. Für eine Bewertung dieses Tatbestandes wäre es wichtig zu wissen,<br />

inwieweit die <strong>Aus</strong>bildungswünsche der Jugendlichen tatsächlich erfüllt werden konnten <strong>und</strong><br />

wie viele Jugendliche, die ursprünglich einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz suchten (<strong>und</strong> wahrscheinlich<br />

noch suchen) daraufhin zum Beispiel eine schulische <strong>Aus</strong>bildung begannen.<br />

Die Kennziffern bei der Agentur für Arbeit gemeldete Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong> Bewerber<br />

sind identisch mit den unbesetzten Stellen <strong>und</strong> den noch nicht vermittelten Bewerbern. Lediglich<br />

der Erhebungszeitraum variiert. Bei den erst genannten handelt es sich um Meldungen<br />

über den gesamten Berichtszeitraum, also vom 1. Oktober des Vorjahres bis zum 30.<br />

September des laufenden Jahres (kumulierte Bewegungszahl), während die anderen Kennziffern<br />

Bestandszahlen zum 30. September sind (s. o.). Dementsprechend ähneln sich auch<br />

die Kennziffern Stellen-Bewerber-Relation <strong>und</strong> Unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem<br />

Bewerber.<br />

• Entwicklungen des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes<br />

Sowohl die wirtschaftliche Situation als auch die demografische Entwicklung der Jugendlichen<br />

beeinflussen das Angebot an <strong>und</strong> die Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsstellen. Die Zusammenhänge,<br />

die allerdings nicht als kausal aufzufassen sind, werden in Abbildung 7 für Nordrhein-Westfalen<br />

dargestellt. Als Indikator für die wirtschaftliche Situation wird die Arbeitslosenquote<br />

4 abgebildet. Für die Nachfrageseite wird die Anzahl der Jugendlichen dargestellt.<br />

Diesen beiden Indikatoren sind im linken Feld der Abbildung die neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge,<br />

das Gesamtangebot <strong>und</strong> die Gesamtnachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />

gegenübergestellt.<br />

68


Die Anzahl der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge scheint stärker mit der Arbeitslosenquote<br />

zusammenzuhängen, wobei zwischen beiden ein „time lag“ existiert: Ein bis zwei<br />

Jahre bevor die Arbeitslosenquote sinkt, werden vermehrt <strong>Aus</strong>zubildende eingestellt <strong>und</strong><br />

umgekehrt. Auch das Gesamtangebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen ist stark konjunkturabhängig.<br />

In Nordrhein-Westfalen lag Anfang der 90er Jahre die Zahl der angebotenen Stellen weit<br />

über der der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge. Trotz des Anstiegs der Jugendlichen<br />

ab 1998 lag aber die Gesamtnachfrage in guten Zeiten unter, in schlechten Zeiten in<br />

der Nähe des Gesamtangebots. Das bedeutet, dass die Nachfrageseite, also die <strong>Aus</strong>bildungsplatz<br />

suchenden Jugendlichen, elastisch auf Änderungen des <strong>Aus</strong>bildungsstellenangebots<br />

reagieren <strong>und</strong> (notgedrungen) auf Alternativen ausweichen. Lediglich in den letzten<br />

beiden Jahren übertraf die Nachfrage das Stellenangebot etwas deutlicher.<br />

Abb. 7: Die Entwicklung ausgewählter Merkmale des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes in Nordrhein-<br />

Westfalen (1991-2004)<br />

.<br />

200.000<br />

190.000<br />

180.000<br />

170.000<br />

160.000<br />

150.000<br />

140.000<br />

130.000<br />

120.000<br />

110.000<br />

100.000<br />

Jugendliche*<br />

Arbeitslosenquote<br />

(in %, rechte Skala)<br />

Gesamtangebot<br />

NAA**<br />

Gesamtnachfrage<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

* Jugendliche im Alter von 18 bis 20 Jahren (Durchschnitt)<br />

** NAA = Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />

15 %<br />

14 %<br />

13 %<br />

12 %<br />

11 %<br />

10 %<br />

9 %<br />

8 %<br />

7 %<br />

6 %<br />

5 %<br />

4 %<br />

3 %<br />

2 %<br />

1 %<br />

0 %<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung; eigene Darstellung.<br />

Jugendliche*<br />

Gemeldete<br />

Stellen<br />

Arbeitslosenquote<br />

(in %, linke Skala)<br />

NAA**<br />

Gemeldete<br />

Bewerber<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

200.000<br />

190.000<br />

180.000<br />

170.000<br />

160.000<br />

150.000<br />

140.000<br />

130.000<br />

120.000<br />

110.000<br />

100.000<br />

Auf der rechten Seite von Abbildung 7 sind im <strong>Aus</strong>tausch nur die bei der Agentur für Arbeit<br />

gemeldeten Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong> Bewerber neu hinzugekommen. Diese Kennziffern<br />

reagieren besonders stark auf die Arbeitsmarktlage. In wirtschaftlich guten Zeiten bieten die<br />

Betriebe viele <strong>Aus</strong>bildungsplätze an, was in schlechteren Zeiten deutlich nachlässt. In den<br />

4<br />

Für den Arbeitsagenturbezirk Wesel lagen uns keine Arbeitslosenquoten vor, so dass wir stattdessen die Quoten<br />

für beide Kreise eingefügt haben.<br />

69<br />

.


Jahren ab 1998 sinkt die Zahl der bei der Agentur für Arbeit gemeldeten Stellen teilweise<br />

sogar unter die der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge, was zeigt, dass die Betriebe<br />

auch auf anderen Wegen <strong>Aus</strong>zubildende akquirieren. Als Bewerber werden Jugendliche erfasst,<br />

die im Laufe des Berichtsjahres eine betriebliche oder außerbetriebliche (z. B. schulische)<br />

Berufsausbildung beginnen wollen <strong>und</strong> eine Vermittlung durch die Berufsberatung<br />

wünschen. Wie die Kurve zeigt, steigt bzw. sinkt die Bewerberzahl mit einer leichten zeitlichen<br />

Verzögerung synchron zur Arbeitslosenquote. In wirtschaftlich schlechten Zeiten wird<br />

die Agentur für Arbeit von den Jugendlichen also stärker als Vermittlungsagent in Anspruch<br />

genommen als in wirtschaftlich guten Zeiten.<br />

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die wirtschaftliche Lage, hier gemessen als Arbeitslosenquote,<br />

offensichtlich den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt stärker beeinflusst als die Zahl der<br />

Jugendlichen, die auf diesen Markt drängen. Dies gilt für das Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen,<br />

das stärker mit der wirtschaftlichen Entwicklung als mit der Zahl der auf den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />

drängenden Jugendlichen kovariiert, aber auch für die Nachfrage, die bei gegebenen<br />

Opportunitäten flexibel reagiert <strong>und</strong> auf Alternativen ausweicht.<br />

Die Abhängigkeit von Arbeitsmarkt <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarkt zeigt sich auch, wenn Arbeitslosenquote<br />

<strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation gegenübergestellt werden (vgl. Abb. 8). Nach<br />

Artikel 6 Absatz 1 der nordrhein-westfälischen Verfassung soll der Jugend eine umfassende<br />

Möglichkeit zur Berufsausbildung <strong>und</strong> Berufsausübung gesichert werden. Wie die vergangene<br />

Entwicklung der Angebots-Nachfrage-Relationen zeigt, wurde dies 1992 im Arbeitsagenturbezirk<br />

Wesel einmal erreicht. In den folgenden Jahren verlief die Entwicklung jedoch weit<br />

unter dem Landesdurchschnitt, so dass beide Bezirke zu den Schlusslichtern in Nordrhein-<br />

Westfalen gehörten <strong>und</strong> damit die Forderung der Landesverfassung deutlich verfehlten.<br />

Abb. 8: Entwicklung von Arbeitslosenquote <strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation (ANR)<br />

130 %<br />

120 %<br />

Arbeitslosenquote NRW<br />

15%<br />

Angebots-<br />

Nachfrage-<br />

Relation:<br />

1991 1995 2005<br />

10% - NRW 115,2 101,3 94,7<br />

110 %<br />

- AA Wesel 112,8 96,8 92,1<br />

100 %<br />

90 %<br />

ANR<br />

A-Bezirk<br />

Duisburg<br />

ANR NRW<br />

ANR A-Bezirk Wesel<br />

5%<br />

- AA Duisburg<br />

Arbeitslosenquote<br />

NRW<br />

107,5 89,0<br />

10,3<br />

92,7<br />

12,9<br />

80 %<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit; B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung, Erhebung zum 30.09.; eigene Darstellung.<br />

70<br />

2005 0%


Nach einer Untersuchung von Ulrich u. a. (2006a) beschritten viele der bei der B<strong>und</strong>esagentur<br />

für Arbeit gemeldeten Bewerber aufgr<strong>und</strong> der prekären Wirtschaftslage alternative Wege:<br />

• über ein Drittel besuchte im Vermittlungsjahr 2004/2005 eine Schule (allgemein bildende<br />

Schule, Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr, Berufsfachschule, Hochschule, sonstige berufsbildende<br />

Schule),<br />

• ein Viertel bemühte sich um eine Arbeitsstelle <strong>und</strong><br />

• ein Zehntel trat eine berufsvorbereitende Maßnahme an.<br />

Gegenüber Anfang der neunziger Jahre sank die Quote der Jugendlichen, die auf betrieblichem,<br />

außerbetrieblichem oder schulischem Wege eine voll qualifizierende Berufsausbildung<br />

begann. Somit besteht die Gefahr, dass der Anteil der Jugendlichen, der dauerhaft ohne voll<br />

qualifizierenden Berufsabschluss bleibt (in den letzten Jahren r<strong>und</strong> 11 %), wieder ansteigt.<br />

Diese Entwicklung ist von besonderer Brisanz, da sich die Zahl der Jugendlichen zukünftig<br />

drastisch vermindern wird. Dies könnte zur Folge haben, dass es in Zukunft zu einem erheblichen<br />

Fachkräftemangel kommen könnte (vgl. Ulrich 2006b).<br />

6.1.2 Angebot <strong>und</strong> Nachfrage in Berufsgruppen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsbereichen<br />

Von den r<strong>und</strong> 350 <strong>Aus</strong>bildungsberufen wurde ein großer Teil der <strong>Aus</strong>zubildenden in nur einigen<br />

wenigen Berufen ausgebildet. Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe machen<br />

zusammengenommen etwa ein Drittel aller neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />

aus (vgl. Tab. 10). Ein Vergleich der Geschlechter zeigt, dass weibliche <strong>Aus</strong>bildungsanfängerinnen<br />

sich sehr viel deutlicher auf die zehn stärksten Berufe konzentrierten. Wie die Ergebnisse<br />

unserer Schülerbefragung zeigen, halten es Mädchen allerdings für nötig, verschiedene<br />

berufliche Möglichkeiten zu berücksichtigen (Einstellungsebene) <strong>und</strong> tun dies<br />

auch auf der Handlungsebene, wenn sie bei ihrer Berufswahl im Durchschnitt mehr Einzelberufe<br />

berücksichtigen als Jungen. Werden die einzelnen Berufswünsche zu Berufsgruppen<br />

zusammengefasst, ergibt sich jedoch ähnlich zu den hier dargestellten neu abgeschlossenen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsverträgen, die quasi das Resultat des Abstimmungsprozesses zwischen Berufswunsch<br />

<strong>und</strong> Berufsangebot sind, ein ähnliches Bild (vgl. Birkelbach 2006, S. 51, 53-57).<br />

Jungen verteilen sich auf verschiedene, nicht miteinander „verwandte“ Berufe während sich<br />

Mädchen auf ähnliche Berufe konzentrieren. Ob die ursprünglichen Berufswünsche der<br />

Mädchen während des Berufswahlprozesses an ein möglicherweise für weibliche <strong>Aus</strong>bildungsbeginner<br />

nur begrenzt vorhandenes Berufsangebot angepasst wurden oder ob sie<br />

schon in früheren Stadien der Berufswahl auf bestimmte Bereiche „vorprogrammiert“ waren,<br />

lässt sich nicht abschließend klären. Der Ansatz, beiden Geschlechtern typische Berufe des<br />

anderen Geschlechts, zum Kennen lernen darzubieten, wie zum Beispiel anhand des Girls<br />

71


Day, erscheint hier als richtiger Weg, weitere oder – bei seltenen Berufe – neue Berufsperspektiven<br />

aufzuzeigen. Insgesamt stammen die meisten der zehn hier aufgeführten <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />

aus dem kaufmännischen Bereich (vgl. Tab. 10). Bei den männlichen <strong>Aus</strong>bildungsbeginnern<br />

war die Mehrzahl der Berufe dem gewerblich-technischen Bereich <strong>und</strong> dem<br />

Handwerk zuzuordnen, bei den Frauen überwogen die kaufmännischen Berufe.<br />

In Tabelle 11 sind die neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge <strong>und</strong> die Angebots-<br />

Nachfrage-Relation für 13 Berufsgruppen dargestellt. Die beiden größten Berufsgruppen<br />

waren in allen Regionen die Waren- <strong>und</strong> Dienstleistungsberufe sowie die Verwaltungs- <strong>und</strong><br />

Büroberufe. Welche Berufe sich hinter den 13 vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsforschung gebildeten<br />

Berufsgruppen verbergen, ist den Beispielen in den Fußnoten von Tabelle 11 zu entnehmen.<br />

Die Geschlechterverteilung der <strong>Aus</strong>zubildenden ähnelt der Verteilung der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten (vgl. Tab. 11 <strong>und</strong> Tab. 16 im Anhang). Männliche Jugendliche<br />

waren in 2004 mehrheitlich in Fertigungsberufen, technischen <strong>und</strong> den sonstigen Berufen,<br />

weibliche Jugendliche überwiegend in Dienstleistungsberufen vertreten.<br />

Hinsichtlich der Angebots-Nachfrage-Relation (vgl. Tab. 11), bei der ein Wert von 100 ein<br />

Gleichgewicht von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage signalisiert, wichen folgende Berufsgruppen besonders<br />

stark vom Gesamtmittelwert ab. Negative Abweichungen ließen im Bezirk Duisburg<br />

für die Textilbekleidungs- <strong>und</strong> Lederberufe (83,3) <strong>und</strong> im Arbeitsagenturbezirk Wesel für die<br />

technischen Berufe (81,4) feststellen. Vom regionalen Gesamtwert positiv hoben sich in<br />

Duisburg die Verkehrsberufe (100,0) <strong>und</strong> in Wesel/Kleve die übrigen Fertigungsberufe (96,9)<br />

ab. Die Werte der übrigen Berufsgruppen lagen in der Nähe des jeweiligen regionalen Gesamtwertes.<br />

Selbst die günstigste Angebots-Nachfrage-Relation lag aber immer noch nahe<br />

bei bzw. unter 100 <strong>und</strong> signalisierte somit für das <strong>Aus</strong>bildungsjahr 2004 ein zu geringes <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebot.<br />

In Nordrhein-Westfalen war der Versorgungsgrad insgesamt zwar<br />

etwas besser, aber auch hier gab es kein Berufsfeld mit einem Stellenüberhang.<br />

Abschließend ist zu diesem Datenbereich anzumerken, dass in der Septembererhebung des<br />

B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung nicht zwischen den Merkmalen Deutsche <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder<br />

unterschieden wird. Allein in der Dezembererhebung des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes wird<br />

diese Unterscheidung vorgenommen. Allerdings wurden hier keine regionalisierten Ergebnisse<br />

veröffentlicht.<br />

72


73<br />

Tab. 10: Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe im Jahr 2004<br />

Arbeitsagenturbezirk Duisburg Arbeitsagenturbezirk Wesel Nordrhein-Westfalen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in % <strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in % <strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in %<br />

– <strong>Aus</strong>bildungsbeginner/innen gesamt –<br />

Bürokaufmann/-kauffrau 159 5,3 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 238 5,3 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 5.433 4,7<br />

Industriemechaniker/in 129 4,3 Bürokaufmann/-kauffrau 226 5,0 Industriekaufmann/-kauffrau 5.267 4,5<br />

Verkäufer/in 127 4,2 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 201 4,5 Bürokaufmann/-kauffrau 4.895 4,2<br />

Kaufmann/-frau im Einzelhandel 116 3,9 Verkäufer/in 199 4,4 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 4.276 3,7<br />

Kfm. für Bürokommunikation 115 3,8 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 155 3,4 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 4.011 3,5<br />

Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 101 3,4 Arzthelfer/in 142 3,1 Verkäufer/in 3.997 3,4<br />

Kraftfahrzeugmechatroniker/in 100 3,3 Friseur/in 141 3,1 Arzthelfer/in 3.591 3,1<br />

Kaufmann/-frau für Speditions-<br />

<strong>und</strong> Logistikdienstleistung 84 2,8 Industriekaufmann/-kauffrau 115 2,5 Friseur/in 3.525 3,0<br />

Zahnmed. Fachangestellte/r 84 2,8 Industriemechaniker/in 114 2,5 Industriemechaniker/in 3.121 2,7<br />

Elektroniker/in f. Betriebstechnik 82 2,7 Tischler/in 111 2,5 Zahnmed. Fachangestellte/r 2.955 2,5<br />

Gesamt 1.074 36,6 Gesamt 1.642 36,4 Gesamt 41.069 35,4<br />

Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 2.995 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 4.515 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 115.987 100,0<br />

– Männliche <strong>Aus</strong>bildungsbeginner –<br />

Kraftfahrzeugmechatroniker/in 128 7,1 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 197 7,4 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 4.170 6,1<br />

Elektroniker/in<br />

Kaufmann/-frau für Speditions-<br />

97 5,4 Industriemechaniker/in 114 4,3 Industriemechaniker/in 3.050 4,5<br />

<strong>und</strong> Logistikdienstleistung 81 4,5 Elektroniker/in 108 4,0 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 2.625 3,9<br />

Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 63 3,5 Tischler/in 105 3,9 Industriekaufmann/-frau 2.379 3,5<br />

Mechatroniker/in 62 3,5 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 100 3,7 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 2.377 3,5<br />

Anlagenmechaniker/in für Sani-<br />

Anlagenmechaniker/in für Sani-<br />

Bürokaufmann/-kauffrau 56 3,1 tär-, Heizungs- <strong>und</strong> Klimatechnik 97 3,6 tär-, Heizungs- <strong>und</strong> Klimatechnik 2.212 3,2<br />

Maler/in <strong>und</strong> Lackierer/in 56 3,1 Metallbauer/in 94 3,5 Maler/in <strong>und</strong> Lackierer/in 2.133 3,1<br />

Anlagenmechaniker/in 55 3,1 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 93 3,5 Elektroniker/in (HW) 1.983 2,9<br />

Speditionskaufmann/-kauffrau 55 3,1 Maler/in <strong>und</strong> Lackierer/in 85 3,2 Tischler/in 1.869 2,7<br />

Kaufmann/-frau im Einzelhandel 54 3,0 Mechatroniker/in 82 3,1 Koch/Köchin 1.849 2,7<br />

Gesamt 707 39,4 Gesamt 1.075 40,2 Gesamt 24.647 36,2<br />

Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 1.796 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 2.672 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 68.136 100,0


74<br />

Fortsetzung: Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe im Jahr 2004<br />

Arbeitsagenturbezirk Duisburg Arbeitsagenturbezirk Wesel Nordrhein-Westfalen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in % <strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in % <strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in %<br />

– Weibliche <strong>Aus</strong>bildungsbeginner –<br />

Bürokaufmann/-kauffrau 103 8,6 Bürokaufmann/-kauffrau 335 18,2 Arzthelfer/in 3.570 7,5<br />

Kfm. für Bürokommunikation 90 7,5 Arzthelfer/in 141 7,7 Bürokaufmann/-frau 3.281 6,9<br />

Zahnmed. Fachangestellte/r 84 7,0 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 138 7,5 Friseur/in 3.117 6,5<br />

Verkäufer/in 77 6,4 Friseur/in 135 7,3 Zahnmed. Fachangestellte/r 2.943 6,2<br />

Arzthelfer/in 73 6,1 Verkäufer/in 122 6,6 Industriekaufmann/-frau 2.888 6,0<br />

Friseur/in 70 5,8 Zahnmed. Fachangestellte/r 104 5,6 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 2.808 5,9<br />

Kaufmann/-frau im Einzelhandel 62 5,2<br />

Fachverkäufer/in im Nahrungsmittelhandwerk<br />

98 5,3 Verkäufer/in 2.505 5,2<br />

Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 38 3,2 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 62 3,4 Kfm. für Bürokommunikation 2.061 4,3<br />

Industriekaufmann/-frau<br />

Fachverkäufer/in im Nahrungs-<br />

35 2,9 Industriekaufmann/-frau 59 3,2 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 1.634 3,4<br />

mittelhandwerk 31 2,6 Bankkaufmann/-kauffrau 55 3,0 Bankkaufmann/-frau 1.565 3,3<br />

Gesamt 663 55,3 Gesamt 1.249 67,8 Gesamt 26.372 55,1<br />

Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 1.199 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 1.843 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 47.851 100,0<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (BIBB), Erhebung zum 30. September 2004; eigene Berechnungen.<br />

Notiz: Anzahl = Anzahl der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge.


75<br />

Tab. 11: Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge <strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation unterteilt nach Berufsgruppen<br />

Arbeitsagenturbezirk Duisburg Arbeitsagenturbezirk Wesel Nordrhein-Westfalen<br />

Neu abgeschlossene<br />

<strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />

2004<br />

Anzahl<br />

in %<br />

weiblich<br />

(in %)<br />

Angebots-<br />

Nachfrage-<br />

Relation<br />

2003<br />

2004<br />

Neu abgeschlossene<br />

<strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />

2004<br />

Anzahl<br />

in %<br />

weiblich<br />

(in %)<br />

Angebots-<br />

Nachfrage-<br />

Relation<br />

2003<br />

2004<br />

Neu abgeschlossene<br />

<strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />

2004<br />

Anzahl<br />

in %<br />

weiblich<br />

(in %)<br />

Angebots-<br />

Nachfrage-<br />

Relation<br />

Fertigungsberufe<br />

davon:<br />

1.096 36,6 7,5 . . 1.734 38,4 6,7 . . 41.519 35,8 7,7 . .<br />

- Metallberufe ) 247 8,2 2,4 97,2 92,2 527 11,7 0,9 95,3 89,6 12.558 10,8 1,8 96,2 94,3<br />

- Elektriker 2) 270 9,0 3,0 98,5 99,3 316 7,0 1,6 92,3 91,1 6.695 5,8 2,9 96,2 95,8<br />

- Textilbekleidungs- u. Lederberufe 5 0,2 80,0 100,0 83,3 31 0,7 51,6 91,2 91,2 502 0,4 49,0 91,0 96,0<br />

- Ernährungsberufe 93 3,1 26,9 93,6 90,5 177 3,9 22,0 95,0 90,0 4.193 3,6 21,7 101,2 96,9<br />

- Bau- <strong>und</strong> Baunebenberufe 3) - Übrige Fertigungsberufe<br />

155 5,2 5,2 96,6 91,7 306 6,8 3,9 93,6 87,2 6.678 5,8 6,4 96,7 93,1<br />

4)<br />

326 10,9 9,5 98,7 99,1 377 8,3 10,3 96,7 96,9 10.893 9,4 10,9 98,6 98,5<br />

Technische Berufe 90 3,0 15,6 97,1 94,8 105 2,3 34,3 82,1 81,4 4.807 4,1 25,9 94,4 92,9<br />

Dienstleistungsberufe 1.694 56,6 62,8 . . 2.297 50,9 68,5 . . 64.212 55,4 65,3 . .<br />

davon:<br />

- Waren- u. Dienstleistungsberufe 5) 808 27,0 48,4 95,7 96,2 1.130 25,0 56,8 94,7 88,0 29.047 25,0 52,2 97,0 94,5<br />

- Verkehrsberufe 35 1,2 37,1 100,0 100,0 8 0,2 0,0 90,9 88,9 498 0,4 22,9 97,9 97,7<br />

- Verwaltungs- <strong>und</strong> Büroberufe 6) 491 16,4 70,9 97,0 95,4 574 12,7 70,6 94,1 87,4 19.282 16,6 68,4 97,1 95,2<br />

- Körperpflege-, Hauswirtschafts-<br />

<strong>und</strong> Reinigungsberufe 7) 170 5,7 78,2 94,3 94,2 294 6,5 85,4 93,6 89,4 7.654 6,6 80,0 97,1 95,0<br />

- Übrige Dienstleistungsberufe 8) 190 6,3 93,7 97,5 94,2 291 6,4 94,8 94,6 88,3 7.731 6,7 94,6 98,2 94,8<br />

Sonstige Berufe 9) 115 3,8 34,8 96,8 95,9 379 8,4 30,9 94,0 96,2 5.449 4,7 27,2 96,9 96,8<br />

Gesamt 2.995 100,0 40,0 96,8 95,6 4.515 100,0 40,8 94,2 89,6 115.987 100,0 41,3 97,1 95,1<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (BIBB), Erhebung zum 30. September 2004; eigene Berechnungen.<br />

1) Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- u. Klimatechnik, Kraftfahrzeugmechatroniker/in, Industriemechaniker/in u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />

2) Elektroniker/in, Energieelektroniker/in, Kommunikationselektroniker/in, Mechatroniker/in, Systemelektroniker/in u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />

3) Asphaltbauer/in, Beton- u. Stahlbauer/in, Fliesen-, Platten- u. Mosaikleger/in, Maurer/in, Maler u. Lackier/in, Tischler/in, Wasserbauer/in u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />

4) Baustoffprüfer/in, Chemielaborant/in, Drucker/in, Eisenbahner/in im Betriebsdienst, Keramiker/in, Maskenbildner/in, Uhrmacher/in, Zimmerer/in u. v. m. (vgl. BIBB 2004).<br />

5) Bank-, Versicherungs-, Einzelhandels-, Groß- u. Außenhandels-, Speditions-, Automobil-, Reiseverkehrskaufleute, Verkäufer/in, Apothekenhelfer/in u. a. (vgl. BIBB 200$).<br />

2003<br />

2004


Weitere Notizen zu Tabelle 11:<br />

6)<br />

Büro-, Industriekaufmann/-frau, Verwaltungsfachangestellte/r, Steuerfachangestellte/r u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />

7)<br />

Fachkraft für Kreislauf- u. Abfallwirtschaft, Fachkraft im Gastgewerbe, Hotelkaufmann/-frau, Friseur/in, Kosmetiker/in,<br />

Hauswirtschafter/in u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />

8)<br />

Arzt-, Tierarzt, Zahnarzthelfer/in, Zahnmed. Fachangestellte/r, Bestattungsfachkraft, Tierpfleger/in, Fachmann<br />

für Systemgastronomie u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />

9)<br />

Behindertenberufe, Fahrzeuglackierer/in, Modenäher/in, Steinmetz u. -bildhauer/in, Forstwirt/in, Gärtner/in,<br />

Landwirt/in, Tierwirt/in, Winzer/in (vgl. BIBB 2004).<br />

Zusammenfassend ist zu konstatieren:<br />

• Die neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge sind in 2005 gegenüber dem Vorjahr weiter<br />

stark gesunken, die Angebots-Nachfrage-Relation lag mit 92,7 in Duisburg <strong>und</strong> 92,1 in<br />

Wesel/Kleve weit unter dem rechnerischen <strong>Aus</strong>gleich von 100. Auch eine Betrachtung<br />

nach 13 Berufsfeldern zeigte keine Angebotsüberhänge in einem Berufsfeld, wie dies bei<br />

weniger beliebten Berufen (Arbeitszeiten, -bedingungen, Bezahlung usw.) der Falle hätte<br />

sein können. Das Potenzial verfügbarer <strong>Aus</strong>bildungsstellen wurde in beiden Bezirken offenbar<br />

vollständig ausgeschöpft.<br />

• Die Lehrstellenlücke (noch nicht vermittelte Bewerber abzüglich der unbesetzten <strong>Aus</strong>bildungsstellen)<br />

lag 2005 bei 370 fehlenden Plätzen. Allerdings täuscht diese Rechnung<br />

darüber hinweg, dass die Nachfrage elastisch auf das Angebot reagiert. Es gibt also einen<br />

viel größeren Teil von Jugendlichen, die eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle suchen, aber zumindest<br />

vorübergehend auf eine Alternative wie einen schulischen Bildungsgang ausweicht<br />

(vgl. Ulrich u.a. 2006a).<br />

• Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe vereinten über ein Drittel der neu<br />

abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge, dabei lag die Konzentration bei den weiblichen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsbeginnern deutlich höher als bei den männlichen Jugendlichen. Solange dies<br />

die Angebotsstruktur widerspiegelt, worauf die kaum noch vorhandenen offenen Stellen<br />

hinweisen, mag diese Konzentration hinnehmbar erscheinen. Unter dem Aspekt geschlechtstypische<br />

Berufe für das andere Geschlecht zu öffnen, müssen hier in der Berufswahlorientierung<br />

neue Wege wie mit dem Girls Day beschritten werden. Dies erscheint<br />

gerade langfristig eine notwendige Strategie zu sein, wenn in bestimmten Berufen<br />

oder Bereichen (z. B. Ingenieure oder Metallverarbeitendes Gewerbe) die Fachkräfte<br />

fehlen werden <strong>und</strong> dies bspw. durch ein erhöhtes Interesse der Frauen an diesen Berufen<br />

etwas ausgeglichen werden könnte. Zumal die Erwerbstätigkeitsneigung bei den<br />

Frauen zunimmt <strong>und</strong> sie auch daher ein wichtiges Zukunftspotenzial bilden.<br />

6.2 <strong>Berufliche</strong> Schulen<br />

Im Herbst 2004 besuchten insgesamt 41.225 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine der 52 beruflichen<br />

Schulen am Niederrhein. Der größte Teil (92,4 %, absolut 38.105) ging auf eines der 23<br />

76


Berufskollegs. 5 Auf die 27 am Niederrhein ansässigen Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens verteilten<br />

sich 2.546 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler (6,2 %). Die übrigen 574 Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler (1,5 %) wurden in den beiden im Kreis Wesel bestehenden Sonderschulen unterrichtet.<br />

Für das Schuljahr 2005/2006 existierten bisher nur die Daten für die Berufskollegs, daher<br />

fehlen die Daten zu den Sonderschulen <strong>und</strong> Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens in Tabelle 12.<br />

Am 15. Oktober 2005 wurden insgesamt 39.723 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an den niederrheinischen<br />

Berufskollegs gezählt, dies entspricht einer Zunahme von 4,3 % gegenüber dem<br />

Vorjahr.<br />

Innerhalb der Berufskollegs war die Berufsschule die am häufigsten besuchte Schulform. In<br />

den beiden Kreisen nahm sie etwa die Hälfte <strong>und</strong> in Duisburg 65,3 % aller Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler auf (vgl. Tab. 12). Die zweitstärkste Schulform bestand aus der Gruppe der ein- <strong>und</strong><br />

mehrjährigen Bildungsgänge der Berufsfachschulen. Die Fachschulen bildeten 2005 die<br />

drittgrößte Schulform an den Berufskollegs. Die „kleinsten“ Bildungsgänge sind die Fachoberschule,<br />

das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> die Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr.<br />

Nur an den Berufsfachschulen findet man eine ausgeglichene Verteilung der Geschlechter<br />

(vgl. Tab. 12). In den – hier nicht aufgeführten – Sonderschulen <strong>und</strong> dem berufsschulischen<br />

Bereich überwiegen die männlichen Schüler, während die Frauen in den Fachoberschulen,<br />

den Fachschulen <strong>und</strong> besonders in den Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens stark vertreten<br />

sind.<br />

Ein Vergleich der Anteile ausländischer Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an beruflichen Schulen<br />

(vgl. Tab. 12) mit dem Anteil der ausländischen Bevölkerung im etwa ähnlichen Alter von 15<br />

bis unter 25 Jahren zeigt, dass die ausländischen Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in der Vorklasse<br />

zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> dem Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr stark überrepräsentiert waren, was<br />

auf besondere Schwierigkeiten beim Erreichen eines (adäquaten) Schulabschlusses hinweist.<br />

In den Bildungsgängen der Berufsfachschulen, die verschiedene Zugangsvoraussetzungen<br />

haben, waren die ausländischen Jugendlichen ebenfalls stark vertreten. In der Berufsschule<br />

<strong>und</strong> in den höher qualifizierenden Bildungsgängen lagen sie hingegen weit zurück.<br />

Zum Vergleich: Im Jahr 2003 lag der Anteil der ausländischen Bevölkerung im Alter von<br />

15 bis unter 25 Jahren im Kreis Kleve bei 7,7 %, im Kreis Wesel bei 11,0 % <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />

bei 15,1 %. Der Bevölkerungsanteil der 15- bis 24jährigen kann hier allerdings<br />

nur als grober Indikator dienen, da die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in den einzelnen Bildungsgängen<br />

unterschiedliche Altersstrukturen aufweisen.<br />

5 Von den 23 Berufskollegs entfallen 10 auf Duisburg, 6 auf den Kreis Kleve <strong>und</strong> 7 auf den Kreis Wesel.<br />

77


Tab. 12: Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an den Berufskollegs im Schuljahr 2005/2006 1)<br />

Duisburg<br />

Schulen<br />

78<br />

Schülerbestand<br />

gesamt Frauen <strong>Aus</strong>Veränländerder. 2)<br />

absolut absolut in % in % in % in %<br />

Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 6 203 1,1 41,4 26,6 14,7<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 4 551 3,0 52,8 33,8 -27,5<br />

Berufsschule 10 12.062 65,3 34,5 13,3 -0,9<br />

Berufsfachschule 9 4.003 21,7 52,5 21,3 49,8<br />

Fachoberschule 4 454 2,5 65,0 17,2 31,6<br />

Fachschule 6 1.201 6,5 49,4 6,4 45,0<br />

Berufskollegs insgesamt 3) 10 18.474 100,0 40,8 15,4 8,5<br />

Kreis Kleve<br />

Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 2 102 1,1 28,4 5,9 52,2<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 2 386 4,1 30,6 7,8 41,9<br />

Berufsschule 2 4.826 51,5 37,8 2,8 -3,5<br />

Berufsfachschule 3 2.603 27,8 54,8 3,9 41,2<br />

Fachoberschule 3 581 6,2 70,2 1,0 54,1<br />

Fachschule 5 871 9,3 67,4 3,6 0,5<br />

Berufskollegs insgesamt 3) 6 9.369 100,0 46,9 3,3 11,2<br />

Kreis Wesel<br />

Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 2 118 1,0 55,1 22,9 -30,2<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 3 453 3,8 30,7 21,2 32,5<br />

Berufsschule 5 5.678 47,8 40,2 10,2 -5,6<br />

Berufsfachschule 7 4.344 36,6 52,6 10,3 68,7<br />

Fachoberschule 3 403 3,4 71,7 9,2 25,2<br />

Fachschule 5 884 7,4 62,2 4,5 8,7<br />

Berufskollegs insgesamt 3) 7 11.880 100,0 47,2 10,3 16,1<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 131 6.005 1,0 39,5 27,9 10,2<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 167 17.088 2,9 37,2 18,5 47,3<br />

Berufsschule 266 349.218 60,1 39,5 8,1 -7,3<br />

Berufsfachschule 304 139.852 24,1 51,4 11,3 46,1<br />

Fachoberschule 192 23.520 4,0 62,8 5,9 33,1<br />

Fachschule 261 45.418 7,8 54,0 4,8 15,0<br />

Berufskollegs insgesamt 3) 357 581.101 100,0 44,4 9,0 6,2<br />

Quelle: LDS NRW; Stichtag jeweils der 15.10.; eigene Berechnung <strong>und</strong> Darstellung.<br />

1) Öffentliche <strong>und</strong> private Schulen.<br />

2) Prozentuale Veränderung zwischen 2005/06 <strong>und</strong> 2000/01 (Basisjahr).<br />

3) Ohne Sonderschulen; ab Schuljahr 2000/01 einschl. auslaufender Bildungsgänge der ehemaligen<br />

Kollegschulen, die den einzelnen Schularten nicht zugeordnet werden können.<br />

In den Schuljahren 2000/01 bis 2005/06 nahm die Zahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an<br />

Berufskollegs zu, während die größte Schulform, die Berufsschule, aufgr<strong>und</strong> der schlechten<br />

Lage auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt in allen Regionen an Bedeutung verlor. Von dieser Entwicklung<br />

profitierten insbesondere die Berufsfachschulen, deren Schülerzahlen in allen Regionen<br />

besonders stark anstiegen. Die längerfristige Entwicklung der einzelnen Bildungsgänge seit<br />

1995 ist Abbildung 9 zu entnehmen. Bei der Interpretation ist der sprunghafte Anstieg zwischen<br />

1999 <strong>und</strong> 2000 zu beachten, der nicht aus einem plötzlichen Zustrom von Schulan-


fängern, sondern auf der Auflösung der Kollegschulen <strong>und</strong> deren Eingliederung in die Berufskollegs<br />

resultiert, weshalb in Tabelle 12 ein kürzerer Zeitraum gewählt wurde. Von dieser<br />

Änderung unbeeinflusst blieben die Sonderschulen <strong>und</strong> die Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />

die in Abbildung 9 zusätzlich mit aufgenommen wurden. Ihre Entwicklungslinie endet<br />

aber 2004, da bei der Erstellung der Grafik noch keine Daten für das Schuljahr 2005/06 vorlagen.<br />

Durch den Sprung bei den Schülerzahlen im Berufskolleg zwischen 1999 <strong>und</strong> 2000 ist<br />

es zunächst schwierig einen Vergleich mit den Sonderschülern herzustellen. Die aufgelösten<br />

Kollegschulen gab es lediglich in Duisburg, in den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel existierten diese<br />

nicht. Dort entwickelte sich die Anzahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an den Berufskollegs<br />

monoton leicht ansteigend, so dass der Anstieg bei den Sonderschulen überproportional<br />

dazu verlief <strong>und</strong> hier durch den Sprung verdeckt wird. Dieser überproportionale Anstieg der<br />

Sonderschüler könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese Schulform in wirtschaftlich<br />

schlechten Zeiten zunehmend als ein Auffangbecken für Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit geringen<br />

Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt fungiert. Es zeigt sich, dass die Begriffe <strong>und</strong> Definitionen<br />

von Lernbehinderung, Berufsreife oder Arbeitsreife in hohem Maße von wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen abhängen. Zum Beispiel beeinflusst die Situation am <strong>Aus</strong>bildungsmarkt,<br />

wer als der „Norm“ entsprechend klassifiziert werden kann <strong>und</strong> wer als benachteiligt<br />

oder gar behindert gelten muss:<br />

„Wenn neuerdings die Zahl der ‚Lernbehinderten’ <strong>und</strong> ‚Leistungsgeschwächten’ zuzunehmen<br />

scheint, dann nur, weil die Jugendlichen mit den relativ schlechtesten schulischen<br />

Vorleistungen am meisten von der ökonomischen Entwicklung betroffen werden<br />

– will man nicht an eine überraschende Änderung des genetischen Potenzials der Begabungen<br />

glauben. Der Begriff der Arbeits- <strong>und</strong> Berufsunreife bzw. der Behinderung erfährt<br />

offenbar eine durch wirtschaftliche Entwicklung bestimmte Umdefinition, deutlich<br />

gesagt, man ist weniger ‚behindert’, sondern man wird behindert durch den Arbeits<strong>und</strong><br />

<strong>Aus</strong>bildungsstellenmangel“ (Harten 1977, zit. n. Petzold u. a. 1987, S. 17).<br />

Die „Ges<strong>und</strong>heitsschulen“ verzeichneten anfangs einen Rückgang ihrer überwiegend weiblichen<br />

Schülerschaft um etwa 10 % <strong>und</strong> verharren seitdem auf diesem Niveau. Die <strong>Aus</strong>bildung<br />

in den Ges<strong>und</strong>heitsberufen verlief aber im Vergleich zu den Berufsschulen dennoch<br />

positiver. Gegenüber der Entwicklung des Berufskollegs als Ganzem entwickelte sich die<br />

bedeutendste Schulform, die Teilzeit-Berufsschule, insbesondere ab dem Jahr 2000 unterdurchschnittlich<br />

(vgl. Abb. 9). Zugenommen haben hingegen die drei vollzeitschulischen Bildungsgänge<br />

Berufsfachschule, Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

selbst. Den einjährigen Bildungsgang der Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

besuchen Jugendliche, die keinen Hauptschul- oder gleichwertigen Abschluss erreicht haben.<br />

In das ebenfalls einjährige Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr werden Jugendliche aufgenommen,<br />

die sich nach dem Hauptschulabschluss bzw. dem Besuch der Vorklasse schulisch weiterqualifizieren<br />

<strong>und</strong> zugleich eine berufliche Gr<strong>und</strong>bildung erwerben möchten. Beide Bildungsgänge<br />

nehmen damit einen Teil der Jugendlichen auf, die sich am unteren Rande des Quali-<br />

79


fikationsspektrums befinden <strong>und</strong> somit nur geringe <strong>Aus</strong>sichten auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle auf<br />

dem weiterhin sehr angespannten <strong>Aus</strong>bildungsmarkt haben.<br />

Abb. 9: Entwicklung der Schulformen an den Berufskollegs des Niederrheins von 2000<br />

bis 2005<br />

450 %<br />

400 %<br />

350 %<br />

300 %<br />

250 %<br />

200 %<br />

150 %<br />

100 %<br />

50 %<br />

0 %<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Quelle: LDS NRW; Stichtag: 15.10.; eigene Darstellung.<br />

Vorklasse zum<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

Berufsschule<br />

Berufsfachschule<br />

Fachoberschule<br />

Fachschule<br />

Berufskollegs insgesamt<br />

Sonderschule<br />

Schulen des<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

Die Berufsfachschule umfasst ein sehr differenziertes Bündel an ein-, zwei- <strong>und</strong> dreijährigen<br />

vollzeitschulischen, teilweise auch teilzeitschulischen Bildungsgängen, die nach dem zu erreichenden<br />

Schulabschluss geordnet werden können (vgl. hierzu auch APO-BK 6 ). Gemein ist<br />

allen Bildungsgängen, dass sie entweder eine berufliche Gr<strong>und</strong>bildung oder auch eine Berufsausbildung<br />

nach Landesrecht vermitteln. Bildungsgänge, welche einen mittleren Schulabschluss<br />

(Fachoberschulreife) vermitteln, fordern als Aufnahmevoraussetzung den Hauptschulabschluss<br />

<strong>und</strong> dauern zwei Jahre. Bei Jugendlichen mit Fachoberschulreife oder erfolgreichem<br />

Besuch des Berufsgr<strong>und</strong>schuljahres können die meisten Angebote auf ein Jahr verkürzt<br />

werden. Des Weiteren gibt es noch eine Fülle von Bildungsgängen, die die Fachhochschulreife<br />

oder auch die allgemeine Hochschulreife vermitteln <strong>und</strong> als Eingangsvoraussetzung<br />

mindestens die Fachoberschulreife bzw. die Fachoberschulreife mit Berechtigung zum<br />

Besuch der gymnasialen Oberstufe erfordern. Sie dauern ein bis drei Jahre. Daten zu den<br />

einzelnen Bildungsgängen mit ihrem je unterschiedlichem Abschlussniveau lagen für eine<br />

weiter differenzierende Analyse nicht vor, so dass an dieser Stelle nicht überprüft werden<br />

konnte, ob hier eher die niedriger oder die höher qualifizierten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den<br />

starken Anstieg dieser Schulform verursachten.<br />

6<br />

Verordnung über die <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Prüfung in den Bildungsgängen des Berufskollegs (APO-BK) vom 26.<br />

Mai 1999, zuletzt geändert am 11. Dezember 2004.<br />

80


Die Fachoberschule entwickelte sich in den ersten Jahren durchschnittlich, fiel dann etwas<br />

zurück <strong>und</strong> legt seitdem überdurchschnittlich zu. Als Eingangsvoraussetzung fordert die<br />

Fachoberschule einen mittleren (Real-)Schulabschluss <strong>und</strong> vermittelt nach Beendigung der<br />

zwei Schuljahre die Berechtigung zur Aufnahme eines Studiums an einer Fachhochschule.<br />

Sie kann auch nach Abschluss einer Berufsausbildung besucht werden, um so auf dem<br />

zweiten Bildungsweg eine Studienberechtigung zu erlangen.<br />

Die Entwicklung der Fachschule verlief anfangs durchschnittlich, profitierte von der Zusammenlegung<br />

der Kollegschulen mit den Berufskollegs nur teilweise <strong>und</strong> blieb seitdem auf unterdurchschnittlichem<br />

Niveau, obwohl sie im Vergleich zum gesamten Berufskolleg wieder<br />

stärker ansteigt. Die an den Berufskollegs befindlichen Fachschulen vermitteln, aufbauend<br />

auf einer beruflichen Erstausbildung, eine berufliche Weiterbildung <strong>und</strong> ermöglichen in den<br />

mindestens zweijährigen Bildungsgängen zusätzlich den Erwerb der Fachhochschulreife.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der steigenden Zahlen von Schulabgängern ohne Schulabschluss steigen die<br />

Schülerzahlen in der Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>bildungsjahr. Zudem wirkt sich die angespannte<br />

Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt auch negativ auf die Schulabsolventen mit einem<br />

Hauptschulabschluss aus, so dass diese Gruppe vermehrt ein Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

durchläuft. Mengenmäßig am bedeutsamsten waren jedoch die Berufsfachschulen, die einen<br />

großen Teil der ausbildungswilligen Jugendlichen auffingen <strong>und</strong> in Zeiten eines knappem<br />

Lehrstellenangebots als Puffer <strong>und</strong> zum Teil lediglich als Vorstufe zur Aufnahme einer betrieblichen<br />

<strong>Aus</strong>bildung fungieren (vgl. Rheinberg/Hummel 2002, S. 590). Wird die Berufsfachschule<br />

zur Berufsvorbereitung <strong>und</strong> Höherqualifizierung genutzt, mag dies bildungsökonomisch<br />

sinnvoll sein, wenn dies nicht schon in der allgemein bildenden Schule hätte geschehen<br />

können. Wird allerdings eine schulische Berufsausbildung absolviert, um daran eine<br />

betriebliche anzuschließen, dürfte der volkswirtschaftliche Mehrwert wohl eher fraglich sein.<br />

Auch aus Sicht der Jugendlichen werden die vollzeitschulischen Bildungsgänge zum großen<br />

Teil als Warteschleife wahrgenommen, wie unsere eigene Schülerbefragung zeigt (vgl. Birkelbach<br />

2006, S. 45-49). Allerdings schwindet diese Sicht mit zunehmender Qualifizierungsfunktion<br />

des Bildungsgangs. Nur noch ein kleiner Teil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der ebenfalls<br />

am Berufskolleg angebotenen gymnasialen Oberstufe (Wirtschaftsgymnasium, Teil<br />

der Berufsfachschulen) sieht diesen Bildungsgang als Warteschleife.<br />

Festzuhalten bleibt, dass in wirtschaftlich angespannten Zeiten die vollzeitschulischen Bildungsgänge<br />

mit niedrigschwelligen Qualifizierungsangeboten vermutlich aufgr<strong>und</strong> des Verdrängungswettbewerbs<br />

stark zugenommen haben <strong>und</strong> zur Zeitüberbrückung, aber auch zur<br />

Höherqualifizierung genutzt werden. In der Folge verschwimmt der früher altersmäßig noch<br />

relativ klar abgegrenzte Übergang an der ersten Schwelle (Schule – Berufsausbildung) zunehmend<br />

durch „Maßnahmekarrieren“, wozu auch die von der Arbeitsagentur angebotenen<br />

Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen gezählt werden können.<br />

81


6.3 Berufsvorbereitende Maßnahmen<br />

Die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (§ 61 SGB III) sind ein weiteres Instrument<br />

im Übergang an der ersten Schwelle. 7 Da im Herbst 2004 der Übergang vom alten Maßnahmekonzept<br />

8 zum neuen Fachkonzept stattfand, werden hier nicht die einzelnen auslaufenden<br />

Maßnahmen, sondern die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen als Ganzes dargestellt<br />

(vgl. Tab. 13). Es handelt sich hierbei um Unterstützungsangebote zur Vorbereitung auf eine<br />

Berufsausbildung, die von außerbetrieblichen Bildungsträgern durchgeführt werden. In 2004<br />

nahmen am Niederrhein 2.157 Personen an diesen Maßnahmen teil. Werden die 1.750<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus der am Berufskolleg angebotenen Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

<strong>und</strong> dem Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr hinzugerechnet, befanden sich im Jahre 2004<br />

insgesamt 3.907 Jugendliche in berufsvorbereitenden Bildungsgängen. Werden die Teilnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Teilnehmer ins Verhältnis zu den Schulabsolventen allgemein bildender<br />

Schulen gesetzt, ergeben sich die folgenden Anteile: 12,2 % im Bezirk Wesel, 12,8 % in<br />

Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong> 18,5 % in Duisburg. Im Vergleich zum Vorjahr ging die Teilnehmerzahl<br />

an Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen im Arbeitsagenturbezirk Duisburg leicht<br />

zurück, während sie im Arbeitsagenturbezirk Wesel etwas zunahm.<br />

Des weiteren bietet § 241 (1) SGB III ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) mit dem Ziel der<br />

Unterstützung von Lernbeeinträchtigten <strong>und</strong> sozial Benachteiligten sowie <strong>Aus</strong>zubildenden<br />

an, die ohne Förderung eine betriebliche <strong>Aus</strong>bildung nicht beginnen, fortsetzen oder erfolgreich<br />

beenden könnten (vgl. BMBF 2005, S. 61). Diese Maßnahmen können mit Beginn der<br />

<strong>Aus</strong>bildung anlaufen <strong>und</strong> bis zu deren Ende andauern (ebenda, S. 62). <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende<br />

Hilfen wurden am Niederrhein von r<strong>und</strong> 600 Personen genutzt. Wird die Zahl der <strong>Aus</strong>zubildenden<br />

in ausbildungsbegleitenden Hilfen in Relation gesetzt zu allen <strong>Aus</strong>zubildenden<br />

(Stichtag 30.06.2004), ergibt sich für den Bezirk Duisburg ein Anteil von 5,7 %, für den Bezirk<br />

Wesel ein Anteil von 3,8 % <strong>und</strong> für Nordrhein-Westfalen ein Anteil von 7,3 %. Auch wenn<br />

7<br />

Da keine aktuellen regionalisierten Daten im Internetangebot der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit zu finden waren –<br />

auch Zeitreihendaten fehlen –, wurde auf die erst kürzlich, am 27.03.2006 ins Internet eingestellten Daten zu<br />

den Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmern an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der Berufsbildung zurückgegriffen.<br />

Sie entstammen den vom Ministerium für Arbeit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

herausgegebenen „Regionaldaten zur beruflichen Bildung in Nordrhein-Westfalen" (vgl. MAGS<br />

2006).<br />

8<br />

Ein Beispiel ist der so genannte G-Lehrgang, ein Gr<strong>und</strong>ausbildungslehrgang für gr<strong>und</strong>sätzlich ausbildungsreife<br />

Jugendliche, die aber eine zusätzliche Unterstützung benötigen (vgl. BA 1996). Im Sommer 2004 wurden die<br />

einzelnen Angebote in das neue Fachkonzept der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit überführt, mit dem nun eine stärker<br />

auf die individuellen Bedürfnisse abgestellte Förderpraxis erfolgen soll (vgl. BMBF 2005, S. 44-48).<br />

82


diese Quote mit gewissen statistischen Unschärfen verb<strong>und</strong>en ist, markiert dieser Indikator<br />

ungefähr die Größe des Problempotenzials. Im Vergleich zum Vorjahr ging diese Maßnahme<br />

im Duisburger Bezirk um ein Drittel <strong>und</strong> im Weseler Bezirk um die Hälfte zurück, während in<br />

Nordrhein-Westfalen nur ein leichter Rückgang stattfand (vgl. Tab. 13).<br />

Tab. 13: Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen<br />

der Berufsbildung 2004<br />

Art der Bildungsmaßnahme<br />

Anzahl Verteilung<br />

(in %)<br />

83<br />

Bestand<br />

Frauenanteil<br />

(in %)<br />

<strong>Aus</strong>länderanteil<br />

(in %)<br />

Veränderung<br />

2003/2004<br />

(in %)<br />

Arbeitsagenturbezirk Duisburg<br />

- Berufsvorb. Bildungsmaßnahm. 994 57,0 39,8 20,5 -1,9<br />

- <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende Hilfen 310 17,8 39,7 18,7 -29,2<br />

- BA in außerbetriebl. Einrichtung 439 25,2 32,1 27,1 5,8<br />

Gesamt 1.743 100,0 37,9 21,9 -6,6<br />

Arbeitsagenturbezirk Wesel<br />

- Berufsvorb. Bildungsmaßnahm. 1.163 62,5 40,9 9,2 5,2<br />

- <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende Hilfen 283 15,2 33,9 10,2 -48,8<br />

- BA in außerbetriebl. Einrichtung 416 22,3 35,6 12,0 0,7<br />

Gesamt 1.862 100,0 38,7 10,0 -10,1<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

- Berufsvorb. Bildungsmaßnahm. 26.653 56,2 40,5 13,4 5,5<br />

- <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende Hilfen 13.576 28,6 29,7 15,1 -4,7<br />

- BA in außerbetriebl. Einrichtung 7.202 15,2 35,8 15,0 -4,6<br />

Gesamt 47.431 100,0 36,7 14,2 0,8<br />

Quelle: Ministerium für Arbeit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen; eigene Berechnungen.<br />

Die nach § 241 (2) SGB III geregelte Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen<br />

(BaE) zielt auf lernbeeinträchtigte <strong>und</strong> sozial benachteiligte Jugendliche ab, die ohne diese<br />

Maßnahme eine <strong>Aus</strong>bildung nicht beginnen könnten. Fördervoraussetzung ist die Erfüllung<br />

der allgemeinen Schulpflicht <strong>und</strong> die Teilnahme an einer mindestens sechsmonatigen berufsausbildungsvorbereitenden<br />

Maßnahme (z. B. berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen<br />

der Arbeitsagentur, Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr). Die außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung<br />

wird von Bildungsträgern, teilweise in Kooperation mit einem Betrieb, durchgeführt (vgl.<br />

BMBF 2005, S. 67). Sie geht in die vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung geführte Statistik<br />

über die „Neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge“ mit ein, kann dort aber nicht exakt von<br />

den betrieblichen <strong>Aus</strong>bildungsplätzen unterschieden werden (vgl. BMBF 2000, S. 22 u. 24).<br />

In 2004 nahmen am Niederrhein 855 <strong>Aus</strong>zubildende an einer außerbetrieblichen <strong>Aus</strong>bildung<br />

teil. Wird diese Zahl ins Verhältnis gesetzt zu der Gesamtzahl der <strong>Aus</strong>zubildenden am<br />

30.06.2004, ergibt sich für den Arbeitsagenturbezirk Duisburg ein Anteil von 8,1 %, für den<br />

Weseler Bezirk ein Anteil von 5,5 % <strong>und</strong> für Nordrhein-Westfalen ein Anteil von 3,9 %. Aufgr<strong>und</strong><br />

der angespannten <strong>Aus</strong>bildungsmarktlage fungiert diese Maßnahme als Puffer in den<br />

beiden Arbeitsamtsbezirken. Gegenüber dem Vorjahr blieb das Niveau auf dem Gebiet We-


sel/Kleve konstant hoch, während es in Duisburg leicht anstieg <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />

leicht sank.<br />

Werden die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer nach ihrer Geschlechterproportion untersucht,<br />

zeigt sich in allen Maßnahmen ein klarer Männerüberhang. Der Anteil der <strong>Aus</strong>länder war im<br />

Arbeitsagenturbezirk Duisburg fast doppelt so hoch wie im Arbeitsagenturbezirk Wesel, der<br />

unter dem Landesdurchschnitt lag. Im Vergleich zu den berufsvorbereitenden Bildungsgängen<br />

an den Berufskollegs (Vorklasse <strong>und</strong> Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr) lag der <strong>Aus</strong>länderanteil in<br />

den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen niedriger.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen,<br />

• dass von den drei hier dargestellten Maßnahmen der Arbeitsagenturen die Berufsvorbereitenden<br />

Bildungsmaßnahmen den größten Teil ausmachten. Im Jahr 2004 nahmen am<br />

Niederrhein 2.157 Personen daran teil, bezogen auf die Schulabsolventen allgemein bildender<br />

Schulen sind dies 12,2 % im Bezirk Wesel, 12,8 % in Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong><br />

18,5 % in Duisburg. Möglicherweise waren die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen<br />

in Duisburg aufgr<strong>und</strong> des hohen <strong>Aus</strong>länderanteils unter der Bevölkerung – wie auch<br />

den Maßnahmenteilnehmerinnen <strong>und</strong> -teilnehmern – derart stark ausgeprägt, die im Arbeitsagenturbezirk<br />

Wesel/Kleve dagegen nicht. Werden die berufsvorbereitenden Bildungsgänge<br />

der Berufskollegs hinzugerechnet, ergeben sich insgesamt 3.907 Personen.<br />

• <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende Hilfen bekamen am Niederrhein 593 Jugendliche, dies sind bezogen<br />

auf alle <strong>Aus</strong>zubildenden 3,8 % im Arbeitsagenturbezirk Wesel, 5,7 % in Duisburg<br />

<strong>und</strong> 7,3 % in Nordrhein-Westfalen. Offensichtlich bestand am Niederrhein ein niedrigerer<br />

Bedarf als im Land.<br />

• In außerbetrieblichen Einrichtungen am Niederrhein absolvierten 855 Personen eine Berufsausbildung.<br />

Bezogen auf alle <strong>Aus</strong>zubildenden lag der Anteil der außerbetrieblichen<br />

<strong>Aus</strong>bildungen in Nordrhein-Westfalen bei 3,9 %, im Weseler Bezirk bei 5,5 % <strong>und</strong> in<br />

Duisburg bei 8,1 %. Er lag damit am Niederrhein deutlich höher als im Land <strong>und</strong> half<br />

vermutlich die angespannte <strong>Aus</strong>bildungssituation vor Ort zu verbessern.<br />

7 <strong>Aus</strong>blick<br />

Für die Zukunft der Region Niederrhein wird sich der demografische Wandel in Form des<br />

langfristigen Rückgangs des Bevölkerungsbestands <strong>und</strong> der Verschiebungen in der Altersstruktur<br />

nachhaltig auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Sozialsysteme, die öffentlichen<br />

Finanzen, die Struktur der Nachfrage <strong>und</strong> des Angebots an Arbeitskräften auswirken. Überlegungen,<br />

den absehbaren Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt zu mildern betreffen<br />

(vgl. Rheinberg/Hummel 2002, S. 597-598, Deutscher B<strong>und</strong>estag 2002):<br />

84


• den Erhalt des Beschäftigungsreservoirs älterer Arbeitnehmer, indem altersgerechte Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden <strong>und</strong> ihre Kompetenzen durch Weiterbildung erhalten <strong>und</strong><br />

weiterentwickelt werden.<br />

• die weitere Verbesserung der Erwerbsmöglichkeiten <strong>und</strong> -bedingungen von Frauen durch<br />

frauengerechtere Arbeitsplätze, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf<br />

ermöglichen. Auf Seiten der Politik könnten Kindertagesstätten oder Ganztagsbetreuung<br />

in Schulen geschaffen werden <strong>und</strong> im Betrieb könnten Betriebskindergärten eingerichtet<br />

werden oder die Arbeitszeit hinsichtlich Dauer <strong>und</strong> Lage flexibler gestaltet werden (z. B.<br />

durch Gleitzeit, Arbeitszeitkonten oder Telearbeit). Da Frauen, wie die Analysen zu den<br />

Schulen zeigten, im Ganzen mittlerweile höhere allgemein bildende Schulabschlüsse erreichen<br />

als Männer <strong>und</strong> sich ihre Erwerbsneigung mit steigendem Qualifikationsniveau<br />

erhöht, ist eine weitere Einbindung bildungsökonomisch sinnvoll. Insofern wäre wünschenswert,<br />

wenn sich insbesondere Frauen von traditionellen Berufsbildern lösen <strong>und</strong><br />

neue Bereich entdecken würden.<br />

• die <strong>Aus</strong>schöpfung der Potenziale an Arbeitslosen.<br />

• eine gesteuerte Zuwanderungspolitik, verb<strong>und</strong>en mit einer verbesserten Integrationspolitik.<br />

• die Nachqualifizierung von Erwerbspersonen ohne abgeschlossene Berufsausbildung.<br />

Diese Gruppe ist laut Ulrich u. a. (2006b) wieder im Wachstum begriffen, so dass hier<br />

weitere Anstrengungen unternommen werden müssen, um die brachliegenden Qualifikationsreserven<br />

zu erschließen.<br />

Insgesamt zeigt diese Auflistung – finden keine weitreichenden Veränderungen im Prozess<br />

der beruflichen Orientierung statt – eine weiter wachsende Bedeutung des Weiterbildungsbereichs,<br />

da Ältere, Arbeitslose, Migranten <strong>und</strong> Erwerbspersonen ohne abgeschlossene Berufsausbildung<br />

weitergebildet, umgeschult oder nachqualifiziert werden müssen. Aber auch<br />

Teile der Schulabsolventen von allgemein bildenden Schulen haben einen Nachholbedarf an<br />

allgemein bildenden Schulabschlüssen, der zum großen Teil von den berufsbildenden Schulen<br />

erfüllt werden muss. Wie die Schulstatistik belegt, ist aus der früheren Bildungsexpansion<br />

in den 90er Jahren eine Bildungsstagnation geworden. Der Anteil der Studienberechtigten<br />

als auch des Hauptschulabschlusses an allen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern ist rückläufig, wird<br />

aber durch den Realschulabschluss aufgefangen, was sich auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt möglicherweise<br />

durch eine höhere <strong>Aus</strong>bildungsplatznachfrage auswirken könnte, aber anhand<br />

der verschiedenen, voneinander unabhängigen Statistiken so direkt nicht nachprüfbar ist.<br />

Neben dem Rückgang der Studienberechtigten ist die Zunahme der Schulabsolventen ohne<br />

Schulabschluss besonders kritisch zu sehen. Dieser auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt benachteiligte<br />

Personenkreis wird möglicherweise selbst dann Schwierigkeiten haben einen <strong>Aus</strong>bil-<br />

85


dungsplatz zu finden, wenn sich in ein paar Jahren die Angebots-Nachfrage-Situation aufgr<strong>und</strong><br />

der demografischen Verschiebungen verbessern sollte, da die Betriebe aufgr<strong>und</strong> der<br />

wachsenden Qualifikationsanforderungen am Arbeitsplatz im wachsenden Maße qualifiziertes<br />

Personal benötigen werden. Insofern müssen hier weitere Anstrengungen im Rahmen<br />

des Berufsorientierungsprozesses in den allgemein bildenden Schulen, aber auch in den<br />

nachfolgenden Bildungseinrichtungen (berufliche Schulen, außerbetriebliche Bildungsträger<br />

etc.) unternommen werden, um diesen Jugendlichen den Erwerb von allgemein bildenden<br />

<strong>und</strong> beruflichen Qualifikationen zu ermöglichen.<br />

86


87<br />

8 Tabellenanhang<br />

Tab. 14: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen (30.06.2002)<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in …<br />

Wirtschaftssektoren <strong>und</strong> Branchen Duisburg Kreis Kleve Kreis Wesel<br />

Region<br />

Niederrhein<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

1)<br />

absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in %<br />

Primärer Sektor<br />

Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Fischerei <strong>und</strong> Fischzucht (A+B) 605 0,4 3.106 4,1 1.597 1,3 5.308 1,5 46.994 0,8<br />

Sek<strong>und</strong>ärer Sektor (C-F)<br />

davon:<br />

55.597 35,7 26.028 34,1 45.171 38,1 126.796 36,1 2.037.001 34,6<br />

- Bergbau, Gewinnung von Steinen <strong>und</strong> Erden (C)<br />

davon:<br />

3.632 2,3 207 0,3 8.939 7,5 12.778 3,6 50.167 0,9<br />

- Kohlenbergbau, Gew. v. Erdöl u. -gas usw. (CA)<br />

- Erzbergbau, Gewinnung von Steinen <strong>und</strong> Erden, sonstiger<br />

3.539 2,3 - - 7.926 6,7 11.465 3,3 42.055 0,7<br />

Bergbau (CB) 93 0,1 207 0,3 1.013 0,9 1.313 0,4 8.112 0,1<br />

- Verarbeitendes Gewerbe (D)<br />

davon:<br />

39.794 25,5 18.146 23,8 24.484 20,6 82.424 23,5 1.576.105 26,8<br />

- Ernährungsgewerbe u. Tabakverarbeitung (DA) 2.682 1,7 4.812 6,3 2.348 2,0 9.842 2,8 133.357 2,3<br />

- Textil- <strong>und</strong> Bekleidungsgewerbe, Ledergewerbe (DB + DC) 125 0,1 1.390 1,8 804 0,7 2.319 0,7 52.499 0,9<br />

- Holzgewerbe (ohne Herstellung von Möbeln) (DD) 556 0,4 240 0,3 706 0,6 1.502 0,4 33.629 0,6<br />

- Papier-, Verlags- <strong>und</strong> Druckgewerbe (DE)<br />

- Kokerei, Mineralölverarbeitung, Herstellung <strong>und</strong> Verarbei-<br />

1.813 1,2 1.522 2,0 1.267 1,1 4.602 1,3 116.329 2,0<br />

tung von Spalt- <strong>und</strong> Brutstoffen (DF) 90 0,1 - - - - 90 0,0 13.374 0,2<br />

- Chemische Industrie (DG) 2.497 1,6 1.017 1,3 2.426 2,0 5.940 1,7 132.151 2,2<br />

- H. v. Gummi- <strong>und</strong> Kunststoffwaren (DH) 576 0,4 504 0,7 836 0,7 1.916 0,5 89.361 1,5<br />

- Glasgewerbe, Keramik, Verarb. v. Steinen u. Erden (DI) 913 0,6 510 0,7 1.877 1,6 3.300 0,9 41.284 0,7<br />

- Metallerzg. u. -bearb., Herst. v. Metallerzeugnissen (DJ) 23.971 15,4 2.395 3,1 4.290 3,6 30.656 8,7 380.204 6,5<br />

- Maschinenbau (DK)<br />

- Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten <strong>und</strong> -Ein-<br />

3.361 2,2 2.106 2,8 3.108 2,6 8.575 2,4 237.140 4,0<br />

richtungen, Elektrotechnik, Feinmechanik <strong>und</strong> Optik (DL) 1.874 1,2 2.208 2,9 5.644 4,8 9.726 2,8 188.752 3,2<br />

- Fahrzeugbau (DM)<br />

342 0,2 501 0,7 491 0,4 1.334 0,4 92.478 1,6<br />

- Herst. v. Möbeln, Schmuck, Musikinstrumenten, Sportgeräten,<br />

Spielwaren u. sonst. Erzeugnissen, Recycling (DN) 994 0,6 941 1,2 687 0,6 2.622 0,7 65.547 1,1<br />

- Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung (E) 2.448 1,6 384 0,5 1.588 1,3 4.420 1,3 60.953 1,0<br />

- Baugewerbe (F45) 9.723 6,2 7.291 9,5 10.160 8,6 27.174 7,7 349.776 5,9


88<br />

Fortsetzung der Tabelle: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen (30.06.2002)<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in …<br />

Wirtschaftssektoren <strong>und</strong> Branchen Duisburg Kreis Kleve Kreis Wesel<br />

Region<br />

Niederrhein<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

1)<br />

absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in %<br />

Tertiärer Sektor (G-Q)<br />

davon:<br />

- Handel, Instandhaltung <strong>und</strong> Reparatur von Kraftfahrzeugen<br />

99.680 63,9 47.211 61,8 71.894 60,6 218.785 62,3 3.805.413 64,6<br />

<strong>und</strong> Gebrauchsgütern (G) 22.823 14,6 14.169 18,6 20.719 17,5 57.711 16,4 959.118 16,3<br />

- Gastgewerbe (H) 2.537 1,6 1.872 2,5 2.680 2,3 7.089 2,0 140.400 2,4<br />

- Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung (I) 14.723 9,4 2.805 3,7 5.395 4,5 22.923 6,5 312.022 5,3<br />

- Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe (J)<br />

- Gr<strong>und</strong>stücks- <strong>und</strong> Wohnungswesen, Vermietung bewegli-<br />

5.233 3,4 2.430 3,2 3.180 2,7 10.843 3,1 229.405 3,9<br />

cher Sachen, Dienstleistungen für Unternehmen (K)<br />

- Öffentl. Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung sowie<br />

15.586 10,0 5.012 6,6 9.142 7,7 29.740 8,5 697.595 11,8<br />

exterritoriale Organisationen <strong>und</strong> Körperschaften (L+Q) 8.296 5,3 4.174 5,5 6.651 5,6 19.121 5,4 315.469 5,4<br />

- Erziehung <strong>und</strong> Unterricht (M) 5.334 3,4 2.260 3,0 2.846 2,4 10.440 3,0 197.044 3,3<br />

- Ges<strong>und</strong>heits-, Veterinär- <strong>und</strong> Sozialwesen (N) 17.111 11,0 11.210 14,7 15.985 13,5 44.306 12,6 673.543 11,4<br />

- Erbringung sonstiger öffentl. u. persönl. Dienstleistungen (O) 7.900 5,1 3.098 4,1 5.126 4,3 16.124 4,6 271.878 4,6<br />

- Private Haushalte (P) 137 0,1 181 0,2 170 0,1 488 0,1 8.939 0,2<br />

Ohne Angabe (Z) 12 0,0 8 0,0 1 0,0 21 0,0 404 0,0<br />

Gesamt 155.894 100,0 76.353 100,0 118.663 100,0 350.910 100,0 5.889.812 100,0<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />

1) Einteilung der Branchen gemäß der Klassifikation der Wirtschaftszweige, <strong>Aus</strong>gabe 1993 (WZ 93).


89<br />

Tab. 15: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen (30.06.2002)<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in …<br />

Wirtschaftssektoren <strong>und</strong> Branchen<br />

Duisburg<br />

Anteil Ver-<br />

Kreis Kleve<br />

Anteil<br />

Kreis Wesel<br />

Anteil<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Anteil<br />

Frauen <strong>Aus</strong>länderänderung<br />

1)<br />

Ver-<br />

Frauen <strong>Aus</strong>länderänderung<br />

1)<br />

Ver-<br />

Frauen <strong>Aus</strong>länderänderung<br />

1)<br />

Ver-<br />

Frauen <strong>Aus</strong>länderänderung<br />

1)<br />

Primärer Sektor<br />

Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Fisch. (A+B) 23,0 11,6 8,6 28,3 28,6 22,3 29,2 15,9 -0,4 24,7 14,5 7,2<br />

Sek<strong>und</strong>ärer Sektor (C-F) 13,1 11,6 -11,1 21,9 8,6 -4,7 16,5 8,5 -7,9 21,3 10,1 -9,3<br />

- Bergbau, Gewinnung v. St.u.E. (C) 2,0 21,2 -7,3 10,6 16,4 -19,1 2,1 14,7 -22,1 3,9 10,6 -37,8<br />

- Verarbeitendes Gewerbe (D) 14,5 11,1 -10,7 27,0 8,6 -4,2 23,4 7,1 0,1 24,0 10,8 -6,8<br />

darunter:<br />

- Ernährungsgew. u. Tabakverarb. (DA) 44,0 10,1 -0,4 36,0 10,8 -4,5 50,5 4,9 -4,7 46,1 11,8 -2,0<br />

- Metallerzg. u. -bearb. usw. (DJ) 8,3 13,3 -15,8 14,9 5,8 -6,1 9,9 10,4 0,1 16,2 14,7 -7,4<br />

- Maschinenbau (DK) 15,7 7,5 47,3 15,0 6,8 -7,8 11,6 5,6 3,7 16,5 7,6 -5,7<br />

- Herst. v. Büromasch. usw. (DL) 30,1 3,2 -12,3 30,1 7,2 9,1 32,7 6,3 7,0 32,3 7,7 -4,7<br />

- Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung (E) 15,2 2,0 -21,4 15,4 2,3 -24,7 16,3 1,0 -14,1 19,5 1,9 -15,0<br />

- Baugewerbe (F45) 11,0 12,5 -10,8 9,8 8,9 -4,2 12,3 7,8 -9,8 11,7 8,5 -13,1<br />

Tertiärer Sektor (G-Q) 52,3 8,6 6,5 56,7 5,4 9,1 58,4 5,8 12,2 54,6 7,2 10,5<br />

- Handel, Inst.u.Rep.v.Kfz usw. (G) 46,7 8,7 1,7 45,2 5,6 8,2 50,0 5,3 4,3 48,8 6,4 1,9<br />

- Gastgewerbe (H) 56,9 30,0 10,4 57,7 19,3 27,9 56,6 25,3 33,0 54,3 26,8 21,2<br />

- Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung (I) 28,6 9,3 3,6 29,3 5,8 -4,4 23,7 6,7 26,8 27,3 8,7 7,9<br />

- Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe (J) 59,2 3,7 32,8 55,4 1,4 4,7 59,3 1,4 6,1 53,6 2,1 5,1<br />

- Dienstleistungen für Unternehmen u.a. (K) 43,8 10,8 17,0 50,4 5,2 34,6 49,8 8,2 41,7 46,2 9,3 34,2<br />

- Öff. Verwaltung usw. (L+Q) 65,3 3,7 -11,0 48,9 2,4 -6,7 61,4 2,7 1,9 55,7 3,4 -0,4<br />

- Erziehung <strong>und</strong> Unterricht (M) 46,9 10,6 54,6 82,0 3,6 3,4 78,7 2,9 8,2 64,5 6,2 19,9<br />

- Ges<strong>und</strong>heitswesen usw. (N) 80,0 6,3 2,8 77,2 5,1 8,6 81,1 4,1 11,2 79,6 5,2 8,2<br />

- Erbringung sonst. öff. u. pers. DL (O) 53,4 7,8 0,4 60,9 6,5 22,6 57,6 5,3 7,4 57,0 7,2 9,8<br />

- Private Haushalte (P) 82,5 7,3 -0,7 90,6 2,8 -14,6 85,9 8,2 4,9 85,9 7,7 -5,8<br />

Ohne Angabe (Z) 66,7 0,0 -72,7 37,5 0,0 -84,9 100,0 0,0 -95,8 47,0 5,2 -70,2<br />

Gesamt 38,2 9,7 -0,5 43,7 7,5 4,3 42,0 7,0 3,4 42,8 8,3 2,7<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen (Klassifikation der Wirtschaftszweige, <strong>Aus</strong>gabe 1993).<br />

1) Prozentuale Veränderung zwischen den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2002.


90<br />

Tab. 16: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte <strong>Aus</strong>zubildende nach Wirtschaftszweigen (30.06.2002)<br />

Sozialversicherungspflichtig beschäftigte <strong>Aus</strong>zubildende in …<br />

Wirtschaftssektoren <strong>und</strong> Branchen<br />

Duisburg<br />

Anzahl Anteil Ver-<br />

Kreis Kleve Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />

(in %) änderung<br />

1)<br />

Anzahl Anteil Ver-<br />

(in %) änderung<br />

1)<br />

Anzahl Anteil Ver-<br />

(in %) änderung<br />

1)<br />

Anzahl Anteil Ver-<br />

(in %) änderung<br />

1)<br />

Primärer Sektor<br />

Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Fisch. (A+B) 48 7,9 -17,2 220 7,1 7,3 150 9,4 9,5 3.989 8,5 -2,1<br />

Sek<strong>und</strong>ärer Sektor (C-F) 2.410 4,3 -12,9 1.930 7,4 12,6 2.346 5,2 -6,2 105.868 5,2 -1,9<br />

- Bergbau, Gewinnung v. St.u.E. (C) 122 3,4 -22,3 4 1,9 300,0 315 3,5 -26,9 1.860 3,7 -30,4<br />

- Verarbeitendes Gewerbe (D) 1.465 3,7 -15,0 1.071 5,9 16,5 1.044 4,3 4,2 66.514 4,2 4,1<br />

- Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung (E) 115 4,7 -10,9 11 2,9 -8,3 75 4,7 -13,8 2.754 4,5 -8,7<br />

- Baugewerbe (F45) 708 7,3 -6,7 844 11,6 7,9 912 9,0 -7,1 34.740 9,9 -9,2<br />

Tertiärer Sektor (G-Q) 5.571 5,6 7,3 3.189 6,8 9,4 4.522 6,3 9,6 222.476 5,8 14,5<br />

- Handel, Instandh. u. Rep. v. Kfz usw. (G) 1.265 5,5 17,2 931 6,6 19,1 1.348 6,5 17,3 59.659 6,2 17,0<br />

- Gastgewerbe (H) 136 5,4 47,8 177 9,5 71,8 193 7,2 72,3 9.780 7,0 31,6<br />

- Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung (I) 666 4,5 7,8 69 2,5 -8,0 126 2,3 24,8 10.794 3,5 12,0<br />

- Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe (J) 192 3,7 2,7 195 8,0 3,2 239 7,5 22,6 11.724 5,1 10,5<br />

- Dienstleistungen für Unternehmen u.a. (K) 518 3,3 24,2 291 5,8 9,4 385 4,2 11,9 30.145 4,3 34,6<br />

- Öffentliche Verwaltung usw. (L+Q) 682 8,2 44,8 264 6,3 100,0 427 6,4 22,3 17.838 5,7 55,4<br />

- Öffentliche <strong>und</strong> private Dienstleistungen<br />

(ohne öffentliche Verwaltung) (M-P) 2.112 6,9 -9,2 1.262 7,5 -7,7 1.804 7,5 -3,8 82.536 7,2 1,0<br />

Ohne Angabe (Z) - - -100,0 7 87,5 250,0 - - -100,0 20 5,0 -66,7<br />

Gesamt 8.029 5,2 0,1 5.346 7,0 10,6 7.018 5,9 3,7 332.353 5,6 8,5<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen (Klassifikation der Wirtschaftszweige, <strong>Aus</strong>gabe 1993).<br />

1) Prozentuale Veränderung zwischen den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2002.


91<br />

Tab. 17: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Berufsabschnitten (30.06.2002)<br />

Berufsabschnitte<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

Gesamt Frauen <strong>Aus</strong>zubildende <strong>Aus</strong>länder/innen<br />

absolut in % Ver. 1)<br />

Anteil Ver. 1)<br />

absolut Anteil Ver. 1)<br />

absolut Anteil Ver. 1)<br />

Duisburg<br />

Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 1.272 0,8 -24,4 25,8 -12,1 107 8,4 -13,0 62 4,9 -66,8<br />

Bergleute, Mineralgewinner 2.185 1,4 -12,7 0,1 100,0 27 1,2 -27,0 618 28,3 -16,8<br />

Fertigungsberufe 44.190 28,3 -8,1 7,6 -7,0 2.541 5,8 -8,9 7.067 16,0 -21,0<br />

Technische Berufe 12.940 8,3 -4,7 9,6 0,5 245 1,9 -16,4 395 3,1 0,5<br />

Dienstleistungsberufe 94.151 60,4 5,1 57,7 4,3 4.849 5,2 3,3 6.760 7,2 -4,8<br />

Sonstige Arbeitskräfte 1.156 0,7 -8,7 27,1 111,5 260 22,5 202,3 183 15,8 -37,5<br />

Gesamt 155.894 100,0 -0,5 38,2 3,7 8.029 5,2 0,1 15.085 9,7 -14,6<br />

Kreis Kleve<br />

Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 3.305 4,3 12,7 26,5 26,1 248 7,5 3,8 867 26,2 15,0<br />

Bergleute, Mineralgewinner 14 0,0 -26,3 - -100,0 - - - -<br />

Fertigungsberufe 22.542 29,5 1,6 14,4 11,1 2.001 8,9 10,3 2.242 9,9 -11,9<br />

Technische Berufe 3.085 4,0 -2,2 14,6 -0,2 106 3,4 -13,8 170 5,5 -17,9<br />

Dienstleistungsberufe 46.560 61,0 6,0 61,5 6,4 2.845 6,1 13,3 2.348 5,0 -11,0<br />

Sonstige Arbeitskräfte 847 1,1 -11,3 19,6 36,1 146 17,2 -0,7 74 8,7 -50,7<br />

Gesamt 76.353 100,0 4,3 43,7 7,3 5.346 7,0 10,6 5.701 7,5 -9,4<br />

Kreis Wesel<br />

Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 2.349 2,0 1,5 26,9 8,8 189 8,0 -13,7 289 12,3 -4,0<br />

Bergleute, Mineralgewinner 4.872 4,1 -23,8 - 51 1,0 -47,4 1.001 20,5 -27,9<br />

Fertigungsberufe 32.749 27,6 -5,6 11,0 -0,7 2.435 7,4 -9,1 3.167 9,7 -21,8<br />

Technische Berufe 7.644 6,4 2,8 12,5 5,2 177 2,3 23,8 199 2,6 6,4<br />

Dienstleistungsberufe 69.672 58,7 11,2 63,6 11,2 3.896 5,6 9,8 3.438 4,9 3,9<br />

Sonstige Arbeitskräfte 1.377 1,2 13,0 25,6 59,7 270 19,6 237,5 157 11,4 -7,1<br />

Gesamt 118.663 100,0 3,4 42,0 10,3 7.018 5,9 3,7 8.251 7,0 -12,3


92<br />

Fortsetzung der Tabelle: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Berufsabschnitten (30.06.2002)<br />

Berufsabschnitte<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

Gesamt Frauen <strong>Aus</strong>zubildende <strong>Aus</strong>länder/innen<br />

absolut in % Entw. 1)<br />

Anteil Entw. 1)<br />

absolut Anteil Entw. 1)<br />

absolut Anteil Entw. 1)<br />

Region Niederrhein<br />

Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 6.926 2,0 -0,1 26,5 11,3 544 7,9 -6,4 1.218 17,6 -1,9<br />

Bergleute, Mineralgewinner 7.071 2,0 -20,7 - - 78 1,1 -41,8 1.619 22,9 -24,0<br />

Fertigungsberufe 99.481 28,3 -5,3 10,3 0,4 6.977 7,0 -4,2 12.476 12,5 -19,7<br />

Technische Berufe 23.669 6,7 -2,1 11,2 2,0 528 2,2 -5,5 764 3,2 -2,9<br />

Dienstleistungsberufe 210.383 60,0 7,2 60,5 7,1 11.590 5,5 7,8 12.546 6,0 -3,9<br />

Sonstige Arbeitskräfte 3.380 1,0 -1,7 24,6 69,5 676 20,0 116,0 414 12,2 -32,4<br />

Insgesamt 350.910 100,0 1,8 40,7 6,8 20.393 5,8 3,9 29.037 8,3 -13,0<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 73.532 1,2 0,7 25,9 6,8 5.926 8,1 -0,9 8.594 11,7 -6,9<br />

Bergleute, Mineralgewinner 24.530 0,4 -36,3 0,3 21,1 162 0,7 -62,4 4.756 19,4 -42,9<br />

Fertigungsberufe 1.623.283 27,6 -6,7 15,1 -6,1 108.999 6,7 -2,9 221.335 13,6 -16,5<br />

Technische Berufe 417.726 7,1 0,0 14,8 3,5 8.113 1,9 -6,3 13.545 3,2 3,2<br />

Dienstleistungsberufe 3.684.606 62,6 8,1 59,1 7,6 190.797 5,2 12,8 231.372 6,3 7,3<br />

Sonstige Arbeitskräfte 66.135 1,1 11,4 28,8 110,0 18.356 27,8 88,0 7.297 11,0 -21,7<br />

Gesamt 5.889.812 100,0 2,7 42,8 6,4 332.353 5,6 8,5 486.899 8,3 -6,5<br />

Quelle: Beschäftigtenstatistik der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />

1) Prozentuale Veränderung zwischen den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2002.


