„Berufswahl und Transfer“ - Wirtschaftspädagogik Berufliche Aus ...
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ABSCHLUSSBERICHT<br />
ZUM PROJEKT<br />
„BERUFSWAHL UND TRANSFER“<br />
EVALUATION INNOVATIVER MAßNAHMEN ZUR VERBESSERUNG DES<br />
ÜBERGANGS JUGENDLICHER/MIGRANTEN IN AUSBILDUNG UND<br />
EIN PROJEKT IM RAHMEN VON<br />
GEFÖRDERT DURCH:<br />
BESCHÄFTIGUNG<br />
FKZ: 01NL0401<br />
PROJEKTTRÄGER:<br />
PROJEKTKOORDINATION:<br />
Universität Duisburg-Essen,<br />
Campus Essen<br />
Fachbereich Bildungswissenschaft<br />
Institut für Berufs- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
Fachgebiet <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> /<br />
<strong>Berufliche</strong> <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
Prof. Dr. Rolf Dobischat<br />
Universitätsstraße 12<br />
45141 Essen
SCHLUSSBERICHT<br />
ZUM PROJEKT<br />
BERUFSWAHL UND TRANSFER – EVALUATION INNOVATIVER<br />
MAßNAHMEN ZUR VERBESSERUNG DES ÜBERGANGS<br />
BENACHTEILIGTER JUGENDLICHER/MIGRANTEN IN<br />
AUSBILDUNG UND BESCHÄFTIGUNG<br />
GEFÖRDERT DURCH:<br />
PROJEKTTRÄGER:<br />
FKZ: 01NL401<br />
PROJEKTKOORDINATION:<br />
Fachbereich Bildungswissenschaft<br />
Institut für Berufs- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
Fachgebiet <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> /<br />
<strong>Berufliche</strong> <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
Prof. Dr. Rolf Dobischat
I. Kurzdarstellung........................................................................................................6<br />
1 <strong>Aus</strong>gangslage <strong>und</strong> Aufgabenstellung ...........................................................................6<br />
2 Untersuchungsdesign <strong>und</strong> Zielsetzungen.....................................................................8<br />
3 Wissenschaftlicher Stand ..........................................................................................10<br />
3.1 Fachliteratur................................................................................................................10<br />
3.2 Datenbanken ..............................................................................................................25<br />
3.3 Newsletter...................................................................................................................26<br />
3.4 Veranstaltungen..........................................................................................................26<br />
4 Zusammenarbeit mit anderen Stellen.........................................................................27<br />
II. Eingehende Darstellung ......................................................................................31<br />
A. Die <strong>Aus</strong>bildungssituation am Niederrhein .............................................................34<br />
1 Einleitung....................................................................................................................35<br />
2 Topografie...................................................................................................................37<br />
3 Bevölkerung................................................................................................................39<br />
3.1 Bevölkerungsstruktur..................................................................................................39<br />
3.2 Bevölkerungsentwicklung ...........................................................................................41<br />
4 Allgemein bildende Schulen .......................................................................................46<br />
4.1 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler...........................................................................................46<br />
4.2 Schulabschlüsse.........................................................................................................49<br />
5 Arbeitsmarkt................................................................................................................53<br />
5.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte...................................................................54<br />
5.2 Arbeitslose..................................................................................................................61<br />
6 <strong>Aus</strong>bildungsmarkt .......................................................................................................64<br />
6.1 Berufsausbildung im Dualen System..........................................................................64<br />
6.1.1 Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen................................................65<br />
6.1.2 Angebot <strong>und</strong> Nachfrage in Berufsgruppen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsbereichen ......................71<br />
6.2 <strong>Berufliche</strong> Schulen......................................................................................................76<br />
6.3 Berufsvorbereitende Maßnahmen ..............................................................................82<br />
7 <strong>Aus</strong>blick ......................................................................................................................84<br />