9 Verzeichnisse<br />

9.1 Tabellenverzeichnis<br />

Tab. 1: Die Bevölkerungsstruktur in den Gemeinden des Niederrheins (31.12.2003).........40<br />

Tab. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen von 2003 bis 2020..........................44<br />

Tab. 3: Entwicklung der ausländischen Bevölkerung von 1990 bis 2003............................45<br />

Tab. 4: Schulen sowie Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler1) ............................................................47<br />

Tab. 5: Struktur <strong>und</strong> Entwicklung der Schulabschlüsse.......................................................51<br />

Tab. 6: Schulabschlüsse bei Deutschen, <strong>Aus</strong>ländern <strong>und</strong> Frauen (2004)...........................52<br />

Tab. 7: Ein- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>pendler nach Geschlecht am 30.06.2002..............................................56<br />

Tab. 8: Arbeitslose <strong>und</strong> Arbeitslosenquoten am 30.06.2005 ...............................................62<br />

Tab. 9: Die Angebots-Nachfrage-Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt in den Arbeitsagenturbezirken<br />

Duisburg, Wesel <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen ..............66<br />

Tab. 10: Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe im Jahr 2004.......................73<br />

Tab. 11: Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge <strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation unterteilt<br />

nach Berufsgruppen..........................................................................................75<br />

Tab. 12: Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an den Berufskollegs im Schuljahr 2005/20061)...........78<br />

Tab. 13: Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen<br />

der Berufsbildung 2004 ...........................................................................................83<br />

Tab. 14: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen<br />

(30.06.2002) ............................................................................................................87<br />

Tab. 15: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen<br />

(30.06.2002) ............................................................................................................89<br />

Tab. 16: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte <strong>Aus</strong>zubildende nach Wirtschaftszweigen<br />

(30.06.2002) ............................................................................................................90<br />

Tab. 17: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Berufsabschnitten<br />

(30.06.2002) ............................................................................................................91<br />

93


9.2 Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: Die Region Niederrhein ...........................................................................................38<br />

Abb. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen von 1975 bis 2020..........................42<br />

Abb. 3: Entwicklung der Schulabschlüsse am Niederrhein..................................................50<br />

Abb. 4: Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt ..................54<br />

Abb. 5: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort .............55<br />

Abb. 6: Entwicklung <strong>und</strong> Stand der Arbeitslosenquoten ......................................................64<br />

Abb. 7: Die Entwicklung ausgewählter Merkmale des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes in Nordrhein-<br />

Westfalen (1991-2004) ............................................................................................69<br />

Abb. 8: Entwicklung von Arbeitslosenquote <strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation (ANR).......70<br />

Abb. 9: Entwicklung der Schulformen an den Berufskollegs des Niederrheins von 2000 bis<br />

2005.........................................................................................................................80<br />

94


Dr. Klaus Birkelbach<br />

Teil B Erste Ergebnisse einer Befragung zur Beruforien-<br />

Inhalt<br />

tierung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der 10.<br />

Klassen von Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen in<br />

der Region Duisburg, Wesel <strong>und</strong> Kleve<br />

1 Vorbemerkungen.....................................................................................................97<br />

2 Feldbericht <strong>und</strong> Design der Studie: Onlinebefragungen in Schulen......................101<br />

2.1 Technische Voraussetzungen ...............................................................................101<br />

2.2 Vorteile einer elektronischen Datenerhebung .......................................................102<br />

2.3 Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung der Befragung ....................................................104<br />

3 Wer wurde befragt? ...............................................................................................106<br />

3.1 Region <strong>und</strong> Schulform ...........................................................................................106<br />

3.2 Migrationshintergr<strong>und</strong> der Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen............................................109<br />

3.3 Geschlechtsspezifische Bildungsbeteiligung.........................................................113<br />

3.4 Herkunftsfamilie.....................................................................................................113<br />

3.4.1 Familienstruktur .....................................................................................................113<br />

3.4.2 Schulabschlüsse der Eltern ...................................................................................114<br />

4 Was wollen die Jugendlichen nach dem Abschluss der 10. Klasse? ....................115<br />

4.1 Einstellungen zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen ...................................115<br />

4.2 Schule oder Berufsausbildung?.............................................................................119<br />

4.2.1 Pläne für die Zeit nach der Schule ........................................................................119<br />

4.2.1.1 Bivariate Analysen.................................................................................................119<br />

4.2.1.2 Kurzer Exkurs zum Verständnis der Regressionsanalyse.....................................123<br />

4.2.1.3 Multivariate Analyse ..............................................................................................125<br />

4.2.2 Besuch einer Schule..............................................................................................129<br />

4.2.2.1 Bivariate Analyse...................................................................................................129<br />

4.2.2.2 Multivariate Analysen ............................................................................................134<br />

4.2.3 Schulbesuch als zweite Wahl? ..............................................................................136<br />

4.2.3.1 Bivariate Analysen.................................................................................................136<br />

4.2.3.2 Multivariate Analyse ..............................................................................................139<br />

4.2.4 Berufsausbildung...................................................................................................141<br />

4.3 Berufswünsche ......................................................................................................145<br />

4.4 Einschätzung der Chancen im Wunschberuf ........................................................149<br />

4.5 Berufswahl im Zeitverlauf ......................................................................................153<br />

5 Informationsquellen im Berufswahlprozess ...........................................................155<br />

5.1 Zur Bedeutung der unterschiedlichen Informationsquellen ...................................156<br />

5.2 Anzahl der genutzten Informationsquellen ............................................................160<br />

5.3 Welche Informationen sind bei der Berufswahl wichtig? .......................................173<br />

5.4 Die Rolle der Schule im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ...............................182<br />

6 Rückblick auf die Analysen <strong>und</strong> Resümee ............................................................190


7 Tabellenanhang.....................................................................................................195<br />

8 Verzeichnis der Abbildungen.................................................................................201<br />

9 Verzeichnis der Tabellen .......................................................................................202<br />

10 Dokumentenanhang ..............................................................................................204<br />

96


1 Vorbemerkungen<br />

Die hier vorgelegten Analysen verfolgen das Ziel, den Prozess der schulischen Berufsorientierung<br />

genauer zu beleuchten. Der Untersuchung liegt ein Konzept zugr<strong>und</strong>e, das Berufsorientierung<br />

als einen andauernden Prozess ansieht, der sich in Interaktion der Subjekte mit<br />

verschiedenen Umweltebenen entwickelt, <strong>und</strong> nicht nur als Vorbereitung einer einmaligen<br />

Entscheidung für einen bestimmten Beruf zu verstehen ist (vgl. Famulla 2006, Schober<br />

2001). Auch wenn im Fokus der hier vorgelegten Analysen Orientierungsprozesse im Vorfeld<br />

des Überganges von der Schule in den Beruf stehen, soll nicht aus den Augen verloren werden,<br />

dass eine so verstandene Berufsorientierung darüber hinaus geht <strong>und</strong> auch Orientierungs-<br />

<strong>und</strong> Lernprozesse während des weiteren Erwerbslebens mit einschließt. Nach diesem<br />

Verständnis ist es Aufgabe der schulischen Berufsorientierung, nicht nur auf die erstmalige<br />

Wahl eines Berufes beim Übergang von der Schule in den Beruf zu orientieren <strong>und</strong> die dazu<br />

notwenigen Wissensbestände zu vermitteln, sondern darüber hinaus Entscheidungsfähigkeiten<br />

zu entwickeln, die in eine berufsbiographische Gestaltungskompetenz (Hendrich 2004)<br />

münden, die die Subjekte in die Lage versetzt, notwendige berufliche Orientierung-, Anpassungs-<br />

<strong>und</strong> Lernprozesse zu steuern <strong>und</strong> zu gestalten.<br />

Famulla (2006, 1f) definiert Berufsorientierung folgendermaßen: „Berufsorientierung ist ein<br />

Prozess der Annäherung <strong>und</strong> Abstimmung zwischen Interessen, Wünschen, Wissen <strong>und</strong><br />

Können des Individuums auf der einen <strong>und</strong> Bedarf <strong>und</strong> Anforderungen der Arbeits- <strong>und</strong> Berufswelt<br />

auf der anderen Seite.“ Beide Dimensionen unterliegen Wandlungsprozessen, die<br />

jeweils einer eigenen Logik folgen, von den Subjekten aber bei der Entwicklung einer eigenständigen<br />

<strong>und</strong> nachhaltigen beruflichen Perspektive, die auf der Ebene individueller Biographien<br />

Interessen <strong>und</strong> Fähigkeiten mit sozialen Chancen verbindet, <strong>und</strong> auf der gesellschaftlichen<br />

Ebene ein wesentliches Element sozialer Integration darstellt, miteinander verknüpft<br />

werden müssen.<br />

Schulische Berufsorientierung als Vorbereitung der Berufswahl <strong>und</strong> des Übergangs von der<br />

Schule in das Erwerbsleben muss die notwendigen Informationen <strong>und</strong> Wissensbestände<br />

über die Anforderungen <strong>und</strong> Möglichkeiten von Wirtschaft, Arbeitswelt, Betrieben <strong>und</strong> spezifischen<br />

Berufen vermitteln. Sie kann den von Seiten der Betriebe immer wieder beklagten<br />

unrealistischen <strong>und</strong> falschen beruflichen Vorstellungen vieler Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler vorbeugen<br />

<strong>und</strong> zu einer passgenaueren Berufswahl führen, die <strong>Aus</strong>bildungsabbrüche <strong>und</strong> –<br />

wechsel zu vermeiden hilft. Indem die schulische Berufsorientierung für die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler die Transparenz des Marktes erhöht <strong>und</strong> unterschiedliche berufliche Möglichkeiten<br />

aufzeigt, trägt sie dazu bei, dass sich die Berufswünsche nicht auf wenige Mode- bzw.<br />

Traumberufe konzentrieren, sondern auch weniger bekannte Berufe als Chance wahrge-<br />

97


nommen werden. Aber Schule kann heute nicht mehr bei einem Unterricht über berufliche<br />

Optionen <strong>und</strong> die Arbeitswelt stehen bleiben, sondern sieht sich auch vor die pädagogische<br />

Herausforderung gestellt, den Übergang ihrer Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu begleiten <strong>und</strong><br />

den einzelnen Jugendlichen bei seiner individuellen Berufswahl zu unterstützen <strong>und</strong> ihm Perspektiven<br />

zu vermitteln (Schober 2001).<br />

Beides aber ist untrennbar mit der objektiven <strong>und</strong> subjektiven Verfügbarkeit beruflicher Perspektiven<br />

verknüpft. Nur wenn sich die Jugendlichen Chancen auf einen Einstieg in eine<br />

qualifizierte Berufstätigkeit ausrechnen - <strong>und</strong> das bedeutet zunächst einmal die Möglichkeit<br />

einer qualifizierten Berufsausbildung - dann läuft schulische Berufsorientierung nicht ins Leere.<br />

Aber die Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt ist schwierig wie nie. Joachim Gerd Ulrich<br />

(2006a, 31) vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung fasst die Lage folgendermaßen zusammen:<br />

„Noch nie waren die Chancen auf eine Lehrstelle im wiedervereinigten Deutschland so<br />

schlecht.“ Hinzufügen muss man, dass die Lage für einige schlechter als für andere ist. Die<br />

BA/BIBB-Bewerberbefragung 2004 (Ulrich 2006a, 29) zeigt, dass Jugendliche mit einem<br />

niedrigen Schulabschluss deutlich geringere Chancen auf eine betriebliche Lehrstelle als<br />

Jugendliche mit einem höheren Abschluss haben. Davon unabhängig können gute Schulnoten<br />

(hier in Mathematik) die individuellen Chancen erhöhen. Sowohl die besuchte Schulform<br />

als auch die in der Schule erworbenen Basiskompetenzen sind aber, wie nicht erst seit der<br />

ersten PISA-Studie bekannt ist, in Deutschland in hohem Maße vom sozialen Hintergr<strong>und</strong><br />

des Elternhaus abhängig (vgl. Baumert / Schümer 2001). Besonderen Schwierigkeiten, in<br />

eine Berufsausbildung einzumünden sehen sich auch Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

ausgesetzt (u.a. Ulrich 2006a, 29; Granato 2003, 447ff). Darüber hinaus belegt die BA/BIBB-<br />

Bewerberbefragung, dass die <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten von der wirtschaftlichen Lage abhängen:<br />

Jugendliche aus einer Region mit einer höheren Arbeitslosenquote haben geringere<br />

Chancen auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle (Ulrich 2005, 21ff).<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wurde in den 10. Klassen der Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen der<br />

Landkreise Kleve <strong>und</strong> Wesel sowie der Stadt Duisburg eine Befragung zur Berufsorientierung<br />

(n = 1434) durchgeführt. Ziel der Befragung war es, den Prozess der Berufsorientierung<br />

aus der Sicht der betroffenen Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler genauer zu erforschen. Das Design<br />

der Erhebung wird im zweiten Kapitel dieses Berichtes ausführlich dargestellt <strong>und</strong> diskutiert.<br />

Im dritten Kapitel wird dann die Struktur der Stichprobe im Hinblick auf zentrale Variablen,<br />

die in den folgenden Untersuchungsschritten von besonderer Bedeutung sind (u.a. Region,<br />

Schulform, Migrationshintergr<strong>und</strong>, Struktur <strong>und</strong> Bildungsniveau der Herkunftsfamilie, Geschlecht),<br />

in uni- <strong>und</strong> bivariaten Analysen beleuchtet.<br />

Das vierte Kapitel untersucht die Frage, welche Wege die befragten Jugendlichen nach dem<br />

Abschluss der aktuell besuchten Schule beschreiten wollen <strong>und</strong> von welchen Faktoren diese<br />

Wege abhängig sind. Dabei wird dem Prozesscharakter der Berufsorientierung <strong>und</strong> des Ent-<br />

98


scheidungsverhaltens durch die Folge der Fragestellungen <strong>und</strong> Analysen sowie in den multivariaten<br />

Analysen durch Kontrolle des Erhebungszeitpunktes Rechnung getragen. <strong>Aus</strong>gehend<br />

von der Frage, inwieweit der Eintritt in das Berufsleben für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

positiv besetzt ist, wird untersucht, welche Pläne die Befragten für die Zeit nach dem Abschluss<br />

der aktuell besuchten Schule haben. Haben sie sich schon entschieden, ob sie weiter<br />

zur Schule gehen werden oder eine Berufsausbildung absolvieren wollen? In bi- <strong>und</strong> multivariaten<br />

Analysemodellen wird der Frage nachgegangen, von welchen Faktoren <strong>und</strong> Bedingungen<br />

diese Entscheidung abhängt. Daran anschließen werden beide Pfade – Schule<br />

oder Berufsausbildung – getrennt untersucht. Bei den Befragten, die angeben, weiter zur<br />

Schule zu gehen, wird wiederum zunächst bivariat <strong>und</strong> dann in multivariaten Modellen untersucht,<br />

was für eine Schule besucht werden soll. Wollen die Befragten nur weiter zur Schule<br />

gehen, weil sie geringe oder keine Chancen sehen, eine Stelle für eine betriebliche Berufsausbildung<br />

zu erhalten, oder verfolgen sie ehrgeizigere Ziele? Bei den Befragten, die<br />

angeben eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen, wird den Fragen nachgegangen, ob<br />

es sich um eine schulische oder eine duale Berufsausbildung handelt, welcher Beruf dabei<br />

angestrebt wird, inwieweit berufliche Alternativen im Rahmen des Entscheidungsprozesses<br />

erwogen wurden <strong>und</strong> wie die Chancen in dem angestrebten Beruf eingeschätzt werden. Zum<br />

Abschluss des vierten Kapitels wird der Berufswahlprozess noch einmal im Verlauf des Erhebungszeitraumes<br />

betrachtet.<br />

Das fünfte Kapitel behandelt die im Prozess der Berufsorientierung genutzten Informationsquellen.<br />

Zunächst wird die Nutzung unterschiedlicher Informationsquellen (wie z.B. Eltern,<br />

Praktikum, Schule, Berufsinformationszentrum, Presse, Bücher, Internet u.a.m.) <strong>und</strong> deren<br />

subjektive Bedeutsamkeit für diesen Prozess untersucht. Die Anzahl der genannten Informationsquellen<br />

dient im nächsten Analyseschritt als Indikator für ein aktives Informationsverhalten<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern. In bi- <strong>und</strong> multivariaten Modellen werden Einflüsse verschiedener<br />

Faktoren, wie der sozialen Herkunft, der besuchten Schule, der Schulleistung<br />

<strong>und</strong> des Leseverhaltens, der individuellen Aspirationen <strong>und</strong> Pläne auf das Informationsverhalten<br />

untersucht. Ein weiteres Untersuchungsfeld ist der selbst eingeschätzte Grad an Informiertheit<br />

über verschiedene Dimensionen der in die engere Wahl einbezogenen Berufe,<br />

wie z.B. Voraussetzungen, berufliche Tätigkeiten, Zukunftssicherheit, Arbeitszeiten <strong>und</strong> Einkommen<br />

<strong>und</strong> die Bedeutung dieser verschiedene Aspekte für die Entscheidung. Die Rolle<br />

der besuchten Schule in der Berufsorientierung wird dabei als eine Querschnittsfragestellung<br />

verstanden, die sich durch die Analysen zieht. Die Einschätzung <strong>und</strong> Bewertung dieser Rolle<br />

durch die befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ist eine Fragestellung, die im Anschluss an die<br />

Untersuchungen zum Informationsverhalten der Schüler vertiefend analysiert wird. Dabei<br />

kann gezeigt werden, dass auch bei Kontrolle individueller Hintergr<strong>und</strong>merkmale, der Einstellungen<br />

zur Schule <strong>und</strong> des Leistungsvermögens, des individuellen Informationsverhal-<br />

99


tens sowie der Einschätzung der Rolle einzelner Lehrer in diesem Prozess beträchtliche Unterschiede<br />

zwischen den einzelnen Schulen bestehen.<br />

Für die Zukunft ist darüber hinaus geplant, die <strong>Aus</strong>wertungen fortzusetzen <strong>und</strong> die hier vorgelegten<br />

Analysen in dreierlei Hinsicht zu erweitern:<br />

• Erstens ist das vorliegende Datenmaterial noch nicht ausgeschöpft. Insbesondere wurde<br />

eine Vielzahl von Einstellungen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zur Berufsorientierung <strong>und</strong><br />

zum Berufsleben erhoben, die bislang noch nicht angemessen ausgewertet werden<br />

konnten. Darüber hinaus können die vorgelegten Analysen durch die Berücksichtigung<br />

zusätzlicher Einflussfaktoren (zu denen u.a. die genannten Einstellungen gehören) vertieft<br />

werden.<br />

• Zweitens basieren die Ergebnisse auf einer vorläufigen Datenbasis, die noch verbreitert<br />

werden kann. Für die Untersuchungen in diesem Bericht wurden nur die Daten verwendet,<br />

die bis zum Ende des ersten Halbjahres des Schuljahres 2005/06 in den 10. Klassen<br />

von Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen im Rahmen des BQF-Projektes <strong>„Berufswahl</strong> <strong>und</strong><br />

Transfer. Evaluation innovativer Maßnahmen zur Verbesserung des Übergangs benachteiligter<br />

Jugendlicher / MigrantInnen in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung am Beispiel der<br />

Region Wesel / Kleve / Duisburg“ erhoben wurden. Im zweiten Halbjahr des Schuljahres<br />

2005/06 wurde der Fragebogen im Rahmen des in Duisburg <strong>und</strong> dem Kreis Wesel unter<br />

Federführung der Duisburger Unternehmerhaus AG durchgeführten Schulprojektes AB-<br />

BEO (<strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> Berufswahlorientierung) 1 für eine Befragung zur Berufsorientierung<br />

in den ABBEO-Partnerschulen eingesetzt. Durch die Kooperation mit dem AB-<br />

BEO-Team wurde ein doppeltes Ziel verfolgt: Doppelbefragungen, d.h. zusätzliche Belastungen<br />

der Schulen sollten vermieden <strong>und</strong> eine breitere, wechselseitig anschlussfähige<br />

<strong>und</strong> damit aussagekräftigere Datenbasis geschaffen werden. Die technische <strong>und</strong> personelle<br />

Durchführung auch dieser zweiten Befragungswelle lag bei dem BQF-Projektteam<br />

des Fachgebietes <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> / <strong>Berufliche</strong> <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung der Universität<br />

Duisburg-Essen. Um möglichst zeitnah Ergebnisse der Befragung berichten zu können,<br />

basieren die in diesem Bericht präsentierten Analysen nur auf den Daten der ersten<br />

Erhebungswelle. Durch die Erstellung eines integrierten Datensatzes kann die Datenbasis<br />

der Analysen noch einmal verbreitert werden (auf ca. 2100 Befragte) <strong>und</strong> die Ergebnisse<br />

können besser abgesichert werden.<br />

1 „ABBEO“ steht als Akronym für <strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> Berufsorientierung. Es handelt sich um ein vom Land<br />

NRW, dem Europäischen Sozialfonds <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit unterstütztes Schulprojekt, das aus<br />

dem <strong>Aus</strong>bildungskonsens NRW erwachsen ist. Es soll auf regionaler Ebene zur Verbesserung der Qualifikation<br />

der Schulabgängerinnen <strong>und</strong> Schulabgänger, zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit Schule – Wirtschaft<br />

sowie zur Sicherung des <strong>Aus</strong>bildungserfolgs <strong>und</strong> zu der Vermeidung von <strong>Aus</strong>bildungsabbrüchen beitragen.<br />

100


• Drittens erlaubt die <strong>Aus</strong>weitung des Erhebungszeitraumes auf das gesamte 10. Schuljahr<br />

eine stärkere Berücksichtigung des Faktors ‚Zeit’ in den Analysen, so dass der Prozesscharakter<br />

der Berufsorientierung besser berücksichtigt werden kann. Zwar können keine<br />

Veränderungen auf Individualebene untersucht werden – dazu wäre ein Paneldesign<br />

notwendig, bei dem die Zielpersonen zu verschiedenen Zeitpunkten befragt werden<br />

müssten -, aber Veränderungen im Verlauf des 10. Schuljahres sollten auf Aggregatebene<br />

auch an den zu verschiedenen Zeitpunkten befragten Teilstichproben erkennbar werden,<br />

wenn es gelingt weitere relevante Einflüsse auf dieser Ebene zu kontrollieren.<br />

2 Feldbericht <strong>und</strong> Design der Studie: Onlinebefragungen in Schulen<br />

Befragungen bedeuten für die Schulen eine zusätzliche Belastung: Sie stören die internen<br />

Abläufe <strong>und</strong> sind mit zusätzlichem zeitlichem <strong>und</strong> organisatorischem Aufwand für die Schulleitung<br />

<strong>und</strong> die Lehrer verb<strong>und</strong>en. Nach <strong>Aus</strong>sage von Schulleitern kommt hinzu, dass in den<br />

letzten Jahren die Zahl der Anfragen, in den Schulen Befragungen durchführen zu dürfen,<br />

deutlich zugenommen hat. Um eine hohe Beteiligung der Schulen in der Region zu erreichen,<br />

musste ein Weg gef<strong>und</strong>en werden, Belastung <strong>und</strong> Aufwand für die Schulen möglichst<br />

gering zu halten. Eine Online-Befragung, die klassenweise im Computerraum der betreffenden<br />

Schule durchgeführt <strong>und</strong> von Mitarbeitern der Universität betreut wird, sollte diese Bedingungen<br />

so weit als möglich erfüllen, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben<br />

sind <strong>und</strong> sich die Terminplanung nach den Vorgaben der Schulen richtet.<br />

2.1 Technische Voraussetzungen<br />

Für die Befragung wurde auf das Tool „Umfragcenter“ der Firma Globalpark (Globalpark<br />

2006), das im Rahmen des Hochschulprogramms Unipark zu sehr günstigen Bedingungen<br />

eine professionelle Infrastruktur mit vielfältigen Möglichkeiten für Online-Befragungen zu Verfügung<br />

stellt, zurückgegriffen. Vom Projektteam wurde mit „Umfragcenter“ ein elektronischer<br />

Fragebogen programmiert, der durch die Eingabe einer bestimmten Internetadresse aufgerufen<br />

wird. 2 Technische Voraussetzung ist auf Seiten der Schulen ein Computerraum mit Internetarbeitsplätzen<br />

für die Befragten, da sich der Fragebogen auf dem zentralen Unipark-<br />

Server von Globalpark befindet <strong>und</strong> auch die Antworten dorthin übermittelt werden. Den<br />

Schülern muss in der Schule nur die Internet-Adresse <strong>und</strong> das zugehörige Passwort mitgeteilt<br />

werden. 3<br />

2 Der komplette elektronische Fragebogen ist im Anhang dokumentiert.<br />

3 Lange Internetadressen sind überaus anfällig für Tippfehler, so dass der zeitliche Aufwand für die Befragung<br />

verkürzt werden kann, wenn die Internetadresse schon vorher von den Projektmitarbeitern eingegeben wird.<br />

101


Technische Probleme waren selten, aber sie sind sowohl auf Seiten der Schulen (Probleme<br />

mit dem Internetzugang) als auch auf Seiten des Uniparkservers (Kapazitätsprobleme) aufgetreten.<br />

Bei zwei Schulen musste wegen technischer Probleme die Befragung verschoben<br />

werden. Zu Terminverschiebungen hat auch die Tatsache geführt, dass während der Feldphase<br />

die Interneträume Duisburger Schulen neu ausgestattet wurden. Aufgr<strong>und</strong> der Abhängigkeit<br />

der Befragung von der Technik ist die Möglichkeit solcher Probleme bei zukünftigen<br />

Erhebungen vorab zu klären oder zumindest in der Zeitplanung zu berücksichtigen. Eine<br />

zusätzliche Schwierigkeit stellt die Tatsache dar, dass in den Computerräumen der Schulen<br />

die Zahl der Arbeitsplätze häufig geringer ist als die Zahl der Schüler in den zu befragenden<br />

Klassen. Auch für dieses Problem konnte in jedem Fall eine Lösung gef<strong>und</strong>en werden: Meist<br />

wurden kleinere Gruppen gebildet, in einigen Fällen stand auch ein zweiter Raum mit Computerarbeitsplätzen<br />

zur Verfügung. Das Fazit ist somit positiv. Die Schulen sind ganz überwiegend<br />

für Online-Befragungen ausgestattet. Wo technische oder kapazitative Probleme<br />

auftauchten, da konnten sie in Zusammenarbeit mit den Schulen <strong>und</strong>/oder Globalpark gelöst<br />

werden.<br />

2.2 Vorteile einer elektronischen Datenerhebung<br />

Gegenüber einem persönlichen Interview mit einem konventionellen Papierfragebogen bietet<br />

eine computergestützte Befragung (CATI/CAPI <strong>und</strong> Online-Erhebungen) einige Vorteile. De<br />

Leeuw / Nicholls (1996) <strong>und</strong> de Leeuw (2000) betonen nach <strong>Aus</strong>wertung einer Reihe von<br />

Untersuchungen zum Computereinsatz bei Befragungen, dass durch die computergestützte<br />

Befragung die Datenqualität technisch verbessert werden kann: Ein gut programmierter elektronischer<br />

Fragebogen vermeidet Fehler der Filterführung, die bei Papierfragebögen immer<br />

wieder zum Problem werden. Auf der Basis der vorausgegangen Antworten entscheidet<br />

das Programm, welche Frage als nächstes vorgelegt wird <strong>und</strong> welche Antwortvorgaben relevant<br />

sind. Die Befragten werden vom Fragebogenprogramm anhand zuvor festgelegter Bedingungen<br />

durch den gesamten Fragebogen geführt. Nicht relevante Fragebogenelemente<br />

erscheinen erst gar nicht auf dem Bildschirm, so dass die für den Fragebogen benötigte Zeit<br />

verkürzt wird.<br />

Darüber hinaus ist es möglich, in die Frageformulierung selbst die im Interviewverlauf bereits<br />

erhobenen Informationen zu integrieren. So kann z.B. in eine Frage nach Informationsquellen<br />

über die Wunschberufe eine aus einer vorherigen Frage bekannte Berufsbezeichnung<br />

eingefügt werden (z.B.: „Wie intensiv hast du dich über die Anforderungen einer <strong>Aus</strong>bildung<br />

zum … informiert?“). Die Automatisierung macht die Frage für den Befragten eindeutig <strong>und</strong><br />

individualisiert den Ablauf der Befragung. Wie Fuchs (1995: 288f) für die computerunterstützte<br />

telefonische Befragung betont, ermöglicht ein elektronischer Fragebogen die<br />

102


Konstruktion komplexerer Erhebungsinstrumente <strong>und</strong> erlaubt dabei individuellere <strong>und</strong> spezifischere<br />

Fragen zu verwenden, als dies ohne den Einsatz eines Computers möglich sei. Für<br />

Online-Befragungen gilt dies natürlich gleichermaßen.<br />

Unmittelbar bei der Dateneingabe können anhand der bereits erhobenen Informationen automatisierte<br />

Überprüfungen auf Konsistenz <strong>und</strong> Eingabefehler durchgeführt werden. So lässt<br />

sich beispielsweise programmieren, dass das Computerprogramm nachfragt, wenn ein <strong>Aus</strong>bildungsgang<br />

angegeben wird, für den nach den bisherigen Angaben des Befragten die<br />

schulischen Voraussetzungen fehlen. Solche Konsistenzchecks erfordern allerdings einen<br />

sehr hohen Aufwand bei der Konzeption <strong>und</strong> Programmierung, denn sie müssen alle tatsächlich<br />

offen stehenden Möglichkeiten berücksichtigen. Wesentlich einfacher lässt sich dagegen<br />

eine Überprüfung des gültigen Wertebereichs einer Antwort implementieren, bei der<br />

das Programm etwa bei einer fünfstufigen Antwortvorgabe die Eingabe des Wertes '6' verweigert.<br />

Insgesamt sinkt durch solche Maßnahmen der Aufwand, der im Anschluss an die<br />

Befragung bei der Datenbereinigung betrieben werden muss. Darüber hinaus hat man bei<br />

einer Datenbereinigung nach dem Interview i.d.R. keine andere Möglichkeit, als den fragwürdigen<br />

Wert zu löschen, da man nicht mehr nachfragen kann, während die unmittelbare Überprüfung<br />

im Interview eine Korrektur ermöglicht.<br />

Der Computer bietet neue Möglichkeiten der Organisation von Fragen <strong>und</strong> Antworten, die<br />

dazu beitragen, Positionierungseffekte (vgl. u.a. Diekmann 1998, 398) zu vermeiden. So<br />

kann die Reihenfolge der Fragen einer Skala oder die Folge der Antwortvorgaben einer spezifischen<br />

Frage vom Programm randomisiert werden. Diese Möglichkeit wurde bei verschiedenen<br />

Fragebatterien genutzt.<br />

Da eine Übertragung der Daten vom Fragebogen in eine Datei nicht nötig ist, werden Übertragungsfehler<br />

vermieden. Die Daten liegen unmittelbar im Anschluss an die Befragung in<br />

maschinenlesbarer Form vor (hier als SPSS-Systemdatei, aber es sind bei „Umfragcenter“<br />

auch andere Formate möglich). Datenbereinigungs- <strong>und</strong> Aufbereitungsprozesse werden<br />

zwar nicht überflüssig, aber ihr Umfang wird reduziert, so dass der Zeitraum zwischen der<br />

Datenerhebung <strong>und</strong> dem Vorliegen erster Ergebnisse verkürzt werden kann. Insgesamt gesehen<br />

kann ein elektronischer Fragebogen (ob Online, CATI oder CAPI) schon während der<br />

Feldphase, vor allem aber im Anschluss daran im Bereich der Datenaufbereitung <strong>und</strong> Dateneingabe<br />

Zeit <strong>und</strong> Kosten sparen. Verglichen mit einem herkömmlichen Papierfragebogen<br />

steht dem allerdings ein erhöhter Aufwand bei der Programmierung gegenüber.<br />

Das hier verwendete elektronische Erhebungsinstrument ist selbsterklärend <strong>und</strong> die Schüler<br />

erwiesen sich ganz überwiegend mit dem Internet allgemein, aber auch speziell mit Onlinebefragungen,<br />

bei denen die Antwortvorgaben meistens nur mit der Maus angeklickt werden<br />

müssen, vertraut, so dass ein Eingreifen der Betreuer nur selten notwendig wurde. Dennoch<br />

103


variierten die Bearbeitungszeiten in einem sehr großen Rahmen (zwischen r<strong>und</strong> 15 <strong>und</strong> 50<br />

Minuten). Dies ist nicht nur auf unterschiedliche Filterdurchläufe, sondern auch auf den unterschiedlichen<br />

Grad an Vertrautheit mit dem PC sowie das unterschiedliche Lesetempo der<br />

Befragten zurückzuführen. Deshalb ist gerade bei der hier angesprochenen Zielgruppe besonders<br />

zu unterstreichen, was Bandilla/Bosnjak (2000, 19) für Online-Befragungen allgemein<br />

feststellen: Die Gestaltung des Instrumentes muss dem Medium angepasst sein. Fragen<br />

sollten möglichst kurz formuliert <strong>und</strong> auf lange Texte (Einführungen, Erläuterungen) sollte<br />

möglichst verzichtet werden (vgl. auch Gräf 2004, Couper / Coutts 2005, 227f).<br />

Insgesamt haben die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler offenbar gerne an der Online-Befragung<br />

teilgenommen. Darauf weist die Tatsache hin, dass trotz eines Hinweises durch das Projektteam<br />

auf diese Möglichkeit keine einzige Verweigerung eines Schülers zu verzeichnen war.<br />

Auch von den Eltern wurde in keinem Fall explizit die Teilnahme verweigert, allerdings konnten<br />

einige Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen nicht teilnehmen, da die Zustimmung der Eltern nicht<br />

vorlag. Die hohe Teilnahmebereitschaft ist sicher zu einem großen Teil auf die biographische<br />

Aktualität des Themas Berufsorientierung für die Zielgruppe der Befragten zurückzuführen.<br />

Auf Seiten der Schüler kommt hinzu, dass eine Befragung eine interessante Abwechslung<br />

vom schulischen Alltag darstellt. Auch die Tatsache, dass die Befragung online <strong>und</strong> nicht<br />

mittels eines herkömmlichen Papierfragebogens durchgeführt wurde, mag das Interesse der<br />

Schüler gesteigert haben. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch ein im Rahmen des DJI-<br />

Übergangspanels durchgeführter Methodenvergleich zwischen verschiedenen Befragungsformen,<br />

unter denen aus Sicht der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die Online-Befragung<br />

am besten abgeschnitten hat (vgl. Gaupp / Kuhnke / Schweigard 2006, 31ff).<br />

2.3 Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung der Befragung<br />

Um eine möglichst hohe <strong>Aus</strong>schöpfung zu erreichen, wurde das Vorhaben im Vorfeld der<br />

Befragung in der Region auf Workshops sowie über die regionalen Beiräte „Schule – Beruf“<br />

bekannt gemacht. Um die Belastung der Schulen durch Befragungen gering zu halten, wurde<br />

mit dem regionalen ABBEO-Projekt, dass für das Frühjahr eine Schülerbefragung in den<br />

ABBEO-Pilotschulen plant, eine weit reichende Zusammenarbeit vereinbart. Dabei wurden<br />

die ABBEO-Schulen zunächst aus der Gr<strong>und</strong>gesamtheit der Schulen, deren Zehntklässler<br />

2005 befragt werden sollten, herausgenommen. Zugleich aber werden dem ABBEO-Team<br />

die Erhebungsinstrumente für die Schülerbefragung in der ersten Jahreshälfte 2006 zur Verfügung<br />

gestellt. Personell wird diese zweite Befragungswelle gemeinsam von dem Projektteam<br />

<strong>und</strong> von ABBEO getragen. Die Daten werden anschließend zusammengeführt. Der<br />

verknüpfte Datensatz wird die Datenbasis dann deutlich vergrößern <strong>und</strong> durch die zwei Erhebungszeitpunkte<br />

zusätzliche Analysemöglichkeiten eröffnen.<br />

104


Die in Frage kommenden Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen wurden angeschrieben <strong>und</strong> über<br />

das Vorhaben einer klassenweisen Online-Befragung informiert. 4 Im Anschreiben wird<br />

betont, dass die Befragung von Projektmitarbeitern betreut wird, so dass für die Schule kein<br />

zusätzlicher personeller Aufwand notwendig ist. Darüber hinaus wird in dem Anschreiben<br />

darauf hingewiesen, dass vom Projektteam Elternbriefe, in denen die Eltern über das Vorhaben<br />

(falls nötig auch in türkischer oder russischer Sprache) informiert werden <strong>und</strong> im unteren<br />

Teil ihr Einverständnis mit der Befragung erklären können, den Schulen zur Verfügung gestellt<br />

wurden. Dem Anschreiben beigefügt war ein Antwortformular, mit dem die Schulen ihre<br />

Teilnahmebereitschaft erklären <strong>und</strong> Terminvorschläge machen konnten. 5 28 Schulen erklärten<br />

sich daraufhin – überwiegend mithilfe des Antwortformulars, aber auch telefonisch oder<br />

per E-Mail – bereit, an der Befragung teilzunehmen. 6 Bei der Terminvereinbarung wurden die<br />

Vorgaben der Schulen gr<strong>und</strong>sätzlich akzeptiert, auch wenn dies im Rahmen eines sehr kleinen<br />

Projektteams manchmal mit Problemen verb<strong>und</strong>en war. Gut zwei Wochen vor dem vereinbarten<br />

Befragungstermin wurden jeweils die vorbereiteten Elternbriefe der Schule zur<br />

Verfügung gestellt <strong>und</strong> mit der Schulleitung bzw. einer von dieser benannten Kontaktperson<br />

letzte Einzelheiten abgesprochen. Im Rahmen der Vorgespräche wurde den Schulen auch<br />

zugesagt, ihnen relativ frühzeitig eine erste tabellarische <strong>Aus</strong>wertung der Daten, bei denen<br />

die Ergebnisse ihrer jeweiligen Schule den Daten relevanter (anonymisierter) Vergleichsgruppen<br />

gegenübergestellt werden, zur Verfügung zu stellen. Dadurch wird es den Schulen<br />

möglich, sich hinsichtlich der ausgewerteten Fragen selber innerhalb des gesamten Spektrums<br />

zu lokalisieren <strong>und</strong> ggf. die Feinsteuerung der eigenen berufsorientierenden <strong>und</strong> vorbereitenden<br />

Maßnahmen zu optimieren. Die Befragung selber wurde jeweils von zwei Projektmitarbeitern<br />

begleitet <strong>und</strong> in der Regel an einem Tag durchgeführt.<br />

Die überaus positiv zu bewertende Teilnahmebereitschaft der Schulen – die ABBEO-Schulen<br />

noch nicht eingerechnet konnten in 28 Schulen letztlich mehr als 15 Prozent der Gr<strong>und</strong>gesamtheit<br />

der in Frage kommenden Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler befragt werden – belegt den<br />

Erfolg einer integrierten Feldstrategie, die konsequent darauf angelegt war, die Belastungen<br />

für die Schulen möglichst gering zu halten <strong>und</strong> sich an deren Interessen zu orientieren.<br />

4<br />

Wir möchten uns an dieser Stelle bei Herrn Weyers, dem Leiter des Duisburger Schulamtes, für seine Unterstützung<br />

bedanken.<br />

5<br />

Anschreiben, Antwortformular <strong>und</strong> Elternbrief sind im Anhang dokumentiert.<br />

6<br />

Die Tatsache, dass die Befragung letztlich nur an 24 Schulen durchgeführt werden konnte, hatte terminliche<br />

<strong>und</strong> technische Gründe.<br />

105


3 Wer wurde befragt?<br />

3.1 Region <strong>und</strong> Schulform<br />

Die erste Welle der Befragung wurde zwischen dem Juni <strong>und</strong> Dezember 2005 an insgesamt<br />

24 Haupt-, Real- oder Gesamtschulen der Stadt Duisburg <strong>und</strong> der Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve<br />

als klassenweise internetbasierte Befragung in den Computerräumen der Schulen durchgeführt.<br />

Dabei konnten insgesamt N=1499 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die im Sommer 2006 die<br />

Schule verlassen werden, zum Themenkomplex ‚Berufsorientierung’ befragt werden. Da die<br />

Datenqualität einer Befragung am Computer in starkem Maße von der Gewissenhaftigkeit<br />

des <strong>Aus</strong>füllens durch die Befragten abhängt <strong>und</strong> ein bloßes „Durchklicken“ einzelner Teilnehmer<br />

zu Messfehlern führen <strong>und</strong> die Ergebnisse verfälschen würde, generiert die verwendete<br />

Software der Firma Globalpark einen Qualitätsindikator, der die durchschnittlichen individuelle<br />

Antwortzeit je Bildschirmseite in Relation zur durchschnittlichen Antwortzeit aller Befragten<br />

setzt (Globalpark 2006, 444f). Dieser Indikator variiert zwischen 0 <strong>und</strong> 1, wobei 0,5<br />

dem Median der Befragungsdauer aller Befragten entspricht. Zur Verbesserung der Datenqualität<br />

wurden nur Personen mit einem Qualitätsindex über 0,2 in den Analysen verwendet.<br />

Dadurch reduziert sich die Fallzahl auf N=1434 befragte Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. In Zusammenarbeit<br />

mit dem regionalen ABBEO-Projekt ist eine zweite Befragungswelle für den<br />

Zeitraum Januar bis Juni 2006, also für das zweite Halbjahres der 10. Klasse, an Schulen<br />

der Stadt Duisburg <strong>und</strong> des Kreises Wesel geplant.<br />

Der hier vorgelegte Bericht basiert aus terminlichen Gründen lediglich auf den Daten der<br />

erste Befragungswelle 2005. Die folgende Tabelle 1 gibt einen nach Region <strong>und</strong> Schulform<br />

differenzierten Überblick über die 2005 befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, deren Daten in<br />

den Analysen genutzt werden. Zu Vergleichszwecken gibt die gleich aufgebaute Tabelle 2<br />

die Verteilung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der 10. Klassen aller Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />

in der Stadt Duisburg <strong>und</strong> den Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve für das Schuljahr<br />

2004/05 wider. Dabei handelt es sich aus zwei Gründen nicht um die Gr<strong>und</strong>gesamtheit der<br />

vorliegenden Stichprobe: Zum einen gibt sie die Schülerpopulation der 10. Klassen des Vorjahres<br />

der Befragung (Schuljahr 2004/05) wider, <strong>und</strong> zum anderen enthält sie auch die Schüler<br />

der ABBEO-Schulen, die nicht zur Gr<strong>und</strong>gesamtheit gehören, da sie für die erste Welle<br />

gar nicht angeschrieben worden sind. Der Vergleich kann dennoch Hinweise darauf geben,<br />

inwieweit einzelne Schulformen oder Regionen unter- bzw. überrepräsentiert sind.<br />

106


Tabelle 1 Befragte der ersten Erhebungswelle (2005) nach Schulform <strong>und</strong> Region<br />

Region Gesamt<br />

Duisburg Kleve Wesel<br />

Hauptschule Anzahl 224 218 207 649<br />

% von Schulform 34,5 33,6 31,9 100,0<br />

% von Kreis 41,0 71,0 35,6 45,3<br />

% der Gesamtzahl 15,6 15,2 14,4 45,3<br />

Realschule Anzahl 85 89 253 427<br />

% von Schulform 19,9 20,8 59,3 100,0<br />

% von Kreis 15,6 29,0 43,5 29,8<br />

% der Gesamtzahl 5,9 6,2 17,6 29,8<br />

Gesamtschule Anzahl 237 0 121 358<br />

% von Schulform 66,2 ,0 33,8 100,0<br />

% von Kreis 43,4 ,0 20,8 25,0<br />

% der Gesamtzahl 16,5 ,0 8,4 25,0<br />

Gesamt Anzahl 546 307 581 1434<br />

% von Schulform 38,1 21,4 40,5 100,0<br />

% von Kreis 100,0 100,0 100,0 100,0<br />

% der Gesamtzahl 38,1 21,4 40,5 100,0<br />

Tabelle 2 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der 10. Klassen an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />

der Stadt Duisburg <strong>und</strong> der Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel im Schuljahr 2004/05<br />

Kreis Gesamt<br />

Duisburg Kleve Wesel<br />

Hauptschule Anzahl 989 1329 1248 3566<br />

% von Schulform 27,7 53,4 30,4 100,0<br />

% von Kreis 26,2 46,0 49,4 34,4<br />

% der Gesamtzahl 9,5 12,8 12,0 34,4<br />

Realschule Anzahl 965 1004 1564 3533<br />

% von Schulform 27,3 28,4 44,3 100,0<br />

% von Kreis 25,5 40,3 38,1 34,0<br />

% der Gesamtzahl 9,3 9,7 15,1 34,0<br />

Gesamtschule Anzahl 1826 157 1296 3279<br />

% von Schulform 55,7 4,8 39,5 100,0<br />

% von Kreis 48,3 6,3 31,5 31,5<br />

% der Gesamtzahl 17,6 1,5 12,5 31,5<br />

Gesamt Anzahl 3780 2490 4108 10378<br />

% von Schulform 36,4 24,0 39,6 100,0<br />

% von Kreis 100,0 100,0 100,0 100,0<br />

% der Gesamtzahl 36,4 24,0 39,6 100,0<br />

107<br />

Datenquelle: Landesdatenbank NRW


Die regionale Verteilung der Stichprobe (Tabelle 1, Zeile Gesamt) stimmt mit der Verteilung<br />

der Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen im Schuljahr 2004/05, so wie sie die amtliche Statistik ausweist<br />

(Tabelle 2), weitgehend überein. Die maximale Abweichung beträgt lediglich 2,6 Prozentpunkte.<br />

Betrachtet man die Verteilung der besuchten Schulformen (Spalte Gesamt der beiden Tabellen),<br />

dann fällt auf, dass Hauptschüler (+ 10,9 Prozentpunkte) in dem vorliegenden Sample<br />

zu Lasten der Realschüler <strong>und</strong> der Gesamtschüler überrepräsentiert sind. Hierfür kann das<br />

ABBEO-Projekt eine Teilerklärung bieten: In Duisburg beispielsweise werden 4 der 10 Realschulen<br />

im Rahmen von ABBEO befragt (aber nur 6 der 20 Hauptschulen) <strong>und</strong> fallen also<br />

aus der Gr<strong>und</strong>gesamtheit der ersten Welle heraus. Der reduzierte Gesamtschüleranteil hat<br />

allerdings teilweise eine andere Ursache. 7 Hier wurden in einigen (nicht allen) Schulen aus<br />

Termingründen in Absprache mit den Schulen vor allem die Schüler befragt, die die Schule<br />

nach dem Abschluss der 10. Klasse voraussichtlich verlassen. Dies hat den zusätzlichen<br />

Vorteil, dass die eigentliche Zielgruppe besser getroffen wird. Dennoch dürfte eine Lücke<br />

bleiben, auf die diese Erklärungen nicht zutreffen.<br />

Die Überrepräsentation der Hauptschüler/-innen ist allerdings nicht notwendigerweise als<br />

Nachteil zu werten; sie erlaubt vielmehr aufgr<strong>und</strong> der größeren Fallzahl bei den Hauptschüler/-innen,<br />

d.h. in der Gruppe mit den größten Problemen an der ersten Schwelle, genauere<br />

<strong>und</strong> tiefer gehende Analysen, während die Antworten der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der beiden<br />

anderen Schulformen zu Vergleichszwecken als Kontrollgruppen herangezogen werden<br />

können. Innerhalb der drei durch die Schulform gebildeten Subgruppen erlauben die Fallzahlen<br />

jedenfalls aussagekräftige Analysen. In Bezug auf die Gesamtgruppe aller Befragten ist<br />

jedoch Vorsicht geboten – zumindest dann, wenn man davon ausgeht, dass die Ergebnisse<br />

auch durch die Schulform <strong>und</strong> durch regionale Unterschiede beeinflusst werden. Wo solche<br />

Einflüsse zu erwarten sind, ist es geboten, auf generalisierende <strong>Aus</strong>sagen über die gesamte<br />

Stichprobe zu verzichten <strong>und</strong> stattdessen die einzelnen Subgruppen untereinander zu vergleichen.<br />

Aber eine solche differenzierende Vorgehensweise wäre ohnehin geboten, denn<br />

generalisierende <strong>Aus</strong>sagen über die Gesamtgruppe würden, auch wenn die Subgruppen der<br />

Stichprobe die Größe dieser Gruppen in der Gr<strong>und</strong>gesamtheit exakt repräsentieren würden,<br />

die Unterschiede zwischen den Subgruppen nur verdecken <strong>und</strong> dadurch dem Erkenntnisinteresse<br />

zuwiderlaufen.<br />

7 Im Kreis Kleve gibt es nur eine Gesamtschule. Diese hat nicht an der Befragung teilgenommen.<br />

108


3.2 Migrationshintergr<strong>und</strong> der Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen<br />

Deutschland ist faktisch ein Einwanderungsland. Dies gilt für die industriellen Regionen<br />

Nordrhein-Westfalens in besonderem Maße, aber es gibt auch dort regionale Unterschiede.<br />

Beides spiegelt sich natürlich auch in den Schulstatistiken wieder. Multi-ethnische Klassen<br />

gehören zum Alltag in den Schulen. Allerdings unterscheidet sich die Verteilung der Migrantenkinder<br />

auf die verschiedenen Schulformen deutlich von der gleichaltriger deutscher Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler. So besuchten am Stichtag 15.10.2004 in Nordrhein-Westfalen 41,9%<br />

der in Frage kommenden deutschen Schüler der Sek<strong>und</strong>arstufe ein Gymnasium, aber nur<br />

14,7% der ausländischen Schüler <strong>und</strong> 14,0% der jungen <strong>Aus</strong>siedler. Genau umgekehrt verhält<br />

es sich beim Besuch der Hauptschule: Gerade 15,8% der deutschen Schüler besuchten<br />

eine Hauptschule, aber 34,4% der ausländischen Schüler <strong>und</strong> 40,4% der <strong>Aus</strong>siedlerkinder<br />

(Stender in diesem Band, Tabelle 4, vgl. auch Diefenbach 2004, 2005; Avenarius u.a. 2003,<br />

213-219; Baumert / Schümer 2001, 372-374; Gogolin u.a. 2003, 1-19, Goldberg u.a. 2002,<br />

21-31).<br />

Die amtliche Statistik beschränkt sich leider auf die Erfassung der Staatsbürgerschaft <strong>und</strong><br />

blendet dadurch systematisch bestimmte Migrantengruppen aus (Herwartz-Emden 2005). In<br />

der vorliegenden Studie wurde daher, ähnlich wie bei PISA (Baumert / Schümer 2001) oder<br />

im Längsschnitt des DJI zum Übergang Schule – Beruf (Reißig / Gaupp / Lex 2004), ein umfassenderer<br />

<strong>und</strong> zugleich differenzierterer Weg gewählt, den Migrationshintergr<strong>und</strong> der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu erheben. Zunächst wurden die Geburtsländer beider Elternteile<br />

erhoben. War mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren, dann wurde danach<br />

gefragt, ob der Schüler bzw. die Schülerin in Deutschland oder einem anderen Land geboren<br />

wurde <strong>und</strong> ggf. in welchem Alter er / sie nach Deutschland gekommen ist. Diese Personengruppe<br />

wurde zusätzlich gefragt, ob Deutsch die Umgangssprache in der Familie ist (vgl.<br />

Chlosta / Ostermann 2005) <strong>und</strong> ob sie auch deutsche Fre<strong>und</strong>e haben. Damit stehen für differenzierte<br />

Analysen möglicher Effekte des Migrationshintergr<strong>und</strong>es Einzelindikatoren bereit,<br />

aus denen auch der Indikator „Migrationshinterg<strong>und</strong>“ konstruiert wurde. Dessen Basis bilden<br />

die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen, von denen bereits beide Elternteile in Deutschland geboren<br />

wurden (In der Tabelle zugunsten der dazu komplementären Summenkategorie „Schüler/in<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong>“ nicht dargestellt). Auf der nächsten Stufe wird differenziert, ob ein<br />

Elternteil oder beide nicht in Deutschland geboren wurden. Die vierte Stufe bilden Befragte,<br />

die selber nicht in Deutschland geboren wurden, bei denen aber Deutsch zuhause auch Umgangssprache<br />

ist. Die fünfte Kategorie enthält schließlich alle Schüler, bei denen zuhause<br />

nicht Deutsch gesprochen wird. 8 Sie rekrutiert sich ganz überwiegend aus den Gruppen, bei<br />

8 Die Frageformulierung im Fragebogen lautete: „Sprecht ihr zuhause normalerweise deutsch?“<br />

109


denen entweder beide Eltern nicht in Deutschland geboren wurden (51%) oder der / die Befragte<br />

selber erst nach der Geburt nach Deutschland eingereist ist (41%).<br />

Tabelle 3 Migrationshintergr<strong>und</strong> der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nach Schulform<br />

<strong>und</strong> Region<br />

HS<br />

Duisburg<br />

HS<br />

Kleve<br />

HS<br />

Wesel<br />

RS<br />

Duisburg<br />

110<br />

RS<br />

Kleve<br />

RS<br />

Wesel<br />

GS<br />

Duisburg<br />

GS<br />

Wesel<br />

Ohne Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

55,5% 71,0% 79,3% 77,6% 84,9% 86,9% 58,4% 78,3%<br />

Ein Elternteil nicht in<br />

Deutschland geboren<br />

8,2% 5,5% 4,9% 4,7% 4,7% 5,2% 8,7% 11,7%<br />

Beide Eltern nicht in<br />

Deutschland geboren<br />

10,0% 4,1% 5,4% 5,9% 3,5% 3,6% 11,3% 5,8%<br />

Schüler/in nicht in<br />

Deutschland geboren<br />

5,9% 7,4% 5,4% 3,5% 4,7% 2,0% 4,8% ,8%<br />

Zuhause nicht Deutsch<br />

als Umgangssprache<br />

Migrations-<br />

20,5% 12,0% 4,9% 8,2% 2,3% 2,4% 16,9% 3,3%<br />

hintergr<strong>und</strong> Anteil 44,5% 29,0% 20,7% 22,4% 15,1% 13,1% 41,6% 21,7%<br />

Amtliche<br />

Statistik*<br />

Anteil 37,7% 12,9% 25,7% 15,4% 4,0% 6,3% 28,9% 15,9%<br />

Befragte Anzahl 220 217 203 85 86 252 231 120<br />

Gesamt Anteil 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%<br />

* Datenquelle für Zeile „Amtliche Statistik“: Ministerium für Schule, Jugend <strong>und</strong> Kinder NRW; In der Zeile „Amtliche Statistik“ ist<br />

der Anteil der Summe von Schülern mit ausländischer Staatsangehörigkeit <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedlerkindern ausgewiesen. Die Basis der<br />

Prozentuierung bilden alle Schüler/innen die zum Stichtag 15.10.2004 die jeweilige Schulform in den drei Kreisen besucht<br />

haben (vgl. Stender in diesem Band, Tabelle 4).<br />

HS: Hauptschule, RS: Realschule, GS: Gesamtschule<br />

Tabelle 3 belegt, dass die Beschränkung der amtlichen Statistik auf die Kategorie der Staatsanghörigkeit<br />

<strong>und</strong> des <strong>Aus</strong>siedlerstatus (der nur im ersten Jahr nach der Einreise berücksichtigt<br />

wird) erwartungsgemäß zu Unterschätzung des Anteils an Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

in den Schulen führt. Auch wenn der Vergleich mit eigenen Unschärfen verb<strong>und</strong>en<br />

ist (die Vergleichsdaten beziehen sich auf alle Schüler der dargestellten Differenzierungsebenen,<br />

nicht wie die der Stichprobe nur auf die 10. Klasse), so zeigt er doch, dass in<br />

fast allen aus der Kombination von Schulform <strong>und</strong> Kreis gebildeten Gruppen der Anteil der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> in der Stichprobe den in der amtlichen<br />

Statistik ausgewiesenen summierten Anteil an ausländischen Jugendlichen <strong>und</strong> jugendlichen<br />

<strong>Aus</strong>siedlern an den Schulen deutlich übersteigt. Dies trifft lediglich auf die Hauptschulen im<br />

Kreis Wesel nicht zu, wo in der vorliegenden Stichprobe die Anteile der Schüler der 10. Klassen<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong> sogar geringfügig niedriger liegen als die Anteile der <strong>Aus</strong>länder<br />

plus die der <strong>Aus</strong>siedler an allen Schülern der jeweiligen Schulform <strong>und</strong> Region. Eine<br />

mögliche Ursache könnte sein, dass die in dem vorliegenden Sample befragten Hauptschulen<br />

des Kreises Wesel 9 in den stärker ländlich geprägten Teilen des Kreises <strong>und</strong> nicht in den<br />

9 <strong>Aus</strong> Gründen des Datenschutzes werden in diesem Bericht keine einzelnen Schulen identifiziert. Allerdings<br />

erhalten die Schulen, die an der Befragung teilgenommen haben, eine schulscharfe <strong>Aus</strong>wertung wichtiger Daten.


größeren Bergbau- <strong>und</strong> Industriestädten mit ihrem höheren <strong>Aus</strong>länderanteil beheimat sind. 10<br />

Dies wird sich allerdings mit der Befragung der ABBEO-Schulen noch ändern.<br />

Hinsichtlich des Anteils der Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> bestehen zwischen der kreisfreien<br />

Stadt Duisburg <strong>und</strong> den beiden Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve bei allen drei Schulformen<br />

große Unterschiede, die ihre unterschiedlichen <strong>Aus</strong>länderanteile an der Wohnbevölkerung<br />

widerspiegeln (vgl. Stender in diesem Band, Tabelle 1): Der <strong>Aus</strong>länderanteil <strong>und</strong> entsprechend<br />

der Anteil an Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern mit Migrationshintergr<strong>und</strong> an den Haupt-,<br />

Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen ist in Duisburg deutlich höher als in den beiden Kreisen.<br />

Vergleicht man die drei Schulformen, dann findet man jeweils die höchsten Anteile an den<br />

Hauptschulen, allerdings dicht gefolgt von den Gesamtschulen. In den 10. Klassen der Duisburger<br />

Hauptschulen liegt der Anteil nichtdeutscher Schüler in unserer Stichprobe bei knapp<br />

45% (gegenüber 37,7% in der Schulstatistik) <strong>und</strong> an den Gesamtschulen bei r<strong>und</strong> 42%.<br />

Deutlich niedriger liegen dagegen in allen drei Regionen die Anteile der Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

an den Realschulen. Sie reichen von 22,4% in Duisburg bis hin zu 13,1% im<br />

Kreis Wesel. Bedenkt man die Bedeutung der Sprache für den Integrationsprozess (Baumert<br />

/ Schümer 2001, 379), dann erscheint der durchgängig hohe Anteil der Jugendlichen mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong>, in deren Familien überwiegend eine andere Sprache als Deutsch gesprochen<br />

wird, bedenklich. Einer Studie des Zentrums für Türkeistudien (Goldberg u.a. 2002,<br />

62) zufolge verwenden r<strong>und</strong> zwei Drittel der türkischen Familien mit schulpflichtigen Kindern<br />

im eigenen Haushalt sowohl Türkisch als auch Deutsch als Umgangssprache. <strong>Aus</strong>schließlich<br />

Türkisch oder Deutsch sprechen jeweils r<strong>und</strong> 20% dieser Gruppe.<br />

<strong>Aus</strong> Gründen des Datenschutzes werden in der Tabelle (wie generell in diesem Bericht) nicht<br />

die Daten für einzelne Schulen publiziert. Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass die Streuung<br />

des <strong>Aus</strong>länderanteils zwischen den einzelnen Schulen – nicht nur in Duisburg – beträchtlich<br />

ist. So finden sich unter den befragten Duisburger Hauptschulen zwei Schulen mit<br />

Klassen, deren <strong>Aus</strong>länderanteil bei r<strong>und</strong> 80% liegt, aber auch eine Schule, in der eine Klasse<br />

mit einem extrem niedrigen <strong>Aus</strong>länderanteil von lediglich r<strong>und</strong> 6% befragt wurde.<br />

Tabelle 4 beantwortet die Frage nach der Herkunft der Väter der befragten Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Im Anhang ist zusätzlich die Verteilung für die Mütter<br />

ausgewiesen (Tabelle A2). Diese unterscheidet sich hinsichtlich der drei häufigsten Migrantengruppen<br />

nur unwesentlich von der Tabelle für die Väter, so dass die Darstellung auf die<br />

Väter (n=342), die zudem häufiger als die Mütter (n=312) nicht in Deutschland geboren wurden,<br />

beschränkt werden kann.<br />

10 Der <strong>Aus</strong>länderanteil an der Wohnbevölkerung streut zwischen den Städten des Kreises Wesel beträchtlich: Es<br />

gibt drei Städte mit einem <strong>Aus</strong>länderanteil unter 3%, aber auch zwei Städte mit einem Anteil von über 10%<br />

(Moers <strong>und</strong> Kamp-Lintfort). In den beiden Städten mit hohem <strong>Aus</strong>länderanteil konnten in der ersten Erhebungswelle<br />

2005 keine Schulen für die Befragung gewonnen werden.<br />

111


Tabelle 4 Herkunft der Väter von Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

112<br />

Region Gesamt<br />

Duisburg Kleve Wesel<br />

Türkei 51,0% 28,2% 26,0% 40,6%<br />

Frühere Sowjetunion <strong>und</strong> Osteuropa 12,4% 40,8% 44,2% 25,4%<br />

Naher <strong>und</strong> mittlerer Osten sowie Nordafrika 14,9% 4,2% 3,9% 10,2%<br />

BeNeLux, A, CH, GB, F, USA, CA 6,2% 11,3% 5,2% 7,0%<br />

Früheres Jugoslawien <strong>und</strong> Albanien 8,2% 4,2% 2,6% 6,1%<br />

Griechenland, Italien, Spanien, Portugal 5,2% 4,2% 9,1% 5,8%<br />

Andere Länder 2,1% 7,0% 9,1% 4,7%<br />

Gesamt Anzahl 194 71 79 342<br />

Anteil 100,0% 100,0% 100,0% 100,0%<br />

Im Tabellenanhang findet sich die strukturell gleiche Tabelle A2 für die Mütter der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

In der Gesamtgruppe der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> ist der Anteil der Befragten,<br />

von denen mindestens ein Elternteil (meist aber beide) aus der Türkei stammen am höchsten<br />

(40,6%). Differenziert man allerdings nach den drei Regionen, dann trifft diese <strong>Aus</strong>sage<br />

nur noch auf Duisburg mit seinem allgemein hohen Anteil an Migranten zu – dort jedoch umso<br />

stärker. Hier stammen die Eltern von mehr als der Hälfte der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

aus der Türkei (51,0%). Dagegen liegt der Anteil der Befragten, deren Eltern aus<br />

den Ländern der ehemaligen Sowjetunion oder aus Osteuropa stammen, in Duisburg wesentlich<br />

niedriger als in den beiden Landkreisen, wo diese jeweils die größte Gruppe unter<br />

den Eltern der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> bilden. 11 Relativ groß ist in Duisburg auch<br />

die Gruppe der aus den Ländern des nahen <strong>und</strong> mittleren Osten sowie Nordafrika Zugewanderten,<br />

die aber in den Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve kaum eine Rolle spielt. Die weiteren Zuwanderergruppen<br />

sind in allen drei Regionen zahlenmäßig relativ klein, so dass über sie in<br />

den durchzuführenden Analysen keine verlässlichen <strong>Aus</strong>sagen möglich sind.<br />

11 Wie in einer Studie des Instituts für Landes- <strong>und</strong> Stadtentwicklungsforschung <strong>und</strong> Bauwesen des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen (Krampulz 2005, 43) herausgestellt wird, liegen die <strong>Aus</strong>länderanteile an der Wohnbevölkerung<br />

in den kreisfreien Städten Nordrhein-Westfalens i.d.R. deutlich über denen der Kreise, während <strong>Aus</strong>siedler<br />

eher in die ländlichen Räume gezogen sind (bzw. zugewiesen wurden).


3.3 Geschlechtsspezifische Bildungsbeteiligung<br />

Jungen <strong>und</strong> Mädchen sind b<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> landesweit in den einzelnen Schulformen unterschiedlich<br />

repräsentiert. Im Jahre 2004 lag in Nordrhein-Westfalen der Mädchenanteil an den<br />

Gymnasien bei 53,9%, an den Realschulen bei 50,3%, an den Gesamtschulen bei 49,5%<br />

<strong>und</strong> an den Hauptschulen bei 42,8% (vgl. Stender in diesem Band, Tabelle 4). Während die<br />

Mädchen häufiger ein Gymnasium besuchen, sind die Jungen vor allem an den Hauptschulen<br />

überproportional häufig vertreten. Wie folgende Tabelle belegt, spiegelt sich diese Entwicklung<br />

auch in den Daten der hier vorgelegten Schülerbefragung wider, ist aber noch etwas<br />

stärker ausgeprägt.<br />

Tabelle 5 Geschlechtsspezifik der Bildungsbeteiligung<br />

Schulform Gesamt<br />

Hauptschule Realschule Gesamtschule<br />

Geschlecht Männlich 59,2% 53,8% 51,3% 55,6%<br />

Weiblich 40,8% 46,2% 48,7% 44,4%<br />

Gesamt<br />

Anzahl<br />

Anteil<br />

3.4 Herkunftsfamilie<br />

3.4.1 Familienstruktur<br />

645<br />

100,0%<br />

113<br />

424<br />

100,0%<br />

357<br />

100,0%<br />

1426<br />

100,0%<br />

R<strong>und</strong> drei Viertel der Befragten unserer Stichprobe leben in einer vollständigen Familie mit<br />

Vater <strong>und</strong> Mutter, auch wenn es sich dabei nicht in jedem Fall um die leiblichen Eltern handeln<br />

muss (vgl. Tabelle 6). 12 R<strong>und</strong> 20 % der Befragten leben nur mit ihrer Mutter, r<strong>und</strong> 4%<br />

nur mit dem Vater zusammen in einem Haushalt. Ein quantitativ kleiner Personenkreis wohnt<br />

bei sonstigen Verwandten (meist die Großeltern) oder in einem Heim bzw. einer Wohngemeinschaft.<br />

Tabelle 6 belegt darüber hinaus, dass wiederum beträchtliche Unterschiede zwischen den<br />

Schulformen aber auch zwischen Duisburg <strong>und</strong> den beiden Landkreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel<br />

bestehen. So kommen an den Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen nur r<strong>und</strong> 70% der Befragten aus<br />

vollständigen Familien, während dies an den Realschulen 80% sind. Darüber hinaus finden<br />

wir bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern aus den beiden Landkreisen deutlich häufiger als in<br />

der Großstadt Duisburg vollständige Familien.<br />

12 Es wurde gefragt, ob die Befragten mit der Mutter / dem Vater, bzw. einem anderen weiblichen / männlichen<br />

Erziehungsberechtigten in einem Haushalt leben.


Tabelle 6 Struktur der Herkunftsfamilie<br />

Hauptschule<br />

Schulform Region<br />

Realschule<br />

Gesamtschule<br />

Duisburg Kleve Wesel Gesamt<br />

Vater <strong>und</strong> Mutter* 69,7% 80,7% 71,0% 68,4% 74,4% 77,3% 73,3%<br />

Nur Mutter* 22,3% 14,4% 20,7% 24,9% 16,7% 16,1% 19,5%<br />

Nur Vater* 4,1% 3,3% 5,4% 3,7% 5,6% 3,8% 4,2%<br />

Bei Verwandten 2,4% ,5% 1,7% 1,9% 1,6% 1,4% 1,6%<br />

Heim / Wohngemeinschaft<br />

1,6% 1,2% 1,1% 1,1% 1,6% 1,4% 1,3%<br />

Anzahl<br />

Gesamt<br />

Anteil<br />

636<br />

100,0%<br />

424<br />

100,0%<br />

352<br />

100,0%<br />

534<br />

100,0%<br />

305<br />

100,0%<br />

573<br />

100,0%<br />

1412<br />

100,0%<br />

* bzw. andere weibliche / männliche Erziehungsberechtigte.<br />

3.4.2 Schulabschlüsse der Eltern<br />

Die Schulabschlüsse der Eltern können als ein Indikator der sozialen Herkunft der Schüler<br />

<strong>und</strong> Schülerinnen <strong>und</strong> des im Elternhaus verfügbaren kulturellen Kapitals verstanden werden.<br />

<strong>Aus</strong> den Antworten der Befragten auf die Fragen nach den Schulabschlüssen der Eltern<br />

wurde eine Variable „Höchster Schulabschluss der Eltern“ konstruiert, in die der jeweils<br />

höchste Schulabschluss von Mutter oder Vater übernommen wurde. Wegen ihrer größeren<br />

Distanz zum deutschen Bildungssystem wurde die im Fragebogen vorgegebene Kategorie<br />

„Ein anderer Schulabschluss (z.B. im <strong>Aus</strong>land)“ gesondert ausgewiesen. Falls bei einem<br />

Elternteil die Kategorie „Weiß nicht“ gewählt, bei dem anderen aber eine Nennung erfolgte,<br />

dann wurde diese Nennung in der Variablen „Höchster Schulabschluss der Eltern“ aufgenommen.<br />

Diese Konstruktionslogik bewirkt gegenüber den beiden Einzelvariablen eine leichte<br />

Verschiebung hin zu höheren Abschlüssen <strong>und</strong> zur Angabe von Abschlüssen generell. 13<br />

Sie liefert aber eine zutreffende Beschreibung des sozialen Hintergr<strong>und</strong>es der Familie der<br />

Befragten im Sinne einer Unterstützung durch das in der Familie verfügbare soziale Kapital<br />

<strong>und</strong> der Aspirationen für den weiteren <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Berufsweg. Zugleich erhöht eine<br />

derartige Konstruktion gegenüber einer Beschränkung auf den Schulabschluss des Vaters<br />

oder der Mutter wegen der Häufigkeit von allein erziehenden Müttern bzw. Vätern (vgl. Tabelle<br />

6) die für weiterführende multivariate Analyseverfahren verfügbaren Fallzahlen.<br />

13 Beispielsweise haben in unserer Stichprobe lediglich 159 Väter bzw. 160 Mütter die Fach- bzw. allg. Hochschulreife,<br />

aber bei insgesamt 271 Familien trifft dies entweder auf den Vater oder die Mutter zu. Bei 306 Vätern<br />

<strong>und</strong> bei 331 Müttern wurde kein Abschluss genannt (Kategorie „Ich weiß nicht“), den Abschluss beider Elternteile<br />

konnten 280 Befragten nicht nennen.<br />

114


Tabelle 7 Höchster Schulabschluss der Eltern nach Schulform der Kinder<br />

(Spaltenprozente)<br />

Schulform Gesamt<br />

Hauptschule Realschule Gesamtschule<br />

Haupt- / Volksschulabschluss 26,0% 28,1% 21,3% 25,5%<br />

Fachoberschulreife / Mittlere Reife 26,8% 30,9% 26,3% 28,0%<br />

Fachabitur / Abitur 14,4% 26,1% 21,6% 19,8%<br />

Ein anderer Schulabschluss (z.B.<br />

im <strong>Aus</strong>land)<br />

5,7% 2,4% 3,8% 4,2%<br />

Kein Abschluss 2,5% 1,2% 2,6% 2,1%<br />

Ich weiß nicht 24,5% 11,3% 24,3% 20,4%<br />

Gesamt<br />

Anzahl 611 417 342 1370<br />

Anteil 100% 100% 100% 100%<br />

Vergleicht man die Verteilungen, dann ist vor allem der sehr hohe Anteil der Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler auffällig, die die Schulabschlüsse ihrer Eltern nicht nennen können („Ich weiß<br />

nicht“). Jeweils ein knappes Viertel der Haupt- <strong>und</strong> der Gesamtschüler wissen nicht, welchen<br />

Schulabschluss ihre Mutter oder ihr Vater besitzt. Nun könnte man vermuten, dass es sich<br />

dabei überwiegend um Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> handelt, die die in der Heimat<br />

ihrer Eltern von diesen erworbenen Abschlüsse nicht in das deutsche Schulsystem einzuordnen<br />

vermögen. Aber dies trifft nur teilweise zu. Zum war für diese Fälle die Kategorie „Ein<br />

anderer Abschluss (z.B. im <strong>Aus</strong>land)“ vorgesehen, die auch genutzt wurde. Zusätzliche Analysen<br />

belegen aber darüber hinaus, dass auch 22,1% der Hauptschüler <strong>und</strong> sogar 28,1% der<br />

Gesamtschüler ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> nicht in der Lage sind, den Schulabschluss wenigstens<br />

eines Elternteils zu benennen. Dies könnte darauf hinweisen, dass die schulische<br />

Bildung in den Familien dieser Gruppe nur eine untergeordnete Rolle spielt <strong>und</strong> kein Gesprächsthema<br />

ist. Wenn diese Interpretation zutrifft, dann werden Schule <strong>und</strong> Bildung in den<br />

Familien der Realschüler deutlich häufiger thematisiert. Jedenfalls können nur r<strong>und</strong> 11% der<br />

befragten Realschüler nicht den Schulabschluss wenigstens eines Elternteils nennen.<br />

4 Was wollen die Jugendlichen nach dem Abschluss der 10. Klasse?<br />

4.1 Einstellungen zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen<br />

Für die befragten Jugendlichen ist das Erlernen eines Berufs eine Selbstverständlichkeit, auf<br />

die sie sich ganz überwiegend freuen (Tabelle 8a, Kategorie a). Das gilt für die Mädchen<br />

sogar noch in stärkerem Umfang als für die Jungen. Insgesamt ist die Orientierung auf eine<br />

Berufsausbildung als Vorbereitung auf eine spätere Berufsausübung bei der großen Mehrheit<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler positiv besetzt. Lediglich eine Minderheit von r<strong>und</strong> 21 Prozent<br />

betrachtet eine Berufsausbildung eher unter pragmatischen Gesichtspunkten <strong>und</strong> sieht<br />

115


sie vor allem als eine notwendige Voraussetzung, um den Lebensunterhalt zu bestreiten<br />

(Kategorie b). Beruflichkeit im Sinne einer Identifikation mit dem angestrebten Beruf spielt für<br />

diese Gruppe keine Rolle. Nur eine verschwindend kleine Minderheit strebt kurz- bzw. mittelfristig<br />

keine Berufsausbildung an. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Schulformen<br />

sind dabei minimal. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede sind bei den Antworten nur<br />

gering, aber es lohnt festzuhalten, dass sich die Mädchen (76,3%) unserer Stichprobe entgegen<br />

traditionellen Rollenerwartungen sogar noch etwas häufiger als die Jungen (72,9%)<br />

darauf freuen, durch das Erlernen eines Berufes ihre Unabhängigkeit zu erreichen.<br />

Tabelle 8a Wie stehst du zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen?<br />

(Differenziert nach Schulform <strong>und</strong> Geschlecht)<br />

Gesamt<br />

Hauptschule<br />

116<br />

Schulform Geschlecht<br />

Realschule<br />

Gesamtschule<br />

Männlich Weiblich<br />

(a) Ich freue mich darauf, einen Beruf<br />

zu erlernen <strong>und</strong> damit auf eigenen<br />

Füßen zu stehen.<br />

(b) Um seinen Lebensunterhalt ver-<br />

74,3% 74,6% 71,9% 76,5% 72,9% 76,3%<br />

dienen zu können, ist es besser eine<br />

Berufsausbildung absolviert zu haben.<br />

Auch wenn der Beruf vielleicht nicht so<br />

viel Spaß macht.<br />

20,9% 21,6% 22,7% 17,6% 21,6% 19,9%<br />

(c) Einen Beruf brauche ich nicht zu<br />

erlernen. Ich gehe lieber gleich arbeiten.<br />

,5% ,8% ,6% ,6% ,3%<br />

(d) Ich habe überhaupt keine Lust,<br />

nach der Schule einen Beruf zu erlernen<br />

oder zu arbeiten.<br />

1,5% 1,4% ,7% 2,8% 1,8% 1,3%<br />

(e) Nichts davon! 2,8% 1,7% 4,7% 2,5% 3,2% 2,2%<br />

Gesamt 1434<br />

100%<br />

649<br />

100%<br />

427<br />

100%<br />

358<br />

100%<br />

793<br />

100%<br />

633<br />

100%


Tabelle 8b gibt die Einstellung zur Ergreifung eines Berufes differenziert nach dem höchsten<br />

Bildungsabschluss eines Elternteiles wider. Zur Vereinfachung wurden hier die drei extrem<br />

schwach besetzten Kategorien (c), (d) <strong>und</strong> (e) zusammengefasst. Auffällig ist, dass die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die nicht den höchsten Schulabschluss wenigstens eines Elternteiles<br />

kennen, deutlich seltener als der Durchschnitt angeben, sich auf das Erlernen eines<br />

Berufes zu freuen (69,3%) <strong>und</strong> statt dessen die Berufsausbildung häufiger unter pragmatischen<br />

Gesichtspunkten (26,4%) sehen. Möglicherweise weisen diese Zahlen darauf hin,<br />

dass in den Familien dieser Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die Bedeutung von Bildung <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildung<br />

in geringerem Umfang thematisiert wird <strong>und</strong> zugleich bei der Berufswahl der Aspekt,<br />

mit der Berufsarbeit den Lebensunterhalt bestreiten zu müssen, stärker im Zentrum steht.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der geringen Fallzahlen verbietet sich dagegen eine inhaltliche Interpretation der in<br />

entgegengesetzter Richtung vom Durchschnitt abweichenden Zahlen für die Befragten<br />

(n=29), deren Eltern beide ohne Schulabschluss sind.<br />

Tabelle 8b Wie stehst du zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen?<br />

(Differenziert nach höchstem Schulabschluss der Eltern)*<br />

(a) Ich freue mich darauf, einen<br />

Beruf zu erlernen <strong>und</strong> damit auf<br />

eigenen Füßen zu stehen.<br />

(b) Um seinen Lebensunterhalt<br />

verdienen zu können, ist es besser<br />

eine Berufsausbildung absolviert<br />

zu haben. Auch wenn der<br />

Beruf vielleicht nicht so viel Spaß<br />

macht<br />

(c/d/e) Lieber gleich arbeiten /<br />

Keine Lust <strong>Aus</strong>bildung oder Arbeit/<br />

Nichts davon!<br />

Abitur /<br />

Fachabitur<br />

Gesamt 271<br />

100%<br />

Mittlere<br />

Reife<br />

Höchster Schulabschluss der Eltern<br />

117<br />

Hauptschule<br />

Anderer<br />

Schulabschluss<br />

Kein<br />

Abschluss<br />

Ich weiß<br />

nicht<br />

76,4% 76,0% 75,4% 74,1% 86,2% 69,3%<br />

19,6% 17,2% 20,6% 24,1% 10,3% 26,4%<br />

4,1% 6,8% 4,0% 1,7% 3,4% 4,3%<br />

383<br />

100%<br />

349<br />

100%<br />

58<br />

100%<br />

* Beschreibung der Variablen „Höchster Schulabschluss der Eltern siehe Abschnitt 3.4.2<br />

29<br />

100%<br />

280<br />

100%<br />

Tabelle 8c zeigt, dass hinsichtlicht des Wunsches, einen Beruf zu erlernen, kaum Differenzen<br />

zwischen den Jugendlichen mit <strong>und</strong> ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> bestehen. Auffällig ist<br />

hier lediglich der überdurchschnittlich hohe Anteil der Befragten (81,5%), der sich auf eine<br />

Berufsausbildung freut, in der Gruppe, bei der beide Elternteile ausländischer Herkunft sind,<br />

aber die Kinder in Deutschland geboren sind <strong>und</strong> Deutsch zuhause auch Umgangssprache<br />

ist. Bei dieser Gruppe lässt allerdings bereits die Tatsache, dass Deutsch Umgangssprache<br />

in der Familie ist, vermuten, dass es sich um Familien handelt, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt<br />

sehen <strong>und</strong> besondere Anstrengungen unternehmen, ihre Kinder in das


deutsche Berufssystem zu integrieren. Die Bedeutung einer qualifizierten Berufsausbildung<br />

für die eigene Position in der Gesellschaft ist den Jugendlichen aus diesen Familien bewusst<br />

<strong>und</strong> ist deshalb überdurchschnittlich häufig positiv besetzt. Hervorzuheben ist auch der hohe<br />

Anteil (81,2%) unter den türkischstämmigen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die sich auf eine<br />

Berufsausbildung <strong>und</strong> die mit dem Beruf verb<strong>und</strong>enen Unabhängigkeit freuen. Eine Erklärung<br />

für den unterdurchschnittlichen Anteil (67,4%) bei den Jugendlichen mit nur einem aus<br />

dem <strong>Aus</strong>land stammenden Elternteil muss vermutlich an der Heterogenität dieser Gruppe<br />

scheitern.<br />

Tabelle 8c Wie stehst du zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen?<br />

(Differenziert nach dem Migrationshintergr<strong>und</strong>) *<br />

(a) Ich freue mich darauf, einen<br />

Beruf zu erlernen <strong>und</strong> damit auf<br />

eigenen Füßen zu stehen.<br />

(b) Um seinen Lebensunterhalt<br />

verdienen zu können, ist es besser<br />

eine Berufsausbildung absolviert<br />

zu haben. Auch wenn der<br />

Beruf vielleicht nicht so viel Spaß<br />

macht<br />

(c/d/e) Lieber gleich arbeiten /<br />

Keine Lust <strong>Aus</strong>bildung oder Arbeit/<br />

Nichts davon!<br />

Kein<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Gesamt 1024<br />

100%<br />

Ein Elternteil<br />

im <strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunft<br />

Beide<br />

Elternteile<br />

im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

118<br />

Kind im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Zuhause<br />

andere<br />

Umgangssprache<br />

Türkei<br />

EhemaligeSowjetunion<br />

u. Osteuropa<br />

74,4% 67,4% 81,5% 76,6% 74,1% 81,3% 75,9%<br />

21,0% 27,4% 12,0% 18.8% 21,6% 12,9% 19,5%<br />

4,6% 5,3% 6,5% 4,7% 4,3% 5,8% 4,6%<br />

95<br />

100%<br />

92<br />

100%<br />

64<br />

100%<br />

139<br />

100%<br />

139<br />

100%<br />

87<br />

100%<br />

* Zur Variablen Migrationhintergr<strong>und</strong> siehe Abschnitt 3.2<br />

Herkunft: Heimat des Vaters (Diese beiden Gruppen umfassen r<strong>und</strong> zwei Drittel aller Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

(vgl. Tabelle 4)<br />

Insgesamt belegen die Zahlen, dass sich trotz geringfügiger Differenzen die große Mehrheit<br />

der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler unabhängig von der besuchten Schulform, dem Geschlecht,<br />

dem Bildungsniveau des Elternhauses <strong>und</strong> des Migrationsstatus darauf freut, einen<br />

Beruf zu erlernen, um damit auf eigenen Beinen zu stehen. 14<br />

14 Der geringe Einfluss der betrachteten unabhängigen Variablen konnte auch in dem multivariaten Modell einer<br />

binären logistischen Regression auf die Antwort (a) bestätigt werden. Dabei wurden neben den oben beschriebenen<br />

Variablen noch der Erhebungsmonat, die regionale Herkunft <strong>und</strong> der Durchschnitt der Deutsch-, Mathematik-<br />

<strong>und</strong> Englischzensur im letzten Zeugnis kontrolliert. Nur das Geschlecht erreicht in diesem Modell einen<br />

eben signifikanten Effekt (p=,04). Insgesamt haben die Variablen des Modells kaum Erklärungskraft, Nagelkerkes<br />

R² hat nur einen Wert von 0,029.


4.2 Pläne für die Zeit nach der Schule<br />

4.2.1.1 Bivariate Analysen<br />

Aber auch wenn die übergroße Mehrheit der an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen befragten<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine qualifizierte Berufsausbildung anstrebt, bedeutet dies nicht,<br />

dass alle Befragten gleich im Anschluss an die aktuell besuchte Schule eine Berufsausbildung<br />

absolvieren wollen. 15 Tabelle 9a gibt einen Überblick darüber, welcher Weg nach der<br />

Schule voraussichtlich eingeschlagen werden soll. Es muss darauf hingewiesen werden,<br />

dass die dort genannten Zahlen nur teilweise die eigentlichen Wünsche der Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler widerspiegeln, sondern dass es sich zumindest partiell um bereits an die Gelegenheitsstrukturen<br />

des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes angepassten Pläne handelt, deren tatsächliche<br />

Realisation aber zum Zeitpunkt der Befragung auch noch völlig offen ist.<br />

Tabelle 9a Was wirst du voraussichtlich nach Abschluss der 10. Klasse tun?<br />

Hauptschule<br />

Schulform Region Geschlecht<br />

Realschule <br />

Gesamtschule<br />

119<br />

Duisburg<br />

Kleve Wesel<br />

Männlich <br />

Weiblich<br />

(a) Weiter eine Schule besuchen 38,5% 55,0% 45,8% 43,7% 42,3% 48,7% 41,2% 50,2%<br />

(b) Eine Berufsausbildung<br />

absolvieren<br />

(c) Ohne <strong>Aus</strong>bildung gleich<br />

arbeiten gehen<br />

45,1% 35,4% 36,3% 41,9% 44,3% 36,0% 43,8% 35,5%<br />

,8% ,5% ,6% ,4% 1,3% ,5% ,8% ,5%<br />

(d) Etwas anderes machen ,9% ,7% ,6% 1,1% ,3% ,7% 1,0% ,3%<br />

(e) Das kann ich noch nicht sagen<br />

Gesamt 649<br />

100%<br />

14,6% 8,4% 16,8% 13,4% 11,7% 14,1% 13,2% 13,4%<br />

427<br />

100%<br />

358<br />

100%<br />

546<br />

100%<br />

307<br />

100%<br />

581<br />

100%<br />

793<br />

100%<br />

633<br />

100%<br />

Der hohe Wert, den die Jugendlichen einer qualifizierten <strong>Aus</strong>bildung zumessen (vgl. Tabelle<br />

8a), bestätigt sich hier noch einmal. Nur eine sehr kleine Gruppe von r<strong>und</strong> einem Prozent<br />

beabsichtigt, gleich nach der Schule ohne weitere <strong>Aus</strong>bildungsschritte arbeiten zu gehen, um<br />

Geld verdienen. Die große Mehrheit von jeweils über 80 Prozent aber will entweder weiter<br />

zur Schule gehen oder eine Berufsausbildung absolvieren. Relativ hoch ist aber auch der<br />

Anteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die noch nicht wissen, welchen Weg sie nach der Schule<br />

beschreiten sollen.<br />

15 Wenn hier <strong>und</strong> in der Folge von „Schule“ gesprochen wird, dann sind damit nicht nur allgemeinbildende sondern<br />

auch berufsvorbereitende Schulen gemeint, da sich im Vorfeld der Untersuchung herausgestellt hat, dass<br />

die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ein Jahr vor dem Verlassen der Schule häufig (noch) nicht zwischen beidem differenzieren,<br />

sondern nur allgemein von „Schule“ sprechen.


Während regionale Unterschiede eher gering sind <strong>und</strong> möglicherweise auf die Besonderheiten<br />

der Stichprobenstruktur zurückgeführt werden können, sind zwischen den drei Schulformen<br />

wesentlich größere Differenzen zu berichten. So planen zum Zeitpunkt der Befragung<br />

gut 45 Prozent der Hauptschüler, aber nur jeweils etwas mehr als ein Drittel der Real- <strong>und</strong><br />

Gesamtschüler gleich nach der Schule eine Lehre zu absolvieren. Unter den Realschülern<br />

will eine Mehrheit (55,0%) nach dem Abschluss weiter zu Schule zu gehen, bei den Gesamtschülern<br />

sind es 45,8 Prozent <strong>und</strong> selbst bei den Hauptschülern noch 38,5 Prozent. Die Unsicherheit<br />

bezüglich der eigenen Zukunft nach dem Verlassen der derzeit besuchten Schule<br />

ist bei den Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschülern (14,6% bzw. 16,8%) deutlich größer als bei den Realschülern<br />

(8,4%). Ob die angesprochenen Differenzen aber auf Unterschiede der schulischen<br />

Berufsorientierung, auf unterschiedliche Aspirationen (der Schüler bzw. der Eltern)<br />

oder auch auf unterschiedliche Chancen der Absolventen der drei Schulformen auf dem<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt zurückzuführen ist, kann an dieser Stelle nicht genauer bestimmt werden.<br />

Vieles aber spricht dafür, dass vor allem die erwartbar geringen Erfolgschancen auf dem<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt die Planungen der Jugendlichen von der Aufnahme einer Berufsausbildung<br />

in Richtung eines weiteren Schulbesuchs umlenken (vgl. Reißig et al. 2006). Ulrich<br />

zeigt in Reihe von Beiträgen (Behringer / Ulrich 1997; Ulrich 2003, 2004, 2005, 2006a/b)<br />

dass die offizielle Statistik die Lehrstellenlücke systematisch unterschätzt, weil die Nachfrage<br />

nach <strong>Aus</strong>bildungsstellen in hohem Maße von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen <strong>und</strong><br />

insbesondere von dem Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsstellen abhängig ist. Bei einem ungünstigen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt reagiert die Nachfrage flexibel <strong>und</strong> die Schulabgänger weichen freiwillig<br />

oder unfreiwillig auf andere, insbesondere schulische Angebote aus, obwohl sie eigentlich<br />

eine Berufsausbildung angestrebt haben. Auf der Makroebene amtlicher Statistik wird so die<br />

latente Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsstellen systematisch unterschätzt. Die BiBB-Schulabsolventenbefragung<br />

2005 (Ulrich 2006, 30) belegt auf der Individualebene, dass die Wünsche<br />

der Jugendlichen <strong>und</strong> deren Realisierung weit auseinanderklaffen: Knapp drei Viertel der<br />

befragten Hauptschüler haben den Wunsch, unmittelbar nach dem Verlassen der Schule<br />

eine Lehre zu absolvieren. Tatsächlich aber schafft aber nur ein Drittel der Hauptschüler bis<br />

zum Ende des Jahres in eine <strong>Aus</strong>bildung einzumünden. Auch die Zahlen für Gesamt- <strong>und</strong><br />

Realschüler sind nur graduell besser. Diese Umlenkungsprozesse, in denen Wünsche an die<br />

erwarteten Chancen des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes angepasst werden, lassen erwarten, dass sich<br />

in der vorliegenden Untersuchung die Verteilungen im Verlaufe des Schuljahres verändern,<br />

weil sich die Wünsche <strong>und</strong> Pläne der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den Realitäten des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes<br />

anpassen. Daher soll eine vertiefte Analyse durchgeführt werden, wenn die im<br />

zweiten Halbjahr des 10. Schuljahres erhobenen Daten der ABBEO-Schulen vorliegen.<br />

Die geschlechtspezifischen Differenzen – Mädchen wollen deutlich häufiger als Jungen weiter<br />

zur Schule gehen – fügen sich in das Bild höherer Bildungsaspirationen der Mädchen<br />

120


unserer Stichprobe, das sich bereits an der Tatsache, dass an den Hauptschulen die Jungen<br />

überwiegen, an den Realschulen aber in der Minderheit sind (vgl. Tabelle 5), abgezeichnet<br />

hat. Zwei weitere Gründe sind möglicherweise darüber hinaus für die größere Neigung der<br />

Mädchen, weiter eine Schule zu besuchen, von Bedeutung: Erstens die nach wie vor bestehende<br />

Geschlechtsspezifik bei der Berufswahl <strong>und</strong> zweitens schlechtere Chancen auf eine<br />

<strong>Aus</strong>bildungsstelle in bestimmten Bereichen des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes (vgl. auch: Hartung /<br />

Janik 2006, Mayer 1999). Auch der Berufsbildungsbericht des BMBF (2006, 86) stellt fest,<br />

dass weibliche Jugendliche „… häufiger andere <strong>Aus</strong>bildungsgänge, ein Studium oder höhere<br />

allgemein bildende Schulabschlüsse“ anstreben. Die Interpretation, dass der höhere Anteil<br />

der Schülerinnen, die weiter eine Schule besuchen wollen, auch auf höhere Aspirationen der<br />

Mädchen zurückgeführt werden kann, wird durch die Tatsache, dass in den Daten der vorliegenden<br />

Untersuchung mehr Mädchen als Jungen eine qualifizierte Berufsausbildung als eine<br />

wichtige Voraussetzung für das Erreichen der eigenen Selbständigkeit verstehen (vgl. Tabelle<br />

8a), zusätzlich gestützt.<br />

Eine differenzierte Betrachtung nach der sozialen Herkunft der Befragten zeigt, dass Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler, von denen mindestens ein Elternteil das Abitur bzw. Fachabitur erreicht<br />

hat, überdurchschnittlich häufig einen weiteren Schulbesuch anstreben (60,5%), während<br />

unter ihnen nur ein knappes Drittel (29,2%) nach dem Abschluss der Schule eine Berufsausbildung<br />

anstrebt. Zugleich ist in dieser Gruppe die Unsicherheit hinsichtlich des weiteren<br />

<strong>Aus</strong>bildungsverlaufs geringer als bei den anderen Gruppen (10,3%). Trotz der geringen Fallzahlen<br />

ist auffällig, dass die Befragten, deren Eltern nicht in Deutschland erworbene oder<br />

keine Schulabschlüsse haben, seltener angeben, eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen.<br />

Stattdessen scheint die Unsicherheit, was nach der Schule kommt, bei diesen Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern mit einem eher bildungsfernen Hintergr<strong>und</strong> höher zu sein in den Vergleichsgruppen.<br />

Die Wünsche <strong>und</strong> Pläne der deutschen Befragten richten sich zu etwa gleichen Teilen, darauf,<br />

nach dem Abschluss weiter zur Schule zu gehen (42,3%) oder eine Berufsausbildung zu<br />

absolvieren (43,8%). Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> beabsichtigen<br />

demgegenüber zu r<strong>und</strong> 55 Prozent weiter zur Schule zu gehen. Lediglich bei den Befragten,<br />

in deren Elternhaus nicht Deutsch gesprochen wird <strong>und</strong> deshalb im Schulalltag sprachliche<br />

Probleme zu erwarten sind, fällt dieser Anteil auf knapp unter 50 Prozent – liegt damit aber<br />

immer noch höher als bei den deutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern. Eine denkbare Erklärung<br />

der höheren Neigung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, weiter<br />

zur Schule zu gehen, ist die Erwartung schlechterer Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt<br />

(vgl. u.a. Granato 2003a/b).<br />

121


Tabelle 9b Was wirst du voraussichtlich nach Abschluss der 10. Klasse tun?<br />

(differenziert nach dem höchsten Schulabschluss der Eltern)*<br />

Tabelle 9c Was wirst du voraussichtlich nach Abschluss der 10. Klasse tun?<br />

(differenziert nach dem Migrationshintergr<strong>und</strong>) *<br />

Kein<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Ein Elternteil<br />

im <strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunft<br />

Beide<br />

Elternteile<br />

im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

122<br />

Kind im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Zuhause<br />

andere<br />

Umgangssprache<br />

Türkei<br />

EhemaligeSowjetunion<br />

u. Osteuropa<br />

(a) Weiter eine Schule besuchen 42,3% 55,8% 56,5% 53,1% 49,6% 56,1% 54,3%<br />

(b) Eine Berufsausbildung<br />

absolvieren<br />

(c/d/e) Das kann ich noch nicht<br />

sagen / Etwas anderes /<br />

Gleich arbeiten gehen<br />

Abitur /<br />

Fachabitur<br />

Gesamt 1024<br />

100%<br />

Mittlere<br />

Reife<br />

43,8% 30,5% 28,3% 29,7% 31,7% 26,6% 28,6%<br />

14,0% 13,7% 15,2% 17,2% 18,7% 17,3% 17,1%<br />

95<br />

100%<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Hauptschule<br />

92<br />

100%<br />

Anderer<br />

Abschluss<br />

64<br />

100%<br />

Kein<br />

Abschluss<br />

139<br />

100%<br />

139<br />

100%<br />

Ich weiß<br />

nicht<br />

(a) Weiter eine Schule besuchen 60,5% 42,8% 42,4% 41,4% 55,2% 39,3%<br />

(b) Eine Berufsausbildung<br />

absolvieren<br />

(c/d/e) Das kann ich noch nicht<br />

sagen / Etwas anderes /<br />

Gleich arbeiten gehen<br />

Gesamt 271<br />

100%<br />

29,2% 41,8% 45,3% 32,8% 20,7% 43,2%<br />

10,3% 15,4% 12,3% 25,9% 24,1% 17,5%<br />

383<br />

100%<br />

349<br />

100%<br />

58<br />

100%<br />

29<br />

100%<br />

280<br />

100%<br />

87<br />

100%<br />

* Beschreibung der Variablen „Höchster Schulabschluss der Eltern: Abschnitt 3.4.2<br />

* Die in Tabelle 9a getrennt ausgewiesenen Kategorien c/d/e wurden zusammengefasst.<br />

* Zur Variablen Migrationhintergr<strong>und</strong> siehe Abschnitt 3.2<br />

* Herkunft: Heimat des Vaters (Die beiden hier aufgeführten Gruppen umfassen r<strong>und</strong> zwei Drittel aller Befragten<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong> (vgl. Tabelle 4)<br />

Abbildung 1 gibt den Notendurchschnitt in den Fächern Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch<br />

auf dem letzten Zeugnis zusammen mit den 95%-Konfidenzintervallen der Mittelwerte differenziert<br />

für die Befragten, die (a) weiter zur Schule gehen wollen, die (b) eine Berufsausbildung<br />

anstreben <strong>und</strong> die überwiegend durch Unsicherheit geprägte Residualkategorie (c/d/e)<br />

wieder.


Abbildung 1 Notendurchschnitt der Fächer Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch im letzten<br />

Zeugnis <strong>und</strong> die Pläne für die Zeit nach der Schule<br />

Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die weiter zur Schule gehen wollen, haben erwartungsgemäß<br />

im Schnitt die besseren Noten als die Befragten, die eine Berufsausbildung anstreben oder<br />

überwiegend noch nicht wissen, was sie nach der Schule machen wollen. Die Unterschiede<br />

in den Durchschnittsnoten sind dagegen bei den zuletzt genannten Gruppen nur gering.<br />

4.2.1.2 Kurzer Exkurs zum Verständnis der Regressionsanalyse<br />

Vor der anschließenden Darstellung <strong>und</strong> Diskussion der multivariaten Modelle sollen die folgenden<br />

<strong>Aus</strong>führungen dem Leser eine kleine Hilfe zum Verständnis der verwendeten Methoden<br />

der Regressionsanalyse <strong>und</strong> der Koeffizienten an die Hand geben werden. Handelt<br />

es sich bei der Zielvariablen um eine metrische Größe, dann kann auf das häufig verwendete<br />

Verfahren einer linearen Regression nach der Methode der kleinsten Quadrate („ordinary<br />

least squares“, OLS) zurückgegriffen werden (vgl. u.a. Lewis-Beck 1993, Kühnel/Krebs<br />

2001). Dieses Modell kann durch die folgende Gleichung beschrieben werden:<br />

Y = a0<br />

+ b1<br />

X 1 + b2<br />

X 2 + b3<br />

X 3 + ... bk<br />

X k + e . Dabei bezeichnet Y die Zielvariable <strong>und</strong> X die<br />

Prädiktorvariablen, mit b werden die Regressionskoeffizienten bezeichnet <strong>und</strong> der Fehlerterm<br />

e steht für die durch die Prädiktoren nicht erklärte Varianz von Y. Die Regressionskoef-<br />

123


fizienten b der OLS-Regression lassen sich einfach interpretieren: sie geben an, um wie viele<br />

Einheiten <strong>und</strong> in welche Richtung sich die abhängige Variable verändert, wenn sich die unabhängige<br />

Variable um eine Einheit ändert <strong>und</strong> alle andere unabhängigen Variablen konstant<br />

gehalten werden. Da dieser Koeffizient an die Einheit der jeweiligen Prädiktorvariable<br />

geb<strong>und</strong>en, d.h. unstandardisiert ist, taugt er bei Modellen mit mehreren Einflussvariablen, die<br />

jeweils in unterschiedlichen Einheiten gemessen werden, nicht zum Vergleich der relativen<br />

Stärke der Einflüsse verschiedener Prädiktoren innerhalb einer Regression. Zu diesem<br />

Zweck werden zusätzlich die standardisierten Regressionskoeffizienten beta (β) ausgewiesen.<br />

Bei jeder OLS-Regressionsanalyse wird in den im Folgenden präsentierten Tabellen<br />

darüber hinaus das Maß R² wiedergegeben. Es gibt an, wie groß der Anteil der durch die<br />

unabhängigen Variablen erklärten Varianz der Zielvariablen ist.<br />

Handelt es sich bei der Zielvariable um eine Dichotomie, dann werden wichtige Voraussetzungen<br />

des linearen Regressionsmodells verletzt. Ein angemessenes Regressionsmodell für<br />

dichotome Zielvariablen ist die logistische Regression (vgl. zum folgenden: Andreß / Hagenaars<br />

/ Kühnel 1997, 261-325). Die bei der logistischen Regression geschätzten (in den folgenden<br />

Tabellen aus Gründen einer vereinfachten Darstellung allerdings nicht direkt wiedergegebenen)<br />

Parameter zeigen, um wie viele Einheiten sich das logarithmierte Verhältnis der<br />

mit 1 kodierten Gruppe der Zielvariablen zu der mit 0 kodierten Gruppe verändert, wenn der<br />

Prädiktor sich um eine Einheit ändert <strong>und</strong> zugleich alle anderen Prädiktoren konstant gehalten<br />

werden. Dargestellt kann dieser Zusammenhang durch die Gleichung<br />

ln( 0<br />

pi Gruppe1)<br />

/ pi(<br />

Gruppe 0)<br />

= β + β k ( X ki ) . Ein solches additives Modell hat allerdings einen<br />

( ∑<br />

gravierenden Nachteil: Wegen der Logarithmierung der Zielvariablen bleibt die empirische<br />

Bedeutung <strong>und</strong> damit die Interpretation der Koeffizienten unklar, auch wenn die Koeffizienten<br />

die Richtung <strong>und</strong> Stärke des Einflusses exakt wiedergeben. Die Interpretationsprobleme reduzieren<br />

sich deutlich, wenn man die obige Gleichung entlogarithmiert:<br />

p<br />

∏<br />

i(<br />

Gruppe1)<br />

/ pi(<br />

Gruppe 0)<br />

0<br />

∏<br />

βo<br />

βk<br />

* xki<br />

= e * e = α * α k X ki . Die -Koeffizienten dieses multiplika-<br />

tiven Modells beeinflussen die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zu der in der Zielvariablen<br />

mit 1 kodierten Gruppe. Wegen der Multiplikativität der Effekte () bedeutet hier ein Koeffizient<br />

mit dem Wert 1, dass kein Einfluss vorliegt. Der Regressionskoeffizient in einem<br />

additiven Modell () wäre in diesem Fall 0. Effektkoeffizienten größer als 1 erhöhen, Koeffizienten<br />

kleiner als 1 senken die Wahrscheinlichkeit einer Zugehörigkeit zu der mit 1 kodierten<br />

Gruppe. Diese unstandardisierten Effektkoeffizienten werden hier vor allem genutzt, um<br />

die Einflüsse der einzelnen Prädiktoren zwischen den Modellen vergleichen zu können. Wegen<br />

der unterschiedlichen Anzahl von <strong>Aus</strong>prägungen der verschiedenen Prädiktoren taugen<br />

die unstandardisierten -Koeffizienten wiederum nicht zum Vergleich der relativen Einflussstärke<br />

der Variablen innerhalb eines Modells. Der wird erst möglich, wenn alle Effekte stan-<br />

124


dardisiert sind, d.h. durch die Berücksichtigung ihrer stichprobenspezifischen Streuung<br />

(technisch: durch die Multiplikation mit ihrer Standardabweichung) auf der gleichen Skala<br />

gemessen werden. Da positive (1


Tabelle 10 Berufsausbildung oder weiter zur Schule? Entscheidungsfindung in der ersten<br />

Hälfte des 10. Schuljahres: Logistische Regressionen<br />

(I) Entscheidung (II) Weiter (I) Entscheidung (II) Weiter<br />

getroffen zur Schule getroffen zur Schule<br />

Unstandardisiert: EXP (b) Standardisiert: EXP (b*SDx)<br />

Konstante 23,71 4,38<br />

Höchster Bildungsabschluss der Eltern<br />

Abitur (Basiskategorie)<br />

Mittlere Reife 1,92 -1 1,77 -1 1,34 -1 1,29 -1<br />

Hauptschule 1,62 -1 2,21 -1 1,24 -1 1,42 -1<br />

Anderer Abschluss 3,94 -1 2,45 -1 1,32 -1 1,18 -1<br />

Kein Abschluss 4,44 -1 1,15 1,23 -1 1,02<br />

Weiß nicht<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

1,92 -1 1,98 -1 1,29 -1 1,31 -1<br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />

Ein Elternteil <strong>Aus</strong>l. 1,00 -1 2,25 1,00 -1 1,23<br />

Beide Eltern <strong>Aus</strong>l. 1,05 2,43 1,01 1,23<br />

Im <strong>Aus</strong>land geb.<br />

Zuhause andere<br />

1,09 2,34 1,02 1,18<br />

Umgangssprache<br />

Regionale Herkunft<br />

Duisburg (Basiskategorie)<br />

1,30 -1 1,90 1,08 -1 1,19<br />

Kleve 1,11 -1 1,05 -1 1,05 -1 1,02 -1<br />

Wesel<br />

Schulform<br />

1,60 -1 1,33 1,26 -1 1,15<br />

Hauptschule (Basiskategorie)<br />

Realschule 2,14 1,55 1,43 1,23<br />

Gesamtschule 1,05 1,08 1,02 1,03<br />

Notendurchschnitt 1,11 -1 1,96 -1 1,06 -1 1,49 -1<br />

Geschlecht: Frau 1,04 1,57 1,02 1,25<br />

Erhebungsmonat 1,08 -1 1,15 1,08 -1 1,14<br />

N 1232 1070<br />

-2 Log-Likelihood 923,44 1362,02<br />

CHI² (16 df) 35,59 115,02<br />

Nagelkerke’s R² ,053 ,136<br />

* Zielvariable des ersten Modells (I) ist die Tatsache einer Entscheidung für einen weiteren Schulbesuch oder die<br />

Aufnahme einer Berufsausbildung (Kategorien a <strong>und</strong> b) vs. der Tatsache, noch keine Entscheidung getroffen zu<br />

haben. Im zweiten Modell (II) wird die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuchs vs. die Entscheidung<br />

für die Aufnahme einer Berufsausbildung untersucht.<br />

* Fettdruck: p < 0,05.<br />

Beim Vergleich der beiden Modelle fällt zunächst auf, dass sich die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

bereits eine Entscheidung getroffen wurde (Modell I) – oder aus dem entgegen gesetzten<br />

Blickwinkel betrachtet: die Unsicherheit bei der Entscheidungsfindung – deutlich schlechter<br />

durch die verwendeten unabhängigen Variablen vorhersagen lässt als die Wahrscheinlichkeit<br />

eines weiteren Schulbesuches (Modell II).<br />

Nur wenige Effekte erreichen in Modell I bei Kontrolle des Bildungshintergr<strong>und</strong>es der Herkunftsfamilie,<br />

des Migrationshintergr<strong>und</strong>es, der regionalen Herkunft, der besuchten Schulform,<br />

der Durchschnittsnote in Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch, des Geschlechts der Befragten<br />

<strong>und</strong> des Erhebungsmonats die Signifikanzgrenze. Dazu gehört das Bildungsniveau<br />

126


des Elternhauses: verglichen mit Familien, in denen mindestens ein Elternteil Abitur hat,<br />

sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder bereits eine Entscheidung getroffen haben in<br />

allen Bildungsstrata. Unabhängig davon erhöht der Besuch einer Realschule - verglichen mit<br />

dem Hauptschulbesuch - die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung zwischen den beiden<br />

Alternativen Schulbesuch oder Berufsausbildung. Beide Effekte sind möglicherweise auf<br />

bessere Chancen dieser Gruppen, sowohl in Bezug auf den Besuch einer weiterführenden<br />

Schule als auch auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt, die eine Entscheidung erleichtern können, zurückzuführen.<br />

Auf regionale Besonderheiten hinsichtlich der Gelegenheitsstrukturen könnte<br />

die Tatsache hinweisen, dass die Wahrscheinlichkeit, schon eine Entscheidung getroffen zu<br />

haben, im Kreis Wesel signifikant niedriger ist als in der Großstadt Duisburg. Auch der Effekt<br />

für die Herkunft aus dem Kreis Kleve weist in dieselbe Richtung, ist aber deutlich schwächer<br />

<strong>und</strong> statistisch nicht bedeutsam. Weder der Migrationshintergr<strong>und</strong>, noch der Notendurchschnitt<br />

oder die Geschlechtszugehörigkeit haben einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass bereits eine Entscheidung gefällt worden ist. Das gilt auch für den Erhebungszeitpunkt.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass vor allem Indikatoren für das Bildungskapital<br />

der Eltern <strong>und</strong> Schüler die Unsicherheit reduzieren <strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit<br />

einer Entscheidungsfindung begünstigen.<br />

Auch die Entscheidung, nach der 10. Klasse keine Berufsausbildung zu beginnen, sondern<br />

weiter zur Schule zu gehen, wird durch das Bildungskapital des Elternhauses <strong>und</strong> der Schüler<br />

begünstigt. Hat wenigstens ein Elternteil das Abitur, dann begünstigt dies fast durchgängig<br />

die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuches. Hier führt der Wunsch<br />

nach familiärem Statuserhalt zu erhöhten Bildungsaspirationen, die in eine erhöhte Wahrscheinlichkeit<br />

der Entscheidung zugunsten des Besuchs einer weiterführenden Schule münden.<br />

Stammen die Kinder dagegen aus einem Elternhaus, in dem der höchste Schulabschluss<br />

des Vaters oder der Mutter die Mittlere Reife, der Hauptschulabschluss oder ein anderer,<br />

meist im <strong>Aus</strong>land erworbener Abschluss ist, dann neigen sie eher einer Berufsausbildung<br />

zu. Dies gilt auch für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die die Schulabschlüsse ihrer Eltern<br />

nicht anzugeben vermögen. Der schwache Effekt der kleinen Gruppe, in der beide Eltern<br />

ohne Schulabschluss sind, erreicht nicht die Grenzen statistischer Signifikanz.<br />

Verglichen mit der Hauptschule steigert der Besuch einer Realschule die Neigung, sich für<br />

den Besuch einer weiterführenden Schule zu entscheiden, deutlich, während bei den Gesamtschülern<br />

kein signifikanter Effekt zu berichten ist. Wichtig für die Entscheidung ist unabhängig<br />

von der besuchten Schulform die durch die Noten in Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch<br />

dokumentierte Leistung. Erwartungsgemäß sinkt mit dem Notendurchschnitt die Neigung<br />

weiter zur Schule zu gehen.<br />

127


Die Asymmetrie der Bildungsbeteiligung von Jungen <strong>und</strong> Mädchen (vgl. Tabelle 5) schlägt<br />

sich auch bei der Entscheidung für den weiteren Schulbesuch nach der Sek<strong>und</strong>arstufe I nieder.<br />

Unabhängig von der aktuell besuchten Schulform, den Noten, dem Bildungskapital des<br />

Elternhauses <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong> ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Schülerinnen<br />

für einen weiteren Schulbesuch entscheiden, gegenüber ihren männlichen Mitschülern<br />

signifikant erhöht. In ihren mit Daten des Mikrozensus durchgeführten Analysen von Effekten<br />

der in der Familie verfügbaren Ressourcen auf den Bildungserfolg, in der neben dem Bildungsabschluss<br />

des Vaters (bzw. der Mutter), dessen/deren beruflichen Stellung <strong>und</strong> dem<br />

Haushaltseinkommen auch die Nationalität <strong>und</strong> das Geschlecht der Jugendlichen erhoben<br />

wurde, berichten auch Kristen / Granato (2004, 139) durchgängig Vorteile der Mädchen.<br />

In ähnlicher Weise erhöht in der vorliegenden Untersuchung auch die Tatsache eines Migrationshintergr<strong>und</strong>es<br />

bei Kontrolle der genannten Variablen durchgängig die Neigung, sich für<br />

den weiteren Schulbesuch zu entscheiden, signifikant. Diese positiven Effekte gehen über<br />

die von Kristen / Granato (2004, 139) vorgelegten Ergebnisse noch hinaus. Während in deren<br />

Analysen der negative Effekt der berücksichtigten Nationalitäten lediglich verschwindet<br />

<strong>und</strong> im Falle der griechischen Staatsbürger auch signifikant positiv wird, wenn als Indikatoren<br />

der in der Familie verfügbaren Ressourcen Bildung, berufliche Stellung <strong>und</strong> Einkommen kontrolliert<br />

werden, hat in der hier vorgelegten Analyse der Migrationshintergr<strong>und</strong> einen signifikanten<br />

positiven Einfluss auf die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuchs.<br />

Über die Hintergründe dieses auffälligen Ergebnisses kann an dieser Stelle nur spekuliert<br />

werden. Dazu gehört sicherlich, dass die Schwierigkeiten, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz zu bekommen,<br />

für Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> niedrigem Schulabschluss noch<br />

größer als für ihre deutschen Mitschüler/innen sind. Ein wichtiges Motiv für die Entscheidung<br />

dieser Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler dürfte das Bestreben darstellen, ihre, verglichen mit ihren<br />

deutschen Mitschülern, geringeren Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt zu<br />

verbessern. Der <strong>Aus</strong>länderanteil an den <strong>Aus</strong>zubildenden in Westdeutschland ist zwischen<br />

1994 <strong>und</strong> 2004 kontinuierlich von 9,4 Prozent auf 5,6 Prozent zurückgegangen (Konsortium<br />

Bildungsberichterstattung 2006, 154). Die hier vorgelegten Analysen können als ein Beleg<br />

für die besonderen Bemühungen der befragten Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> gelten,<br />

sich in den deutschen Arbeitsmarkt mit seinen Qualifikationserfordernissen zu integrieren.<br />

Eine solche Interpretation deckt sich mit Ergebnissen des DJI-Übergangspanels (Reißig<br />

/ Gaupp / Lex 2004, 7). Auch die das Konsortium Bildungsberichterstattung (2006, 175-177)<br />

bescheinigt den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eine „positivere Einstellung<br />

zur Schule <strong>und</strong> eine höhere Lernmotivation“ sowie höhere Bildungsaspirationen bei<br />

Kontrolle des sozialen <strong>und</strong> schulischen Hintergr<strong>und</strong>es. Mit der Angabe, weiter zur Schule<br />

gehen zu wollen, ist aber zunächst noch keine <strong>Aus</strong>sage über die angestrebte Schulform verknüpft.<br />

Die folgenden Analysen, bei denen diese Frage im Zentrum steht, werden zeigen, ob<br />

128


die Angabe, weiter zur Schule zu gehen, überwiegend auf Streben nach Höherqualifizierung<br />

zurückzuführen ist, oder ob es sich in starkem Maße um eine Form des <strong>Aus</strong>weichens angesichts<br />

besonders geringer Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf dem<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt (vgl. u.a. Granato 2003, Troltsch 2003, Konsortium Bildungsberichterstattung<br />

2006, 153-156).<br />

4.2.2 Besuch einer Schule<br />

4.2.2.1 Bivariate Analyse<br />

Die bisherigen Analysen geben noch keinen Aufschluss darüber, was für eine Schule besucht<br />

werden soll. Tabelle 11 erlaubt einen genaueren Blick auf die Pläne der Befragten, die<br />

angegeben haben, nach Abschluss der 10. Klasse weiter zur Schule gehen zu wollen. Sie<br />

gibt differenziert nach aktueller Schulform, Region <strong>und</strong> Geschlecht wieder, welche Schule die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler angeben, besuchen zu wollen.<br />

Auch wenn in allen drei Schulformen mit der Fachoberschulreife ein formal gleichwertiger<br />

Abschluss der Sek<strong>und</strong>arstufe I erreicht werden kann <strong>und</strong> bei entsprechenden Noten auch ein<br />

Übergang zur Oberstufe des Gymnasiums oder der Gesamtschule möglich ist, erscheint der<br />

Schritt von der Hauptschule zum Gymnasium bzw. der Oberstufe der Gesamtschule den<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern doch offensichtlich als wesentlich größer als der von der Realoder<br />

der Gesamtschule. Knapp die Hälfte der Realschüler (47,9%) <strong>und</strong> sogar 55,8 Prozent<br />

der Gesamtschüler (die dafür i.d.R. die Schule nicht wechseln müssen) haben vor, nach Abschluss<br />

der 10. Klasse diesen Weg zu beschreiten, aber nur eine kleine Minderheit von 13,1<br />

Prozent der Hauptschüler. Als weiterführende Schule gilt diesen häufiger eine zweijährige<br />

Berufsfachschule, wie die Höhere Handelsschule, oder eine Fachoberschule erreichbar (zusammen<br />

r<strong>und</strong> 40%). Diese beiden, die Fachoberschulreife voraussetzenden Schulformen,<br />

werden auch von einem vergleichbar hohen Anteil der Realschüler, die weiter zur Schule<br />

gehen wollen, genannt, während ihr Anteil sich bei den Gesamtschülern nahezu halbiert.<br />

Hierfür gibt es vermutlich eine einfache Erklärung: Gesamtschüler, die nach der 10. Klasse<br />

weiter zur Schule gehen wollen, müssen dafür normalerweise – anders als Haupt- <strong>und</strong> Realschüler<br />

– ihr gewohntes schulisches Umfeld nicht verlassen. Dies bedeutet aber auch, dass<br />

bei Haupt- <strong>und</strong> Realschülern häufiger gezielte Abwägungs- <strong>und</strong> Entscheidungsprozesse bei<br />

der Wahl der Schulform stattgef<strong>und</strong>en haben, während vielen Gesamtschülern die Möglichkeit,<br />

ihre gewohnte Schule nicht notwendigerweise verlassen zu müssen, eine solche Entscheidung<br />

abgenommen hat.<br />

129


Tabelle 11a Was für eine Schule wirst du voraussichtlich besuchen?<br />

Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <br />

Hauptschule<br />

Schulform Region Geschlecht<br />

Realschule <br />

Gesamtschule<br />

130<br />

Duisburg<br />

Kleve Wesel<br />

Männlich <br />

Weiblich<br />

11,4% 1,7% 4,9% 5,7% 9,6% 5,0% 5,0% 7,4%<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 3,4% ,9% 2,4% 1,1% 1,6% 1,0%<br />

Einjährige Berufsfachschule 7,6% 2,6% 5,5% 6,6% 6,4% 3,6% 6,3% 3,9%<br />

Zweijährige Berufsfachschule<br />

(z.B. Höhere Handelsschule)<br />

19,9% 24,8% 13,5% 7,0% 31,2% 25,8% 21,1% 19,3%<br />

Fachoberschule 20,3% 14,5% 8,0% 12,7% 17,6% 15,8% 17,3% 12,5%<br />

Gymnasium, Wirtschaftsgymnasium,<br />

Oberstufe der<br />

Gesamtschule<br />

Eine andere Schule (z.B. im<br />

<strong>Aus</strong>land)<br />

Ich werde wahrscheinlich die<br />

Klasse wiederholen<br />

Ich weiß noch nicht genau,<br />

welche Schule ich besuchen<br />

werde<br />

Berufskolleg ohne nähere<br />

Angaben<br />

Mittlere Reife / FOR ohne<br />

nähere Angaben<br />

Gesamt 236<br />

13,1% 47,9% 55,8% 52,0% 13,6% 35,1% 32,4% 41,5%<br />

,4% ,4% ,3%<br />

2,5% 1,3% ,4% ,3% 1,0%<br />

18,6% 5,6% 7,4% 9,6% 14,4% 10,4% 13,5% 8,4%<br />

2,5% 2,6% 2,5% 3,9% 0,8% 2,2% 1,6% 3,5%<br />

3,0% ,4% 4,0% ,4% ,9% 1,3%<br />

100%<br />

234<br />

100%<br />

163<br />

100%<br />

229<br />

100%<br />

125<br />

100%<br />

279<br />

100%<br />

318<br />

100%<br />

Basis: Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen, die angegeben haben, nach dem Abschluss der 10. Klasse weiter zur Schule<br />

gehen zu wollen (n=629).<br />

Die Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr selbst oder auch<br />

einjährige Berufsfachschulen gelten häufig als Warteschleifen für Jugendliche, die nicht auf<br />

Anhieb eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle gef<strong>und</strong>en haben (z.B. Braun 2002, BLK 2002, 7; Niemeyer<br />

2002, 213). Entsprechend hoch ist der Anteil der Nennungen dieser Schulformen unter den<br />

Hauptschülern (zusammen über 20%), während er sich bei den Gesamtschülern bereits halbiert<br />

<strong>und</strong> bei den Realschülern noch einmal deutlich niedriger liegt. Aber insbesondere bei<br />

den Hauptschülern wird es nicht bei diesen Anteilen bleiben: Knapp 19 Prozent der Befragten<br />

dieser Gruppe wissen noch nicht, welche Schule sie einmal besuchen wollen <strong>und</strong> weitere<br />

5,5 Prozent machen sehr unbestimmte Angaben. Zusammen sind das fast 25 Prozent der<br />

Hauptschüler, die im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres zwar davon ausgehen, dass sie<br />

nach dem Verlassen der Schule (noch) keine <strong>Aus</strong>bildung beginnen <strong>und</strong> weiter zur Schule<br />

gehen werden, aber noch nicht sagen können, was das für eine Schule ist. Wenn man<br />

zugleich sieht, wie positiv Berufsausbildung <strong>und</strong> Beruf bei den Schülern besetzt sind (vgl.<br />

Tabelle 8a), dann handelt es sich offensichtlich nicht um eine bewusste Entscheidung für<br />

den weiteren Schulbesuch, sondern um die Wahrnehmung einer <strong>Aus</strong>weichmöglichkeit ange-<br />

311<br />

100%


sichts denkbar schlechter Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt (vgl. bereits Wachtveitl<br />

/ Witzel 1987, 111).<br />

Hinsichtlich der regional differenzierten Verteilungen fallen strukturelle Unterschiede zwischen<br />

der Großstadt Duisburg <strong>und</strong> den beiden Landkreisen auf. Während sich zwischen den<br />

Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve die Verteilungen nur gering unterscheiden, bestehen zwei, teilweise<br />

miteinander verknüpfte Differenzen zwischen Duisburg <strong>und</strong> den Landkreisen: In Duisburg<br />

ist der Anteil, der beabsichtigt, ein Gymnasium bzw. die Oberstufe der Gesamtschule zu besuchen,<br />

deutlich höher als in den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel (52,0% zu 13,6% bzw. 35,1%).<br />

Zugleich liegt der Anteil, der plant eine zweijährige Berufsfachschule zu besuchen, in Duisburg<br />

wesentlich niedriger (7,0% zu 31,2% bzw. 25,8%). Stark abgeschwächt ist eine solche<br />

Tendenz auch bei den Fachoberschulen zu beobachten (12,7% zu 17,6% bzw. 15,8%). Die<br />

in Duisburg zu beobachtende stärkere Fixierung der Schüler auf das Gymnasium <strong>und</strong> die<br />

Oberstufe der Gesamtschule dürfte zumindest teilweise mit dem in Duisburg höheren Anteil<br />

an Gesamtschülern unter den Befragten, die wie oben gezeigt, oft ihr gewohntes schulisches<br />

Umfeld nicht verlassen wollen, zu erklären sein (vgl. Tabelle 1). Ähnliche strukturelle Differenzen<br />

werden auch für den – verglichen mit dem Kreis Kleve – höheren Anteil dieser Gruppe<br />

im Kreis Wesel verantwortlich sein.<br />

Die bereits angesprochene Tendenz einer geschlechtsspezifischen Bildungsbeteiligung setzt<br />

sich auch nach dem Abschluss der 10. Klasse fort. So wie die Mädchen häufiger die Gesamt-<br />

<strong>und</strong> vor allem die Realschule besuchen (Tabelle 5) <strong>und</strong> nach der 10. Klasse häufiger<br />

weiter zur Schule gehen wollen (Tab. 9a, 10), so zeigt sich hier (Tab. 11a), dass die Mädchen<br />

häufiger als die Jungen auf die Oberstufe des Gymnasiums oder der Gesamtschule<br />

streben.<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus bildungsprivilegierten Elternhäusern mit mindestens einem<br />

Elternteil mit (Fach-)Abitur streben nicht nur deutlich häufiger als ihre Mitschüler/innen einen<br />

weiteren Schulbesuch an (vgl. Tabelle 9b, 10). Sie entscheiden sich auch besonders oft<br />

(44,1%) für den Besuch eines Gymnasiums oder der gymnasialen Oberstufe einer Gesamtschule<br />

(Tabelle 11b). Weitere gut 35 Prozent der Befragten dieser Gruppe beabsichtigen<br />

eine zweijährige Berufsfachschule oder eine Fachoberschule zu besuchen. Dagegen werden<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> einjährige Berufsfachschulen von dieser Gruppe deutlich seltener<br />

als Ziel genannt als von den anderen Befragten. Betrachtet man beides gemeinsam – den<br />

hohen Anteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus bildungsprivilegierten Familien, der sich für<br />

einen weiteren Schulbesuch entscheidet <strong>und</strong> welche Schulformen sie dabei anstreben –<br />

dann wird die Verknüpfung von hohen Bildungsaspirationen mit dem Bestreben nach familiärem<br />

Statuserhalt sichtbar.<br />

131


Tabelle 11b/c Was für eine Schule wirst du voraussichtlich besuchen? (Differenziert nach<br />

dem höchsten Schulabschluss der Eltern <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong>)<br />

Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

+ Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

Abitur /<br />

Fachabitur<br />

Mittlere<br />

Reife<br />

(b) Höchster Schulabschluss Eltern<br />

132<br />

Hauptschule<br />

Anderer<br />

Abschluss<br />

Kein<br />

Abschluss<br />

Ich weiß<br />

nicht<br />

4,3% 8,6% 9,3% 8,3% 6,7% 8,3%<br />

Einjährige Berufsfachschule 2,5% 5,6% 5,0% 8,3% 0% 9,3%<br />

Zweijährige Berufsfachschule<br />

(z.B. Höhere Handelsschule)<br />

19,3% 26,5% 20,7% 16,7% 13,3% 13,0%<br />

Fachoberschule 16,1% 13,6% 13,6% 12,5% 13,3% 14,8%<br />

Gymnasium, Wirtschaftsgymnasium,<br />

Oberstufe der Gesamtschule<br />

44,1% 32,1% 36,4% 45,8% 26,7% 35,2%<br />

Sonstige* 1,2% 0,6% 4,2% ,9%<br />

Ich weiß noch nicht genau, welche<br />

Schule ich besuchen werde**<br />

Gesamt 161<br />

100%<br />

Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

+ Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

Kein<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

12,4% 13,0% 15,0% 4,2% 40,0% 18,5%<br />

162<br />

100%<br />

140<br />

100%<br />

24<br />

100%<br />

15<br />

100%<br />

(c) Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunft<br />

Ein<br />

Elternteil<br />

im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Beide<br />

Eltern im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Kind im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Zuhause<br />

andere<br />

Umgangs<br />

sprache<br />

Türkei<br />

108<br />

100%<br />

Ehemalige<br />

Sowjetunion<br />

u.<br />

Osteuropa<br />

7,6% 7,5% 2,0% 15,2% 4,5% 1,3% 7,3%<br />

Einjährige Berufsfachschule 4,7% 5,7% 5,9% 3,0% 9,1% 6,7% 7,3%<br />

Zweijährige Berufsfachschule<br />

(z.B. Höhere Handelsschule)<br />

20,9% 28,3% 13,7% 24,2% 13,6% 17,3% 22,0%<br />

Fachoberschule 15,6% 7,5% 19,6% 9,1% 16,7% 16,0% 19,5%<br />

Gymnasium, Wirtschaftsgymnasium,<br />

Oberstufe der Gesamtschule<br />

35,3% 34,0% 52,9% 33,3% 40,9% 50,7% 24,4%<br />

Sonstige* ,9% 2,0% 5,3%<br />

Ich weiß noch nicht genau, welche<br />

Schule ich besuchen werde**<br />

Gesamt 422<br />

100%<br />

14,9% 17,0% 3,9% 15,2% 15,2% 8,0% 19,5%<br />

53<br />

100%<br />

51<br />

100%<br />

33<br />

100%<br />

66<br />

100%<br />

75<br />

100%<br />

* In der Kategorie „Sonstige“ wurden die Tabelle 11a getrennt ausgewiesenen Kategorien „eine andere Schule<br />

(z.B. im <strong>Aus</strong>land)“ <strong>und</strong> „…Klasse wiederholen“ zusammen gefasst.<br />

** Die Kategorie „Ich weiß noch nicht…“ schließt hier auch die Kategorien „Berufskolleg ohne nähere Angaben“,<br />

„Mittlere Reife / FOR ohne nähere Angaben“ mit ein.<br />

41<br />

100%<br />

Einen ähnlich hohen Anteil, der zum Gymnasium strebt, findet man bei der zahlenmäßig<br />

kleinen Gruppe der Befragten, die angeben, dass ihre Eltern andere (in der Regel ausländische)<br />

Schulabschlüsse erworben haben. Allerdings ist dieser Anteil nur schwer zu interpretieren,<br />

denn einerseits ist diese Gruppe zu klein für statistisch gesicherte <strong>Aus</strong>sagen <strong>und</strong> zum


anderen erlaubt die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe keine <strong>Aus</strong>sage über das Niveau des<br />

Abschlusses. Sie belegt lediglich, dass zumindest ein Elternteil einen Abschluss erworben<br />

hat <strong>und</strong> dass die Kinder diesen auch kennen. Das unterscheidet diese Gruppe allerdings<br />

positiv von den Befragten, die entweder angeben, dass ihre Eltern ohne formalen Schulabschluss<br />

sind, oder dass sie die Schulabschlüsse ihrer Eltern nicht kennen. Auffällig ist in diesen<br />

beiden Gruppen vor allem der relativ hohe Anteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die noch<br />

nicht sagen können, welche Schule sie einmal besuchen wollen. Offenbar vergrößert auch<br />

hier wiederum die Bildungsdistanz des Elternhauses die Unsicherheit, welcher Weg nach der<br />

Schule eingeschlagen werden soll.<br />

Ein interessantes Ergebnis der multivariaten Analyse zur Entscheidung zwischen Schulbesuch<br />

<strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildung war die Tendenz, dass Befragte mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eher dazu<br />

neigen, weiter zur Schule zu gehen. Tabelle 11c zeigt nun, dass Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

der zweiten Migrantengeneration, die zuhause Deutsch sprechen, sogar häufiger als ihre<br />

deutschen Mitschüler/innen nach der 10. Klasse die gymnasiale Oberstufe der Gesamtschule<br />

oder ein Gymnasium besuchen wollen. Dies gilt insbesondere auch für die türkischstämmigen<br />

Befragten, die in der vorliegenden Stichprobe die größte Migrantengruppe bilden. Im<br />

Kontrast dazu streben Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion<br />

<strong>und</strong> aus dem übrigen Osteuropa seltener das Gymnasium an. Zugleich ist bei diesen<br />

Befragten die Unsicherheit, welche Schule besucht werden soll, noch besonders hoch. Allerdings<br />

bleiben diese Zahlen aufgr<strong>und</strong> der relativ niedrigen Fallzahlen mit einem Fragezeichen<br />

versehen.<br />

Auch wenn sich an dieser Stelle noch nicht sagen lässt, inwieweit sich die Schulwünsche<br />

verwirklichen, lassen die Daten doch zumindest den Schluss zu, dass in der vorliegenden<br />

Stichprobe die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Migrationhintergr<strong>und</strong> sich hinsichtlich ihrer<br />

schulischen Aspirationen nur wenig von ihren deutschen Mitschüler/innen unterscheiden.<br />

Insbesondere bei den in Deutschland geborenen Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, bei<br />

denen die Tatsache, dass im Elternhaus Deutsch die Umgangssprache ist, auf einen relativ<br />

hohen Grad sozialer Integration in die deutsche Gesellschaft hinweist, scheinen darüber hinaus<br />

auch starke Bestrebungen wirksam zu sein, über höhere formale Bildung soziale Aufwärtsmobilität<br />

zu verwirklichen.<br />

133


4.2.2.2 Multivariate Analysen<br />

In zwei multivariaten Modellen soll auch in der Gruppe der Befragten, die angegeben haben,<br />

weiter zur Schule zu gehen, untersucht werden, inwieweit die in den bivariaten Analysen<br />

herausgearbeiteten Zusammenhänge bei wechselseitiger Kontrolle der berücksichtigten unabhängigen<br />

Variablen bestehen bleiben <strong>und</strong> die Zielvariable signifikant zu beeinflussen vermögen.<br />

Zu diesem Zweck wurden aus der Vielzahl der von den Zehntklässlern an Haupt-,<br />

Gesamt- <strong>und</strong> Realschulen als angestrebt genannten Schulformen zwei Zielvariablen konstruiert,<br />

die jeweils sehr unterschiedliche Typen repräsentieren. Die Wahl des Besuchs der<br />

gymnasialen Oberstufe der Gesamtschule bzw. des Gymnasiums (verglichen mit der Wahl<br />

einer anderen, z.T. auch noch nicht explizit benannten Schulform) kann i.d.R. als bewusst<br />

ehrgeizige Entscheidung, sich durch den Besuch einer weiterführenden Schule neue berufliche<br />

Möglichkeitsräume zu erschließen, verstanden werden. Anders hingegen die Befragten,<br />

die angeben, nach der Schule das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr (bzw. die Vorklasse dazu) oder eine<br />

einjährige Berufsfachschule zu besuchen. Der Schulbesuch soll hier der Berufsvorbereitung<br />

dienen <strong>und</strong> so den anschließenden Einstieg in eine Berufsausbildung ermöglichen. Bei den<br />

Befragten, die zwar angeben, weiter zur Schule zu gehen aber noch nicht wissen, was für<br />

eine Schule sie besuchen werden, werden ähnliche Motive eine Rolle bei der Entscheidungsfindung<br />

spielen. Sie werden daher mit den Befragten, die Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr oder<br />

einjährige Berufsfachschulen angeben, zusammengefasst. Ob es sich aus Sicht der Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler bei dieser Entscheidung um eine zweite Wahl handelt, für die man sich<br />

nur entscheidet, weil der direkte Einstieg in eine Berufsausbildung nicht möglich ist, wird unten<br />

noch genauer untersucht. Beide Gruppen markieren entgegen gesetzte Pole auf einem<br />

Kontinuum, an dessen einen Ende die Befragten durch das Abitur ein gegenüber dem aktuellen<br />

Abschluss höher qualifiziertes Einstiegniveau in das Berufsleben anstreben <strong>und</strong> an<br />

dessen anderem Ende der weitere Schulbesuch überhaupt erst den Einstieg in eine Berufsausbildung<br />

auf einem Niveau, das dem der aktuell besuchten Schule entspricht, ermöglichen<br />

soll. Als Prädiktoren werden in dem Modell die aus den bivariaten Modellen bekannten<br />

Variablen, wiederum ergänzt um die Kontrolle des Erhebungszeitpunktes, benutzt.<br />

134


Tabelle 12 Logistische Regressionen des weiteren Schulbesuchs als (I) Höherqualifikation<br />

<strong>und</strong> als berufsvorbereitenden Maßnahme bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die angeben,<br />

weiter zur Schule gehen zu wollen*<br />

(I)<br />

Höherqualifikation<br />

(II)<br />

Berufsvorbereitung<br />

135<br />

(I)<br />

Höherqualifikation<br />

(II)<br />

Berufsvorbereitung<br />

Unstandardisiert: EXP (b) Standardisiert: EXP (b*SDx)<br />

Konstante 75,12 19,61 -1<br />

Höchster Bildungsabschluss der Eltern<br />

Abitur (Basiskategorie)<br />

Mittlere Reife 1,23 -1 1,26 1,10 -1 1,11<br />

Hauptschule 1,25 -1 1,73 1,10 -1 1,26<br />

Anderer Abschluss 3,06 2,17 -1 1,23 1,15 -1<br />

Kein Abschluss 1,36 -1 3,40 1,05 -1 1,19<br />

Weiß nicht<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

1,10 -1 1,80 1,04 -1 1,25<br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />

Ein Elternteil <strong>Aus</strong>l. 1,21 1,26 -1 1,06 1,07 -1<br />

Beide Eltern <strong>Aus</strong>l. 2,41 3,26 -1 1,26 1,36 -1<br />

Im <strong>Aus</strong>land geb.<br />

Zuhause andere<br />

1,59 1,06 1,11 1,01<br />

Umgangssprache<br />

Regionale Herkunft<br />

Duisburg (Basiskategorie)<br />

2,05 1,61 -1 1,22 1,14 -1<br />

Kleve 12,24 -1 1,55 2,76 -1 1,19<br />

Wesel<br />

Schulform<br />

5,39 -1 1,03 -1 2,32 -1 1,01 -1<br />

Hauptschule (Basiskategorie)<br />

Realschule 14,38 6,42 -1 3,70 2,49 -1<br />

Gesamtschule 10,10 2,78 -1 2,59 1,52 -1<br />

Notendurchschnitt 5,14 -1 2,33 2,67 -1 1,66<br />

Geschlecht: Frau 1,32 1,17 -1 1,15 1,08 -1<br />

Erhebungsmonat 1,20 -1 1,00 -1 1,17 -1 1,00 -1<br />

N 559 559<br />

-2 Log-Likelihood 507,84 536,88<br />

CHI² (16 df) 228,64 113,34<br />

Nagelkerke’s R² ,459 ,267<br />

* Zielvariable des ersten Modells (I: Höherqualifikation) ist die Tatsache einer Entscheidung für den Besuch der<br />

gymnasialen Oberstufe der Gesamtschule bzw. des Gymnasiums vs. alle anderen Befragten, die angeben weiter<br />

zur Schule zu gehen. Im zweiten Modell (II: Berufsvorbereitung) werden die Befragten, die das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

(inkl. Vorklasse) oder eine einjährige Berufsfachschule angeben sowie diejenigen, die zwar angeben zur<br />

Schule zu gehen, aber noch nicht genau sagen können, welche Schule das sein wird, allen anderen Befragten,<br />

die angeben weiter zur Schule zu gehen, gegenübergestellt.<br />

*<br />

Fettdruck: p < 0,05.<br />

Die beiden hochsignifikanten Modelle in Tabelle 12 enthalten keine Überraschungen <strong>und</strong><br />

bestätigen im Wesentlichen die Ergebnisse der bivariaten Analysen. Allerdings tritt der unterschiedliche<br />

Beitrag der verschiedenen Prädiktoren zur Erklärung der Zielvariablen deutlicher<br />

zu Tage. Die Entscheidung, das Abitur anzustreben, hängt in starkem Maße von der<br />

aktuell besuchten Schulform ab. Die Wahrscheinlichkeit, die gymnasiale Oberstufe anzustreben,<br />

ist erwartungsgemäß bei Real- <strong>und</strong> Gesamtschülern gegenüber Hauptschülern deutlich<br />

erhöht. Hinzu müssen gute Noten kommen. Der Notendurchschnitt in Deutsch, Englisch <strong>und</strong>


Mathematik des letzten Zeugnisses hat einen starken <strong>und</strong> hochsignifikanten Effekt. Die Geschlechtszugehörigkeit<br />

hat bei Kontrolle der Schulform <strong>und</strong> der Leistung dagegen keinen<br />

signifikanten Effekt, obgleich zumindest das Vorzeichen des Koeffizienten den in der bivariaten<br />

Analyse gezeigten erhöhten Anteil der Schülerinnen, die das Abitur anstreben, bestätigt.<br />

Stark ist der Effekt der regionalen Gelegenheitsstrukturen: Verglichen mit der Großstadt<br />

Duisburg <strong>und</strong> seiner auf kurzen Wegen erreichbaren Schulinfrastruktur ist bei Kontrolle der<br />

Leistungen die Wahrscheinlichkeit für Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler von Haupt-, Gesamt- <strong>und</strong><br />

Realschulen nach dem Abschluss an einer Gesamtschule oder einem Gymnasium das Abitur<br />

anzustreben, in den Flächenkreisen Wesel <strong>und</strong> insbesondere Kleve, wo es nur eine Gesamtschule<br />

gibt, signifikant reduziert. Die Vorzeichen der Indikatoren für das Bildungsniveau<br />

des Elternhauses <strong>und</strong> den Migrationsstatus bestätigen zwar tendenziell die Ergebnisse der<br />

bivariaten Analysen, aber sie bleiben unterhalb der Grenzen statistischer Signifikanz.<br />

Erwartungsgemäß sind die Effekte im zweiten Modell den für die Entscheidung zugunsten<br />

der gymnasialen Oberstufe ermittelten Einflüssen nahezu entgegengesetzt. Die Gruppe, die<br />

als Ziel eine berufsvorbereitende Schule nennt, oder über die Erwartung hinaus, weiter zur<br />

Schule zu gehen, noch nichts Konkreteres aussagen kann, besucht deutlich seltener eine<br />

Gesamt- oder eine Realschule als eine Hauptschule. Es handelt sich eher um leistungsschwächere<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler: Je schlechter der Notendurchschnitt, desto höher die<br />

Wahrscheinlichkeit zu dieser Gruppe zu gehören. Bei Kontrolle der aktuellen Schulform, der<br />

durch den Notendurchschnitt gemessenen Schulleistung <strong>und</strong> der übrigen Prädiktoren des<br />

Modells hat die Geschlechtszugehörigkeit hingegen keinen signifikanten Einfluss mehr. Das<br />

gilt auch für das Bildungsniveau des Elternhauses. Überraschenderweise senkt dagegen die<br />

Tatsache, dass zwar beide Eltern im <strong>Aus</strong>land geboren wurden, aber zu Hause Deutsch die<br />

Umgangssprache ist, im Vergleich zu den Befragten ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit<br />

zu der Gruppe zu gehören, die nur über den Umweg eines zusätzlichen Schulbesuchs<br />

hofft, den Einstieg in eine Berufsausbildung <strong>und</strong> einen Beruf zu schaffen. Die Tatsache,<br />

dass sich dieser Effekt auch im multivariaten Modell als stabil erweist, deutet gemeinsam<br />

mit den stabilen Vorzeichen der Indikatoren zum Migrantionshintergr<strong>und</strong> in beiden Modellen<br />

darauf hin, dass sich unter den Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eine quantitativ<br />

bedeutsame Gruppe befindet, die tendenziell höhere Bildungsaspirationen als viele ihrer<br />

Mitschüler ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> hat.<br />

4.2.3 Schulbesuch als zweite Wahl?<br />

4.2.3.1 Bivariate Analysen<br />

Oben wurde bereits angesprochen, dass die Antworten auf die Frage nach den Plänen für<br />

die Zeit nach dem Abschluss der 10. Klasse nur teilweise die tatsächlichen Wünsche der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler beschreiben, sondern vielmehr deren bereits die an die Realität<br />

136


des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes angepassten Pläne wiedergeben. Von der Hypothese ausgehend,<br />

dass der Besuch einer Schule für viele der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nur die zweitbeste Lösung<br />

darstellt, die gewählt wird, weil die eigenen Chancen auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle als<br />

sehr gering eingeschätzt werden (vgl. u.a. Wachtveitl / Witzel 1987, 111), wurde der Subgruppe,<br />

die angab eine Schule zu besuchen, die Frage gestellt, ob sie anstatt weiter zur<br />

Schule zu gehen, lieber eine <strong>Aus</strong>bildung absolvieren würden.<br />

Tabelle 13 Würdest du, statt weiter zur Schule zu gehen, lieber eine Berufsausbildung<br />

machen?<br />

a<br />

Gesamt<br />

Hauptschule<br />

Schulform Region Geschlecht<br />

Realschule <br />

Gesamtschule<br />

Duisburg Kleve Wesel Männlich Weiblich<br />

% Ja 36,6 49,7 27,5 29,5 34,6 38,1 37,2 41,3 31,5<br />

N 465 181 189 95 153 97 215 240 219<br />

b Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

(inkl.<br />

Vorklasse)<br />

Einjährige<br />

Berufsfachschule<br />

Aufnehmender Bildungsgang<br />

Zweijährige<br />

Berufsfachschule <br />

Fachoberschule<br />

137<br />

Gymnasium,<br />

Oberstufe<br />

der Gesamtschule<br />

Sonstiges<br />

Ich weiß<br />

noch nicht<br />

genau<br />

% Ja 67,6 81,8 39,8 36,1 14,0 33,3 56,3<br />

N 34 22 98 72 164 3 71<br />

c<br />

Abitur /<br />

Fachabitur Mittlere Reife Hauptschule<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Anderer<br />

Abschluss<br />

Kein<br />

Abschluss Ich weiß nicht<br />

% Ja 28,8 39,3 38,3 21,4 22,2 46,7<br />

N 125 122 107 14 9 75<br />

d<br />

Kein<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Ein Elternteil<br />

im <strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunftsland<br />

Beide Elternteile<br />

im <strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Kind im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Zuhause<br />

andere<br />

Umgangssprache<br />

Türkei<br />

Ehemalige<br />

Sowjetunion<br />

<strong>und</strong> Osteuropa<br />

% Ja 37,9 29,3 28,6 41,7 32,4 29,4 39,3<br />

N 322 41 35 24 37 51 28<br />

Die Ergebnisse (Tabelle 13) stützen die Hypothese, dass ein weiterer Schulbesuch häufig<br />

als <strong>Aus</strong>weichmöglichkeit angesichts der geringen Chancen auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle wahrgenommen<br />

wird. Insgesamt würde mehr als ein Drittel der Jugendlichen (36,6%), die angeben,<br />

weiter zur Schule zu gehen, anstatt dessen lieber eine Berufsausbildung absolvieren<br />

(vgl. Behringer / Ulrich 1996; Ulrich 2003, 2004, 2005, 2006a/b). Gleichgültig, welche Schule<br />

verlassen wird, in welcher der drei Regionen die Schüler beheimatet sind oder welche Schul-


form sie besuchen werden, in allen Gruppen ist dieser Anteil beträchtlich. Gleichzeitig belegen<br />

die Daten deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Schulformen: Unter den<br />

Hauptschülern, die angeben, weiter zur Schule zur gehen, würde nahezu die Hälfte (49,7%)<br />

lieber eine Berufsausbildung absolvieren, bei den Gesamtschülern liegt dieser Anteil bei<br />

knapp 30 Prozent (29,5%) <strong>und</strong> bei den Realschülern noch etwas niedriger (27,5%). Die regionalen<br />

<strong>und</strong> geschlechtsspezifischen Differenzen lassen sich überwiegend auf die Verteilung<br />

der Schulformen in den einzelnen Teilstichproben zurückführen.<br />

Abschnitt b der Tabelle gibt die Anteile differenziert für die von den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />

angegebenen aufnehmenden Schulen wieder. Auch wenn die Fallzahlen in den einzelnen<br />

Gruppen teilweise zu klein für abgesicherte <strong>Aus</strong>sagen sind, kann man doch Tendenzen<br />

erkennen. Es wird deutlich, dass vor allem das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr (einschließlich Vorklasse)<br />

<strong>und</strong> einjährige Berufsfachschulen für die Mehrheit der Schüler, die sie benennen, bestenfalls<br />

eine zweite Wahl darstellen. Etwas geringer sind die Anteile für die Fachoberschulen<br />

<strong>und</strong> die zweijährige Berufsfachschulen (wie die Höhere Handelsschule), aber auch sie werden<br />

von deutlich mehr als einem Drittel nur gewählt, weil sie nicht damit rechnen, eine Lehrstelle<br />

zu finden. Lediglich bei den Schülern, die zur Oberstufe des Gymnasium oder der Gesamtschule<br />

wechseln wollen, handelt es sich bei der großen Mehrheit um eine echte Wahl<br />

zwischen Alternativen: <strong>Aus</strong> dieser Gruppe würde nur eine kleine Minderheit von 14 Prozent<br />

lieber eine <strong>Aus</strong>bildung beginnen. Aber auch deren Vorhandensein belegt, dass eine Schulausbildung<br />

nach dem Abschluss der 10. Klasse an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen für<br />

viele Schüler subjektiv den Charakter einer der Situation am <strong>Aus</strong>bildungsmarkt geschuldeten<br />

Warteschleife hat, wenn auch dabei eine Abstufung nach dem angestrebten Niveau der<br />

Schulform erkennbar ist. Je mehr allerdings die Schule den Charakter einer „weiterführenden“<br />

Schule hat, die neue Möglichkeitsräume eröffnet <strong>und</strong> den Weg in höher qualifizierte<br />

Berufe eröffnet, umso eher wird sie auch als bewusste Alternative zu einer Berufsausbildung<br />

nach Abschluss der gegenwärtig besuchten Schule angesehen <strong>und</strong> gewählt.<br />

Die Ergebnisse in Abschnitt c der Tabelle, wo die Antworten nach dem Bildungsniveau der<br />

Herkunftsfamilie differenziert dargestellt werden, enthalten keine Überraschungen. Dass die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die aus einer Familie, in der ein Elternteil Abitur hat, seltener als<br />

die meisten anderen Bildungsgruppen den weiteren Schulbesuch nur als zweite Wahl betrachten<br />

(28,8%), hängt natürlich damit zusammen, dass sie häufiger die gymnasiale Oberstufe<br />

einer Gesamtschule oder eines Gymnasiums besuchen (vgl. Tabelle 11b), was wiederum<br />

eine Folge erhöhter Bildungsaspirationen der Herkunftsfamilie ist. Als eher bildungsfern<br />

wurden die Befragten charakterisiert, die nicht den Schulabschluss wenigstens eines Elternteiles<br />

nennen können. Dass in dieser Gruppe die Unsicherheit über den weiteren Weg nach<br />

der Schule stärker ausgeprägt ist, wurde oben bereits mehrfach thematisiert. Hier nun zeigt<br />

138


sich, dass fast die Hälfte (46,7%) der Befragten dieser Gruppe, die angeben weiter zur Schule<br />

zu gehen, stattdessen lieber gleich eine Berufsausbildung absolvieren würden.<br />

Abschnitt d der Tabelle bestätigt noch einmal die - verglichen mit ihren deutschen Mitschüler/innen<br />

- oft hohen Aspirationen der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Für diese Gruppe<br />

ist die Schule deutlich seltener die zweite Wahl. Die Frage, ob sie, statt weiter zur Schule zu<br />

gehen, lieber eine Berufsausbildung absolvieren würden, wird fast durchgängig häufiger verneint<br />

als von Befragten ohne Migrationshintergr<strong>und</strong>. Eine auffällige <strong>Aus</strong>nahme, die allerdings<br />

wegen der kleinen Fallzahlen keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann, bilden<br />

die Migranten aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion <strong>und</strong> aus Osteuropa, bei denen<br />

der Anteil, für den der Schulbesuch nur zweite Wahl ist, um 10 Prozentpunkte höher liegt als<br />

bei den Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong>. Diese Differenz ist vor allem auf<br />

die Differenzen bei den Schulformen, die von beiden Gruppen als Ziel angegeben werden,<br />

zurückzuführen: Unter den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern aus türkischen Familien, die weiter<br />

zur Schule gehen wollen, beabsichtigt z.B. gut die Hälfte ein Gymnasium zu besuchen, bei<br />

der Vergleichgruppe aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion <strong>und</strong> aus Osteuropa ist es<br />

dagegen nur ein knappes Viertel (vgl. Tabelle 11c).<br />

4.2.3.2 Multivariate Analyse<br />

Eine logistische Regression der Dichotomie, ob der weitere Schulbesuch verglichen mit einer<br />

Berufsausbildung nur eine zweite Wahl darstellt, kann hier wieder die Frage klären, inwieweit<br />

die in den bivariaten Analysen aufgezeigten Zusammenhänge im multivariaten Modell bestehen<br />

bleiben <strong>und</strong> welche relative Bedeutung sie bei Kontrolle der weiteren Prädiktoren im<br />

Modell haben. Von besonderer Bedeutung ist hier die Frage, inwieweit aus der Sicht der Jugendlichen<br />

bestimmte Schulformen nur eine <strong>Aus</strong>weichmöglichkeit darstellen, die gewählt<br />

wird, weil der eigentlich angestrebte direkte Weg in eine Berufsausbildung versperrt ist. Wegen<br />

des starken Zusammenhangs zwischen der aktuell besuchten Schulform <strong>und</strong> der genannten<br />

Zielschule wird in der Analyse auf die Kontrolle der aktuellen Schulform zugunsten<br />

der Zielschule verzichtet.<br />

139


Tabelle 14 Lieber Berufsausbildung statt weiter zur Schule? (Logistische Regression)<br />

Koeffizienten<br />

Unstandardisiert: EXP (b) Standardisiert: EXP (b*SDx)<br />

Konstante<br />

Höchster Bildungsabschluss der Eltern<br />

Abitur (Basiskategorie)<br />

3,47 -1<br />

Mittlere Reife 1,16 1,07<br />

Hauptschule 1,61 1,23<br />

Anderer Abschluss 1,40 -1 1,06 -1<br />

Kein Abschluss 1,90 -1 1,10<br />

Weiß nicht<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />

1,58 1,18<br />

Ein Elternteil <strong>Aus</strong>l. 2,09 -1 1,24 -1<br />

Beide Eltern <strong>Aus</strong>l. 1,06 -1 1,02 -1<br />

Im <strong>Aus</strong>land geb. 1,37 1,07<br />

Zuhause andere Umgangssprache<br />

Regionale Herkunft<br />

Duisburg (Basiskategorie)<br />

1,12 -1 1,03 -1<br />

Kleve 1,01 -1 1,00 -1<br />

Wesel<br />

Genannte Schulform<br />

1,18 1,09<br />

Gymnasium, Gymnasiale Oberstufe der Gesamtschule (Basiskategorie)<br />

Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr (inkl. Vorklasse) 10,32 1,84<br />

Einjährige Berufsfachschule 105,74 2,59<br />

Zweijährige Berufsfachschule 3,80 1,73<br />

Fachoberschule 2,65 1,42<br />

Weiß noch nicht (genau) 7,46 2,06<br />

Notendurchschnitt 1,17 1,10<br />

Geschlecht: Frau 1,83 -1 1,35 -1<br />

Erhebungsmonat 1,23 -1 1,20 -1<br />

N 438<br />

-2 Log-Likelihood 463,49<br />

CHI² (16 df) 110,61<br />

Nagelkerke’s R² ,306<br />

* Zielvariable des ersten Modells (I) ist die Tatsache einer Entscheidung für einen weiteren Schulbesuch oder die<br />

Aufnahme einer Berufsausbildung (Kategorien a <strong>und</strong> b) vs. der Tatsache, noch keine Entscheidung getroffen zu<br />

haben. Im zweiten Modell (II) wird die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuchs vs. die Entscheidung<br />

für die Aufnahme einer Berufsausbildung untersucht.<br />

* Fettdruck: p < 0,05.<br />

Die Ergebnisse der in Tabelle 14 wiedergegebenen Regressionsanalyse sind eindeutig: Sie<br />

zeigen, dass die Frage, welche Schulform voraussichtlich besucht wird, den mit Abstand<br />

stärksten Effekt besitzt, <strong>und</strong> bestätigen die Ergebnisse der bivariaten Analysen. Die ganz<br />

überwiegende Mehrheit der Schüler, die angeben nach dem Abschluss der derzeit besuchten<br />

Schule weiter zur Schule zu gehen, würde lieber eine Berufsausbildung absolvieren (vgl.<br />

hierzu auch: BMBF 2006, 85-88). Mit <strong>Aus</strong>nahme der Gruppe, die zum Gymnasium zu wechseln<br />

beabsichtigt, sehen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in einem weiteren Schulbesuch nur<br />

eine suboptimale Lösung, zu der sie sich durch ihre antizipierte Chancenlosigkeit in der Konkurrenz<br />

um eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle genötigt sehen. Verglichen mit der Entscheidung für den<br />

140


Besuch eines Gymnasiums erhöhen insbesondere die Nennung typischer schulischer „Warteschleifen“,<br />

wie der einjährigen Berufsfachschule <strong>und</strong> des Berufsgr<strong>und</strong>schuljahrs (inkl. Vorklasse),<br />

sowie die Tatsache, dass die Befragten die Schulform noch nicht genau benennen<br />

können, die Wahrscheinlichkeit, dass die Befragten angeben, eigentlich lieber eine Berufsausbildung<br />

zu absolvieren. Etwas abgeschwächt, aber immer noch statistisch bedeutsam,<br />

lässt sich ein solcher Effekt auch bei der Nennung einer zweijährigen Berufsfachschule<br />

<strong>und</strong> einer Fachoberschule feststellen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Entscheidung für<br />

den Besuch einer Schule umso seltener nur eine zweite Wahl für die Befragten darstellt, je<br />

höher das angestrebte Abschlussniveau angesiedelt ist. Erwähnenswert ist darüber hinaus<br />

der statistisch signifikante negative Geschlechtseffekt: Weibliche Jugendliche streben nicht<br />

nur seltener eine Berufsausbildung im dualen System an, sondern sehen offenbar auch unabhängig<br />

von der angestrebten Schulform in einem weiteren Schulbesuch häufiger als ihre<br />

männlichen Klassenkameraden eine Möglichkeit, die eigenen beruflichen Chancen zu<br />

verbessern (vgl. dazu bereits Heinz u.a. 1985, 272f). Statistisch nicht bedeutsam sind dagegen<br />

die Effekte des höchsten Bildungsabschlusses der Eltern, des Migrationshintergr<strong>und</strong>es,<br />

der regionalen Herkunft, des Notendurchschnittes <strong>und</strong> des Erhebungszeitpunktes.<br />

4.2.4 Berufsausbildung<br />

Tabelle 15 beschreibt differenziert nach Schulform, Region, Geschlecht, Bildungsniveau der<br />

Eltern <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angegeben haben, im<br />

Anschluss an die Schule eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen, ob es sich dabei um<br />

eine <strong>Aus</strong>bildung im Rahmen des dualen System, eine schulische Berufsausbildung oder um<br />

eine <strong>Aus</strong>bildung im öffentlichen Dienst handelt.<br />

141


Tabelle 15 Wo wirst du voraussichtlich eine Berufsausbildung absolvieren?<br />

In einem Betrieb<br />

(duale Berufsausbildung)<br />

a<br />

Hauptschule<br />

Schulform Kreis Geschlecht<br />

Realschule<br />

Gesamt<br />

schule Duisburg<br />

Kleve Wesel<br />

142<br />

Männlich <br />

Weiblich<br />

72,9% 74,7% 68,0% 63,1% 77,9% 78,4% 77,8% 63,5%<br />

Dreijährige Berufsfachschule 10,1% 7,5% 6,3% 12,6% 5,9% 5,9% 8,0% 9,5%<br />

Schule des<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesens.<br />

2,4% 2,1% 5,5% 4,5% 2,2% 2,0% 1,2% 5,9%<br />

Im öffentlichen Dienst 3,5% 4,8% 7,0% 6,3% 2,9% 3,9% 3,8% 5,9%<br />

Sonstiges ,3% 1,4% 1,5% ,6% ,5%<br />

Das weiß ich noch nicht 10,8% 9,6% 13,3% 13,5% 11,0% 8,3% 8,6% 14,9%<br />

Gesamt (N) 288 146 128 222 136 204 338 222<br />

In einem Betrieb<br />

(duale <strong>Aus</strong>bildung)<br />

b Abitur /<br />

Fachabitur<br />

Dreijährige Berufsfachschule /<br />

Schule d. Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

Mittlere<br />

Reife<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Hauptschule<br />

Anderer<br />

Abschluss<br />

Kein<br />

Abschluss<br />

Ich weiß<br />

nicht<br />

74,7% 76,8% 74,7% 73,7% 100% 60,2%<br />

13,9% 7,8% 12,3% 10,5% 0% 12,7%<br />

Im öffentlichen Dienst 3,8% 5,2% 4,5% 0% 0% 5,9%<br />

Sonstiges 0% 0,6% 0,6% 5,3% 0% 0,8%<br />

Das weiß ich noch nicht 7,6% 9,7% 7,8% 10,5% 0% 20,3%<br />

Gesamt (N) 79 155 154 19 6 118<br />

c<br />

In einem Betrieb<br />

(duale <strong>Aus</strong>bildung)<br />

Dreijährige Berufsfachschule /<br />

Schule d. Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

Kein<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Ein Elternteil<br />

im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunft<br />

Beide<br />

Elternteile<br />

im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Kind im<br />

<strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Zuhause<br />

Deutsch<br />

nicht<br />

Umgangs<br />

sprache<br />

Türkei<br />

EhemaligeSowjetunion<br />

u. Osteuropa<br />

72,4% 71,4% 79,2% 60,0% 72,7% 75% 70%<br />

9,8% 17,9% 12,5% 15,0% 20,4% 19,5% 30%<br />

Im öffentlichen Dienst 5,5% 0% 4,2% 5,0% 0% 0% 0%<br />

Sonstige 0,7% 3,6% 0% 0% 0% 0% 0%<br />

Das weiß ich noch nicht 11,6% 7,1% 4,2% 20,0% 6,8% 5,6% 0%<br />

Gesamt (N) 438 28 24 20 44 36 10


Gut 45 Prozent der befragten Hauptschüler sowie jeweils etwas mehr als ein Drittel der Realschüler<br />

(35,4%) <strong>und</strong> der Gesamtschüler (36,3%) haben angegeben, nach der 10. Klasse<br />

eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen (Tabelle 9a). Hier nun zeigt sich, dass die große<br />

Mehrheit dieser Gruppe eine <strong>Aus</strong>bildung im dualen System anstrebt (Tabelle 15). Es finden<br />

sich auch an dieser Stelle wieder Unterschiede zwischen den Schulformen: Realschüler<br />

(74,7%) planen diesen Weg etwas häufiger als Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschüler (72,6% bzw.<br />

68,0%). Größer sind die Differenzen zwischen den drei Regionen, wo die Angaben zwischen<br />

gut 63 Prozent in Duisburg <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 78 Prozent in den beiden Landkreisen differieren. Dies<br />

ist vermutlich auf regional unterschiedliche Gelegenheitsstrukturen des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes<br />

zurückzuführen. Darüber hinaus dürften in den eher ländlich geprägten Kreisen mit ihren<br />

überwiegend durch kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen geprägten Strukturen noch häufiger<br />

andere, stärker durch persönliche Kontakte geprägte Zugänge zum <strong>Aus</strong>bildungsmarkt als in<br />

der Großstadt Duisburg existieren. Zugleich erleichtert auf der anderen Seite die Großstadt<br />

mit ihrer Infrastruktur, ihrer räumlichen Dichte <strong>und</strong> den kurzen Verkehrswegen den Zugang<br />

zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungswegen, wie den dreijährigen Berufsfachschulen, den Schulen des<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesens oder auch zu <strong>Aus</strong>bildungen im öffentlichen Dienst.<br />

Auffällig sind die Differenzen zwischen den Geschlechtern. Während 78,2 Prozent der Jungen,<br />

die angeben eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen, eine <strong>Aus</strong>bildung im dualen<br />

System anstreben, sind dies bei den Mädchen lediglich 63,8 Prozent. Die Differenz erklärt<br />

sich nur zum Teil durch geschlechtsspezifische Berufsorientierungen – so streben Mädchen<br />

häufiger eine <strong>Aus</strong>bildung in Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens oder eine <strong>Aus</strong>bildung im öffentlichen<br />

Dienst an. Ein großer Teil der Differenz ergibt sich auch daraus, dass die Mädchen<br />

(15,3%) häufiger als die Jungen (8,5%) noch nicht sagen können, wo sie voraussichtlich eine<br />

<strong>Aus</strong>bildung absolvieren werden. Daraus auf eine größere Unentschlossenheit zu schließen<br />

könnte sich aber als Fehlinterpretation erweisen, denn möglicherweise erwägen Mädchen<br />

eher mehrere Alternativen, während sich Jungen schneller festlegen (<strong>und</strong> damit zugleich<br />

eventuelle Alternativen ausblenden).<br />

Eine solche Interpretation wird durch Tabelle 16 gestützt, die eine differenzierte <strong>Aus</strong>wertung<br />

der Ablehnung bzw. Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sage „Wenn man weiß, welchen Beruf man erlernen<br />

möchte, braucht man sich nicht mehr mit anderen Möglichkeiten zu beschäftigen“<br />

enthält. Der Anteil der Mädchen, die diese <strong>Aus</strong>sage völlig ablehnen, liegt um gut 7 Prozentpunkte<br />

über dem der Jungen. Auch wenn sie bereits einen Beruf ins Auge gefasst haben,<br />

neigen die befragten Schülerinnen offenbar seltener dazu, Alternativen auszublenden. Sollte<br />

sich der Berufswunsch angesichts eines restriktiven <strong>Aus</strong>bildungsmarktes nicht erfüllen lassen,<br />

dann kann sich die größere Offenheit als ein wichtiger Vorteil der Mädchen erweisen,<br />

doch noch eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle zu finden. Allerdings kann dies im Einzelfall auch dazu<br />

143


führen, dass Mädchen zu schnell ihre ursprünglichen Ziele aufgeben <strong>und</strong> Alternativen suchen,<br />

wo mehr <strong>Aus</strong>dauer vielleicht doch noch zum Ziel geführt hätte.<br />

Tabelle 16 Berufswahl <strong>und</strong> die <strong>Aus</strong>blendung von Alternativen*<br />

Gesamt<br />

Geschlecht Höchster Bildungsabschluss Eltern<br />

Männlich Weiblich<br />

144<br />

Abschluss<br />

genannt** „Weiß nicht“<br />

Stimme völlig zu 8,1% 9,4% 6,5% 7,5 9,7<br />

Stimme etwas zu 18,2% 19,7% 16,2% 18,0 18,7<br />

teils/teils 33,3% 33,8% 32,6% 32,8 35,1<br />

Lehne etwas ab 22,8% 22,7% 22,9% 23,6 21,6<br />

Lehne völlig ab 17,6% 14,3% 21,8% 18,1 14,9<br />

1391 775 616 1071 268<br />

* Frageformulierung: „Wenn man weiß, welchen Beruf man ergreifen möchte, braucht man sich nicht mehr mit<br />

anderen Möglichkeiten zu beschäftigen.“<br />

** Hier wurden alle Nennungen, die zeigen, dass die Befragten wissen, welchen Bildungsabschluss mindestens<br />

ein Elternteil erworben hat, zusammengefasst.<br />

Die Differenzierung der Angaben zu der angestrebten <strong>Aus</strong>bildung nach dem höchsten Bildungsabschluss<br />

der Eltern (Tabelle 15b) zeigt, dass alle Befragte, die den Schulabschluss<br />

wenigstens eines Elternteils zu nennen in der Lage sind, zu r<strong>und</strong> drei Vierteln in eine duale<br />

<strong>Aus</strong>bildung streben. Der Anteil der Befragten, die über die <strong>Aus</strong>sage hinaus, eine <strong>Aus</strong>bildung<br />

machen zu wollen, zum Zeitpunkt der Befragung noch keine genaueren Angaben machen<br />

können, bewegt sich bei diesen Befragten unter oder um die 10 Prozentmarke. Nahezu doppelt<br />

so hoch (20,3%) ist dieser Anteil dagegen bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die weder<br />

den Schulabschluss ihres Vaters oder ihrer Mutter nennen können. Anders als im Falle der<br />

oben diskutierten Gruppe der Schülerinnen gibt es hier dagegen keinen Hinweis, der auf<br />

eine erhöhte Flexibilität bei der <strong>Aus</strong>bildungswahl hinweisen könnte. Im Gegenteil: Der Anteil,<br />

der die <strong>Aus</strong>sage „Wenn man weiß, welchen Beruf man erlernen möchte, braucht man sich<br />

nicht mehr mit anderen Möglichkeiten zu beschäftigen“ ablehnt, liegt bei den Befragten dieser<br />

Gruppe niedriger als in der Vergleichsgruppe der Befragten, die den Abschluss wenigstens<br />

eines Elternteils zu nennen vermögen (Tabelle 16). Auch hier zeigt sich wieder, dass<br />

eine fehlende Thematisierung der elterlichen Schulbildung in einigen Familien ein Indikator<br />

für eine erhöhte Bildungsferne ist, die auch die Unsicherheit der Kinder, welchen Weg sie<br />

nach der Schule einschlagen wollen, vergrößert. 17 Die in Tabelle 15c dargestellte Differenzierung<br />

der anvisierten <strong>Aus</strong>bildung nach dem Migrationshintergr<strong>und</strong> der Befragten zeigt nur<br />

17 In einer logistischen Regression der Unsicherheit (Kategorie „Weiß nicht“ vs. Nennung) erreicht nur die Tatsache,<br />

keinen Schulabschluss eines Elternteils nennen zu können (verglichen mit dem Abitur als höchsten Abschluss<br />

der Eltern) eben die Signifikanzgrenze von p < 0,05. Kontrolliert wurden dabei neben dem Bildungsniveau<br />

der Eltern auch der Migrationshintergr<strong>und</strong>, die besuchte Schule, das Geschlecht, die regionale Herkunft,<br />

der Erhebungszeitpunkt <strong>und</strong> das in Tabelle 16 untersuchte <strong>Aus</strong>blenden von Alternativen.


geringe Unterschiede zwischen den Gruppen <strong>und</strong> ist darüber hinaus wegen der geringen<br />

Fallzahlen in den einzelnen Subgruppen nur wenig aussagekräftig.<br />

4.3 Berufswünsche<br />

Im Rahmen der Befragung konnten die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angegeben haben,<br />

sich schon mit der Berufswahl beschäftigt zu haben, auf eine offene Frage bis zu sechs Berufswünsche<br />

nennen. 18 Insgesamt haben n=1339 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler (93,4% aller<br />

Befragten) mindestens einen Wunschberuf benannt. Die folgende Abbildung spiegelt die<br />

Verteilung der Anzahl der genannten Berufswünsche wider. Sie zeigt, dass die große Mehrheit<br />

dieser Gruppe mehrere Berufswünsche in ihre Überlegungen mit einbezieht: Knapp zwei<br />

Drittel nennen drei <strong>und</strong> mehr Berufswünsche <strong>und</strong> lediglich 10,8 Prozent geben nur einen<br />

Beruf an.<br />

Abbildung 2 Anzahl der genannten Berufswünsche: Verteilung <strong>und</strong> Mittelwerte<br />

Genannte Berufswünsche<br />

6 5 4 3<br />

2<br />

1<br />

0 10 20 30 40 50<br />

% (n=1339)<br />

60 70 80 90 100<br />

Durchschnittliche Anzahl der<br />

genannten Berufswünsche Standardabweichung<br />

n<br />

Gesamtgruppe 3,2 1,44 1339<br />

Schüler 2,9 1,36 727<br />

Schülerinnen 3,4 1,48 612<br />

Im Durchschnitt machen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die sich schon mit der Berufswahl<br />

beschäftigt haben, r<strong>und</strong> 3,2 Angaben. Oben war auf der Einstellungsebene gezeigt worden,<br />

dass die Schülerinnen in stärkerem Maße als ihre männlichen Mitschüler bei der Berufswahl<br />

18 Die Frageformulierung lautete: „Welche Berufe hast du bisher in die engere Wahl genommen? Bitte nenne die<br />

wichtigsten zuerst, aber schreibe auch die Berufe auf, von denen du später wieder abgegangen bist.“<br />

145


dazu neigen, bei der Berufswahl mehr Alternativen zu berücksichtigen. Dies bestätigt sich<br />

hier auf der Handlungsebene der tatsächlich in die <strong>Aus</strong>wahl einbezogenen Berufe. Die Schülerinnen<br />

benennen durchschnittlich 3,4 Alternativen, während es bei ihren männlichen Mitschülern<br />

lediglich 2,9 Nennungen sind.<br />

Bei den Angaben handelt es sich nicht immer um konkrete Berufsbezeichnung, manchmal<br />

sind die Angaben ungenau <strong>und</strong> lassen sich schwer zuordnen, teilweise werden auch größere<br />

Berufs- oder Tätigkeitsfelder (z.B. „Kaufmann“ oder „IT-Fachmann“) genannt <strong>und</strong> in Einzelfällen<br />

sind die Antworten auch nicht ernsthaft als Berufswunsch zu interpretieren, sondern als<br />

ein Reflex auf die Situation, so wie sie sich den Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler darstellt, zu verstehen<br />

(z.B. „Hartz IV“ oder „Drogendealer“). Antworten, wie die zuletzt genannten, wurde in<br />

den <strong>Aus</strong>zählungen nicht als gültige Angaben berücksichtigt. Die folgenden Übersichten geben<br />

auf der Basis einer vorläufigen Zusammenfassung der ersten Nennung einen nach Geschlecht<br />

<strong>und</strong> Schulform differenzierten Überblick über die 10 häufigsten Wünsche.<br />

Wie die Schüler in ihren Antworten stellt auch diese Zusammenfassung Ebenen mit unterschiedlichem<br />

Abstraktionsniveau gegenüber. So wurden beispielsweise alle spezifischen<br />

kaufmännischen Berufe mit so allgemeinen Angaben wie „was kaufmännisches“ zur Kategorie<br />

„kaufmännische Berufe“ zusammengefasst, aber daneben tauchen auch einzelne <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />

in der Übersicht auf, wie etwa der Koch oder die Floristin. Alle Berufe, die ein<br />

Studium voraussetzen, wurden unter der Kategorie „akademische Berufe“ zusammengefasst.<br />

Natürlich wird durch die Zusammenfassung auf so verschiedenen Ebenen Unterschiedliches<br />

verglichen, dennoch eignet sich eine Übersicht auf der Basis dieser Kategorisierung<br />

als erste Heuristik für Tendenzen, Unterschiede <strong>und</strong> Gemeinsamkeiten hinsichtlich der<br />

beruflichen Orientierungen der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler.<br />

Insgesamt machen die zehn am häufigsten genannten Berufswünsche (bzw. Gruppen von<br />

Berufswünschen) zwischen 57,5 <strong>und</strong> 74,6 Prozent der Nennungen in den jeweiligen Teilstichproben<br />

aus. Auch wenn sich darunter sehr breite Berufsfelder befinden, die verschiedene<br />

Berufe umfassen, machen diese Zahlen doch auch deutlich, wie sehr sich die Berufswünsche<br />

auf nur einige wenige Berufe <strong>und</strong> Berufsgruppen konzentrieren. Dabei ist das Spektrum<br />

der Berufswünsche bei den Schülerinnen gegenüber ihren männlichen Mitschülern noch<br />

einmal stärker eingeschränkt, obwohl sie – wie oben dargestellt – mehr Berufswünsche angeben.<br />

146


Tabelle 17 Die 10 häufigsten Berufswünsche nach Geschlecht <strong>und</strong> Schulform<br />

Hauptschüler/innen<br />

Männlich (n=382) Weiblich (n=263)<br />

Berufe bzw. Berufsfelder Anteil Berufe bzw. Berufsfelder Anteil<br />

1 Kaufmännische Berufe 12,8 Kaufmännische Berufe 19,0<br />

2<br />

3<br />

Kfz-Handwerk<br />

Maschinenbau / Schiffsbau / Metallbau<br />

/Schlosser / Industriemechatronik<br />

9,9<br />

5,7<br />

Krankenpflege/Altenpflege/Hebamme<br />

Frisörin, Visagistin /Kosmetikerin<br />

10,6<br />

8,8<br />

4 IT / Informatik / Computertechnik 5,5 Erzieherin, Kinderpflegerin, Familienpflegerin<br />

8,0<br />

5 Schreiner / Tischler 5,5 Arzt-, Zahnarzt-, Apothekenhelferin 7,2<br />

6<br />

7<br />

Elektrik / Elektrotechnik / Elektronik<br />

Koch<br />

4,7<br />

4,2<br />

Tierpflegerin, Tierarzthelferin<br />

Gärtnerin /Gartenbau<br />

6,1<br />

4,2<br />

8 Gärtner /Gartenbau 3,4 Verkäuferin 3,8<br />

9<br />

10<br />

Maler / Lackierer<br />

Polizei / Zoll<br />

2,9<br />

2,9<br />

Floristin<br />

Akademische Berufe<br />

3,0<br />

2,7<br />

Summe 57,5 Summe 73,4<br />

Ohne Angabe 10,7 Ohne Angabe 3,4<br />

Realschüler/innen<br />

Männlich (n=228) Weiblich (n=196)<br />

1<br />

2<br />

Kaufmännische Berufe<br />

Akademische Berufe<br />

18,4<br />

11,0<br />

Kaufmännische Berufe<br />

Akademische Berufe<br />

24,0<br />

12,2<br />

3 IT / Informatik / Computertechnik 10,5 Med. / Tech. Assistentenberufe, verschieden<br />

Therapeuten<br />

7,7<br />

4 Kfz-Handwerk 7,9 Erzieherin, Kinderpflegerin, Familien- 7,1<br />

pflegerin<br />

5 Elektrik / Elektrotechnik / Elektronik 6,2 Krankenpflege / Altenpflege / Hebamme<br />

5,6<br />

6<br />

7<br />

Schreiner / Tischler<br />

Maschinenbau / Schiffsbau / Metallbau<br />

/Schlosser / Industriemechatronik<br />

3,9<br />

3,9<br />

Hotel, Gastronomie, Touristik<br />

Arzt-, Zahnarzt-, Apothekenhelferin<br />

5,1<br />

3,6<br />

8<br />

9<br />

Mediendesigner<br />

Öffentl. Verwaltung<br />

3,1<br />

3,1<br />

Öffentl. Verwaltung<br />

Polizei / Zoll<br />

3,6<br />

3,1<br />

10 B<strong>und</strong>eswehr (Soldat) 2,6 Frisörin, Visagistin, Kosmetikerin 2,6<br />

Summe 70,6 Summe 74,6<br />

Ohne Angabe 4,4 Ohne Angabe 1,5<br />

Gesamtschüler/innen<br />

Männlich (n=190) Weiblich (n=179)<br />

1<br />

2<br />

Kaufmännische Berufe<br />

Maschinenbau / Schiffsbau / Metall-<br />

11,5<br />

9,3<br />

Akademische Berufe<br />

Kaufmännische Berufe<br />

15,5<br />

14,9<br />

bau /Schlosser / Industriemechatronik<br />

3 Kfz-Handwerk 8,2 Frisörin, Visagistin /Kosmetikerin 12,0<br />

4 Akademische Berufe 5,5 Krankenpflege / Altenpflege / He- 7,5<br />

bamme<br />

5 IT / Informatik / Computertechnik 4,4 Arzt-, Zahnarzt-, Apothekenhelferin 5,7<br />

6 Polizei / Zoll 4,4 Erzieherin, Kinderpflegerin, Familien- 4,6<br />

pflegerin<br />

7 Elektrik / Elektrotechnik / Elektronik 4,3 Film, Theater, Musik,R<strong>und</strong>funk,<br />

3,4<br />

Showgeschäft<br />

8<br />

8<br />

Koch<br />

Gärtner /Gartenbau<br />

3,8<br />

3,3<br />

Öffentl. Verwaltung<br />

Chemielaborantin<br />

3,4<br />

2,3<br />

9 Med. / Tech. Assistentenberufe, ver- 2,7 Tierpflegerin, Tierarzthelferin 1,7<br />

schiedene Therapeuten<br />

10 Schreiner / Tischler 2,7 Polizei/Zoll 1,7<br />

Summe 60,1 Summe 72,7<br />

Ohne Angabe 12.0 Ohne Angabe 6,3<br />

147


Beides ist weder eine regionale Besonderheit noch eine neuere Entwicklung. Bereits Paul<br />

Lazarsfeld (1931, 8) kann mit nur neun Kategorien (die allerdings teilweise noch breiter als<br />

die hier verwendeten gefasst sind) die Berufswünsche von 90 Prozent der 14-jährigen männlichen<br />

Schüler in deutschen Großstädten beschreiben, bei ihren gleichaltrigen Mitschülerinnen<br />

reichen dazu sogar nur vier Kategorien („Bekleidungsgewerbe“, „Handel <strong>und</strong> Büro“,<br />

„Hauswirtschaft“, „Friseuse“). Im Jahr 2004 entfielen in den Arbeitsagenturbezirken Duisburg<br />

<strong>und</strong> Wesel bei den männlichen <strong>Aus</strong>zubildenden auf die zehn häufigsten <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />

jeweils r<strong>und</strong> 40 Prozent aller <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse, bei den weiblichen <strong>Aus</strong>zubildenden<br />

waren es im Arbeitsagenturbezirk Duisburg gut 55 Prozent <strong>und</strong> im Arbeitsagenturbezirk Wesel<br />

sogar fast 68 Prozent (Stender in diesem Band, Tabelle 10). 19<br />

Inhaltlich fällt zunächst die besondere Beliebtheit kaufmännischer Berufe in allen sechs Teilpopulationen<br />

ins Auge. Eine Ursache für die hohen Anteile dieser Kategorie ist sicher ihre<br />

Breite, also die Tatsache, dass sie eine Vielzahl von Berufen umfasst. Dennoch ist die quantitative<br />

Dominanz dieser Berufsgruppe nur zum Teil ein Artefakt der Zusammenfassung,<br />

sondern spiegelt auch die Realität der Angebotsstruktur <strong>und</strong> des Berufswahlverhaltens wider.<br />

Im Arbeitsagenturbezirk Duisburg findet man im Jahre 2004 unter den zehn am stärksten<br />

von männlichen Jugendlichen besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufen fünf kaufmännische Berufe,<br />

die zusammen r<strong>und</strong> 16,5 Prozent der <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse dieser Gruppe ausmachen.<br />

Auch bei den weiblichen Jugendlichen findet man in Duisburg 5 kaufmännische Berufe unter<br />

den Top 10 der <strong>Aus</strong>bildungsberufe, die zusammen sogar 27,4 Prozent der <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse<br />

dieser Gruppe ausmachen. Im Arbeitsagenturbezirk Wesel sind unter den zehn am<br />

häufigsten von männlichen Jugendlichen gewählten <strong>Aus</strong>bildungen zwei kaufmännische Berufe<br />

(zusammen 7,2%), während es bei den weiblichen Jugendlichen fünf sind, die zusammen<br />

sogar 35,2 Prozent der <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse dieser Gruppe ausmachen (vgl. Stender<br />

in diesem Band, Tabelle 10). 20<br />

Die deutlichen quantitativen Unterschiede bei der Wahl eines kaufmännischen Berufes lenken<br />

den Blick auf die nach wie vor ungebrochene traditionelle Geschlechtsspezifik der Berufswahl.<br />

Schon bei Lazarsfeld (1931, 8) findet sich für den Bereich „Handel <strong>und</strong> Büro“ bei<br />

den Berufswünschen der männlichen Schüler ein Anteil von 12,7 Prozent, bei den weiblichen<br />

Schülern aber von 35,5 Prozent (vgl. auch: Mayer 1999). Auch heute noch streben die befragten<br />

Haupt-, Gesamt- <strong>und</strong> Realschülerinnen häufiger als ihre männlichen Mitschüler in<br />

19 Der Berufsbildungsbericht 2006 nennt für die B<strong>und</strong>esrepublik ähnliche Zahlen: 35,6 Prozent bei den männlichen<br />

<strong>und</strong> 54,1 Prozent bei den weiblichen <strong>Aus</strong>zubildenden konzentrieren 2004 sich auf nur jeweils 10 Berufe<br />

(BMBF 2006, Übersicht 2.2.7/7).<br />

20 Der Berufsbildungsbericht 2006 nennt unter den zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufen 2004 bei<br />

weiblichen <strong>Aus</strong>zubildenden vier kaufmännische Berufe (Büro, Einzelhandel, Industrie, Bürokommunikation),<br />

die zusammen 23,3 Prozent aller neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge mit weiblichen <strong>Aus</strong>zubildenden<br />

ausmachen, <strong>und</strong> bei den männlichen <strong>Aus</strong>zubildenden immerhin zwei (Einzelhandel sowie Groß- <strong>und</strong> Außenhandel<br />

mit zusammen 6,7% der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge mit männlichen <strong>Aus</strong>zubildenden).<br />

148


Berufe aus diesem Bereich, zu dem man die in den Top 10 der Berufswünsche auftauchenden<br />

Kategorien „Kaufmännische Berufe“, „Verkäufer/in“ <strong>und</strong> „Öffentl. Verwaltung“ in Tabelle<br />

17 zählen kann. 21 Daneben sind bei den Mädchen insbesondere soziale <strong>und</strong> medizinische<br />

Berufe gefragt, während bei den Jungen vor allem technisch <strong>und</strong>/oder handwerklich orientierte<br />

Berufe an der Spitze der Wunschliste stehen.<br />

Dies gilt grosso modo durchgängig für alle drei Schultypen, allerdings verändern sich die<br />

Anteile zwischen den Schulformen etwas. Bei den Realschülerinnen etwa schieben sich gegenüber<br />

den Hauptschülerinnen die anspruchsvolleren Assistentenberufe zu Lasten der Alten-<br />

<strong>und</strong> Krankenpflege nach oben, während bei den männlichen Realschülern der Bereich<br />

IT / Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik an Bedeutung gewinnt. Auffällig ist vor allem,<br />

wie stark bei den Realschülern <strong>und</strong> bei den Gesamtschülern akademische Berufe, also alle<br />

Berufe, die ein Studium voraussetzen, nachgefragt werden. Dies gilt für beide Geschlechter<br />

gleichermaßen, allerdings werden akademische Berufe von den Schülerinnen noch einmal<br />

deutlich häufiger als von ihren männlichen Mitschülern angestrebt. Beides – der generell im<br />

Vergleich zu den Hauptschülern relativ hohe Anteil von Berufswünschen, die eine akademische<br />

<strong>Aus</strong>bildung voraussetzen, bei Real- <strong>und</strong> Gesamtschülern, aber auch die im Vergleich<br />

zu den Jungen bei den Mädchen deutlich häufigere Neigung, einen akademischen Beruf<br />

anzustreben, korrespondiert erwartungsgemäß mit der Häufigkeit des Wunsches, im Anschluss<br />

an die augenblicklich besuchte Schule die gymnasiale Oberstufe zu besuchen (vgl.<br />

Tabelle 11).<br />

Auch bei den Berufswünschen zeigt sich also, dass unter den Schülerinnen die Gruppe mit<br />

höheren Aspirationen größer ist als unter den männlichen Schülern. Zugleich aber wird an<br />

dieser Stelle auch deutlich, dass die große Mehrheit der Mädchen sich bei der Berufswahl<br />

nach wie vor stark an traditionellen Mustern orientiert.<br />

4.4 Einschätzung der Chancen im Wunschberuf<br />

Alle Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die sich schon mit der Berufswahl beschäftigt <strong>und</strong> einen oder<br />

mehrere Wunschberufe genannt haben, wurden zu den von ihnen genannten Berufen gefragt,<br />

wie sie die eigenen Chancen einschätzen, in den jeweiligen Beruf zu kommen.<br />

21 Wie Hartung /Janik (2006) herausstellen, werden Frauen nach wie vor in den Berufen überdurchschnittlich<br />

häufig ausgebildet, in denen Frauen auch als Mitarbeiterinnen besonders häufig vertreten sind.<br />

149


Abbildung 3 Man kann ja auch einen Beruf erlernen wollen, bei dem man sich relativ wenige<br />

Chancen ausrechnet, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Wie schätzt du die<br />

Chancen bei deinen Berufswünschen ein?<br />

1. Beruf (n=1343)<br />

2. Beruf (n=1188)<br />

3. Beruf (n=863)<br />

4. Beruf (n=467)<br />

5. Beruf (n=250)<br />

6. Beruf (n=174)<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Prozent<br />

150<br />

Sehr Gut<br />

Gut<br />

Es geht so<br />

Schlecht<br />

Keine Chance<br />

Da bei der Frage nach den Wunschberufen explizit gebeten wurde, die wichtigsten zuerst zu<br />

nennen, spiegelt die <strong>Aus</strong>wertung die Hierarchie der Berufswünsche wieder. Je weiter unten<br />

ein Beruf in dieser subjektiven Hierarchie rangiert, umso eher werden auch die Chancen in<br />

dem jeweiligen Beruf schlecht oder sehr schlecht eingeschätzt. Dies belegt, dass die Berufswünsche<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sich durchaus realistisch an den Gelegenheitsstrukturen<br />

des <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktes orientieren. Wer mehrere Berufe in seine<br />

Überlegungen mit einbezogen hat, für den sind die Chancen, einen Einstieg in diesen Beruf<br />

zu finden, ein wichtiges Kriterium für dessen subjektive Platzierung <strong>und</strong> letztlich die Entscheidung.<br />

Die Mehrheit der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler betrachtet zum Zeitpunkt der Befragung die eigenen<br />

Chancen noch eher optimistisch: Knapp zwei Drittel der Schüler, die sich schon mit<br />

der Berufswahl intensiver beschäftigt haben <strong>und</strong> konkrete Berufe in die engere Wahl genommen<br />

haben, nennen wenigstens einen Beruf, bei dem sie sich gute oder sogar sehr gute<br />

Chancen ausrechnen. Aber diese Zahlen signalisieren zugleich, dass es auch eine starke<br />

Minderheit unter den Jugendlichen gibt, die eher skeptisch in die ihre Zukunft blickt. Die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die sich schon fest für einen bestimmten Beruf entschieden haben<br />

(n=742), wurden noch einmal gesondert gefragt, ob sie glauben, dass es schwierig werden<br />

wird, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in ihrem Wunschberuf zu bekommen. Die folgende Abbildung<br />

fasst die Ergebnisse einer nach Schulform, Region, Bildungsniveau der Eltern, Migrati-


onshintergr<strong>und</strong>, Geschlechtszugehörigkeit <strong>und</strong> Schulleistung differenzierten <strong>Aus</strong>wertung<br />

zusammen. Geordnet ist die Abbildung nach der Häufigkeit, in der keine Schwierigkeiten<br />

erwartet werden.<br />

Abbildung 4 Glaubst du, dass es schwierig wird, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in deinem<br />

Wunschberuf zu bekommen?<br />

Realschule (n=212)<br />

Eltern: Weiß nicht Schulabschluss (n=137)<br />

Eltern: (Fach-)Abitur (n=136)<br />

Kleve (n=169)<br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (n=532)<br />

Schüler (n=398)<br />

Notendurchschnitt 3 oder besser (n=357)<br />

Gesamt (n=742)<br />

Notendurchschnitt 3 schlechter 3 (n=328)<br />

Wesel (n=305)<br />

Duisburg (n=268)<br />

Eltern: Hauptschule / Mittlere Reife (n=403)<br />

Hauptschule (n=351)<br />

Gesamtschule (n=179)<br />

Schülerinnen (n=344)<br />

Mit Migrationshintergr<strong>und</strong> (n=202)<br />

Eltern: Anderer oder kein Abschluss (n=38)<br />

41<br />

20,8<br />

40,9<br />

19<br />

40,4<br />

23,5<br />

39,6<br />

24,3<br />

39,5<br />

22<br />

39,4 17,3<br />

36,1<br />

24,6<br />

35,6<br />

22,9<br />

35,1<br />

20,7<br />

34,4<br />

21<br />

34,3<br />

24,3<br />

33,7<br />

23,8<br />

33,6<br />

25,6<br />

33<br />

20,1<br />

31,1<br />

29,4<br />

27,5<br />

25,2<br />

23,7<br />

23,7<br />

151<br />

38,2<br />

40,1<br />

36<br />

36,1<br />

38,5<br />

43,3<br />

39,2<br />

41,5<br />

44,2<br />

44,6<br />

41,4<br />

42,4<br />

40,7<br />

46,9<br />

39,5<br />

49<br />

52,6<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Nein Weiß nicht Ja<br />

Der Antwortkategorie „Nein“ wurden auch die Antwortkategorien „“Ich habe bereits einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz“ <strong>und</strong> „Ich brauche<br />

keinen <strong>Aus</strong>bildungsplatz“ zugeordnet.<br />

Insgesamt glaubt nur ein gutes Drittel der Befragten (35,1%), die sich bereits für einen bestimmten<br />

Beruf entschieden haben („Gesamt“), dass sie keine Schwierigkeiten zu erwarten<br />

haben, eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle in diesem Beruf zu finden – zum Teil auch deshalb, weil sie<br />

eine schulische Berufsausbildung anstreben <strong>und</strong> daher keinen <strong>Aus</strong>bildungsplatz brauchen,<br />

oder aber weil sie schon einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz haben. Diese beiden quantitativ relativ unbedeutenden<br />

Antwortvorgaben wurden für die <strong>Aus</strong>wertung mit der der Kategorie „Nein“ zusammengefasst.<br />

Ein knappes Viertel (22,9 %) der Gesamtgruppe kann noch nicht sagen, ob<br />

es schwierig wird, eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle in dem angestrebten Wunschberuf zu bekommen.<br />

Für 41,5 Prozent der Befragten aber ist dies bereit sicher. Sie beurteilen die Chancen, in<br />

ihren Wunschberuf zu kommen, überaus skeptisch <strong>und</strong> erwarten Schwierigkeiten.<br />

Die differenzierte <strong>Aus</strong>wertung zeigt, dass es Gruppen gibt, die sich geringere Chancen ausrechnen<br />

als andere. Dazu gehören Kinder aus Familien mit geringem Bildungskapital<br />

(Höchster Schulabschluss eines Elternteils: Ein anderer oder kein Abschluss). <strong>Aus</strong> dieser<br />

Gruppe erwartet nur ein knappes Viertel (23,7%) keine Schwierigkeiten, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz<br />

im Wunschberuf zu bekommen. Das steht in einem starken Kontrast zu den Befragten,


ei denen mindestens ein Elternteil Fachabitur oder Abitur besitzt. Hier rechnen immerhin<br />

40,4 Prozent der Jugendlichen nicht mit Problemen. Die Tatsache, dass gerade die Gruppe,<br />

die nicht wenigstens den Schulabschluss eines Elternteils kennt <strong>und</strong> vermutlich aus einem<br />

eher bildungsfernen Elternhaus stammt, in dem die Schule kein Gesprächsthema ist, ähnlich<br />

optimistisch ist wie die Befragten, deren Eltern der höchsten Bildungsgruppe angehören,<br />

weist darauf hin, dass die Einschätzung der eigenen Chancen auch durch eine zu geringe<br />

Informationsbasis verzerrt sein könnte.<br />

Wenn die Jugendlichen angeben, dass ihre Eltern einen „anderen“ Schulabschluss erreicht<br />

haben, dann bedeutet dies in der Regel, dass es sich um einen im <strong>Aus</strong>land erworbenen Abschluss<br />

handelt. Diese Gruppe überschneidet sich daher zu einem großen Teil mit den Jugendlichen<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, von denen ebenfalls nur 27,5 Prozent keine Schwierigkeiten<br />

erwarten. Im Vergleich dazu liegt dieser Anteil bei den Jugendlichen ohne einen<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> deutlich höher bei 39,5 Prozent. Eine zusätzliche, hier nicht wiedergegebene<br />

Analyse, bei der der Migrationshintergr<strong>und</strong> wie in früheren Analysen weiter differenziert<br />

wurde (vgl. Tabelle 3), zeigt, dass es hierbei keine signifikanten Unterschiede zwischen<br />

den verschiedenen Gruppen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> gibt. Dies deutet darauf hin, dass sich<br />

die Jugendlichen allein aufgr<strong>und</strong> ihrer ausländischen Herkunft Nachteile ausrechnen <strong>und</strong><br />

weniger, weil sie möglicherweise sprachliche Defizite aufweisen.<br />

Der Vergleich zwischen den Geschlechtern weist nicht auf notwendigerweise darauf hin,<br />

dass die Mädchen eine geschlechtsspezifische Diskriminierung erwarten. Zwar gehen nur<br />

31,1 Prozent der Schülerinnen gegenüber 39,4 Prozent der Schüler von keinen Schwierigkeiten<br />

bei der Suche nach einem <strong>Aus</strong>bildungsplatz im Wunschberuf aus, aber umgekehrt<br />

geben 43,3 Prozent der Jungen verglichen mit 39,5 Prozent der Mädchen an, mit Schwierigkeiten<br />

zu rechnen. Dieser gegenläufige Zusammenhang erklärt sich aus der Tatsache, dass<br />

sehr viele Schülerinnen (29,4%) zu dieser Frage noch keine <strong>Aus</strong>sage machen können, während<br />

dieser Anteil bei ihren männlichen Mitschülern um r<strong>und</strong> 12 Prozentpunkte niedriger bei<br />

17,3 Prozent liegt. Die Daten zeigen aber zumindest, dass sich die Mädchen offensichtlich<br />

wesentlich unsicherer darin fühlen, wie sie der <strong>Aus</strong>bildungsmarkt aufnimmt.<br />

Schwächer Unterschiede bestehen auch zwischen den drei Schulformen. Die Jugendlichen,<br />

die eine Realschule besuchen, sind überzeugt, bessere Chancen auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle<br />

in ihrem Wunschberuf zu haben als Absolventen von Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen. Unter den<br />

Realschülern rechnen 41,0 Prozent (gegenüber 33,0% der Gesamtschüler/innen <strong>und</strong> 33,6%<br />

der Hauptschüler/innen) nicht mit Schwierigkeiten. Auffällig ist darüber hinaus die Differenz<br />

von r<strong>und</strong> fünf Prozentpunkten zwischen den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern des Kreises Kleve<br />

<strong>und</strong> denen aus dem Kreis Wesel bzw. aus der Stadt Duisburg. Die Jugendlichen, die im<br />

Kreis Kleve die Schule abschließen <strong>und</strong> einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz suchen, erwarten seltener<br />

Schwierigkeiten als dies im Kreis Wesel oder in Duisburg der Fall ist.<br />

152


Um zu überprüfen, inwieweit die beschriebenen Zusammenhänge in einem multivariaten<br />

Modell Bestand haben, wurde eine hier nicht tabellarisch dokumentierte logistische Regression<br />

der Dichotomie „Nein, erwarte keine Schwierigkeiten“ (1) vs. einer Zusammenfassung<br />

der Kategorien „Weiß nicht“ <strong>und</strong> „Ja“ (0) gerechnet. Dabei wurden alle oben diskutierten Einflussfaktoren<br />

sowie die Zahl der genutzten Informationsquellen <strong>und</strong> der Erhebungszeitpunkt<br />

als unabhängige Variablen berücksichtigt. Die gesamte Gleichung erreicht nur knapp das<br />

5%-Signifikanzniveau, Nagelkerkes R² liegt bei ,062. Die Erklärungskraft der beteiligten Variablen<br />

ist gering, was darauf hinweist, dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler quer durch alle<br />

Subgruppen ihre Chancen auf einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in ihrem Wunschberuf eher schlecht<br />

einschätzen. Der einzige signifikante Effekt des Modells ist für den Migrationshintergr<strong>und</strong> zu<br />

berichten: Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> schätzen in einer allgemein<br />

schwierigen <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation ihre Chancen, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in ihrem<br />

Wunschberuf zu bekommen, noch einmal signifikant schlechter ein als die deutschen Jugendlichen.<br />

Da hier die Schulleistungen durch die Schulform <strong>und</strong> die Durchschnittsnote kontrolliert<br />

werden, liegt der Schluss nahe, dass diese Jugendlichen überzeugt sind, dass sie<br />

wegen ihrer Herkunft schlechtere Chancen haben. Auf der Basis der hier vorliegenden Daten<br />

kann die empirische Basis dieser Überzeugung nicht diskutiert werden, aber gleichgültig ob<br />

aktive Diskriminierung seitens des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes vorliegt oder nicht, das Bewusstsein<br />

relativer Deprivation birgt großes Konfliktpotential <strong>und</strong> steht dem Bemühen um soziale Integration<br />

der Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> diametral entgegen.<br />

4.5 Berufswahl im Zeitverlauf<br />

Insgesamt haben sich r<strong>und</strong> 94 Prozent der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler schon „intensiver<br />

mit der Wahl eines Berufs beschäftigt“. Zu Beginn der Feldphase, am Ende des 9.<br />

<strong>und</strong> im ersten Monat des 10. Schuljahres, lagen die Zahlen noch etwas niedriger (bei r<strong>und</strong><br />

88 Prozent) <strong>und</strong> stiegen ab Oktober deutlich an, was darauf hinweist, dass zu Beginn des 10<br />

Schuljahres, wenn nach den Sommerferien der Unterrichtsalltag eingekehrt ist, das Thema<br />

noch einmal an Bedeutung gewinnt – sowohl im schulischen Curriculum als auch für die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, bei denen sich die bald anstehende Entscheidung für die Zeit<br />

nach dem Abschluss der 10. Klasse mit Nachdruck in den Vordergr<strong>und</strong> schiebt. Aber die<br />

Zunahme der Beschäftigung mit dem Thema führt nicht zu mehr Entscheidungssicherheit:<br />

Zwar haben sich insgesamt r<strong>und</strong> 52 Prozent aller Befragten bereits „fest für einen Beruf entschieden“,<br />

aber die Entwicklung ist hier weniger eindeutig, wenn nicht sogar gegenläufig.<br />

153


Abbildung 5 Berufswahl im Zeitverlauf<br />

Anteil<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

Mit Berufswahl schon intensiver beschäftigt?<br />

Schon fest für einen Beruf entschieden?<br />

Juni Sept. Okt. Nov. Dez.<br />

Erhebungsmonat<br />

Über die Ursachen können hier nur erste Vermutungen geäußert werden, die zusätzlicher<br />

vertiefender Analysen bedürfen: Zum einen werden die Bedeutung der anstehenden Entscheidung<br />

für einen Beruf <strong>und</strong> ihr Einfluss auf den weiteren Lebensverlauf sowie ihre Risiken<br />

zunehmend bewusster wahrgenommen. Zum anderen aber dürften auch die wirtschaftlichen<br />

Gelegenheitsstrukturen einer überaus schwierigen Situation am <strong>Aus</strong>bildungsmarkt, die die<br />

individuellen Entscheidungsräume begrenzen <strong>und</strong> mögliche Berufswünsche als illusorisch<br />

erscheinen lassen, nun stärker reflektiert werden. Genauer zu untersuchen wird aber auch<br />

die Frage sein, inwieweit die beschriebenen Differenzen zwischen den einzelnen Erhebungszeitpunkten<br />

auf unterschiedliche Ansätze <strong>und</strong> Bemühungen der einzelnen Schulen bei<br />

der schulischen Berufsorientierung zurückzuführen sind.<br />

Tabelle 18 Wann hast du dich für diesen Beruf entschieden?*<br />

Gesamt<br />

154<br />

Geschlecht<br />

Männlich Weiblich<br />

Das war schon immer mein Traumberuf 28,9% 31,1% 26,3%<br />

Vor mehr als einem Jahr 31,3% 34,6% 27,3%<br />

Im Verlauf des letzten Jahres 23,5% 22,3% 25,1%<br />

Im Verlauf des letzten halben Jahres 11,2% 8,3% 14,6%<br />

In den letzten Wochen 5,1% 3,8% 6,7%<br />

N 688 373 315<br />

* Nur an Befragte, die angegeben haben, sich schon für einen Beruf entschieden zu haben. Zur Standardisierung des zeitlichen<br />

Bezugs wurden nur die im Verlauf des ersten Halbjahres des 10. Schuljahres befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler berücksichtigt.