8 Tabellenanhang ..........................................................................................................87<br />
9 Verzeichnisse .............................................................................................................93<br />
9.1 Tabellenverzeichnis ....................................................................................................93<br />
9.2 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................94<br />
2
B. Erste Ergebnisse einer Befragung zur Beruforientierung von Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schülern der 10. Klassen von Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />
in der Region Duisburg, Wesel <strong>und</strong> Kleve ........................................................... 95<br />
1 Vorbemerkungen ........................................................................................................97<br />
2 Feldbericht <strong>und</strong> Design der Studie: Onlinebefragung in Schulen .............................101<br />
2.1 Technische Voraussetzungen ..................................................................................101<br />
2.2 Vorteile einer elektronischen Datenerhebung...........................................................102<br />
2.3 Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung der Befragung........................................................104<br />
3 Wer wurde befragt ...................................................................................................106<br />
3.1 Region <strong>und</strong> Schulform ..............................................................................................106<br />
3.1 Migrationshintergr<strong>und</strong> der Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen...............................................109<br />
3.3 Geschlechtsspezifische Bildungsbeteiligung ........................................................... 113<br />
3.4 Herkunftsfamilie ........................................................................................................113<br />
3.4.1 Familienstruktur ........................................................................................................113<br />
3.4.2 Schulabschlüsse der Eltern ......................................................................................114<br />
4 Was wollen die Jugendlichen nach dem Abschluss der 10.Klasse? ........................115<br />
4.1 Einstellungen zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen ......................................115<br />
4.2 Schule oder Berufsausbildung?................................................................................119<br />
4.2.1 Pläne für die Zeit nach der Schule............................................................................119<br />
4.2.1.1 Bivariate Analysen ....................................................................................................119<br />
4.2.1.2 Kurzer Exkurs zum Verständnis der Regressionsanalyse........................................123<br />
4.2.1.3 Multivariate Analyse..................................................................................................125<br />
4.2.2 Besuch einer Schule.................................................................................................129<br />
4.2.2.1 Bivariate Analyse .....................................................................................................129<br />
4.2.2.2 Multivariate Analysen ...............................................................................................134<br />
4.2.3 Schulbesuch als zweite Wahl? .................................................................................136<br />
4.2.3.1 Bivariate Analysen ....................................................................................................136<br />
4.2.3.2 Multivariate Analyse .................................................................................................139<br />
4.2.4 Berufsausbildung .....................................................................................................141<br />
4.3 Berufswünsche .........................................................................................................145<br />
4.4 Einschätzung der Chancen im Wunschberuf............................................................149<br />
4.5 Berufswahl im Zeitverlauf ........................................................................................153<br />
5 Informationsquellen im Berufswahlprozess ..............................................................155<br />
5.1 Zur Bedeutung der unterschiedlichen Informationsquellen ......................................156<br />
5.2 Anzahl der genutzten Informationsquellen ..............................................................160<br />
5.3 Welche Informationen sind bei der Berufswahl wichtig? ..........................................173<br />
5.4 Die Rolle der Schule im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler .................................182<br />
6 Rückblick auf die Analysen <strong>und</strong> Resümee ...............................................................190<br />
7 Tabellenanhang ........................................................................................................195<br />