Allerdings ist der Anteil der Befragten, der sich erst in den letzten Wochen vor der Befragung<br />

für einen Beruf entschieden hat, relativ gering. Tabelle 18 belegt, dass nur bei etwa 5 Prozent<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die im Verlauf des ersten Halbjahres des 10. Schuljahres<br />

angegeben haben, sich schon für einen Beruf entschieden zu haben, die Entscheidung erst<br />

in den letzten Wochen vor der Befragung gefallen ist. Bei weiteren 11 Prozent ist diese Entscheidung<br />

im Verlauf des letzten halben Jahres gefallen. Dagegen geben über 60 Prozent<br />

der Befragten an, dass ihre Entscheidung schon vor mehr als einem Jahr gefallen ist oder<br />

dass der genannte Beruf schon immer ihr Traumberuf war. Allerdings sind relativ deutliche<br />

Geschlechtseffekte zu beobachten: Bei den männlichen Befragten steht der Berufswunsch<br />

wesentlich häufiger schon sehr früh - d.h. seit mehr als einem Jahr – fest, während sich ihre<br />

Mitschülerinnen häufiger erst später entscheiden. Ob die Mädchen in geringerem <strong>Aus</strong>maß<br />

auf tradierte Berufswahlmuster zurückgreifen können <strong>und</strong> sie deshalb in größerem Umfang<br />

ihre Wahl von Informationen, die ihnen im Prozess der Berufsorientierung vermittelt werden,<br />

abhängig machen, oder ob sich auch hier wiederum eine höhere Flexibilität der Mädchen<br />

(vgl. auch die Tabellen 15 <strong>und</strong> 16) bemerkbar macht, kann an dieser Stelle ohne weitere<br />

Analysen nicht entschieden werden. 22<br />

5 Informationsquellen im Berufswahlprozess<br />

Im Rahmen der Befragung wurden die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler gebeten, anhand mehrer<br />

Listen mit möglichen Informationsquellen zum Berufswahlprozess (u.a. mit Personen aus<br />

dem persönlichen Umfeld, Angeboten der Schule, Angeboten der Arbeitsagentur), die durch<br />

die Möglichkeit von offenen Antworten zusätzlich von den Befragten ergänzt werden konnten,<br />

anzugeben, welche Informationsquellen sie kennen <strong>und</strong> genutzt haben, <strong>und</strong> inwieweit<br />

diese im Rahmen des Orientierungsprozesses für sie hilfreich waren. 23 Zunächst soll untersucht<br />

werden, welche Bedeutung die verschiedenen Informationsquellen für die Berufswahl<br />

haben (Abschnitt 5.1). Im zweiten Schritt wird dann die Breite der genutzten Informationsquellen<br />

untersucht. Dazu wird ein einfacher quantitativer Indikator berechnet, bei dem die<br />

Anzahl der bereits genutzten Informationsquellen aufaddiert wurde. Im Rahmen von bi- <strong>und</strong><br />

multivariaten Analysen sollen Zusammenhänge zwischen individuellen <strong>und</strong> strukturellen<br />

Merkmalen <strong>und</strong> der Anzahl der genannten Informationsquellen untersucht <strong>und</strong> diskutiert<br />

werden.<br />

22 Auf eine Darstellung der nach Schulform, Region, Bildungsniveau des Elternhaus <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

differenzierten <strong>Aus</strong>wertungen wird hier verzichtet, da sie keine berichtenswerten Zusammenhänge aufweisen.<br />

23 Die offenen Angaben konnten in der Mehrzahl der Fälle nachträglich spezifischen Antwortvorgaben zugeordnet<br />

werden. Danach verblieb eine überaus heterogene Residualkategorie. Wegen ihres geringen Umfanges<br />

(r<strong>und</strong> 8 Prozent) in Verbindung mit ihrer Heterogenität wird diese Kategorie hier nicht berücksichtigt.<br />

155


5.1 Zur Bedeutung der unterschiedlichen Informationsquellen<br />

Tabelle 19 enthält in Spalte (I) den Anteil der Befragten, der angibt, die jeweilige Informationsquelle<br />

bereits genutzt zu haben. Wurde angegeben, eine Informationsquelle genutzt zu<br />

haben, dann erfolgte jeweils eine Nachfrage, ob diese Informationen bisher bei der Berufswahl<br />

(1) gar nicht, (2) sehr wenig, (3) etwas oder (4) sehr geholfen haben. Spalte (II) der<br />

Tabelle gibt die durchschnittliche Bewertung durch die Nutzer wieder. In Spalte (III) werden<br />

die Befragten, die auf die Nachfrage „sehr geholfen“ geantwortet haben, auf alle Befragten<br />

prozentuiert. Die Zahlen in Klammern hinter den jeweiligen Werten geben die Rangplätze an.<br />

Durch die Kombination der Häufigkeit der Nutzung <strong>und</strong> der Bewertung der Informationsquelle<br />

wird deutlich, welche tatsächliche Bedeutung einer spezifischen Informationsquelle für den<br />

Berufswahlprozess der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zukommt.<br />

156


Tabelle 19 Nutzung von Informationsquellen im Berufswahlprozess <strong>und</strong> deren subjektive<br />

Bewertung durch die Befragten (geordnet nach der Nutzungshäufigkeit)<br />

157<br />

(I)<br />

Genutzt<br />

von…<br />

(%)*<br />

(II)<br />

Bewertung<br />

durch die<br />

Nutzer**<br />

(Mittelwert)<br />

(III)<br />

Anteil „sehr<br />

geholfen“<br />

(Basis: Alle<br />

Befragten)***<br />

1 Praktikum 96,0 3,60 (1) 70,0 (1)<br />

2 Berufsinformationszentrum (BIZ) 85,6 2,85 (10) 22,2 (4)<br />

3 Mutter 66,9 3,46 (2) 36,7 (2)<br />

4 BERUF AKTUELL (Buch) 63,8 2,82 (11) 16,2 (6)<br />

5 Vater 62,7 3,45 (3) 34,0 (3)<br />

6 Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte 62,4 3,15 (5) 21,7 (5)<br />

7 Zeitschriften / Zeitungen 60,0 2,56 9,1 (15)<br />

8 BERUFEnet (Internet) 53,2 2,63 10,7 (12)<br />

9 MACH’S RICHTIG (Heft) 53,2 2,46 6,9<br />

10 Berufsberatung 52,7 3,02 (7) 18,0 (7)<br />

11 Betriebsbesichtigungen /-erk<strong>und</strong>ungen 52,5 2,92 (9) 17,3 (8)<br />

12 Berufsk<strong>und</strong>licher Unterricht, Arbeitslehre 51,5 2,67 9,9 (14)<br />

13 Bücher 51,2 2,58 8,3<br />

14 Verwandte 50,0 3,06 (6) 15,1 (9)<br />

15 Broschüren / Flyer 45,0 2,62 8,4<br />

16 Persönliches Gespräch mit Lehrern 44,1 2,98 (8) 13,8 (10)<br />

17 Radio <strong>und</strong> Fernsehen 38,8 2,61 7,1<br />

18 Informationsveranst. d. berufsbild. Schulen 36,2 2,82 (11) 10,0 (13)<br />

19 Geschwister 30,8 3,30 (4) 13,5 (11)<br />

20 WAS WERDEN? (Heft) 29,9 2,41 3,8<br />

21 Berufsmärkte 27,2 2,76 (15) 5,9<br />

22 MACH’S RICHTIG (Internet) 24,4 2,52 4,0<br />

23 Berufsk<strong>und</strong>liche Schriften 15,3 2,42 2,4<br />

24 <strong>Aus</strong>bildungsbörsen 14,7 2,81 (13) 3,3<br />

25 WAS WERDEN? (Internet) 14,6 2,46 2,2<br />

26 Kammern (z.B. IHK, Handwerkskammer) 11,4 2,76 (15) 2,0<br />

27 GIRL’S DAY (Veranstaltung) 9,6 2,77 (14) 2,5<br />

28 Assessmentcenter zur Berufswahl 7,7 2,53 1,4<br />

29 GIRL’S DAY (Internet) 3,4 2,38 0,4<br />

n=1427 n=1434<br />

*Basis der Prozentuierung: Alle Befragten, die mindestens eine Informationsquelle genannt haben (n=1427).<br />

** Frageformulierung <strong>und</strong> Antwortvorgaben: Wie sehr konnten Dir die unterschiedlichen Informationsquellen bei<br />

der Berufswahl helfen? 1 „Gar nicht geholfen“, 2 „Sehr wenig“, 3 „Etwas“, 4 „Sehr geholfen“. Die Antwortvorgabe<br />

„Das kann ich nicht sagen“ wurde aus den Berechnungen ausgeschlossen.<br />

***Basis der Prozentuierung: Alle Befragten (n=1434)<br />

Die Werte in Klammern in den Spalten II <strong>und</strong> III geben den jeweiligen Rangplatz wieder.


Die in den Curricula der Schulen verankerten Betriebspraktika sind nicht nur die am häufigsten<br />

genutzten Informationsquellen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Prozess der Berufswahl<br />

– 96 Prozent der Befragten haben ein Praktikum absolviert (Spalte I), sondern sie werden<br />

auch am höchsten bewertet (Spalte II: MW=3,60). Insgesamt geben 70 Prozent aller Befragten<br />

an, dass ihnen das Praktikum bei der Berufswahl sehr geholfen habe (Spalte III). Damit<br />

hat das Praktikum unter den hier genannten Informationsquellen die mit Abstand größte Bedeutung<br />

für den Berufswahlprozess. Diese Zahlen entsprechen denen des DJI-<br />

Übergangspanels, das in einer Längsschnittuntersuchung Hauptschüler/innen auf ihrem Weg<br />

in den Beruf begleitet: R<strong>und</strong> 97 Prozent der Befragten Schülerinnen haben ein Praktikum<br />

absolviert <strong>und</strong> drei Viertel von ihnen bewerten sie als wichtige Entscheidungshilfe für die<br />

berufliche Zukunft (Hofmann-Lun u.a. 2005, 18). 24 Wie das Praktikum ist auch ein Besuch<br />

im Berufsinformationszentrum der Arbeitsagentur (BIZ) für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

obligatorisch. Über 85 Prozent der Befragten haben diesen Besuch absolviert. Damit ist das<br />

BIZ zwar die am zweithäufigsten genannte Informationsquelle, aber sein Nutzen für den Berufswahlprozess<br />

wird von den Nutzern deutlich geringer als der eines Praktikums eingeschätzt<br />

(MW=2,85, Rang 10).<br />

Bei fast alle Informationsquellen, die hinsichtlich ihres Nutzens subjektiv höher als das BIZ<br />

eingeschätzt werden, steht das persönliche Gespräch im Vordergr<strong>und</strong>. Ganz vorne stehen<br />

dabei die Gespräche mit den Eltern (Rang 2 <strong>und</strong> 3), aber auch mit den Geschwistern (4) <strong>und</strong><br />

mit Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekannten (5) sowie weiter entfernten Verwandten (6). Auch die Berufsberatung<br />

(7) <strong>und</strong> das persönliche Gespräch mit Lehrern (8) zählen zu dieser Gruppe. Offensichtlich<br />

schätzen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den Nutzen einer Informationsquelle besonders<br />

hoch ein, wenn die Informationen, die sie erhalten, auf sie persönlich als Individuum<br />

bezogen sind. Darauf weist nicht nur die gegenüber spezifische Informationsmedien, wie<br />

dem Buch BERUF AKTUELL, dem Internetangebot BERUFEnet oder dem Heft MACH’S RICHTIG,<br />

deutlich höhere Bewertung persönlicher Gespräche hin, sondern auch die interne Abstufung<br />

der Nutzeneinschätzungen nach der persönlichen Nähe zwischen den Beteiligten. Je größer<br />

die Nähe, desto eher vertrauen die Ratsuchenden offenbar darauf, dass sie Informationen<br />

erhalten, die ganz auf ihre individuelle Person <strong>und</strong> ihre spezifische Situation abgestimmt<br />

sind. 25 Zugleich erlaubt das persönliche Gespräch den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die eige-<br />

24 Auch wenn das berufsk<strong>und</strong>liche Praktikum in der Studie Berufswahl in Hamburg (Arbeitskreis EINSTIEG /<br />

psychonomics 2006, Teil A) nur den dritten Rang (hinter den Eltern <strong>und</strong> dem schulischen Unterricht) der am<br />

häufigsten genutzten Informationsquellen darstellt, so bestätigt auch diese Befragung die besondere Bedeutung<br />

von Praktika im Prozess der Berufsfindung. Die Differenzen zwischen beiden Untersuchungen dürften auf<br />

die unterschiedlichen Gr<strong>und</strong>gesamtheiten der befragten Stichproben zurückzuführen sein. So werden in der<br />

Hamburger Studie auch Gymnasiasten der Jahrgangsstufe 12 befragt <strong>und</strong> explizit Wert darauf gelegt, die gesamte<br />

Schülerschaft der Vorabgangsklassen der allgemein bildenden Schulen u.a. auch die durch Schichtung<br />

nach drei sozialen Schichten anhand von Kaufkraft-Indizes einzelner Stadtteile abzubilden, während bei der<br />

hier vorgelegten Untersuchung stärker benachteiligte Jugendliche im Fokus des Interesses stehen.<br />

25 In eine solche Rangfolge fügt sich auch das Betriebspraktikum, das an der Spitze der Bewertungen steht, weil<br />

es dem Individuum Primärerfahrungen aus dem Berufsleben liefert.<br />

158


nen Wünsche <strong>und</strong> Vorstellungen in einem interaktiven Prozess mit einer Vertrauensperson<br />

überhaupt erst hinreichend zu konkretisieren, um sich dann gezielter Informationen beschaffen<br />

zu können. Ein wichtiges Element der Bewertung eines Informationsangebotes ist das<br />

Vertrauen, dass der Informationsquelle <strong>und</strong> damit den Informationen entgegengebracht wird.<br />

Vertrauen hilft den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, in Gesprächen mit Personen, die sie <strong>und</strong> ihre<br />

persönliche Situation einschätzen können, realistische Ziele zu bestimmen <strong>und</strong> angesichts<br />

der kaum überschaubaren Menge an Informationen, die Transaktionskosten individueller<br />

Informationssuche zu senken.<br />

Kritisch ist dabei allerdings zu sehen, dass persönliche Nähe zwar die Kenntnis der Person<br />

sichert <strong>und</strong> insofern Vertrauen in die Bewertung der Informationen gerechtfertigt erscheint,<br />

aber der Bereich besonderer Kenntnisse der schulischen <strong>und</strong> beruflichen Gelegenheitsstrukturen<br />

sowie des <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktes dabei zunächst einmal ausblendet bleibt.<br />

Kenntnisse in diesen Bereichen sind aber gr<strong>und</strong>sätzlich unabhängig davon, ob eine persönliche<br />

Beziehung zwischen den Informationssuchenden <strong>und</strong> der Informationsquelle besteht.<br />

Wahrscheinlicher als bei persönlich nahe stehenden Menschen sind sie jedenfalls in Kontexten<br />

professioneller Beratung zu finden, so wie sie das BIZ <strong>und</strong> die Berufsberatung des Arbeitsamtes<br />

bietet. Diese wurde zum Zeitpunkt der Befragung von gut der Hälfte der befragten<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern (52,7%) genutzt, aber sie wird von ihnen in deutlich geringerem<br />

Maße als die eigene Familie oder auch nur Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte als eine Hilfe bei der<br />

Berufswahl wahrgenommen. Insgesamt geben nur 18 Prozent aller befragten Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler an, dass ihnen die Berufsberatung bei der Berufswahl „sehr geholfen“ habe.<br />

Betriebsbesichtigungen <strong>und</strong> -erk<strong>und</strong>ungen werden im Rahmen der schulischen Berufsvorbereitung<br />

durchgeführt. Sie sollen Einblicke in das Arbeitsleben <strong>und</strong> in betriebliche Zusammenhänge<br />

vermitteln. Der Nutzen für die Berufswahl dieser eher punktuellen Einblicke in spezifische<br />

Betriebe <strong>und</strong> Berufe wird von den Befragten noch etwas höher als der des BIZ mit seinem<br />

umfangreichen Informationsangebot eingeschätzt. Als eine Ursache dafür kann man<br />

vermuten, dass Betriebsbesichtigungen, ähnlich wie ein Betriebspraktikum, Primärerfahrungen<br />

über das Berufsleben, über bestimmte berufliche Tätigkeitsbereiche <strong>und</strong> konkrete Betriebe<br />

vermitteln, während das BIZ zwar eine Fülle von abstrakten Informationen zur Berufswahl<br />

vorhält, aus denen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aber aktiv ihre konkrete <strong>Aus</strong>wahl treffen<br />

müssen.<br />

Generell scheint zu gelten, dass Primärerfahrungen, so wie sie ein Betriebspraktikum, aber<br />

teilweise auch schon Betriebserk<strong>und</strong>ungen <strong>und</strong> –besichtigungen zu bieten vermögen, <strong>und</strong><br />

vor allem Beratungsgespräche, die gezielt auf die eigene Person mit ihren Eigenschaften,<br />

Vorstellungen <strong>und</strong> Möglichkeiten eingehen, für die Berufswahl der Jugendlichen eine wesentlich<br />

höhere Bedeutung haben, als alle medialen Informationsangebote von Broschüren<br />

über Bücher bis hin zu Internetangeboten. So werden beispielsweise auch Veranstaltungen,<br />

159


wie die <strong>Aus</strong>bildungsbörsen, Berufsmärkte oder Informationsveranstaltungen der berufsbildenden<br />

Schulen, die Möglichkeiten bieten, in interaktiven Gesprächssituationen die eigenen<br />

Interessen zu erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Informationen zu sammeln, deutlich besser bewertet werden als<br />

die zur Verfügung gestellten Informationsmedien. 26 Einen zusätzlichen Beleg für diese These<br />

stellt der Vergleich zwischen dem GIRL’S DAY als Veranstaltung <strong>und</strong> dem ihn begleitende<br />

Internetangebot dar. Auch hier wird die Veranstaltung (2,77) deutlich besser bewertet als das<br />

Internetangebot (2,38). Zum Zeitpunkt der Befragung haben diese <strong>und</strong> andere Veranstaltungen<br />

allerdings noch eine verhältnismäßig geringe Bedeutung, denn nur eine Minderheit der<br />

befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler hat bis dahin an einer Informationsveranstaltungen der<br />

berufsbildenden Schulen (36,2%), an Berufsmärkten (27,2%) <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsbörsen<br />

(14,7%) oder dem GIRL’S DAY (9,6%) teilgenommen.<br />

Hinzuweisen ist noch auf den verhältnismäßig geringen Wert (2,67), den die befragten Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler dem berufsk<strong>und</strong>lichen Unterricht in der Schule bzw. dem Fach Arbeitslehre<br />

für den eigenen Berufswahlprozess zumessen. Allerdings wird diese Zahl dadurch,<br />

dass viele der höher bewerteten Informationsquellen im Rahmen der schulischen Berufsorientierung<br />

angeboten werden, wieder etwas relativiert, so dass die Bewertung sich wohl nur<br />

auf die reine Unterrichtssituation bezieht. Diese Einschätzung allerdings steht in einem korrelativen<br />

Zusammenhang mit der allgemeinen Einschätzung von Schule: Es besteht ein signifikanter<br />

Zusammenhang (Gamma=0,25) zwischen der auf einer fünfstufigen Skala erhobenen<br />

Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sage „Ich gehe gerne zur Schule“ <strong>und</strong> der Bewertung des Faches<br />

Arbeitslehre bzw. des berufsk<strong>und</strong>lichen Unterrichts. Schüler, die generell weniger gerne zur<br />

Schule gehen, bewerten auch das Fach Arbeitslehre bzw. den berufsk<strong>und</strong>lichen Unterricht<br />

eher schlechter. Die relativ geringe Höhe des Koeffizienten belegt allerdings zugleich, dass<br />

beides häufig unabhängig voneinander variiert <strong>und</strong> beispielsweise auch Schüler/innen, die<br />

ansonsten gerne zur Schule gehen, den Wert des berufsk<strong>und</strong>lichen Unterrichts für ihre Berufswahl<br />

eher gering einschätzen.<br />

5.2 Anzahl der genutzten Informationsquellen<br />

Insgesamt wurden von den einzelnen Befragten bis zu 28 verschiedene bei der Berufswahl<br />

genutzte Informationsquellen benannt. Die große Mehrheit von 98,2 Prozent der n=1434<br />

Befragten nennt allerdings nicht mehr als 20 Informationsquellen, die durchschnittliche Zahl<br />

der Nennungen liegt bei 11,68 <strong>und</strong> die Standardabweichung bei 4,20. Eine nach dem Erhebungsmonat<br />

differenzierte <strong>Aus</strong>wertung (Abbildung 6, Zeile 1) unterstreicht noch einmal den<br />

Prozesscharakter der Berufswahl (vgl. Abschnitt 4.4): In den beiden ersten Erhebungsmona-<br />

26<br />

Lediglich die Schrift „Beruf Aktuell“, die knapp zwei Drittel der Befragten genutzt haben, wird ähnlich positiv<br />

bewertet wie die genannten Veranstaltungen.<br />

160


ten, dem letzten des alten <strong>und</strong> dem ersten Monat des neuen Schuljahres, liegt die Zahl der<br />

genutzten Informationsquellen noch deutlich niedriger als in den folgenden Monaten, wenn<br />

das Problem der Berufswahl immer drängender wird, <strong>und</strong> erreicht im Dezember, dem letzten<br />

Erhebungsmonat, den höchsten Wert.<br />

Signifikante Unterschiede bei der Zahl der durchschnittlich von den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />

genutzten Informationsquellen lassen sich auch zwischen den drei Schulformen (Abbildung<br />

6, Zeile 2) beobachten. So nutzten Realschüler (12,38) im Schnitt gut eine Informationsquelle<br />

mehr als Hauptschüler (11,16), während die durchschnittliche Informationsnutzung<br />

der Gesamtschüler zwischen beiden Gruppen liegt. Wesentlich stärker noch als zwischen<br />

den Schulformen variiert die Zahl der durchschnittlich genutzten Informationsquellen allerdings<br />

zwischen den einzelnen Schulen (Abbildung 6, Zeile 3). 27 Das neben den Abbildungen<br />

ausgewiesene Maß Eta für den Zusammenhang zwischen den jeweiligen unabhängigen Variablen<br />

<strong>und</strong> der Zahl der genutzten Informationsquellen erreicht bei den Schulformen einen<br />

Wert von Eta = ,124, bei den einzelnen Schulen ist dieser Wert beinahe doppelt so hoch (Eta<br />

= ,237). In einigen der Schulen nutzen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Schnitt weniger als<br />

10 Informationsquellen, in anderen dagegen mehr als 13. Es ist zu vermuten, dass diese<br />

relativ großen Differenzen zwischen den einzelnen Schulen nicht nur auf den Zeitpunkt der<br />

Erhebung <strong>und</strong> Unterschiede in der Schülerschaft, sondern auch auf Differenzen im Umfang<br />

<strong>und</strong> in der Qualität der schulischen Berufsvorbereitung zurückzuführen sind. Dieser Frage<br />

wird in einem der folgenden Kapitel aus der Perspektive der Schüler auf ihre Schule noch<br />

eingehender untersucht.<br />

27 Aufgr<strong>und</strong> der zugesagten Anonymität werden die Schulen hier nicht namentlich genannt.<br />

161


Abbildung 6 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Erhebungsmonat, Schulform,<br />

besuchter Schule <strong>und</strong> regionaler Herkunft: Mittelwerte<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

14<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

13<br />

12<br />

9<br />

11<br />

10<br />

9<br />

1<br />

2<br />

Erhebungsmonat<br />

Juni Sept. Okt. Nov. Dez.<br />

Schulform<br />

Hauptschule Realschule Gesamtschule<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

Schule<br />

11 13 15 17 19 21 23<br />

10 12 14 16 18 20 22<br />

Regionale Herkunft<br />

Duisburg Kreis Kleve Kreis Wesel<br />

162<br />

Juni<br />

Sept.<br />

Okt.<br />

Nov.<br />

Dez.<br />

MW<br />

10,72<br />

10,46<br />

12,08<br />

11,81<br />

12,29<br />

Eta: ,145<br />

Signifikanz F: ,000<br />

Hauptschule<br />

Realschule<br />

Gesamtschule<br />

MW<br />

11,16<br />

12,38<br />

11,79<br />

Eta: ,124<br />

Signifikanz F: ,000<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,21 78<br />

4,12 213<br />

4,11 355<br />

4,18 583<br />

4,24 205<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,24 649<br />

3,79 427<br />

4,47 358<br />

MW zwischen 9,70 <strong>und</strong> 13,32<br />

Standardabweichung zwischen<br />

3,20 <strong>und</strong> 4,89<br />

n zwischen 12 <strong>und</strong> 166<br />

Eta: ,237<br />

Signifikanz F: ,000<br />

Duisburg<br />

Kr. Kleve<br />

Kr. Wesel<br />

MW<br />

11,30<br />

11,35<br />

12,23<br />

Eta: ,106<br />

Signifikanz F: ,000<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,26 546<br />

4,18 307<br />

4,11 581<br />

Die durchgezogene Linie markiert in den Grafiken die durchschnittlich genutzte Anzahl von Informationsquellen<br />

(11,68).


Zur Überprüfung der Frage, ob die Informationsbeschaffung in den Landkreisen Kleve <strong>und</strong><br />

Wesel schwieriger ist, als in der Großstadt Duisburg mit ihrem räumlich verdichtetem Informationsangebot,<br />

wurde die Zahl der genutzten Informationsquellen differenziert für die drei<br />

Regionen betrachtet (Abbildung 6, Zeile 4). Das Ergebnis überrascht, denn während zwischen<br />

der Stadt Duisburg <strong>und</strong> dem ländlich strukturierten Flächenkreis Kleve keinerlei Unterschiede<br />

der Zahl der durchschnittlich von den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern genutzten Informationsquellen<br />

zu berichten sind, liegt diese Zahl im Kreis Wesel signifikant höher. Möglicherweise<br />

ist dieser Effekt auf Besonderheiten der Schulen, die im Kreis Wesel teilgenommen<br />

haben, zurückzuführen. Ob der Zusammenhang bestehen bleibt, wenn der Erhebungszeitpunkt,<br />

die Schulform <strong>und</strong> spezifische Merkmale der Schüler kontrolliert werden, kann erst die<br />

multivariate Analyse erweisen.<br />

Abbildung 7 gibt die Anzahl der genutzten Informationsquellen differenziert nach individuellen<br />

Hintergr<strong>und</strong>merkmalen, wie dem Geschlecht, der Familienstruktur, dem höchstem Schulabschluss<br />

der Eltern <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong> wieder. Im Vergleich zu ihren männlichen<br />

Mitschülern haben die Schülerinnen nicht nur die höheren Bildungsaspirationen <strong>und</strong><br />

weisen eine größere Flexibilität bei der Berufswahl auf, sondern sie nutzen auch mehr Informationsquellen<br />

(12,30 gegenüber 11,19) um ihre beruflichen Ziele <strong>und</strong> Möglichkeiten genauer<br />

zu bestimmen (Abbildung 7, Zeile 1).<br />

Wer nicht mit Vater <strong>und</strong> Mutter (bzw. einem anderen männlichen oder weiblichen Erziehungsberechtigten)<br />

zusammenlebt, dem stehen möglicherweise nicht alle der vorgegebenen<br />

Informationsquellen (vgl. Tabelle 19) zur Verfügung. 28 Wie die zweite Grafik in der ersten<br />

Zeile von Abbildung 7 belegt, werden tatsächlich von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die nicht<br />

mit beiden Elternteilen in einer Familie zusammenleben, weniger Informationsquellen (11,14)<br />

als von den Befragten aus so genannten „vollständigen“ Familien (11,92) genannt.<br />

28 Die Befragten, die bei sonstigen Verwandten oder in Heimen bzw. Wohngemeinschaften, wurden aufgr<strong>und</strong> der<br />

geringen Fallzahlen mit den Befragten aus so genannten „Einelternfamilien“ zusammengefasst <strong>und</strong> den Befragten<br />

aus „vollständigen“ Familien gegenübergestellt.<br />

163


Abbildung 7 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Geschlecht, Vollständigkeit<br />

der Familie, höchstem Schulabschluss der Eltern <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong>:<br />

Mittelwerte<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

Geschlecht<br />

Männl. Weibl.<br />

9<br />

(Fach-)Abitur<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

MR<br />

HS<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

Mit beiden Elternteilen<br />

Ja Nein<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Kein Abschluss<br />

And. Abschluss Weiß Nicht<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Eltern im <strong>Aus</strong>land<br />

geb.<br />

Kind im <strong>Aus</strong>land<br />

geb.<br />

Zuhause nicht<br />

deutsch<br />

Migrationshinterg<strong>und</strong> II: Herkunft des Vaters<br />

Türkei Frühere Sowjetunion u. Osteuropa<br />

164<br />

Männlich<br />

Weiblich<br />

Eta: ,131<br />

Signifikanz F: ,000<br />

Mit beiden Elternteilen<br />

Ja<br />

Nein<br />

Eta: ,082<br />

Signifikanz F: ,002<br />

(Fach-)Abitur<br />

Mittlere Reife<br />

Hauptschule<br />

Anderer Abschluss<br />

Kein Abschluss<br />

Weiss nicht<br />

MW<br />

11,19<br />

12,30<br />

MW<br />

11,94<br />

12,39<br />

11,95<br />

11,40<br />

11,41<br />

10,74<br />

MW<br />

11,92<br />

11,14<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,16 797<br />

4,18 635<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,17<br />

4,24<br />

1035<br />

377<br />

Std.abw.<br />

n<br />

3,89 271<br />

4,16 383<br />

4,13 349<br />

4,62 58<br />

3,28 29<br />

4,38 280<br />

Eta: ,141<br />

Signifikanz F: ,000<br />

Erläuterung der Variablen „Höchster Schulabschluss<br />

der Eltern: Abschnitt 3.4.2<br />

Kein Migrations-<br />

hintergr<strong>und</strong><br />

Ein Elternteil im<br />

<strong>Aus</strong>land geb.<br />

Kind im <strong>Aus</strong>land<br />

geboren<br />

Zuhause Deutsch<br />

nicht Umgangs<br />

sprache<br />

Eta: ,131<br />

Signifikanz F: ,000<br />

Türkei<br />

Frühere Sowjetunion<br />

<strong>und</strong> Osteuropa<br />

MW<br />

11,94<br />

11,87<br />

10,94<br />

10,17<br />

MW<br />

10,73<br />

11,16<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,09 1024<br />

4,59<br />

3,57<br />

4,34<br />

187<br />

64<br />

139<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,80 139<br />

4,14 87<br />

Nur die beiden größten Migrantengruppen,<br />

die anderen Gruppen sind zu klein für gesicherte<br />

<strong>Aus</strong>sagen


Der Bildungshintergr<strong>und</strong> der Familie steht als Indikator auch für das in der Familie verfügbare<br />

soziale <strong>und</strong> kulturelle Kapital. Mit dem Bildungsniveau des Elternhauses sollte daher auch<br />

die Vertrautheit mit der Beschaffung von Informationen <strong>und</strong> somit die Zahl der verfügbaren<br />

Informationsquellen steigen. Die Differenzierung nach dem Bildungshintergr<strong>und</strong> der Familie<br />

(Abbildung 7, Zeile 2) zeigt allerdings, dass Jugendliche aus Familien, in denen wenigstens<br />

ein Elternteil die Mittlere Reife als höchsten Abschluss besitzt, die meisten Informationsquellen<br />

(12,39) nutzen. 29 Bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, bei denen ein Elternteil (Fach-)Abitur<br />

hat, liegt diese Zahl hingegen etwas niedriger (11,94). Die Ursache hierfür dürfte sein, dass<br />

sich die Aspirationen der Jugendlichen aus Elternhäusern mit hohem Bildungsniveau häufig<br />

ebenfalls auf das Abitur (vgl. Tabellen 9b, 10, 11b) richten. Wenn eine Entscheidung aber<br />

schon vorab weitgehend feststeht, dann ist der Informationsbedarf entsprechend geringer.<br />

Anders hingegen bei den Befragten aus Familien, in denen der Hauptschulabschluss der<br />

höchste Bildungsabschluss ist (11,95). Wenn hier weniger Informationsquellen als von Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern mit Familien aus dem mittleren Bildungsstratum genutzt werden, dann<br />

widerspricht dies der Hypothese einer mit dem verfügbaren kulturellen <strong>und</strong> sozialen Kapital<br />

steigenden Vertrautheit mit der Beschaffung von Informationen nicht. Im Sinne dieser Hypothese<br />

lassen sich auch die noch etwas niedrigeren Werte für die beiden kleinen Gruppen der<br />

Befragten, deren Eltern einen anderen, meist ausländischen (11,40) oder keinen Schulabschluss<br />

(11,41) besitzen, interpretieren. Eine Folge der in geringerem Umfang zur Verfügung<br />

stehenden Informationen wurde in Abschnitt 4 bereits diskutiert: Die Unsicherheit, welchen<br />

Weg sie nach der Schule beschreiten wollen, ist in beiden Gruppen besonders ausgeprägt.<br />

R<strong>und</strong> ein Viertel von ihnen kann zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht sagen, ob sie eine<br />

<strong>Aus</strong>bildung absolvieren oder weiter zur Schule gehen wollen (vgl. Tabelle 9b, 10). Auffällig<br />

sind auch hier wieder die Befragten, die den Schulabschluss der Eltern nicht kennen. Die<br />

Schulabschlüsse der Eltern waren im Elternhaus offensichtlich kein Gesprächsthema, was<br />

wiederum auf die besondere Bildungsferne dieser Gruppe mit einer entsprechend geringen<br />

Vertrautheit mit der Beschaffung von Informationen hinweist. Tatsächlich nutzt diese quantitativ<br />

nicht unerhebliche Gruppe mit Abstand die wenigsten Informationsquellen zur Berufswahl<br />

(10,74).<br />

Die Differenzierung nach dem Migrationshintergr<strong>und</strong> zeigt, dass hinsichtlich der Zahl der<br />

durchschnittlich genutzten Informationsquellen keine Unterschiede zwischen den Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern mit deutschen oder ausländischen Eltern bestehen, wenn Deutsch die<br />

Umgangssprache im Elternhaus ist <strong>und</strong> das Kind auch in Deutschland aufgewachsen ist. In<br />

beiden Gruppen werden durchschnittlich r<strong>und</strong> 11,9 Informationsquellen genutzt. Aber schon<br />

wenn im Elternhaus zwar Deutsch gesprochen wird, aber der Jugendliche nicht in Deutschland<br />

geboren <strong>und</strong> aufgewachsen ist, sinkt die Zahl der genutzten Informationsquellen bereits<br />

29 Zur Konstruktion der Variablen „Höchster Bildungsabschluss der Eltern“ vgl. Kapitel 3.4.2.<br />

165


auf r<strong>und</strong> 10,9 <strong>und</strong> bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, in deren Elternhaus eine andere Umgangssprache<br />

als Deutsch gesprochen wird, noch weiter auf r<strong>und</strong> 10,2. Wenn man annimmt,<br />

dass die nicht in Deutschland geborenen Befragten zumindest teilweise Defizite in der Beherrschung<br />

der deutschen Sprache aufweisen <strong>und</strong> solche Defizite bei den Befragten, die<br />

zuhause eine andere Umgangssprache sprechen, noch ausgeprägter sind, dann wird deutlich,<br />

dass nicht der Migrationshintergr<strong>und</strong> als solcher, sondern dass das <strong>Aus</strong>maß der Beherrschung<br />

der deutschen Sprache die Anzahl der zur Berufswahl genutzten Informationsquellen<br />

beeinflusst. In dieser Richtung lassen sich auch die Ergebnisse für die Befragten mit<br />

türkischem oder russisch/osteuropäischem Migrationshintergr<strong>und</strong> interpretieren (Tabelle 20,<br />

Zeile 4). Beide Werte liegen unterhalb des Gesamtmittelwertes, aber höher als der Mittelwert<br />

der Befragten, in deren Elternhaus nicht Deutsch gesprochen wird, was für die Heterogenität<br />

der beiden Gruppen hinsichtlich der Beherrschung der deutschen Sprache spricht.<br />

Die hinreichend sichere Beherrschung der deutschen Sprache ist ein Stück kulturellen Kapitals,<br />

das die Möglichkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten, sich die für die Berufswahl notwendigen Informationen<br />

zu beschaffen, positiv beeinflusst. Eng damit zusammen hängt die Lesefähigkeit,<br />

die in den Analysen durch die selbst berichtete Lesepraxis in drei Bereichen (Bücher zur<br />

Unterhaltung, Sachbücher, Tageszeitung) indiziert wird (vgl. Artelt, Demmrich, Baumert<br />

2001, 283). In allen drei Bereichen besteht ein linearer Zusammenhang der Lesepraxis mit<br />

der Anzahl der von den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern genutzten Informationsquellen (Abbildung<br />

8, Zeile 1). Unterschiede bestehen lediglich hinsichtlich des Niveaus der Zusammenhänge:<br />

Die Häufigkeit des Lesens von Sachbüchern <strong>und</strong> der Tagezeitung beeinflusst die<br />

Zahl der genutzten Informationsquellen in etwas stärkerem Maße als das Lesen von Büchern<br />

zur Unterhaltung. Dies ist erklärbar, denn bei Sachbüchern <strong>und</strong> der Tageszeitung geht es in<br />

stärkerem Maße als beim Lesen von Büchern zur Unterhaltung um die Beschaffung, <strong>Aus</strong>wahl<br />

<strong>und</strong> Bewertung von Informationen. Gerade dies ist aber im Prozess der Berufswahl von<br />

besonderer Bedeutung.<br />

166


Abbildung 8 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Lesepraxis, dem Notendurchschnitt<br />

in den Fächern Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch sowie der Haltung<br />

zur Schule <strong>und</strong> den Plänen für die Zeit nach der Schule: Mittelwerte<br />

14<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

Lesepraxis<br />

1 Fast täglich<br />

3 Einmal im Monat 5 Nie oder fast nie<br />

2 Mehrmals im Monat 4 Ein paar mal im Jahr<br />

A Sachbücher B Bücher zur Unterhaltung C Tageszeitung<br />

Notendurchschnitt Deutsch, Mathematik u. Englisch<br />

Sehr Gut Gut Befriedigend <strong>Aus</strong>reichend Mangelhaft<br />

9<br />

Stimme völlig zu<br />

teils/teils<br />

Stimme etwas zu<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

Zustimmung: Gehe gerne zur Schule<br />

Lehne völlig ab<br />

Lehne etwas ab<br />

Pläne für die Zeit nach der Schule<br />

Weiter zur Schule<br />

Weiß nicht /Etwas anderes<br />

Berufsausbildung<br />

167<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

MW n<br />

A B C A B c<br />

13,25<br />

12,67<br />

12,20<br />

11,86<br />

10,80<br />

12,69<br />

12,27<br />

12,04<br />

11,47<br />

10,80<br />

12,57<br />

11,91<br />

11,44<br />

11,02<br />

10,40<br />

68<br />

206<br />

258<br />

336<br />

566<br />

187<br />

273<br />

245<br />

310<br />

419<br />

406<br />

441<br />

194<br />

143<br />

250<br />

<strong>Aus</strong> Platzgründen wurde auf die Angabe der<br />

Standardabweichung verzichtet.<br />

Sehr Gut<br />

Gut<br />

Befriedigend<br />

<strong>Aus</strong>reichend<br />

Mangelhaft<br />

Signifikanz F:<br />

Eta:<br />

Eta: ,094<br />

Signifikanz F: ,020<br />

Stimme völlig zu<br />

Stimme etwas zu<br />

teils/teils<br />

Lehne etwas ab<br />

Lehne völlig ab<br />

Eta: , 170<br />

Signifikanz F: ,000<br />

Weiter zur Schule<br />

Berufsausbildung<br />

Weiß nicht / etwas<br />

anderes<br />

Eta: , 066<br />

Signifikanz F: ,043<br />

A B C<br />

,000<br />

,187<br />

MW<br />

9,2<br />

12,27<br />

11,88<br />

11,23<br />

10,36<br />

MW<br />

12,37<br />

12,35<br />

11,60<br />

11,29<br />

10,11<br />

MW<br />

11,80<br />

11,80<br />

11,01<br />

,000<br />

0,160<br />

,000<br />

,181<br />

Std.abw.<br />

n<br />

3,63 5<br />

3,80 193<br />

4,20 792<br />

4,32 312<br />

4,43 11<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,97 213<br />

4,27 347<br />

3,90 523<br />

3,90 154<br />

3,67 177<br />

Std.abw.<br />

n<br />

4,26 649<br />

4,26 574<br />

3,83 211


Auch der im letzten Zeugnis erzielte (ger<strong>und</strong>ete) Notendurchschnitt in den drei Fächern<br />

Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch kann als ein Indikator für die Vertrautheit mit der Beschaffung<br />

von Informationen verstanden werden. Der Notendurchschnitt weist einen ähnlich linearen<br />

Zusammenhang wie die Lesepraxis mit der Zahl der genutzten Informationsquellen auf<br />

(Abbildung 8, Zeile 2). Je besser die Zensuren sind, umso mehr Informationsquellen nutzen<br />

die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Rahmen der Berufswahl. Eine <strong>Aus</strong>nahme bilden lediglich<br />

die fünf Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit einem sehr guten Notendurchschnitt. Ein Blick in die<br />

Daten zeigt, dass für vier der fünf dieser Fälle schon feststeht, dass sie im Anschluss an die<br />

gegenwärtig besuchte Schule ein Gymnasium besuchen werden. Die Frage der Berufswahl<br />

stellt sich für sie derzeit noch nicht.<br />

Wer ungern zur Schule geht, der wird auch den schulischen Angeboten eher negativ gegenüber<br />

stehen <strong>und</strong> die im Rahmen der schulischen Berufsorientierung bereitgestellten Informationen<br />

werden niedriger bewertet <strong>und</strong> in der Folge genutzt (Abbildung 8, Zeile 3). Überprüft<br />

werden kann dies anhand der nach dem Grad der Zustimmung bzw. Ablehnung der <strong>Aus</strong>sage<br />

„Ich gehe gerne zur Schule“ differenzierten <strong>Aus</strong>wertung der Zahl der im Berufswahlprozess<br />

genutzten Informationsquellen. Fasst man dabei die beiden zustimmenden Kategorien zusammen,<br />

dann ist auch hier ein nahezu linearer Zusammenhang mit der Zahl der genutzten<br />

Informationsquellen zu berichten, der die o.g. Hypothese stützt: Je weniger gerne die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler zur Schule gehen, umso niedriger ist auch die Zahl der von ihnen bei<br />

der Berufswahl genutzten Informationsquellen.<br />

Zwischen den drei Indikatorenkomplexen Lesepraxis, Schulnoten <strong>und</strong> einer positiven Bewertung<br />

der Schule bestehen natürlich inhaltliche Überschneidungen. Aber die Korrelationen der<br />

einzelnen Indikatoren sind relativ schwach; mit <strong>Aus</strong>nahme des Zusammenhangs zwischen<br />

dem Lesen von Sachbüchern <strong>und</strong> dem Lesen von Büchern zur Unterhaltung (Tau b= ,46)<br />

erreicht kein Koeffizient die Marke von Tau b=,3. Dennoch wird erst die multivariate Analyse<br />

zeigen, inwieweit die Effekte bei Kontrolle der jeweils anderen Indikatoren bestehen bleiben.<br />

Um zu ermitteln, inwieweit sich das Informationsverhalten zwischen den Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen,<br />

die sich bereits für das Absolvieren einer Berufsausbildung bzw. den weiteren Schulbesuch<br />

entschieden haben, <strong>und</strong> den Befragten, die hierzu noch keine Entscheidung getroffen<br />

haben, unterscheidet, wird in Abbildung 8 (Zeile 4) die Zahl der durchschnittlich genutzten<br />

Informationsquellen für diese Gruppen differenziert dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die<br />

Befragten, die bereits eine Entscheidung – gleichgültig welche – getroffen haben, im Schnitt<br />

die gleiche Zahl an Informationsquellen (11,8) genutzt haben, während die Gruppe derjenigen,<br />

die noch keine Entscheidung getroffen haben, bisher auch auf weniger Informationsquellen<br />

zurückgegriffen hat. Das Zusammenhang zwischen dem Informationsverhalten <strong>und</strong><br />

die Frage, ob bereits eine Entscheidung für den weiteren Weg nach der Schule gefällt wurde,<br />

kann unterschiedlich interpretiert werden. Einerseits ist das Sammeln von Informationen eine<br />

168


Voraussetzung für eine Entscheidung, andererseits kann die Tatsache, dass noch keine Entscheidung<br />

getroffen wurde, auch darauf hinweisen, dass noch nicht hinreichend aktiv nach<br />

Informationen gesucht wurde. In diesem Fall wäre die Tatsache, dass noch keine Entscheidung<br />

getroffen wurde, ein Indikator für eine geringere Aktivität bei der Informationsbeschaffung.<br />

Es wurden zwei multivariate Regressionsanalysen der Zahl der im Berufswahlprozess genutzten<br />

Informationsquellen gerechnet. Im ersten Modell (Tabelle 20) wurden neben dem<br />

Geschlecht, der Struktur der Herkunftsfamilie, dem Migrationshintergr<strong>und</strong>, dem Bildungsniveau<br />

der Eltern, der Einstellung zur Schule <strong>und</strong> der Schulleistung, der Lesepraxis <strong>und</strong> den<br />

Plänen für die Zeit nach dem Abschluss des 10. Schuljahres die Schulform, der Erhebungszeitpunkt<br />

<strong>und</strong> die regionale Herkunft kontrolliert. Im zweiten Modell, das im Tabellenanhang<br />

in Tabelle A3 präsentiert wird, werden statt der Schulform, des Erhebungszeitpunktes <strong>und</strong><br />

der Region die besuchten Schulen kontrolliert. 30 Aufgr<strong>und</strong> der den Schulen zugesicherten<br />

Anonymität wurden dabei die Namen der Schulen mit den bereits in Abbildung 6 benutzten<br />

Zahlenkodes ersetzt. Als Basiskategorie der in einzelne Dichotomien aufgelösten Variablen<br />

Schule wurde in der Regression die Schule 20, bei der die Anzahl der durchschnittlich genannten<br />

Informationsquellen nahe am Mittelwert liegt, gewählt.<br />

30<br />

Auf die Kontrolle dieser drei Variabeln musste im zweiten Modell zur Vermeidung von Kollinearität verzichtet<br />

werden<br />

169


Tabelle 20 OLS-Regression der Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten Informationsquellen<br />

auf strukturelle <strong>und</strong> individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale: Modell I<br />

170<br />

Regressionskoeffizienten<br />

B<br />

Unstandardisiert<br />

Beta<br />

Standardisiert Signifikanz<br />

(Konstante) 9,09 ,000<br />

Erhebungszeitpunkt<br />

Aktuell besuchte Schulform<br />

Hauptschule (Basiskategorie)<br />

,49 ,11 ,004<br />

Realschule ,14 ,02 ,665<br />

Gesamtschule<br />

Region<br />

Duisburg (Basiskategorie)<br />

-,07 -,01 ,872<br />

Kleve -,13 -,01 ,700<br />

Wesel ,97 ,11 ,001<br />

Geschlecht (Frau) ,93 ,11 ,000<br />

Familienstruktur: Lebt mit beiden Elternteilen<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />

,34 ,04 ,203<br />

Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />

Deutsch als Umgangssprache<br />

-,01 -,00 ,975<br />

Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch -,61 -,03 ,293<br />

Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />

-,95 -,06 ,041<br />

Mittlere Reife ,65 ,07 ,054<br />

Hauptschule ,11 ,01 ,762<br />

Anderer oder kein Schulabschluss ,49 ,03 ,384<br />

Weiß nicht<br />

Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Schulleistungen<br />

-,70 -,07 ,062<br />

Ich gehe gerne zur Schule (Zustimmung) ,44 ,12 ,000<br />

Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch (*-1) ,30 ,04 ,136<br />

Lesepraxis<br />

v_171 Bücher zur Unterhaltung ,07 ,02 ,482<br />

v_172 Sachbücher ,32 ,09 ,004<br />

v_174 Tageszeitungen ,29 ,10 ,000<br />

Pläne für die Zeit nach dem 10. Schuljahr<br />

Berufsausbildung (Basiskategorie)<br />

Weiter zur Schule -,53 -,06 ,039<br />

Weiß noch nicht -,67 -,06 ,061<br />

R²= ,125 F= 8,279 Signifikanz F=,000 n= 1235<br />

Anmerkungen: Modell II, bei dem die Prädiktoren Erhebungszeitpunkt, Schulform <strong>und</strong> Region durch die aktuell<br />

besuchte Schule ersetzt sind, wird im Tabellenanhang in Tabelle A3 wiedergegeben.<br />

Zu den <strong>Aus</strong>prägungen der unabhängigen Variablen vgl. die Abbildungen 6 bis 8. Im Unterschied zur Abbildung 7<br />

handelt es sich hier um den nicht ger<strong>und</strong>eten Notendurchschnitt, der aus Darstellungsgründen mit dem Faktor -1<br />

multipliziert wurde. Da in diesem Modell der erst ab September erhobene Notendurchschnitt als Prädiktorvariable<br />

benutzt wird, basieren die Berechnungen nur auf Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die im ersten Halbjahr des 10.<br />

Schuljahres befragt wurden.


Da die Ergebnisse der Modelle im Hinblick auf die Koeffizienten der in beiden Gleichungen<br />

benutzten Prädiktoren strukturell weitgehend identisch sind <strong>und</strong> nur geringe Differenzen in<br />

der Höhe bestehen (vgl. Tabelle 20 <strong>und</strong> A3), aber der Erhebungszeitpunkt <strong>und</strong> die Schulform<br />

zusätzlich zu interpretierende Informationen liefern, werden hier nur die Koeffizienten des<br />

ersten Modells interpretiert. Dennoch ist ein Unterschied bemerkenswert: Die beteiligten Variablen<br />

erklären im ersten Modell r<strong>und</strong> 12,5 Prozent der Varianz der Summe der von den<br />

Schülern genannten Informationsquellen. Werden hingegen im zweiten Modell statt der<br />

Schulform, des Erhebungszeitpunktes <strong>und</strong> der Region die einzelnen Schulen berücksichtigt,<br />

dann steigt die erklärte Varianz auf 15,1 Prozent (Tabelle A3). 31 Diese Differenz weist darauf<br />

hin, dass zwischen den einzelnen Schulen hinsichtlich des Heranführens an relevante Informationsquellen<br />

im Prozess der Berufsvorbereitung z.T. große Unterschiede bestehen, die<br />

sich auch bei Kontrolle individueller Merkmale der Schüler, z.B. wie dem Bildungsniveau des<br />

Elternhauses, dem Migrationshintergr<strong>und</strong>, der Lesepraxis, der Schulnoten in der Anzahl der<br />

von den Schülern angegebenen Informationsquellen niederschlagen.<br />

Bei dem in Tabelle 20 dargestellten Modell beeinflusst der Erhebungszeitpunkt wegen der<br />

Kumulativität der genutzten Informationsquellen erwartungsgemäß die Zahl der genutzten<br />

Informationsquellen signifikant. Der Koeffizient von b = ,49 zeigt, dass die befragten Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres unabhängig von allen anderen im<br />

Modell berücksichtigten Einflussgrößen im Schnitt alle zwei Monate knapp eine zusätzliche<br />

Informationsquelle benennen. Welche Schulform die Befragten besuchen, spielt dagegen für<br />

das Informationsverhalten keine signifikante Rolle. Interessanterweise allerdings bleibt der<br />

bereits in den bivariaten Analysen diskutierte positive Effekt des Kreises Wesel im Vergleich<br />

zu der Stadt Duisburg <strong>und</strong> dem Kreis Kleve auch in der multivariaten Analyse bestehen. Eine<br />

plausible Interpretation dieses Effektes ist, dass sich unter den teilnehmenden Schulen des<br />

Kreises Wesel mehr Schulen befinden, die ihre Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler stärker an Informationen<br />

zur Berufswahl als andere heran führen. Es handelt sich eigentlich also um einen<br />

Effekt der Arbeit einzelner Schulen, so wie er oben bereits angesprochen wurde.<br />

Der in der bivariaten Analyse beschriebene Geschlechteffekt bleibt in der multivariaten Analyse<br />

bestehen. Auch wenn Faktoren, die eng mit höheren Bildungsaspirationen zusammenhängen,<br />

wie beispielsweise die besuchte Schule, die Schulnoten, die Lesepraxis <strong>und</strong> die<br />

Pläne für die Zeit nach dem 10. Schuljahr, kontrolliert werden, nutzen die Schülerinnen im<br />

Schnitt beinahe eine Informationsquelle mehr als ihre männlichen Mitschüler. Möglicherweise<br />

ist ihr Informationsbedarf höher, weil sie sich in deutlich geringerem Maße als männliche<br />

Jugendliche an traditionellen Mustern, die an Wert <strong>und</strong> Bedeutung verlieren, orientieren können<br />

<strong>und</strong> wollen.<br />

31 Auch das um die Zahl der verwendeten Prädiktorvariablen korrigierte R² steigt von 0,110 auf 0,124.<br />

171


Die in der Gleichung berücksichtigten Faktoren der Herkunftsfamilie haben bei Kontrolle der<br />

besuchten Schule, der Schulleistung, der Pläne <strong>und</strong> der Lesepraxis nur noch einen geringen<br />

Einfluss auf das Informationsverhalten. Diese Variablen sind direktere <strong>und</strong> somit stärkere<br />

Indikatoren des den Jugendlichen zur Verfügung stehenden <strong>und</strong> zur Informationsbeschaffung<br />

nutzbaren kulturellen Kapitals, als das Bildungsniveau der Familie <strong>und</strong> ihr Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />

In der Tendenz bleiben die Einflüsse der Variablen zur Herkunftsfamilie, so wie<br />

sich in den bivariaten Analysen dargestellt haben, bestehen. Aber lediglich die Tatsache,<br />

dass zuhause in der Familie der Befragten eine andere Umgangssprache als Deutsch gesprochen<br />

wird, hat unter den beteiligten Prädiktorvariablen zur Herkunftsfamilie einen signifikanten<br />

Effekt. Sie senkt, verglichen mit den Befragten ohne Migrationshintergr<strong>und</strong>, die Zahl<br />

der durchschnittlich genutzten Informationsquellen um r<strong>und</strong> eine. Auch die multivariate Analyse<br />

bestätigt also, dass nicht der Migrationshintergr<strong>und</strong> als solcher, sondern das in der Familie<br />

verfügbare <strong>und</strong> vor allem verwertbare kulturelle Kapital, wozu hier die sichere Beherrschung<br />

der deutschen Sprache zählt, die Anzahl der im Berufsfindungsprozess genutzten<br />

Informationsquellen beeinflusst.<br />

Den stärksten Einzeleffekt in der Gleichung hat die Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sage, gerne zur<br />

Schule zu gehen, auf das Informationsverhalten. Je lieber die Befragten zur Schule gehen,<br />

umso mehr Informationsquellen werden von ihnen genutzt. Mit der positiven Bewertung der<br />

Schule im Allgemeinen steigt auch die positive Bewertung ihres Angebotes <strong>und</strong> deren Nutzung<br />

– auch im Bereich der schulischen Berufsorientierung. Im Zusammenhang mit der Diskussion<br />

der subjektiven Bewertung der verschiedenen Informationsquellen (vgl. Abschnitt<br />

5.1) wurde die große Bedeutung des Vertrauens in eine Informationsquelle für deren Bewertung<br />

herausgearbeitet. Das Vertrauen in den Wert der schulischen Angebote zur Berufsorientierung<br />

dürfte auch ein wichtiger Mechanismus sein, der im Hintergr<strong>und</strong> des Zusammenhanges<br />

zwischen einer positiven Bewertung der Schule <strong>und</strong> der Zahl der genutzten Informationsquellen<br />

im Berufswahlprozess wirkt.<br />

Während der Notendurchschnitt des letzten Zeugnisses in den drei Fächern Deutsch, Mathematik<br />

<strong>und</strong> Englisch in dem hier präsentierten Modell keinen signifikanten Einfluss auf das<br />

Informationsverhalten auszuüben vermag, haben mit der Häufigkeit des Lesens von Sachbüchern<br />

<strong>und</strong> der Tageszeitung zwei der drei Variablen zur Lesepraxis einen signifikanten<br />

positiven Effekt auf die Anzahl der genutzten Informationen. Wie im Rahmen der bivariaten<br />

Analyse stehen diese beiden Indikatoren auch für die Erfahrung mit der gezielten Beschaffung,<br />

<strong>Aus</strong>wahl <strong>und</strong> Bewertung von Sachinformationen. Dagegen deckt die Häufigkeit des<br />

Lesens von Büchern zur Unterhaltung eher den Bereich der allgemeinen Lesefähig ab – ein<br />

Bereich der seine eigene Bedeutung für die Informationsbeschaffung hat, in dem hier vorgestellten<br />

Modell aber durch die beiden anderen Variablen zur Lesepraxis bereits hinreichend<br />

repräsentiert wird. Dies erklärt den geringen Einfluss der Praxis des Lesens von Büchern zur<br />

172


Unterhaltung bei Kontrolle der beiden stärker auf Sachinformationen zielenden Indikatoren<br />

zur Lesepraxis. Inhaltlich decken diese beiden Indikatoren zwei unterschiedliche Bereiche<br />

von Informationen ab, die beide im Berufswahlprozess von Bedeutung sind. Während Sachbüchern<br />

darauf zielen, über spezifische Sachthemen mit einer längerfristigen Gültigkeit zu<br />

informieren, ist der Gegenstand von Tageszeitungen der Bericht über die aktuelle Situation.<br />

Beide Informationsgruppen haben im Berufswahlprozess ihre eigene Relevanz: Zum einen<br />

benötigen die Jugendlichen zu den verschiedenen Berufsgruppen, Berufen <strong>und</strong> Tätigkeiten<br />

inhaltliche Informationen <strong>und</strong> zum anderen setzt eine realistische Berufswahl auch hinreichende<br />

Kenntnisse der aktuellen Situation am <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt voraus.<br />

Die bivariate Analyse wies hinsichtlich des Informationsverhaltens keine Differenzen zwischen<br />

den Befragten, die sich für eine Berufsausbildung oder den weiteren Schulbesuch im<br />

Anschluss an die 10. Klasse entschieden haben. Wichtig schien nur zu sein, ob überhaupt<br />

schon eine Entscheidung getroffen worden war. Die Jugendlichen, bei denen dies noch nicht<br />

der Fall war, hatten deutlich weniger Informationsquellen genutzt. Werden dagegen die beschriebenen<br />

Variablen des multivariaten Modells kontrolliert, dann kristallisiert sich eine veränderte<br />

Einflussstruktur heraus. Jetzt zeigt sich, dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die planen<br />

weiter zur Schule zu gehen, signifikant weniger Informationsquellen nutzten, als die Jugendlichen,<br />

die eine Berufsausbildung anstreben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der<br />

Besuch einer weiterführenden Schule den Aufschub einer endgültigen Entscheidung bei der<br />

Berufswahl erlaubt, während die Absicht, eine Berufsausbildung aufzunehmen, genau diese<br />

Entscheidung erzwingt, so dass in diesem Falle der Bedarf an Informationen wesentlich höher.<br />

Einen negativen Effekt in gleicher Stärke, der allerdings wegen der geringeren Fallzahl<br />

knapp die Signifikanzgrenze verfehlt, hat verglichen mit einer Entscheidung zugunsten einer<br />

Berufsausbildung die Tatsache, dass noch keine Entscheidung getroffen wurde. Dieser bereits<br />

aus der bivariaten Analyse bekannte Effekt bleibt bestehen, auch wenn u.a. der Erhebungszeitpunkt<br />

kontrolliert wird. Dies könnte, wie bereits im Rahmen der bivariaten Analyse<br />

vermutet, darauf hinweisen, dass die Tatsache, noch keine Entscheidung zwischen beiden<br />

Optionen getroffen zu haben, auch ein Indikator für eine weniger aktive Suche nach Informationen<br />

darstellt.<br />

5.3 Welche Informationen sind bei der Berufswahl wichtig?<br />

Allen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die angegeben haben, sich bereits eingehender mit der<br />

Wahl eines Berufes beschäftigt zu haben (r<strong>und</strong> 94 Prozent aller Befragten), wurde die Frage<br />

vorgelegt, wie genau sie sich bei den sie interessierenden Berufen über die in der Abbildung<br />

9 aufgeführten Dimensionen der Berufswahl (vom Tätigkeitsprofil über Anforderungen, <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />

in der Region, Arbeitszeiten, EInkommen bis hin zu den Zukunftsper-<br />

173


spektiven) informiert haben. Abbildung 9 gibt die Anteile der Befragten, die angeben, sich<br />

über die jeweiligen Bereiche „sehr genau“ bzw. „genau“ informiert zu haben, geordnet nach<br />

ihrer Häufigkeit wieder. Abbildung 11 stellt weiter unten für die Befragten, die angeben, sich<br />

bereits fest für einen Beruf entschieden zu haben (r<strong>und</strong> 52 Prozent aller Befragten), wiederum<br />

nach ihrer empirischen Häufigkeit dar, welche der genannten Dimensionen der Berufswahl<br />

für sie bei dieser Entscheidung „sehr wichtig“ bzw. „wichtig“ war. Sowohl die Informationstiefe<br />

als auch die Frage nach der Wichtigkeit der verschiedenen Informationen als Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />

sind Indikatoren der Bedeutsamkeit der verschiedenen Themenbereiche<br />

im Berufswahlprozess. Aber während die erste Frage nicht nur die interessengeleitete<br />

aktive Informationssuche zu bestimmten Bereichen, sondern auch den Umfang, in dem bestimmte<br />

Informationen an die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler – etwa in der Schule – herangetragen<br />

werden, indiziert, erhebt die zweite Frage das <strong>Aus</strong>maß der subjektiven Bedeutsamkeit<br />

der einzelnen Faktoren für die eigene Berufswahl.<br />

Abbildung 9 Informiertheit: Wenn du jetzt an deine wichtigsten Berufswünsche denkst: Wie<br />

ausführlich hast du dich schon über die folgenden Bereiche informiert?<br />

Tätigkeiten im Beruf<br />

Körperliche Anforderungen<br />

Eingangsvoraussetzungen<br />

Geistige Anforderungen<br />

Sicherheit berufl. Zukunft<br />

Arbeitszeiten<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten i.d. Region<br />

Bezahlung während <strong>Aus</strong>bildung<br />

Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss<br />

22,0<br />

25,9<br />

30,4<br />

34,8<br />

32,9<br />

34,4<br />

33,7<br />

32,8<br />

0 20 40 60 80 100<br />

174<br />

45,0<br />

23,5<br />

21,1 43,2<br />

27,0<br />

33,2<br />

34,6<br />

33,7<br />

26,4 60,7<br />

Nur Befragte, die sich schon mit der Berufswahl intensiver beschäftigt haben (n=1347).<br />

Antwortvorgaben: Sehr genau / genau / etwas / kaum / noch nicht.<br />

25,4<br />

49,4<br />

60,7<br />

58,2<br />

66,2<br />

64,9<br />

34,7<br />

68,5<br />

79,6<br />

Sehr genau Genau<br />

Betrachten wir zunächst das <strong>Aus</strong>maß, in dem die Befragten, die sich bereits etwas intensiver<br />

mit der Berufswahl beschäftigt haben, über verschiedene für die Berufswahl relevante Bereiche<br />

informiert haben. Abbildung 9 ist zu entnehmen, dass die Befragten sich am intensivsten<br />

über das Tätigkeitsprofil der verschiedenen für sie in Frage kommenden Berufe informiert<br />

haben. R<strong>und</strong> 80 Prozent der Befragten, die sich schon intensiver mit dem Thema <strong>„Berufswahl</strong>“<br />

beschäftigt haben, geben an, dass sie sich über die Tätigkeiten in den Berufen „sehr


gut“ oder „gut“ informiert haben. Dabei steht der Abgleich der eigenen Interessensgebiete mit<br />

der Art der Tätigkeiten im Zentrum der Überlegung. In der Rangliste der Bereiche, über die<br />

sich die Befragten am intensivsten informiert haben, folgen drei Dimensionen von Anforderungen,<br />

die der Beruf an das Individuum stellen kann. Mit kleinen internen Abstufungen geben<br />

jeweils r<strong>und</strong> zwei Drittel an, sich über körperliche Anforderungen, Eingangsvoraussetzungen<br />

<strong>und</strong> geistige Anforderungen „sehr gut“ oder „gut“ informiert zu haben. Diese Informationen<br />

helfen den Jugendlichen beim Abgleich zwischen dem, was sie mitbringen, <strong>und</strong> den<br />

spezifischen Anforderungen der verschiedenen vom Tätigkeitsprofil her in Frage kommenden<br />

Berufe. Eine Entscheidung, die sich auch auf solche Informationen stützen kann, hilft bei<br />

einer passgenaueren Berufswahl, die zur Vermeidung späterer Frustrationen <strong>und</strong> damit auch<br />

zur Vermeidung von <strong>Aus</strong>bildungsabbrüchen beitragen kann.<br />

Knapp 61 Prozent geben an, sich über die Zukunftssicherheit der in Frage kommenden Berufe<br />

umfangreich informiert zu haben. Dies belegt, dass die langfristigen beruflichen Perspektiven<br />

für die Mehrheit der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine wichtige Rolle bei der Berufswahl<br />

spielen. Zugleich steht diese Zahl aber auch dafür, dass sich fast 40 Prozent darüber<br />

nicht gut informiert fühlen. Ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für den hohen Grad an Unsicherheit, die<br />

sich darin ausdrückt, ist die Tatsache, dass längerfristige Vorhersagen angesichts einer sich<br />

beschleunigenden technologischen Entwicklungen <strong>und</strong> der zunehmenden ökonomischen<br />

Globalisierung überaus schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sind.<br />

In der gleichen Größenordnung (60,7%) wie über die Zukunftssicherheit der Berufe haben<br />

die Befragten sich sehr gut bzw. über die Arbeitszeiten informiert. Hierzu aber sind Informationen<br />

leicht zu bekommen, der Gr<strong>und</strong> dafür, dass fast 40 Prozent sich über die Arbeitszeiten<br />

noch nicht intensiv informiert haben, dürfte teilweise auf die geringere subjektive Relevanz,<br />

aber auch auf die nach wie vor in vielen Berufen bestehende weitgehende Standardisierung<br />

des „Arbeitstages“ bestehen.<br />

Wenn hingegen über 40 Prozent der Befragten, die angeben, sich bereits eingehender mit<br />

der Berufswahl beschäftigt haben, sich zugleich noch nicht genau über die <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />

in der Region informiert zu haben, dann kann dies entweder bedeuten, dass gegebenenfalls<br />

auch eine berufliche <strong>Aus</strong>bildung jenseits des heimatlichen Umfeldes in Frage<br />

kommt, oder aber es weist – was wahrscheinlicher sein dürfte – auf eine mangelnde Orientierung<br />

der Jugendlichen an den Möglichkeiten des regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmarktes hin.<br />

Mangelhafte Kenntnisse der der regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten aber sind nicht notwendigerweise<br />

nur den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern selbst anzulasten können, sondern sie<br />

weisen auch auf Defizite der schulischen Berufsvorbereitung <strong>und</strong> der Berufsberatung hin.<br />

Die Bezahlung in <strong>und</strong> nach der <strong>Aus</strong>bildung ist für eine Mehrheit der Befragten, die sich schon<br />

mit der Berufswahl auseinander gesetzt haben, zunächst von nachgeordneter Bedeutung.<br />

175


Nur 49,4 Prozent geben an, schon sehr gut oder gut, über das Entgelt während der <strong>Aus</strong>bildung<br />

informiert zu sein. Im Falle des Gehaltes im Beruf nach abgeschlossener <strong>Aus</strong>bildung<br />

sind es sogar nur 43,2 Prozent.<br />

Die Frage, wie ausführlich sich jemand über die verschiedenen Bereiche informiert hat, impliziert<br />

in der Fragestellung die aktive Informationsbeschaffung durch die Befragten. Das Bewusstsein,<br />

sich aktiv entsprechend der subjektiven Relevanz des jeweiligen Bereiches gut<br />

informiert zu haben, hat sicherlich einen bedeutsamen Einfluss auf die Antworten. Aber das<br />

Bewusstsein, in einem bestimmten Bereich gut informiert zu sein, hängt auch damit zusammen,<br />

inwieweit Informationen verfügbar gemacht <strong>und</strong> den Jugendlichen vermittelt werden.<br />

Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht über statistisch signifikante Zusammenhänge<br />

zwischen den Angaben, wie genau sich die Jugendlichen über die jeweiligen Bereiche informiert<br />

haben, <strong>und</strong> Indikatoren zu beiden Dimensionen des Informationsbeschaffungsprozesses.<br />

Als Indikator eines aktiven Informationsbeschaffungsverhaltens wird auf die Summe der<br />

im Prozess der Berufswahl genutzten Informationsquellen zurückgegriffen. Inwieweit die besuchte<br />

Schule den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern im Rahmen des berufsvorbereitenden Unterrichtes<br />

in unterschiedlichem Umfang Informationen zu Berufswahl zur Verfügung stellen,<br />

kann die Zusammenhangsanalyse klären. Die ebenfalls in der Übersicht berücksichtigte<br />

Schulform kann Hinweise darauf geben, inwieweit die Differenzen auf mögliche Unterschiede<br />

zwischen den Anforderungen <strong>und</strong> Angeboten der drei Schulformen zurückgeführt werden<br />

können. Eine besonders wichtige Informationsquelle stellt das Elternhaus (vgl. Tabelle 19)<br />

dar. Es konnte bereits gezeigt werden, dass das durch das Bildungsniveau <strong>und</strong> den Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

(insbesondere bezüglich der sprachlichen Fähigkeiten) indizierte kulturelle<br />

Kapital des Elternhauses die Zahl der genutzten Informationsquellen beeinflusst. Hier soll<br />

untersucht werden, inwieweit auch die inhaltliche Seite des Informationsverhaltens mit diesen<br />

Indikatoren zusammenhängt. Die letzte Spalte der Übersicht zeigt darüber hinaus auf,<br />

inwieweit die <strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu den einzelnen Bereichen mit dem Erhebungszeitpunkt<br />

signifikant variiert.<br />

176


Tabelle 21 Zusammenhänge mit dem Grad der Informiertheit zu verschiedenen für die Berufswahl<br />

relevanten Bereichen: Signifikanz (CHI²)<br />

<strong>Aus</strong>führlichkeit Informationen zu…<br />

Anzahl<br />

Informationsquellen <br />

Schulabschluss<br />

Eltern<br />

177<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Aktuell<br />

besuchte<br />

Schule<br />

Schulform<br />

Zeitpunkt<br />

der Erhebung<br />

Tätigkeiten im Beruf x x x x<br />

Körperliche Anforderungen x x x x<br />

Eingangsvoraussetzungen x x x x x<br />

Geistige Anforderungen x x x x<br />

Arbeitszeiten x x x x<br />

Sicherheit berufliche Zukunft x x x x<br />

Region. <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten x x x x x<br />

Bezahlung während <strong>Aus</strong>bildung x x x<br />

Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildung x x x<br />

Frageformulierung <strong>und</strong> Antwortvorgaben „<strong>Aus</strong>führlichkeit Informationen zu…“ siehe Abbildung 9. Konstruktion<br />

<strong>und</strong> Verteilung des Indikators „Anzahl Informationsquellen“ siehe Kapitel 5.2. Die Indikatoren Schulabschluss der<br />

Eltern, Migrationshintergr<strong>und</strong>, Schulform <strong>und</strong> Zeitpunkt der Erhebung werden in Kapitel 3 erläutert. Um die Anzahl<br />

der unbesetzten oder sehr schwach Zellen bei den Kreuztabellen zur reduzieren, wurden bei den Variablen zur<br />

<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen die beiden Kategorien „kaum“ <strong>und</strong> „noch nicht“ zusammengefasst. Beim höchsten<br />

Schulabschluss der Eltern wurden die beiden schwach besetzten Kategorien (vgl. Tabelle 7) „Ein anderer<br />

Abschluss“ <strong>und</strong> „Kein Abschluss“ zusammengefasst. Beim Migrationshintergr<strong>und</strong> (vgl. Tabelle 3) wurden die<br />

beiden Kategorien „ein Elternteil im <strong>Aus</strong>land geboren“ <strong>und</strong> „beide Elternteile im <strong>Aus</strong>land geboren“ sowie die beiden<br />

Kategorien „Schüler/in im <strong>Aus</strong>land geboren“ <strong>und</strong> „Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache“ jeweils zu<br />

einer Kategorie zusammengefasst.<br />

x: p < 0,05<br />

Der Grad Informiertheit in allen abgefragten Bereichen hängt durchgängig signifikant mit der<br />

Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten Informationsquellen zusammen. Wer mehr Informationsquellen<br />

im Prozess der Berufswahl nutzt, der fühlt sich in allen Bereichen deutlich<br />

besser informiert. Oben konnte gezeigt werden, dass Unterschiede zwischen den verschiedenen<br />

Informationsquellen hinsichtlich des Umfangs <strong>und</strong> der Qualität der von ihnen vermittelten<br />

Informationen bestehen. Zwei wichtige Informationsquellen – das Elternhaus <strong>und</strong> die<br />

Schule – werden hier auf Zusammenhänge mit dem Grad der Informiertheit in den genannten<br />

Bereichen untersucht. Es bestehen durchgängig signifikante Zusammenhänge zwischen<br />

dem höchsten Schulabschluss der Eltern <strong>und</strong> dem Grad der Informiertheit in den verschiedenen<br />

Bereichen. Weitere, hier nicht tabellarisch aufbereitete Analysen der Verteilungen<br />

zeigen, dass sich die Zusammenhangsstrukturen bei allen Informationsfeldern stark ähneln:<br />

Jugendliche, bei denen beide Eltern keinen bzw. einen „anderen“ (meist ausländischen)<br />

Schulabschluss besitzen, geben an, in geringerem Umfang als Jugendliche aus Elternhäusern<br />

mit einen deutschen Bildungsabschluss zu den verschiedenen Bereichen informiert zu<br />

sein. In ähnlichem oder noch geringerem <strong>Aus</strong>maß haben die Jugendlichen, die nicht wissen<br />

ob, <strong>und</strong> ggf. welche Schulabschlüsse ihre Eltern erworben haben, Informationen zu den verschiedenen<br />

für die Berufswahl relevanten Dimensionen. Abbildung 11 verdeutlicht am Bei-


spiel des Grades der Informiertheit über die Eingangsvoraussetzungen der verschiedenen<br />

Berufe die differenzierte Struktur der in Tabelle 21 nur zusammenfassend dargestellten Zusammenhänge<br />

mit der Elternbildung <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />

Signifikante Zusammenhänge mit Migrationshintergr<strong>und</strong> sind nur bei den Informationen zu<br />

den Tätigkeiten im Beruf, zu den Eingangsvoraussetzungen, zu den geistigen Anforderungen,<br />

zur Sicherheit der beruflichen Zukunft <strong>und</strong> den regionalen zu berichten (Tabelle 21) zu<br />

berichten. In all diesen Fällen stellt sich die Struktur der Zusammenhänge ähnlich dar, wie<br />

sie Abbildung 10 für die beruflichen Eingangsvoraussetzungen wiedergibt. Die Befragten<br />

ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> fühlen sich in diesen Bereichen besser informiert, bei den Befragten<br />

mit Migrationhintergr<strong>und</strong> gibt es darüber hinaus noch eine kleine Abstufung bei der<br />

Informiertheit zwischen den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, deren Eltern zwar aus dem <strong>Aus</strong>land<br />

stammen, in deren Familien aber Deutsch die Umgangssprache ist, <strong>und</strong> den Jugendlichen,<br />

die selbst im <strong>Aus</strong>land geboren wurden oder in deren Familien eine andere Sprache als<br />

Deutsch gesprochen wird.<br />

Abbildung 10 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angeben, über die Eingangsvoraussetzungen<br />

der sie interessierenden Berufe „sehr genau“ oder „genau“ informiert zu sein,<br />

differenziert nach Bildungs- <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> des Elterhauses:<br />

Anteile<br />

(Fach-)Abitur<br />

Mittlere Reife<br />

Hauptschule<br />

And. /kein Abschluss<br />

Weiß nicht<br />

19,6<br />

26,3<br />

36,2<br />

39,6<br />

37,2<br />

Anmerkungen: Siehe Tabelle 21<br />

25,0<br />

36,1<br />

32,9<br />

36,4<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />

Sehr genau Genau<br />

Kein<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

178<br />

24,4<br />

34,7<br />

29,8<br />

Mind. ein Elternteil im<br />

<strong>Aus</strong>land geboren,<br />

deutsch<br />

Umgangssprache<br />

29,4<br />

Schüler/in im<br />

<strong>Aus</strong>land geboren /<br />

deutsch nicht<br />

Umgangssprache<br />

27,6<br />

30,7<br />

35,0<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />

Sehr genau Genau<br />

Die Zusammenhänge dieser beiden Indikatoren zum familiären Hintergr<strong>und</strong> der Jugendlichen<br />

mit dem Grad der Informiertheit zu den verschiedenen Dimensionen der Berufswahl<br />

zeigen, dass es auch von dem Umfang des in der Familie verfügbaren kulturellen Kapitals in


Form einer allgemeinen Bildungsnähe <strong>und</strong> von Kenntnissen des Bildungswesens <strong>und</strong> auch<br />

hinreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache abhängt, wie intensiv die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler über die verschiedenen für die Berufswahl relevanten Themenbereiche informiert<br />

sind.<br />

Berufsorientierung <strong>und</strong> –vorbereitung sind fest in den Lehrplänen aller Schulen verankert.<br />

Tabelle 21 belegt gleichwohl, dass hinsichtlich der Qualität <strong>und</strong> des Unfangs der Informationen<br />

zur Berufswahl, die den Schüler von ihren Schulen vermittelt werden, beträchtliche Unterschiede<br />

zu verzeichnen sind. Jedenfalls bestehen mit <strong>Aus</strong>nahme der Informationen zur<br />

Bezahlung nach abgeschlossener <strong>Aus</strong>bildung bei allen untersuchten Feldern mit wichtigen<br />

Informationen zur Berufswahl signifikante Zusammenhänge des Grades der Informiertheit<br />

der Jugendlichen mit der aktuell besuchten Schule. Die den CHI²-Werten in Tabelle 21<br />

zugr<strong>und</strong>e liegenden differenzierten Analysen zeigen beispielsweise, dass in einer Schule nur<br />

51,3 Prozent der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler angeben, sie wären über die Tätigkeiten in den<br />

von ihnen in die engere Wahl genommen Berufen „sehr genau“ oder „genau“ informiert, in<br />

einer anderen Schule sind es hingegen 93,7 Prozent. Auch wenn es sich bei diesem Beispiel<br />

im ersten Fall um eine Hauptschule, im zweiten aber um eine Realschule handelt, spielt die<br />

jeweilige Schulform hier keine signifikante Rolle (ebenfalls Tabelle 21). Der Datensatz enthält<br />

auch Hauptschulen, deren Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler überdurchschnittlich gut informiert sind.<br />

Es ist auch in der Regel nicht von Bedeutung, ob die Befragung früher oder später im Verlauf<br />

des Schuljahres durchgeführt wurde. Wie schon bei der Zahl der genutzten Informationsquellen<br />

gezeigt, legen auch hier die Daten den Schluss nahe, dass zwischen den einzelnen<br />

Schulen beträchtliche Unterschiede in Umfang <strong>und</strong> Qualität der Berufsvorbereitung existieren.<br />

Dieses Thema wird in Abschnitt 5.4 noch einmal aufgegriffen <strong>und</strong> aus der Perspektive<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler genauer untersucht.<br />

Wenn sich in Einzelfällen darüber hinaus Differenzen zwischen den drei untersuchten Schulformen<br />

beobachten lassen, dann fällt es schwer, dies auf systematische Unterschiede des<br />

jeweiligen Angebotes zurückzuführen, sondern dürfte eher mit Unterschieden der beruflichen<br />

Prioritäten <strong>und</strong> der Berufswünsche der drei Gruppen (vgl. Tabelle 17) zusammenhängen. So<br />

sehen sich beispielsweise die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der Hauptschule besser über die<br />

Arbeitszeiten <strong>und</strong> die Bezahlung nach Abschluss der <strong>Aus</strong>bildung informiert als Jugendliche,<br />

die eine Realschule besuchen. Dagegen spielen umgekehrt die körperlichen Anforderungen<br />

für die Hauptschüler eine geringere Rolle als für Realschüler. Ein anderer Aspekt könnte die<br />

Ursache des signifikanten Zusammenhangs zwischen der Schulform <strong>und</strong> dem Grad der Informiertheit<br />

über die spezifischen Eingangsvoraussetzungen beeinflussen: Wegen der unterschiedlichen<br />

beruflichen Möglichkeiten, die mit den unterschiedlichen Niveaus der Abschlüsse<br />

von Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen verknüpft sind, müssen sich die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen<br />

dieser Schulformen auch intensiver mit den Eingangsvoraussetzungen der verschiede-<br />

179


nen, von ihnen in die engere Wahl genommenen Berufe auseinandersetzen als Realschülerinnen<br />

<strong>und</strong> Realschüler. Tatsächlich geben die Befragten an Realschulen nur zu r<strong>und</strong> 62<br />

Prozent an, über Eingangsvoraussetzungen „sehr genau“ oder „genau“ informiert zu sein,<br />

während es an Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen r<strong>und</strong> 70 Prozent sind.<br />

Die Bedeutsamkeit der Frage der regionalen Verfügbarkeit von <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />

der in Frage kommenden Berufe nimmt zu, je mehr der Zeitpunkt, an dem eine Entscheidung<br />

zwischen verschiedenen Optionen getroffen werden muss, naht. Dies ist auf die innere<br />

Struktur des Entscheidungsprozesses, bei dem zunächst vor allem die Übereinstimmung<br />

zwischen eigenen Interessen, Fähigkeiten <strong>und</strong> Möglichkeiten mit bestimmten Berufsbildern<br />

Dann aber, wenn dieser stärker inhaltlich fokussierte Bereich auf einige Berufe eingegrenzt<br />

<strong>und</strong> konkretisiert ist, rücken die Rahmenbedingungen, zu denen auch die regionalen Gelegenheitsstrukturen<br />

gehören, stärker in den Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses. Tatsächlich<br />

lässt sich eine signifikante Zunahme der Informiertheit über die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />

mit dem Erhebungszeitpunkt beobachten.<br />

Abbildung 11 Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage: Wie wichtig waren die folgenden Gründe bei deiner<br />

Entscheidung für diesen Beruf?<br />

Tätigkeiten im Beruf<br />

Sicherheit berufl. Zukunft<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten i.d. Region<br />

Eingangsvoraussetzungen<br />

Geistige Anforderungen<br />

Körperliche Anforderungen<br />

Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss<br />

Bezahlung während <strong>Aus</strong>bildung<br />

Arbeitszeiten<br />

32,2<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Nur Befragte, die sich schon fest für einen Beruf entschieden haben (n=742).<br />

Antwortvorgaben: Sehr wichtig / wichtig / teils/teils / unwichtig / völlig unwichtig.<br />

30,3<br />

35,2<br />

180<br />

39,0<br />

38,9<br />

36,7<br />

44,5<br />

62,1<br />

29,9<br />

30,4<br />

30,7<br />

73,8<br />

43,7<br />

32,2<br />

29,5 61,7<br />

69,3<br />

67,4<br />

74,0<br />

34,6 73,6<br />

65,1<br />

26,5<br />

76,7<br />

22,1<br />

88,6<br />

Sehr wichtig Wichtig<br />

Abbildung 11 gibt für die Befragten, die sich bereits fest für einen Beruf entschieden haben,<br />

die subjektive Bedeutung der diskutierten Bereiche für ihre Berufswahl wieder. Der Grad der<br />

Informiertheit über diese Bereiche korrespondiert nur teilweise mit ihrer subjektiven Relevanz<br />

für die Entscheidung bei der Berufswahl. Zwar sind die Tätigkeiten im Beruf nicht nur der<br />

95,9


Bereich, über den sich die meisten Jugendlichen umfassend informieren, sondern sie stellen<br />

auch die wichtigste Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage bei der Wahl des Berufes dar: Für fast alle Jugendlichen,<br />

die sich bis zum Zeitpunkt der Befragung schon für einen bestimmten Beruf entschieden<br />

haben (95,6%), war das Tätigkeitsprofil des ausgewählten Berufes für ihre Entscheidung<br />

„sehr wichtig“ oder „wichtig“. Im Zentrum der Berufswahl stehen die beruflichen<br />

Tätigkeiten, aber gleich an zweiter Stelle folgt der Gesichtpunkt der Zukunftssicherheit des<br />

Berufs (88,6%). Der Beruf soll den eigenen Fähigkeiten <strong>und</strong> Neigungen entsprechen, aber<br />

fast genauso wichtig ist es den Jugendlichen, dass der von ihnen gewählte Beruf auch eine<br />

langfristig sichere Perspektive bietet. 32<br />

Mit welchem Realismus die große Mehrheit der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die bereits eine<br />

Entscheidung getroffen haben, an ihre Berufswahl herangegangen sind, wird daran deutlich,<br />

dass auf den nächsten Plätzen der Rangfolge gleich zwei pragmatisch orientierte Gesichtspunkte<br />

folgen. Die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten werden von 76,7 Prozent <strong>und</strong> die<br />

die spezifischen Eingangsvoraussetzungen der verschiedenen Berufe von 74,0 Prozent als<br />

„sehr wichtig“ oder „wichtig“ für die Berufsentscheidung bezeichnet. Die Gelegenheitsstrukturen<br />

der Region begrenzen das Universum der Wunschberufe auf Seiten des verfügbaren<br />

Angebotes, während die mit den verschiedenen Berufen verknüpften spezifischen Eingangsvoraussetzungen<br />

eine Vorraussetzung darstellen, die die Jugendlichen erfüllen müssen, um<br />

eine <strong>Aus</strong>bildung in einem bestimmten Beruf absolvieren zu können. Auch die von 73,6 Prozent<br />

als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ bezeichneten geistigen Anforderungen des Berufes<br />

müssen von den Jugendlichen genauso wie die körperlichen Anforderungen (69,3%) erfüllt<br />

werden. Deren Erfüllung können die Jugendlichen teilweise noch während der <strong>Aus</strong>bildung<br />

durch eigene Anstrengungen beeinflussen, so dass die Platzierung dieser beiden Faktoren<br />

hinter den formalen Eingangsvoraussetzungen verständlich erscheint. Für r<strong>und</strong> zwei Drittel<br />

der Befragten ist die Bezahlung nach dem <strong>Aus</strong>bildungsabschluss (67,4%) <strong>und</strong> während der<br />

<strong>Aus</strong>bildung (65,1%) eine wichtige Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage bei der Berufswahl. Diese Zahlen<br />

weisen auf die Bedeutung des mit dem Beruf verknüpften Einkommens hin, zugleich aber<br />

belegt die Tatsache, dass der Einkommensaspekt als wichtige Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />

deutlich hinter den beruflichen Tätigkeiten, der Zukunftssicherheit, den regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten,<br />

den spezifischen Eingangsvoraussetzungen sowie den geistigen <strong>und</strong><br />

körperlichen Anforderungen platziert ist, dass es für Jugendlichen eine subjektive höhere<br />

Priorität hat, überhaupt eine ihren Neigungen <strong>und</strong> Fähigkeiten entsprechende <strong>Aus</strong>bildung<br />

32 Auch hier bestehen Parallelen zu der bereits erwähnten Hamburger Studie ‚Berufswahl in Hamburg 2006’ (vgl.<br />

Arbeitskreis EINSTIEG / psychonomics 2006, Teil B). Allerdings – was zum Teil auch die unterschiedliche Frageformulierung<br />

zurückzuführen sein dürfte – nimmt bei den befragten Hamburger Schülern der Sicherheitsaspekt<br />

den ersten Rang vor der Art der Tätigkeit („eine interessante <strong>und</strong> abwechslungsreiche Tätigkeit“ gegenüber<br />

„den Tätigkeiten im Beruf“) ein. Auch das DJI-Übergangspanel, das in einem Längsschnitt den Weg von<br />

Hauptschülern in den Beruf verfolgt, zeigt die besondere Bedeutung des Sicherheitsaspektes für die Berufswahl<br />

der Jugendlichen (Homann-Lun u.a. 2005, 18).<br />

181


absolvieren zu können, als ein hohes Einkommen zu erzielen. In dieses Bild fügt sich auch,<br />

dass die Arbeitszeit mit 61,7 Prozent am Ende der Rangordnung der vorgegebenen „sehr<br />

wichtigen“ <strong>und</strong> „wichtigen“ Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen liegt.<br />

Insgesamt belegen die allesamt über 60 Prozent liegenden Häufigkeiten, dass die Berufswahl<br />

für die Jugendlichen weniger ein Maximierungs- als ein Optimierungsproblem darstellt.<br />

Es geht den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern nicht nur darum, eine <strong>Aus</strong>bildung in dem einen<br />

Traumberuf zu absolvieren, ein maximales Einkommen zu erzielen oder einen Beruf mit<br />

möglichst angenehmen Arbeitszeiten zu finden. Die Tätigkeiten im Beruf sollen den eigenen<br />

Ansprüchen <strong>und</strong> Fähigkeiten entsprechen, aber der Beruf muss auch zukunftssicher sein.<br />

Den Jugendlichen ist dabei auch bewusst, dass sie für die unterschiedlichen Berufe spezifische<br />

Eingangsvoraussetzungen erfüllen müssen <strong>und</strong> dass die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />

eine wichtige Rahmenbedingung der Berufswahl sind. Die Wahl eines Berufes<br />

basiert i.d.R. nicht nur auf einem spezifischen Motiv, sondern sie stellt eine jeweils individuelle<br />

Kombination verschiedener der genannten Faktoren <strong>und</strong> weiterer Einflussgrößen dar.<br />

5.4 Die Rolle der Schule im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

In Abschnitt 5.2 konnte gezeigt werden, dass die Zahl der von den Schülern genutzten Informationsquellen<br />

sich zwischen den einzelnen Schulen beträchtlich unterscheidet (Abbildung<br />

6). In Abschnitt 5.3 wurde darüber hinaus belegt, dass auch hinsichtlich des Grades<br />

der Informiertheit in verschiedenen für die Berufswahl bedeutsamen Bereichen signifikante<br />

Differenzen zwischen den einzelnen Schulen bestehen. Hier soll nun untersucht werden, wie<br />

die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der 10. Klassen an den 23 Schulen, die im ersten Halbjahr des<br />

10. Schuljahres an der Befragungen teilgenommen haben, das Engagement ihrer Lehrer <strong>und</strong><br />

ihrer Schule im Prozess der Berufswahl <strong>und</strong> der Vorbereitung auf den Übergang in eine Berufsausbildung<br />

bewerten.<br />

Abbildung 12 gibt die Mittelwerte des auf einer fünfstufigen Skala erhobenen Grades der<br />

Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sagen „Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule mache, helfen<br />

mir meine Lehrer“ differenziert für die einzelnen Schulen wieder. Zu Vergleichzwecken ist<br />

die durchschnittliche Zustimmung in den Abbildungen in Form einer durchgezogenen Linie<br />

dargestellt. Als ein Maß für den Zusammenhang der Zustimmung zu den beiden <strong>Aus</strong>sagen<br />

mit der besuchten Schule wird unter den Abbildungen das Maß Eta wiedergegeben. In ähnlicher<br />

Weise werden anschließend (Abbildung 13) die durchschnittlichen Bewertungen des<br />

schulischen Angebotes zur Vorbereitung auf die Berufswahl, die Bewerbung, auf Eignungstests<br />

<strong>und</strong> Vorstellungsgespräche differenziert für die einzelnen Schulen dargestellt <strong>und</strong> untersucht.<br />

182


Abbildung 12 Unterstützung durch Lehrer: Zustimmung bzw. Ablehnung zu der <strong>Aus</strong>sage:<br />

„Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule mache, helfen mir meine Lehrer“:<br />

Durchschnittswerte der Schulen<br />

Lehne völlig ab<br />

teils / teils<br />

Stimme völlig zu<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23<br />

Schule<br />

Eta = ,240 (Eta² = ,058); Signifikanz F: p


Die in Abbildung 13 präsentierten Grafiken geben die in Form von Schulnoten erhobenen<br />

Bewertungen des schulischen Angebotes zu den Bereichen Berufswahl, Bewerbung, Eignungstests<br />

<strong>und</strong> Vorstellungsgespräche als Durchschnittsnoten für die verschiedenen Schulen<br />

wieder. Die Abbildungen belegen dreierlei:<br />

Erstens bestehen beträchtliche Differenzen bezüglich des Umfanges, in dem die vier verschiedenen<br />

Bereiche in allen Schulen behandelt werden. Dies belegt die unterschiedliche<br />

Höhe der Gesamtmittelwerte über alle Befragten in den vier Bereichen: Bei der Vorbereitung<br />

auf die Berufswahl geben die Befragten ihren Schulen im Schnitt eine 3+ (Mittelwert=2,64,<br />

Standardabweichung=1,28), das Thema Bewerbung schneidet noch etwas besser ab <strong>und</strong><br />

erhält eine 2- (MW=2,19, Std.-abw.=1,20). Das Schreiben von Bewerbungen ist fest in den<br />

Lehrplänen der Schulen verankert <strong>und</strong> wird konkret im Unterricht geübt. Die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler fühlen sie sich daher in diesem Bereich auch relativ gut vorbereitet. Auch die<br />

Berufswahl ist spätestens seit der neunten Klasse Thema im Unterricht. Dennoch bleiben<br />

hier Unsicherheiten, die die etwas schlechtere Benotung verständlich werden lassen. Im<br />

Durchschnitt deutlich schlechter beurteilen die Schüler dagegen die Vorbereitung auf Eignungstests<br />

(MW=3,27, Std.-abw.=1,46) <strong>und</strong> auf Vorstellungsgespräche (MW=3,18, Std.abw.=1,55),<br />

die jeweils nur eine 3- erhalten. Diese werden offenbar nicht oder nur im Unterricht<br />

weniger Schulen thematisiert, was die Schüler als Defizit empfinden.<br />

Zweitens lassen sich in allen vier Bereichen signifikante Zusammenhänge zwischen der besuchten<br />

Schule <strong>und</strong> der Schülerbewertung der schulischen Vorbereitung auf die spezifischen<br />

Anforderungen an die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler feststellen. Nimmt man die Bewertung<br />

durch die Schüler für die Tatsache, dann bestehen zwischen den Schulen beträchtliche Unterschiede<br />

im Hinblick auf die Angebote zur Vorbereitung auf Berufswahl, Bewerbung, Einstellungstests<br />

<strong>und</strong> Vorstellungsgespräche. Während einige Schulen im Urteil ihrer Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler in allen vier Bereichen überdurchschnittlich benotet werden, findet man auf<br />

der anderen Seite auch Schulen, die hier durchgängig schlechte Zensuren erhalten.<br />

184


Abbildung 13 Bewertung des schulischen Angebotes zur Vorbereitung auf Berufswahl, Bewerbungen,<br />

Eignungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche: Durchschnittnoten für<br />

die einzelnen Schulen<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

Berufswahl<br />

9<br />

11 13 15 17 19 21 23<br />

10 12 14 16 18 20 22<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

185<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

Bewerbung<br />

9<br />

11 13 15 17 19 21 23<br />

10 12 14 16 18 20 22<br />

Eta = ,262 (Eta² = ,069); Signifikanz F: p


Drittens fällt auf, dass die Differenzen zwischen Schulen bei der Vorbereitung auf Eignungstests<br />

<strong>und</strong> auf Vorstellungsgespräche wesentlich stärker ausgeprägt als bei den im „normalen“<br />

Curriculum verankerten Themen Berufswahlvorbereitung <strong>und</strong> Bewerbung sind. Der Vergleich<br />

der Gesamtmittelwerte hat gezeigt, dass die schulischen Angebote zur Vorbereitung<br />

auf Eignungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche von den Schülern im Schnitt als wesentlich<br />

defizitärer empf<strong>und</strong>en werden als die Angebote zu den beiden anderen Bereichen. Der Vergleich<br />

der Durchschnittswerte der Schulen <strong>und</strong> die Höhe der Eta-Koeffizienten belegt nun,<br />

dass sich die Angebote zu den Themen Eignungstests (Eta= ,45) <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche<br />

(Eta= ,42) zwischen den verschiedenen Schulen sehr viel stärker als zu den Themen Berufswahl<br />

(Eta= ,26) <strong>und</strong> Bewerbung (Eta= ,24) unterscheiden.<br />

Insgesamt belegen die Daten deutliche Unterschiede bei der schulischen Berufsorientierung<br />

<strong>und</strong> Vorbereitung auf den Berufseinstieg zwischen den teilnehmenden Schulen. Das belegen<br />

eine Reihe von Indikatoren: So unterscheidet sich die Zahl der von den Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schülern genutzten Informationsquellen auch bei Kontrolle des Erhebungszeitpunktes zwischen<br />

den einzelnen Schulen (vgl. Abschnitt 5.2), was darauf hinweist, dass die Schüler in<br />

unterschiedlichem <strong>Aus</strong>maß an verschiedene Informationsquellen herangeführt werden. Dies<br />

belegt auch eine Regression (Tabelle A3 im Anhang), bei der u.a. die einzelnen Schulen als<br />

Prädiktorvariablen eingesetzt wurden. In dieselbe Richtung weisen auch die Zusammenhänge<br />

zwischen den Schulen <strong>und</strong> dem Grad an selbst berichteter Informiertheit in verschieden<br />

für die Berufswahl relevanten Themenfeldern (Abschnitt 5.3). Beides spiegelt sich im durchschnittlichen<br />

Urteil der Schüler über die Unterstützung durch die Lehrer (Abbildung 12) <strong>und</strong><br />

die Vorbereitung auf die Berufswahl (Abbildung 13) wider. Darüber hinaus bestehen zwischen<br />

den Schulen auch signifikante Unterschiede hinsichtlich der konkreten Vorbereitung<br />

auf den Einstieg in eine <strong>Aus</strong>bildung, die sich schwächer in Bereichen, die - wie das Erstellen<br />

einer Bewerbung - im Lehrplan verankert sind, wirken, aber sich umso stärker bei darüber<br />

hinausgehenden Themen, wie die Vorbereitung auf Einstellungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche<br />

bemerkbar machen.<br />

Um zu ermitteln, inwieweit die unterschiedlichen Bewertungen der Schulen (Variablengruppe<br />

I) durch Unterschiede in der Schülerschaft mit verursacht werden, werden in einer Regression<br />

der Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung das Bildungsniveau der Eltern <strong>und</strong> der<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sowie die Geschlechtszugehörigkeit als<br />

individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale (Variablengruppe II) kontrolliert. Als zusätzliche Merkmale<br />

auf personaler Ebene sollen in der Analyse die generelle Einstellung zur Schule <strong>und</strong> das<br />

Leistungsvermögen (Variablengruppe III) kontrolliert werden. Als Indikator für die generelle<br />

Einstellung zur Schule wird in der Analyse die Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sage, gerne zur Schule<br />

zu gehen, berücksichtigt. Indikatoren des Leistungsvermögens sind der Notendurchschnitt<br />

in den drei Fächern Deutsch, Englisch <strong>und</strong> Mathematik <strong>und</strong> die drei Variablen zur Lesepraxis<br />

186


(Bücher zur Unterhaltung, Sachbücher <strong>und</strong> Tageszeitung), die eine generelle Vertrautheit im<br />

Umgang mit der Beschaffung <strong>und</strong> Bewertung von Informationen indizieren. Eine vierte Variablengruppe<br />

stellt das Bewusstsein der Unterstützung durch Lehrer bei der Vorbereitung auf<br />

den Beruf das <strong>Aus</strong>maß <strong>und</strong> die Qualität der subjektiv verfügbaren Informationen zum Thema<br />

Berufswahl dar. Als Variablengruppe IV werden die Anzahl der genutzten Informationsquellen<br />

(vgl. Abschnitt 5.2), die Unterstützung durch die Lehrer bei der Entscheidungsfindung<br />

(vgl. Abbildung 12) sowie der subjektiv Grad der Informiertheit über bestimmte Dimensionen<br />

der Berufswahl (vgl. Abbildung 9) in der Regressionsgleichung berücksichtigt. Sie sollten die<br />

Bewertung der schulischen Vorbereitung auf den Einstieg in eine Berufsausbildung positiv<br />

beeinflussen.<br />

Zielvariable der in Tabelle 22 wiedergegebenen Regressionsanalyse ist der Mittelwert der<br />

Bewertungen zu den vier spezifischen Bereichen schulischer Berufsvorbereitung (Vorbereitung<br />

auf Berufswahl, Bewerbung, Eignungstest <strong>und</strong> Vorstellungsgespräch). Die Einzelnoten<br />

interkorrelieren relativ hoch (zwischen r = ,46 <strong>und</strong> r = ,62), so dass es gerechtfertig erscheint,<br />

ihren Mittelwert als einen reliablen Indikator für die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung<br />

durch die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler anzusehen. 33 Im Tabellenanhang werden darüber<br />

hinaus die zusätzlich berechneten Regressionsanalysen mit den vier bereichsspezifischen<br />

Einzelindikatoren als Zielvariablen dokumentiert. Da es sich um Größen handelt, die<br />

auf der von (1) „sehr gut“ bis (6) „ungenügend“ reichenden Schulnotenskala gemessen werden,<br />

wurden die Zielvariablen der Regressionsrechnungen zusätzlich mit (-1) multipliziert.<br />

Diese Umpolung der Zielvariablen erleichtert die Interpretation der Koeffizienten, weil so positive<br />

Koeffizienten i.d.R. eine Verbesserung der Bewertung indizieren. 34<br />

33 Der Reliabilitätskoeffizient Cronbach’s α liegt bei α = ,802.<br />

34 In gleicher Weise wurden durch Multiplikation mit (-1) in den Regressionen die folgenden Prädiktorvariablen<br />

zum Zwecke einer erleichterten Interpretation umgepolt: der Notendurchschnitt im Deutsch, Mathematik <strong>und</strong><br />

Englisch (hohe Werte: gute Noten), die Zustimmung/Ablehnung zu den <strong>Aus</strong>sagen „Ich gehe gerne zur Schule“<br />

<strong>und</strong> „Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal mach, helfen mir meine Lehrer“ (hohe Werte hier:<br />

Zustimmung) <strong>und</strong> der Grad der Informiertheit zu verschiedenen Dimensionen der Berufswahl (hohe Werte hier:<br />

ausführlichere Informationen).<br />

187


Tabelle 22 Regression der schulischen Berufsvorbereitung im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale<br />

Regressionskoeffizienten<br />

Unstandardisiert B Standardisiert Beta Signifikanz<br />

(Konstante)<br />

I Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />

-2,969 ,000<br />

1 ,046 ,007 ,813<br />

2 ,554 ,151 ,000<br />

3 ,552 ,102 ,001<br />

4 ,867 ,180 ,000<br />

5 ,823 ,118 ,000<br />

6 1,331 ,131 ,000<br />

7 ,872 ,163 ,000<br />

8 ,414 ,078 ,012<br />

9 ,235 ,033 ,248<br />

10 1,025 ,092 ,001<br />

11 ,076 ,011 ,708<br />

12 ,223 ,040 ,184<br />

13 -,566 -,081 ,004<br />

14 ,248 ,050 ,110<br />

15 ,117 ,020 ,499<br />

16 -,089 -,017 ,577<br />

17 ,271 ,040 ,158<br />

18 ,343 ,043 ,118<br />

19 ,814 ,155 ,000<br />

21 ,995 ,239 ,000<br />

22 ,912 ,225 ,000<br />

23<br />

II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />

,223 ,071 ,066<br />

Geschlecht: Frau<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie: Kein Migrationshintergr<strong>und</strong>)<br />

-,037 -,017 ,509<br />

Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />

Deutsch als Umgangssprache<br />

-,003 -,001 ,975<br />

Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,148 ,029 ,268<br />

Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />

Höchster Schulabschluss Eltern (Basiskategorie: Fachabitur / Abitur)<br />

,008 ,002 ,941<br />

Mittlere Reife ,203 ,087 ,009<br />

Hauptschule ,229 ,095 ,004<br />

Anderer oder kein Schulabschluss ,244 ,054 ,071<br />

Weiß nicht<br />

III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />

,211 ,078 ,016<br />

Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung *(-1) ,078 ,085 ,002<br />

Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch *(-1)<br />

Lesepraxis<br />

-,112 -,062 ,017<br />

Bücher zur Unterhaltung ,035 ,047 ,124<br />

Sachbücher ,016 ,019 ,530<br />

Tageszeitungen<br />

IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />

,017 ,022 ,403<br />

Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />

<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />

,032 ,123 ,000<br />

Tätigkeiten im Beruf *(-1) ,053 ,043 ,178<br />

Eingangsvoraussetzungen? *(-1) -,045 -,043 ,163<br />

Körperliche Anforderungen? *(-1) ,041 ,040 ,238<br />

Geistige Anforderungen? *(-1) -,025 -,024 ,473<br />

Arbeitszeiten? *(-1) ,086 ,098 ,001<br />

Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? *(-1) -,042 -,051 ,222<br />

Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? *(-1) ,031 ,038 ,366<br />

Sicherheit der beruflichen Zukunft? *(-1) -,018 -,020 ,524<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? *(-1) ,047 ,054 ,073<br />

Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />

mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung *(-1)<br />

,259 ,316 ,000<br />

Variablen im Modell: I+II+III+IV R² = ,375 (R² korrigiert: ,348) F = 13,744 Sig. F = ,000 N = 1099<br />

Variablen im Modell: I R² = ,165 (R² korrigiert: ,151) F = 11,784 Sig. F = ,000 N = 1339<br />

Variablen im Modell: I +II R² = ,181 (R² korrigiert: ,161) F = 9,112 Sig. F = ,000 N = 1271<br />

Variablen im Modell: I +II+III R² = ,240 (R² korrigiert: ,217) F = 10,684 Sig. F = ,000 N = 1222<br />

Variablen im Modell: I +II+IV R² = ,358 (R² korrigiert: ,334) F = 14,910 Sig. F = ,000 N = 1138<br />

Anmerkungen: Zielvariable Mittlere Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung: Mittelwert der Schulnoten zu den vier spezifischen Bereichen<br />

schulischer Berufsvorbereitung (Vorbereitung auf Berufswahl, Bewerbung, Eignungstest <strong>und</strong> Vorstellungsgespräch) mit (-1) multipliziert. Wurde<br />

bei Prädiktoren die Richtung der Kodierung abweichend vom Kodeplan umgepolt, so wird dies durch (-1) hinter der Bezeichnung angezeigt. Zu<br />

den <strong>Aus</strong>prägungen der unabhängigen Variablen vgl. die Abbildungen 6 bis 8. Im Unterschied zur Abbildung 7 ist der Notendurchschnitt nicht<br />

ger<strong>und</strong>et. Die Berechnungen basieren nur auf Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres befragt wurden.<br />

188


Das Gesamtmodell hat mit einem Anteil von 37,5 Prozent erklärter Varianz einen vergleichsweise<br />

hohen Erklärungswert. Die Ergebnisse der Regressionsanalyse belegen, dass<br />

auch bei Kontrolle individueller Hintergr<strong>und</strong>merkmale, der Einstellungen zur Schule <strong>und</strong> des<br />

Leistungsvermögens sowie der im Prozess der Berufswahl genutzten Informationen <strong>und</strong> der<br />

erfahrenen Unterstützung durch Lehrer signifikante <strong>und</strong> starke Einflüsse der besuchten<br />

Schulen auf die Bewertung der Berufsvorbereitung in den Schulen durch ihre Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler bestehen bleiben. Rechnet man ein Modell, das nur die Schulen enthalt, dann<br />

werden bereits 16,5 Prozent der Varianz der Bewertung erklärt. Die Effekte in diesem hier<br />

aus Platzgründen nicht wiedergegebenen Minimalmodell unterscheiden sich strukturell nicht<br />

von den in Tabelle 22 präsentierten Koeffizienten; sie sind in der Regel allerdings etwas stärker<br />

ausgeprägt.<br />

Unter den Variablen zu den individuellen Hintergr<strong>und</strong>merkmalen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

vermögen sowohl die Geschlechtszugehörigkeit als auch der Migrationshintergr<strong>und</strong> die<br />

Bewertung nicht zu beeinflussen. Anders verhält es sich mit dem höchsten Schulabschluss<br />

der Eltern: Verglichen mit einer Herkunftsfamilie, in der mindestens ein Elternteil Fachabitur<br />

oder Abitur hat, steigt die Bewertung in allen untersuchten Bildungsgruppen gleichermaßen.<br />

Wenn ein Angebot von verschiedenen Gruppen unterschiedlich bewertet wird, dann muss<br />

die Ursache im unterschiedlichen Anspruchsniveau dieser Gruppen liegen. Offenbar haben<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die aus einem Elternhaus mit hohem formalem Bildungsniveau<br />

kommen, höhere Ansprüche an die Angebote der schulischen Berufsvorbereitung als ihre<br />

Mitschüler. Die hier berücksichtigten individuellen Hintergr<strong>und</strong>smerkmale liefern nur einen<br />

geringen zusätzlichen Anteil an erklärter Varianz: Verglichen mit dem Modell, das nur die<br />

Schulen enthält, steigt die erklärte Varianz gerade einmal um 1,6 Prozentpunkte auf 18,1<br />

Prozent.<br />

In ähnlicher Weise wie das formale Bildungsniveau des Elternhauses wird vermutlich auch<br />

der signifikante negative Effekt der Durchschnittsnote in den drei Fächern Deutsch, Englisch<br />

<strong>und</strong> Mathematik (in der Analyse wie die Zielvariable mit dem Faktor -1 multipliziert) durch<br />

höhere Ansprüche verursacht. Bessere Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler erwarten offenbar auch<br />

mehr von ihrer Schule.<br />

Mit der Zustimmung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu der <strong>Aus</strong>sage, gerne zur Schule zu gehen,<br />

steigt auch deren Bewertung des Angebotes der Schule zur Berufsvorbereitung. Dies<br />

kann als ein <strong>Aus</strong>strahlungseffekt der allgemeinen Bewertung der Schule <strong>und</strong> ihres Angebotes<br />

auf die Bewertung ihres spezifischen Angebotes zur Berufsvorbereitung interpretiert werden.<br />

Die drei Indikatoren zur Lesepraxis, die einen positiven Einfluss auf die Zahl der im Prozess<br />

der Berufswahl genutzten Informationen, haben dagegen keinen eigenständigen Effekt<br />

auf die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung. Insgesamt ist der Effekt der Variablengruppe<br />

III (Einstellungen zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen) gering: Verzichtet man<br />

189


auf sie <strong>und</strong> rechnet ein Modell, das nur die Variablengruppen I, II <strong>und</strong> IV enthält, dann sinkt<br />

die erklärte Varianz gegenüber dem Gesamtmodell nur geringfügig auf 35,8 Prozent. Insgesamt<br />

haben die Einstellungen zur Schule <strong>und</strong> das individuelle Leistungsvermögen also nur<br />

einen geringen Einfluss auf die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung.<br />

Nur schwache <strong>und</strong> in der Richtung uneinheitliche Effekte hat der Grad der <strong>Aus</strong>führlichkeit, in<br />

dem sich Schüler zu verschiedenen Dimensionen der Berufswahl informiert glauben. Berücksichtigt<br />

man die systematischen <strong>und</strong> durchgängigen Zusammenhänge dieser Variablen<br />

mit der besuchten Schule (vgl. Tabelle 21), dann ist offensichtlich, dass diese Effekte bereits<br />

in den direkten Effekten der Schulen enthalten sind. Mit der Zahl der im Berufswahlprozess<br />

von den Jugendlichen genutzten Informationsquellen verhält es sich dagegen offenbar anders.<br />

Sie hat einen signifikanten positiven Effekt auf die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung.<br />

Der Umfang, in dem Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler durch ihre Lehrer an eine Vielzahl<br />

von Informationsquellen herangeführt <strong>und</strong> in deren Nutzung unterstützt wurden, wirkt<br />

sich direkt positiv auf ihre Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung aus. Dies gilt in<br />

noch wesentlich stärkerem Maße für die erfahrene persönliche Unterstützung durch Lehrer.<br />

Je stärker die Befragten der <strong>Aus</strong>sage „Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />

mach, helfen mir meine Lehrer“ zustimmen, umso bessere Noten erhält die Berufsvorbereitung<br />

in der Schule. Angesichts der Tatsache, dass bereits die Schulen kontrolliert sind,<br />

überraschen diese Effekte in ihrer Höhe. Aber sie weisen eindruckvoll auf die Bedeutung von<br />

zwei unterschiedlichen Ebenen hin. Es wichtig ist, mit welchem Konzept die Schule als solche<br />

sich der Berufsvorbereitung annimmt – dies erklärt die Schuleffekte, aber es hängt auch<br />

in starkem Maße vom persönlichen Engagement der einzelnen in direktem Kontakt mit den<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern stehenden Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer ab, inwieweit die schulische<br />

Berufsvorbereitung aus der Perspektive der Betroffenen erfolgreich ist.<br />

6 Rückblick auf die Analysen <strong>und</strong> Resümee<br />

Die Analysen haben gezeigt, dass sich die im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres befragten<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler von Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen der Stadt Duisburg <strong>und</strong> der<br />

Landkreise Wesel <strong>und</strong> Kleve durchgängig darauf freuen, durch das Erlernen eines Berufs<br />

<strong>und</strong> den Eintritt ins Berufsleben ihr Leben selbständig zu gestalten. Aber sie wissen auch,<br />

dass ihre Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt ungünstig sind. Gefragt, was sie voraussichtlich<br />

nach dem Abschluss der der Schul tun werden, erwartet nur eine Minderheit, sich dann<br />

in einer Berufsausbildung zu befinden, während eine relativ große Gruppe angibt, weiter zur<br />

Schule zu gehen. Vergleichsweise groß ist auch die Gruppe, die zum Zeitpunkt der Befragung<br />

zu dieser Frage noch keine Angaben machen kann. Untersucht man den Hintergr<strong>und</strong><br />

der Erwartungen bzw. Entscheidung etwas genauer, dann wird deutlich, dass auch wenn<br />

190


Faktoren, wie u.a. das Geschlecht, der Migrationshintergr<strong>und</strong>, die besuchte Schulform <strong>und</strong><br />

die Schulleistungen kontrolliert werden, die Erwartung/Entscheidung zugunsten eines weiteren<br />

Schulbesuches durch das Bildungsniveau des Elternhauses beeinflusst wird. Ein positiver<br />

Effekt auf die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuchs ist auch für die<br />

Schülerinnen nachzuweisen, deren Anteil nicht nur mit dem Niveau der besuchten Schule<br />

steigt, sondern die danach auch signifikant häufiger als ihre männlichen Mitschüler einen<br />

weiteren Schulbesuch anstreben. Interessanterweise erwarten oder planen bei Kontrolle der<br />

genannten Faktoren die Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> signifikant häufiger als ihre<br />

deutschen Mitschüler weiter zur Schule zu gehen, was zumindest teilweise auf ihre schlechteren<br />

Chancen auf einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz im dualen System zurückzuführen sein dürfte.<br />

Die Entscheidung, weiter zur Schule zu gehen, kann auf ein höheres Aspirationsniveau, bei<br />

dem der angestrebte Beruf nicht mit dem Abschluss, der am Ende der Sek<strong>und</strong>arstufe I in der<br />

aktuell besuchten Schule erreichbar ist, hinweisen. Die Daten liefern Belege dafür, dass dies<br />

tatsächlich ein häufiges Motiv ist, das allerdings mit sinkendem Abschlussniveau der besuchten<br />

Schulform an Bedeutung verliert. Sehr weit verbreitet aber ist auch der umgekehrte Fall,<br />

dass ein weiterer Schulbesuch aus Sicht der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nur eine zweite Wahl<br />

darstellt, zu der sie sich gezwungen sehen, weil die Chancen auf eine eigentlich angestrebte<br />

<strong>Aus</strong>bildungsstelle als sehr gering eingeschätzt werden. Dies gilt nicht nur für „klassische“<br />

Warteschleifen, wie das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr oder einjährige Berufsfachschulen, sondern<br />

auch fast 40 Prozent der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angeben, eine zweijährige Berufsfachschule<br />

oder eine Fachoberschule zu besuchen, <strong>und</strong> sogar 14 Prozent der Gruppe, die in<br />

die gymnasiale Oberstufe einer Gesamtschule oder des Gymnasiums wechseln wird, sagen,<br />

dass sie eigentlich lieber eine Berufsausbildung absolvieren würden. Auch an dieser Stelle<br />

werden höhere Aspirationen der Mädchen deutlich: In einem multivariaten Modell hat neben<br />

dem erwartbar starken positiven Effekt der voraussichtlich besuchten Schulform nur die Geschlechtszugehörigkeit<br />

einen signifikanten (negativen) Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass der weitere Schulbesuch nur eine zweite Wahl angesichts der Wahrnehmung, auf dem<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt chancenlos zu sein, darstellt. Für die Schülerinnen stellt der weitere<br />

Schulbesuch signifikant häufiger als für männliche Schüler die erste Wahl dar, was wiederum<br />

auch mit geschlechtspezifischen Berufswünschen zusammenhängt. Keine Einflüsse sind<br />

dagegen in diesem Modell für das Bildungsniveau der Eltern, den Migrationshintergr<strong>und</strong>, die<br />

regionale Herkunft, den Notendurchschnitt des letzten Zeugnisses <strong>und</strong> den Zeitpunkt der<br />

Erhebung nachzuweisen.<br />

Die Anziehungskraft einer dualen Berufsausbildung ist nach wie vor groß: Knapp drei Viertel<br />

der Befragten, die davon ausgehen, nach der Schule eine <strong>Aus</strong>bildung zu absolvieren, streben<br />

eine betriebliche <strong>Aus</strong>bildung an. Zwei Auffälligkeit sind zu berichten: Erstens liegt der<br />

Anteil, der eine schulische Berufsausbildung oder eine <strong>Aus</strong>bildung im öffentlichen Dienst<br />

191


anstrebt, in Duisburg deutlich höher als in den beiden Landkreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve. Dies<br />

dürfte auf die bessere <strong>Aus</strong>bildungsinfrastruktur <strong>und</strong> die höhere räumliche Verdichtung in<br />

Duisburg zurückzuführen sein, aber es zeigt zugleich, dass entsprechende Angebote, wenn<br />

sie bestehen, auch angenommen werden <strong>und</strong> dazu beitragen können, bestehende Lehrstellenlücken<br />

zu schließen. Zweitens geben Mädchen seltener an, eine <strong>Aus</strong>bildung im dualen<br />

System zu anzustreben. Die bestehende Differenz von r<strong>und</strong> 14 Prozentpunkten ist aber nur<br />

teilweise auf die etwas häufigere Wahl von schulischen Berufsausbildungen zurückzuführen,<br />

sondern auch darauf, dass sich die Jungen schneller festlegen, <strong>und</strong> dadurch natürlich auch<br />

eher mögliche Alternativen – etwa eine schulische Berufsausbildung – ausblenden. Vergleicht<br />

man allerdings die konkreten Berufswünsche, dann konzentrieren diese sich bei den<br />

Schülerinnen nach wie vor stärker als bei ihren männlichen Mitschülern auf relativ wenige<br />

Bereiche.<br />

Gefragt, ob sie Schwierigkeiten erwarten, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz im Wunschberuf zu bekommen,<br />

ergibt sich im Durchschnitt der Befragten das Bild eines stark gedämpften Optimismus,<br />

das allerdings zwischen den verschiedenen Gruppen beträchtlich variiert. Wie realistisch<br />

die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ihre Situation einschätzen, wird deutlich, wenn man<br />

sieht, dass Befragte mit schlechteren Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt auch deutlich<br />

pessimistischer in die Zukunft schauen. Optimistischer schauen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler,<br />

die aus Familien mit hohem Bildungsniveau stammen, die keinen Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

besitzen, männlichen Geschlechts sind, die Realschule besuchen <strong>und</strong> die besseren Schulleistungen<br />

vorzuweisen haben, in ihre Zukunft.<br />

Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nutzen eine Vielzahl – im Schnitt werden knapp 12 genannt –<br />

unterschiedlicher Informationsquellen im Verlauf des Berufsorientierungsprozesses. Fast alle<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben die in den Curricula der der Schulen verankerten <strong>und</strong> deshalb<br />

obligatorischen Betriebspraktika <strong>und</strong> Besuche des Berufsinformationszentrums der Arbeitsagentur<br />

(BIZ) genutzt. Unter den zehn am häufigsten genutzten Informationsquellen<br />

findet man darüber hinaus weitere schriftliche bzw. internetbasierte Informationsangebote<br />

der Arbeitsagentur, sowie die Presse <strong>und</strong> beide Elternteile <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e/Bekannte. Der berufsk<strong>und</strong>liche<br />

Unterricht / das Fach Arbeitslehre <strong>und</strong> persönliche Gespräche mit Lehrern sowie<br />

Betriebsbesichtigungen/Erk<strong>und</strong>ungen fallen aus dieser Spitzengruppe bereits heraus,<br />

werden aber immerhin noch von r<strong>und</strong> der Hälfte der Befragten angegeben. Schaut man sich<br />

allerdings an, wie die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den konkreten Nutzen der unterschiedlichen<br />

Informationsangebote einschätzen, dann ergeben sich beträchtliche Verschiebungen innerhalb<br />

der Rangfolge. An der Spitze stehen zwar auch hier die Betriebspraktika, deren Nutzen<br />

für die persönliche Berufswahl von den Befragten am höchsten bewertet wird, während vor<br />

allem die medialen Informationsangebote der Arbeitsagenturen deutlich zurückfallen. Subjektiv<br />

hoch bewertet werden neben der beruflichen Primärerfahrung eines Praktikums vor allem<br />

192


Informationsquellen, die in Form eines Gespräches die Person <strong>und</strong> die individuelle Situation<br />

der Jugendlichen berücksichtigen. Dazu zählen neben Gesprächen mit Eltern, Geschwistern,<br />

Verwandten auch die Berufsberatung <strong>und</strong> das Gespräch mit Lehrern. Wichtiger <strong>und</strong> subjektiv<br />

hilfreicher als alle medialen Angebote, von Broschüren über Bücher bis hin zum Internet,<br />

sind für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf der einen Seite berufliche Primärerfahrungen <strong>und</strong><br />

auf der anderen Seite Beratungsangebote, bei denen die Person in ihrer Individualität wahrgenommen<br />

wird <strong>und</strong> in einer interaktiven Gesprächssituation die individuellen Interessen <strong>und</strong><br />

Ziele konkretisiert <strong>und</strong> auf die Gegebenheiten der Situation bezogen werden können.<br />

Dennoch ist für einen Erfolg versprechenden Berufsorientierungsprozess die Breite der berücksichtigten<br />

Informationen von besonderer Bedeutung. Nimmt man die Zahl der verschiedenen<br />

benutzten Informationsquellen als Indikator für die Breite der Informationen, dann wird<br />

das Informationsverhalten u.a. von Faktoren, wie der Einstellung zur Schule <strong>und</strong> der Lesepraxis,<br />

positiv beeinflusst. Werden diese Faktoren gemeinsam mit dem Erhebungszeitpunkt,<br />

der aktuell besuchten Schulform, dem Geschlecht, der Familienstruktur, dem Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />

<strong>und</strong> den Pläne für die Zeit nach der aktuell besuchten Schule kontrolliert, dann hat<br />

das Bildungsniveau des Elternhauses keinen signifikanten Effekt mehr auf das Informationsverhalten.<br />

Dies gilt auch für den Migrationshintergr<strong>und</strong> als solchen, der nur bei den Befragten,<br />

bei denen aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass die Umgangssprache im Elternhaus nicht<br />

deutsch ist, sprachliche Defizite zu vermuten sind, die Zahl der genutzten Informationen signifikant<br />

senkt. Offensichtlich sind auch für den Prozess der Berufsorientierung sprachliche<br />

Kompetenzen, zu denen insbesondere Lesekompetenz zählt, von besonderer Bedeutung.<br />

Unabhängig davon zeigt sich auch an dieser Stelle wieder ein Vorteil der Schülerinnen, die<br />

sich offenbar breiter informieren <strong>und</strong> im Schnitt r<strong>und</strong> eine Informationsquelle mehr als ihre<br />

männlichen Mitschüler nutzen. Unabhängig von der individuellen Ebene des Informationsbeschaffungsverhaltens<br />

bestehen aber auch große Differenzen zwischen den einzelnen Schulen,<br />

die ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern offenbar in unterschiedlichem Umfang Zugänge zu<br />

Informationsquellen öffnen. Die Tatsache, dass die Zahl der durchschnittlich von den Befragten<br />

einer Schule genutzten Informationsquellen zwischen 9,7 <strong>und</strong> 13,2 variiert, weist auf ungenutzte<br />

Potenziale in einigen Schulen hin <strong>und</strong> lässt vermuten, dass das Angebot teilweise<br />

noch verbesserungsfähig ist.<br />

Die Jugendlichen sehen sich über inhaltliche Dimensionen der von ihnen in die engere Wahl<br />

genommenen Berufe (berufliche Tätigkeiten, Anforderungen <strong>und</strong> formale Voraussetzungen)<br />

besser informiert, als über Aspekte, wie die <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region oder die<br />

Sicherheit der beruflichen Zukunft. Generell hängt der Grad der subjektiven Informiertheit mit<br />

der Zahl der genutzten Informationsquellen, mit dem Bildungsabschluss der Eltern <strong>und</strong> der<br />

besuchten Schule zusammen, während signifikante Einflüsse der Schulform <strong>und</strong> des Migrationhintergr<strong>und</strong>es<br />

nur bei einigen der erhobenen Aspekte nachweisbar sind. Schülerinnen<br />

193


<strong>und</strong> Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> fühlen sich signifikant häufiger als ihre deutschen Mitschüler<br />

über die Tätigkeiten in den sie interessierenden Berufen, deren Eingangsvoraussetzungen<br />

<strong>und</strong> geistige Anforderungen, die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten <strong>und</strong> die Zukunftsperspektiven<br />

der Berufe nur unzureichend informiert.<br />

Die Analysen haben gezeigt, dass zwischen den einzelnen Schulen, sowohl was die Zahl der<br />

genutzten Informationsquellen angeht als auch im Hinblick auf den Grad, zu dem sich die<br />

Schüler bezüglich verschiedener für die Berufswahl relevanter Bereiche informiert sehen,<br />

beträchtliche Unterschiede bestehen. Unterschiede zwischen den Schulen hinsichtlich des<br />

schulischen Angebotes zur Bewältigung des Übergangs in den Beruf werden auch von den<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern gesehen. Gebeten, das schulische Angebot zur Vorbereitung auf<br />

die Berufswahl, die Bewerbung, Einstellungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche mit Schulnoten<br />

zu beurteilen, zeigt sich eine große Varianz der Bewertungen zwischen den Schulen. Auch<br />

wenn in allen vier Bereichen signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen<br />

nachgewiesen werden können, so sind diese doch besonders ausgeprägt hinsichtlich der<br />

Vorbereitung auf Einstellungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche. Im Schnitt sind die Jugendlichen<br />

mit der Vorbereitung auf die Anforderungen in diesen beiden im Bewerbungsprozess<br />

wichtigen Anforderungen ohnehin deutlich weniger zufrieden, als mit dem in den Lehrplänen<br />

stärker verankerten Erlernen des Erstellens einer schriftlichen Bewerbung. Die Daten zeigen<br />

darüber hinaus, dass einige Schulen hier bereits wesentlich weiter sind als andere <strong>und</strong> offenbar<br />

besser in der Lage sind, ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern zu helfen, den Übergang zu<br />

bewältigen. Das gilt auch, wenn Einstellungen zur Schule, Leistungen, Bildungsniveau der<br />

Eltern, Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> andere Faktoren kontrolliert werden. Aber nicht nur das<br />

Angebot der Schule als Institution beeinflusst die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung.<br />

<strong>Aus</strong> Sicht der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler kommt darüber hinaus engagierten Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrern, von denen die Jugendlichen im Prozess der Berufsorientierung <strong>und</strong> Berufswahl<br />

Unterstützung erfahren, eine besondere Bedeutung zu <strong>und</strong> beeinflusst ihre Bewertung<br />

der schulischen Berufsvorbereitung signifikant.<br />

194


7 Tabellenanhang<br />

Tabelle A 1 Befragte der ersten Erhebungswelle (2005) nach Schulform <strong>und</strong> Region<br />

(unbereinigt)<br />

Region Gesamt<br />

Duisburg Kleve Wesel<br />

Hauptschule Anzahl 231 228 212 671<br />

% von Schulform 34,4 34,0 31,6 100,0<br />

% von Kreis 40,2 69,3 35,5 44,8<br />

% der Gesamtzahl 15,4 15,2 14,1 44,8<br />

Realschule Anzahl 96 101 260 457<br />

% von Schulform 21,0 22,1 56,9,4 100,0<br />

% von Kreis 16,7 30,7 43,6 30,5<br />

% der Gesamtzahl 6,4 6,7 17,3 30,5<br />

Gesamtschule Anzahl 247 0 124 371<br />

% von Schulform 66,6 ,0 33,4 100,0<br />

% von Kreis 43,0 ,0 28,9 24,7<br />

% der Gesamtzahl 16,5 ,0 8,3 24,7<br />

Gesamt Anzahl 574 496 429 1499<br />

% von Schulform 38,3 21,9 39,8 100,0<br />

% von Kreis 100,0 100,0 100,0 100,0<br />

% der Gesamtzahl 38,3 21,9 39,8 100,0<br />

Tabelle A 2 Herkunftsländer der Mütter von Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Kreis Gesamt<br />

Duisburg Kleve Wesel<br />

Türkei 52,3% 28,8% 27,2% 41,4%<br />

Frühere Sowjetunion <strong>und</strong> Osteuropa 16,3% 47,4% 42,0% 28,9%<br />

Naher <strong>und</strong> mittlerer Osten sowie Nordafrika 14,0% 3,4% 3,7% 9,3%<br />

Andere Länder 3,5% 11,9% 9,9% 6,7%<br />

Früheres Jugoslawien <strong>und</strong> Albanien 7,6% 3,4% 7,4% 6,7%<br />

Griechenland, Italien, Spanien, Portugal 5,2% 1,7% 2,5% 3,8%<br />

BeNeLux, A, CH, GB, F, USA, CA 1,1% 3,4% 7,4% 3,2%<br />

Gesamt Anzahl 172 59 81 312<br />

100% 100% 100% 100%<br />

195


Tabelle A 3 OLS-Regression der Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten Informationsquellen<br />

auf strukturelle <strong>und</strong> individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale (Modell II)<br />

196<br />

Regressionskoeffizienten<br />

B<br />

Unstandardisiert<br />

Beta<br />

Standardisiert Signifikanz<br />

(Konstante)<br />

Schule (Basiskategorie Schule 20)<br />

11,88 ,000<br />

1 -,24 -,01 ,775<br />

2 ,70 ,05 ,228<br />

3 ,27 ,01 ,710<br />

4 -,25 -,01 ,711<br />

5 -,39 -,02 ,642<br />

6 -,18 -,01 ,871<br />

7 1,83 ,08 ,012<br />

8 -,60 -,03 ,408<br />

9 -2,48 -,10 ,002<br />

10 -,45 -,01 ,731<br />

11 ,09 ,00 ,915<br />

12 -1,50 -,07 ,038<br />

13 -1,21 -,04 ,152<br />

14 -1,36 -,07 ,043<br />

15 ,80 ,03 ,292<br />

16 ,05 ,00 ,940<br />

17 -1,02 -,04 ,214<br />

18 -1,73 -,06 ,045<br />

19 ,07 ,00 ,927<br />

21 -,50 -,03 ,418<br />

22 1,12 ,07 ,066<br />

23 ,38 ,03 ,484<br />

Geschlecht (Frau) ,92 ,11 ,000<br />

Familienstruktur: Lebt mit beiden Elternteilen<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />

,32 ,03 ,237<br />

Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />

Deutsch als Umgangssprache<br />

-,08 -,01 ,821<br />

Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch -,67 -,03 ,260<br />

Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />

-1,12 -,07 ,019<br />

Mittlere Reife ,67 ,07 ,045<br />

Hauptschule ,10 ,01 ,768<br />

Anderer oder kein Schulabschluss ,53 ,03 ,351<br />

Weiß nicht<br />

Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Schulleistungen<br />

-,77 -,07 ,041<br />

Ich gehe gerne zur Schule (Zustimmung) ,42 ,12 ,000<br />

Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch (*-1)<br />

Lesepraxis<br />

,27 ,04 ,180<br />

v_171 Bücher zur Unterhaltung ,05 ,02 ,638<br />

v_172 Sachbücher ,32 ,09 ,004<br />

v_174 Tageszeitungen<br />

Pläne für die Zeit nach dem 10. Schuljahr<br />

Berufsausbildung (Basiskategorie)<br />

,29 ,10 ,001<br />

Weiter zur Schule -,59 -,07 ,022<br />

Weiß noch nicht -,73 -,06 ,041<br />

R²= ,151 F= 5,618 Signifikanz F=,000 n= 1235<br />

Anmerkungen: Modell I, bei dem statt der aktuell besuchten Schule der Erhebungszeitpunkt, die Schulform <strong>und</strong> die Region kontrolliert werden,<br />

wird in Tabelle 20 wiedergegeben.<br />

Zu den <strong>Aus</strong>prägungen der unabhängigen Variablen vgl. die Abbildungen 6 bis 8. Im Unterschied zur Abbildung 7 handelt es sich hier um den nicht<br />

ger<strong>und</strong>eten Notendurchschnitt, der aus Darstellungsgründen mit dem Faktor -1 multipliziert wurde. Da in diesem Modell der erst ab September<br />

erhobene Notendurchschnitt als Prädiktorvariable benutzt wird, basieren die Berechnungen nur auf Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die im ersten<br />

Halbjahr des 10. Schuljahres befragt wurden.


Tabelle A 4 Regression der schulischen Vorbereitung auf die Berufswahl im Urteil der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />

Individualmerkmale<br />

Regressionskoeffizienten<br />

B<br />

Beta<br />

Unstandardisiert Standardisiert Signifikanz<br />

(Konstante)<br />

I Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />

-2,440 ,000<br />

1 -,058 -,007 ,809<br />

2 ,429 ,102 ,009<br />

3 ,290 ,046 ,156<br />

4 ,389 ,070 ,040<br />

5 ,737 ,093 ,002<br />

6 ,722 ,061 ,031<br />

7 ,410 ,066 ,044<br />

8 ,402 ,066 ,049<br />

9 ,219 ,027 ,385<br />

10 1,099 ,085 ,004<br />

11 ,019 ,002 ,940<br />

12 ,237 ,037 ,256<br />

13 -,722 -,090 ,003<br />

14 -,010 -,002 ,960<br />

15 ,294 ,043 ,172<br />

16 ,110 ,019 ,576<br />

17 ,383 ,050 ,104<br />

18 ,457 ,051 ,087<br />

19 ,434 ,072 ,029<br />

21 ,427 ,089 ,015<br />

22 ,665 ,142 ,000<br />

23<br />

II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />

,281 ,077 ,062<br />

Geschlecht: Frau<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie: Kein Migrationshintergr<strong>und</strong>)<br />

,008 ,003 ,904<br />

Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />

Deutsch als Umgangssprache<br />

-,066 -,018 ,518<br />

Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,018 ,003 ,915<br />

Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />

,003 ,001 ,980<br />

Mittlere Reife ,187 ,069 ,050<br />

Hauptschule ,246 ,089 ,012<br />

Anderer oder kein Schulabschluss ,145 ,028 ,386<br />

Weiß nicht<br />

III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />

,371 ,118 ,001<br />

Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung (*-1) ,071 ,067 ,021<br />

Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch *(-1)<br />

Lesepraxis<br />

-,171 -,062 ,017<br />

Bücher zur Unterhaltung ,016 ,018 ,579<br />

Sachbücher ,004 ,004 ,895<br />

Tageszeitungen<br />

IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />

-,026 -,030 ,286<br />

Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />

<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />

,036 ,121 ,000<br />

Tätigkeiten im Beruf (*-1) ,041 ,029 ,395<br />

Eingangsvoraussetzungen? (*-1) -,085 -,071 ,031<br />

Körperliche Anforderungen? (*-1)<br />

Geistige Anforderungen? (*-1)<br />

,046<br />

,026<br />

,039<br />

,022<br />

,277<br />

,547<br />

Arbeitszeiten? (*-1) ,059 ,058 ,067<br />

Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? (*-1) -,026 -,027 ,551<br />

Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? (*-1) -,018 -,019 ,665<br />

Sicherheit der beruflichen Zukunft? (*-1) ,051 ,049 ,145<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? (*-1) ,059 ,059 ,070<br />

Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />

mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung (*-1)<br />

,326 ,345 ,000<br />

R² = ,279<br />

Anmerkungen:<br />

F = 8,900 Sig. F = ,000 N = 1106<br />

Zu den <strong>Aus</strong>prägungen der unabhängigen Variablen vgl. die Abbildungen 6 bis 8. Im Unterschied zur Abbildung 7 handelt es sich hier um den nicht<br />

ger<strong>und</strong>eten Notendurchschnitt. Die Berechnungen basieren nur auf Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres befragt<br />

wurden. Die Zielvariable wurde mit (-1) multipliziert. Wurde bei Prädiktoren die Richtung der Kodierung abweichend vom Kodeplan umgepolt, so<br />

wird dies durch (-1) hinter der Bezeichnung angezeigt.<br />

197


Tabelle A 5 Regression der schulischen Vorbereitung auf die Erstellung von Bewerbungen<br />

im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />

Individualmerkmale<br />

Regressionskoeffizienten<br />

B<br />

Beta<br />

Unstandardisiert Standardisiert Signifikanz<br />

(Konstante)<br />

Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />

-2,555 ,000<br />

1 ,178 ,024 ,462<br />

2 -,124 -,030 ,465<br />

3 ,022 ,004 ,918<br />

4 ,338 ,064 ,081<br />

5 ,499 ,066 ,044<br />

6 ,819 ,072 ,018<br />

7 ,611 ,103 ,004<br />

8 ,305 ,052 ,149<br />

9 ,142 ,018 ,585<br />

10 ,694 ,056 ,073<br />

11 -,307 -,040 ,237<br />

12 ,026 ,004 ,904<br />

13 -,643 -,083 ,010<br />

14 ,036 ,007 ,854<br />

15 ,389 ,059 ,079<br />

16 -,127 -,022 ,529<br />

17 -,215 -,029 ,374<br />

18 ,480 ,056 ,081<br />

19 ,321 ,055 ,117<br />

21 ,499 ,108 ,005<br />

22 ,439 ,097 ,013<br />

23<br />

II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />

,249 ,072 ,107<br />

Geschlecht: Frau<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />

,022 ,009 ,758<br />

Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />

Deutsch als Umgangssprache<br />

,021 ,006 ,842<br />

Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,144 ,026 ,401<br />

Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />

Höchster Schulabschluss Eltern (Basiskategorie: Fachabitur / Abitur)<br />

-,014 -,003 ,923<br />

Mittlere Reife ,216 ,084 ,028<br />

Hauptschule ,333 ,125 ,001<br />

Anderer oder kein Schulabschluss ,122 ,024 ,478<br />

Weiß nicht<br />

III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />

,142 ,047 ,204<br />

Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung (*-1) ,030 ,030 ,344<br />

Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch *(-1)<br />

Lesepraxis<br />

-,075 -,037 ,208<br />

Bücher zur Unterhaltung ,023 ,027 ,432<br />

Sachbücher ,012 ,013 ,713<br />

Tageszeitungen<br />

IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />

,061 ,073 ,015<br />

Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />

<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />

,029 ,101 ,001<br />

Tätigkeiten im Beruf (*-1) ,071 ,051 ,159<br />

Eingangsvoraussetzungen? (*-1) -,023 -,020 ,567<br />

Körperliche Anforderungen? (*-1) ,017 ,015 ,698<br />

Geistige Anforderungen? (*-1) -,020 -,018 ,642<br />

Arbeitszeiten? (*-1) ,063 ,065 ,059<br />

Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? (*-1) -,010 -,010 ,826<br />

Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? (*-1) -,019 -,021 ,660<br />

Sicherheit der beruflichen Zukunft? (*-1) -,031 -,031 ,387<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? ,055 ,058 ,097<br />

Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />

mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung (*-1)<br />

,184 ,203 ,000<br />

R² = ,172 F = 4,794 Sig. F = ,000 N = 1109<br />

Anmerkungen: Siehe Tabelle A4<br />

198


Tabelle A 6 Regression der schulischen Vorbereitung auf Einstellungstests im Urteil der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale<br />

Regressionskoeffizienten<br />

B<br />

Beta<br />

Unstandardisiert Standardisiert Signifikanz<br />

(Konstante)<br />

Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />

-3,574 ,000<br />

1 ,037 ,004 ,891<br />

2 1,094 ,219 ,000<br />

3 1,084 ,147 ,000<br />

4 1,284 ,197 ,000<br />

5 1,102 ,116 ,000<br />

6 1,965 ,142 ,000<br />

7 1,109 ,152 ,000<br />

8 -,038 -,005 ,871<br />

9 ,135 ,014 ,643<br />

10 1,502 ,099 ,001<br />

11 ,464 ,049 ,111<br />

12 ,296 ,039 ,219<br />

13 -,182 -,019 ,516<br />

14 ,146 ,022 ,511<br />

15 -,286 -,036 ,247<br />

16 -,235 -,034 ,299<br />

17 ,400 ,044 ,145<br />

18 -,232 -,021 ,459<br />

19 1,499 ,210 ,000<br />

21 1,315 ,231 ,000<br />

22 1,208 ,219 ,000<br />

23<br />

II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />

,193 ,045 ,264<br />

Geschlecht: Frau<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />

-,093 -,032 ,242<br />

Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />

Deutsch als Umgangssprache<br />

-,056 -,013 ,640<br />

Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,082 ,012 ,669<br />

Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />

-,012 -,002 ,942<br />

Mittlere Reife ,241 ,076 ,029<br />

Hauptschule ,214 ,065 ,059<br />

Anderer oder kein Schulabschluss ,226 ,036 ,243<br />

Weiß nicht<br />

III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />

,272 ,074 ,030<br />

Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung (*-1) ,095 ,076 ,007<br />

Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch *(-1)<br />

Lesepraxis<br />

-,117 -,048 ,080<br />

Bücher zur Unterhaltung ,057 ,056 ,077<br />

Sachbücher ,029 ,025 ,433<br />

Tageszeitungen<br />

IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />

,006 ,006 ,819<br />

Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />

<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />

,029 ,084 ,003<br />

Tätigkeiten im Beruf(*-1) ,030 ,018 ,596<br />

Eingangsvoraussetzungen? (*-1) ,013 ,009 ,773<br />

Körperliche Anforderungen? (*-1) -,021 -,015 ,675<br />

Geistige Anforderungen? (*-1) ,014 ,010 ,769<br />

Arbeitszeiten? (*-1) ,079 ,066 ,034<br />

Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? (*-1) -,059 -,052 ,231<br />

Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? (*-1) ,090 ,081 ,063<br />

Sicherheit der beruflichen Zukunft? (*-1) -,042 -,035 ,296<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? (*-1) ,045 ,039 ,222<br />

Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />

mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung (*-1)<br />

,226 ,203 ,000<br />

R² = ,311 F = 10,342 Sig. F = ,000 N = 1103<br />

Anmerkungen: Siehe Tabelle A4<br />

199


Tabelle A 7 Regression der schulischen Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche im Urteil<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale<br />

Regressionskoeffizienten<br />

B<br />

Beta<br />

Unstandardisiert Standardisiert Signifikanz<br />

(Konstante)<br />

Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />

-3,328 ,000<br />

1 -,051 -,005 ,857<br />

2 ,702 ,132 ,000<br />

3 ,806 ,103 ,001<br />

4 1,495 ,216 ,000<br />

5 ,820 ,081 ,006<br />

6 1,801 ,122 ,000<br />

7 1,351 ,175 ,000<br />

8 ,978 ,128 ,000<br />

9 ,423 ,041 ,165<br />

10 ,753 ,047 ,098<br />

11 ,114 ,011 ,707<br />

12 ,319 ,039 ,205<br />

13 -,743 -,074 ,012<br />

14 ,919 ,130 ,000<br />

15 ,063 ,007 ,809<br />

16 -,093 -,013 ,695<br />

17 ,673 ,070 ,018<br />

18 ,636 ,057 ,049<br />

19 ,989 ,131 ,000<br />

21 1,745 ,289 ,000<br />

22 1,334 ,227 ,000<br />

23<br />

II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />

,164 ,036 ,367<br />

Geschlecht: Frau<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />

-,041 -,013 ,621<br />

Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />

Deutsch als Umgangssprache<br />

,078 ,017 ,533<br />

Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,364 ,050 ,070<br />

Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />

Höchster Schulabschluss Eltern<br />

Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />

,068 ,011 ,689<br />

Mittlere Reife ,155 ,046 ,179<br />

Hauptschule ,096 ,028 ,419<br />

Anderer oder kein Schulabschluss ,517 ,078 ,011<br />

Weiß nicht<br />

III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />

,102 ,026 ,437<br />

Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung (*-1) ,100 ,076 ,007<br />

Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch (*-1)<br />

Lesepraxis<br />

-,072 -,028 ,304<br />

Bücher zur Unterhaltung ,028 ,026 ,401<br />

Sachbücher ,013 ,011 ,732<br />

Tageszeitungen<br />

IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />

,027 ,025 ,357<br />

Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />

<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />

,035 ,095 ,001<br />

Tätigkeiten im Beruf (*-1) ,024 ,013 ,688<br />

Eingangsvoraussetzungen? (*-1) -,079 -,053 ,096<br />

Körperliche Anforderungen? (*-1) ,146 ,100 ,004<br />

Geistige Anforderungen? (*-1) -,109 -,074 ,035<br />

Arbeitszeiten? (*-1) ,142 ,112 ,000<br />

Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? (*-1) -,052 -,043 ,314<br />

Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? (*-1) ,043 ,037 ,393<br />

Sicherheit der beruflichen Zukunft? (*-1) -,035 -,027 ,415<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? (*-1) ,020 ,016 ,608<br />

Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />

mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung (*-1)<br />

,293 ,248 ,000<br />

R² = ,326 F = 11,138 Sig. F = ,000 N = 1106<br />

Anmerkungen: Siehe Tabelle A4<br />

200


8 Verzeichnis der Abbildungen<br />

Abbildung 1 Notendurchschnitt der Fächer Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch im letzten<br />

Zeugnis <strong>und</strong> die Pläne für die Zeit nach der Schule..................................................... 122<br />

Abbildung 2 Anzahl der genannten Berufswünsche: Verteilung <strong>und</strong> Mittelwerte............................. 145<br />

Abbildung 3 Man kann ja auch einen Beruf erlernen wollen, bei dem man sich relativ wenige<br />

Chancen ausrechnet, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Wie schätzt du die<br />

Chancen bei deinen Berufswünschen ein? .................................................................. 150<br />

Abbildung 4 Glaubst du, dass es schwierig wird, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in deinem Wunschberuf<br />

zu bekommen? ............................................................................................................. 151<br />

Abbildung 5 Berufswahl im Zeitverlauf ............................................................................................. 154<br />

Abbildung 6 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Erhebungsmonat, Schulform,<br />

besuchter Schule <strong>und</strong> regionaler Herkunft: Mittelwerte................................................ 162<br />

Abbildung 7 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Geschlecht, Vollständigkeit der<br />

Familie, höchstem Schulabschluss der Eltern <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong>:<br />

Mittelwerte .................................................................................................................... 163<br />

Abbildung 8 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Lesepraxis, dem Notendurchschnitt<br />

in den Fächern Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch sowie der Haltung zur Schule<br />

<strong>und</strong> den Plänen für die Zeit nach der Schule: Mittelwerte............................................ 167<br />

Abbildung 9 Informiertheit: Wenn du jetzt an deine wichtigsten Berufswünsche denkst: Wie<br />

ausführlich hast du dich schon über die folgenden Bereiche informiert?..................... 174<br />

Abbildung 10 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angeben, über die Eingangsvoraussetzungen der sie<br />

interessierenden Berufe „sehr genau“ oder „genau“ informiert zu sein, differenziert<br />

nach Bildungs- <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> des Elterhauses: Anteile......................... 178<br />

Abbildung 11 Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage: Wie wichtig waren die folgenden Gründe bei deiner<br />

Entscheidung für diesen Beruf? ................................................................................... 180<br />

Abbildung 12 Unterstützung durch Lehrer: Zustimmung bzw. Ablehnung zu der <strong>Aus</strong>sage: „Bei der<br />

Entscheidung, was ich nach der Schule mache, helfen mir meine Lehrer“:<br />

Durchschnittswerte der Schulen................................................................................... 183<br />

Abbildung 13 Bewertung des schulischen Angebotes zur Vorbereitung auf Berufswahl,<br />

Bewerbungen, Eignungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche: Durchschnittnoten<br />

für die einzelnen Schulen ............................................................................................. 185<br />

201


9 Verzeichnis der Tabellen<br />

Tabelle 1 Befragte der ersten Erhebungswelle (2005) nach Schulform <strong>und</strong> Region 107<br />

Tabelle 2 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der 10. Klassen an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />

der Stadt Duisburg <strong>und</strong> der Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel im Schuljahr 2004/05 107<br />

Tabelle 3 Migrationshintergr<strong>und</strong> der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nach Schulform <strong>und</strong><br />

Region 110<br />

Tabelle 4 Herkunft der Väter von Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> 112<br />

Tabelle 5 Geschlechtsspezifik der Bildungsbeteiligung 113<br />

Tabelle 6 Struktur der Herkunftsfamilie 114<br />

Tabelle 7 Höchster Schulabschluss der Eltern nach Schulform der Kinder (Spaltenprozente) 115<br />

Tabelle 8 Wie stehst du zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen? (Differenziert nach<br />

Schulform <strong>und</strong> Geschlecht) 116<br />

Tabelle 9 Was wirst du voraussichtlich nach Abschluss der 10. Klasse tun? 119<br />

Tabelle 10 Berufsausbildung oder weiter zur Schule? Entscheidungsfindung in der ersten Hälfte<br />

des 10. Schuljahres: Logistische Regressionen 126<br />

Tabelle 11 Was für eine Schule wirst du voraussichtlich besuchen? 130<br />

Tabelle 12 Logistische Regressionen des weiteren Schulbesuchs als (I) Höherqualifikation<br />

<strong>und</strong> als berufsvorbereitenden Maßnahme bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern,<br />

die angeben, weiter zur Schule gehen zu wollen* 135<br />

Tabelle 13 Würdest du, statt weiter zur Schule zu gehen, lieber eine Berufsausbildung machen?<br />

137<br />

Tabelle 14 Lieber Berufsausbildung statt weiter zur Schule? (Logistische Regression) 140<br />

Tabelle 15 Wo wirst du voraussichtlich eine Berufsausbildung absolvieren? 142<br />

Tabelle 16 Berufswahl <strong>und</strong> die <strong>Aus</strong>blendung von Alternativen* 143<br />

Tabelle 17 Die 10 häufigsten Berufswünsche nach Geschlecht <strong>und</strong> Schulform 147<br />

Tabelle 18 Wann hast du dich für diesen Beruf entschieden?* 154<br />

Tabelle 19 Nutzung von Informationsquellen im Berufswahlprozess <strong>und</strong> deren subjektive<br />

Bewertung durch die Befragten (geordnet nach der Nutzungshäufigkeit) 157<br />

Tabelle 20 OLS-Regression der Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten<br />

Informationsquellen auf strukturelle <strong>und</strong> individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale: Modell I 170<br />

Tabelle 21 Zusammenhänge mit dem Grad der Informiertheit zu verschiedenen für<br />

die Berufswahl relevanten Bereichen: Signifikanz (CHI²) 177<br />

Tabelle 22 Regression der schulischen Berufsvorbereitung im Urteil der Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale 188<br />

202


10 Tabellen im Anhang<br />

Tabelle A 1 Befragte der ersten Erhebungswelle (2005) nach Schulform <strong>und</strong> Region<br />

(unbereinigt).................................................................................................................. 195<br />

Tabelle A 2 Herkunftsländer der Mütter von Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong> ............................................................................................. 195<br />

Tabelle A 3 OLS-Regression der Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten Informationsquellen<br />

auf strukturelle <strong>und</strong> individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale (Modell II) ............................. 196<br />

Tabelle A 4 Regression der schulischen Vorbereitung auf die Berufswahl im Urteil der Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale .............. 197<br />

Tabelle A 5 Regression der schulischen Vorbereitung auf die Erstellung von Bewerbungen im Urteil<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />

Individualmerkmale....................................................................................................... 198<br />

Tabelle A 6 Regression der schulischen Vorbereitung auf Einstellungstests im Urteil der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />

Individualmerkmale....................................................................................................... 199<br />

Tabelle A 7 Regression der schulischen Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche im Urteil der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />

Individualmerkmale....................................................................................................... 200<br />

203


11 Dokumentenanhang<br />

Fragebogen<br />

Anschreiben an Schulen<br />

Elternbriefe<br />

204


Bianca Goertz<br />

Teil C Transferprozesse benachteiligter Jugendlicher /<br />

Inhalt<br />

Migranten in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung – die<br />

Beurteilung aus Sicht der Akteure<br />

1 Forschungsleitende Fragestellungen <strong>und</strong> methodisches Vorgehen......................207<br />

2 Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation/Strukturwandel .......................................208<br />

2.1 Einschätzung der aktuellen <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation ........................................209<br />

2.2 Gründe für das <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit .................................................................209<br />

2.3 Potenziale..............................................................................................................210<br />

2.4 Verb<strong>und</strong>ausbildung................................................................................................211<br />

2.5 Besonders betroffene Personengruppen...............................................................211<br />

3 Duale <strong>Aus</strong>bildung/Außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung/Vollzeitschulische <strong>und</strong><br />

Berufsvorbereitende Maßnahmen .........................................................................213<br />

3.1 Die regionale Situation im Bereich der schulischen <strong>Aus</strong>bildung............................213<br />

3.2 Qualität der Dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Berufschancen im<br />

Vergleich zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungsformen .......................................................214<br />

3.3 Einschätzung der Arbeitsmarktchancen <strong>und</strong> Erhöhung der <strong>Aus</strong>bildungs-<br />

bereitschaft durch zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe ................................................215<br />

3.4 Berufsvorbereitende Maßnahmen .........................................................................216<br />

3.5 Einschätzung der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ) ..............................217<br />

4 Zielgruppe Benachteiligte/Migranten, Förderkulisse .............................................218<br />

4.1 Einschätzung der Gruppe Jugendlicher die, im Hinblick auf ihre Chancen auf<br />

einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz, als besonders benachteiligt angesehen werden. ...........218<br />

4.2 Chancen <strong>und</strong> Nachteile Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong><br />

kultureller Differenzen............................................................................................219<br />

4.3 Einschätzung der <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen im<br />

Kontext erhöhter Chancen Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong>......................220<br />

4.4 Effizienz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit von Förderprogrammen zum Einstieg in <strong>Aus</strong>bildung220<br />

4.5 Durchführung <strong>und</strong>/oder Beteiligung an Maßnahmen, Programmen oder<br />

Projekten ...............................................................................................................220<br />

4.6 Lücken im Angebot der Benachteiligtenförderung.................................................221<br />

4.7 Entwicklung der öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten ....................................222<br />

4.8 Entkoppelung zwischen <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt durch erhöhten<br />

Fördermitteleinsatz ................................................................................................223<br />

5 Berufswahl, Berufswahlorientierung, Transfer.......................................................223<br />

5.1 Probleme beim Übergang der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong><br />

hieraus resultierdender Handlungsbedarf .............................................................225<br />

5.2 Einschätzung des Angebots berufswahlorientierender Maßnahmen ....................226<br />

5.3 Berufswahlorientierung an allgemein bildenden Schulen......................................226<br />

5.4 Überblick über das Berufswahlspektrum ...............................................................228<br />

5.5 Transparenz existierender Angebote/Informationsgrad der Jugendlichen ............229<br />

5.6 Regionale Prägung des Berufswahlverhaltens......................................................230


5.7 Zeitpunkt der beruflichen Orientierung ..................................................................230<br />

5.8 Einschätzung der Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung, allgemein<br />

bildender <strong>und</strong> beruflicher Schulen <strong>und</strong> Unternehmen ...........................................231<br />

5.9 Nutzen von Praktika ..............................................................................................233<br />

6 Institutionelle Lösungsansätze, Netzwerke, Kooperationen von Schulen mit der<br />

Wirtschaft/Perspektiven <strong>und</strong> Trends......................................................................235<br />

6.1 Regionale Kooperationsbeziehungen Netzwerke..................................................235<br />

6.2 Weitere Kooperationsmöglichkeiten <strong>und</strong> -bedarfe/Probleme bei der<br />

Konstituierung von Netzwerken.............................................................................237<br />

6.3 Verbesserungspotenziale/Unterstützungsbedarf...................................................239<br />

6.4 Probleme ohne kurz- bzw. mittelfristige Lösungsmöglichkeiten ............................240<br />

206


1 Forschungsleitende Fragestellungen <strong>und</strong> methodisches Vorgehen<br />

In Ergänzung der empirischen Erhebung, <strong>Aus</strong>wertung <strong>und</strong> Dokumentation der quantitativen<br />

Daten, die zentrale Ergebnisse zur Beurteilung der aktuellen Lage auf dem Arbeits- <strong>und</strong><br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt der Region der Stadt Duisburg sowie der Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve<br />

eröffnete wurde im Projekt eine qualitative Studie auf Basis leitfadengestützter<br />

Experteninterviews durchgeführt.<br />

Notwendig erschien diese zusätzliche Datenerhebung, da die zur Erklärung der komplexen<br />

Problemzusammenhänge im regionalen Übergangsfeld <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung<br />

herangezogenen quantitativen Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktdaten nur über eine mittlere<br />

Reichweite verfügen <strong>und</strong> damit die <strong>Aus</strong>sagekraft einschränken. Zusätzlich erscheinen<br />

Experteninterviews als Methode der empirischen Sozialforschung vor allem dann<br />

unverzichtbar, wenn es sich bei dem Untersuchungsgegenstand um ein schlecht<br />

strukturiertes Phänomen handelt, welches anhand von Strukturdaten selbst nur mittelbar<br />

erklärt werden kann.<br />

Als Experten wurden die institutionellen Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertretern definiert, die aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Funktionen <strong>und</strong> Tätigkeiten im Prozess der beruflichen Orientierung <strong>und</strong> -vorbereitung,<br />

aber auch in den Arbeitsfeldern <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung benachteiligter<br />

Jugendlicher/Migranten in der Stadt Duisburg sowie in den Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve über<br />

wertvolle Kenntnisse <strong>und</strong> Erfahrungen verfügen <strong>und</strong> daher für den Erkenntnisgewinn im<br />

Projekt von zentraler Bedeutung waren. Der Blickwinkel der institutionellen Wirklichkeit ergab<br />

empirische Informationen, die in Teilen die Evaluation innovativer Ansätze zur<br />

Berufswahlorientierung <strong>und</strong> -vorbereitung sowie die Untersuchung regionaler Schnittstellen<br />

<strong>und</strong> Strukturen beruflicher Orientierung ermöglichen <strong>und</strong> neue Perspektiven eröffneten.<br />

Insgesamt bildeten mehr als 25 1 leitfadengestützte Experteninterviews mit Vertreterinnen<br />

<strong>und</strong> Vertretern kommunaler Institutionen wie z. B. der Arbeitsagentur, der RAA <strong>und</strong> der<br />

ARGE, regionaler Industrie- <strong>und</strong> Handwerksorganisation (Kammern), Unternehmen, Schulen<br />

<strong>und</strong> Jugendsozialeinrichtungen der Stadt Duisburg sowie der Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve, die<br />

empirische Basis der Untersuchung. Zudem wurden an dieser Stelle auch die Informationen<br />

ausgewertet, die sich durch die aktive Teilnahme der universitären Forschungsgruppe an<br />

formellen Arbeitskreisen wie z. B. den Beiräten Schule <strong>und</strong> Berufe <strong>und</strong> dem Arbeitskreis<br />

Schule/Wirtschaft, regionalen Informationsveranstaltungen <strong>und</strong> Workshops zu dem<br />

Themenfeld ergaben.<br />

1 Ergänzend zu den 25 im Projekt verorteten Experteninterviews wurden Teilbereiche aus 12 weiteren, in<br />

anderen Projektzusammenhängen durchgeführten, Experteninterviews in die Untersuchung einbezogen.<br />

207


Zur Vorbereitung der Experteninterviews wurden sechs thematische Schwerpunkte gesetzt,<br />

die die Themenbereiche:<br />

Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation/Strukturwandel,<br />

Duale <strong>Aus</strong>bildung/Außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung/Vollzeitschulische Maßnahmen <strong>und</strong><br />

Berufsvorbereitende Maßnahmen,<br />

Zielgruppe Benachteiligte/Migranten, Förderkulisse,<br />

Berufswahl, Berufswahlorientierung, Transfer,<br />

institutionelle Lösungsansätze, Netzwerke, Kooperationen von Schulen mit der<br />

Wirtschaft sowie<br />

Perspektiven <strong>und</strong> Trends<br />

behandeln.<br />

<strong>Aus</strong> diesen untersuchungsleitenden Themenfeldern wurde ein Gesprächsleitfaden konzipiert,<br />

der den Bezugsrahmen für alle Interviews bildete. Damit konnte die Vergleichbarkeit der<br />

Ergebnisse der einzelnen Interviews hergestellt werden. Dennoch kristallisierten sich im<br />

Gesprächsverlauf zum Teil unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte heraus, die der<br />

jeweiligen institutionellen Verankerung der Akteure in der Arbeitsmarktregion geschuldet sind<br />

<strong>und</strong> damit je nach Akteur auch unterschiedlich breit <strong>und</strong> intensiv erörtert wurden. Bei der<br />

Interpretation der Ergebnisse bitten wir, diesen Aspekt zu berücksichtigen.<br />

2 Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation/Strukturwandel<br />

Die Einschätzung der augenblicklichen Situation wie auch der prognostischen Entwicklungen<br />

auf dem Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarkt der Untersuchungsregion erfordert eine umfassende<br />

Analyse der Interdependenzen zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf dem<br />

<strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt. Von Interesse war für die Projektgruppe insbesondere die<br />

Einschätzung der allgemeinen <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation in der Region sowie die<br />

Einschätzung der, vom in der Sek<strong>und</strong>äranalyse identifizierten Mismatch, besonders<br />

betroffenen Personengruppen, wobei auch noch einmal der Fokus auf<br />

geschlechtsspezifische Unterschiede gelegt wurde. Im Hinblick auf die immer noch<br />

gegenwärtige Qualifizierungsdebatte <strong>und</strong> in der <strong>Aus</strong>einandersetzung um die konstatierten<br />

Wissensdefizite bei Jugendlichen einerseits <strong>und</strong> den steigenden Anforderungen der Betriebe<br />

andererseits wurde an dieser Stelle auch nach den, aus der Akteursperspektive gesehenen,<br />

Gründen für das momentane <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit sowie der Einschätzung der<br />

Verb<strong>und</strong>ausbildung gefragt.<br />

208


2.1 Einschätzung der aktuellen <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation<br />

Die <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation wird in der gesamten Untersuchungsregion allgemein als<br />

negativ <strong>und</strong> rückläufig bzw. zunehmend schlechter, teilweise auch katastrophal bezeichnet.<br />

Am positivsten sind <strong>Aus</strong>sagen zur „Stagnation“ anzuführen, auch wenn man aus Sicht der<br />

Kammervertreterinnen <strong>und</strong> -vertreter mit der gegenwärtigen Lage zufrieden ist. Benannt<br />

wurde aber auch, dass das Problem der Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzentwicklung<br />

vielschichtig ist. Ohne Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt sei auch<br />

keine Besserung auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt in Sicht. Hinzu kommt, dass sich die<br />

Wiedervereinigung immer noch belastend auswirke, da deren finanzielle Belastungen die<br />

Probleme verschärfen <strong>und</strong> dies im Vergleich zu anderen europäischen Staaten von Nachteil<br />

zu sein scheint.<br />

2.2 Gründe für das <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit<br />

Auf unternehmerischer Seite scheint von der Gesamtsituation das Handwerk, aufgr<strong>und</strong> der<br />

allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Lage, in der Region besonders betroffen zu sein.<br />

Generell wurde aber auf die „magere“ regionale Infrastruktur bzw. auf eine strukturschwache<br />

Region <strong>und</strong> hiermit verb<strong>und</strong>ene wirtschaftliche Argumente verwiesen. <strong>Aus</strong>bildung müsse<br />

sich aus Sicht der Betriebe rechnen, was immer seltener der Fall <strong>und</strong> somit der Hauptgr<strong>und</strong><br />

für die geringe <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft sei. Wenn, dann werde auf Gr<strong>und</strong> der hohen Kosten<br />

nur für den Eigenbedarf ausgebildet. Die gesellschaftliche <strong>und</strong> soziale Verantwortung zähle<br />

nicht. Eine Image-Frage sei die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft nur noch für Großbetriebe. Das<br />

Argument der Nachwuchsgewinnung durch <strong>Aus</strong>bildung gelte bei den hiervon betroffenen<br />

Betrieben ebenfalls nicht mehr.<br />

Gründe für das <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit werden von den Befragten zudem in gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht ausbildenden Betrieben, dem zunehmenden Konkurs vieler kleinerer Unternehmen (im<br />

Kreis Kleve sind aktuell 33 Jugendliche von einer Insolvenz betroffen) oder auch in der<br />

steigenden Anzahl von 400€-Jobs gesehen. Insbesondere für die Stadt Duisburg galt die<br />

<strong>Aus</strong>sage, dass gerade der Einzelhandel lieber 400 €-Jobber einstelle, da dieser günstiger<br />

<strong>und</strong> qualifizierter seien <strong>und</strong> zudem nicht zur Berufsschule müssen, folglich mehr als drei<br />

Tage in der Woche dem Betrieb zur Verfügung stehen. Genannt wurde jedoch auch die<br />

Verschlechterung der <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation, insbesondere in den letzten drei Jahren,<br />

aufgr<strong>und</strong> der schwindenden Fördermittel <strong>und</strong> der Umstrukturierung des Arbeitsamtes. Ein<br />

weiterer Gr<strong>und</strong> liegt zudem im Abbau der Montanindustrie, durch den regional viele<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplätze weg gebrochen sind. Vor allem auf der rechten Rheinseite könne der<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplatzwegfall durch Zechenschließungen nicht kompensiert werden. Für die Stadt<br />

209


Dinslaken im Kreis Wesel wurde allen voran die Schließung der Zeche Lohberg-Osterfeld<br />

angeführt, die hier ein Drittel aller <strong>Aus</strong>bildungsplätze stellte. Die Kompensation durch die<br />

<strong>Aus</strong>bildung in anderen Unternehmen, überwiegend in den Bereichen Gartenbau <strong>und</strong><br />

Gastronomie, sei nicht immer im ursprünglichen Sinne erfolgreich, da die angespannte<br />

Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt von den Unternehmen, die oft um das eigene<br />

Überleben kämpfen, missbraucht werde (billige Arbeitskräfte durch viele <strong>Aus</strong>bildungsplätze).<br />

Anderweitige Vermittlungsversuche wie z. B. die Bereitstellung von 30 <strong>Aus</strong>bildungsplätzen in<br />

überbetrieblicher <strong>Aus</strong>bildung durch die RAG Bildung oder die Akquisition fünf weiterer<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplätze durch die Initiative „Pro <strong>Aus</strong>bildung“ im Rahmen von STARegio wurden<br />

hingegen auf rein politische Gründe im Zusammenhang mit anstehenden Wahlen<br />

zurückgeführt. Besonders kritisch wurde auch der Abbau von <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong><br />

Arbeitsplätzen bei Großunternehmen gesehen, auch wenn diese noch weiterhin <strong>und</strong><br />

teilweise über Bedarf ausbilden.<br />

Neben mangelnder Flexibilität <strong>und</strong> Mobilität, sind auf Seiten der Jugendlichen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsabbrüche <strong>und</strong> Orientierungslosigkeit defizitär belastet. Gleichzeitig steht im<br />

Raum, dass <strong>Aus</strong>sagen über mangelnde Berufsreife oder auch qualifikatorische Mängel als<br />

Begründung einer geringen <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft häufig nur <strong>Aus</strong>reden seien, da es nach<br />

wie vor besser <strong>und</strong> schlechter qualifizierte Jugendliche gäbe. Jedoch wird von den Befragten<br />

auch festgehalten, dass die Vermittlung von Kompetenzen im Bereich „Bewerbung“<br />

insgesamt absolut spärlich sei. Es fehle hier an der Anleitung, wobei die meisten Eltern dabei<br />

wenig Unterstützung geben, es fehlen auch hier hinreichende Kenntnisse.<br />

2.3 Potenziale<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplatzpotenziale werden bei „traditionellen“ Unternehmen <strong>und</strong> allen voran bei<br />

Unternehmen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> gesehen. Das <strong>Aus</strong>bildungspotenzial ausländischer<br />

Unternehmen müsse aktiviert werden. Dabei wurde darauf verwiesen, dass diese Betriebe<br />

die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter nicht nur arbeiten lassen, sondern ihnen auch einen<br />

Abschluss ermöglichen sollen. Den Interviewpartnern zu Folge rekrutieren gerade türkische<br />

Geschäftsleute verstärkt Arbeitskräfte aus der eigenen Familie. Diese Betriebe seien vor<br />

allem im Einzelhandelbereich angesiedelt (Trinkhallen, Imbissbuden etc.), weswegen eine<br />

<strong>Aus</strong>bildung nicht zwingend nötig <strong>und</strong> die Bereitschaft zur <strong>Aus</strong>bildung nicht gegeben sei. Eine<br />

Aufgabe der Politik, so die <strong>Aus</strong>sage, liege daher in der Sensibilisierung für das Thema<br />

<strong>Aus</strong>bildung. Davon werden dann auch besonders Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

profitieren.<br />

210


2.4 Verb<strong>und</strong>ausbildung<br />

Die Verb<strong>und</strong>ausbildung hat nach Angaben der Experten in der Region keine große<br />

Bedeutung. Auch wenn nach <strong>Aus</strong>sagen des Arbeitsministers Laumann die<br />

Verb<strong>und</strong>ausbildung weiter gestützt <strong>und</strong> gefördert werde, so sei sie doch in ihrer quantitativen<br />

<strong>Aus</strong>prägung in der Untersuchungsregion noch unterrepräsentiert. Als problematisch werden<br />

dabei zwei Aspekte hervorgehoben. Zum einen „fürchten“ sich die Betriebe oft vor der<br />

Weitergabe von Betriebsinterna, zum anderen sei außerdem ein gewisser Stolz vorhanden,<br />

den „Jungen“ selbst ausgebildet zu haben. Im Allgemeinen wird die Verb<strong>und</strong>ausbildung im<br />

Rahmen eines funktionierenden externen <strong>Aus</strong>bildungsmanagements jedoch als eine gute<br />

Alternative betrachtet. Dabei kommen zwei Varianten in Frage: erstens die herkömmliche<br />

betriebliche Verb<strong>und</strong>ausbildung, zweitens die Verb<strong>und</strong>ausbildung im Handling einer<br />

Partnerschaft unter Beteiligung von Betrieb, IHK, HWK <strong>und</strong> Arbeitsagentur etc. Die<br />

zusätzliche Einbindung von Kollegschulen könne sich bei niederschwelligen Angeboten als<br />

sinnvoll erweisen. Nach Angaben der Kammern <strong>und</strong> der ARGE werden sich diese zukünftig<br />

auch stärker in diesem Bereich engagieren, wobei sich als Alternative zur<br />

Verb<strong>und</strong>ausbildung, speziell für Migranten, auch Formen vollzeitschulischer <strong>Aus</strong>bildungen<br />

anbieten würden.<br />

2.5 Besonders betroffene Personengruppen<br />

Von der aktuell negativen <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation sind nach Ansicht der Befragten<br />

vornehmlich Jugendliche ohne Schulabschluss, ohne formale Qualifizierung bzw. in zweiter<br />

Linie mit Hauptschulabschluss betroffen. Der Anteil an Jugendlichen mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> an dieser Gruppe wird insbesondere von den Akteuren in der Stadt<br />

Duisburg als sehr hoch eingeschätzt. Kritisch betrachtet, wird von Seiten der Schulen<br />

diesbezüglich die Arbeit der Arbeitsagenturen, deren Hilfestellung häufig am Schultor ende,<br />

weswegen Jugendliche mit schlechten Startchancen stark benachteiligt seien. Vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> des Facharbeitermangels bestehe hier erheblicher Handlungsbedarf.<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler müssen möglichst viel „allgemein bildende Schule“ mitnehmen.<br />

Allen voran fehle es jedoch an Einfacharbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplätzen für diese<br />

Jugendlichen. Im Vordergr<strong>und</strong> stehe momentan ein Verdrängungswettbewerb, nicht nur<br />

zwischen Abiturienten, Real- <strong>und</strong> Hauptschülern, sondern insgesamt zwischen<br />

Benachteiligten mit <strong>und</strong> ohne Schulabschluss. Diese <strong>Aus</strong>sage wird durch die eines<br />

Bildungsträgers gestützt, der sich dahingehend äußert, dass sich der<br />

Verdrängungswettbewerb auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt verstärkt auch im Bereich der<br />

Berufsvorbereitung fortsetze. Hier werden zunehmend hohe Abschlüsse vorausgesetzt,<br />

Personen mit niedrigeren Abschlüssen werden in andere Maßnahmen verdrängt. Nach<br />

211


Ansicht der Befragten müsse man diesem Problem durch Angebote <strong>und</strong> Praktika im Rahmen<br />

einer ressourcenorientierten Förderplanung entgegensteuern. Berufsvorbereitende<br />

Maßnahmen seien einem Alleingang der Jugendlichen vorzuziehen, da diese sonst ganz von<br />

der Bildfläche verschwinden werden.<br />

Daneben gibt es jedoch auch Ansichten, die keine besonders benachteiligten<br />

Personengruppen in der Region fokussieren, sondern allgemein auf den Trend steigender<br />

Schulabgangszahlen verweisen. <strong>Aus</strong> Sicht einer Gesamtschule lassen sich wegen der<br />

Integration der Realschulen <strong>und</strong> Hauptschulen keine schultypischen Benachteiligungen<br />

feststellen. Vielmehr hänge es von der einzelnen Schule ab, wie gut die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler auf eine <strong>Aus</strong>bildung vorbereitet werden. Dies sei von Schule zu Schule<br />

unterschiedlich 2 , jedoch vom Schultyp gr<strong>und</strong>sätzlich unabhängig. Auch gibt es <strong>Aus</strong>sagen<br />

darüber, dass zwar vor allem „Benachteiligte“ die <strong>Aus</strong>wirkungen der<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplatzentwicklung zu spüren bekommen, jedoch sei hier nach Meinung der<br />

Befragten eine feste Personengruppe nicht mehr klar zu bestimmen. Vielmehr werde diese<br />