8 Verzeichnis der Abbildungen ....................................................................................201<br />
9 Verzeichnis der Tabellen ..........................................................................................202<br />
10 Dokumentenanhang .................................................................................................204<br />
3
C. Transferprozesse benachteiligter Jugendlicher / Migranten in <strong>Aus</strong>bildung<br />
<strong>und</strong> Beschäftigung – die Beurteilung aus Sicht der Akteure .............................205<br />
1 Forschungsleitende Fragestellungen <strong>und</strong> methodisches Vorgehen.........................207<br />
2 Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation/Strukturwandel ..........................................208<br />
2.1 Einschätzung der aktuellen <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation............................................209<br />
2.2 Gründe für das <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit ....................................................................209<br />
2.3 Potenziale.................................................................................................................210<br />
2.4 Verb<strong>und</strong>ausbildung...................................................................................................211<br />
2.5 Besonders betroffene Personengruppen..................................................................211<br />
3 Duale <strong>Aus</strong>bildung/Außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung/Vollzeitschulische <strong>und</strong><br />
Berufsvorbereitende Maßnahmen ............................................................................213<br />
3.1 Die regionale Situation im Bereich der schulischen <strong>Aus</strong>bildung...............................213<br />
3.2 Qualität der Dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Berufschancen im<br />
Vergleich zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungsformen...........................................................214<br />
3.3 Einschätzung der Arbeitsmarktchancen <strong>und</strong> Erhöhung der <strong>Aus</strong>bildungs-<br />
bereitschaft durch zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe ...................................................215<br />
3.4 Berufsvorbereitende Maßnahmen ............................................................................216<br />
3.5 Einschätzung der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ) .................................217<br />
4 Zielgruppe Benachteiligte/Migranten, Förderkulisse.................................................218<br />
4.1 Einschätzung der Gruppe Jugendlicher die, im Hinblick auf ihre Chancen auf<br />
einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz, als besonders benachteiligt angesehen werden................218<br />
4.2 Chancen <strong>und</strong> Nachteile Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong><br />
kultureller Differenzen...............................................................................................219<br />
4.3 Einschätzung der <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen im<br />
Kontext erhöhter Chancen Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.........................220<br />
4.4 Effizienz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit von Förderprogrammen zum Einstieg in <strong>Aus</strong>bildung...220<br />
4.5 Durchführung <strong>und</strong>/oder Beteiligung an Maßnahmen, Programmen oder Projekten.220<br />
4.6 Lücken im Angebot der Benachteiligtenförderung....................................................221<br />
4.7 Entwicklung der öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten .......................................222<br />
4.8 Entkoppelung zwischen <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt durch erhöhten<br />
Fördermitteleinsatz ...................................................................................................223<br />
5 Berufswahl, Berufswahlorientierung, Transfer..........................................................223<br />
5.1 Probleme beim Übergang der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong><br />
hieraus resultierdender Handlungsbedarf.................................................................225<br />
5.2 Einschätzung des Angebots berufswahlorientierender Maßnahmen .......................226<br />
5.3 Berufswahlorientierung an allgemein bildenden Schulen .........................................226<br />
5.4 Überblick über das Berufswahlspektrum ..................................................................228<br />
5.5 Transparenz existierender Angebote/Informationsgrad der Jugendlichen ...............229<br />
5.6 Regionale Prägung des Berufswahlverhaltens.........................................................230<br />
5.7 Zeitpunkt der beruflichen Orientierung .....................................................................230<br />
5.8 Einschätzung der Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung, allgemein<br />
bildender <strong>und</strong> beruflicher Schulen <strong>und</strong> Unternehmen ..............................................231<br />
5.9 Nutzen von Praktika..................................................................................................233<br />