Situation langfristig auch gesellschaftliche Konsequenzen haben.<br />

Als benachteiligt wurden auch die Jugendlichen in den ländlichen Gemeinden eingestuft, für<br />

die sich die regionale Verkehrsanbindung problematisch gestaltet. Die <strong>Aus</strong>bildungsvergütung<br />

bedingt in hohem Maße die Flexibilität der <strong>Aus</strong>zubildenden, da diese unter Umständen nicht<br />

einmal genug Geld für eine Monatskarte der Bahn haben.<br />

Geschlechtsspezifische Benachteiligungen werden von den Befragten unterschiedlich<br />

eingeschätzt. Einerseits spielen diese aufgr<strong>und</strong> des generell geringen Angebots an<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplätzen keine wirklich bedeutende Rolle mehr, insbesondere insofern, als dass<br />

sowieso zu wenige <strong>Aus</strong>bildungsplätze für die jeweiligen geschlechtsspezifischen Berufe<br />

vorhanden seinen. Zudem seien die <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse heute „lockerer“, so dass keine<br />

Hindernisse gesehen werden, eine passende Lehrstelle im Handwerksbetrieb für ein<br />

Mädchen oder eine junge Frau zu finden. Als besonders aktiv wurden hier die<br />

Regionalstellen Frau <strong>und</strong> Beruf beschrieben. Auch gebe es im Bereich „Frauen im<br />

Handwerk“ diverse Veranstaltungen wie bspw. Girls Day. Andererseits wurde doch deutlich,<br />

dass sich immer noch zu wenig Frauen bzw. junge Mädchen in typische Männerberufe<br />

(Mechatroniker, Maler, Lackierer) begeben, wohingegen immer mehr männliche Jugendliche<br />

in typische Frauenberufe (Frisör, Einzelhandel…) einmünden. Auch in den<br />

<strong>Aus</strong>bildungsberufen Bankkaufmann/-frau, Kaufmann/-frau für Bürokommunikation <strong>und</strong><br />

Fachinformatiker/in gebe es wohl noch deutliche Unterschiede. Verwiesen wurde zudem<br />

darauf, dass für männliche Jugendliche eine größere <strong>Aus</strong>wahlmöglichkeit (einige körperlich<br />

belastende Berufe seinen für weibliche Jugendliche ungeeignet) bestehe. Auch ein<br />

2 Vgl. hierzu auch Birkelbach, Klaus in diesem Band.<br />

212


unzureichendes Marketing für eher „unattraktive“ <strong>und</strong> unbekannte Berufe wurde bemängelt.<br />

Mädchen seien hier die Verlierer, da sie sich immer noch zu stark auf traditionelle<br />

Frauenberufe konzentrieren.<br />

3 Duale <strong>Aus</strong>bildung/Außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung/Vollzeitschulische <strong>und</strong><br />

Berufsvorbereitende Maßnahmen<br />

Seit den 60er Jahren steht das Duale System der Berufsausbildung hinsichtlich seiner<br />

Leistungsfähigkeit bekanntlich immer wieder in der Kritik. Auch gab es <strong>und</strong> gibt es immer<br />

wieder ausreichend Anlass, nachhaltige Reformen einzufordern. Dabei ist unübersehbar,<br />

dass es gegenwärtig massive qualitative <strong>und</strong> quantitative Mängelzuspitzungen im System<br />

der Berufsausbildung gibt, die es fraglich erscheinen lassen, ob durch das bekannte<br />

Reaktionsmuster dosierter (<strong>und</strong> partiell wirkender) Modernisierungs- <strong>und</strong> Innovationsschübe<br />

die gr<strong>und</strong>sätzliche Frage einer notwendigen „Systemkorrektur“ zur langfristigen<br />

Zukunftssicherung ausgeklammert werden kann. 3 Fragen zur aktuellen Gestaltung der<br />

Situation im Bereich der schulischen <strong>Aus</strong>bildung in der Region, der Einschätzung der<br />

Qualität der Dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> der damit einhergehenden Berufschancen im Vergleich<br />

zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungsformen, aber auch Fragen zu den Mängeln im Dualen System<br />

spielten daher in diesem thematischen Schwerpunkt ebenso eine Rolle wie die Einschätzung<br />

Berufsvorbereitender Maßnahmen oder der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ). Auch<br />

wurde der Trend zu zunehmender Akademisierung bei der Besetzung von Arbeitsplätzen<br />

bzw. ein gestiegener Anspruch an höhere Schulabschlüsse bei der Besetzung von<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplätzen, neben der Eignung zweijähriger <strong>Aus</strong>bildungsberufe (mit geringeren<br />

Anforderungen) zur Erhöhung der <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft der Betriebe, thematisiert.<br />

3.1 Die regionale Situation im Bereich der schulischen <strong>Aus</strong>bildung<br />

In dieser Frage herrschte unter den Befragten Einigkeit. So kann generell die <strong>Aus</strong>sage<br />

unterstrichen werden, dass ein Anstieg der Vollzeitschulformen an den Berufskollegs zu<br />

verzeichnen ist. 4 In diesem Kontext wurde auch darauf verwiesen, dass die Qualifizierung<br />

teilweise sinnvoll sei, andererseits aber auch die Funktion eines Auffangbeckens habe.<br />

3 Vgl. hierzu ausführlicher Dobischat, Rolf (2006): Alte <strong>und</strong> neue Herausforderungen für die beruflichen Schulen<br />

<strong>und</strong> Überlegungen zu ihrer Weiterentwicklung. Referat zur Tagung „Neue Wege in den Beruf“ am 05.05.2006<br />

in Berlin.<br />

4 Vgl hierzu auch Stender, Axel in diesem Band.<br />

213


3.2 Qualität der Dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Berufschancen im<br />

Vergleich zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungsformen<br />

Generell, so die Ansicht der Befragten, biete die betriebliche <strong>Aus</strong>bildung mehr Chancen auf<br />

dem Arbeitsmarkt, auch sei für sämtliche Berufe die Praxis von großer Bedeutung. Die<br />

Qualität der dualen <strong>Aus</strong>bildung wurde deutlich höher eingeschätzt als die vollzeitschulischer<br />

<strong>Aus</strong>bildungen, da diese unter den realistischen Bedingungen bessere Voraussetzungen<br />

biete. Jugendliche, die nicht eine <strong>Aus</strong>bildung im Dualen System absolviert haben, haben es<br />

sicherlich an der zweiten Schwelle schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden als diejenigen, die<br />

es durchlaufen haben. In diesem Sinne verfüge die duale <strong>Aus</strong>bildung über eine höhere<br />

Reputation bei den potenziellen Übernahmebetrieben; die Einstellungschancen nach<br />

erfolgreicher <strong>Aus</strong>bildung seinen als höher anzusehen.<br />

Arbeitsminister Laumann sieht daher das duale <strong>Aus</strong>bildungssystem auch als das<br />

nonplusultra an, wobei die berufliche Bildung zukünftig allerdings auf 3 Säulen fußen wird<br />

(nicht ausschließlich auf dem dualen <strong>Aus</strong>bildungssystem). Folglich wird sich das duale<br />

System weiter zurückbilden <strong>und</strong> die vollzeitschulische <strong>Aus</strong>bildung wird zunehmen.<br />

Als Alternative werden alternative <strong>Aus</strong>bildungsformen jedoch auch positiv wahrgenommen.<br />

„Dann sitzen die wenigstens nicht auf der Straße!“ Auch im theoretischen Bereich, so die<br />

Meinung, seien vollzeitschulische Maßnahmen qualitativ durchaus gut, jedoch können sie<br />

den Praxisanteil dualer <strong>Aus</strong>bildungen nicht kompensieren. Verwiesen wurde in diesem<br />

Zusammenhang auch auf die Abhängigkeit von den jeweiligen Berufen. So sei zwar die<br />

vollzeitschulische <strong>Aus</strong>bildung in manchen <strong>Aus</strong>bildungsberufen sinnvoller, für<br />

Handwerksberufe allerdings ungeeignet, da die Arbeitsabläufe nur im Betrieb erlernbar<br />

seien.<br />

Die betrieblichen Interviewpartner äußerten jedoch auch, dass außerbetriebliche<br />

<strong>Aus</strong>bildungen inhaltlich nicht gr<strong>und</strong>sätzlich als weniger wertig im Vergleich zur dualen<br />

<strong>Aus</strong>bildung angesehen werden. Die Problematik wurde vielmehr bei den Jugendlichen<br />

gesehen, die eine außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung absolviert haben, da diesen eher die<br />

individuellen Vorraussetzungen fehlen. „Man kann die Jugendlichen nicht völlig umpolen <strong>und</strong><br />

aus ihnen in kürzester Zeit selbstbewusst auftretende Arbeitssuchende machen.“ Dem<br />

gegenüber stehen <strong>Aus</strong>sagen von Bildungsträgern, die die Vorteile außerbetrieblicher<br />

<strong>Aus</strong>zubildender betonen. Die Jugendlichen können sich besser auf die theoretische Prüfung<br />

vorbereiten, da die <strong>Aus</strong>bildungen zeitlich flexibler gestaltet seien <strong>und</strong> die Jugendlichen im<br />

Bezug auf ihre individuellen Bedürfnisse mehr Unterstützung erfahren. Zudem lerne ein<br />

Azubi im Dualen System manchmal nur einen kleinen <strong>Aus</strong>schnitt aus seinem Beruf. In der<br />

außerbetrieblichen <strong>Aus</strong>bildung werde alles gelernt werden. Hier hinge vielmehr der<br />

214


Übergang an der zweiten Schwelle von der räumlichen Flexibilität der Jugendlichen ab.<br />

Jugendliche aus dem ländlichen Bereich, wie den Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve, seien oft<br />

bodenständiger. Dabei wurde auch auf einen Zusammenhang von räumlicher Flexibilität <strong>und</strong><br />

der Bildung der Eltern verwiesen. Daneben sei zu beachten, dass die Jugendlichen sich<br />

bereits auf die Realität eingestellt haben. Die Motivation sinke aufgr<strong>und</strong> der bewussten<br />

Situation, es entstehe eine Zwiespältigkeit: einerseits seien die Jugendlichen in ihren<br />

Berufswünschen <strong>und</strong> Vorstellungen unrealistisch, andererseits seien sie völlig desillusioniert.<br />

Zusätzlich wurde von den Berufsschulen die defizitäre Entlassung der Jugendlichen aus der<br />

Sek<strong>und</strong>arstufe I kritisiert; dies sei zwar kein Mangel der dualen <strong>Aus</strong>bildung selbst, wirke sich<br />

aber auf die Qualität der <strong>Aus</strong>bildung aus.<br />

3.3 Einschätzung der Arbeitsmarktchancen <strong>und</strong> Erhöhung der<br />

<strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft durch zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />

Zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe mit geringeren Anforderungen werden nach <strong>Aus</strong>sagen<br />

einiger Befragter als sinnvoll für Jugendliche mit geringerer Vorbildung erachtet.<br />

„Niedrigschwellige <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Stellenangebote sind für die Gruppe der<br />

Benachteiligten hilfreich.“<br />

Auch werde der Bedarf an diesen Berufen gesehen, jedoch nur in geringer Anzahl. Im<br />

Handwerk sind zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe sehr selten (Fahrradmonteur oder Kfz-<br />

Servicemechaniker). Auch nehmen hier einfache Tätigkeiten weiter ab, so dass die<br />

Beurteilung der Betriebe mit „Wenn schon, dann richtig“ in ihrer Kritik durch die<br />

Gewerkschaften, die gegen Einfachausbildungen votieren, gestützt wird.<br />

Generell wurde geäußert, dass es insgesamt zu wenige <strong>Aus</strong>bildungsplätze gebe, so dass<br />

<strong>Aus</strong>bildungsberufe mit geringeren Anforderungen weder die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft noch<br />

die Arbeitsmarktchancen erhöhen können. Auf dem Arbeitsmarkt haben sie eine geringere<br />

Chance auf Anerkennung als dreijährige <strong>Aus</strong>bildungsbilder. Dies findet auch Bestätigung in<br />

den <strong>Aus</strong>sagen der Unternehmen bzw. Unternehmensvertreter. Zur Erhöhung der<br />

<strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft sind zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe nicht geeignet, da die Gründe<br />

für ein Nichtangebot eines <strong>Aus</strong>bildungsplatzes meist wirtschaftlicher Natur seien, so dass<br />

eine verkürzte <strong>Aus</strong>bildung hier keinen Vorteil bringe.<br />

Problematisiert wurde, dass eine zweijährige <strong>Aus</strong>bildung nur dann sinnvoll erscheine, wenn<br />

sie einen modularen Charakter hat, d. h. wenn in kleinen Schritten gearbeitet werde.<br />

Dadurch würde sich einerseits die Motivation der <strong>Aus</strong>zubildenden während der<br />

<strong>Aus</strong>bildungszeit erhöhen, gleichzeitig aber auch die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft der Betriebe<br />

gefördert, da die Qualität in solchen <strong>Aus</strong>bildungsgängen wesentlich höher sei. Das Interesse<br />

der Unternehmen liege überwiegend bei Jugendlichen, die eine qualitativ hochwertige<br />

215


<strong>Aus</strong>bildung absolviert haben. Zukünftig werde es immer weniger Arbeitsplätze für geringfügig<br />

qualifizierte Jugendliche geben, da die Anforderungen in den Unternehmen immer mehr<br />

Kenntnisse erfordern. In diesen Rahmen lässt sich auch die <strong>Aus</strong>sage eines Trägers<br />

einordnen, der in zweijährigen <strong>Aus</strong>bildungsberufen keine Alternative sieht, eine anderweitige<br />

Nachfrage bestehe höchstens nach außerbetrieblicher <strong>Aus</strong>bildung. Eine<br />

Facharbeiterqualifikation sei, mit <strong>Aus</strong>nahme einiger Metallberufe, in der Regel nur über<br />

mindestens drei Jahre möglich. Generell gelte jedoch, dass die (didaktische) Qualität der<br />

<strong>Aus</strong>bildung erhöht werden muss, um auch schwächeren Schülern eine dreijährige<br />

<strong>Aus</strong>bildung zu ermöglichen. Zurzeit finde ein Verdrängungswettbewerb statt, in dem<br />

Personen ohne oder mit niedrigem Schulabschluss in „Maßnahmen“ oder überbetriebliche<br />

<strong>Aus</strong>bildungen abgedrängt werden.<br />

3.4 Berufsvorbereitende Maßnahmen<br />

Überwiegend war den Interviews zu entnehmen, dass Berufsvorbereitende Maßnahmen in<br />

ihrer aktuellen Konzeption keine realen Bildungschancen darstellen, sondern Warteschleifen<br />

für Jugendliche, die die Statistik der Arbeitsagenturen schönigen. Meist handle es sich nur<br />

um ein reines Verwalten der Jugendlichen. Die Maßnahmereform an sich sei noch erheblich<br />

verbesserungswürdig. Zwar haben Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer, die motiviert in die<br />

Maßnahme kommen <strong>und</strong> die ihnen gegebene Chance wirklich nutzen wollen, auch die<br />

Möglichkeit etwas daraus zu machen. Die Anderen (…) hingegen stehen jedoch die<br />

Maßnahmen auf Gr<strong>und</strong> der zu geringen Betreuung meist nicht durch. Oft erscheinen die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler berufsvorbereitender Klassen einfach nicht zum Unterricht.<br />

Darüber seien dann die Schulen zum Teil auch noch froh, da weniger Lehrkräfte eingesetzt<br />

werden müssen. Hier bestehe nach Ansicht einiger Befragter ein Handlungsbedarf, da die<br />

Maßnahmen in ihrer bisherigen Form den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern häufig keine neuen<br />

Perspektiven eröffnen <strong>und</strong> diese daher nur schwer zu motivieren seien.<br />

Dem entgegen kommt die von Arbeitsminister Laumann, lt. einem Interview, geplante<br />

Abschaffung der Vorschulklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr. Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

sollen stattdessen zwei bis drei Tage die Schule besuchen <strong>und</strong> die verbleibende Zeit im<br />

Betrieb verbringen. Hier bestehe die Bereitschaft des Arbeitsministeriums, die Kosten für die<br />

Zeit im Betrieb zu übernehmen. Die Kosten des Schulaufenthalts sollen vom Ministerium für<br />

Schule, Jugend <strong>und</strong> Kinder übernommen werden. Laumann möchte zudem die Diskussion<br />

über den zweiten Berufsschultag beendet wissen. Theoretische <strong>Aus</strong>bildungsanteile sollen<br />

daher auf das erste <strong>und</strong> zweite Jahr verlegt werden.<br />

Die ARGEN weisen insbesondere auf den Zeitraum vor dem Beginn einer<br />

Berufsvorbereitenden Maßnahme <strong>und</strong> dem Übergang zwischen den Maßnahmen hin.<br />

216


Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen beginnen erst am 01.09 eines jeden Jahres.<br />

Wichtig sei es deshalb, den Zeitraum bis dahin zu beachten <strong>und</strong> sinnvoll zu nutzen.<br />

Dementsprechend sei eine gute informelle Zusammenarbeit mit der Berufsberatung, im<br />

Sinne eines Paradigmenwechsels von einer Maßnahme- zu einer Personenorientierung,<br />

notwendig. In diesem Zusammenhang wurde auch noch einmal, wie in vielen Fällen an<br />

anderen Stellen, auf den großen Einschnitt in der Trägerlandschaft durch das neue<br />

Vergabeverfahren über das regionale Einkaufzentrum der Arbeitsagenturen hingewiesen, bei<br />

dem der Kostenaspekt ein große Rolle spiele. Oftmals werden Träger außerhalb der Region<br />

mit geringen Kenntnissen der regionalen Verhältnisse aufgr<strong>und</strong> der niedrigen Preise<br />

bevorzugt.<br />

Es gab jedoch auch positive Äußerungen. Von Seiten einiger Träger zeigten die<br />

durchgeführten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, nach Abschluss, eine gute<br />

Vermittlungsquote. Die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer der im letzten Jahr gestarteten BVB<br />

konnten fast alle in eine <strong>Aus</strong>bildung vermittelt werden. In anderen Fällen nahmen die<br />

Jugendlichen direkt eine Arbeitstätigkeit auf oder absolvierten eine überbetriebliche<br />

<strong>Aus</strong>bildung. Hier sei jedoch zu bemerken, so die Träger, dass Jugendliche häufig in den von<br />

Betrieben als wichtig angesehenen Bereichen Deutsch <strong>und</strong> Mathematik (die Kenntnisse der<br />

Jugendlichen seien hier teilweise erschreckend) sowie in den Schlüsselkompetenzen<br />

Defizite haben. Notwendig sei es daher auch, Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit oder<br />

Entschuldigungen bei Nichterscheinen zu vermitteln. Gleiches galt für einen überregionalen<br />

Träger aus den neuen B<strong>und</strong>esländern, bei dem die Anschlussausbildung fast gesichert sei.<br />

Normalerweise erfolge die Vermittlung in vollzeitschulische <strong>Aus</strong>bildung, Reha oder<br />

außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung. Ergänzend werde jedoch auch hier die Berufsfindung als ein<br />

wesentliches Element des Berufsvorbereitungsjahres (BVJ) angesehen. Wichtig sei auch<br />

eine Stärken-/Schwächenanalyse <strong>und</strong> die Feststellung der Neigungen.<br />

Auch die befragten Berufkollegs schätzen das Berufsvorbereitungsjahr prinzipiell gut ein,<br />

trotzdem hat es ihrer Ansicht nach die Funktion einer Warteschleife. „Da das Absolvieren des<br />

BVJ die Anerkennung des ersten <strong>Aus</strong>bildungsjahres bedeutet, werden die Teilnehmer von<br />

den Betrieben oft nicht berücksichtigt, da sie auf diese <strong>Aus</strong>bildungszeit nicht verzichten<br />

wollen. Daher ist es in der Regel so, dass das Absolvieren des BVJ in den Zeugnissen nicht<br />

erwähnt wird.“<br />

3.5 Einschätzung der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ)<br />

Dass der Vorteil des EQJs in der Möglichkeit liege, erworbene Module innerhalb der<br />

<strong>Aus</strong>bildung auch bei einem erreichten <strong>Aus</strong>bildungsabschluss zertifizieren <strong>und</strong> anerkennen zu<br />

lassen, wird von den Interviewten gesehen. Genannt wurde auch, dass BVJ <strong>und</strong> EQJ<br />

217


Maßnahmen seien, die vielen schulmüden Jugendlichen zugute kommen. Allerdings stelle<br />

das EQJ keine Perspektive für Schulabgänger dar – diese Alternative würde nach Ansicht<br />

eines Experten nur bestehen, wenn es in ein Kooperationsmodell eingegliedert sei. Zudem<br />

liefe es beim EQJ letztendlich auf eine Lehrzeitverlängerung hinaus. Die Jugendlichen im<br />

EQJ haben meist ein hohes Bildungsniveau <strong>und</strong> kommen im Anschluss im Dualen System<br />

unter. Für die Jugendlichen bestehe insofern kein Unterschied, ob ein EQJ Vertrag<br />

geschlossen werde oder nicht – es werden hierdurch nicht unbedingt neue<br />

<strong>Aus</strong>bildungsstellen geschaffen. Überwiegend wird damit auch die Qualität solcher<br />

Maßnahmen in Frage gestellt, da dem EQJ gleich den Berufsvorbereitenden<br />

Bildungsmaßnahmen der Charakter der Aufbewahrung oder Warteschleife zugeschrieben<br />

wird. Vieles gehe in solchen Maßnahmen verloren. Berufsorientierung sollte viel früher<br />

stattfinden. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sollten die Möglichkeit haben sich in ihrer Schulzeit in<br />

möglichst vielen Berufen auszuprobieren, das könne nicht nachgelagert Aufgabe des EQJ<br />

sein.<br />

4 Zielgruppe Benachteiligte/Migranten, Förderkulisse<br />

Das vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung geförderte Programm<br />

"Kompetenzen fördern - <strong>Berufliche</strong> Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem<br />

Förderbedarf (BQF-Programm)“ wurde eingerichtet, um auch benachteiligten jungen<br />

Menschen eine <strong>Aus</strong>bildungschance zu eröffnen. Dabei geht es um eine strukturelle <strong>und</strong><br />

qualitativ-inhaltliche Modernisierung der beruflichen Benachteiligtenförderung einschließlich<br />

einer Verbesserung der beruflichen Integration von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten 5 . Hinsichtlich<br />

dieser Zielsetzungen behandelt der aktuelle Themenbereich Fragen, die sich einerseits mit<br />

der Zuschreibung von Benachteiligungen beschäftigen <strong>und</strong> sich hier explizit auch der Gruppe<br />

der Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten sowie der ausländischer Unternehmen zuwenden.<br />

Andererseits geht es um die Veränderungen im Bereich der Benachteiligtenförderung, die<br />

Effizienz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit von Förderprogrammen, die Lücken im Angebot der<br />

Benachteiligtenförderung <strong>und</strong> um die von den Interviewpartnern eigens durchgeführten<br />

Projekte <strong>und</strong> Maßnahmen in diesem Bereich.<br />

4.1 Einschätzung der Gruppe Jugendlicher die, im Hinblick auf ihre Chancen auf<br />

einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz, als besonders benachteiligt angesehen werden.<br />

Die <strong>Aus</strong>sagen zu diesem Punkt sind sehr vielfältig. Benannt wurden Jugendliche mit<br />

Hauptschulabschluss, aus bildungsfernen Familien, mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> außerdem<br />

auch Jugendliche, deren Entwicklung aus verschiedenen Gründen verzögert sei <strong>und</strong> die<br />

5 Vgl. hierzu ausführlicher www.kompetenzen-foerdern.de.<br />

218


Probleme haben, sich zu integrieren sowie behinderte Jugendliche. Generell sei jedoch<br />

festzustellen, dass sich diese Gruppe, auf Gr<strong>und</strong> der meist nicht gerechtfertigten <strong>und</strong> zu<br />

hoch angesetzten Ansprüche der Betriebe <strong>und</strong> der hieraus entstehenden Anforderungen an<br />

die Bewerber, permanent vergrößere.<br />

Als besonders benachteiligt werden in erster Linie jedoch Jugendliche ohne formalen<br />

Schulabschluss angesehen. Allerdings wird überwiegend kein Unterschied zwischen<br />

„schwachen“ Deutschen <strong>und</strong> Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> oder Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen gesehen. Differenzen eröffnen sich erst bei näherer Betrachtung der<br />

Rahmenbedingungen. So besitzen Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> nach Ansicht der<br />

Befragten häufig ein besseres Sozial- <strong>und</strong> Familiengefüge. Hieraus ergebe sich für diese<br />

Gruppe möglicherweise ein Vorteil, da eine Beschäftigung im Familien- oder<br />

Fre<strong>und</strong>esbetrieb möglich sei. Von Nachteil sei in dieser Hinsicht, dass vor allem junge<br />

Frauen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> oft eine einmal angefangene Maßnahme abbrechen, weil<br />

der väterliche oder brüderliche Teil der Familie dies wünscht. Anders wird die Lage bei den<br />

Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eingeschätzt, die bereits schulisch ausgebildet nach<br />

Deutschland kommen. Diese haben es auf Gr<strong>und</strong> veränderter Anforderungen sehr schwer in<br />

ein Arbeitsverhältnis zu gelangen. In Bezug auf Jugendliche mit osteuropäischem<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> wies ein Interviewpartner auf eine stark ausgeprägte Zielverfolgung<br />

(z. B. ein eigenes Auto) dieser Gruppe Jugendlicher hin, in deren Folge sich die<br />

Jugendlichen intensiver um eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle bemühen.<br />

In den Bereich geschlechtsspezifischer Benachteiligungen fällt die <strong>Aus</strong>sage, dass bei Frauen<br />

häufig das soziale Umfeld für eine Einstellung ausschlaggebend sei. Kinder oder Karriere?<br />

Auch junge Väter <strong>und</strong> Mütter sind den Interviewpartnern zu Folge benachteiligt. Die Firmen<br />

können meist wenig mit den <strong>Aus</strong>zubildenden anfangen, da sie dem Betrieb nur halbtags zur<br />

Verfügung stehen. Spezifische Projekte seien hier gefragt. Von einem Berufskolleg wurde an<br />

dieser Stelle noch einmal darauf verwiesen, dass die Chancen stark von den jeweiligen<br />

Qualifikationen abhingen. Die Jugendlichen unterliegen hier jedoch einem wirtschaftlichen<br />

Druck. Oft werde ein höherer Schulabschluss nicht nachgeholt, da dann kein Einkommen<br />

erzielt werde. Auf Gr<strong>und</strong> finanzieller Verpflichtungen (Handy, Auto etc.) gebe es keine<br />

Verbesserung der Qualifikationen <strong>und</strong> damit keine Perspektiven. Nach <strong>Aus</strong>sage des<br />

Interviewpartners ist die Verschuldung bei den Jugendlichen enorm hoch.<br />

4.2 Chancen <strong>und</strong> Nachteile Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong><br />

kultureller Differenzen<br />

Obgleich die Befragten die Vorteile Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> wahrnehmen, so<br />

different ist die erlebte Realität. Der Anteil der <strong>Aus</strong>zubildenden mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

219


etrage gerade einmal ca. 20%. Nur selten werde gezielt nach Jugendlichen mit besonderen<br />

Sprachkenntnissen für den Einsatz in ausländischen Betriebsorten oder bestimmten<br />

Geschäftsbereichen gesucht. Meist falle bei gleicher Qualifikation die Wahl auf den<br />

deutschen Bewerber bzw. die deutsche Bewerberin. Dabei sei, insbesondere für Duisburg,<br />

die Umgangsprache häufig kein Problem. Türkische Jugendliche, die in Duisburg<br />

aufgewachsen sind, seien umgangssprachlich fit. Das Problem sei vielmehr die berufliche<br />

Fachsprache, die selbst in der Muttersprache häufig nicht präsent sei. Hier seien<br />

Unterstützungsmaßnahmen, wie z. B. die Förderung der Muttersprache in den Schulen,<br />

notwendig. Generell wird der Nachteil in sprachlichen Defiziten, kulturellen Vorurteilen,<br />

niedrigen Bildungsabschlüssen <strong>und</strong> auch dem „Kopftuch am Arbeitsplatz“ gesehen, der sich<br />

eher hemmend auf die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft der Betriebe auswirke.<br />

4.3 Einschätzung der <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen im<br />

Kontext erhöhter Chancen Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Ingesamt wurde geäußert, dass die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen<br />

ausbaufähig sei <strong>und</strong> Potenziale biete. Gesehen wurde auch, dass die Steigerung der<br />

<strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen ein Mittel sei, um die<br />

<strong>Aus</strong>bildungschancen Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> zu erhöhen. Gleichzeitig<br />

wurden jedoch auch verschiedene Probleme angesprochen: Scheinausbilder, fehlende<br />

Sprachkompetenz der ausbildenden Betriebe <strong>und</strong> unterschiedliche Fachinhalte. Zudem<br />

wollen gerade türkische Jugendliche oft nicht in türkischen Unternehmen lernen, da sie<br />

zumeist nach der <strong>Aus</strong>bildung einen sehr eingegrenzten Arbeitsbereich haben.<br />

4.4 Effizienz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit von Förderprogrammen zum Einstieg in <strong>Aus</strong>bildung<br />

Zu diesem Punkt wurden in keinem Interview Angaben gemacht!<br />

4.5 Durchführung <strong>und</strong>/oder Beteiligung an Maßnahmen, Programmen oder Projekten<br />

Fast alle Befragten engagieren sich in der Durchführung oder Beteiligung an Maßnahmen,<br />

Programmen oder Projekten. Die Vielfalt reicht hierbei von der Entwicklung <strong>und</strong><br />

Durchführung von Integrationskursen (Sprach- <strong>und</strong> Orientierungskurse) für Zuwanderer, der<br />

<strong>Aus</strong>bildung von Migranten, der Neuausrichtung der Migrationserstberatung, der Förderung<br />

von Projekten zur sozialen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Eingliederung der in Deutschland<br />

dauerhaft lebenden Spätaussiedler <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder <strong>und</strong> der Entwicklung eines b<strong>und</strong>esweiten<br />

Integrationsprogramms über die einjährige praktische <strong>Aus</strong>bildung schulpflichtiger<br />

Jugendlicher im Berufsförderlehrgang, Modellprojekte der praxisorientierten Vorklasse mit<br />

den Zielgruppen: Schulverweigerer, Jugendliche ohne Aufenthaltsgenehmigung <strong>und</strong> die<br />

220


Qualifizierung <strong>und</strong> Integration arbeitsloser Jugendlicher bis hin zur Vermittlung von<br />

Schlüsselkompetenzen, Motivationsschulungen, beruflicher Orientierung (ab der siebten<br />

Klasse bis in den außerschulischen Bereich) <strong>und</strong> Perspektivenbildung.<br />

Benannt wurden auch Modellprojekte des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder, die in der Regel in den<br />

Bereichen ADAPT, NOW, YOUTHSTART <strong>und</strong> EQUAL angesiedelt sind <strong>und</strong> durch die EU<br />

gefördert werden. Dabei geht es um Projekte zur Individualisierung der Förderstrukturen für<br />

junge Erwachsene oder auch die Mitarbeit an der Entwicklung des neuen Fachkonzepts der<br />

B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit sowie die Konzeption der Kompetenzchecks. Angeführt wurden<br />

auch das Modellprojekt Sprungbrett, das Projekt Werkstatt-Schule, das Bus-Projekt, das<br />

Projekt LOS in Duisburg sowie zahlreiche Mikroprojekte in Kooperation mit allgemein<br />

bildenden Schulen <strong>und</strong> Berufskollegs.<br />

Auf Seiten der Unternehmen bzw. Unternehmensvertreter wurden noch das Projekt ABBEO,<br />

verschiedene Jobbörsen, Projekte im Rahmen von STARegio, die Initiative<br />

„Bewerbungstraining“ in Kooperation mit verschiedenen Firmen <strong>und</strong> öffentlichen Institutionen<br />

angeführt sowie die Förderung der <strong>Aus</strong>bildung in türkischen Betrieben.<br />

Nur sehr selten genannt wurden Projekte oder Maßnahmen für Jugendliche mit<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Einschränkungen sowie die wissenschaftliche Begleitung von Projekten.<br />

Ergänzend sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass mehrere Interviewpartner auf die<br />

Notwendigkeit einer klaren Definition <strong>und</strong> Trennung von Benachteiligungen aufmerksam<br />

machten, da nur so individuelle Maßnahmen angeboten werden können. Auch wurde von<br />

einer Seite erwähnt, dass bei den zahllosen zurzeit laufenden Projekten die jungen<br />

Migranten noch zu kurz kommen.<br />

4.6 Lücken im Angebot der Benachteiligtenförderung<br />

Bemängelt wurde hier, insbesondere von einigen Bildungsträgern, dass es sich in diesem<br />

Bereich häufig leider nur um Pilotprojekte handele, die nicht fortgesetzt werden. Dabei<br />

verlaufe die Förderung dieser Projekte nicht effektiv (flächendeckende Arbeit <strong>und</strong><br />

Erfahrungsaustausch!) Wünschenswert sei ein allgemeines Konzept zum Problembereich:<br />

Integration/Sprachförderung <strong>und</strong> Berufsvorbereitung.<br />

Auch das neue Fachkonzept bringe nach Ansicht der Befragten Vor- <strong>und</strong> Nachteile. Von<br />

Vorteil sei die individuelle Förderung von Jugendlichen da hier eine Stigmatisierung durch<br />

die Unterscheidung von bspw. Lernbehinderten, Lerngestörten usw. entfalle. Nachteile<br />

wurden im Bereich der individuellen <strong>Aus</strong>gestaltung darin gesehen, dass kein geschlossenes<br />

Gruppensetting mehr möglich sei. Die feste Zugehörigkeit (Lehrer/Sozialarbeiter) fehle. Auch<br />

sitzen Bildungsbegleiter mitunter an anderen Standorten, so dass für Jugendlichen, die<br />

221


Unterstützung benötigen, hohe Schwellen entstehen. Gleichfalls können Angebote durch die<br />

neue Vergabepraxis nicht kontinuierlich angeboten werden, d.h. die Maßnahmen liefen<br />

eventuell aus, wenn sie gerade Akzeptanz <strong>und</strong> Bekanntheit erlangten.<br />

Dabei gibt es nach Ansicht der Befragten immer noch zu wenig praktische Angebote für<br />

Jugendliche. Auch solle die Förderung viel früher beginnen, möglichst bereits im<br />

Kindergarten. (…) Talente der Kinder werden gesellschaftlich nicht als Potenziale gesehen.<br />

Gefordert wird ebenfalls eine berufsbegleitende Nachqualifizierung, die zu Abschlüssen<br />

führt. Zurzeit sei alles zu kurzfristig ausgelegt, es mangele an kooperativen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmodellen, in denen das Verhältnis zwischen Bildungsträger <strong>und</strong> Betrieb als<br />

Dienstleistungsverhältnis gesehen werde, in dem der Betrieb Unterstützung erfahre. Den<br />

kooperativen Bereich betreffend wurde gleichwohl Kritik an der Abstimmung der einzelnen<br />

Stellen untereinander (Berufsberatung <strong>und</strong> ARGE) geäußert.<br />

Offen im Raum steht daneben die Äußerung, dass Jugendliche trotz – oder gerade wegen –<br />

der Maßnahmen keine Perspektive haben. Im Reha-Bereich bieten die bisher nach § 65<br />

BBiG geregelten offen stehenden <strong>Aus</strong>bildungsberufe <strong>und</strong>/oder überbetrieblichen<br />

<strong>Aus</strong>bildungen nach erfolgreichem Abschluss meist keine gesteigerte Einstiegschance in<br />

eigenständige Erwerbsarbeit. An dieser Stelle bedarf es augenscheinlich neuer Modelle.<br />

4.7 Entwicklung der öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten<br />

Auch wenn die Einsicht besteht, dass eine neue Vergabeordnung notwendig gewesen sei,<br />

so sind doch die <strong>Aus</strong>sagen zur Umwälzung der Trägerlandschaft, die mit den veränderten<br />

Vergabebedingungen der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit zusammenhängen, konform. Kritisch<br />

betrachtet werden ungleiche Bedingungen, da kleinere regionale Träger meist nicht mit<br />

überregionalen Trägern konkurrieren können. Im Weiteren verfügen diese überregionalen<br />

Träger häufig nicht über ein regionenspezifisches Wissen, auch seien sie nicht in die dortige<br />

Arbeit eingeb<strong>und</strong>en bzw. in Netzwerken verankert. Zudem leide die Qualität der<br />

Maßnahmen, da die Gehaltsspanne enorm gesunken sei. Dies wirke sich demotivierend auf<br />

die Beschäftigen aus, die mit einer immer schwieriger werdenden Klientel arbeiten. Daneben<br />

führe diese Vorgehensweise nicht zu einer Identifikation des Mitarbeiters mit der Arbeit des<br />

jeweiligen Trägers. Insgesamt wird damit das <strong>Aus</strong>schreibungsverfahren als negativ für die<br />

gesamte Branche beurteilt. Lösungsvorschläge wurden in Richtung Sockelbeträge <strong>und</strong> die<br />

Bildung von Bietergemeinschaften gemacht, vor allem um einer Planungsunsicherheit<br />

entgegen zu wirken.<br />

222


4.8 Entkoppelung zwischen <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt durch erhöhten<br />

Fördermitteleinsatz<br />

Eine Gefahr wurde hier von den Interviewten vornehmlich in der Förderung der zweiten<br />

Schwelle gesehen. Nach der <strong>Aus</strong>bildung gebe es schließlich nie eine Übernahmegarantie.<br />

<strong>Aus</strong> Maßnahmen heraus werden die Jugendlichen genauso eingestellt werden wie<br />

diejenigen, die die <strong>Aus</strong>bildung dual durchlaufen haben. Betont wurde in diesem<br />

Zusammenhang jedoch, dass die Fördermittel diesbezüglich für nachhaltige, übertragbare<br />

<strong>und</strong> gut konzipierte Maßnahmen eingesetzt werden sollen, die über eine enge Anbindung an<br />

den regionalen Arbeitsmarkt verfügen. Ansonsten bewirken diese Maßnahmen keine<br />

Verbesserung sondern nur eine Rotation der Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer zwischen<br />

Maßnahme <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit. „Hartz IV-Karrieren“ von der Schule bis zur Rente seien<br />

dabei nicht auszuschließen.<br />

Eine <strong>Aus</strong>sage bezog sich darauf, dass Maßnahmen keine Verbesserung bewirken.<br />

Stattdessen wende der Staat eine gewisse Summe auf, um zu „reparieren“. Hier wurde<br />

vorgeschlagen, die Aufwendungen besser für die Entwicklung eines vernünftigen<br />

Berufsbildungssystems zu verwenden, da der Mitteleinsatz sich derzeit nicht effektiv<br />

gestalte. Staatliche Finanzierungsinstrumente müssen besser aufeinander abgestimmt<br />

werden. Maßnahmen wie die Einstiegsqualifizierung Jugendlicher werden häufig nur zur<br />

Statistikverschönerung eingeführt, seien aber auf Dauer keine Lösung des Problems.<br />

Gerade für Hauptschüler müssen Perspektiven geschaffen werden.<br />

5 Berufswahl, Berufswahlorientierung, Transfer<br />

Für eine erfolgreiche Bewältigung wirtschaftlicher Strukturbrüche stellt berufliches Lernen<br />

<strong>und</strong> berufliche Qualifizierung ein notweniges Referenzsystem dar. Regionale Unternehmen<br />

benötigen qualifiziertes Personal, um diesen Wandlungsprozessen begegnen zu können.<br />

Dabei kann es sich aber nicht um berufliche Qualifizierung als kurzfristige ad-hoc-Maßnahme<br />

handeln, noch kann es dabei um die Fokussierung des flexiblen Menschen im neuen<br />

Kapitalismus gehen 6 . Vielmehr gilt es, das Konzept des lebenslangen Lernens, worüber<br />

inzwischen ein breiter Konsens in allen gesellschaftlichen Politikbereichen besteht,<br />

vorzubereiten <strong>und</strong> umzusetzen 7 . Im Zentrum steht dabei u. a. die Stärkung der individuellen<br />

Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit, zu lernen <strong>und</strong> neues Wissen zu erwerben, wechselnde berufliche<br />

Konstellationen (Arbeitsteams, Projektgruppen) <strong>und</strong> Übergänge zwischen verschiedenen<br />

Tätigkeitsfeldern im Betrieb zu bewältigen. Derartige Kompetenzen zum kontinuierlichen<br />

6 Vgl. Sennett, R. (1999): Der flexible Mensch: die Kultur im neuen Kapitalismus. Berlin.<br />

7 Vgl. Dobischat, R./Seifert, H. (2001): Betriebliche Weiterbildung <strong>und</strong> Arbeitszeit(konten). Zeiträume für<br />

lebenslanges Lernen. In: WSI Mitteilungen (2001), H. 2.<br />

223


Lernen <strong>und</strong> zur Bewältigung von Komplexitäts-, Flexibilitäts- <strong>und</strong> Mobilitätsanforderungen<br />

setzten nicht erst im Erwachsenenalter an. Während, wie Heidemann 8 recherchiert hat, in<br />

anderen Ländern der Europäischen Union die organisatorische Implementierung des<br />

lebenslangen Lernens von der Vorschulerziehung über sämtliche Bildungsbereiche diskutiert<br />

wird, drohen die deutschen Entwürfe im System der Weiterbildung versiegelt zu werden 9 .<br />

Begriffe wie Berufswahl <strong>und</strong> Berufswahlvorbereitung können hierbei nicht als Konstante<br />

begriffen werden, vielmehr haben sich diese über einen längeren Zeitraum hinweg im<br />

interdependenten Gefüge von gesellschaftlichen, technischen sowie ökonomischen Faktoren<br />

entwickelt. Der Prozess der beruflichen Orientierung hat heute ein vielfältiges<br />

Aufgabenspektrum zu erfüllen. Erklärte Absicht ist es, Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene im<br />

Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem zu unterstützen <strong>und</strong> sie zu befähigen,<br />

eine Berufswahlkompetenz zu erwerben, die ihnen zu einer selbst bestimmten,<br />

sachkompetenten <strong>und</strong> realistischen Berufswahl verhilft: „Dabei geht es nicht nur darum, den<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern Informationen über bestimmte Berufe <strong>und</strong> Berufsaussichten,<br />

<strong>Aus</strong>bildungswege <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsanforderungen zu vermitteln, sondern insbesondere<br />

darum, Entscheidungsstrategien zu erarbeiten <strong>und</strong> zu erproben, die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler befähigen, eine kompetente Berufswahlentscheidung zu treffen.“ 10 Famulla 2006<br />

folgend ist Berufsorientierung ein Prozess „der Annäherung <strong>und</strong> Abstimmung zwischen<br />

Interessen, Wünschen, Wissen <strong>und</strong> Können des Individuums auf der einen <strong>und</strong> Bedarf <strong>und</strong><br />

Anforderungen der Arbeits- <strong>und</strong> Berufswelt auf der anderen Seite“ 11 berücksichtigt.<br />

Folglich geht es im nachstehenden Themenbereich um ein Spektrum an Fragen zu den<br />

verschiedenen Aspekten. Behandelt werden Fragen <strong>und</strong> Einschätzungen zu den größten<br />

Problemen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler beim Übergang in <strong>Aus</strong>bildung, die<br />

Bestandsaufnahme eines Handlungsbedarfs, die Einordnung berufswahlorientierender<br />

Maßnahmen im Allgemeinen <strong>und</strong> an allgemein bildenden Schulen, den Informationsgrad der<br />

Jugendlichen aber auch das Marketing für bestimmte Berufsbilder, die Transparenz<br />

existierender Angebote zur Unterstützung der Jugendlichen im Prozess der beruflichen<br />

Orientierung, den Nutzen von Praktika sowie die Beurteilung der Eigeninitiative Jugendlicher<br />

<strong>und</strong> der kooperativen Partner Schule, Arbeitsagentur, Bildungsträger etc.<br />

8 Vgl. Heidemann, W. (2001): Lebenslanges Lernen – aktuelle Strategien im Sozialdialog in Europa-<br />

Unveröffentlichtes Papier im Rahmen einer Dokumentation der Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft,<br />

Hauptvorstand, Frankfurt.<br />

9 So resümiert denn auch Heidemann in seinem Expose zum Thema lebenslanges Lernen – aktuelle Strategien<br />

im Sozialdialog in Europa: „Demgegenüber scheint in den Erklärungen des deutschen Bündnisses für Arbeit,<br />

<strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Wettbewerbsfähigkeit eine Einengung auf die betriebliche Weiterbildung zu erfolgen.“<br />

(Heidemann 2001, S. 2).<br />

10 Landesinstitut für Schule <strong>und</strong> Weiterbildung (LSW)/Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (1995):<br />

Studien- <strong>und</strong> Berufswahlvorbereitung am Gymnasium. Soest.<br />

11 Famulla, G. (2006): Berufsorientierung als Reformaufgabe von Schulen. Vortrag anlässlich der Hochschultage<br />

zur beruflichen Bildung in Bremen (15. März 2006).<br />

224


5.1 Probleme beim Übergang der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in<br />

<strong>Aus</strong>bildung/Handlungsbedarf<br />

An dieser Stelle ist zu erläutern, dass sich die nachfolgend gemachten <strong>Aus</strong>sagen weniger<br />

auf die direkten Probleme beim Übergang beziehen. Stattdessen wurden von den Befragten<br />

überwiegend die Ursachen diskutiert.<br />

Einklang herrschte bei den Befragten darüber, dass die Förderung der Berufsausbildung in<br />

der Schule früher als bisher beginnen müsse. Gelder, die für die berufliche Vorbereitung<br />

verwendet werden, können viel früher <strong>und</strong> sinnvoller eingesetzt werden. Eine frühkindliche<br />

Förderung sei hier erstrebenswert. Zudem sei der von der Schule vermittelte<br />

berufsorientierende Unterricht nicht an den aktuellen Arbeitsmarktbedingungen ausgerichtet.<br />

Die Schüler würden nicht genügend auf das vorbereitet, was sie nach der Schule erwarte.<br />

Auch an der Fähigkeit, sich zu bewerben mangele es. Ergänzend hierzu solle die Arbeit in<br />

den Schulen f<strong>und</strong>ierter <strong>und</strong> gezielter erfolgen. Kooperationen zwischen allgemein bildenden<br />

Schulen <strong>und</strong> der Wirtschaft müssen intensiviert, Transparenzen geschaffen werden. Bisher<br />

sei dies jedoch nicht in vielen Schulen der Fall. Die berufliche Orientierung wird damit<br />

überwiegend als defizitär <strong>und</strong> mangelhaft bezeichnet. Punkt 1 sei die negative Einschätzung<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler bezüglich ihrer Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt,<br />

gekoppelt mit einer Perspektivlosigkeit. Davon ausgehend, dass 50% der Jugendlichen gute<br />

Chancen, 30% Chancen mit Abstrichen <strong>und</strong> 20% wenige Chancen haben, realisieren diese<br />

20% der Jugendlichen schnell ihre Situation. Viele Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler glauben<br />

insofern, dass ihre Chancen sehr gering sind. Dies hat dann auch Punkt 2 zur Folge: ein<br />

mangelndes Interesse der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler bzw. eine demotivierende <strong>Aus</strong>wirkung<br />

auch auf Fachqualifikationen. Bei den Betrieben hinterließen die Bewerberinnen <strong>und</strong><br />

Bewerber oft einen unmotivierten Eindruck, nach dem Motto: Egal welchen Beruf ich erlerne,<br />

Hauptsache ich bekomme überhaupt eine Lehrstelle. Hier gingen dann die Betriebe davon<br />

aus, dass sich die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu wenig mit ihrer Berufswahl beschäftigt haben<br />

(geringe Kenntnisse über Berufe <strong>und</strong> deren Anforderungen). Verantwortlich gemacht wurde<br />

von den meisten Interviewten hierfür jedoch eine defizitäre Berufsorientierung, die dazu<br />

führe, dass sich die Jugendlichen nur für die bekanntesten Berufe bewerben, ohne die<br />

eigenen Fähigkeiten zu reflektieren sowie das mangelnde Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen.<br />

Dies werde zudem bekräftigt durch die Berichterstattung in den Medien <strong>und</strong> ein familiäres<br />

Umfeld, die jeweils ein negatives Bild vermitteln, welches den Jugendlichen „die Hoffnung<br />

raubt“ <strong>und</strong> die Motivation senke. Diese Darstellung der Chancenlosigkeit führe bei den<br />

Jugendlichen zu der Angst, etwas Neues bzw. Fremdes zu beginnen.<br />

Nicht wesentlich sei hingegen die viel diskutierte Frage der <strong>Aus</strong>bildungsreife. Diskussionen<br />

diesbezüglich habe es schon immer gegeben. Hier liege vielmehr ein Aspekt des Problems<br />

225


in den teils gestiegenen <strong>Aus</strong>bildungsanforderungen, die den Übergang erschweren. Dem<br />

entgegen standen nur wenige Meinungen, die Sprachprobleme, Integrationsprobleme <strong>und</strong><br />

mangelnde Qualifikationen bzw. ein unterschiedliches Bildungsniveau ursächlich für die<br />

Situation verantwortlich machten.<br />

Vorschläge zur Verbesserung der Situation äußerten sich in der Durchführung praktischer<br />

Arbeiten in eingerichteten Werkstätten zu verschiedenen Berufsfeldern, einer Erhöhung des<br />

pädagogischen Interesses bzw. der praktischen Kenntnisse bei den Lehrkräften (in der<br />

Lehrerausbildung werden oft nur „Fachidioten“ produziert/fehlende eigene Berufsausbildung)<br />

<strong>und</strong> der verstärkten Informationsweitergabe zu regionalen Berufsangeboten in den<br />

Berufsinformationszentren (BIZ) der Arbeitsagenturen.<br />

5.2 Einschätzung des Angebots berufswahlorientierender Maßnahmen<br />

Die Spanne der Antworten reichte in diesem Bereich von einem knappen NEIN bis hin zu der<br />

<strong>Aus</strong>sage, dass das Angebot schon viel zu groß sei. Auf die letzte <strong>Aus</strong>sage Bezug nehmend<br />

hieß es: „In der BRD werden flächendeckend Maßnahmen vermittelt. Jeder der will, kann<br />

auch in eine Maßnahme.“ Bemerkenswert, im Sinne von fraglich, erscheint dabei die vom<br />

Interviewpartner implizit ausgedrückte (fehlende) Differenzierung zwischen<br />

Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen <strong>und</strong> Maßnahmen zur beruflichen Orientierung!<br />

Zur Verbesserung der Situation wurde auf die feste Installation von Beratern insbesondere<br />

an Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen verwiesen. Dieser Vorschlag deckt sich mit dem Wunsch<br />

nach sozialpädagogischer Hilfestellung <strong>und</strong> Bildungsbegleitung ( im Rahmen der Facharbeit<br />

der befragten Institutionen) als wichtige Komponente im Prozess der beruflichen<br />

Orientierung. So wurde es auch von Unternehmensvertreterseite als sinnvoll erachtet,<br />

Jugendliche von den ersten Schritten bei der Berufsorientierung bis zum Übergang in den<br />

Arbeitsmarkt zu begleiten.<br />

Angesprochen wurde ebenfalls die Vermittlung unrealistischer Berufsbilder durch die<br />

Berufsberatung der Arbeitsagenturen, wohingegen das sich im Internet befindliche<br />

Berufsinformationsangebot gelobt wurde. „Wenn Schüler hier aktiv suchen, finden sie auch<br />

die passenden Informationen.“<br />

5.3 Berufswahlorientierung an allgemein bildenden Schulen<br />

Die Meinungen der Befragten sind hier sehr differenziert <strong>und</strong> vielfältig. So wurde geäußert,<br />

dass den Schulen für die praktische Betätigung zur Orientierung, Möglichkeiten zur<br />

Einrichtung von Werkstätten fehlen. Auch mangele es an geeignetem Lehrpersonal bzw.<br />

fehle den Lehrkräften der Praxisbezug. Lehrer können aufgr<strong>und</strong> ihrer Biographie <strong>und</strong> des<br />

226


Stellenwertes der Berufsorientierung nicht berufsübergreifend informieren. Die Probleme der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler können sie nur bedingt nachvollziehen. Auch das Wissen um die<br />

Vielzahl der vorhandenen <strong>Aus</strong>bildungsberufe, erfolgter Änderungen etc. ist nur in geringem<br />

Maße vorhanden. <strong>Aus</strong>sagen wie: „An allgemein bildenden Schulen gibt es doch kaum<br />

berufliche Bildung, bestenfalls Bewerbungstrainings“ waren nicht selten.<br />

Kritisiert wurde ebenso, dass viele Angebote wie z.B. das BIZ oder in den ländlichen Kreisen<br />

das BIZ-Mobil von Schulen <strong>und</strong> Schülern nicht richtig genutzt werden. Das notwendige<br />

Know-How zur sinnvollen Nutzung sei nicht vorhanden, ferner werde die Relevanz nicht<br />

erkannt. Eltern würden zu wenig eingeb<strong>und</strong>en werden bzw. bestehen diesseitig Defizite die<br />

bearbeitet werden müssen. Auch seien mit Kompetenzchecks <strong>und</strong> Praktika Ansätze da,<br />

fraglich sei nur, wie intensiv die Schulen diese Form der beruflichen Orientierung überhaupt<br />

betreiben können. Eine verstärkte <strong>Aus</strong>einandersetzung mit Bewerbungstrainings sei<br />

allerdings nötig (Bewerbungsmappen, Vorstellungsgespräche trainieren etc.). Zusätzlich<br />

sollten Informationen mehr in Richtung der <strong>Aus</strong>bildungen gehen, die regional angeboten<br />

werden <strong>und</strong> auch bei Betrieben stark gefragt sind (keine Beschränkung auf klassische<br />

Berufe).<br />

Klargestellt wurde aber gleichwohl, dass es bezüglich der beruflichen Orientierung große<br />

Unterschiede an den einzelnen Schulen gebe, so dass nur vereinzelt ein<br />

Verbesserungsbedarf bestehe. Eine Schule äußerte sich dahingehend, dass das Bemühen<br />

sehr groß sei, den Schülern Hilfe zu leisten. Dies liefe aber nur auf freiwilliger Basis. Ein<br />

großer Teil dieser Arbeit geschehe in der Freizeit ohne anderweitigen <strong>Aus</strong>gleich für die<br />

Lehrkräfte. Hierzu seien dann nur wenige Lehrer bereit. Die Qualität stehe <strong>und</strong> falle somit mit<br />

dem Engagement des einzelnen Lehrers. Angemerkt wurde die bereits an anderer Stelle<br />

schon einmal genannte Einrichtung einer hauptamtlichen Stelle für die Berufsorientierung,<br />

die an der fehlenden Finanzierung scheitert. Einige Schulen äußerten sich auch<br />

dahingehend, dass ihr Konzept aufgr<strong>und</strong> des Desinteresses der Schüler nicht angenommen<br />

werde. „Eher einzelne Schüler, welche sowieso eigenständiger <strong>und</strong> interessierter sind,<br />

empfinden die Angebote als positiv <strong>und</strong> hilfreich. Andere sind nur über den Pflichtcharakter<br />

der Veranstaltungen zu erreichen.“<br />

Bemerkenswert war die Vermutung, dass sich viele Lehrer nur ihren unmittelbaren Aufgaben<br />

zuwenden, der Blick ginge nicht über die Schule hinaus. Dabei würden gerade die<br />

Klassenlehrer ihre Schüler gut kennen, aber das Wissen über Potenziale <strong>und</strong> Defizite zur<br />

Unterstützung der Schüler nicht weitergeben. „Lehrer haben über Jahre hinweg mit den<br />

selben Schülern zu tun, sie können die Entwicklung des Einzelnen, die korrigiert <strong>und</strong><br />

unterstützt werden kann, einschätzen“ (biographischer Blick).<br />

227


Von den befragten Berufskollegs wurden umfangreiche Angebote im Bereich der beruflichen<br />

Orientierung genannt. Vorhandene Maßnahmen der Berufsorientierung würden hier jedoch<br />

zu spät ansetzen. Es sei schwer Versäumtes nachzuholen. „Die Jugendlichen erhalten erst<br />

hier die Erkenntnis, dass ihre Voraussetzungen für den Wunschberuf nicht ausreichen, da<br />

die allgemein bildenden Schulen sie mit falschen <strong>und</strong> unzulänglichen Kenntnissen<br />

entlassen.“ „Diese Erkenntnis ist für sie oftmals wie ein Schlag ins Gesicht.“<br />

In die Kritik geriet aber ebenfalls die Eigeninitiative der Schüler. „Die schulischen <strong>und</strong><br />

persönlichen Defizite der Schüler sind durch Studien des BiBB belegt.“<br />

Konstruktive Vorschläge zur Verbesserung fanden sich in der Einbindung von Unternehmen<br />

zur Information über Berufe <strong>und</strong> ihrer Anforderungen, einer systemischen Veränderung der<br />

Schulen z. B. im Hinblick auf Ganztags(gr<strong>und</strong>)schulen, die Erweiterung des Angebotes um<br />

z. B. Werkstattarbeit oder Erlebnispädagogik, Lernmethoden zur Unterstützung des<br />

Unterricht wodurch sogar der Bereich der außerschulischen Nachhilfe ersetzt werden könne<br />

sowie eine breite, berufsunabhängige Bildung im Sinne des Humboldt´schen<br />

Bildungsverständnis, wieder. Zudem solle sich schulische Vorbereitung stärker als bisher an<br />

den aktuellen Entwicklungen des Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktes orientieren, z. B. in Form<br />

von lokal <strong>und</strong> regional angelegten Netzwerken zwischen Wirtschaft <strong>und</strong> Schule.<br />

5.4 Überblick über das Berufswahlspektrum<br />

Im Anschluss an die vorher gemachten <strong>Aus</strong>sagen kann durch die Defizite in der<br />

Beruforientierung nicht davon die Rede sein, dass ein Überblick über das Berufsspektrum<br />

besteht. Dieser beschränke sich auf die bekanntesten <strong>Aus</strong>bildungsberufe. Die Jugendlichen<br />

seien einfach nicht ausreichend informiert. Hier bestehe auch eine Forderung an die Betriebe<br />

wonach diese das Marketing für unbekannte Berufe verbessern sollen. „Unternehmen<br />

müssen mehr für ihr Angebot werben, Vorteile <strong>und</strong> Perspektiven anbieten <strong>und</strong><br />

herausstellen.“<br />

Laut einem Interviewpartner wurden im Kreis Wesel über 300 Kompetenzchecks an<br />

Berufskollegs durchgeführt. Erschreckendes Fazit sei, dass die berufliche Orientierung der<br />

Jugendlichen fast nie zu ihren Zeugnissen <strong>und</strong> Fähigkeiten passe. Kritisiert wurde im<br />

Zusammenhang mit den Kompetenzchecks jedoch der Durchführungszeitraum, da die<br />

Durchführung in den Abschlussklassen, kurz vor den Ferien, viel zu spät sei, um Korrekturen<br />

bei der Berufswahl durchzuführen. Insofern müsse der Zeitpunkt viel weiter vorne angelegt<br />

werden, z. B. zum Ende des achten/Anfang des neunten Schuljahres, ergänzz um<br />

zielgerichtete Praktika mit Unterstützung durch die Lehrkräfte. „Ein 14-tägiges<br />

Schulpraktikum reicht da nicht aus.“ Auch die Eltern sollen stärker mit einbezogen werden.<br />

228


5.5 Transparenz existierender Angebote/Informationsgrad der Jugendlichen<br />

Den <strong>Aus</strong>sagen zu Folge sind neuere Berufe den Schülern kaum bekannt bzw. sind die<br />

Kenntnisse der Jugendlichen über die einzelnen Berufe insgesamt gering. Begründet wird<br />

diese <strong>Aus</strong>sage vereinzelt damit, dass die Jugendlichen größtenteils selbst nicht aktiv werden<br />

<strong>und</strong> meist auch keine elterliche Unterstützung bekommen, um Angebote in Anspruch zu<br />

nehmen. Interesse <strong>und</strong> Eigeninitiative seien seitens der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nur gering<br />

ausgeprägt. Eigenständige Information <strong>und</strong> das Schreiben von Bewerbungen sehen die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler meist nur als lästige Pflichten an. Hier fehle es an der<br />

entsprechenden Motivation, sich um Arbeit zu bemühen <strong>und</strong> in den eigenen Erfolg zu<br />

investieren. „Alles soll schnell, einfach <strong>und</strong> ohne Anstrengung laufen.“<br />

Unterstrichen wurde außerdem, dass die Vielfalt der modernen Berufslandschaft aber auch<br />

gerade für Jugendliche (<strong>und</strong> nicht nur die) mittlerweile unüberschaubar sei. Ergänzend sei<br />

die Lebenssituation für Jugendliche kompliziert, viele Jugendliche seien mit der<br />

Eigenverantwortung vermutlich oft überfordert. Die Eltern scheinen ebenfalls hilflos zu sein<br />

<strong>und</strong> können ihren Kindern in dieser Situation nicht die nötige Sicherheit bieten. Einer<br />

<strong>Aus</strong>sage zufolge ist das Desinteresse der Jugendlichen jedoch auch dem unattraktiven<br />

momentanen Modell der Berufsausbildung geschuldet.<br />

Hinzu kommen von Seiten der Interviewten sich verändernde Anforderungen der<br />

Berufsschulen, bspw. in den handwerklichen Berufen. Eine <strong>Aus</strong>bildung zum Dachdecker<br />

oder Maurer sei für Sonderschüler mittlerweile extrem schwierig, eine <strong>Aus</strong>bildung zum<br />

Bäcker oder Metzger für diese Gruppe der Jugendlichen schon nicht mehr möglich. Häufige<br />

Probleme wurden zudem im Bereich der Selbsteinschätzung der Jugendlichen von den<br />

Befragten gesehen. Zum einen sei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern in der Regel die<br />

Relevanz von Berufsorientierung <strong>und</strong> Berufswahlvorbereitung nicht bewusst, zum anderen<br />

sei diese in Bezug auf die beruflichen Vorstellungen oft unrealistisch (z.B. hohe finanzielle<br />

Erwartungen an den zukünftigen Beruf). Auch stellen wohl das BIZ <strong>und</strong> der<br />

Berufswahlunterricht wichtige Informationsangebote dar, jedoch werde hier den<br />

Jugendlichen oft nicht in ausreichendem Maße die Tragweite der Berufswahlentscheidung<br />

verdeutlicht bzw. erfolge diese nur im luftleeren Raum der Theorie. Es mangele an einer<br />

lebensweltnahen Veranschaulichung zur Gewinnung der Jugendlichen für dieses Thema.<br />

Kritisiert wird dessen ungeachtet auch die Anzahl der Angebote. „Je mehr Angebote, desto<br />

unüberschaubarer.“ Hier wurde explizit auf die mangelnde Abstimmung der einzelnen<br />

Angebote z. B. aus der Bauwirtschaft oder den Girl´s day verwiesen, die zurzeit nur<br />

nebeneinander herliefen. Dabei würde nach Ansicht einiger Interviewpartner eine Steigerung<br />

der Transparenz nicht genügen, vielmehr bedarfe es „Personen“, die die Struktur<br />

durchschauen <strong>und</strong> den Jugendlichen in seiner Berufwahl unterstützen, d. h. ihm helfen, sich<br />

229


in dem „Dschungel“ zurechtzufinden <strong>und</strong> das den Bedürfnissen des einzelnen Jugendlichen<br />

entsprechende Angebot zu finden <strong>und</strong> zu nutzen. An den Schulen könne solch eine<br />

zusätzlich angelegte Stelle durch einen „Bildungsbegleiter“ besetzt werden. Nicht möglich sei<br />

die Beratung durch Fachlehrer, die zu wenig über die Arbeitswelt <strong>und</strong> die entsprechenden<br />

Anforderungen wissen.<br />

5.6 Regionale Prägung des Berufswahlverhaltens<br />

Das Berufswahlverhalten der Jugendlichen wird nach Ansicht der meisten Befragten durch<br />

die Schulen, die Arbeitsagentur <strong>und</strong> die Kammern geprägt. Aufschlussreich war eine<br />

<strong>Aus</strong>sage zur Übertragung von Arbeitslosen-/Sozialhilfekarrieren von den Eltern auf die<br />

Kinder, in dessen Rückschluss die Eltern (die Familie) die Berufswahl <strong>und</strong><br />

Berufswahlorientierung maßgeblich positiv oder negativ beeinflussen. Als besonders<br />

ausgeprägt wird dieser Einfluss bei Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

wahrgenommen. Es gab jedoch auch Meinungen die in die Richtung verwiesen, dass das<br />

Berufswahlverhalten sich am „freien Markt“ orientiere. „Die nehmen alles, was an freien<br />

Stellen angeboten wird. Die Wünsche spielen keine Rolle.“<br />

5.7 Zeitpunkt der beruflichen Orientierung<br />

Die meisten Befragten äußerten sich in diesem Punkt dahingehend, dass man mit der<br />

beruflichen Orientierung nicht früh genug beginnen könne. Berufswahlorientierung müsse<br />

viel früher <strong>und</strong> umfangreicher vermittelt werden. Gefordert wurde ausdrücklich eine stärkere<br />

Vorbereitung auf das Berufsleben <strong>und</strong> die Berufswahl in den allgemein bildenden Schulen.<br />

Diese sei von großer Wichtigkeit, da die Jugendlichen oftmals nur unzureichend informiert<br />

seien. Auch solle die Berufswahl mindestens 11/2 Jahre vor Schulabschluss abgeschlossen<br />

sein, da viele Betriebe zu diesem Zeitpunkt ihre <strong>Aus</strong>zubildenden einstellen. Insbesondere<br />

Gymnasiasten im 10. Schuljahr hätten sich häufig noch keine Gedanken zur Berufswahl<br />

gemacht. Auch finde die Berufswahl bisher oft nur anhand weniger Hinweise (meist durch<br />

Verwandte <strong>und</strong> Bekannte) statt. Es fehle ein Gesamtüberblick über die Berufswelt.<br />

Vorgeschlagen wurde in diese Richtung gehend z. B. die Einführung von Schnuppertagen<br />

bereits in den Klassen sechs <strong>und</strong> sieben, gekoppelt mit einer Orientierungsphase, die dann<br />

in den Klassen acht bis zehn ergänzt werden durch eine Vertiefungsphase <strong>und</strong> die konkrete<br />

Vorbereitung auf den Beruf. Als optimal wurde auch ein früherer Beginn ab Klasse 5 mit<br />

sukzessivem Aufbau befürwortet. Spätestens sollen berufswahlorientierende Maßnahmen<br />

jedoch drei Jahre vor dem Verlassen der Schule (als Bestandteil des Curriculums ab Klasse<br />

7) beginnen.<br />

230


5.8 Einschätzung der Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung, allgemein<br />

bildender <strong>und</strong> beruflicher Schulen <strong>und</strong> Unternehmen<br />

Die Antworten in diesem Fragenkomplex waren sehr divergent <strong>und</strong> reichten von, „die<br />

Zusammenarbeit sei gut“ bis hin zu „die Zusammenarbeit der genannten Institutionen ist in<br />

keinem Maße ausreichend.“ Kritisiert wurden im Einzelnen:<br />

• Der Informationsfluss im Allgemeinen, da jeder nur in seinem Bereich arbeitet.<br />

• Die im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen primär mangelnden<br />

Kommunikationsstrukturen sowie die falsche Einschätzung der Interessen in den<br />

Kurzprotokollen, weswegen von einigen Bildungsträgern nochmals eigene<br />

Eignungsanalysen durchgeführt werden. Auch bliebe die Betreuung vorhandener<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplätze aus, Stellenausschreibungen seien oft fehlerhaft <strong>und</strong> Anzeigen<br />

würden häufig ohne Ankündigung aus dem System genommen, weil sie „schon lange<br />

genug drin sind.“ Früher sei die Kooperation mit den Arbeitsagenturen vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> der Stellenakquisition zudem persönlicher abgelaufen, die <strong>Aus</strong>wirkungen<br />

zeigen sich heute in der „mangelnden“ Qualität der Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerber. Als<br />

wünschenswert wurde auch die geschlechtsspezifische Erfassung der Daten durch<br />

die Arbeitsagentur eingestuft, wodurch gezielter <strong>und</strong> effektiver gearbeitet werden<br />

könne. Als Gr<strong>und</strong> für eine früher stärkere Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur<br />

wurde angegeben, dass heute weniger Maßnahmen über die Agentur laufen. Im<br />

Ganzen sollen sich die Arbeitsagenturen viel mehr den Anregungen der Akteure<br />

öffnen.<br />

• Die teilweise ungeeigneten (Einstellungs-)Testverfahren vieler Unternehmen, da<br />

diese nicht geeignet seien, um die Ansprüche der realen Arbeitswelt abzubilden.<br />

Hierdurch können keine ausreichenden <strong>Aus</strong>sagen über eine Eignung eines<br />

Jugendlichen für den Beruf getroffen werden. Ergänzend erschweren Vorurteile <strong>und</strong><br />

Klischees bei den Betrieben die Zusammenarbeit mit Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten.<br />

• Die Zusammenarbeit mit den Berufskollegs, da die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer<br />

der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen an 1-2 Tagen in der Woche ein<br />

Berufskolleg besuchen, welches spezielle Klassen für die Teilnehmer gebildet hat.<br />

Dabei wurde eigens die Gestaltung der Unterrichtsst<strong>und</strong>en in Frage gestellt, die<br />

inhaltliche <strong>Aus</strong>richtung erscheine willkürlich. Befürwortet wurde hier, schwache<br />

Fächer wie Deutsch <strong>und</strong> Mathe stärker zu gewichten.<br />

• Auf Seiten der Schulen, dass die Betreuung oft am Schultor ende. Die<br />

Arbeitsagenturen würden, wenn überhaupt nur unfreiwillig von den Jugendlichen<br />

aufgesucht werden. Schule müsse hier ein Übergangsmanagement schaffen, damit<br />

231


tatsächlich eine Zusammenarbeit stattfinde. Empfohlen wurde von den Befragten ein<br />

frühzeitiger Beginn der beruflichen Orientierung in den Schulen, damit das Angebot<br />

(Jugendliche mit bestimmten Fähigkeiten <strong>und</strong> Interessen) mit der Nachfrage der<br />

Betriebe abgestimmt werde. Im Profil der Schule solle es Experten geben, die<br />

beispielsweise Kontakte zu den Betrieben <strong>und</strong> der Arbeitsagentur pflegen <strong>und</strong><br />

gleichzeitig den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern als Anlaufstelle dienen. Dazu sei jedoch<br />

die Einbringung von Ressourcen durch alle Beteiligten notwendig (zusätzlicher<br />

Mitteleinsatz). Daneben müsse die Zusammenarbeit zwischen allgemein bildenden<br />

<strong>und</strong> berufsbildenden Schulen verbessert werden, um die praktischen Kenntnisse von<br />

Berufsschullehrern in die Berufswahlorientierung einfließen zu lassen. In die gleiche<br />

Richtung fokussieren <strong>Aus</strong>sagen von Kammervertretern, die die Einstellung mancher<br />

Lehrer bezüglich des Engagements bei der Berufswahlorientierung kritisieren.<br />

Diese Punkte ergänzend, zeigt eine aktuelle Umfrage der Stiftung Partner für Schule NRW<br />

im Auftrag des nordrhein-westfälischen <strong>Aus</strong>bildungskonsenses zur partnerschaftlichen<br />

Zusammenarbeit von Schulen <strong>und</strong> Unternehmen 12 , dass zwar 42% aller allgemein bildenden<br />

weiterführenden Schulen über einen Partner in der Wirtschaft verfügen. Gleichzeitig bedeutet<br />

dies jedoch auch, dass 58% keine Kontakte besitzen obgleich 83% der Schulen ohne<br />

Partnerschaft sehr an einer dauerhaften Kooperation mit Unternehmen interessiert sind.<br />

Zudem verfügt, wie die Abbildung zeigt, die „kritische“ Masse an Haupt- <strong>und</strong> Förderschulen<br />

über die geringsten Kontakte.<br />

12 Vgl. hierzu ausführlicher http://www.partner-fuer-schule.de/presse_complete.php?id=3722.<br />

232


In der Untersuchungsregion werden solche Kooperationen zwischen allgemein bildenden<br />

Schulen <strong>und</strong> Unternehmen z. B. im Rahmen des Projektes ABBEO 13 (<strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong><br />

Berufswahlorientierung) ermöglicht. Gleichzeitig regen die Durchführenden des Projektes die<br />

Einrichtung einer zentralen Stelle in der Region an, die Betriebe <strong>und</strong> Schulen<br />

zusammenführt. Insgesamt gebe es viele Akteure <strong>und</strong> vielfältige Aktivitäten in diesem Feld,<br />

das jedoch sehr unübersichtlich sei. „Hier bedarf es einer Konzentration <strong>und</strong> Bündelung.“<br />

Positiv erwähnt wurde von einer Arbeitsagentur die Zusammenarbeit mit Hauptschulen, die<br />

vermutlich auf Gr<strong>und</strong> des erhöhten Beratungsbedarfs, einfacher geworden sei. Auch von den<br />

Kammervertretern wurde die enge Kooperation mit allgemein bildenden Schulen in den<br />

Fokus gerückt. <strong>Aus</strong>drücklich wurde auf Infoveranstaltungen in den Schulen zu<br />

unterschiedlichen Berufen im Handwerk, Bewerbungstrainings <strong>und</strong> das Angebot anbietender<br />

Unternehmen hingewiesen. Laut <strong>Aus</strong>sagen der Vertreter der Handwerkskammer fehle es<br />

den Jugendlichen häufig an der Information, dass auch im Handwerk kaufmännisch<br />

ausgebildet werden darf. Hier werde der Versuch unternommen, Schulen <strong>und</strong> Betriebe<br />

zusammenzubringen, damit Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die reale Arbeitswelt kennen lernen.<br />

Ergänzend hierzu, das Angebot einer Jobbörse, in der Betriebe ein detailliertes<br />

Anforderungsprofil des gesuchten Bewerbers/der gesuchten Bewerberin einstellen können.<br />

5.9 Nutzen von Praktika<br />

Im Fazit waren sich die Befragten hier einig, dass Praktika hilfreich seien. Werden diese<br />

richtig ausgewählt, kontrolliert <strong>und</strong> ausgewertet unterstützen sie den Prozess der beruflichen<br />

Orientierung <strong>und</strong> helfen den Jugendlichen ihre Eignung für einen bestimmten Beruf<br />

festzustellen. Dabei gibt es jedoch verschiedene Blickwinkel, die einzelnen Probleme<br />

beleuchten.<br />

Für die Jugendlichen, die sich erstmals beruflich orientieren, sei ein Praktikum sehr wichtig,<br />

da sie erstmals in Bezug auf die Tagesstruktur auf sich allein gestellt seien <strong>und</strong> nicht im<br />

Schutz der Gruppe ständen. Durch Praktika werden Erfahrungen gemacht, die in keiner<br />

theoretischen schulischen Erörterung zum Thema Berufswahl gemacht werden können.<br />

Auch bringe ein Praktikum in der Regel Erfolgserlebnisse mit sich wodurch das<br />

Selbstwertgefühl der Jugendlichen steige. Berufsorientierung werde auf diesem Wege in die<br />

Lebenswelt der Schüler transferiert. Diesbezüglich solle der Anteil der Praktika erhöht<br />

werden zumal durch sie auch Schlüsselqualifikationen erfahren, gelebt <strong>und</strong> erworben<br />

werden. Einige Vorschläge äußern sich auch dahingehend, Praktika ab der 7. Klasse<br />

einzuführen, damit die Jugendlichen früh berufspraktische Erfahrung sammeln können.<br />

Schule brauche hier innovative Veränderungen, eine engere Zusammenarbeit mit freier<br />

13 Vgl. hierzu ausführlicher http://www.unternehmerhaus-ag.de/index.php?id=280.<br />

233


Wirtschaft wäre wünschenswert damit Informationen richtig <strong>und</strong> verständlich vermittelt<br />

werden können.<br />

Praktika bedeuten auf der anderen Seite für die Unternehmen einen hohen<br />

Betreuungsaufwand, der sich rechnen muss. Gr<strong>und</strong>legend dafür müssen Schüler von der<br />

Schule gut auf das Praktikum vorbereitet werden. Die Kritik an Praktika, bei denen sich die<br />

Jugendlichen die „Beine in den Bauch stehen <strong>und</strong> langweilen“ ist darauf zurückzuführen,<br />

dass Praktika – wenn sie schlecht vorbereitet sind – mit der beruflichen Perspektive nichts zu<br />

tun haben. Häufig entspreche das gewählte Praktikum nicht den Berufswünschen der<br />

Jugendlichen. Die Vermittlung der Praktikumsstelle erfolge vielmehr durch Verwandte <strong>und</strong><br />

Bekannte. Kurzfristige Praktika seien indessen oft auch nicht sehr sinnvoll, da die<br />

Jugendlichen sich nicht gezielt umsehen <strong>und</strong> die Zeit im Praktikum daher wenig sinnvoll<br />

nutzen.<br />

Andererseits könne ein Praktikum als „Baustein“ genutzt werden, der Betrieb <strong>und</strong> der<br />

Praktikant erkennen lasse ob sie zueinander passen. Erkennen das beide Seiten, resultiere<br />

ein hoher Nutzen.<br />

Im Kontext der Schulpraktika wurden von den Befragten häufig auch Langzeitpraktika<br />

angesprochen, die meist besser organisiert seien <strong>und</strong> oftmals den Eintritt in den Beruf<br />

bieten. Gerade für „schlechte <strong>und</strong> störende“ Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler stelle sich dies oft als<br />

Vorteil heraus, da Praktika für sie eine abwechslungsreiche Alternative zum Schulalltag<br />

darstellen. Gleichzeitig können sich die Jugendlichen im Betrieb profilieren <strong>und</strong> stören den<br />

Unterricht nicht weiter. 14<br />

Im Rahmen Berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen wurde von den Interviewpartnern<br />

geäußert, dass es hier immer schwieriger werde, Praktikumsplätze zu akquirieren, da die<br />

Unternehmen mittlerweile von vielen Seiten um die Durchführung von Praktika gebeten<br />

werden. Praktika nach der Schulzeit seien aber auch nur dann sinnvoll, wenn sich eine dem<br />

Praktikum entsprechende Perspektive biete. Auch kürzere Laufzeiten werden von<br />

Unternehmen nicht gerne gesehen, da diese dann kaum Nutzen von den Praktikanten<br />

haben. So haben allgemein bildende Schulen mittlerweile ebenfalls Probleme, genügend<br />

Stellen zu finden, was verstärkt zu Praktikaanfragen bei den Bildungsträgern führe.<br />

Ebenfalls als sinnvoll erachtet werden Praktika in Verbindung mit schulischer <strong>Aus</strong>bildung.<br />

„Die Vermittlung fachspezifischen Gr<strong>und</strong>wissens kombiniert mit betrieblicher Einarbeitung im<br />

Praktikum kann nützlich sein.“ Gleichzeitig lasse sich dem Problem<br />

„Verdrängungswettbewerb“ durch Angebot <strong>und</strong> Praktika im Rahmen einer<br />

ressourcenorientierten Förderplanung entgegensteuern. Berufsvorbereitende<br />

14 Vgl. hierzu ergänzend auch die Ergebnisse des Modellprojekts "BUS - Betrieb <strong>und</strong> Schule".<br />

234


Bildungsmaßnahmen seien dahingehend einem Alleingang der Jugendlichen vorzuziehen,<br />

da diese sonst ganz von der Bildfläche verschwinden.<br />

6 Institutionelle Lösungsansätze, Netzwerke, Kooperationen von Schulen mit der<br />

Wirtschaft/Perspektiven <strong>und</strong> Trends<br />

Abschließend wurden die Gesprächsteilnehmer nach regionalen Kooperationsbeziehungen,<br />

-möglichkeiten, -bedarfen <strong>und</strong> Netzwerken, die sich zur Bewältigung der<br />

<strong>Aus</strong>bildungsprobleme in der Region gebildet haben <strong>und</strong> ihren Visionen im Hinblick auf<br />

innovative Konzepte in diesem Bereich befragt. Innerhalb dieses Kontexts galt es ebenfalls,<br />

Probleme bei der Konstituierung von Kooperationen <strong>und</strong> Netzwerken zu eruieren sowie<br />

Verbesserungspotenziale <strong>und</strong> benötigte Unterstützungsleistungen zu ermitteln. Gegenstand<br />

waren auch Probleme für die nach Ansicht der Befragten kurz- bzw. mittelfristig wohl keine<br />

Lösungen absehbar sind.<br />

Ingesamt war es interessant zu erfahren, wie die jeweils eigenen institutionellen<br />

Handlungsspielräume der Befragten eingeschätzt werden <strong>und</strong> welche Erwartungen dabei an<br />

andere Akteure gestellt werden. Priorität hatten für uns in den Gesprächen die institutionell<br />

charakteristischen Bewertungen der Situation im Allgemeinen sowie die Einschätzungen der<br />

jeweiligen Akteure über zukünftige Entwicklungen unter dem Aspekt individueller<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen im Besonderen. Im Hinblick auf die gesamte qualitative Studie<br />

konnte so gewährleistet werden, dass forschungsseitig diejenigen Handlungsempfehlungen<br />

<strong>und</strong> Gestaltungsansätze formuliert werden, welche die regionalen Besonderheiten<br />

aufnehmen, die mehrheitlich von den eingeb<strong>und</strong>enen Akteuren der Region als relevant <strong>und</strong><br />

praktikabel eingeschätzt werden <strong>und</strong> damit einen konkreten Nutzen stiften können.<br />

6.1 Regionale Kooperationsbeziehungen Netzwerke<br />

Generell werden Kooperationen <strong>und</strong> Netzwerke positiv angesehen. Der Bestand an<br />

Netzwerken <strong>und</strong> Kooperationen ist dabei in der Region unterschiedlich ausgeprägt. Zudem<br />

scheint nach <strong>Aus</strong>wertung der <strong>Aus</strong>sagen die Transparenz fraglich. Gleiches gilt für die<br />

Bestimmung <strong>und</strong> Definition von Netzwerken <strong>und</strong> Kooperationen. Insgesamt bestehen daher<br />

nach Angaben der Interviewten Netzwerke <strong>und</strong> Kooperationen in vielfacher Hinsicht. Als<br />

Partner wurden neben den Arbeitsagenturen, Kommunen <strong>und</strong> Städten, die Jugendhilfe,<br />

verschiedene Bildungsträger <strong>und</strong> -zentren, die Beiräte Schule/Beruf, der Arbeitskreis<br />

Schule/Wirtschaft, allgemein bildende Schulen, Berufskollegs, verschiedene nicht weiter<br />

definierte Initiativen, Gremien <strong>und</strong> Arbeitskreise, Kirchen <strong>und</strong> Gemeinden, Beratungsstellen<br />

(Schwangerschaft, Drogen, Schulden etc.) sowie Kammern <strong>und</strong> Unternehmen genannt. Sehr<br />

selten genannt wurden die Eltern sowie explizit die Regionalstellen Frau <strong>und</strong> Beruf.<br />

235


Auf der konkreten Ebene wurde von Bildungsträgern für die Stadt Duisburg ein ehemaliger<br />

Vermittlungsverb<strong>und</strong> für <strong>Aus</strong>bildungsplätze genannt, der das Matching zwischen den<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplatzanforderungen der Unternehmen <strong>und</strong> Bewerberprofilen online übernehmen<br />

sollte. Dieses Angebot sei jedoch bereits vor dem Start wieder „eingeschlafen“, da die<br />

entscheidenden Träger schließen mussten. Von den Schulen wurden auch Kontakte zu<br />

Großunternehmen wie Thyssen, der König-Brauerei oder Banken genannt. Diese<br />

Unternehmen bieten Praktikumsplätze an <strong>und</strong> führen bspw. mit den Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schülern im Rahmen der Berufsorientierung Einstellungstests durch. Abschließend gebe es<br />

dann eine Rückmeldung an die Schüler bezüglich ihrer Defizite. Die stadtteilbezogene<br />

Jugendsozialarbeit berichtete über Kooperationen mit verschiedenen Schulformen im<br />

Duisburger Norden, die einen Großteil des Angebots, wie z. B. die Projektvor- <strong>und</strong><br />

-nachbereitung von Theater-Workshops zum Thema Berufsorientierung, in Anspruch<br />

nehmen sowie dem städtischen Regionalzentrum Nord <strong>und</strong> sonstigen im Stadtteil<br />

ansässigen Institutionen. Ergänzend hierzu finden daneben Kooperationen auf<br />

internationaler Ebene im Rahmen einer Zusammenarbeit multikultureller Theater-Projekte<br />

statt. Gleichfalls werde eine Kooperation mit der Musikschule, im Rahmen eines<br />

internationalen Musikcorps, in dem Kinder <strong>und</strong> Eltern verschiedener Nationen gemeinsam<br />

musizieren, genannt. Migrantenorganisationen erweitern für Duisburg die bisherigen<br />

Kooperationen um den Integrationsausschuss der Stadt, den Jugendhilfeausschuss, den<br />

Verein der türkischen Geschäftsleute in Duisburg <strong>und</strong> Umgebung e.V. (TIAD), die regionalen<br />

Transferstellen in NRW (ReTra), den Verband für interkulturelle Arbeit e.V. (VIA), das<br />

B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (BiBB), den Verband regionaler Arbeitsstellen zur Förderung<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA-Verband) sowie Ministerien<br />

<strong>und</strong> weitere nicht spezifizierte Einrichtungen.<br />

Interessant ist auch für den Kreis Kleve eine ehemalige Zusammenarbeit im Rahmen des<br />

niederländischen Hochschultages. Für diesen Kreis wurde auch früher eine stärkere<br />

Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur attestiert. Heute liefen weniger Maßnahmen über die<br />

Arbeitsagentur. Kontakte werden häufig über einen Koordinator abgehandelt wodurch die<br />

Beratungsqualität der Agentur sinke (Abhängigkeit von persönlichen Kontakten!). Gleichwohl<br />

kümmere sich hier die Kommune mit um die Vergabe von <strong>Aus</strong>bildungsplätzen, die<br />

Zusammenarbeit funktioniere hier „hervorragend“ <strong>und</strong> gestalte sich weitaus unkomplizierter<br />

als zuvor mit der Arbeitsagentur. Positiv hervorgehoben wurde für den Kreis auch das<br />

Busprojekt, das viele Wege in die Unternehmen liefere, wodurch den Schülern eher eine<br />

Perspektive geboten werde. Als verbesserungswürdig wurde explizit die Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> Kooperation mit den Eltern der Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern hervorgehoben.<br />

236


Realschülerinnen <strong>und</strong> -schüler des Kreises würden hingegen kaum ins duale System der<br />

Berufsausbildung einmünden sondern direkt weiterführende Schulen besuchen 15 .<br />

Der Kreis Wesel zeichnet sich auf Gr<strong>und</strong> der aktuellen <strong>Aus</strong>bildungssituation durch die Idee<br />

aus, Zeitarbeitsfirmen für Praktika in Berufsfachschulen zu nutzen. Kooperationen der<br />

Bildungsträger finden hier sowohl mit Schulen als auch mit anderen Trägern im Rahmen von<br />

Bietergemeinschaften 16 statt. Darüber hinaus könne ein Engagement der Befragten in<br />

Jugendhilfeausschüssen <strong>und</strong> Arbeitskreisen sowie bei Jugendkonferenzen festgestellt<br />

werden.<br />

Von Seiten der befragten Unternehmen <strong>und</strong> Unternehmensvertreterinnen <strong>und</strong> -vertreter<br />

wurde die Durchführung verschiedener Projekte wie z.B. „Fit für die Wirtschaft“, „Partner für<br />

einen Tag“ mit allgemein bildenden Schulen sowie die Zusammenarbeit mit Projekten im<br />

Rahmen von STARegio <strong>und</strong> ABBEO genannt. Ergänzend hinzu komme die meist enge<br />

Kooperation der Kammern mit allgemein bildenden Schulen im Bereich der<br />

Berufswahlorientierung. Hierunter werden von den Interviewten Infoveranstaltungen zu<br />

unterschiedlichen Berufen <strong>und</strong> das Aufzeigen von Angeboten verschiedener Unternehmen<br />

gefasst. Festgehalten werden konnte hier auch, dass die Kooperation mit der Arbeitsagentur<br />

schlecht eingestuft wurde, da „so gut wie keine“ Kommunikationsstrukturen existieren.<br />

Für die Gesamtregion fand in den Gesprächen, allein schon auf Gr<strong>und</strong> des hohen<br />

Problemsdrucks, die gute Zusammenarbeit zwischen den Beiräten Schule <strong>und</strong> Beruf <strong>und</strong><br />

dem regionalen <strong>Aus</strong>bildungskonsens Bestätigung.<br />

6.2 Weitere Kooperationsmöglichkeiten <strong>und</strong> -bedarfe/Probleme bei der<br />

Konstituierung von Netzwerken<br />

Neben einer einzelnen <strong>Aus</strong>sage aus dem Kreis Kleve, nach der weitestgehend bereits alle<br />

Kooperationsmöglichkeiten genutzt werden („dennoch würde man gerne mehr Zeit in<br />

Kooperation investieren“), werden noch ausstehende Kooperationsmöglichkeiten <strong>und</strong> auch<br />

-bedarfe zum einen in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen <strong>und</strong> Schule gesehen.<br />

Hier müssen nach Ansicht der Interviewpartner die Kontakte enger werden. Gleichzeitig<br />

wünschen sich auch die Bildungsträger eine stärkere Zusammenarbeit mit allgemein<br />

15 Vgl. hierzu auch Stender, Axel in diesem Band<br />

16 Bietergemeinschaften wurden mehrerhorts gegründet, da für einen Bieter alleine eine Bewerbung für die BVB-<br />

<strong>Aus</strong>schreibungen kaum noch möglich sei. Die hier genannte Bietergemeinschaft entstammt dem Jahr 2004<br />

<strong>und</strong> hat sich jetzt im 2. Jahr trotz hohem Koordinationsbedarf bewährt. Problematisiert wurde in diesem<br />

Zusammenhang kein erneuter Zuschlag für die Bietergemeinschaft in den kommenden <strong>Aus</strong>schreibungen, da<br />

dann der neue Anbieter alle Strukturen neu aufbauen müsse. In der Konsequenz bedeute dies einen hohen<br />

Qualitätsverlust <strong>und</strong> damit einen Nachteil für die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer. „Sollte die BVB weg<br />

brechen, hätten sich die bestehenden Netzwerke erledigt. Letztendlich sei man immer Konkurrent. Gerade<br />

diese Art von Kooperation sei nicht einfach im Umgang (einerseits knallharte Konkurrenz, andererseits Team).<br />

Innerhalb der Bietergemeinschaft habe mit der Zeit jeder Anbieter Schwerpunkte <strong>und</strong> Stärken entwickelt, daher<br />

herrsche wenig direkte Konkurrenz.“<br />

237


ildenden Schulen. Diese gestalte sich aktuell kompliziert, da allgemein bildende Schulen<br />

zwar oftmals Kontakt zu Berufskollegs aufnehmen, Trägern gegenüber jedoch weniger<br />

aufgeschlossen seien. Von den Berufskollegs wird dennoch darauf hingewiesen, dass auch<br />

der <strong>Aus</strong>tausch zwischen Berufsschule <strong>und</strong> allgemein bildenden Schulen verbessert werden<br />

müsse. Die Zusammenarbeit könne hier in Form von Gesprächsr<strong>und</strong>en oder einem<br />

Lehreraustausch (z. B. Berufsschullehrer machen Berufswahlorientierung an allgemein<br />

bildenden Schulen) stattfinden.<br />

Unabhängig davon wird von den meisten Befragten eine stärkere Zusammenarbeit mit der<br />

Arbeitsagentur eingefordert, da zurzeit eine individuelle Betreuung der Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler nicht gewährleistet sei. Vielmehr beschränke sich die Zusammenarbeit in den<br />

meisten Fällen auf gelegentliche Besuche der Berufsberater <strong>und</strong> die Besuche der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Berufsinformationszentrum der Arbeitsagentur (BIZ).<br />

Verbesserungspotenziale werden auch in Hinsicht auf die Netzwerkarbeit mit den<br />

Kommunen gesehen (Aufbauarbeit!).<br />

Ebenfalls erwünscht, der <strong>Aus</strong>bau von Arbeitgeberkontakten sowie die gesteigerte<br />

Kooperation im Bereich von Unternehmensnetzwerken. Daneben solle ein regionales<br />

Übergangsmanagement vorhanden sein, was gefördert werden könne. In diesem Fall sei es<br />

von Vorteil, wenn die Netzwerke für Außenstehende erkennbar <strong>und</strong> transparent gemacht<br />

werden. Allgemein war diesbezüglich eine hohe Bereitschaft bei den Befragten vorhanden.<br />

Von den Gleichstellungsstellen bzw. den befragten Regionalstellen Frau <strong>und</strong> Beruf wurde<br />

ergänzend der Wunsch geäußert, dass Frauen diese verstärkt als Verbündete sehen <strong>und</strong><br />

gemeinsam mit ihnen <strong>und</strong> anderen Frauen vielfältige Netzwerke knüpfen sollen. Ferner sei<br />

eine vernetzte Begleitung der Kinder sinnvoll, damit Übergänge (Gr<strong>und</strong>schule <br />

weiterführende Schule Berufskolleg usw.) sich nicht so kompliziert gestalten.<br />

Von den meisten Bildungsträgern wurde problematisiert, dass der in der Vergangenheit<br />

stattgef<strong>und</strong>ene „gute“ <strong>Aus</strong>tausch (bestehende Netzwerkaktivitäten) zwischen den Trägern,<br />

durch die verschärfte Konkurrenzsituation, nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> der neuen<br />

<strong>Aus</strong>schreibungsmodalitäten der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit, aktuell weitgehend unterb<strong>und</strong>en<br />

werde. Die Gefahr, durch die Weitergabe von Know-How, einem anderen Anbieter einen<br />

Vorteil zu verschaffen sei zu hoch, da eigene Arbeitsplätze vernichtet werden könnten.<br />

Außerdem seien Netzwerke <strong>und</strong> Kooperationen Schlagworte, die von allen gefordert werden.<br />

Gleichzeitig werde aber mehr darüber geredet, als getan. Der Konkurrenzkampf unter den<br />

Trägern erschwere die Institutionalisierung von Netzwerken. Unter Planungsunsicherheiten<br />

<strong>und</strong> einer hohen Fluktuation der Träger in den Regionen könne sich eine Zusammenarbeit<br />

der Träger nicht entwickeln. Die Kooperation werde durch den Wettbewerbsdruck erschwert.<br />

Dabei hingen Netzwerke generell stark vom Engagement einzelner Personen ab. Hier sei es<br />

238


schwierig, ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen während gleichzeitig permanente<br />

Umwälzungen in der Trägerlandschaft stattfinden. Hinzu komme, dass sich die<br />

Zusammenarbeit auch auf Gr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Entlohnung seitens der Träger<br />

schwierig gestalte. Diese wirkt sich demotivierend auf die Mitarbeiter aus. Darüber hinaus<br />

müssen alle Beteiligten einen Nutzen der Kooperation sehen. Nur Institutionen, die finanziell<br />

unabhängig seien, können einen Input geben <strong>und</strong> so eine Kooperation initiieren.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich so wurde geäußert, müssen bestimmte Voraussetzung gegeben sein, damit<br />

Kooperationen funktionieren: 1. müsse ein Akteur das Netzwerk bzw. die Kooperation<br />

initiieren <strong>und</strong> damit Zeit investieren, 2. solle jeder Kooperationspartner von der<br />

Kooperation/dem Netzwerk profitieren, 3. müsse die Konstanz der Kooperationsbeziehung<br />

gewährleistet werden. Gr<strong>und</strong>legend hierfür seien weiterhin persönliche <strong>und</strong> gewachsene<br />

Beziehungen, damit die Arbeit in einer vertrauensvollen <strong>und</strong> effektiven Kooperation münde.<br />

In den Beiräten seien zwar alle meist aktiv, eine Problemlösung durch Zusammenarbeit<br />

erfolge jedoch meistens nicht. Notwendig sei hier eine Struktur inklusive einer klaren<br />

Aufgabenstellungen <strong>und</strong> einem Netzwerkmanagement. „Ein gemeinsames System, welches<br />

an einen Entscheidungsträger (vorzugsweise die Schulaufsicht) gekoppelt sein sollte.“<br />

Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Tragfähigkeit von Netzwerken oftmals nicht vom<br />

Willen der Beteiligten abhängig sei sondern von finanziellen bzw. arbeitsmarktpolitischen<br />

Gegebenheiten.<br />

Generell, so die Ansicht eines Unternehmensvertreters, herrsche eine falsche Anspruchs<strong>und</strong><br />

Erwartungssituation. Die Probleme der Berufswahl <strong>und</strong> der <strong>Aus</strong>bildung dürfen nicht<br />

isoliert betrachtet werden. Beispielsweise lägen die Probleme älterer Arbeitnehmer ganz<br />

ähnlich <strong>und</strong> stellen damit die Unternehmen auch vor ähnliche Probleme. In diesem Fall<br />

können Berufseinstieg <strong>und</strong> -ausstieg analog behandelt werden. Die Frage nach der<br />

<strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft der Unternehmen könne daher gekoppelt werden mit Angeboten zu<br />

flexiblen Arbeitszeiten oder insgesamt einer Erweiterung der Angebote (50plus etc.) Im<br />

Ganzen solle demzufolge eine Vernetzung der <strong>Aus</strong>bildungsthemen mit anderen<br />

Unternehmensbereichen stattfinden.<br />

6.3 Verbesserungspotenziale/Unterstützungsbedarf<br />

Von den Schulen wird durch die Einführung der Ganztagsschule eine effektivere Arbeit<br />

erwartet. Schulen die bereits Anträge gestellt haben, werden 2008 hier einen erneuten<br />

Versuch starten. Der <strong>Aus</strong>bau der offenen Ganztagsschule wird gefordert.<br />

Unterstützungsbedarf wird auch bei der Einbeziehung der Eltern gesehen. „Die<br />

Einflussnahme der Eltern ist ebenfalls verbesserungswürdig.“ Gewünscht ist ebenfalls eine<br />

weiterführende, verbesserte Zusammenarbeit mit Unternehmen in der Hoffnung, damit<br />

239


Probleme mit den zu vermittelten <strong>Aus</strong>zubildenden zu lösen. „Kontakte müssten enger<br />

werden.“<br />

Ergänzend müssen Sprachschwierigkeiten beseitigt werden, die <strong>Aus</strong>wirkungen auf die<br />

Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzsuche haben. „Ghettoisierung muss aufgebrochen werden.“<br />

Dazu müssen sich Betriebe, vor allem deutsche, öffnen, parallel müsse an den Sprach- <strong>und</strong><br />

Qualifikationsmängeln gearbeitet werden.<br />

Von Seiten der Träger müssen die Kontakte zu Schulen verbessert werden. Auch sollen<br />

Lose bei der Vergabe von Maßnahmen auf längere Zeiträume ausgerichtet sein, um<br />

Kapazitäten vorzuhalten (längere Planungsphasen).<br />

Insgesamt wird die Öffnung von bisher getrennt voneinander agierenden Institutionen bzw.<br />

Strukturen (Schule, Wirtschaft, Kammern) hin zu mehr gemeinsamer Arbeit im Sinne der<br />

Zielgruppe gefordert sowie die Verankerung eines gemeinsamen Vorgehens durch<br />

Weisungen bzw. Vorgaben der Politik.<br />

6.4 Probleme ohne kurz- bzw. mittelfristige Lösungsmöglichkeiten<br />

Nicht genügend <strong>Aus</strong>bildungsplätze für die Jugendlichen in der Region damit<br />

Abwanderung der jungen Menschen (brain drain!)<br />

Flexibilität der beteiligten Institution<br />

Geringe Kooperationsbereitschaft der Unternehmen<br />

Früherer Einsatz der Förderprogramme<br />

Übergang an der (zweiten) Schwelle da sich die allgemeine Arbeitsplatzsituation nicht<br />

verbessern wird<br />

<strong>Aus</strong>reichende Zahl an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />

Arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten <strong>und</strong> die finanzielle Lage aller beteiligten<br />

Institutionen<br />

240


Bianca Goertz<br />

Teil D Entwicklung eines regionalspezifischen Konzep-<br />

Inhalt<br />

tes zur Berufswahlorientierung ….<br />

1 Wissenschaftliche Diskussion zum Thema Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife.....242<br />

1.1 Historie <strong>und</strong> Theorien zur Berufswahl ...................................................................243<br />

1.2 Berufs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife ................................................................................249<br />

1.3 Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife fördernde Angebote .........................................254<br />

1.4 Aktuelle Diskussion ...............................................................................................258<br />

1.5 Handlungsansätze.................................................................................................262<br />

2 Diskurs zum Thema Netzwerke.............................................................................269<br />

2.1 Netzwerke..............................................................................................................270<br />

2.2 Regionale Netzwerke ............................................................................................271<br />

2.3 Innovation in Netzwerken ......................................................................................272<br />

2.4 Unterstützungsstrukturen für Netzwerke ...............................................................273<br />

2.5 Unterstützungsstrukturen in der Praxis .................................................................273<br />

2.6 Formen von Unterstützungsstrukturen ..................................................................274<br />

3 Regionalspezifisches Konzept zur Berufswahlorientierung...................................277<br />

3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse.......................................................................277<br />

3.2 Regionalspezifisches Konzept zur Berufsorientierung ..........................................283


1 Wissenschaftliche Diskussion zum Thema Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />

Durch die schnellen strukturellen Veränderungen der Berufs- <strong>und</strong> Arbeitswelt in der heutigen<br />

Dienstleistungs- <strong>und</strong> Wissensgesellschaft gewinnt der Begriff „Lebenslanges Lernen“ zunehmend<br />

an Bedeutung (vgl. Rützel 2000a, S. 17). Der beim Einstieg in das Berufsleben<br />

gewählte Beruf wird häufig nicht mehr ein Leben lang ausgeübt, vielmehr wird der Berufswechsel<br />

die Regel (vgl. a.a.O. S. 13; Thoma 2001, S. 22). Die Tätigkeitsfelder der Berufe<br />

sind einem fortwährenden Wandel unterworfen. Immer neue Anforderungen an die Arbeitnehmer<br />

sowie die Kurzlebigkeit der beruflichen Karrieren erfordern ein lebenslanges Lernen<br />

<strong>und</strong> die gr<strong>und</strong>legende Fähigkeit, sich immer wieder auf neue Situationen <strong>und</strong> Aufgaben einzustellen<br />

(vgl. BMBF 2003a, S. 3).<br />

Folgt man der Definition des lebenslangen Lernens durch die OECD (vgl. OECD 1996,<br />

S. 15) so wird deutlich, dass die Basis lebenslangen Lernens bereits in der frühesten Jugendphase<br />

gelegt werden muss. Das Individuum wird befähigt, sich dem Wandel in der Arbeitswelt<br />

<strong>und</strong> in der Gesellschaft in seinen verschiedenen <strong>Aus</strong>prägungen zu stellen. Im engen<br />

Zusammenhang steht damit der Übergang an der ersten Schwelle von der Schule in<br />

das Berufsleben, wird hier doch der Gr<strong>und</strong>baustein für den weiteren beruflichen Lebenslauf<br />

gelegt.<br />

Kontinuierlich ansteigende Qualifikationsanforderungen in den Unternehmen (vgl. Kiepe<br />

1998, S. 25) führen jedoch dazu, dass dieser Übergang an der ersten Schwelle von den Jugendlichen<br />

häufig als problematisch erlebt wird (vgl. Rützel 2000a, S. 17; Nickolaus 1998, S.<br />

57). Als Gr<strong>und</strong> hierfür kann auf der einen Seite ein Verdrängungswettbewerb angeführt werden,<br />

der dazu führt, dass Jugendliche, die „nur“ über einen Hauptschulabschluss oder auch<br />

die Fachoberschulreife verfügen, zunehmend von Mitbewerbern mit Hochschulreife vom<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt verdrängt werden (vgl. Maier 1976, S.32; Roitsch 2003, S. 58). Neuere<br />

<strong>Aus</strong>bildungsberufe sind häufig inhaltlich für Hauptschüler gleichwohl zu anspruchsvoll (vgl.<br />

Wiethaupt 1998, S. 119).<br />

Andererseits wird die Kritik an der mangelnden <strong>Aus</strong>bildungsreife der Schulabgängerinnen<br />

<strong>und</strong> Schulabgänger seitens der Wirtschaft immer stärker (vgl. Zedler 2003, S 12). Jugendliche<br />

haben bereits bei den gr<strong>und</strong>legenden Kulturtechniken wie Lesen, Rechtschreibung <strong>und</strong><br />

den Gr<strong>und</strong>rechenarten große Probleme. Gestützt wurde diese Kritik unter anderem durch<br />

die PISA- <strong>und</strong> die TIMSS- Studien (vgl. Bulmahn 2004, S. 8; Küchler 1998, S. 81).<br />

Mangelnde <strong>Aus</strong>bildungsreife findet ihren <strong>Aus</strong>druck auch in Schwierigkeiten bei der Berufswahl.<br />

1 <strong>Aus</strong>bildungsreife kann dabei nicht allein an einem bestimmten Kenntnis- oder Wissenstand<br />

festgemacht werden, sie sollte vielmehr auch als Entwicklungsaufgabe betrachtet<br />

1 Vgl. hierzu ausführlicher Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

242


werden, die die Jugendlichen bewältigen müssen (vgl. Mutscheller 1998, S. 113). Hierzu<br />

gehört insbesondere die Fähigkeit, selbständig einen realistischen Lebensplan zu gestalten<br />

(vgl. Thoma 2002, S. 14). Häufig werden die eigenen Fähigkeiten oder Interessen <strong>und</strong> Neigungen<br />

fehlerhaft eingeschätzt, so dass es zu einer falschen Berufswahl kommt. Als Folge<br />

lassen sich – ausgehend von einem Schulabbruch – Abbrüche von Berufsausbildungen <strong>und</strong><br />

der anschließende Weg in diverse Hilfstätigkeiten oder die Arbeitslosigkeit konstatieren. Kontextabhängig<br />

wird dann von „Bruchbiographien“ gesprochen. Zur Vermeidung solcher Diskontinuitäten<br />

im Erwerbsleben müssen den Jugendlichen in der Schule nicht allein gr<strong>und</strong>legende<br />

Kenntnisse vermittelt werden, vielmehr müssen auch ihre individuellen Neigungen<br />

<strong>und</strong> Interessen entwickelt <strong>und</strong> gefördert werden (vgl. Thoma 2002, S. 14). Diese Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Förderung sollte sich daher auch im Berufswahlprozess widerspiegeln. Jugendliche<br />

müssen dazu befähigt werden, eine selbständige Berufswahlentscheidung zu treffen. In der<br />

Konsequenz bedeutet dies, dass die Jugendlichen einen Beruf wählen, sich für diese Berufsausbildung<br />

bereit fühlen <strong>und</strong> über die Möglichkeiten in diesem Beruf gut informiert sind<br />

(vgl. BMBF 2003a, S. 7).<br />

Dabei erfolgt die Entwicklung von Begriffen wie Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife über einen<br />

längeren Zeitraum hinweg in einem interdepedenten Gefüge von gesellschaftlichen, technischen<br />

sowie ökonomischen Faktoren, sie können nicht als Konstante begriffen werden.<br />

1.1 Historie <strong>und</strong> Theorien zur Berufswahl<br />

In einem ersten Schritt findet der Begriff <strong>„Berufswahl</strong> bzw. Berufswahlreife/-fähigkeit“ Erläuterung.<br />

<strong>Aus</strong>gehend von der Historie wird zunächst geklärt, welche besonderen Umstände, Faktoren<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen dem jeweiligen Berufsbegriff zu Gr<strong>und</strong>e liegen <strong>und</strong> welche theoretischen<br />

Ansätze sich zur Erklärung des komplexen Vorgangs der Berufswahlreife <strong>und</strong> deren<br />

Entwicklung heranziehen lassen. Der historische Rückblick ermöglicht es dabei, mit Blick auf<br />

die Theorie, die Entwicklung der Berufswahl, ins Abhängigkeit von gesellschaftlichen, ökonomischen<br />

<strong>und</strong> sozialen Rahmenbedingungen aufzuzeigen, um hierauf Bezug nehmend im<br />

weiteren Verlauf Handlungsansätze für eine Neugestaltung der erforderlichen Prozesse abzuleiten.<br />

Einhergehend mit dem Bedeutungswandel des Berufsbegriffs, der durch gesellschaftliche,<br />

soziale, technische <strong>und</strong> ökonomische Faktoren bedingt wird, gewinnen demnach die Begriffe<br />

Berufswahl <strong>und</strong> Berufswahlreife nur in solchen Gesellschaften an Signifikanz, die eine freie<br />

Berufswahl erlauben respektive einfordern. Unter dieser Perspektive können bis in<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>ert die Gesellschaftsformen als traditionsbestimmt, statisch, agrarisch-feudal<br />

<strong>und</strong> ständisch gegliedert bezeichnet werden. Vereinzelte Ansätze in der Bildungsgeschichte<br />

wie die Säkularisierung des Berufsbegriffs im Zeitalter der Aufklärung (1700-1800) – in deren<br />

243


Konsequenz der Beruf nicht länger zu Ehren Gottes ausgeübt wurde, sondern in erster Linie<br />

dem Nutzen der Gesellschaft dienen sollte – die eine Vorbereitung auf den Beruf fokussierten,<br />

konnten sich dabei anfänglich nicht durchsetzen. Der ausschließlich utilitaristische Erziehungsauftrag<br />

der Schulen jener Zeit, junge Menschen mit den für die anschließende Berufstätigkeit<br />

notwendig erscheinenden Fertig- <strong>und</strong> Fähigkeiten auszustatten (vgl. Preyer<br />

1978, S. 14f.), unterlag als Folge dieser Entwicklung heftiger Kritik. In den Hintergr<strong>und</strong> rückte<br />

damit einhergehend die Aufgabe der Schule, auf Beruf <strong>und</strong> Stand vorzubereiten. Die allgemeine<br />

Bildung – losgelöst der Verwertbarkeit – trat in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Eine zusehende Differenzierung der Berufe durch Technisierung, Automatisierung, Mechanisierung<br />

<strong>und</strong> Arbeitsteilung fand im Zuge der Industrialisierung statt. Nicht länger durch den<br />

Stand bzw. durch die familiäre Herkunft vererbt, konnte der Beruf auf Gr<strong>und</strong> individueller<br />

Neigungen <strong>und</strong> Fähigkeiten frei gewählt werden. An zunehmender Bedeutung gewinnt die<br />

Individualisierung von Berufsverläufen, die erstmals selbstbestimmte Entscheidungsprozesse<br />

des Subjektes erlaubt, im Rahmen aktueller Diskussionen zur „Gleichheit der Bildungsmöglichkeiten“<br />

bzw. „Chancengerechtigkeit“. Der Begriff der Chancengerechtigkeit anstelle<br />

der „gleichen Möglichkeiten“ setzt jedoch an dieser Stelle die Ungleichartigkeit <strong>und</strong> -<br />

wertigkeit bereits als gegeben voraus (vgl. Kienitz 2001) <strong>und</strong> stellt damit selbstbestimmte<br />

Entscheidungsprozesse im Rahmen der Berufswahl erneut in Frage.<br />

Werden auch die Übergänge von der allgemein bildenden Schule in die berufliche <strong>Aus</strong>bildung<br />

(erste Schwelle) <strong>und</strong> anschließend in das Beschäftigungssystem (zweite Schwelle)<br />

gegenwärtig als zentrale Elemente der Jugendphase verstanden, da sie die Einordnung in<br />

den Arbeitsmarkt markieren <strong>und</strong> zugleich für die Jugendlichen die Ablösung von der Herkunftsfamilie<br />

<strong>und</strong> die Hinwendung zu einer eigenen Existenz bedeuten, so sehen sich die<br />

Jugendlichen jedoch hier auch mit der Notwendigkeit konfrontiert, eine Entscheidung für ihren<br />

weiteren Lebensweg zu treffen, die weit reichende Konsequenzen nach sich zieht. Der<br />

Beruf ist Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Voraussetzung für Integration <strong>und</strong> gesellschaftliche Teilhabe, strukturiert<br />

den Alltag, dient der materiellen Existenzsicherung <strong>und</strong> ermöglicht die Verortung in der<br />

Gesellschaft (vgl. Krafeld 2000, S. 23).<br />

In Anbetracht empirischer Bef<strong>und</strong>e zur Berufswahl, die ein hohes Maß an Außensteuerung<br />

der Entscheidungen nachweisen (vgl. Skiba u.a. 1995, S. 394), stellt sich doch die Frage, ob<br />

Jugendliche objektiv betrachtet vor der Wahl stehen, eine berufliche <strong>Aus</strong>bildung im dualen<br />

System zu beginnen oder auf andere Alternativen (Berufsbildende Schulen etc.) auszuweichen.<br />

Neben den Kompetenzen, die Jugendliche benötigen, um ihre persönlichen Ziele zu<br />

klären, ihre Neigungen <strong>und</strong> Fähigkeiten zu bestimmen <strong>und</strong> darauf aufbauend sich rational für<br />

einen Berufsweg zu entscheiden (vgl. Huber 1997, S. 307) <strong>und</strong> die insofern Berufswahlreife<br />

bzw. -fähigkeit als primäres Ziel des Berufswahlunterrichts in allgemein bildenden Schulen<br />

kennzeichnen, bestimmen nicht nur kognitive Determinanten wie Intelligenz, Fähigkeiten <strong>und</strong><br />

244


Schulnoten (Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> Begabung), sondern zunehmend situative Determinanten<br />

wie soziale Herkunft, kultureller Hintergr<strong>und</strong>, Bezugsgruppen (Eltern, peer groups) <strong>und</strong> nicht<br />

zuletzt die <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Seifert 1988) den gesamten<br />

Bildungsweg <strong>und</strong> damit entscheidend die Berufswahl. „Die Hinführung zur Berufswahlreife<br />

verlangt beim Jugendlichen die möglichst umfassende Bewusstwerdung all der objektiven<br />

<strong>und</strong> subjektiven Chancen <strong>und</strong> Benachteiligungen, die für die Berufswahl relevant sind. Der<br />

Jugendliche muß den Konfliktcharakter der Berufswahl <strong>und</strong> die diesen bedingenden subjektiven<br />

(Werthaltungen, Fähigkeiten, Dispositionen; Neidungen) wie auch objektiven sozioökonomischen<br />

Determinanten erkennen <strong>und</strong> sich der Notwendigkeit seiner rationalen Entscheidung<br />

bewußt werden.“ (Gmelch 2000, S. 94)<br />

Die Anstrengungen den komplexen Vorgang der Berufswahl bzw. der Berufswahlreife <strong>und</strong><br />

deren Entwicklung systematisch zu analysieren, haben zu einer Vielzahl theoretischer Ansätze<br />

geführt. Diese ermöglichen zusammengenommen ein umfassenderes Verständnis für<br />

den vielschichtigen Prozess. Gleichzeitig liefern sie den theoretischen Rahmen für die Gestaltung<br />

des Prozesses der beruflichen Orientierung, indem versucht wurde <strong>„Berufswahl</strong>verhalten<br />

<strong>und</strong> Berufswegplanung als individuelles <strong>und</strong> gesellschaftliches Problem durch Erforschung<br />

relevanter Bestimmungs- <strong>und</strong> Einflussfaktoren mit unterschiedlichen wissenschaftsmethodischen<br />

Vorgehensweisen, Perspektiven <strong>und</strong> Erkenntnisinteressen (z. B. Diagnose<strong>und</strong><br />

Beratungshilfen, Rekrutierungsstrategien, Arbeitszufriedenheit <strong>und</strong> Berufserfolg im „passenden“<br />

Beruf) zu analysieren <strong>und</strong> zu erklären.“ (Gmelch 2000, S. 94)<br />

Der Prozess der beruflichen Orientierung in Schulen <strong>und</strong> Berufsberatung etc. richtet sich<br />

dementsprechend nach den einschlägigen Theorien. Bei der Entwicklung der Berufswahlreife<br />

finden demgemäß auch ökonomische, soziologische <strong>und</strong> allokative, entwicklungspsychologische,<br />

persönlichkeitsstrukturelle, entscheidungstheoretische <strong>und</strong> interaktionstheoretische<br />

Faktoren Berücksichtigung.<br />

• Soziologische <strong>und</strong> sozioökonomische Theorien zur Berufswahl stellen die Umwelt des<br />

Individuums sowie Kontextfaktoren als maßgeblich im Berufswahlprozess heraus. Charakteristisch<br />

für diese Ansätze ist die Annahme, dass Berufswahl im hohen Maße von<br />

kulturellen <strong>und</strong> sozialen Bedingungen, wie z. B. von der Wirtschaftslage sowie von den<br />

familiären Verhältnissen abhängig ist (vgl. Scharmann 1956). Soziale <strong>und</strong> ökonomische<br />

Determinanten haben folglich auf die Berufswahl einen so hohen Einfluss, dass der Beruf<br />

kaum frei gewählt werden kann, sondern zugewiesen wird.<br />

• Entwicklungstheoretische Ansätze thematisieren berufliche Entwicklung in ihrer zeitlichen<br />

Dimension <strong>und</strong> postulieren mehrere Phasen im Hinblick auf die Entwicklung von Berufswahlreife,<br />

die von den Individuen nacheinander durchlaufen werden. Fokussiert werden<br />

beruflich relevante Persönlichkeitsmerkmalen sowie die Fragen danach, in welcher Le-<br />

245


ensphase sie sich ausbilden, wie sich das Berufswahlverhalten in bestimmten Entwicklungsphasen<br />

äußert <strong>und</strong> welchen Einfluss die soziale Umwelt dabei ausübt. „Der entwicklungstheoretische<br />

Ansatz ist der systematische Ort für die Frage, über welche Einstellungen,<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten der Berufswähler in der jeweiligen Phase der beruflichen<br />

Entwicklung verfügen sollte (Berufswahlkompetenz) bzw. tatsächlich verfügt (Berufswahlreife).“<br />

(Bußhoff 1992, S. 79)<br />

• Persönlichkeitspsychologische Theorien sehen die Berufswahl als einen Matchingprozess<br />

an, bei dem das Individuum einen seiner Persönlichkeit entsprechenden Beruf wäh-<br />

len soll. 2 Beobachtbare Persönlichkeitseigenschaften (Motivationen, Einstellungen, Fä-<br />

higkeiten, Interessen etc.) werden analysiert <strong>und</strong> mit dem Anforderungsprofil der Berufe<br />

abgeglichen. Nach diesem Ansatz ist berufliche Zufriedenheit gegeben, wenn der gewählte<br />

Beruf mit den Interessen <strong>und</strong> dem Persönlichkeitsmuster der betreffenden Person<br />

übereinstimmt. Charakteristisch sind Konzepte für eine differenzierte Erfassung der Persönlichkeitsmerkmale<br />

des Berufswählers.<br />

• Entscheidungstheoretische Ansätze versuchen Berufswahl hauptsächlich durch abschließende<br />

Wahl- <strong>und</strong> Entscheidungsvorgänge zu erklären (vgl. Seifert 1977, S. 215).<br />

Es existieren verschiedene Varianten der Entscheidungstheorie, „die sich hinsichtlich der<br />

angenommenen Struktur der Entscheidungssituation, des Ablaufes des Entscheidungsprozesses<br />

<strong>und</strong> des Verhaltens des Entscheidungssubjektes unterscheiden“ (Bußhoff<br />

1992, S. 85). Ein Entscheidungsprozess besteht zusammengefasst aus der Problemwahrnehmung,<br />

der Informationssuche <strong>und</strong> -verarbeitung, der Entwicklung <strong>und</strong><br />

Definition von Handlungsalternativen sowie der Wahl der Mittel <strong>und</strong> der abschließenden<br />

Realisierung (vgl. Beinke/Wascher 1993, S. 14). Restriktiv ist zu erwähnen, dass Entscheidungsprozesse<br />

in der Realität nicht linear verlaufen. Zur Erlangung von Berufswahlreife<br />

müssen Jugendliche im Rahmen der Berufsorientierung Entscheidungsstrategien<br />

<strong>und</strong> -kriterien erlernen, die sie befähigen, rationale <strong>und</strong> selbstbestimmte Entscheidungen<br />

zu treffen.<br />

• Interaktionstheoretische Ansätze sehen die Entwicklung von Berufswahlreife sowie den<br />

gesamten Berufswahlprozess als Resultat von Interaktionsprozessen mit Lehrkräften, Eltern,<br />

der peer-group etc., welche durch die jeweilige Sachkompetenz <strong>und</strong> die jeweiligen<br />

Interessen der Interaktionspartner bestimmt sind (vgl. Gmelch 2000, S. 97).<br />

Festgehalten werden kann, dass eine Vielzahl theoretischer Ansätze existiert, die jeweils<br />

wesentliche Aspekte der Berufswahl beleuchten. Keiner dieser Ansätze kann jedoch den<br />

Anspruch erheben, den Berufswahlprozess <strong>und</strong> somit die Entwicklung von Berufswahlreife in<br />

2<br />

Auf die differentielle Psychologie zurückgehend, werden diese Theorein auch als Trait-and-Factor-Theorien<br />

bezeichnet.<br />

246


ihrer Komplexität zu erfassen. Vielmehr implizieren die verschiedenen Ansätze zur Entwicklung<br />

von Berufswahlreife differierende Aspekte. Als ein Ansatz, der auf Gr<strong>und</strong> der gegebenen<br />

Komplexität versucht, die verschiedenen Erklärungsansätze zu vereinen, <strong>und</strong> damit ein<br />

umfassenderes Verständnis von Berufswahl ermöglicht, kann das integrative Rahmenmodell<br />

zur Erklärung der Berufswahl von Bußhoff 1984 3 genannt werden.<br />

Rahmenmodell von Bußhoff<br />

Quelle: Bußhoff, L. (1984): Berufswahl: Theorien <strong>und</strong> ihre Bedeutung für die Praxis der Berufsberatung. Stuttgart,<br />

Berlin, Köln, Mainz.<br />

Demnach entwickeln Berufswähler durch Reifungsprozesse <strong>und</strong> Lernerfahrungen ein bestimmtes<br />

Selbst- <strong>und</strong> Umweltkonzept sowie Wertvorstellungen über Berufsfelder. „In der<br />

Phase der Berufswahl entwickelt die Berufswählerin <strong>und</strong> der Berufswähler, angeregt durch<br />

<strong>und</strong> eingeb<strong>und</strong>en in neue Lernerfahrungen, aus dem Selbstkonzept die Entscheidungskriterien,<br />

aus dem Umweltkonzept die Entscheidungsalternativen <strong>und</strong> aus dem Repertoire bisher<br />

gelernter Problemlösungsmethoden die Entscheidungsfertigkeit.“ (Bußhoff 1992, S. 87f.) Auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage von Entscheidungsvoraussetzungen werden Handlungspräferenzen <strong>und</strong> Realisierungserwartungen<br />

herausgebildet. Abschließend steht die Entscheidung für den ausge-<br />

3 In letzter Zeit wurden verstärkt Versuche unternommen einen integrativen Rahmen zur Erklärung der Berufswahl<br />

zu schaffen. Als Beispiel sei die sozial-kognitive Theorie von Lent, Brown <strong>und</strong> Hackett 1994 genannt, die<br />

versucht, die bestehenden Theorien zu vereinen <strong>und</strong> zu ergänzen. Die Wahl fiel hier auf Bußhoff, da die Relevanz<br />

der neueren Erklärungsansätze noch nicht endgültig beurteilt werden kann (Lent, R.W./Brown,<br />

S.D./Hackett, G.: Toward a unifying social cognitive theory of career and academic interest, choice and performance.<br />

Journal of Vocational Behaviour, Nr. 45, 1994. S.79-122.).<br />

247


wählten Beruf, die als Handlungsabsicht bezeichnet wird. Der Entscheidungsprozess findet<br />

an dieser Stelle entweder seinen vorläufigen Abschluss oder beginnt erneut. Kommt es nicht<br />

zu einer Entscheidung mit der Konsequenz ihrer Durchführung, so vermittelt der <strong>Aus</strong>führungsversuch<br />

neue Lernerfahrungen, die in die berufliche Entwicklung eingehen <strong>und</strong> sich auf<br />

weitere Entscheidungssituationen auswirken. (vgl. Bußhoff 1992, S. 88)<br />

<strong>„Berufswahl</strong> kann demnach definiert werden als<br />

• eine in eine lebenslange berufliche Entwicklung eingeb<strong>und</strong>ene (dargestellt in Phase A)<br />

<strong>und</strong><br />

• unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen <strong>und</strong> Einflüssen stehende sowie<br />

• in der Regel sich wiederholt einstellende<br />

• interaktive Lern- <strong>und</strong> Entscheidungsphase (dargestellt als Phase B),<br />

• deren jeweiliges Ergebnis dazu beiträgt, daß Menschen unterschiedliche berufliche Tätigkeiten<br />

ausüben“ (Bußhoff 1992, S. 88).<br />

Trotz zahlreicher Versuche, integrative Modelle zur Erklärung des komplexen Prozesses der<br />

Berufswahl zu entwickeln, ist es bisher jedoch noch nicht gelungen, einen Ansatz zu identifizieren,<br />

der einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte.<br />

Angesichts derzeitig tief greifender Veränderungsprozesse in Form von Technisierung, Informatisierung,<br />

Globalisierung <strong>und</strong> Umstrukturierung der Arbeitsorganisationen, muss Berufsorientierung<br />

nicht mehr länger nur Kompetenzen vermitteln, die es dem Jugendlichen<br />

ermöglichen, sich unter Kenntnisnahme seiner Fähigkeiten, wie auch des regionalen <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebots<br />

für einen „Lebensberuf“ zu entscheiden. Der Trend zu Individualisierung,<br />

Pluralisierung <strong>und</strong> Diskontinuität äußert sich vielmehr in der Konsequenz, dass der<br />

erstmalig ergriffene Beruf nicht länger als überdauerndes Moment verstanden wird, sondern<br />

den strukturellen Entwicklungen entsprechend gestaltet <strong>und</strong> modifiziert werden muss. Berufswahl<br />

meint nicht nur, sich für eine erste Stufe in der Berufsbiografie entscheiden zu können,<br />

sondern sich „darüber hinaus auf eine permanente Erweiterung <strong>und</strong> Vertiefung seiner<br />

einmal erworbenen fachlichen <strong>und</strong> überfachlichen Kompetenzen, auf ein Lebensbegleitendes<br />

Lernen, einzustellen <strong>und</strong> dafür nachhaltig motiviert <strong>und</strong> befähigt zu sein.“ (BMBF 2003a,<br />

S. 3) Für die Jugendlichen bedeutet dies, dass es nicht lediglich um die Entscheidung für<br />

einen Beruf geht, sondern um ein Vielfaches mehr. Für sie gilt es, ein Konzept der Berufswahl<br />

zu entwerfen, welches es ihnen ermöglicht, ihre Kompetenzen, die sich in Abhängigkeit<br />

von gesellschaftlichen, sozialen <strong>und</strong> kulturellen Faktoren stetig verändern, weiter zu entwickeln.<br />

In diesem Kontext lag der Untersuchung die Definition von Famulla 2006 zu Gr<strong>und</strong>e,<br />

wonach „Berufsorientierung (…) ein Prozess der Annäherung <strong>und</strong> Abstimmung zwischen<br />

Interessen, Wünschen, Wissen <strong>und</strong> Können des Individuums auf der einen <strong>und</strong> Bedarf <strong>und</strong><br />

248


Anforderungen der Arbeits- <strong>und</strong> Berufswelt auf der anderen Seite“ (Famulla 2006, S. 1) ist.<br />

Beide Dimensionen unterliegen Entwicklungs- <strong>und</strong> Wandlungsprozessen, die jeweils einer<br />

eigenen Logik folgen, von den Subjekten aber bei der Entwicklung einer eigenständigen <strong>und</strong><br />

nachhaltigen beruflichen Perspektive miteinander verknüpft werden müssen (vgl. Famulla<br />

2006, S. 1f.).<br />

Berufswahlreife lässt sich daher auch nur temporärer definieren. Für die an der Berufswahl<br />

beteiligten Institutionen bedeutet dies permanente Reflektion <strong>und</strong> Revision.<br />

1.2 Berufs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />

In Abgrenzung zur Berufswahlreife ist die Berufs- bzw. <strong>Aus</strong>bildungsreife zu sehen.<br />

Unter dem Begriff „<strong>Aus</strong>bildungsreife“ werden in der Regel unterschiedliche Begriffsverständnisse<br />

<strong>und</strong> Elemente subsumiert, so dass in der Literatur verschiedene Auffassungen herrschen,<br />

welche Inhalte unter dem Begriff „<strong>Aus</strong>bildungsreife“ zu verstehen sind, bzw. über welche<br />

Fähigkeiten, Kenntnisse <strong>und</strong> Persönlichkeitsmerkmale ein Jugendlicher verfügen muss,<br />

damit er als „ausbildungsreif“ bezeichnet werden kann. Da keine einheitliche Begriffsdefinition<br />

existiert, obwohl der Begriff vielfach in der Literatur, von den Medien <strong>und</strong> den Akteuren<br />

beruflicher Bildung verwendet wird, soll im Folgenden der aktuellen „Mystifizierung“ des Begriff<br />

entgegengewirkt werden.<br />

Im Zusammenhang mit der <strong>Aus</strong>bildungsreife werden in der Literatur verschiedene Begriffe,<br />

wie z. B. <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit, <strong>Aus</strong>bildungseignung, Berufsreife <strong>und</strong> Berufseignung verwendet.<br />

Diese Begriffe beinhalten viele Überschneidungen, insofern scheint zunächst eine Abgrenzung<br />

sinnvoll.<br />

Schwappacher <strong>und</strong> Sommer 1979 fassen unter dem Begriff der Berufsreife den körperlichen,<br />

geistigen <strong>und</strong> seelischen Entwicklungsstand zusammen, den Jugendliche bei Aufnahme einer<br />

Berufsausbildung erreicht haben sollten. Sie gehen davon aus, dass die Voraussetzungen<br />

für die Aufnahme einer Berufsausbildung, genau wie die Bedingungen der Arbeitswelt,<br />

einem fortwährenden Wandel unterliegen <strong>und</strong> es daher keine abschließende Definition von<br />

Berufsreife geben kann. Zu den Bedingungen für den Beginn einer <strong>Aus</strong>bildung gehören, ihnen<br />

zufolge, physische, kognitive, affektive sowie psychomotorische Voraussetzungen. (vgl.<br />

Schwappacher; Sommer 1979, S.42ff)<br />

Gleichfalls den Entwicklungsstand einer Person verstehen Hagmüller, Müller <strong>und</strong> Schweizer<br />

1975 unter Berufsreife, ohne diesen jedoch zur Voraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung<br />

zu machen. Vielmehr soll eine Berufsausbildung zur Berufsreife führen.<br />

(Hagmüller; Müller; Schweitzer 1975, S. 29 ff.)<br />

249


Zusammenführen lassen sich diese Definitionen in Böhm 1988 wonach sich allgemeine Berufsreife<br />

einerseits über die „körperliche, psychologische <strong>und</strong> geistige Reife für die Fähigkeit<br />

zur überlegten, kritischen Berufswahl <strong>und</strong> zum Erwerb berufspraktischer <strong>und</strong> -<br />

theoretischer Kenntnisse“ (Böhm 1988, S. 77) definiert. Der Begriff sich andererseits aber<br />

auf alle individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten <strong>und</strong> Neigungen bezieht, die benötigt werden,<br />

um den Anforderungen eines Berufs oder einer <strong>Aus</strong>bildung zu genügen (vgl. Böhm 1988,<br />

S. 77). Heute noch wird davon ausgegangen, dass die Berufs- bzw. <strong>Aus</strong>bildungsreife bei<br />

Erreichung des qualifizierten Hauptschulabschlusses – also nicht vor dem 16. Lebensjahr –<br />

gegeben ist. Zurückführen lässt sich dieser Umstand auf die Diskussion um die Schulzeitverlängerung<br />

der bis in die 70er Jahre gängigen Volksschulstruktur, welche mit der achten<br />

Klasse endete (vgl. Odenbach 1974, S 70).<br />

Diese Annahme gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Strukturelle Veränderungen implizieren<br />

neue richtungsweisende Bildungsmodelle, welche in ihrer Konsequenz erneute Überlegungen<br />

diesbezüglich nach sich ziehen müssen. Es gilt nicht mehr länger, nur die Jugendlichen<br />

mit den für die anschließende Berufstätigkeit notwendig erscheinenden Fertigkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

auszustatten; sondern vielmehr sie zum Lebensbegleitenden Lernen zu befähigen,<br />

wofür möglichst frühzeitig die Weichen gestellt werden müssen.<br />

Von daher sind von der Berufsreife die Begriffe Berufseignung <strong>und</strong> Berufsfähigkeit abzugrenzen.<br />

Dabei ist unter Berufseignung die Wahrscheinlichkeit zu verstehen, dass eine Person<br />

den Ansprüchen eines Berufes gewachsen <strong>und</strong> damit für diesen Beruf geeignet ist (vgl.<br />

Rützel 2002, S. 4). Unter Berufsfähigkeit versteht man das Vorhandensein der für eine berufliche<br />

Tätigkeit notwendigen Qualifikationen. (vgl. SWA-Glossar 2004)<br />

Analog den Begriffen Berufseignung <strong>und</strong> Berufsfähigkeit jonglieren die Akteure der beruflichen<br />

Orientierung mit den Begriffen <strong>Aus</strong>bildungseignung <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit. Deren<br />

Konglomerat gipfelt wiederum in dem Begriff der aktuell immer wieder diskutierten <strong>Aus</strong>bildungsreife.<br />

Zumeist am Ende der Pflichtschulzeit – mit dem Erreichen eines Schulabschlusses! – werden<br />

Jugendliche formal als „ausbildungsfähig“ bezeichnet. <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit umfasst dabei<br />

die Fähigkeiten, die notwendig sind, damit ein Jugendlicher den Anforderungen einer<br />

Berufsausbildung gewachsen ist (vgl. Schober 2004, S. 5). Zur Beurteilung der <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit<br />

einer Person werden verschiedene, sowohl modifizierbare (Verhaltensweisen,<br />

Schulleistungen etc.) als auch eher statische (z. B. Intelligenz) Personenmerkmale herangezogen,<br />

die als Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufsausbildung gelten (vgl. ebd.). <strong>Aus</strong>bildungseignung<br />

umfasst die Interessen <strong>und</strong> Neigungen eines Jugendlichen. Gleichwohl<br />

stellt sich hier die Frage, ob diese mit den Gegebenheiten der <strong>Aus</strong>bildung übereinstimmen.<br />

Damit werden zwei Dimensionen als bedeutsam herausgestellt: 1. der Beruf muss für<br />

250


den/die Jugendlichen/Jugendliche geeignet sein, die Qualifikationsanforderungen müssen<br />

mit seinem/ihrem Profil übereinstimmen; 2. der/die Jugendliche muss sich für den Beruf eignen,<br />

der Beruf muss den Neigungen <strong>und</strong> Interessen des/der Jugendlichen entsprechen. Nur<br />

so können berufliche Zufriedenheit <strong>und</strong> einhergehend auch eine hohe Leistungsfähigkeit<br />

erzielt werden. (vgl. Rützel 2000a, S. 18f.)<br />

In der Konsequenz stellt Berufsreife lediglich auf einen bestimmten Entwicklungsstand ab.<br />

Sowohl die Berufs- als auch die <strong>Aus</strong>bildungseignung betrachten hingegen, ob die Persönlichkeitsmerkmale<br />

eines Jugendlichen mit den beruflichen Anforderungen übereinstimmen.<br />

Berufsfähigkeit betrachtet wiederum nur die für einen Beruf notwendigen Qualifikationen.<br />

<strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit erfasst darüber hinaus, ob die Neigungen <strong>und</strong> Interessen eines Jugendlichen<br />

mit den Gegebenheiten des Berufes übereinstimmen.<br />

Keine einheitliche Definition besteht für den Begriff der <strong>Aus</strong>bildungsreife. Im Folgenden wird<br />

daher davon ausgegangen, dass <strong>Aus</strong>bildungsreife, unter Einbeziehung einzelner Elemente<br />

der zuvor definierten Begriffe, als ein integratives Konzept verstanden werden kann.<br />

Seitens der Wirtschaft wird <strong>Aus</strong>bildungsreife häufig über Kulturtechniken deklariert. Die Kritik<br />

seitens der Betriebe über unzureichend qualifizierte Bewerber <strong>und</strong> über die immer größer<br />

werdende Diskrepanz zwischen dem Leistungsstand der Schulabgänger <strong>und</strong> den wachsenden<br />

Leistungsanforderungen ist dabei in den letzten Jahren immer deutlicher geworden. Die<br />

Debatte zwischen Bildungspolitik <strong>und</strong> Wirtschaft über die Frage, ob Jugendliche durch Schule<br />

ausreichend für die Arbeitswelt befähigt werden <strong>und</strong> somit beim Übergang in das Beschäftigungssystem<br />

über die nötige <strong>Aus</strong>bildungs- bzw. Berufsreife verfügen, wird von der Wirtschaft<br />

entschieden verneint. Eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft zu Köln<br />

2000 4 zeigte, dass über ein Viertel der <strong>Aus</strong>bildungsbetriebe mit mehr als 500 Beschäftigten<br />

ihre im Jahr 1999 angebotenen <strong>Aus</strong>bildungsstellen nicht besetzten konnten. Als Gr<strong>und</strong> nannten<br />

die meisten Betriebe den Mangel an „geeigneten“ Bewerbern. (vgl. Lenske/Werner 2000,<br />

S. 23f.) Gr<strong>und</strong>legende Kenntnisse <strong>und</strong> Fertigkeiten im Umgang mit den Kulturtechniken wie<br />

Deutsch in Wort <strong>und</strong> Schrift oder elementare Rechenformen, die mit Abschluss der allgemein<br />

bildenden Schule gegeben sein müssten, werden vermisst. Daneben werden explizit fehlende<br />

personale <strong>und</strong> soziale Kompetenzen von den Unternehmen bemängelt, die im Rahmen<br />

des Lebensbegleitenden Lernens einen zunehmend höheren Stellenwert erhalten. Der Trend<br />

zu veränderten Arbeitsorganisationen hin zur Gruppenarbeit, Teamarbeit <strong>und</strong> Dezentralisierung<br />

fordert „mehr Flexibilität <strong>und</strong> mehr fächerübergreifende Kenntnisse, mehr ganzheitliches<br />

Denken, außerdem Eigeninitiative sowie die Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit zu selbständigem,<br />

verantwortungsvollem Handeln“ (Beck 1997, S. 150). In der Erwartung der Betriebe muss<br />

sich Schule diesen neuen <strong>und</strong> nachgefragten Kompetenzen mehr öffnen. „Als Basis für die<br />

4 Vgl. dazu ausführlicher: Lenske, W./Werner, D. (2000): Globalisierung <strong>und</strong> internationale Berufskompetenz.<br />

Die IW-Umfrage zu <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung 2000. Hrsg.: Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Köln.<br />

251


erufliche <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung <strong>und</strong> die vermehrt nötige Teamarbeit sowie für die internationale<br />

<strong>und</strong> die interdisziplinäre Zusammenarbeit müssen mehr Schlüsselqualifikationen <strong>und</strong><br />

mehr fächerübergreifende, ganzheitliche sowie nicht unmittelbar berufsbezogene Bildungsinhalte<br />

vermittelt werden“ (Beck 1997, S. 151). Gleiches belegt eine Umfrage des Instituts<br />

der deutschen Wirtschaft. Im Rahmen der Umfrage wurde 800 Unternehmen eine Liste von<br />

Schlüsselqualifikationen vorgelegt, die es – in der Erwartungshaltung den Bewerberinnen<br />

<strong>und</strong> Bewerbern gegenüber – zu gewichten galt. Präferiert wurden primär Fähigkeiten wie<br />

Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit <strong>und</strong><br />

Selbstständigkeit. (vgl. Meier 2000, S. 4) <strong>Aus</strong>gelöst durch technologische <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Veränderungen erhalten diese Qualifikationen damit einen dominierenderen Stellenwert, den<br />

es in allgemein bildenden Schulen zu berücksichtigen gilt. Auch wenn oder gerade weil damit<br />

einhergehend die Notwendigkeit fächerübergreifender Qualifikationen steigt, da berufsbezogene<br />

Qualifikationen immer schneller veralten, bietet sich hier für „lernschwache“ Jugendliche<br />

die Möglichkeit über persönliche Schlüsselqualifikationen ihre Lernschwäche auszugleichen.<br />

5 Jugendlichen fehlt zumeist die Kompetenz, Zusammenhänge zwischen technischer<br />

Entwicklung, sich verändernden beruflichen Anforderungen, inkonstanten Arbeitsorganisationen<br />

sowie der wachsenden nationalen <strong>und</strong> internationalen Konkurrenz zu erkennen. In der<br />

Konsequenz führt dies dazu, dass sie auch die <strong>Aus</strong>wirkungen auf ihren eigenen beruflichen<br />

Werdegang nicht wahrnehmen (vgl. Hahnau/Jenzen/Jostes/Voigt 1999, S. 47). Diesem Defizit<br />

sollte demgemäß bereits in der Schule entgegen gewirkt werden, damit Jugendliche im<br />

weltweiten Wettbewerb um <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsplätze über ihre fachlichen Qualifikationen<br />

hinaus die Möglichkeit haben sich zu behaupten.<br />

<strong>Aus</strong>bildungsreife wird damit oft nur an Hand betriebsspezifischer Anforderungen an fachliche,<br />

soziale <strong>und</strong> personale Kompetenzen definiert (vgl. Schober 2004, S. 10) Darüber hinaus<br />

gehört zur <strong>Aus</strong>bildungsreife auch das Beherrschen von Schlüsselkompetenzen wie Handlungs-,<br />

Sprach- <strong>und</strong> Sozialkompetenz (vgl. Bulmahn 2004, S. 9; Vetter 1997, S. 20) sowie<br />

fachliche Fähigkeiten <strong>und</strong> das Verfügen über Lern- <strong>und</strong> Arbeitstugenden (vgl. Mutscheller<br />

1998, S. 113). Im Zuge zunehmender Globalisierung wird <strong>Aus</strong>bildungsreife von den Unternehmen<br />

daneben um das Element der Fremdsprache ergänzt (vgl. Kiepe 1998, S. 28).<br />

Die Broschüre der IHK mit dem Titel „Was erwartet die Wirtschaft von den Schulabgängern?“<br />

dokumentiert detailliert, welche Kompetenzen aus Sicht der Wirtschaft der Begriff <strong>Aus</strong>bildungs-<br />

bzw. Berufsreife impliziert, sprich über welche Eigenschaften <strong>und</strong> Fähigkeiten ein<br />

<strong>Aus</strong>zubildender nach Vorstellungen der Wirtschaft verfügen sollte.<br />

5 Vgl. hierzu auch Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

252


Fachliche Kompetenzen<br />

• Gr<strong>und</strong>legende Beherrschung der deutschen Sprache in Wort <strong>und</strong> Schrift<br />

• Beherrschung einfacher Rechentechniken<br />

• Gr<strong>und</strong>legende naturwissenschaftliche Kenntnisse<br />

• Hinführung zur Arbeitswelt – Gr<strong>und</strong>kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge<br />

• Gr<strong>und</strong>kenntnisse in Englisch<br />

• Kenntnisse <strong>und</strong> Verständnis über die Gr<strong>und</strong>lagen unserer Kultur<br />

Persönliche Kompetenzen<br />

• Zuverlässigkeit<br />

• Lern- <strong>und</strong> Leistungsbereitschaft<br />

• <strong>Aus</strong>dauer – Durchhaltevermögen – Belastbarkeit<br />

• Sorgfalt – Gewissenhaftigkeit<br />

• Konzentrationsfähigkeit<br />

• Verantwortungsbereitschaft – Selbstständigkeit<br />

• Fähigkeit zu Kritik <strong>und</strong> Selbstkritik<br />

• Kreativität <strong>und</strong> Flexibilität<br />

Soziale Kompetenzen<br />

• Kooperationsbereitschaft – Teamfähigkeit<br />

• Höflichkeit – Fre<strong>und</strong>lichkeit<br />

• Konfliktfähigkeit<br />

• Toleranz<br />

Wieder finden lassen sich diese Kompetenzen im Kriterienkatalog zur <strong>Aus</strong>bildungsreife, der<br />

vom „Expertenkreis <strong>Aus</strong>bildungsreife“ im Auftrag des Pakt-Lenkungsausschusses erarbeitet<br />

<strong>und</strong> zur Sitzung des Paktlenkungsausschusses am 30. Januar 2006 vorgelegt wurde. 6 Er<br />

richtet sich in erster Linie an Institutionen <strong>und</strong> Personen, die im Übergangsfeld Schule-Beruf<br />

tätig sind <strong>und</strong> sich immer wieder mit der Frage konfrontiert sehen, welche Anforderungen<br />

von der Wirtschaft an die <strong>Aus</strong>zubildenden gestellt werden <strong>und</strong> welche individuellen Voraussetzungen<br />

die Jugendlichen notwendigerweise für die Aufnahme einer Berufsausbildung<br />

mitbringen müssen.<br />

Deutlich wird, dass der aktuelle Mangel bzw. Bedarf an ausbildungsreifen Jugendlichen <strong>und</strong><br />

dem damit verb<strong>und</strong>enen so genannten „Humankapital“, der bereits in den 70er Jahren die<br />

Schulreform in Gang brachte <strong>und</strong> die erzwungene <strong>Aus</strong>dehnung der Vollschulzeit um ein 9.<br />

6 Vgl. hierzu ausführlicher Kriterienkatalog zur <strong>Aus</strong>bildungsreife. Ein Konzept für die Praxis erarbeitet vom „Expertenkreis<br />

<strong>Aus</strong>bildungsreife“… unter http://www.bmas.b<strong>und</strong>.de/BMAS/Redaktion/Pdf/ausbildungspaktkriterienkatalog-zur-ausbildungsreife-pakt-lenkungsausschuss-am-30-01-2006,property=pdf,<br />

bereich=bmas,<br />

sprache=de,rwb=true.pdf; Berufsbildungsbericht der B<strong>und</strong>esregierung 2006: <strong>Aus</strong>zug aus dem Berufsbildungsbericht<br />

der B<strong>und</strong>esregierung, Seiten 181 – 185, http://www.bmbf.de/pub/bbb_2006.pdf .<br />

253


zw. 10 Schuljahr nach sich zog, auf Gr<strong>und</strong> des ökonomisch-technischen Wandels abermals<br />

als Motor agiert. Die Entwicklung der Wirtschaft bedingt eine allgemeine Erhöhung der Bildungsvoraussetzungen,<br />

die Schule abdecken soll, da während des <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Berufsprozesses<br />

in den meist kleineren <strong>und</strong> mittleren Unternehmen auf Gr<strong>und</strong> der durchrationalisierten<br />

Betriebstruktur eine nachträglich Erlangung der Berufs- bzw. <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />

nicht möglich erscheint.<br />

<strong>Aus</strong>bildungsreife kann jedoch nicht allein auf Gr<strong>und</strong> eines Wandels abgrenzt werden. Auch<br />

wenn sie insgesamt oft als die Summe der Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten, welche Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />

für die Aufnahme einer Berufsausbildung sind (vgl. Zedler 2003, S.13) <strong>und</strong> als<br />

das Vorhandensein bestimmter Basiskompetenzen, die für einen erfolgreichen Übergang in<br />

die berufliche Erstausbildung notwendig sind (vgl. Watermann 2003, S. 3), wonach sie demnach<br />

genau wie die Berufs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit auf dem Verfügen über bestimmte<br />

Qualifikationen, definiert wird; so ist sie auch als Entwicklungsstand zu begreifen, den Jugendliche<br />

vor Aufnahme einer Berufsausbildung erreicht haben sollten (vgl. Rützel 2002,<br />

S. 4). Damit beinhaltet sie auch den Aspekt der Berufsreife. Ziel der <strong>Aus</strong>bildungsreife ist die<br />

Entwicklung individueller Talente <strong>und</strong> Fähigkeiten, um hierauf aufbauend einen eigenen Lebensplan<br />

zu entwickeln <strong>und</strong> diesen im Erwerbsleben auch umzusetzen (vgl. Thoma 2002,<br />

S. 14). Zugehörig ist ebenfalls die Fähigkeit eine selbstständige <strong>und</strong> realistische Berufswahlentscheidung<br />

zu treffen (vgl. Niemeyer 2002, S. 213).<br />

<strong>Aus</strong>bildungsreife variiert aber auch für unterschiedliche Berufe, es bedarf daher einer Anpassung<br />

an branchenspezifische Anforderungen. Nicht jeder Beruf hat identische schulische<br />

Eingangsvoraussetzungen <strong>und</strong> stellt damit dieselben Anforderungen an die Bewerberin oder<br />

den Bewerber. Gleichsam kann <strong>Aus</strong>bildungsreife nicht losgelöst vom <strong>Aus</strong>bildungsmarkt <strong>und</strong><br />

regionalen wie auch demografischen Faktoren betrachtet werden. Hier muss stattdessen<br />

eine Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten stattfinden (vgl. Hilke 2004, S. 10). Ebenso<br />

zu berücksichtigen ist die Dynamik. <strong>Aus</strong>bildungsreife verändert sich mit dem Wandel der<br />

Arbeitswelt <strong>und</strong> dem technischen Fortschritt. Demzufolge muss sie flexibel angepasst werden.<br />

Infofern erscheint ein einheitlicher Kriterienkatalog wenig sinnvoll.<br />

1.3 Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife fördernde Angebote<br />

Das Spektrum der Maßnahmen zur Entwicklung <strong>und</strong> Förderung von Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />

gestaltet sich aktuell in hohem Maße different. Neben institutionalisierten Angeboten<br />

zur Berufsorientierung durch allgemein bildende Schulen, Berufsberatung, Kammern <strong>und</strong><br />

Jugendberufshilfe existieren zunehmend Förderprogramme durch B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder sowie<br />

Initiativen der Wirtschaft. Exemplarisch sollen an dieser Stelle einige Initiativen aufgegriffen<br />

werden.<br />

254


Im Rahmen der schulisch organisierten Entwicklung von Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife,<br />

wurde vor etwa fünfzig Jahren zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bildungs<strong>und</strong><br />

Beschäftigungssystem die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schule-Wirtschaft von Vertretern<br />

der Lehrer <strong>und</strong> Arbeitgeber mit der Intention gegründet, Defiziten in der Berufswahlorientierung<br />

gemeinsam entgegenzutreten. Schule <strong>und</strong> Wirtschaft kooperieren hier in Form eines<br />

Netzwerks. Pädagogen, Schüler, Eltern <strong>und</strong> Wirtschaftsvertreter haben die Gelegenheit, Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> Informationen auszutauschen. (vgl. Zander 2001, S. 20) Die organisatorische<br />

Umsetzung erfolgt auf regionaler Ebene in über 450 Arbeitskreisen Schule/Wirtschaft, deren<br />

Aktivitäten wiederum auf Länderebene in 15 Studienkreisen <strong>und</strong> Landesarbeitsgemeinschaften<br />

koordiniert werden. Mit der Zusammenarbeit werden folgende Ziele verfolgt:<br />

• Der Dialog <strong>und</strong> die Kooperation zwischen Schule <strong>und</strong> Wirtschaft werden initiiert <strong>und</strong><br />

gestaltet.<br />

• Die ökonomische Bildung der Jugendlichen wird gefördert.<br />

• Lehrer <strong>und</strong> Schüler erhalten Kenntnisse über die Wirtschafts- <strong>und</strong> Arbeitswelt <strong>und</strong> deren<br />

Problemstellungen.<br />

• Unternehmen entwickeln ein Bewusstsein für den Auftrag, die Methoden <strong>und</strong> die Möglichkeiten<br />

der Schulen. (vgl. http://www.schule-wirtschaft.de/das_ziel/das_ziel.htm,<br />

01.12.2003)<br />

Konkretisieren lässt sich hierdurch die Möglichkeit der Unternehmen in diesem Netzwerk,<br />

Schulen darüber in Kenntnis zu setzen, welche Arbeitsbedingungen auf Jugendliche zukommen<br />

<strong>und</strong> welche Anforderungen an sie in einem <strong>Aus</strong>bildungsverhältnis gestellt werden.<br />

Lehrer <strong>und</strong> Schüler erhalten auf diese Weise einen praxisnahen Einblick in die Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> können ihren Berufswahlunterricht entsprechend gestalten. Umgekehrt werden Wirtschaftsvertreter<br />

darüber informiert, welche Aufgaben Schule überhaupt leisten kann <strong>und</strong><br />

welche Möglichkeiten sie für die Vorbereitung der Schüler auf die Arbeitswelt sieht. (vgl.<br />

Söhngen 1998, S. 16f.) 7 Damit scheint der Bedarf der in Teil C dieser Arbeit, von den befragten,<br />

am Prozess der beruflichen Orientierung beteiligten, Akteuren geäußerten Reformen seit<br />

fast zehn Jahren zu bestehen. Gleichwohl werden sie immer noch als evident hoch eingefordert.<br />

Insgesamt stellt sich das Themenspektrum der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft vielfältig dar.<br />

Neben Lehrerbildung, Wirtschaftsunterricht, Berufsorientierung/Berufswahl, Schulentwicklung/Schulmanagement<br />

reicht es über Planspiele bis hin zu Schülerfirmen, die aktuell immer<br />

mehr Bedeutung erfahren. Forciert durch die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft existieren zudem<br />

zahlreiche Projekte zwischen Wirtschaft <strong>und</strong> Schule zum Thema „Schülerfirmen“. Ziel ist es,<br />

das unternehmerische Handeln <strong>und</strong> Denken zu fördern, Unternehmensprozesse zu erleben<br />

<strong>und</strong> Bildung stärker in ökonomische Zusammenhänge zu setzen, indem den Schülern die<br />

7<br />

Vgl. hierzu auch die Internetseite der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft: http://www.schulewirtschaft.de.<br />

255


Möglichkeit offeriert wird, selbstständig als Unternehmer zu agieren. 8 Neben Schülerfirmen<br />

dienen Wirtschaftsplanspiele der realitätsnahen Simulation von Arbeits- <strong>und</strong> Entscheidungsabläufen<br />

eines Unternehmens. Im Internet als modernes Medium sind zahlreiche Planspiele<br />

sowie Projekte zu finden, die sich sowohl an Schüler 9 als auch an Lehrer richten <strong>und</strong> die Berufsorientierung<br />

an Schulen unterstützen sollen. Für Lehrkräfte finden sich bspw. auf den<br />

Internetseiten www.schulbank.de, www.wirtschaft<strong>und</strong>schule.de <strong>und</strong> www.netzworkshop.de<br />

Unterrichtshilfen, die es ihnen ermöglichen sollen „Schüler für volkswirtschaftliche Zusammenhänge<br />

<strong>und</strong> Abläufe zu interessieren, ihnen Wirtschaft verständlich, erlebbar zu machen<br />

... .“ (http://www.schulbank.de/html/01_pub/pub_011.asp, 28.11.03). Zusammenfassend ist<br />

damit festzuhalten, dass die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft ein breites Spektrum an berufsorientierenden<br />

Themen abdeckt, Handlungsempfehlungen sowie praktische Unterstützung zur<br />

Förderung der Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife leistet 10 <strong>und</strong> den Dialog – aber auch das<br />

gegenseitige Verständnis – zwischen Schule <strong>und</strong> Wirtschaft intensiviert.<br />

Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch das Programm „Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben“<br />

vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF). Zielleitend<br />

ist die Erleichterung des Übergangs von der Schule in die Berufsausbildung (erste Schwelle).<br />

Seit dem Programmstart im Jahr 1999 wurden in allen B<strong>und</strong>esländern insgesamt 46 Projekte<br />

gefördert, die an der ersten Schwelle Orientierungs-, Kompetenz- <strong>und</strong> Koordinationsprobleme<br />

zwischen Schule <strong>und</strong> Wirtschaft bearbeiten. 11 (vgl. www.swa-programm.de, 28.11.2006)<br />

Zentrales Anliegen ist die Kooperation, zwischen Schule, Wirtschaft <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen.<br />

„Das Programm "Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben" des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung<br />

<strong>und</strong> Forschung hat sich zum Ziel gesetzt, den Übergang Jugendlicher von der Schule in die<br />

Berufsausbildung zu verbessern“. „Die Projekte bearbeiten auf unterschiedlichen Wegen die<br />

zahlreichen Orientierungs-, Kompetenz- <strong>und</strong> Koordinationsprobleme an der so genannten 1.<br />

Schwelle zwischen Schule <strong>und</strong> Wirtschaft“ (http://www.swa-programm.de/, 28.11.2006).<br />

Die bisher hier dargelegte Problematik der Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife bzw. -fähigkeit<br />

findet explizit in dem Zwischenbericht für das Programm Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben Berücksichtigung.<br />

Auf Gr<strong>und</strong> der tief greifenden strukturellen Veränderungen <strong>und</strong> der Anforde-<br />

8<br />

Zu nennen sind hier Projekte wie „GO! to school“, „Junior“, „Schüler als Bosse“ oder „buisness@school“.<br />

9<br />

www.fit-fuer-die-wirtschaft.de.<br />

10<br />

Vgl. hierzu u. a.: B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft (o. J.): Das Lehrerbetriebspraktikum. Merkblatt<br />

für Schulen <strong>und</strong> Betriebe; B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft (2003): Wirtschaft informiert Schule.<br />

Organisationen, Materialien, Veranstaltungen. 5. aktualisierte Auflage.<br />

11<br />

Als ein Beispiel, der durch das Programm geförderten Projekte, sei hier das hessische Projekt „Förderung der<br />

Berufswahlreife von Haupt- <strong>und</strong> Sonderschülerinnen <strong>und</strong> -schülern durch kontinuierliche Praxistage in Betrieben“<br />

genannt. Orientiert an den Kompetenzen, die von der IHK unter dem Begriff der <strong>Aus</strong>bildungsreife gefasst<br />

werden, wurde in diesem Projektkontext u. a. ein Vordruck zur „Beurteilung der Schlüsselqualifikationen“, unterteilt<br />

in „Arbeitsverhalten“ <strong>und</strong> „Sozialverhalten“, entwickelt. Damit sowohl Lehrkräfte <strong>und</strong> Verantwortliche des<br />

Betriebs in die Lage versetzt werden, eine kompetente Beurteilung abzugeben, wurde zusätzlich ein Informationsblatt<br />

entwickelt, das die Inhalte des jeweiligen Begriffs beschreibt. Sichergestellt werden soll so einerseits<br />

die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, die <strong>Aus</strong>einandersetzung mit den individuellen Kompetenzen der<br />

Schüler sowie andererseits eine umfassende Beurteilung der Jugendlichen.<br />

256


ungen des Beschäftigungssystems an das Bildungssystem ergeben sich Verschiebungen in<br />

der Akzentuierung. Wie bereits dargestellt, findet die (An)Forderung an die Jugendlichen,<br />

eine Entscheidung für einen Lebensberuf zu treffen, hier Erweiterung in der Forderung nach<br />

Kompetenzen, die Jugendliche aktiv in die Lage versetzen, am Lebensbegleitenden Lernen<br />

teil zu haben. „Zur Vermittlung dieser Art <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit gehört das Entwerfen eines<br />

eigenen Zukunftskonzepts ebenso wie das Wissen um die betrieblichen Flexibilitätserfordernisse.<br />

Für die Vermittlung eines solchen anspruchsvollen Konzepts von Berufswahl- oder<br />

<strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit scheint eine engere partnerschaftliche Kooperation zwischen Schule<br />

<strong>und</strong> Wirtschaft/Arbeitsleben unumgänglich.“ (Famulla u.a. 2001, S. 8) Fokussiert auf die frühe<br />

Einbindung der Jugendlichen in die Arbeitswelt, zur Vorbereitung auf das Lebensbegleitende<br />

Lernen einerseits sowie zur realistischen Wahrnehmung der Arbeitswelt andererseits,<br />

baut diese Form der Berufs(wahl)orientierung somit Unsicherheiten ab <strong>und</strong> Erfahrungen für<br />

die eigene Lebens- <strong>und</strong> Berufsplanung auf. In diesem Sinne bietet das Programm Schule-<br />

Wirtschaft/Arbeitsleben eine sinnvolle Ergänzung zur bereits institutionalisierten Berufs(wahl)orientierung.<br />

Deutlich wird an dieser Stelle auch, dass das Programm <strong>und</strong> somit<br />

die geförderten Projekte auf die aktuellen Veränderungen reagieren. Jugendliche sollen in<br />

die Lage versetzt werden, selbstständig sowie eigenverantwortlich zu agieren, ihr Zukunftskonzept<br />

unter Berücksichtigung ihrer individuellen Kompetenzen – aber auch der ökonomischen<br />

Rahmenbedingungen – zu entwerfen.<br />

In die gleiche Kategorie ist das Pilotprojekt „ABBEO“, beruhend auf dem "<strong>Aus</strong>bildungskonsens<br />

NRW" <strong>und</strong> kofinanziert durch das Land Nordrhein-Westfalen, die B<strong>und</strong>esagentur für<br />

Arbeit sowie den Europäischen Sozialfond, einzuordnen. Übergeordnetes Ziel von ABBEO<br />

ist die Vorbereitung aller Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf Beruf <strong>und</strong> Arbeit, so dass diese unmittelbar<br />

nach der Pflichtschulzeit eine <strong>Aus</strong>bildung im Dualen System aufnehmen können.<br />

<strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> Berufswahlorientierung sollen durch geeignete Maßnahmen in der<br />

Schule nachhaltig verbessert werden.<br />

Ergänzung finden die bereits genannten Maßnahmen in den vom Sekretariat der Ständigen<br />

Konferenz der Kultusminister der Länder formulierten verbindlichen Empfehlungen, in denen<br />

es heißt:<br />

• „ständige Überarbeitung der Lehrpläne <strong>und</strong> Handreichungen,<br />

• Abstimmung der Inhalte allgemein bildender Schulen im Kernbereich mit Anforderungen<br />

der Berufsausbildung sowie der beruflichen Vollzeitschule,<br />

• Zuweisung der höchsten St<strong>und</strong>enanteile an die Fächer Deutsch, Fremdsprache <strong>und</strong><br />

Mathematik im Rahmen der jeweiligen St<strong>und</strong>entafeln über alle Klassenstufen hinweg<br />

<strong>und</strong> Berücksichtigung dieser Basiskompetenzen in allen Unterrichtsfächern,<br />

• Hinführung zu einem sachgerechten Umgang mit den neuen Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechniken,<br />

257


• Stärkung berufsorientierender Maßnahmen wie Betriebspraktika <strong>und</strong> Projekte, Betriebserk<strong>und</strong>ungen,<br />

Berufsberatung in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Arbeitsamt,<br />

• Verbindlichkeit des Lernbereichs Arbeitslehre,<br />

• Regionale Kooperationen von Schule <strong>und</strong> Wirtschaft,<br />

• Gezielte Beseitigung von Lern- <strong>und</strong> Leistungsdefiziten durch Differenzierungsmaßnahmen,<br />

• Neue Unterrichtsformen wie Projektarbeit, fächerverbindendes <strong>und</strong> fachübergreifendes<br />

Arbeiten,<br />

• Integrationsmaßnahmen für <strong>Aus</strong>siedler <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder,<br />

• Lehrerfortbildung, besonders hinsichtlich neuer Lehr- <strong>und</strong> Lernformen, <strong>und</strong> Teilnahme<br />

an Lehrerbetriebspraktika“ (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der<br />

Länder in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 1998, S. 235).<br />

Greifen sowohl die oben genannten, wie auch die herkömmlichen Berufsorientierungsmaßnahmen<br />

nicht, so führen die steigenden Anforderungen sowie das nicht im gleichen Tempo<br />

Schritt haltende Qualifikationsniveau der Schulabgänger zu einem weiteren <strong>Aus</strong>einanderklaffen<br />

der Schere zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage nach Leistungen/Kompetenzen <strong>und</strong> letztlich<br />

nach <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsplätzen. Konsequent weitergedacht würde diese Entwicklung,<br />

wie bereits beobachtbar, bedeuten, dass Jugendliche zur Kompensation mangelnder<br />

Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife zunehmend in berufsvorbereitenden Maßnahmen respektive<br />

Berufskollegs „ausbildungsfit“ gemacht werden. Diese werden jedoch, folgt man der aktuellen<br />

politischen Entwicklung im Bildungsbereich, zum einen weitgehend reduziert, sei es<br />

zur Vermeidung so genannter „Maßnahmekarrieren“ oder zur Entwicklung neuer Alternativen.<br />

Zum anderen würde dies bedeuten, dass die Gesellschaft sowie die politisch Verantwortlichen<br />

die notwendigen Ressourcen bereitstellen müssten, um eine adäquate Bildung zu<br />

sichern.<br />

1.4 Aktuelle Diskussion<br />

Die Kluft zwischen wettbewerbsentscheidenden Erwartungen der Unternehmen einerseits<br />

<strong>und</strong> bisher gemessenen individuellen Bildungsleistungen der Schüler andererseits scheint<br />

sich trotz der skizzierten Initiativen, Maßnahmen, Projekte <strong>und</strong> Programme immer weiter zu<br />

vergrößern. Die Wirtschaft klagt zunehmend über mangelnde Qualifikationen der Bewerber<br />

<strong>und</strong> rechtfertigt hiermit unbesetzte <strong>Aus</strong>bildungsplätze, aber auch ihr rückläufiges <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebot.<br />

Die PISA-Studie untermauert die <strong>Aus</strong>sage der Wirtschaft auf den ersten<br />

Blick durch die unterdurchschnittlichen Ergebnisse im internationalen Vergleich. Die problematische<br />

Situation an der ersten Schwelle wird somit zunehmend durch mangelnde <strong>Aus</strong>bildungs-<br />

bzw. Berufswahlreife der Jugendlichen erklärt. In diesem Kontext gilt es nicht nur die<br />

wirtschaftliche Perspektive, die aktuelle Diskussion <strong>und</strong> die daraus resultierenden Konsequenzen<br />

zu beleuchten, sondern auch die Perspektive der Jugendlichen, die im interdepen-<br />

258


denten Gefüge von gesellschaftlichen, technologischen <strong>und</strong> ökonomischen Faktoren agieren<br />

müssen, hier insbesondere die Perspektive der Jugendlichen, bei denen von einem erhöhten<br />

Förderbedarf gesprochen werden kann.<br />

Ein deutliches Signal für die skizzierte Situation ist die anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit.<br />

Ende Oktober 2006 waren 9,6% der Arbeitslosen, in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

insgesamt, Jüngere unter 25 Jahren. Betrachtet man die Quote der Arbeitslosen unter 25<br />

Jahren differenziert nach neuen <strong>und</strong> alten B<strong>und</strong>esländer, so zeichnet sich folgendes Bild ab:<br />

In den alten B<strong>und</strong>esländern lag die Arbeitslosenquote der Jugendlichen unter 25 Jahren im<br />

Oktober bei 7,9%; in den neuen B<strong>und</strong>esländern sogar bei 16,12%. (vgl. B<strong>und</strong>esanstalt für<br />

Arbeit 2006)<br />

Weitere Indizien für die prekäre Lage im Bildungssystem sind steigende Zahlen bei <strong>Aus</strong>bildungsabbrüchen<br />

sowie eine hohe Anzahl Jugendlicher, die keinen Berufsbildungsabschluss<br />

erlangen. Verschärfend hinzukommt, dass fast jeder 12. Jugendliche die allgemein bildende<br />

Schule ohne Schulabschluss verlässt. Dabei ist der Anteil der Mädchen, die die Schule ohne<br />

Abschluss verlassen, mit ca. 5,6% nur etwa halb so groß wie der der Jungen. Auch wenn<br />

diese geschlechtsspezifischen Unterschiede bei einer Differenzierung nach deutschen <strong>und</strong><br />

ausländischen Abgängern in ihren Relationen gleich bleiben, so liegt dieser bei den männlichen<br />

ausländischen Abgängern schon bei der kritischen Masse von fast 20%. (vgl. BMBF<br />

2006, S. 254)<br />

Noch 2003 galten 15% bis 20% der Jugendlichen als nicht ausbildungsfähig, sodass die Diskrepanz<br />

zwischen den steigenden Anforderungen des Beschäftigungssystems <strong>und</strong> dem aktuellen<br />

Leistungsstand der <strong>Aus</strong>bildungsbewerber immer gravierender zu werden scheint.<br />

(vgl. Keim 2003, S. 41) Bestätigt wird der Trend durch die <strong>Aus</strong>sagen der Betriebe, die <strong>Aus</strong>bildungsstellen<br />

wegen Mangel an geeigneten Bewerbern unbesetzt zu lassen. Eine aktuelle<br />

Unfrage der B<strong>und</strong>esvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zur <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation<br />

kam zu folgenden Ergebnissen: Die Besetzung der <strong>Aus</strong>bildungsplätze wird seitens<br />

der Betriebe als problematisch eingestuft. Als Hinderungsgründe werden die bereits oben<br />

genannten qualifikatorischen Mängel angeführt (vgl. B<strong>und</strong>esvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

2003).<br />

Ferner wird der Trend durch die Ergebnisse der PISA-Studien bestätigt. Laut der Wirtschaft<br />

sind die durch PISA festgestellten Bildungsdefizite nicht neu. Von ihrer Seite wird schon seit<br />

einigen Jahren die mangelnde <strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> die damit einhergehenden Defizite der<br />

Schüler beklagt. Die BASF AG hat bereits vor etwa 25 Jahren eine Eingangsuntersuchung<br />

für <strong>Aus</strong>bildungsplatzbewerber entwickelt, mit deren Hilfe sie u. a. die elementaren Rechtschreib-<br />

<strong>und</strong> Rechenkenntnisse testet. Das Verfahren kommt seit seiner Entwicklung unverändert<br />

zum Einsatz <strong>und</strong> ermöglicht daher einen Langzeitvergleich. Der Leistungsstand der<br />

259


<strong>Aus</strong>bildungsplatzbewerber zeigt einen kontinuierlichen Abwärtstrend, sodass die Diskrepanzen<br />

zu den Leistungsanforderungen steigen. (vgl. Kiepe 1998, S. 31ff.)<br />

Einhergehend mit veränderten Arbeitsorganisationen sind andere Kompetenzen gefragt.<br />

Nicht länger fachliche Qualifikationen zählen, vielmehr sind überfachliche Qualifikationen in<br />

den Vordergr<strong>und</strong> getreten, sodass die Wirtschaft von den Schulen fordert sich diesen Kompetenzen<br />

verstärkt zu öffnen. „Nicht der Berufsfunktionalist, Berufsspezialist <strong>und</strong> Berufskarrierist,<br />

d.h. der eng auf die beruflichen Belange getrimmte, angepasste Jugendliche prägt<br />

das Bild <strong>und</strong> beschreibt das Ziel schulischer Bildung <strong>und</strong> Erziehung aus Unternehmenssicht.<br />

… Die Wirtschaft setzt sich vielmehr für eine breite Allgemeinbildung ein <strong>und</strong> legt großen<br />

Wert auf Persönlichkeitsbildung.“ (Keim 2003, S. 42)<br />

Die Wirtschaft ergreift mittlerweile selbst die Initiative <strong>und</strong> bietet für die <strong>Aus</strong>zubildenden vielfältige<br />

Kompensationsmaßnahmen an. In einem Artikel der Frankfurter R<strong>und</strong>schau mit dem<br />

Titel „Firmen bringen Azubis das Schreiben bei“ (17.11.2003) heißt es: „Von 125 kaufmännischen<br />

Lehrlingen bei Henkel bekommen 40% am Abend Nachhilfe [...] (in) Mathematik – <strong>und</strong><br />

das seien nicht Hauptschüler, sondern „fast ausschließlich Abiturienten“. Exemplarisch sei<br />

hier noch mal die BASF AG genannt, die aus den Ergebnissen ihrer o. g. Eingangsuntersuchungen<br />

Konsequenzen gezogen hat <strong>und</strong> handelt. Bereits im Jahr 1993 konnten 520 Hauptschulabgänger,<br />

die den Eingangstest nicht bestanden hatten, ein Jahr lang an dem sog.<br />

„Start in den Beruf“ BASF-Training teilnehmen, um im Anschluss daran ihre <strong>Aus</strong>bildung zu<br />

beginnen. Ergänzend zu dem Training fand eine intensive sozialpädagogische Betreuung<br />

statt.<br />

Gleiches gilt für das Projekt "Chance 2006" 12 , das Jugendlichen eine erneute Chance einräumt,<br />

sich als Bewerber um einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz bei der ThyssenKrupp Steel AG zu bewerben.<br />

Hierbei handelt es sich um Jugendliche, die bei ihrer ersten Bewerbung um einen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsplatz in diesem Unternehmen nicht erfolgreich waren, aber durchaus Potenziale<br />

aufweisen. Nach einer intensiven Betreuung wird diesen jungen Menschen eine zweite<br />

Chance gewährt. Entscheidend ist hierbei die Bereitschaft der ThyssenKrupp Steel AG, eine<br />

große Anzahl an <strong>Aus</strong>bildungsstellen im laufenden Einstellungsverfahren frei zu halten <strong>und</strong><br />

nach der erfolgreichen Wiederholung des Einstellungstestes mit den Teilnehmerinnen <strong>und</strong><br />

Teilnehmern aus dem Projekt zu besetzen.<br />

Mittel- <strong>und</strong> langfristig kann jedoch nicht die Lösung angestrebt werden, dass Wirtschaft schulische<br />

Versäumnisse <strong>und</strong> schulpolitische Fehlentscheidungen kompensiert.<br />

Genauso wenig kann von schulischer Seite erwartet werden, sich uneingeschränkt den sich<br />

rasant entwickelnden Forderungen der Wirtschaft zu unterwerfen <strong>und</strong> in entsprechende Un-<br />

12 Vgl. hierzu ausführlicher die Präsentation der ThyssenKrupp Steel AG auf der Fachtagung „Erfolgreiche Wege<br />

in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beruf“ des B<strong>und</strong>esministeriums für Arbeit <strong>und</strong> Soziales <strong>und</strong> der Initiative für Beschäftigung!<br />

am 6. Oktober 2006 in Berlin.<br />

260


terrichtsinhalte umzusetzen. „Die allgemeine Bildung, die allen gemeine, dient nicht nur als<br />

Vorbereitung der bei jedem unterschiedlichen <strong>Aus</strong>bildung für die unterschiedlichen Berufe<br />

<strong>und</strong> zur Begleitung der Berufslaufbahnen. Sie zielt auf kulturell erfülltes Leben, Glück <strong>und</strong><br />

Moral, erfolgreiche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben überhaupt.“ (Kienitz 2000, S. 6)<br />

Gleichwohl geht der Trend zur Höherqualifizierung gerade für Jugendliche mit niedrigen<br />

Schulabschlüssen immer mehr mit geringeren beruflichen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt<br />

einher. Betrachtet man die Situation der Jugendlichen, so liegt die Frage nahe, ob diese<br />

den sich immer schneller wandelnden <strong>und</strong> gleichzeitig steigenden Anforderungen gerecht<br />

werden können. Die Entwicklung der Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Sozialpolitik der letzten Jahre weist<br />

deutlich auf eine Neuausrichtung auf das Individuum hin. „Persönlichkeitsentwicklung sowie<br />

berufliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Integration werden dabei vorwiegend dem Prinzip der Individualisierung<br />

<strong>und</strong> Marktgängigkeit unterworfen.“ (Rützel 2003, S. 2) Die Verantwortung wird<br />

demnach mehr <strong>und</strong> mehr auf die einzelnen Individuen verlagert.<br />

Schaeper, Kühn <strong>und</strong> Witzel 2000 stellen dazu fest: „Die Auflösung normalbiografischer Orientierungsmuster,<br />

die Prekarisierung <strong>und</strong> Flexibilisierung von Erwerbsformen <strong>und</strong> Verläufen<br />

sowie die Veränderung institutioneller Steuerungsformen in Richtung höherer Gestaltungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> -zwänge stellen wachsende Anforderungen an die Verarbeitungsfähigkeit,<br />

Reflexivität <strong>und</strong> Gestaltungskompetenz der Individuen.“ (Schaeper, Kühn & Witzel 2000,<br />

S. 84)<br />

Jugendliche sind daher aktuell mehr denn je gefordert, ihren eigenen Lebenslauf respektive<br />

ihre eigene Erwerbsbiografie zu entwerfen, sie zu einem individuellen Projekt zu gestalten<br />

<strong>und</strong> die sich anbietenden Alternativen abzuwägen. Diese Entwicklung impliziert für sie zwar<br />

einerseits einen höheren Gestaltungsspielraum bei der Planung ihres Lebenslaufs, andererseits<br />

ist die berufsbiografische Kontinuität unsicher <strong>und</strong> hängt im hohen Maße von den Entwicklungstendenzen<br />

des Arbeitsmarkts sowie von den Veränderungen der Berufsstrukturen<br />

ab (vgl. Heinz 1995, S. 66f.). Für die Jugendlichen bedeutet diese Tatsache, dass sie sich<br />

flexibel unter Wahrung ihrer Interessen auf gesellschaftliche Veränderungen einstellen müssen.<br />

Sie sind dazu angehalten, die für ihren Lebenslauf notwendigen Qualifikationen <strong>und</strong><br />

Kompetenzen zu einer berufsbiografischen Kontinuität aufzubauen, auch wenn sie nicht sicher<br />

gehen können, dass sich die Investition an Zeit, Geld <strong>und</strong> Energie längerfristig auszahlt.<br />

Die Möglichkeit bzw. die Pflicht, in der modernen Gesellschaft ihren Lebenslauf individuell zu<br />

gestalten, birgt für Jugendliche viele Unsicherheiten <strong>und</strong> Risiken in sich. „Die Krisen im Erwerbsarbeitssektor,<br />

Arbeitslosigkeit, Globalisierung, Rationalisierung <strong>und</strong> Abbau oder Verlagerung<br />

von Beschäftigung sind inzwischen nicht mehr 'bloß' eine Randbedingung des Aufwachsens.<br />

Sie sind nicht mehr 'bloß' Belastungen des Erwachsenenlebens, von denen Jugendliche<br />

in einem Schonraum entlastet ihr Jugendleben führen können. Sie haben inzwischen<br />

vielmehr das Zentrum der Jugendphase erreicht, indem sie ihren Sinn in Frage stel-<br />

261


len. Wenn die Arbeitsgesellschaft zum Problem wird, dann muß auch die Jugendphase als<br />

der biographischen Vorbereitung auf diese Gesellschaft zum Problem werden.“ (Jugendwerk<br />

der Deutschen Shell 1997, S. 13)<br />

1.5 Handlungsansätze<br />

Die Kritik der Wirtschaft über mangelnde <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Berufswahlreife der Jugendlichen<br />

erscheint fraglich, betrachtet man sie unter dem Aspekt, dass neben fachlichen Kompetenzen,<br />

welche ohnehin in der heutigen Gesellschaft schnell veralten <strong>und</strong> ständig erneuert werden<br />

müssen, verstärkt überfachliche Kompetenzen an Bedeutung gewinnen. Individuelle<br />

Kompetenzen werden zwar in unserem heutigen Bildungssystem als Schlagworte thematisiert,<br />

spiegeln sich aber nicht ganzheitlich in den Bewertungssystemen der Schulen <strong>und</strong> im<br />

System der Berufsorientierung wider. Bisher fehlt es hier an allgemein anerkannten Instrumenten<br />

zur Messung <strong>und</strong> Vermittlung individueller Kompetenzen im Kontext von Berufswahlbzw.<br />

<strong>Aus</strong>bildungsreife als Aufgabe der Berufsorientierung. Berufsorientierung als Instrument<br />

zur Entwicklung <strong>und</strong> Förderung von Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife erfordert mehr als das<br />

traditionelle Verständnis, dass Jugendliche unter Kenntnisse ihrer Wünsche <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

sich für einen Lebensberuf entscheiden. Angesichts pluralisierter <strong>und</strong> flexibler Erwerbsformen<br />

müssen die Jugendlichen vielmehr in die Lage versetzt werden, ihre einmal erworbenen<br />

fachlichen <strong>und</strong> überfachlichen Kompetenzen im Sinne des Lebensbegleitenden Lernens stetig<br />

zu erweitern. Neben Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungskompetenz benötigen sie zunehmend<br />

Lebensgestaltungskompetenz.<br />

Für die viel beklagte Misere des deutschen Bildungssystems <strong>und</strong> den damit einhergehenden<br />

Klagen über unzureichend qualifizierte Jugendliche ist bis heute noch keine Lösung gef<strong>und</strong>en<br />

worden.<br />

Die durch PISA ausgelöste Diskussion machte nicht nur der Wirtschaft Hoffnungen auf Veränderungen<br />

im Bildungssystem bzw. auf eine zweite Bildungsexpansion; versucht sie doch<br />

die Verantwortlichkeit wieder auf eine politische Ebene <strong>und</strong> damit in Hände der „Gesellschaft“<br />

zu legen. Allerdings brauchen Veränderungen ihre Zeit. Mit einer „Nonplusultra-<br />

Lösung“ ist daher auch zukünftig nicht zu rechnen.<br />

Derzeitig werden vielfältige Modelle diskutiert, die der Steigerung der Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />

bzw. des Leistungsstands der Schüler dienen sollen.<br />

Am 15. Oktober 2004 wurde von der Kultusministerkonferenz (KMK) eine „Vereinbarung über<br />

Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9)“ geschlossen. Ergänzend<br />

hierzu die „Vereinbarung über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss<br />

(Jahrgangsstufe 10)“, die bereits am 04. Dezember 2003 getroffen wurde. Fokussiert wurden<br />

Standards für die Fächer Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Erste Fremdsprache.<br />

262


Aufgabe der Bildungsstandards ist u. a. die Sicherung der Qualität schulischer Bildung, die<br />

Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse sowie die Durchlässigkeit des Bildungssystems. In<br />

der Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards wird der Begriff Bildungsstandards<br />

wie folgt erklärt: „Bildungsstandards, …, greifen allgemeine Bildungsziele auf. Sie benennen<br />

die Kompetenzen, welche die Schule ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern vermitteln<br />

muss, damit bestimmte zentrale Bildungsziele erreicht werden. Die Bildungsstandards legen<br />

fest, welche Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe<br />

erworben haben sollen. Die Kompetenzen werden so konkret beschrieben, dass<br />

sie in Aufgabenstellungen umgesetzt <strong>und</strong> prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren erfasst werden<br />

können.“ (BMBF 2003b, S. 19) Demnach sollen Bildungsstandards ein Instrument darstellen,<br />

mit deren Hilfe der Lernertrag der Schulen bzw. die vorhandenen Kompetenzen von<br />

Jugendlichen zukünftig b<strong>und</strong>esweit überprüft werden kann/können. Anzunehmen ist, dass<br />

sich die Forderungen der KMK nach definierten Bildungsstandards auf entwicklungstheoretische<br />

Modelle stützen. Für die an der Berufswahlorientierung beteiligten Schulen können<br />

entwicklungstheoretische Ansätze Hinweise für die curriculare Organisation liefern, da sich<br />

hieraus ableiten lässt, wann mit der Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit zur <strong>Aus</strong>einandersetzung mit<br />

bestimmten Berufswahlaufgaben gerechnet werden kann.<br />

Aktuell wird die Einführung der Bildungsstandards kontrovers diskutiert. Ein wesentlicher<br />

Vorwurf in diesem Kontext ist die Vereinheitlichung der Schulen. Schule soll nur noch lehren<br />

dürfen was national geprüft ist; die lokale Vielfalt findet keine Relevanz mehr.<br />

Anzumerken ist ebenfalls, dass es Bildungsstandards für alle Jahrgangsstufen geben sollte<br />

<strong>und</strong> nicht lediglich für Abschlussklassen. Schülern, Lehrern sowie der Schule selbst fehlt es<br />

damit an Rückmeldung über den jeweils aktuellen Leistungsstand, sodass die Gefahr einer<br />

Fehlentwicklung im Vorfeld besteht.<br />

Standards bergen – sind sie erst mal eindeutig definiert, operationalisiert <strong>und</strong> erprobt – auch<br />

Vorteile. Die PISA-E Studie zeigte deutliche Leistungsunterschiede der Jugendlichen in den<br />

einzelnen B<strong>und</strong>esländern, die nicht ausschließlich durch unterschiedliche Kontextbedingungen<br />

erklärt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch das Bewertungssystem bzw.<br />

die Notengebung zu sehen, das/die bei identischen Ergebnissen variiert. Hinzu kommt, dass<br />

Bildungsstandards nicht gleichzeitig den Unterrichtsprozess standardisieren, sondern dass<br />

Schulen hier ein Handlungsspielraum eingeräumt wird, wie sie – abgestimmt auf ihre Schüler<br />