6 Institutionelle Lösungsansätze, Netzwerke, Kooperationen von Schulen mit der<br />
Wirtschaft/Perspektiven <strong>und</strong> Trends.........................................................................235<br />
6.1 Regionale Kooperationsbeziehungen Netzwerke.....................................................235<br />
6.2 Weitere Kooperationsmöglichkeiten <strong>und</strong> -bedarfe/Probleme bei der<br />
Konstituierung von Netzwerken ................................................................................237<br />
6.3 Verbesserungspotenziale/Unterstützungsbedarf......................................................239<br />
6.4 Probleme ohne kurz- bzw. mittelfristige Lösungsmöglichkeiten ...............................240<br />
4
D. Entwicklung eines regionalspezifischen Konzeptes zur<br />
Berufswahlorientierung .........................................................................................241<br />
1 Wissenschaftliche Diskussion zum Thema Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife ........242<br />
1.1 Historie <strong>und</strong> Theorien zur Berufswahl.......................................................................243<br />
1.2 Berufs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife....................................................................................249<br />
1.3 Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife fördernde Angebote.............................................254<br />
1.4 Aktuelle Diskussion...................................................................................................258<br />
1.5 Handlungsansätze ....................................................................................................262<br />
2 Diskurs zum Thema Netzwerke................................................................................269<br />
2.1 Netzwerke.................................................................................................................270<br />
2.2 Regionale Netzwerke................................................................................................271<br />
2.3 Innovation in Netzwerken .........................................................................................272<br />
2.4 Unterstützungsstrukturen für Netzwerke ..................................................................273<br />
2.5 Unterstützungsstrukturen in der Praxis.....................................................................273<br />
2.6 Formen von Unterstützungsstrukturen .....................................................................274<br />
3 Regionalspezifisches Konzept zur Berufswahlorientierung ......................................277<br />
3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ..........................................................................277<br />
3.2 Regionalspezifisches Konzept zur Berufsorientierung .............................................283<br />
Anhang<br />
5
I. Kurzdarstellung<br />
1 <strong>Aus</strong>gangslage <strong>und</strong> Aufgabenstellung<br />
Das Projekt „Berufwahl <strong>und</strong> Transfer – Evaluation innovativer Maßnahmen zur Verbesserung<br />
des Übergangs benachteiligter Jugendlicher/Migranten in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung“<br />
wurde vom Fachgebiet <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> / <strong>Berufliche</strong> <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung an der<br />
Universität Duisburg-Essen durchgeführt <strong>und</strong> im Rahmen des vom B<strong>und</strong>esministerium für<br />
Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF) im November 2001 initiierten Programms BQF – „<strong>Berufliche</strong><br />
Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf“ gefördert.<br />
Als Projektregion wurden die Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel sowie die kreisfreie Stadt Duisburg<br />
ausgewählt, da sich in den hier gegebenen Wirtschaftsstrukturen die <strong>Aus</strong>wirkungen der<br />
aktuellen Arbeitsmarktlage sowie einer damit einhergehenden, regional oftmals prekären<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation, widerspiegeln.<br />
Struktureller Wandel, betriebliche Rationalisierungsmaßnahmen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />
rückläufige Beschäftigungszahlen tragen zu einer kumulativen Verstärkung sowohl<br />
ökonomischer als auch sozialer Ungleichheiten bei. Parallel hierzu stehen die (mangelnde)<br />
<strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> eine damit verb<strong>und</strong>ene (ungenügende) berufliche Orientierung gerade<br />
unlängst vermehrt zur Debatte.<br />
Es zeigt sich, dass die Lehrstellenlücke in den letzten Jahren immer wieder neue<br />
Höchststände erreicht. Dadurch wird es für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an der ersten<br />
Schwelle ins Berufsleben zunehmend schwieriger, mit einer qualifizierten Berufsausbildung<br />
einen gelungenen Start ins Berufsleben zu schaffen, obwohl heute Lebenschancen mehr<br />
denn je über eine qualifizierte <strong>Aus</strong>bildung vergeben werden. Dabei sind, von der schlechten<br />
Lage auf dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt, bestimmte Gruppen stärker betroffen als Andere.<br />
Leidtragende von Veränderungen in der Berufs- <strong>und</strong> Arbeitswelt sind im besonderen Maße<br />
die wachsenden Gruppen Jugendlicher mit niedrigem oder gar keinem Schulabschluss oder<br />
auch Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Soziale <strong>und</strong> ethnische Merkmale bestimmen<br />
nicht nur Bildungschancen, sondern - eng damit verknüpft - auch die Chancen auf dem<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt <strong>und</strong> die individuellen Lebenschancen. Für diese Gruppe der Jugendlichen<br />
bedeutet dies somit einen erhöhten Förderbedarf, werden ihre Chancen auf einen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplatz doch zunehmend geringer.<br />
Gleichzeitig wird das immer wieder von der Politik beschworene Ziel, allen Jugendlichen eine<br />
qualifizierte berufliche Bildung zu ermöglichen, nicht ereicht. Benachteiligungen auf Gr<strong>und</strong><br />
von Schichtzugehörigkeit <strong>und</strong> Sprachproblemen führen daher bereits im Vorfeld des<br />
Übergangs zu einer Chancen- <strong>und</strong> Perspektivlosigkeit bei den Jugendlichen.<br />
6
Nachhaltige Qualifizierungs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmaßnahmen, Alphabetisierungs- <strong>und</strong><br />
Sprachkurse im Kontext einer sozialpädagogischen Betreuung werden benötigt, damit<br />
Jugendliche mit schlechten Startchancen der Warteschlange „Maßnahmekarriere“ <strong>und</strong> einem<br />
damit meist verb<strong>und</strong>enem sozialen Abstieg entkommen können. Spezifische<br />
Förderprogramme dürfen sich dahingehend jedoch nicht in kurzfristigen ad-hoc-Maßnahmen<br />
zur temporären Abfederung, im Sinne einer reaktiven <strong>und</strong> kompensatorischen Maßnahme,<br />
des Problems erschöpfen. Gefragt sind Kooperationen aus Staat, Wirtschaft, Schule <strong>und</strong><br />
Jugendberufshilfe, im Sinne des im April 2006 von B<strong>und</strong>esministerin Annette Schavan<br />
einberufenen „Innovationskreises berufliche Bildung“, die durch qualitativ vollwertige, sowohl<br />
betriebliche als auch außerbetriebliche <strong>und</strong> vollzeitschulische <strong>Aus</strong>bildungsangebote sowie<br />
diesen Bereich flankierende sozialpädagogische Unterstützungsmaßnahmen den<br />
Jugendlichen eine Perspektive bieten.<br />
Zudem hat sich gezeigt, dass die Maßnahmen als innovativ <strong>und</strong> nachhaltig betrachtet<br />
werden können, die die Übergangsprobleme der betroffenen Jugendlichen unter stärkerer<br />
Berücksichtigung individueller <strong>und</strong> sozialer Kontexte durch präventive Maßnahmen,<br />
besonders im Bereich der Berufswahlorientierung berücksichtigen. Vorausgesetz werden<br />
kann hierbei die Abhängigkeit der beruflichen Orientierung <strong>und</strong> der Berufswahl von der<br />
wirtschaftlichen Situation sowie die besondere Bedeutung der, über die Zugehörigkeit zu<br />
spezifischen sozialen Gruppen <strong>und</strong> Schichten vermittelten, sozialen Lage für das individuelle<br />
Berufswahlverhalten, wie sie bereits Lazarsfeld 1931 in der klassischen Studie „Jugend <strong>und</strong><br />
Beruf“ formulierte 1 .<br />
Im Zentrum des Projektes <strong>„Berufswahl</strong> <strong>und</strong> <strong>Transfer“</strong> stand daher der Prozess der<br />
beruflichen Orientierung vor dem Übergang.<br />
<strong>Berufliche</strong> Orientierung wird dabei, in Anlehnung an Famulla 2006 <strong>und</strong> Schober 2001,als<br />
andauernder Prozess angesehen, der sich in Interaktion der Subjekte mit verschiedenen<br />
Umweltebenen entwickelt, <strong>und</strong> nicht nur als Vorbereitung einer einmaligen Entscheidung für<br />
einen bestimmten Beruf zu verstehen ist. Nach diesem Verständnis ist es Aufgabe der<br />
schulischen Berufsorientierung, nicht nur auf die erstmalige Wahl eines Berufes beim<br />
Übergang von der Schule in den Beruf zu orientieren <strong>und</strong> das dazu notwendige Wissen zu<br />
vermitteln, sondern darüber hinaus Entscheidungsfähigkeiten zu entwickeln, die in eine<br />
berufsbiographische Gestaltungskompetenz münden <strong>und</strong> die Jugendlichen in die Lage<br />
versetzen, notwendige berufliche Orientierung-, Anpassungs- <strong>und</strong> Lernprozesse zu steuern<br />
<strong>und</strong> zu gestalten.<br />
1 Vgl. hierzu ausführlicher Lazarsfeld, Paul (1931): Die Ergebnisse <strong>und</strong> die <strong>Aus</strong>sichten der Untersuchungen über<br />
Jugend <strong>und</strong> Beruf. S. 1-87 in ders. (Hrsg.): Jugend <strong>und</strong> Beruf. Kritik <strong>und</strong> Material. Jena: Verlag Gustav Fischer.<br />
7
In der Untersuchungsregion gibt es bereits positive Beispiele zur Berufswahlorientierung <strong>und</strong><br />
–vorbereitung. Es fehlt jedoch an entsprechender Transparenz <strong>und</strong> Vernetzung über die<br />
Grenzen der einzelnen Städte <strong>und</strong> Kreise hinaus. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der<br />
subjektiven Wahrnehmung der, dem Prozess der beruflichen Orientierung dienenden,<br />
Maßnahmen durch die Jugendlichen <strong>und</strong> den von Lazarsfeld formulierten<br />
Zusammenhängen.<br />
2 Untersuchungsdesign <strong>und</strong> Zielsetzungen 2<br />
Die Vorgehensweise in der Untersuchung gliederte sich in teils aufeinander aufbauende, teils<br />