– die Zielvorgaben erreichen können.<br />

Abzuwarten gilt, wie sich die Diskussion um die Bildungsstandards weiter gestalten wird,<br />

aber auch wie Bildungsstandards unter Berücksichtigung der Vermittlung sowie Erfassung<br />

von fachlichen <strong>und</strong> fachübergreifenden Basisqualifikationen „die für die weitere schulische<br />

<strong>und</strong> berufliche <strong>Aus</strong>bildung von Bedeutung sind <strong>und</strong> die anschlussfähiges Lernen ermögli-<br />

263


chen“ (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder 2003, S. 3), ausdifferenziert<br />

(z.B. Aufgaben, Testverfahren <strong>und</strong> Implementation in Schulen) werden.<br />

Defizite in den so genannten Schlüsselqualifikationen eröffnen einen weiteren Handlungsansatz<br />

im Rahmen neuer Lernformen, welche explizit diese Kompetenzen fördern. Exemplarisch<br />

sei hier auf Heinz Klippert 2002 13 verwiesen, der in diesem Zusammenhang mit seinen<br />

Lernformen wohl für das meiste Aufsehen <strong>und</strong> Interesse gesorgt hat <strong>und</strong> durch seine Trainingsbücher<br />

bekannt wurde.<br />

Zentrales Prinzip seines Konzeptes ist das eigenverantwortliche Arbeiten <strong>und</strong> Lernen der<br />

Schüler (kurz: EVA). Zielführend ist die Entwicklung von Schlüsselqualifikationen wie Selbstständigkeit,<br />

Methodenkompetenz, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit etc. Qualifikationen,<br />

die verstärkt unter dem Begriff der <strong>Aus</strong>bildungsreife gefasst werden. Im Vorfeld dieser<br />

Fähigkeiten steht nach Klippert allerdings die Frage nach dem Lernen des Lernen. 14 Fähigkeiten<br />

wie Markieren, Nachschlagen, Ordnen etc. stehen hierbei an erster Stelle. Klippert<br />

geht davon aus, dass Schüler nur rudimentär in der Lage sind, selbstständig zu agieren.<br />

Konzipiert sind seine Trainingsbücher für Lehrkräfte, sie beinhalten überwiegend praktische<br />

Übungen <strong>und</strong> Handlungsanweisungen, die von den Schülern in kleinen Schritten durchlaufen<br />

werden <strong>und</strong> dabei von den Lehrern portioniert, systematisch gegliedert, kontrolliert <strong>und</strong> überprüft<br />

werden können. 15<br />

Kritisch zu bedenken ist an dieser Stelle aber auch, dass sich dieser Ansatz ausschließlich<br />

auf den Unterricht bezieht, sodass eine umfassende systemische Betrachtungsweise vermieden<br />

wird, die in der Konsequenz mit diversen anderen Prozessen wie z.B. der Organisations-<br />

<strong>und</strong> Personalentwicklung einhergehen müsste. 16<br />

<strong>Aus</strong> dieser Kritik heraus, sowie in Anbetracht des breiten Konsensus, der über die Bedeutung<br />

von fachlichen Qualifikationen <strong>und</strong> individuellen Kompetenzen sowohl für den Einzelnen<br />

als auch für Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft besteht, bilden Qualifikation <strong>und</strong> Kompetenz die<br />

Basis für individuelle Erwerbsbiografien <strong>und</strong> Employability. Ebenso sind sie als unentbehrliche<br />

Humanressource für den Wirtschaftsstandort Deutschland in einem vereinten Europa zu<br />

sehen. Die wirtschaftliche Effizienz <strong>und</strong> Wettbewerbsfähigkeit auf der einen Seite <strong>und</strong> die<br />

Verbesserung der individuellen Handlungskompetenz <strong>und</strong> Beschäftigungsfähigkeit auf der<br />

anderen Seite sind dabei nicht als Widerspruch zu interpretieren, sondern könnten in einer<br />

13<br />

Vgl. hierzu u. a.: Klippert, H. (2002): Eigenverantwortliches Arbeiten <strong>und</strong> Lernen. Bausteine für den Fachunterricht.<br />

Weinheim.<br />

14<br />

Selbstlernkonzepte werden aktuell auch im Zusammenhang mit Empowerment diskutiert.<br />

15<br />

Die Darstellung des Ansatzes von Heinz Klippert erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. An dieser Stelle<br />

sollten nur die zentralen Aspekte skizziert werden, um einige Handlungsansätze zur Verbesserung des Bildungssystems<br />

darzustellen.<br />

16<br />

Vgl. zur Kritik an Klippert: Stövesand, Helmut: Schulentwicklung nach Klippert – Über den Anspruch, mittels<br />

Dressur Selbstständigkeit zu fördern. O.J..<br />

264


präventiven <strong>und</strong> nachhaltigen regionalen Bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik miteinander in<br />

einer win-win-Situation gekoppelt werden.<br />

Als vorläufiges Ergebnis bleibt jedoch zunächst festzuhalten: Die Schere zwischen wettbewerbsentscheidenden<br />

Erwartungen der Unternehmen einerseits <strong>und</strong> bisher gemessenen<br />

individuellen Bildungsleistungen der Schüler andererseits klafft immer mehr auseinander.<br />

Das Resultat sind gegenseitige Schuldzuweisungen. Die Verlierer sind allen voran benachteiligte<br />

Jugendliche. Dennoch existieren Beispiele guter Praxis in der Region zwischen Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Bildung wie die o. g. Projekte zeigen.<br />

Lebensbegleitendes Lernen als europäisches Konzept postuliert, dass theoretisches Wissen<br />

relativ leicht lern- <strong>und</strong> vermittelbar ist, Fachwissen ohnehin in der heutigen Gesellschaft<br />

schnell veraltet <strong>und</strong> ständig erneuert werden muss. „Wissen bezeichnet die Gesamtheit der<br />

Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfaßt<br />

sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln <strong>und</strong> Handlungsanweisungen.“<br />

(Probst et al. 1999, S. 46) Fachliche Qualifikationen <strong>und</strong> individuelle Kompetenzen<br />

werden in unserem heutigen Bildungssystem als Schlagworte thematisiert, spiegeln sich<br />

aber nicht ganzheitlich im Bewertungssystem eines Notenspiegels wider. Unternehmen sind<br />

gezwungen, Personalauswahlverfahren <strong>und</strong> -kriterien auf der Basis konventioneller Bewertungssysteme<br />

durchzuführen. Diese bieten ihnen jedoch nicht die Möglichkeit, die individuellen<br />

Kompetenzen <strong>und</strong> fachlichen Qualifikationen der Bewerber zu erkennen, um sie passgenau<br />

im Rahmen eines Matchingverfahrens 17 mit unternehmensspezifischen Anforderungen<br />

abzugleichen.<br />

Gefordert sind daher differenzierte <strong>und</strong> aufeinander abgestimmte Beurteilungen in den Bildungsgängen<br />

sowie neue Bewertungskonzepte für die Personalauswahl. Ein solcher Ansatz<br />

würde in der Konsequenz ein verstärktes Engagement auf beiden Seiten bedeuten: Unternehmen<br />

wären dazu aufgefordert Jobdescriptions in Form von detaillierten Arbeitsplatz- <strong>und</strong><br />

Anforderungsbeschreibungen sowie Skillsets zur Erfassung eines Persönlichkeits- <strong>und</strong> Qualifikationsprofils,<br />

die im Idealfall in kontinuierlichen Abständen branchenbezogen aktualisiert<br />

werden, zu erarbeiten <strong>und</strong> im Rahmen eines Personalentwicklungsprozesses abzustimmen.<br />

Schule müsste Veränderungsprozesse in Form einer differenzierten Betrachtung <strong>und</strong> Bewertung<br />

der Schüler einleiten, die die Persönlichkeitsentwicklung sowie individuelle Lernfortschritte<br />

abbildet. Dabei wären hier gleichzeitig im Rahmen von pädagogischen Schulentwicklungsplänen,<br />

die verstärkt auf Selbststeuerung setzen, flankierende organisatorische Maßnahmen<br />

einzuleiten.<br />

17<br />

Hergestellt werden kann hierbei ein Bezug auf persönlichkeitspsychologische Theorien der differentiellen Psychologie.<br />

265


Erste Prozesse sind bereits von der Bildungspolitik in Gang gesetzt worden. Schule <strong>und</strong><br />

Wirtschaft könnten hiervon ausgehend eine Qualifikations- <strong>und</strong> Kompetenzmatrix erstellen,<br />

die sowohl ein fachliches Qualifikations- als auch ein individuelles Kompetenzprofil enthält.<br />

Mit Hilfe eines Matchingverfahrens ließe sich diese mit dem Anforderungsprofil der Unternehmen<br />

abgleichen. Darüber hinaus könnte diese Matrix das Potenzial beinhalten, <strong>Aus</strong>bildungsinhalte<br />

flexibler abzubilden <strong>und</strong> für die einzelnen <strong>Aus</strong>bildungsgänge berufsübergreifend<br />

nutzbar zu machen.<br />

Diese mögliche Kompetenzmatrix wäre unter den beteiligten Akteuren in einem gemeinsamen<br />

Dialog auszuhandeln. Bereits vorhandene Schulpartnerschaften <strong>und</strong> Arbeitskreise mit<br />

wissenschaftlicher Unterstützung könnten in diesem Prozess der Motor sein. Die Konzeption<br />

von Kompetenzmatrizen stellt zunächst eine Einzellösung dar. Das Problem der mangelnden<br />

Transferfähigkeit dieser Einzellösungen könnte jedoch aufgelöst werden, wenn es gelänge,<br />

diese im Rahmen regionaler <strong>Aus</strong>bildungskonsense zu bündeln, zu sichern <strong>und</strong> langfristig<br />

landesweit zu etablieren.<br />

Gleichzeitig hervorgehoben werden soll an dieser Stelle ein nachgestellter Handlungsansatz<br />

im Prinzip der <strong>„Berufswahl</strong>paten“. Nicht allein Experten der Jugendarbeit, sondern auch die<br />

einschlägige Literatur verweist darauf, dass Jugendliche, insbesondere nicht ausbildungsreife<br />

<strong>und</strong> benachteiligte Jugendliche, eher eine Chance auf einen <strong>Aus</strong>bildungsplatzplatz haben,<br />

wenn sie den Betrieb im Vorfeld durch ein Praktikum kennen lernen. 18 Lernen Betriebe die<br />

Jugendlichen <strong>und</strong> umgekehrt die Jugendlichen den Betrieb zunächst in Form eines Langzeitpraktikums<br />

oder kontinuierlicher Praxistage 19 kennen, werden meist persönliche Beziehungen<br />

aufgebaut, die die Übernahme in <strong>Aus</strong>bildung wahrscheinlicher machen. „Stimmt die<br />

Chemie“ zwischen <strong>Aus</strong>bilder <strong>und</strong> Jugendlichen, so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit,<br />

dass der <strong>Aus</strong>bilder zu einer Art „Mentor“ wird, der den Jugendlichen einerseits unterstützt<br />

<strong>und</strong> andererseits zu einer Identifikationsfigur für ihn wird. Die so genannte „mangelnde <strong>Aus</strong>bildungsreife“<br />

tritt in diesem Moment in den Hintergr<strong>und</strong>.<br />

Zu verweisen ist in diesem Kontext auf die seit wenigen Jahren entstehenden Projekte im<br />

Bereich der „ehrenamtlichen Berufseinstiegshilfe“. 20 Sog. <strong>„Berufswahl</strong>paten“ 21 sollen Jugendlichen<br />

den Übergang in das Beschäftigungssystem erleichtern. „Das Förderprinzip <strong>und</strong> die<br />

Bezeichnung seiner Aktiven leitet sich von der Gestalt „Mentor“ der griechischen Mythologie<br />

ab: Mentor übernahm für seinen Fre<strong>und</strong> Odysseus während seiner Abwesenheit die Rolle<br />

des Lehrers <strong>und</strong> des väterlichen Fre<strong>und</strong>es für seinen Sohn Telemach.“ (Hauf 2001, S. 7) In<br />

dem Projekt „Senioren als Mentoren für junge Berufseinsteiger. Eine neue Projektsparte im<br />

18<br />

Vgl. hierzu auch Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

19<br />

Vgl. hierzu ausführlicher die Diskussion um die Einführung eines Praktikumtages in Hauptschulen.<br />

20<br />

Diese Unterstützungsform hat in den Vereinigten Staaten eine lange Tradition (vgl. Hauf 2001, S. 7).<br />

21<br />

Hierfür werden die verschiedensten Begriffe verwendet: „Tutoren“, „<strong>Aus</strong>bildungsbegleiter“, <strong>„Berufswahl</strong>lotsen“<br />

etc..<br />

266


freiwilligen Handlungsfeld „Alt hilft Jung““ der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen<br />

sollen die Berufs- <strong>und</strong> Lebenserfahrungen von Senioren für Jugendliche beim<br />

Übergang an der ersten Schwelle genutzt werden. 22 Die Unterstützung reicht hierbei von der<br />

Berufsorientierung über die <strong>Aus</strong>bildungsvorbereitung <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzvermittlung bis hin<br />

zur gesamten Lebensgestaltung. <strong>„Berufswahl</strong>paten“ akquirieren <strong>Aus</strong>bildungsplätze, geben<br />

Einblicke in die Arbeitswelt, trainieren Vorstellungsgespräche, helfen bei der Erstellung von<br />

Bewerbungsunterlagen <strong>und</strong> nutzen ihre ehemaligen Kontakte. Sie begleiten die Jugendlichen<br />

nicht nur auf der fachlichen, sondern vielmehr, <strong>und</strong> darauf sei explizit verwiesen, auf<br />

der persönlichen <strong>und</strong> psychosozialen Ebene. Hierdurch kann eine intensive Beziehung entstehen,<br />

die unter Umständen auch ausbildungsbegleitend – oder gar darüber hinaus – Bestand<br />

haben kann. (vgl. Hauf 2001). In diesem Sinne tragen sie dazu bei, den Jugendlichen<br />

Lebensgestaltungskompetenz mit auf den Weg zu geben.<br />

Betrachtet man dieses – durchaus als zukunftsträchtig zu bezeichnende – Konzept, drängt<br />

sich ein Rückgriff auf die Historie der Berufswahl auf. Wie bereits zu Beginn skizziert können<br />

die Gesellschaftsformen bis ins 19. Jahrh<strong>und</strong>ert als statisch, traditionsbestimmt, agrarischfeudal<br />

<strong>und</strong> ständisch gegliedert bezeichnet werden. Der Beruf wurde durch den Vater bzw.<br />

mit dem Stand vererbt. Verkürzt formuliert wurde der Jugendliche nach <strong>und</strong> nach über die<br />

persönliche Beziehung zu seinem Vater an den Beruf herangeführt.<br />

Die ständisch-handwerkliche Berufsidee zeichnete sich zudem durch ihre Organisation in<br />

Zünften aus. Diese regelten die <strong>Aus</strong>bildung der Lehrlinge <strong>und</strong> boten einerseits wirtschaftlichen<br />

Schutz, andererseits überwachten sie aber auch die Leistungen sowie das Einhalten<br />

der Regeln. In der Zeit der <strong>Aus</strong>bildung, die ebenfalls von der Zunft festgelegt wurde <strong>und</strong> zwischen<br />

zwei <strong>und</strong> vier Jahren variierte, wohnte der Lehrling in der Regel bei der Familie des<br />

Meisters.<br />

Bereits dieser reduzierte Rückgriff auf die Geschichte legt die Schlussfolgerung nahe, dass<br />

Berufswahl, wie auch interaktionstheoretische Berufswahlkonzepte postulieren, stärker als<br />

bisher vermutet, von persönlichen Beziehungen beeinflusst ist.<br />

In einer Zeit, in der das Berufsbildungssystem durch eine Vielfalt von Zuständigkeiten, Institutionen,<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Ansprechpartner charakterisiert ist, werden persönliche Beziehungen<br />

für die Jugendlichen wieder bedeutsamer. 23 Ein <strong>„Berufswahl</strong>pate“ kann in diesem<br />

Zusammenhang Sicherheit, Orientierung, Identifikationsmöglichkeit u.v.m. bieten. Es stellt<br />

sich also die Frage, ob neue Handlungsansätze auf alte Berufswahlmuster zurückgreifen<br />

sollten? Sicherlich nicht ohne Berufswahlfreiheit <strong>und</strong> einer Gleichheit der Bildungsmöglich-<br />

22 An sechs Orten in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland sind bisher Netzwerke entstanden, in denen Senioren ihre<br />

praktischen <strong>und</strong> sozialen Ressourcen aus einem langen Berufsleben den Jugendlichen zur Verfügung stellen.<br />

(vgl. http://www.generationendialog.de/projekte/b<strong>und</strong>eswettbewerb.htm, 11.12.03)<br />

23 Vgl. hierzu ausführlich die 14. Shell Jugendstudie.<br />

267


keiten. Dennoch scheint die Vielfalt von Institutionen, Maßnahmen <strong>und</strong> Aktivitäten, die es<br />

sich zum Ziel gesetzt haben, die Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife Jugendlicher zu fördern,<br />

nicht die optimale Lösung zu sein; verlagern sie doch die Bezugspunkte der Jugendlichen in<br />

ein Rotationsprinzip, in dem jeder Halt unmöglich scheint. Die Erkenntnis von PISA, dass die<br />

frühe Selektion der Schüler 24 in verschiedene Schultypen keine optimale Förderung ermöglicht,<br />

könnte hierfür ein Indiz sein.<br />

Die oben genannten Handlungsansätze verweisen dabei, wenn auch in unterschiedlicher<br />

<strong>Aus</strong>prägung <strong>und</strong> aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, jeweils auf einen Punkt des<br />

aktuellen Diskurs um Vernetzung <strong>und</strong> Netzwerkarbeit, der/die im Folgenden als weitere<br />

Komponente der Entwicklung eines regionalspezifischen Konzeptes zur Berufswahlorientierung<br />

zu Gr<strong>und</strong>e lag.<br />

24 Vgl. hierzu auch die <strong>Aus</strong>sagen von Klemm, K. (2003) über eine neunjährige gemeinsame Schulzeit aller Kinder<br />

in: http://www.proausbildung.de/show.php?rubrik=Presse&LN=90 11.12.2003.<br />

268


2 Diskurs zum Thema Netzwerke 25<br />

Der im April diesen Jahres von Frau Dr. Annette Schavan einberufene „Innovationskreis berufliche<br />

Bildung“ 26 lässt sich gleichwohl auch als „Innovationsnetzwerk berufliche Bildung“<br />

verstehen. Hochrangige Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft <strong>und</strong> beruflichen<br />

Schulen erarbeiten hier gemeinsam mit den Sozialpartnern <strong>und</strong> Ländern „innovative“<br />

Strategien zur Verbesserung der beruflichen Bildung.<br />

Gleichsam betont Manfred Kremer, Präsident des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung, in einem<br />

Kommentar der Zeitschrift Berufsbildung in Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis (BWP) 27 zu Anfang des<br />

Jahres 2006, dass bei dem derzeit herrschenden Mangel an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen, eine vorbehaltlose<br />

Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Kammern, beruflichen Schulen <strong>und</strong> anderen<br />

Bildungseinrichtungen notwendig sei.<br />

Angesichts der gegenwärtig sehr angespannten <strong>und</strong> problematisch behafteten <strong>Aus</strong>bildungssituation<br />

erscheint dieser Schritt dabei längst überfällig 28 .<br />

Bildungspolitische Programme von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern wie Jobstarter, Lernende Regionen,<br />

EQUAL oder BQF (<strong>Berufliche</strong> Qualifizierung für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf)<br />

zielen darauf ab, strukturelle Veränderungen im Bildungswesen hervorzurufen, gleichzeitig<br />

gilt es Innovationen freizusetzen. Allen voran steht bei diesen Programmen der Netzwerkgedanke.<br />

In den geförderten Projekten sollen vor allem möglichst viele Akteure (einer Region,<br />

Branche oder auch Zielgruppe etc.) vernetzt zusammenarbeiten.<br />

So heißt es denn auch: Die Förderung eines Projektes intendiert die Absicht zu institutioneller,<br />

interdisziplinärer <strong>und</strong> multiprofessioneller Zusammenarbeit oder den Auf- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bau<br />

von Kooperationsnetzen unter Beteiligung aller relevanten Akteure auf lokaler oder regionaler<br />

Ebene 29 sowie auch den Aufbau <strong>und</strong> die Betreuung thematischer oder regionaler Bildungsnetzwerke<br />

30 .<br />

25<br />

Vgl. Hierzu in Teilen Dobischat, Rolf (2006): Wie tragen regionale Netzwerke zur Innovationsfähigkeit der Berufbildung<br />

bei? Referat zur Tagung „Innovative Berufsbildung durch regionale Netzwerke“ des Hessischen Ministeriums<br />

für Wirtschaft, Verkehr <strong>und</strong> Landesentwicklung in Kooperation mit dem Bildungswerk der Hessischen<br />

Wirtschaft am 07.07.2006 in Frankfurt/Main.<br />

26<br />

Vgl. hierzu ausführlicher: B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung (2006a): Innovationskreis berufliche<br />

Bildung. URL: http://www.bmbf.de/de/6190.php.<br />

27<br />

Vgl. hierzu ausführlicher Kremer, Manfred (2006): Allen Jugendlichen innerhalb von drei Jahren nach der<br />

Schule einen <strong>Aus</strong>bildungsabschluss ermöglichen! Kommentar. In: B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Berufsbildung<br />

in Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis (BWP) 03/2006, S. 3-4.<br />

28<br />

Vgl. insbesondere zur regionalen <strong>Aus</strong>bildungssituation Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

29<br />

BQF-Programm - "Kompetenzen fördern: <strong>Berufliche</strong> Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf".<br />

30<br />

„Jobstarter – für die Zukunft ausbilden“.<br />

269


2.1 Netzwerke<br />

Networking ist zwar „in“. Insbesondere seit die Wirtschaft „kränkelt“ <strong>und</strong> die Politik mit ihren<br />

Lösungsstrategien immer wieder an ihre Grenzen stößt haben Netzwerke in vielen Bereichen<br />

Hochkonjunktur. Der Verb<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Kooperationsgedanke, als eine der Säulen der sozialpädagogisch<br />

orientierten Berufsausbildung, ist jedoch nicht neu. Bereits Georg Kerschensteiner<br />

der „geistige Vater der Berufsschule“ hat, als er vor über 100 Jahren als Schulreformer in<br />

seinem regionalen Wirkungskreis München begann, nicht nur das theoretische Gerüst für die<br />

Umwandlung der allgemeinen Fortbildungsschule in eine fachliche Fortbildungsschule formuliert,<br />

sondern damit auch innovative Prozesse in der beruflichen Bildung insgesamt in Gang<br />

gesetzt.<br />

Aktuell wird dabei der Begriff „Netzwerk“ inflationär für jedwede Form der Kooperation oder<br />

auch Zusammenarbeit verwendet. In Lexika des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts erstmals auftauchend für<br />

das Geäder eines Blattwerks, finden sich heute Ansatzpunkte für eine Klärung <strong>und</strong> inhaltliche<br />

Schärfung des Netzwerk-Begriffs vielfältiger Form.<br />

Gr<strong>und</strong>legend werden unter Netzwerken Systeme verstanden, die einerseits über Mechanismen<br />

zu ihrer Organisation verfügen <strong>und</strong> deren f<strong>und</strong>amentale Struktur sich andererseits mathematisch<br />

als Graph 31 gestalten lässt.<br />

In der Soziologie wurde der Begriff als „Soziales Netzwerk“ debütiert. In Deutschland zunächst<br />

von Urban Pappi (Franz) 32 , Kappelhoff (Peter) u. a. genutzt, um Willensbildungen in<br />

der Kommunalpolitik auf den Weg zu bringen, fokussiert der Begriff des Sozialen Netzwerks<br />

keine Zielleitung sondern die Verknüpfung disparater Ziele einzelner Akteure <strong>und</strong> Gruppen.<br />

Weitreichender gestaltet sich der Ansatz in der Systemtheorie. Hier ergibt nicht die Summe<br />

der Eigenschaften der Teile die Eigenschaften des Ganzen, d.h. die systemischen Eigenschaften<br />

sind nicht bei einem einzelnen Systemteil vorhanden sondern diese ergeben sich<br />

vielmehr durch die prozesshaften Beziehungen der Teile untereinander.<br />

Insofern kann unter dem Begriff Netzwerk eine Menge von miteinander auf definierte Weise<br />

verb<strong>und</strong>enen, autonomen Objekten bezeichnet werden, die ein gesamtes System bilden.<br />

Das Denken in Netzwerken, die Wahrnehmung der Lebenswelt als die eines Netzwerkes, ist<br />

daher ein Element des Systemdenkens, das sich in den letzten Jahrzehnten in allen Bereichen<br />

als ein vorrangiges Paradigma modernen Denkens hervorgearbeitet hat.<br />

31 Ein Graph besteht aus einer Menge von Elementen, den Knoten, die mittels Verbindungen gleich Kanten miteinander<br />

verb<strong>und</strong>en sind. Ein geschlossener Zug aus Kanten <strong>und</strong> Knoten heißt Masche. Dass der Großteil der<br />

Knoten zu einer oder mehreren Maschen gehört, ist das eigentliche Kennzeichen eines Netzwerks gegenüber<br />

anderen Typen von Strukturen.<br />

32 Vgl. hierzu u. a. Pappi, Franz U. (2001): Soziale Netzwerke. In Schäfers, Bernhard/ Zapf, Wolfgang (Hrsg.):<br />

Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Opladen. S. 605-616.<br />

270


In Erwartung synergetischer Prozesse <strong>und</strong> innovativer Ansätze gestaltet sich die Entwicklung<br />

innerhalb der Netzwerkstrukturen diskursiv, d.h. die dem einzelnen Netzwerk zugehörigen<br />

Akteure agieren im Rahmen von Organisationen, Unternehmen oder auch als Einzelperson<br />

in verschiedenen Netzwerken, die an sich wiederum eigene Netzwerke bilden <strong>und</strong> erneut in<br />

größere Netzwerkstrukturen eingeb<strong>und</strong>en sind.<br />

Nach Weyer (2000) 33 werden dabei sowohl regionale Netzwerke als auch Innovationsnetzwerke<br />

neben strategischen Netzwerken <strong>und</strong> Policy-Netzwerken der Form systemisch sozialer<br />

Netzwerke zugeordnet (vgl. Weyer 2000).<br />

2.2 Regionale Netzwerke<br />

Das Konzept der Regionalisierung <strong>und</strong> damit die Bildung regionaler Netzwerke als steuerungspolitische<br />

<strong>Aus</strong>formung einer stärkeren Politikorientierung auf die Region stellt darauf<br />

ab, die Region mit ihrem komplexen Geflecht an Problemfeldern, Interessenkonstellationen,<br />

Institutionen etc. als zentralen Referenzrahmen einer Gestaltungspolitik auszuweisen.<br />

Im Sinne des systemtheoretischen Netzwerkgedankens ist daher die Abgrenzung <strong>und</strong> Etablierung<br />

eines Bezugssystems Region folglich ein variabler <strong>und</strong> oszillierender Prozess, in<br />

dem, je nach Perspektive des Betrachters, ganz bestimmte Interessenlagen <strong>und</strong> Ziele zum<br />

<strong>Aus</strong>druck kommen.<br />

Regionale Netzwerke können differenziert werden nach Herkunft <strong>und</strong> Anzahl der Partner,<br />

Anstoß bzw. Anlass für die Initiative <strong>und</strong> den Zielen, die sich das Netzwerk gesetzt hat (vgl.<br />

Sprenger 2001, S. 27). Dabei muss sich der Regionsbegriff jedoch auf das ausrichten, was<br />

per se nicht existent ist, sondern was kommunikativ erzeugt <strong>und</strong> damit konstruiert wird (vgl.<br />

Gerhardter 2001, S. 59 f.). Da der Aufbau eines Netzwerkes jedoch gr<strong>und</strong>sätzlich mit der<br />

Zielsetzung beginnt, kann sich diese Zielsetzung nur in dem Prozess der „Innovation“ an sich<br />

äußern.<br />

Regionale Netzwerke <strong>und</strong> Innovationsnetzwerke ergänzen sich an der Stelle insofern, als<br />

dass Bildung <strong>und</strong> Pfade sozialer wie wirtschaftlicher Innovationen immer noch <strong>und</strong> in erster<br />

Linie raumbezogen stattfinden <strong>und</strong> wirken 34 .<br />

33 Johannes Weyer (2000): Soziale Netzwerke, München: Oldenbourg.<br />

34 Die aktuelle Diskussion um die Globalisierung der Ökonomie, in dem u. a. telekooperativ agierende Betriebe<br />

<strong>und</strong> virtuelle Unternehmensnetzwerke auf der Gr<strong>und</strong>lage von Informations- <strong>und</strong> telekommunikationstechnischer<br />

Vernetzung Produkte <strong>und</strong> Leistungen ortsungeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> über räumliche Entfernungen hinweg anbieten<br />

<strong>und</strong> nachfragen <strong>und</strong> damit in der Konsequenz die Frage nach der Dringlichkeit des lokalen Bezugs von<br />

Wirtschaft obsolet werden lassen könnte, bleibt im Folgenden ausgeblendet. Für die Diskussion vgl. dazu Picot<br />

1999, 1998; Baethge 2000. Zur langfristigen Perspektive des Zusammenhangs s. Altvater/Mahnkopf 1996,<br />

Senatsverwaltung für Arbeit, <strong>Berufliche</strong> Bildung <strong>und</strong> Frauen 1997; Virilio 2000.<br />

271


Diskutiert werden dabei in der beruflichen Bildung allen voran Qualifikations- <strong>und</strong> Kompetenzbedarfe,<br />

die präventiven Charakter haben <strong>und</strong> auf spezifische regionale Bedingungen<br />

abgestimmt sind bzw. abgestimmt sein sollen.<br />

2.3 Innovation in Netzwerken<br />

Innovation bedeutet wörtlich übersetzt „Neuerung“ oder „Erneuerung“ <strong>und</strong> wird vom den lateinischen<br />

Begriffen novus „neu“ <strong>und</strong> innovatio „etwas neu Geschaffenes“ abgeleitet. Verwendung<br />

findet der Begriff im Deutschen aber auch im Sinne von neuen Ideen <strong>und</strong><br />

Erfindungen.<br />

Zu unterscheiden ist dabei jedoch zwischen der eigentlichen Invention <strong>und</strong> der Innovation.<br />

Inventionen umfassen neue Ideen bis hin zur der konkreten Konzeptentwicklung sowie die<br />

Einbindung einer „Transfervorphase“.<br />

Innovationen ergeben sich hingegen aus der konkreten Umsetzung bzw. Verwertung.<br />

Nach Schumpeter (Josef) 1912 ist Innovation die Durchsetzung einer technischen oder organisatorischen<br />

Neuerung, nicht allein ihre Erfindung. Gleiches gilt für die berufliche Bildung.<br />

Nach Holz steht repräsentativ für Modellversuche in der Berufsbildung „das Begriffspaar Innovation<br />

<strong>und</strong> Transfer. Das heißt, es soll etwas Neues entwickelt, erprobt <strong>und</strong> verbreitet<br />

werden.“ (Holz 2000, S.18)<br />

Ergänzt man den Innovationsgedanken um die eingeforderte Zusammenarbeit im Netzwerk,<br />

dann werden Innovationen (in der beruflichen Bildung) im Rahmen der „Collective Invention“<br />

entwickelt. Als „Collective Invention“ oder „Kollektive Erfindung“ bezeichnet Allen im Bereich<br />

der Wirtschaftswissenschaft ein Modell zur Innovation, bei dem die „Erfinder“ ihre Innovationen<br />

offen miteinander teilen (vgl. Allen 1983)<br />

An diesem Punkt kränkeln jedoch die meisten „regionalen“ Netzwerke, da das Teilen von<br />

Wissen an sich meist schon ein soziales Dilemma darstellt, bei dem „Trittbrettfahrer“, die<br />

vom Wissen aller profitieren ohne eigenes Wissen beizutragen, begünstigt werden.<br />

Sowohl das Modell der kollektiven Erfindung als auch insofern die Form einer „innovativen<br />

Berufsbildung durch regionale Netzwerke“ haben also nur dann Bestandskraft wenn bestimmte<br />

Bedingungen gegeben sind.<br />

Netzwerke können nur dann effektiv <strong>und</strong> optimal arbeiten, wenn die Akteure eine gegenseitige<br />

Akzeptanz entwickeln, einen Interessenausgleich herstellen <strong>und</strong> Partizipation ermöglichen<br />

(vgl. Dobischat 1999, S.15).<br />

Einen <strong>Aus</strong>weg aus diesem Dilemma können Kompetenz- oder auch Unterstützungsnetzwerke<br />

bieten, denn wenngleich die Schwierigkeiten dieser Entwicklung deutlich werden, so ist<br />

272


doch der Trend hin zu regionalen Netzwerken ungebrochen <strong>und</strong> ein Umdenken in Gang gesetzt.<br />

2.4 Unterstützungsstrukturen für Netzwerke<br />

In Anlehnung an das Konzept der Open Innovation, bei dem Organisationen ihre Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung für Beiträge von Außen hin öffnen <strong>und</strong> das daher eng mit der kollektiven<br />

Erfindung verb<strong>und</strong>en ist, können insbesondere Organisationen <strong>und</strong> Institutionen wie Hochschulen<br />

(die unter dem Aspekt der regionalen Wettbewerbssituation zumal außen vorstehen)<br />

im Sinne einer Unterstützungsstruktur ihre Forschung <strong>und</strong> Entwicklung (ihre Kompetenzen)<br />

als Beiträge nach Außen hin anbieten.<br />

Unterstützungsstrukturen können innerhalb eines Netzwerkes, einzelne Akteure (Personen,<br />

Unternehmen etc.) zielbezogen einbinden, unterschiedliche Wissens- <strong>und</strong> Erfahrungsstände<br />

einzelner Akteure bestmöglich synergetisch bündeln, weiterentwickeln <strong>und</strong> aktuelles, evidenzbasiertes<br />

Wissen bereitstellen. Sie entwerfen <strong>und</strong> sichern hierdurch oftmals unverzichtbare<br />

Dienstleistungen innerhalb eines bestimmten Netzwerkes.<br />

Die im Rahmen dieses Projektes durchgeführten Arbeitspakte können diesbezüglich als Unterstützungsstrukturen<br />

für ein regionalspezifisches Konzept zur Berufswahlorientierung verstanden<br />

werden, insofern, als dass sie eine Basis der Netzwerkarbeiten bilden von der prospektive<br />

der Prozess der beruflichen Orientierung aus konzeptionisiert wird.<br />

2.5 Unterstützungsstrukturen in der Praxis<br />

Die Arbeitsgruppe 4 „Aufbau von Unterstützungsstrukturen für die Netzwerkarbeit“ der Entwicklungsplattform<br />

4 „Netzwerkbildung“ erprobte <strong>und</strong> erforschte im Rahmen des BQF-<br />

Programmes Lösungsansätze, die jeweils als Unterstützungsstrukturen für Netzwerkarbeit<br />

angeführt werden können.<br />

Die Erfahrung in der Arbeit mit diesen Unterstützungsstrukturen zeigte, dass diese sowohl<br />

regional als auch überregional bei Zusammenschlüssen verschiedener Akteure (Bildungsträger,<br />

Agenturen für Arbeit, Berufbildende Schulen, Jugendhilfeträger, Unternehmen etc. pp.)<br />

Zuspruch fanden. Sie dienten dabei u. a. dem <strong>Aus</strong>tausch <strong>und</strong> der Weiterentwicklung der<br />

Kompetenzen der beteiligten Partnerorganisationen <strong>und</strong> ihrer Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

sowie der Entwicklung von Strategien zur Problemlösung, zur Weiterentwicklung von<br />

Konzepten <strong>und</strong> Qualität <strong>und</strong> auch zur Etablierung neuer Produkte. In den Zielsetzungen galt<br />

es, die Qualität von Angeboten zu verbessern, gemeinsame Handlungs- <strong>und</strong> Lösungsstrategien<br />

zu entwickeln <strong>und</strong> Problemstellungen zu verankern.<br />

273


2.6 Formen von Unterstützungsstrukturen<br />

Innerhalb der Arbeitsgruppe wurden unter Unterstützungsstrukturen Dienstleistungen gefasst,<br />

mit denen Netzwerke initiiert <strong>und</strong> gefördert werden <strong>und</strong> die sie bei der Erreichung ihrer<br />

Ziele unterstützen. Dabei helfen sie z. B. die Trägerarbeit in der Region zu verstetigen, regionalspezifische<br />

Qualifikationskonzepte auf- <strong>und</strong> auszubauen oder bestimmte bildungs- <strong>und</strong><br />

berufspädagogische Ziele regional <strong>und</strong> überregional zu verankern. Sie sorgen dafür, dass<br />

Ergebnisse der Netzwerkarbeit nachhaltig wirken, wobei Nachhaltigkeit dann besteht, wenn<br />

die erzielten Wirkungen über einen längeren Zeitraum hinweg Strukturen <strong>und</strong> Standards<br />

bestimmen. Zudem können unter Unterstützungsstrukturen auch Informations- <strong>und</strong> Dokumentationsstandards,<br />

Kommunikationsinstrumente wie Internet <strong>und</strong> Datenbanken, Beratungsinstrumente,<br />

Fortbildung, Analysen <strong>und</strong> Befragungen, Bestandsaufnahmen sowie die<br />

Projekt-/Netzwerkevaluation, die reine Informationsweitergabe <strong>und</strong> die Moderation von Diskurs<br />

gefasst werden.<br />

Damit übernehmen Unterstützungsstrukturen oft auch Management- <strong>und</strong> Koordinationsfunktionen,<br />

sie sorgen für die Konsensbildung mit den beteiligten Entscheidungsträgern <strong>und</strong> managen<br />

die Kooperationsbeziehungen untereinander. Für die Dokumentation, den Informationsfluss<br />

<strong>und</strong> das Wissensmanagement im Netzwerk können sie verantwortlich sein. In diesem<br />

Sinne übernehmen sie insofern das Qualitätsmanagement <strong>und</strong> die Evaluation des<br />

Netzwerks <strong>und</strong> seiner Vorhaben, betreiben Öffentlichkeitsarbeit, sichern Transfer <strong>und</strong> Nachhaltigkeit.<br />

Durch die Bereitstellung von Beratungs- <strong>und</strong> Fortbildungsangeboten unterstützen<br />

sie die Professionalität der beteiligten Akteure. Im Sinne von „Lernenden Organisationen“<br />

sorgen sie für die permanente Weiterentwicklung des Gesamtsystems <strong>und</strong> seiner einzelnen<br />

Teile.<br />

Alle in der Arbeitsgruppe subsumierten Vorhaben/Projekte verfolgten in ihrer Netzwerkarbeit<br />

den Aufbau <strong>und</strong> die Weiterentwicklung dieser Unterstützungsstrukturen, die sie entweder zur<br />

erfolgreichen Arbeit abrufen oder den anderen bereitstellen. Binnen der Projektlaufzeiten ließ<br />

sich daher eine gemeinsame Form von Unterstützungsstrukturen identifizieren 35 :<br />

• Innerhalb des Netzwerkes gab es eine Service- bzw. Koordinierungsstelle zur Bündelung<br />

von Teilleistungen <strong>und</strong> -aufgaben mit dem Ziel, die im Projekt kooperierenden<br />

Netzwerkpartner auf ihre eigentlichen Kernaufgaben zu konzentrieren (z. B. Produkt-<br />

oder Konzeptentwicklung). Die im Projekt verankerten Netzwerkpartner erfahren hierin<br />

insofern eine Entlastung, als dass bestimmte Tätigkeiten von einem alleine – sei es<br />

qualitativ oder quantitativ – nicht oder nicht effizient geleistet werden können.<br />

• Im Sinne einer gemeinsamen inhaltlichen Zielsetzung werden Teilaufgaben – auch<br />

wenn diese als Teilleistungen auf die einzelnen Netzwerkpartner verteilt sind – immer<br />

35 Vgl. hierzu <strong>und</strong> zum Folgenden: BMBF 2006b: Verbesserung der beruflichen Integrationschancen von benachteiligten<br />

Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen durch Netzwerkbildung. Ergebnisse der Entwicklungsplattform<br />

4 „Netzwerkbildung“. Band II d der Schriftenreihe zum Programm „Kompetenzen fördern – <strong>Berufliche</strong> Qualifizierung<br />

für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf (BQF-Programm)“.<br />

274


aufeinander bezogen. Ziel ist die Übernahme von Aufgabengebieten je nach Kompetenzprofil<br />

<strong>und</strong> <strong>Aus</strong>richtung der beteiligten Netzwerkpartner.<br />

Im Rahmen einer Förderkulisse müssen diese Unterstützungsstrukturen finanziell mit eingeplant<br />

bzw. berücksichtigt werden können. Neben der finanziellen Seite spielen jedoch auch<br />

noch andere Faktoren zur Sicherung von Unterstützungsstrukturen eine tragende Rolle, wobei<br />

hier zwischen Einflussfaktoren auf der Projekt- bzw. Netzwerkebene <strong>und</strong> externen Faktoren<br />

welche durch die jeweiligen Rahmenbedingungen bestimmt sind, unterschieden werden<br />

muss.<br />

Auf der Projekt- oder Netzwerkebene sollten den Erfahrungen der Vorhaben in der Arbeitsgruppe<br />

entsprechend, folgende Einflussfaktoren erreicht werden:<br />

Organisatorische Ebene<br />

• realistische <strong>und</strong> verbindliche Ziel- <strong>und</strong> Zeitplanung<br />

• frühzeitige Koordinierung von Vorhabens- <strong>und</strong> Arbeitstreffen sowie Festlegung der Inhalte/Ziele<br />

der Veranstaltungen<br />

Personelle Ebene<br />

• Personenkontinuität auf allen Ebenen <strong>und</strong> in allen Bereichen (z. B. als Berufsschullehrer,<br />

Arbeitsvermittler, Fallmanager, Berufsberater, Leiter des Trägers, Seminarteilnehmer/-innen,<br />

Moderatoren/-innen, Koordinatoren/-innen) <strong>und</strong> somit Auffangen von Fluktuationen<br />

• Transparenz über Personalrollen <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten im Netzwerk (Leitungsfunktionen,<br />

Mitarbeiter/-innen, operative <strong>und</strong> strategische Partner/-innen)<br />

• Konfliktmanagement <strong>und</strong> Interaktion der Akteure<br />

• Bek<strong>und</strong>ung der Interessenlage <strong>und</strong> Motivation<br />

Inhaltliche Ebene<br />

• offene Konsensfindung zwischen Individuallösungen <strong>und</strong> institutionen- <strong>und</strong> personenübergreifenden<br />

Zielvorstellungen<br />

• Adaptierbarkeit der Inhalte (z. B. auf neue Zielgruppen, andere Berufsbilder, Modularisierung)<br />

• Transfer der Inhalte in die Arbeitszusammenhänge der Praxis oder der beteiligten Akteure<br />

(z. B. Bildungsträger)<br />

Vernetzungsebene<br />

• Klärung der Win-Win-Situation (Offenheit <strong>und</strong> Transparenz)<br />

• Klärung der Vernetzungsstabilität bzw. -dichte (Abgrenzung <strong>und</strong> Integration weiterer<br />

Netzwerkpartner)<br />

• Flexibilität <strong>und</strong> Offenheit der Netzwerkstruktur gegenüber Veränderungen in Rahmenbedingen,<br />

beispielsweise der Programmstruktur (Anpassung)<br />

• Transparenz über Funktion <strong>und</strong> Einbindung (z. B. inhaltliche Mitgestaltung) der einzelnen<br />

Netzwerkpartner<br />

275


Unterstützungsstruktur Service-/Koordinierungsstelle<br />

• Bereitstellung von finanziellen Ressourcen für die Service-/Koordinierungsstelle<br />

• Schaffung von Verbindlichkeiten durch vertragliche Fixierung (Kooperationsvereinbarung)<br />

• Erfüllung der inhaltlichen <strong>und</strong> administrativen Programmanforderungen durch das Unterstützungsnetzwerk<br />

Nicht zuletzt spielen individuelle Einflussfaktoren bei den beteiligten Netzwerkpartnern<br />

eine Rolle:<br />

• Funktion <strong>und</strong> Einbindungsmöglichkeiten des Einzelnen (Mitgestaltungsspielraum,<br />

Selbstdarstellungsmöglichkeiten, Kompetenzen <strong>und</strong> Ressourcen)<br />

• Interessenlage <strong>und</strong> Motivation zur Mitarbeit (finanziell, inhaltlich, kooperativ)<br />

Und auch externe Einflussfaktoren konnten benannt werden, mit:<br />

• Dauer der Vorhabens<br />

• Finanzierungsrahmen für die Netzwerkpartner...<br />

• ... <strong>und</strong> infolge dessen Planbarkeit der Netzwerkarbeit (personell, inhaltlich, finanziell,<br />

zeitlich) bei den beteiligten Partnern<br />

• Einordnung des Netzwerkes auf der Programmebene<br />

• (Bildungs-)politischer Stellenwert des Vorhabens<br />

• Einschätzung der (bildungs-)politischen Kontinuität der Programminitiativen<br />

• Verwertungsstrategien der Netzwerkergebnisse (politische Einflussnahme, ggf. Revision<br />

von Gesetzeslagen, Empfehlungscharakter, Evaluation)<br />

• Anforderungen an Vernetzungsgrad/-tiefe<br />

• Regionaler Vernetzungsauftrag<br />

• Vorgaben bzgl. der Einbeziehung netzwerkexterner Akteure (z. B. regionale, politische<br />

Entscheidungsträger, Evaluation)<br />

• Transfer der Ergebnisse durch den Träger des Vorhabens (vgl. BMBF 2006b)<br />

276


3 Regionalspezifisches Konzept zur Berufswahlorientierung<br />

3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Die Ergebnisse aus den einzelnen Projektabschnitte (Teil A – D) zeigen, dass …<br />

• sich die Megatrends „schrumpfender<br />

Bevölkerungsbestand“ <strong>und</strong> „eine zunehmend<br />

älter werdende Bevölkerung“,<br />

die aktuell unter dem Stichwort „Demografischer<br />

Wandel“ diskutiert werden,<br />

ebenfalls in der Untersuchungsregion<br />

einstellen. Mittelfristig (bis 2010) ist für<br />

die untersuchte Altersgruppe der 15- bis<br />

unter 25-jährigen diesbezüglich mit einem<br />

Anstieg der Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />

zu rechnen, langfristig (bis<br />

2020) mit einer Abnahme der Jugendlichen,<br />

die in der Konsequenz zu einem<br />

Mangel an Nachwuchskräften führen<br />

könnte. 36<br />

• die ausländische Bevölkerung seit 1990<br />

in fast allen dargestellten Regionen überproportional<br />

zugenommen hat, wobei<br />

das mit der Migration verb<strong>und</strong>ene Problempotenzial<br />

(rein statistisch) zunehmend<br />

verborgen bleibt 37 . 38<br />

• in der Untersuchungsregion die Zahl der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zugenommen<br />

hat. Besonders bedenklich sind ein ausnehmend<br />

starker Anstieg der Schülerzahlen<br />

an den Sonderschulen, hier insbesondere<br />

der ausländischen Jugendlichen<br />

sowie der auffallende Anstieg der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ohne Schulabschluss.<br />

<strong>Aus</strong>ländische Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler beenden dabei insgesamt<br />

ihre Schulausbildung mit deutlich niedrigeren<br />

Abschlüssen. 39<br />

36 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

37 Die amtliche Bevölkerungsstatistik weist hinsichtlich<br />

der Herkunft deutliche Lücken <strong>und</strong> Unschärfen auf,<br />

da ein entsprechendes Konzept zur Erfassung des<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong>es fehlt. Bspw. wird die Zahl<br />

der <strong>Aus</strong>siedlerinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler unterschätzt,<br />

da diese ab einem Jahr nach ihrem Zuzug nicht<br />

mehr von den ansässigen Deutschen unterschieden<br />

werden. Gleiches gilt für die Zahl der Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen von Eltern ausländischer Herkunft,<br />

da diese meist bei der Geburt oder im Rahmen<br />

eines Einbürgerungsverfahrens die deutsche<br />

Staatsangehörigkeit annehmen.<br />

38 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

39 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

277<br />

• sich die Arbeitsmarktlage in der Untersuchungsregion,<br />

in den letzten Jahren,<br />

wieder deutlich verschlechtert hat. Die<br />

Entwicklung der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten verlief mit <strong>Aus</strong>nahme<br />

des Kreises Kleve 40 negativ. 41<br />

• das Risiko, von Arbeitslosigkeit betroffen<br />

zu sein, sowohl bei Deutschen als auch<br />

bei Arbeitslosen ausländischer Herkunft,<br />

ausnehmend stark in Duisburg ausgeprägt<br />

ist. Besondere Probleme beim Übergang<br />

an der zweiten Schwelle haben<br />

die Altersgruppen der unter 20-jährigen<br />

<strong>und</strong> unter 25-jährigen <strong>und</strong> hier wiederum<br />

eigens männliche Jugendliche, Jugendliche<br />

ohne bzw. niedrigem Schulabschluss<br />

sowie Jugendliche ausländischer<br />

Herkunft. 42<br />

• das Gesamtangebot an <strong>Aus</strong>bildungsstellen<br />

in der Untersuchungsregion langfristig<br />

um etwa 33 %, die Gesamtnachfrage<br />

nach <strong>Aus</strong>bildungsstellen zwischen 18 %<br />

<strong>und</strong> 22 % zurückgegangen ist 43 . Die Angebots-Nachfrage-Relation<br />

entwickelte<br />

sich weit unter dem Landesdurchschnitt.<br />

Das Potenzial verfügbarer <strong>Aus</strong>bildungsstellen<br />

wurde in der Untersuchungsregion<br />

vollständig ausgeschöpft. 44<br />

• die <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation in der Untersuchungsregion<br />

im Rahmen der Experteninterviews<br />

als negativ <strong>und</strong> rückläufig<br />

bezeichnet wird. 45<br />

• sich, stellt man Arbeitslosenquote <strong>und</strong><br />

Angebots-Nachfrage-Relation gegenüber,<br />

eine Abhängigkeit des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes<br />

vom Arbeitsmarkt zeigt,<br />

40 Hier liegt ein Zusammenhang mit dem starken<br />

Bevölkerungszuzug nahe.<br />

41 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

42 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

43 Hierbei ist zu beachten, dass aus Nachfragerückgängen<br />

nicht unmittelbar auf ein gesunkenes Interesse<br />

der Jugendlichen an der betrieblichen <strong>Aus</strong>bildung<br />

geschlossen werden darf.<br />

44 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

45 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.


wobei die wirtschaftliche Lage, gemessen<br />

als Arbeitslosenquote, offensichtlich<br />

den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt stärker beeinflusst<br />

als die Zahl der Jugendlichen, die<br />

auf diesen Markt drängen 46 . 47<br />

• in wirtschaftlich schlechten Zeiten die<br />

Agentur für Arbeit von den Jugendlichen<br />

stärker als Vermittlungsagent in Anspruch<br />

genommen als in wirtschaftlich<br />

guten Zeiten. 48<br />

• viele der bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit<br />

gemeldeten Bewerberinnen <strong>und</strong><br />

Bewerber aufgr<strong>und</strong> der prekären Wirtschaftslage<br />

alternative Wege beschreiten<br />

<strong>und</strong> die Gefahr besteht, dass der Anteil<br />

der Jugendlichen, der dauerhaft ohne<br />

voll qualifizierenden Berufsabschluss<br />

bleibt (in den letzten Jahren r<strong>und</strong> 11 %),<br />

wieder ansteigt. 49<br />

• das Baugewerbe, die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft,<br />

das Gastgewerbe sowie die<br />

öffentlichen <strong>und</strong> privaten Dienstleistungen<br />

in allen Regionen die höchsten <strong>Aus</strong>zubildendenanteile<br />

aufweisen <strong>und</strong> mit<br />

<strong>Aus</strong>nahme des Kreises Kleve die <strong>Aus</strong>bildungsleistungen<br />

des Produzierenden<br />

Gewerbes zwischen 1998 <strong>und</strong> 2002 insgesamt<br />

abgenommen haben, während<br />

sie im Dienstleistungsbereich anstiegen,<br />

der <strong>Aus</strong>zubildendenanteil im Produzierenden<br />

Gewerbe jedoch dennoch zurzeit<br />

höher als im Dienstleistungsbereich ist. 50<br />

• von den r<strong>und</strong> 350 <strong>Aus</strong>bildungsberufen<br />

ein großer Teil der <strong>Aus</strong>zubildenden in<br />

der Untersuchungsregion nur in einigen<br />

wenigen Berufen ausgebildet wird, wobei<br />

die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />

zusammengenommen etwa<br />

ein Drittel aller neu abgeschlossenen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsverträge ausmachen.<br />

Gleichwohl war bei den männlichen Jugendlichen<br />

die Mehrzahl der Berufe dem<br />

gewerblich-technischen Bereich <strong>und</strong><br />

dem Handwerk zuzuordnen, bei den<br />

46 Dies gilt sowohl für das Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen,<br />

das stärker mit der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

als mit der Zahl der auf den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />

drängenden Jugendlichen kovariiert, aber<br />

auch für die Nachfrage, die bei gegebenen Opportunitäten<br />

flexibel reagiert <strong>und</strong> auf Alternativen ausweicht.<br />

47 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

48 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

49 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

50 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

278<br />

Frauen überwogen kaufmännische Berufe.<br />

51<br />

• in wirtschaftlich angespannten Zeiten<br />

vollzeitschulische Bildungsgänge mit<br />

niedrigschwelligen Qualifizierungsangeboten<br />

stark zugenommen haben. In der<br />

Folge verschwimmt der früher altersmäßig<br />

noch relativ klar abgegrenzte Übergang<br />

an der ersten Schwelle zunehmend<br />

durch „Maßnahmekarrieren“, zu denen<br />

auch die von der Arbeitsagentur angebotenen<br />

Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen<br />

gezählt werden können. 52<br />

• Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler wissen, dass<br />

ihre Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />

ungünstig sind 53 , trotzdem freuen sie<br />

sich überwiegend darauf, durch das Erlernen<br />

eines Berufes <strong>und</strong> den Eintritt ins<br />

Berufsleben ihr Leben selbstständig zu<br />

gestalten. 54<br />

• nur eine Minderheit von Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern sich nach dem Abschluss<br />

der allgemein bildenden Schule in einer<br />

Berufsausbildung sieht, die Masse gibt<br />

an, weiter zu Schule zu gehen bzw. existiert<br />

eine große Gruppe, die zum Zeitpunkt<br />

der Befragung diesbezüglich noch<br />

keine Angaben machen kann. 55<br />

• aus Sicht der Jugendlichen ein weiterer<br />

Schulbesuch 56 nur die zweite Wahl darstellt,<br />

zu der sie sich, auf Gr<strong>und</strong> der als<br />

gering eingeschätzten <strong>Aus</strong>bildungschancen,<br />

gezwungen sehen. 57<br />

• 50% der Hauptschülerinnen <strong>und</strong> -schüler<br />

sowie 30% der Gesamt- <strong>und</strong> 27% der<br />

Realschüler, die angeben weiter zur<br />

Schule zu gehen, lieber eine Berufsausbildung<br />

absolvieren würden. 58<br />

• für viele Jugendliche eine Schulausbildung<br />

nach dem Abschluss der 10. Klasse<br />

an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />

51 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

52 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />

53 im Durchschnitt der Befragten ergibt sich das Bild<br />

eines stark gedämpften Optimismus.<br />

54 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

55 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

56 Hier insbesondere das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong><br />

einjährige Berufsfachschulen.<br />

57 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

58 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band


subjektiv den Charakter einer der Situation<br />

geschuldeten Warteschleife hat. 59<br />

• knapp dreiviertel der Befragten, die davon<br />

ausgehen nach der Schule eine<br />

<strong>Aus</strong>bildung zu absolvieren, eine betriebliche<br />

<strong>Aus</strong>bildung anstreben. 60<br />

• entsprechende <strong>Aus</strong>bildungsangebote,<br />

wenn sie bestehen, auch angenommen<br />

werden <strong>und</strong> dazu beitragen können, bestehende<br />

Lehrstellenlücken zu schließen.<br />

61<br />

• Schülerinnen seltener als ihre männlichen<br />

Mitschüler eine <strong>Aus</strong>bildung im dualen<br />

System anstreben. Gleichzeitig informieren<br />

sie sich breiter als ihre Klassenkameraden.<br />

62<br />

• Befragte mit schlechteren Chancen auf<br />

dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt deutlich pessimistischer<br />

in die Zukunft blicken als Jugendliche<br />

die aus Familien mit hohem<br />

Bildungsniveau stammen, keinen Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

aufweisen, männlich<br />

sind, die Realschule besuchen <strong>und</strong> gute<br />

Schulnoten zeigen. 63<br />

• die befragten Jugendlichen knapp zwölf<br />

unterschiedliche Informationsquellen im<br />

Verlauf des Berufsorientierungsprozesses<br />

nutzen 64 . 65<br />

• für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf der<br />

einen Seite insbesondere Primärerfahrungen<br />

in Form von Betriebspraktika<br />

wichtig <strong>und</strong> subjektiv hilfreich sind. Auf<br />

der anderen Seite wird ausdrücklich<br />

auch in Beratungsangeboten 66 , bei denen<br />

die Jugendlichen in ihrer Individualität<br />

wahrgenommen werden <strong>und</strong> in einer<br />

interaktiven Gesprächsituation ihre indi-<br />

59 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

60 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

61 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

62 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

63 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

64 Fast alle Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben die in<br />

den Curricula verankerten <strong>und</strong> daher obligatorischen<br />

Betriebspraktika <strong>und</strong> Besuche des Berufsinformationszentrums<br />

genutzt. Unter den zehn am<br />

häufigsten genutzten Informationsquellen finden<br />

sich darüber hinaus weitere schriftliche bzw. internetbasierte<br />

Informationsangebote der Arbeitsagenturen,<br />

sowie der Presse, beide Elternteile <strong>und</strong><br />

Fre<strong>und</strong>e/Bekannte.<br />

65 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

66 Hierzu zählen neben Gesprächen mit Eltern, Geschwistern,<br />

Verwandten auch die Berufsberatung<br />

<strong>und</strong> das Gespräch mit Lehrern.<br />

279<br />

viduellen Interessen <strong>und</strong> Ziele konkretisieren<br />

können, einen konkreter Nutzen<br />

gesehen. 67<br />

• das Informationsverhalten u. a. von Faktoren,<br />

wie der Einstellung zur Schule <strong>und</strong><br />

der Lesepraxis positiv beeinflusst wird,<br />

wohingegen das Bildungsniveau der Eltern<br />

keinen signifikanten Effekt hierauf<br />

mehr hat. 68<br />

• für den Prozess der Berufsorientierung<br />

sprachliche Kompetenzen, speziell die<br />

Lesekompetenz, von besonderer Bedeutung<br />

sind. 69<br />

• die Zahl der durchschnittlich von den<br />

Befragten einer Schule genutzten Informationsquellen<br />

zwischen 9,7 <strong>und</strong> 13,2<br />

variiert, was als ein Hinweis auf ungenutzte<br />

Potenziale in den Schulen gewertet<br />

werden kann <strong>und</strong> vermuten lässt,<br />

dass das Angebot teilweise noch verbesserungsfähig<br />

ist. 70<br />

• die Jugendlichen über die inhaltliche<br />

Dimension 71 der von ihnen in die engere<br />

Wahl genommenen Berufe besser informiert<br />

sind, als über Aspekte die die<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region<br />

oder die Sicherheit der beruflichen Zukunft<br />

betreffen. 72<br />

• sich Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

häufiger als ihre deutschen Mitschüler<br />

nur unzureichend informiert sehen<br />

73 . 74<br />

• zwischen den einzelnen Schulen bezüglich<br />

verschiedener für die Berufswahl relevanter<br />

Bereiche 75 , beträchtliche Unterschiede<br />

bestehen bzw. diese von den<br />

Jugendlichen gesehen werden. 76<br />

67<br />

Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

68<br />

Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

69<br />

Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

70<br />

Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

71<br />

<strong>Berufliche</strong> Tätigkeiten, Anforderungen <strong>und</strong> formale<br />

Voraussetzungen.<br />

72<br />

Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

73<br />

Über die Tätigkeiten in den sie interessierenden<br />

Berufen, deren Eingangsvoraussetzungen <strong>und</strong><br />

geistigen Anforderungen, die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />

sowie die Zukunftsperspektiven<br />

der Berufe.<br />

74<br />

Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

75<br />

Berufswahl, Bewerbungen, Eignungstests <strong>und</strong><br />

Vorstellungsgespräche.<br />

76<br />

Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band


• die Jugendlichen im Schnitt mit der Vorbereitung<br />

auf die Anforderungen, hinsichtlich<br />

Einstellungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche<br />

deutlich weniger zufrieden<br />

sind, als mit dem in den Lehrplänen<br />

stärker verankerten Erlernen des<br />

Schreibens einer schriftlichen Bewerbung.<br />

77<br />

• aus Sicht der Befragten engagierten<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern, von denen die<br />

Jugendlichen im Prozess der Berufsorientierung<br />

Unterstützung erfahren, eine<br />

besondere Bedeutung zufällt <strong>und</strong> diese<br />

die schulische Berufsorientierung signifikant<br />

beeinflusst. 78<br />

• von den Experten die Kompetenzen im<br />

Bereich „Bewerbung“ insgesamt spärlich<br />

bewertet werden. 79<br />

• der Förderung des Dialogs zwischen<br />

Schule <strong>und</strong> Wirtschaft eine besondere<br />

Bedeutung im Rahmen des Berufsorienterungsprozess<br />

zukommt. 80<br />

• die praktizierte berufliche Orientierung<br />

überwiegend als defizitär <strong>und</strong> mangelhaft<br />

bezeichnet wird. Praktika 81 seien jedoch<br />

sehr hilfreich. Werden diese richtig<br />

ausgewählt, kontrolliert <strong>und</strong> ausgewertet<br />

unterstützen sie den Prozess der beruflichen<br />

Orientierung <strong>und</strong> helfen den Jugendlichen<br />

ihre Eignung für einen bestimmten<br />

Beruf festzustellen. 82<br />

• lt. der Interviews nur die intensive Zusammenarbeit<br />

zwischen Unternehmen<br />

<strong>und</strong> allgemein bildenden Schulen dazu<br />

beitragen kann gegenseitige Vorurteile<br />

abzubauen. 83<br />

• der Übergang Schule-Beruf im Rahmen<br />

des beruflichen Orientierungsprozesses<br />

insgesamt durch eine intensive Einbe-<br />

77 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

78 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />

79 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

80 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

81 Durch Praktika werden Erfahrungen gemacht, die in<br />

keiner theoretischen schulischen Erörterung zum<br />

Thema Berufswahl gemacht werden können. Auch<br />

bringt ein Praktikum in der Regel Erfolgserlebnisse<br />

mit sich wodurch das Selbstwertgefühl der Jugendlichen<br />

steigt. Berufsorientierung wird auf diesem<br />

Wege in die Lebenswelt der Schüler transferiert.<br />

Diesbezüglich sollte der Anteil der Praktika erhöht<br />

werden zumal durch sie auch Schlüsselqualifikationen<br />

erfahren, gelebt <strong>und</strong> erworben werden.<br />

82 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

83 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

280<br />

ziehung aller am Prozess Beteiligten 84<br />

verbessert werden muss. Die Zusammenarbeit<br />

mit Unternehmen vor Ort sollte<br />

deutlich intensiviert werden, wobei<br />

sich Praktikumsplätze dabei als probates<br />

Mittel erwiesen haben, die berufliche Orientierung<br />

der Jugendlichen erheblich<br />

zu fördern 85 . 86<br />

• der Prozess der <strong>Berufliche</strong>n Orientierung<br />

sich wieder am Beruf, im übertragenen<br />

Sinne auch an einer „Berufung“ ausrichten<br />

sollte 87 da die vorherrschende Idealisierung<br />

von Berufsbildern bei den Jugendlichen<br />

häufig nichts mit der Realität<br />

gemeinsam hat. 88<br />

• insbesondere Klein- <strong>und</strong> Mittelbetriebe in<br />

der Region dazu übergehen, persönliche<br />

Voraussetzungen der Jugendlichen<br />

schulischen Leistungen vorzuziehen. 89<br />

Motivation, Durchhaltevermögen <strong>und</strong> der<br />

Willen, eine <strong>Aus</strong>bildung erfolgreich abzuschließen<br />

stehen in der Erwartung der<br />

Betriebe höher, so dass sich schulische<br />

Defizite – bei entsprechender Betreuung<br />

– in der Regel im Verlauf einer <strong>Aus</strong>bildung<br />

aufarbeiten lassen können. 90<br />

• leistungsschwache Jugendliche häufig<br />

den Anforderungen, die an eine <strong>Aus</strong>bildung<br />

gestellt werden, nicht mehr gewachsen<br />

sind. 91<br />

• <strong>Aus</strong>bildungsplatzpotenziale bei „traditionellen“<br />

Unternehmen <strong>und</strong> Unternehmen<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong> 92 gesehen<br />

werden. 93<br />

84 Hierzu zählt auch eine gute informelle Zusammenarbeit<br />

mit der Berufsberatung, im Sinne eines Paradigmenwechsels<br />

von der Maßnahme- zur Personenorientierung.<br />

85 Verbesserungswürdig bleibt die Qualität der Praktikumszeit<br />

(Vorbereitung, Begleitung, Nachbereitung<br />

im Dialog zwischen Jugendlichem – Schule – Betrieb<br />

<strong>und</strong> nicht zu vergessen auch den Eltern).<br />

86 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

87 Die Identifizierung mit dem zu erlernenden Beruf<br />

<strong>und</strong> damit auch mit dem Berufsstand ist eine notwendige<br />

Voraussetzung, langfristig im Berufsleben<br />

Fuß zu fassen.<br />

88 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

89 Zumal diese aus den Abgangszeugnissen der allgemein<br />

bildenden Schulen häufig nicht zu erkennen<br />

sind.<br />

90 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

91 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

92 Dabei wurde darauf verwiesen, dass diese Betriebe<br />

die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter nicht nur arbei-


• von der aktuell negativen <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation<br />

vornehmlich Jugendliche<br />

ohne Schulabschluss, ohne formale<br />

Qualifizierung bzw. in zweiter Linie mit<br />

Hauptschulabschluss betroffen sind. Zudem<br />

stehe momentan ein Verdrängungswettbewerb<br />

94 im Vordergr<strong>und</strong>, der<br />

sich auch dahingehend äußere, dass<br />

sich dieser verstärkt auch im Bereich der<br />

Berufsvorbereitung fortsetzt. 95<br />

• zwar vor allem „Benachteilitge“ die <strong>Aus</strong>wirkungen<br />

der <strong>Aus</strong>bildungsplatzentwicklung<br />

zu spüren bekommen, hier jedoch<br />

eine feste Personengruppe nicht mehr<br />

klar zu bestimmen ist. Langfristig wird<br />

diese Situation vielmehr auch gesellschaftliche<br />

Konsequenzen haben. 96<br />

• ein unzureichendes Marketing für eher<br />

„unattraktive“ <strong>und</strong> unbekannte Berufe<br />

bemängelt wurde. Mädchen seien hier<br />

die Verlierer, da sie sich immer noch zu<br />

stark auf traditionelle Mädchenberufe<br />

konzentrieren. 97<br />

• betrachtet man den Übergang an der<br />

zweiten Schwelle, das unternehmerische<br />

Interesse überwiegend bei Jugendlichen<br />

liegt, die eine qualitativ hochwertige<br />

<strong>Aus</strong>bildung absolviert haben. 98<br />

• berufsvorbereitende Maßnahmen in ihrer<br />

aktuellen Konzeption 99 keine realen Bildungschancen<br />

darstellen, sondern Warteschleifen.<br />

100<br />

• das EQJ keine wirkliche Perspektive 101<br />

für Schulabgänger darstellt. Diese Perspektive<br />

würde nach Ansicht eines Experten<br />

nur bestehen, wenn es in ein Kooperationsmodell<br />

eingegliedert wäre. 102<br />

ten lassen, sondern ihnen auch einen Abschluss<br />

ermöglichen sollen.<br />

93 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

94 Nicht nur zwischen Abiturienten, Real-, <strong>und</strong> Hauptschülern,<br />

sondern insgesamt zwischen Benachteiligten<br />

mit <strong>und</strong> ohne Schulabschluss.<br />

95 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

96 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

97 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

98 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

99 Die Maßnahmereform an sich sei noch erheblich<br />

verbesserungswürdig.<br />

100 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

101 Letztendlich läuft es beim EQJ auf eine Lehrzeitverlängerung<br />

raus, da die Jugendlichen im EQJ<br />

meist ein hohes Bildungsniveau haben <strong>und</strong> im Anschluss<br />

im dualen System unterkommen.<br />

102 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

281<br />

• es viele gute Projekte 103 im Bereich der<br />

beruflichen Orientierung gibt, diese jedoch<br />

– da es sich häufig leider nur um<br />

Pilotprojekte handelt – meist nicht fortgesetzt<br />

werden. 104<br />

• Fördermittel für nachhaltige, übertragbare<br />

<strong>und</strong> gut konzipierte Maßnahmen eingesetzt<br />

werden sollten, die über eine<br />

enge Anbindung an den regionalen Arbeitsmarkt<br />

verfügen. 105<br />

• die Förderung der Berufsausbildung in<br />

der Schule früher als bisher beginnen<br />

umfangreicher gestaltet werden muss.<br />

Eine frühkindliche Förderung sei hier erstrebenswert,<br />

insbesondere insofern als<br />

dass der von der Schule vermittelte berufsorientierende<br />

Unterricht sich nicht an<br />

den aktuellen Arbeitsmarktbedingungen<br />

orientiert. 106<br />

• die negative Einschätzung der Jugendlichen<br />

bezüglich ihrer Chancen auf dem<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt mit einer Perspektivlosigkeit<br />

gekoppelt ist. Dies drückt sich in<br />

der Folge in einem mangelnden Interesse<br />

aus bzw. hat demotivierende <strong>Aus</strong>wirkungen<br />

107 auch auf Fachqualifikationen.<br />

108<br />

• die ungenügende Abstimmung einzelner<br />

Angebote zur beruflichen Orientierung,<br />

die zurzeit nur nebeneinander herlaufen,<br />

bemängelt wurde 109 . 110<br />

• Kooperationen <strong>und</strong> Netzwerke positiv<br />

angesehen werden wenn sie bestimmte<br />

Voraussetzungen 111 erfüllen <strong>und</strong> die<br />

103 Dabei gibt es nach Ansicht der Befragten immer<br />

noch zu wenig praktische Angebote für Jugendliche.<br />

104 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

105 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

106 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

107 Diese Darstellung der Chancenlosigkeit führt bei<br />

den Jugendlichen zu der Angst etwas Neues bzw.<br />

Fremdes zu beginnen.<br />

108 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

109 Dabei würde nach Ansicht einiger Interviewpartner<br />

eine Steigerung der Transparenz nicht genügen,<br />

vielmehr bedarf es „Personen“, die die Struktur<br />

durchschauen <strong>und</strong> den Jugendlichen in seiner Berufwahl<br />

unterstützen, d.h. ihm helfen sich in dem<br />

„Dschungel“ zurechtzufinden <strong>und</strong> das den Bedürfnissen<br />

des einzelnen Jugendlichen entsprechende<br />

Angebot zu finden <strong>und</strong> zu nutzen.<br />

110 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

111 1. muss ein Akteur das Netzwerk bzw. die Kooperation<br />

initiieren <strong>und</strong> damit Zeit investieren. 2. sollte<br />

jeder Kooperationspartner von der Kooperation /


Probleme der Berufswahl <strong>und</strong> der <strong>Aus</strong>bildung<br />

nicht isoliert betrachten. 112<br />

• insgesamt die Öffnung von bisher getrennt<br />

voneinander agierenden Institutionen<br />

bzw. Strukturen (Schule, Wirtschaft,<br />

Kammern) hin zu mehr gemeinsamer<br />

Arbeit im Sinne der Zielgruppe gefordert<br />

wird sowie die Verankerung eines gemeinsamen<br />

Vorgehens durch Weisungen<br />

bzw. Vorgaben der Politik. 113<br />

dem Netzwerk profitieren 3. muss die Konstanz der<br />

Kooperationsbeziehung gewährleistet werden.<br />

112 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

113 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />

282


3.2 Regionalspezifisches Konzept zur Berufsorientierung<br />

Die dargestellten Ergebnisse indizieren bereits eine Vielfalt an Verbesserungsvorschlägen.<br />

Berufswahlorientierende Maßnahmen lassen sich dabei auf verschiedenen Ebenen identifizieren.<br />

Für die Entwicklung eines regionalspezifischen Konzeptes zur Beruforientierung ist<br />

jedoch bestimmend, dass der Prozess der beruflichen Orientierung nicht linear verläuft, sondern<br />

dass die Erfahrungen mit dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt <strong>und</strong> die Wissensbestände über bestehende<br />

Optionen, die im Prozessverlauf gesammelt werden, zu einer kontinuierlichen Neubewertung<br />

der eigenen Situation führen <strong>und</strong> zur Revision von früher getroffenen Entscheidungen<br />

beitragen können. Jugendliche antizipieren ihre geringen <strong>Aus</strong>bildungschancen <strong>und</strong><br />

bewerben sich kaum noch für <strong>Aus</strong>bildungsstellen im Dualen System. Gleichzeitig verschlechtert<br />

der <strong>Aus</strong>bildungsmarkt sich zunehmend, <strong>Aus</strong>bildungsstellen werden nur noch in wenigen<br />

Bereichen „en masse“ angeboten. Zugleich fühlen sich Lehrkräfte mit der beruflichen Orientierung<br />

an Schulen überfordert. Der Anspruch an so genannte „Beratungslehrer“ wächst,<br />

zumal auch die Berufsberatung der Arbeitsagenturen nicht mehr so angenommen wird wie<br />

früher. Auch fehlte es an einer Verzahnung der einzelnen Stellen untereinander <strong>und</strong> allen<br />

voran an der Vermittlung regionaler Kenntnisse zum <strong>Aus</strong>bildungsmarkt sowie in der Weiterführung<br />

auch zum Arbeitsmarkt 114 .<br />

Das im Folgenden vorgestellte Konzept will insofern im Rahmen eines Konglomerat, das die<br />

Schaffung einer regional abgestimmten beruflichen Orientierung unter vorheriger Bedarfsplanung<br />

mit einem Höchstmaß an Transparenz für die Jugendlichen ermöglicht <strong>und</strong> damit zu<br />

einer qualitativen Verbesserung führt, indem es den Informationsaustausch der Akteure fordert<br />

<strong>und</strong> fördert <strong>und</strong> damit Parallelstrukturen vermeidet, einem Paradigmenwechsel über<br />

eine strukturierte <strong>und</strong> frühzeitige Berufsorientierung folgen, damit Jugendliche wieder Integration<br />

erfahren <strong>und</strong> Vertrauen in sich <strong>und</strong> die Arbeitswelt aufbauen. Neben einer beobachtbaren<br />

Diffusion der Zuständigkeiten <strong>und</strong> Aktionen der Akteure in diesem Feld wird es für die<br />

Jugendlichen selbst immer schwieriger, aus der Menge der ihnen zur Verfügung stehenden<br />

Informationen die Angebote auszuwählen, die über ihre individuelle Berufs- <strong>und</strong> Lebensbiographie<br />

entscheiden. <strong>Berufliche</strong> Orientierung für Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler kann dementsprechend<br />

nicht ausschließlich auf Schulnoten, sondern auf den Stärken <strong>und</strong> Interessen der<br />

Jugendlichen basieren, wobei diese hinsichtlich der Realisierungschancen auf dem regionalen<br />

<strong>Aus</strong>bildungsmarkt im Laufe des Prozesses auch extern immer wieder überprüft werden<br />

sollten.<br />

Auf der Basis der Ergebnisse wurde dahingehend eine Berufsorientierungsstelle Nieder-<br />

Rhein (BOS NiederRhein) konzipiert die, im Sinne der Systematisierung <strong>und</strong> Verbesserung<br />

114 Vergleicht man den Indikator Schulabsolventen ohne Schulabschlüsse so zeigt sich das erhöhte Arbeitslosigkeitsrisiko<br />

für Erwerbspersonen ohne Schulabschluss bzw. mit niedriger Qualifikation.<br />

283


des Berufsorientierungsprozesses, allgemein bildende Schulen (hier möglichst schon ab<br />

Klasse 5) in der Region unterstützen soll. Ein regionalspezifisches Konzept zur <strong>Berufliche</strong>n<br />

Orientierung muss dabei, den im Projekt gemachten Erfahrungen folgend, auf einer regionalen<br />

Bewertung <strong>und</strong> Begleitung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aufbauen, d.h. im Vordergr<strong>und</strong><br />

stehen die Stärken <strong>und</strong> Interessen die der einzelne Jugendliche für einen Beruf mitbringt,<br />

weniger seine schulischen Leistungen.<br />

Gefragt ist dabei eine Konzentration <strong>und</strong> effektive Koordination neuer sowie bereits existierender<br />

Aktivitäten im Rahmen des Berufsorientierungsprozesses von Schulen, Unternehmen,<br />

Berufsberatung der Agenturen, Kammern <strong>und</strong> auch Bildungsträgern. Im Zentrum der<br />

BOS NiederRhein steht dabei der Jugendliche selbst, dem ein individueller, professioneller<br />

<strong>und</strong> auch konsequenter Prozess der beruflichen Orientierung angeboten wird. Folglich ergibt<br />

sich gleichsam auch eine Betreuung durch die Jugendberufshilfe <strong>und</strong>/oder eine sozialpädagogische<br />

Betreuung sowie die stärke Einbindung von Eltern, Berufskollegs oder auch<br />

Migrantenorganisationen <strong>und</strong> weitere dem Jugendlichen zur Hilfe stehende Institutionen. Die<br />

BOS NiederRhein dient dabei den an der Berufsorientierung beteiligten Akteuren als regionaler<br />

Scout.<br />

In einem ersten Schritt geht es daher zunächst um die Charakterisierung der Stärken <strong>und</strong><br />

Vorlieben der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, um die Messung von Kompetenzen die bisher nicht<br />

schulisch erfasst werden. Dazu können je nach Jahrgangsstufe Orientierungsbausteine 115 ,<br />

der Berufswahlpass 116 <strong>und</strong>/oder Kompetenzchecks 117 eingesetzt werden. Im Vordergr<strong>und</strong><br />

steht dabei nicht die Vermittlung, sondern die spezifische <strong>Aus</strong>richtung einer Orientierung am<br />

regionalen <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt. Die jeweiligen Instrumente werden dabei im engen<br />

<strong>Aus</strong>tausch mit den Lehrkräften <strong>und</strong> der BOS NiederRhein eingesetzt, so dass eine begleitende<br />

Betreuung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler stattfindet.<br />

115 Im Projekt Berufsstart in Thüringen absolvieren die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in einem Jahr zunächst zwei<br />

Orientierungsbausteine bei einem Bildungsträger. Dabei werden sie mit den unterschiedlichen Anforderungen<br />

eines Berufsfeldes vertraut gemacht. Der folgende Orientierungsbaustein bietet ihnen dann die Möglichkeit, die<br />

gesammelten Informationen über ein Berufsfeld zu vertiefen oder ein weiteres Berufsfeld kennen zulernen. Im<br />

nächsten Jahr wird dann in einem Zeitraum von einmal 10 Tagen oder zweimal 5 Tagen ein weiterer betrieblicher<br />

Orientierungsbaustein absolviert. Dieser Baustein bietet den Jugendlichen dann auch die Möglichkeit,<br />

sich durch Leistungsbereitschaft <strong>und</strong> praktische Fähigkeiten für eine Übernahme in ein <strong>Aus</strong>bildungsverhältnis<br />

zu empfehlen. (vgl. Bildungs- <strong>und</strong> Technologiezentrum Rohr-Kloster der Handwerkskammer Südthüringen<br />

2004).<br />

116 Der Berufswahlpass ist ein Instrument zur Förderung der Selbstverantwortung <strong>und</strong> der individuellen Lernplanung.<br />

Er dient im Rahmen der Berufsorientierung der Dokumentation von Projekten <strong>und</strong> Maßnahmen (Praktika,<br />

Unterrichtsprojekte, schulische <strong>und</strong> außerschulische Veranstaltungen oder auch Angaben zu besonderen<br />

Lernleistungen) sowie in diesem Sinne auch der Unterstützung des beruflichen Entscheidungsprozesses der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. Gleichzeitig kann er zur Initiierung von <strong>Aus</strong>einandersetzungs- <strong>und</strong> Gesprächsanlässen<br />

über den Verlauf des Berufswahlprozesses beitragen. Schulen kann er dabei unterstützen, ihr Berufsorientierungscurriculum<br />

zu formulieren <strong>und</strong> zu präzisieren. (vgl. URL: http://www.berufswahlpass.de).<br />

117 Kompetenzchecks dienen der Ermittlung sozialer, personaler <strong>und</strong> methodischer Kompetenzen, sowie berufsfeldbezogener<br />

Kompetenzen. Sie ermöglichen die Erweiterung des persönlichen Wissensspektrums der Jugendlichen<br />

in Bezug auf einen Beruf oder mehrere Berufsfelder, in denen berufsfachliche Kompetenzen ermittelt<br />

wurden. Die geschlechtsspezifische Orientierung soll dabei möglichst durch Beratung <strong>und</strong> Informationsvermittlung<br />

erweitert werden (vgl. Ministerium für Arbeit Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales des Landes NRW 2006a).<br />

284


Auf den Ergebnissen dieser Instrumente aufbauend geht es im Folgenden um die berufsorientierende<br />

Beratung der Jugendlichen durch entsprechende Beratungslehrerinnen <strong>und</strong> -<br />

lehrer an den Schulen (sinnvoll wäre die Einrichtung solcher Beratungsstellen an jeder Schule,<br />

vorstellbar ist aber auch die Einrichtung einer Beratungslehrerstelle für kleinere Schulen<br />

„im Pool“), die Berufberatung der Arbeitsagenturen <strong>und</strong> geschulte Berater in der BOS NiederRhein.<br />

Es erfolgt eine intensive Betreuung der Jugendlichen durch die Personen die den<br />

Jugendlichen, nach den Ergebnissen der Schülerinnen- <strong>und</strong> Schülerbefragung, den meisten<br />

Nutzen bringen. Anbieten würde sich, in besonderen Fällen, zur Intensivierung der Beratung,<br />

auch die Einbindung ehrenamtlicher Berufswahlpaten, die die Jugendlichen über den gesamten<br />

Prozess begleiten.<br />

In ihrer Funktion als regionaler Scout ist die BOS NiederRhein in diesem Rahmen auch für<br />

die Weitergabe von gesammelten Informationen 118 , die Bereitstellung von Materialien <strong>und</strong><br />

Angeboten (z.B. spezifische Angebote für Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>) sowie die<br />

Durchführung von Informationsveranstaltungen (in Schulen, Unternehmen, auf Elternkreisen<br />

oder sonstigen Veranstaltungen) zuständig. Gleichzeitig agiert sie in diesem Sinne als Anlaufstelle,<br />

an der die entsprechenden Informationen jederzeit abgerufen werden können, die<br />

Kenntnisse über verschiedenste Initiativen in der Region werden an einer Stelle gebündelt.<br />

In einem dritten Feld bemüht sich die BOS NiederRhein um die Akquirierung von Praktikumsplätzen,<br />

die im Laufenden in eine Praktikumsbörse einfließen <strong>und</strong> auf die alle Schulen<br />

<strong>und</strong> Bildungsträger in der Region Zugriff haben. Dabei sollen zum einen die Jugendlichen<br />

verstärkt in die Selbstverantwortung genommen werden; die Praktikumsaufnahme nach dem<br />

Motto „Praktikum in Betrieben, in denen die Eltern oder wahlweise Bekannte arbeiten“ soll<br />

vermieden werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Praktikumsplätze nicht aufgenommen<br />

<strong>und</strong> vermittelt werden. Nur sollte die Aufnahme eines Praktikums gezielt nach Berufswunsch<br />

<strong>und</strong> nicht nach dem „wenig Aufwandprinzip“ erfolgen. Diesbezüglich sollen auch<br />

die Eltern zur Stärkung der Motivation bei der Suche nach Praktikumsplätzen intensiver mit<br />

einbezogen werden. Gleichzeitig trifft die BOS NiederRhein für die Betriebe, auf Wunsch, die<br />

Vorauswahl der Praktikanten. Kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen sehen sich meist nicht in der<br />

Lage, die <strong>Aus</strong>wahl <strong>und</strong> Vergabe von Praktikumsplätzen intern zu meistern. In der BOS NiederRhein<br />

können auf Wunsch, Schülerprofile <strong>und</strong> Unternehmensanforderungen erfasst <strong>und</strong><br />

miteinander abgeglichen werden. Parallel hierzu werden ferner die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

sowie die Betriebe bei Problemlagen während des Praktikums unterstützt. Die Akzeptanz<br />

seitens der Unternehmen wird hierbei durch die einmalige Ansprache erhöht bzw. erweist es<br />

sich in diesem Rahmen von Vorteil, dass die Unternehmen nicht mehr „von allen Seiten“ angesprochen<br />

werden, sondern hier mit der BOS NiederRhein explizit über einen Ansprech-<br />

118<br />

Hierzu zählen insbesondere auch die Ergebnisse der im Folgenden noch ergänzend beschrieben Unterstützungsstrukturen<br />

der BOS NiederRhein.<br />

285


partner verfügen. Gleichzeitig ist es für die Unternehmen von Vorteil ihre „späteren <strong>Aus</strong>zubildenden“<br />

schon frühzeitig kennen zu lernen. Es besteht die Möglichkeit über einen längeren<br />

Zeitraum ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen.<br />

Mit Blick auf die Bildungsträger in der Region <strong>und</strong> die Weiterführung der Einstiegsqualifizierung<br />

Jugendlicher (EQJ) wäre auch eine <strong>Aus</strong>weitung der Praktikumsaktivitäten auf diesen<br />

Bereich denkbar.<br />

Den Kern der BOS NiederRhein bildet ein Monitoringinstrument 119 , in dem alle Profile der<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sowie die im Prozess durchlaufenen Stationen, Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Ergebnisse etc. erfasst, dokumentiert <strong>und</strong> jederzeit zurückgespiegelt werden können. Durch<br />

den Einsatz dieses individuellen Schülerinnen- <strong>und</strong> Schülermonitors wird der/die Einzelne im<br />

gesamten Prozessverlauf fachlich unterstützt <strong>und</strong> konsistent betreut. Die an der Berufswahl<br />

beteiligten Akteure haben, kennwortgeschützt <strong>und</strong> in Absprache, jeweils Zugriff auf die entsprechenden<br />

Daten. Für den einzelnen Jugendlichen schafft die hierdurch hergestellte<br />

Transparenz des beruflichen Orientierungsprozess Strukturen, an die er/sie sich halten kann.<br />

Die Flucht von dem „Fremden“, der Rückzug, ist nicht mehr so einfach möglich. Vielmehr<br />

wird dem Jugendlichen hiermit ein individueller Bildungsmonitor an die Hand gegeben, der<br />

seine Aktivitäten <strong>und</strong> außerschulischen Kompetenzen dokumentiert <strong>und</strong> in diesem Sinne als<br />

Bescheinigung dient.<br />

Die BOS NiederRhein forcierend agieren die in diesem Projekt durchgeführten Unterstützungsstrukturen:<br />

sek<strong>und</strong>ärstatistische Analysen des Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktes, Expertengespräche,<br />

Befragung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. Ergänzend hierzu bietet sich<br />

zudem ein regionales <strong>Aus</strong>bildungsmarktmonitoring 120 an. Sie unterstützen – in ihrer Fortführung<br />

– die Qualität der Angebote sowie die Entwicklung gemeinsamer Handlungs- <strong>und</strong> Lösungsstrategien<br />

unter Berücksichtigung regionaler Problemstellungen. Ferner dienen sie der<br />

direkten Evaluation der BOS NiederRhein, indem die Fortschritte dokumentiert werden. Über<br />

den Transfer dieser Unterstützungsstrukturen können gleichfalls Informations- <strong>und</strong> Aufklärungskampagnen<br />

z.B. über die Entwicklung neuer Berufe geleistet werden.<br />

Die BOS NiederRhein bildet, setzt man die avisierten Angebote um, in der Region ein Netzwerk,<br />

an dem alle Fäden des beruflichen Orientierungsprozesses zusammenlaufen. Schulen,<br />

Betriebe, aber auch Behörden <strong>und</strong> die Bildungslandschaft prägende Akteure arbeiten Hand<br />

in Hand. Die BOS NiederRhein unterstützt dabei die beteiligten Partner <strong>und</strong> koordiniert den<br />

Prozess der beruflichen Orientierung, in den alle Akteure eingeb<strong>und</strong>en sind. In der Konsequenz<br />

bedeutet dies, dass Beratung <strong>und</strong> Unterstützung nicht mehr länger isoliert nebenein-<br />

119 Dieses Instrument ist im Vorfeld mit den Schulen <strong>und</strong> Berufsberatungen der Agenturen für Arbeit abzustimmen,<br />

entsprechende Erhebungsbögen sind zu entwickeln.<br />

120 Vgl. hierzu ausführlicher Goertz, Bianca (2005): Regionale Analysen zur Ermittlung des <strong>Aus</strong>bildungsplatzpotenzials:<br />

Chance oder Fiktion? – Das Projekt One-Stop-Agency „PRO AUSBILDUNG“.<br />

286


ander stehen, sondern in der gesamten Region aufeinander aufbauen. Ergänzt durch Beratungsfachkräfte<br />

an den Schulen werden den Jugendlichen frühzeitig alle objektiven (z. B die<br />

Region prägenden) <strong>und</strong> subjektiven Chancen <strong>und</strong> Benachteiligungen, die für die Berufswahl<br />

relevant sind, bewusst. Der Konfliktcharakter der Berufswahl wird aktiv erlebt <strong>und</strong> die diesen<br />

bedingenden subjektiven als auch objektiven sozioökonomischen Faktoren 121 werden erkannt.<br />

Durch rechtzeitige Interventionsmaßnahmen wird zudem die Motivation, den Schulabschluss<br />

zu erreichen, verstärkt. Entscheidungen für eine weitere schulische oder berufliche<br />

Laufbahn werden nachhaltig reflektiert. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler bekommen wieder Mut,<br />

überhaupt in den Bewerbungsprozess für eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle im dualen System einzusteigen.<br />

Das F<strong>und</strong>ament für eine erfolgreiche Berufswahl wird geschaffen. Der direkte Zugang<br />

zu einer Praktikumsstelle über die außerschulischen Kompetenzen <strong>und</strong> Vorlieben der<br />

Jugendlichen ermöglicht dabei einen <strong>Aus</strong>weg aus der Defizitorientierung.<br />

Weiterhin stellt die BOS NiederRhein den Transfer von Know-How an die beteiligten Akteure<br />

sicher, wobei sich in diesem Punkt über eine <strong>Aus</strong>weitung der aktuellen Projekthomepage<br />

www.netzwerk-berufsorientierung.de nachdenken ließe. Sie berät <strong>und</strong> unterstützt neben den<br />

Lehrkräften, Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sowie die Eltern <strong>und</strong> akquiriert Betriebe zur Teilnahme<br />

in verschiedenen Bereichen, wobei die bereits laufenden Aktivitäten in der Region z. B.<br />

im Rahmen von ABBEO ausgebaut werden.<br />

Das vorgestellt Konzept einer BOS NiederRhein beruht auf Kooperation. Kooperation, wie<br />

auch immer geartet, benötigt einen institutionellen Rahmen, der sich erstens als Impulsgeber<br />

versteht <strong>und</strong> zweitens für die Arrangierung der Kooperation verantwortlich zeigt. Vorstellbar<br />

wäre diesbezüglich die Einrichtung der BOS NiederRhein in Anlehnung an die Regionalagentur<br />

NiederRhein. Hier besteht, dem vorangegangen Diskurs zur Netzwerkarbeit folgend,<br />

keine Konkurrenzsituation, auch ist kein Interessenkonflikt gegeben. Eine Verankerung dieses<br />

institutionellen Rahmens für ein „Steuerungsorgan“ des beruflichen Orientierungsprozesses<br />

würde hier die Anerkennung <strong>und</strong> die Bereitschaft zur Kooperation aller Akteure genießen,<br />

wobei die politische Unterstützung hierbei nicht außen vor gelassen werden kann.<br />

121 Vgl. Gmelch 2000.<br />

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