parallel laufende Arbeitsphasen.<br />
Zunächst machte es der Forschungsgegenstand erforderlich, den aktuellen theoretischen<br />
<strong>und</strong> empirischen Stands der Themenfeldforschung theoretisch-konzeptionell aufzuarbeiten.<br />
In diesem Kontext sind insbesondere auch die auf der Homepage www.netzwerk-<br />
berufsorientierung.de avisierten Angebote zu sehen.<br />
Hieran anschließend fand die sek<strong>und</strong>ärstatistische Aufbereitung, Dokumentation <strong>und</strong><br />
Analyse des regionalen Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktes, der sich im strukturellen Wandel<br />
befindlichen Untersuchungsregion unter Berücksichtigung des demografischen Wandels<br />
statt. Geklärt werden konnten hierdurch einerseits Fragen im Zusammenhang mit sektoralen<br />
Veränderungen <strong>und</strong> deren Konsequenzen für <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung sowie<br />
andererseits die Beurteilung der regionalen ökonomischen Verfassung insgesamt <strong>und</strong> sich<br />
hieraus ableitende zukünftige Potenziale. Gleichzeitig schaffte diese Analyse, im Sinne einer<br />
Bündelung, eine Übersicht zur Herstellung <strong>und</strong> Erhöhung der Transparenz für die in der<br />
Region ansässigen Institutionen mit dem Ziel einer Sensibilisierung.<br />
Über die gesamte Laufzeit wurden weiterhin im Rahmen einer qualitativen Studie insgesamt<br />
25 leitfadengestützte Interviews mit institutionellen Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertretern geführt, die<br />
mit ihren jeweiligen funktionalen Schwerpunkten <strong>und</strong> Interessen in die regionale Arbeits-,<br />
<strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Strukturpolitik eingeb<strong>und</strong>en sind. Das gewonnene Informationsmaterial –<br />
Interviewtranskripte, Gesprächnotizen oder auch Materialauswertungen – zu den<br />
verschiedenen Fragenkomplexen 3 wurde nach den Standards der empirischen<br />
Sozialforschung aufbereitet, analysiert <strong>und</strong> in vergleichender Form dokumentiert. In dieser<br />
Form erlaubt die qualitative Studie in Teilen die Evaluation innovativer, zumeist<br />
institutioneller Ansätze zur Berufwahlorientierung <strong>und</strong> –vorbereitung sowie die Untersuchung<br />
regionaler Schnittstellen <strong>und</strong> Strukturen beruflicher Orientierung.<br />
2<br />
entsprechend den Punkten 2 & 3 des Musters zum Schlussbericht<br />
3<br />
Vgl. hierzu ausführlich den im Anhang befindlichen Leitfaden sowie die unter Teil C dargestellten Ergebnisse<br />
der qualitativen Studie.<br />
8
Die qualitative Studie ergänzend können die prozessbegleitenden wissenschaftlichen<br />
Netzwerkaktivitäten des Projektträgers genannt werden, die die politische Zielsetzung<br />
verfolgen Benachteiligungen. Der im Projektvorhaben beabsichtigten modellhaften<br />
Netzwerkkonstituierung, konnte insofern entsprochen werden, als dass vielfältige Kontakte<br />
geknüpft wurden, in deren Folge ausführliche Gespräche <strong>und</strong> Arbeitssitzungen stattfanden,<br />
die in der Teilnahme der entscheidenden Beiräte „Schule <strong>und</strong> Beruf“ in Wesel <strong>und</strong> Duisburg<br />
mündeten. Es konnte eine Konsensbildung hinsichtlich der Intensivierung von Kooperation<br />
<strong>und</strong> Vernetzung erreicht werden. Übereinstimmend wurde auch festgestellt, dass ein<br />
Kooperationsbedarf besteht <strong>und</strong> dass Defizite in den Kommunikationsstrukturen – auch auf<br />
Gr<strong>und</strong> bestehender Intransparenzen in der Akteurlandschaft – vorhanden sind. Dem<br />
Projektziel, Schnittstellen zwischen den Netzwerken zu diagnostizieren <strong>und</strong> bedarfsgerechte<br />
sowie nachfrageorientierte Themen zu formulieren, konnte an dieser Stelle entsprochen<br />
werden. Handlungsbedarfe wurden gemeinsam formuliert <strong>und</strong> konkrete Gestaltungsansätze<br />
entwickelt <strong>und</strong> vorbereitet. Die Transparenz für die Betroffenen im Bereich der<br />
Berufswahlorientierung wurde durch die Präsenz des Projektes <strong>und</strong> die Vorstellung der<br />
einzelnen Projektergebnisse im Rahmen der Netzwerkarbeit insgesamt erhöht. Ein<br />
strukturiertes Handeln bereits erfolgreicher Ansätze wurde gefördert, so dass<br />
Synergieeffekte geschaffen werden konnten. Die im Rahmen der Netzwerkaktivitäten<br />
gewonnenen Erkenntnisse flossen zudem in die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft 4<br />
„Unterstützungsstrukturen“ der vom BQF-Programm initiierten Entwicklungsplattform 4<br />
„Netzwerkbildung“ ein.<br />
Durch die einzelnen Arbeitspakete war es möglich, institutionelle <strong>und</strong> regionale Aspekte der<br />
Problembearbeitung miteinander zu koppeln. Durch eine möglichst vollständige<br />
Beschreibung <strong>und</strong> Analyse von regionalen Entwicklungen <strong>und</strong> Tendenzen wurde die<br />
Transparenz für die Akteure erhöht. Informationsdefizite können durch eine zukünftige<br />
Optimierung von Beratungsprozessen vermieden werden. Diese, auch auf individuelle<br />
Aspekte ausgerichtete, Beratungsleistung wird durch das Kernstück des Projektes<br />
<strong>„Berufswahl</strong> <strong>und</strong> Transfer ….“ ermöglicht. Eine Befragung von insgesamt 1.434 Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schülern der 10´ten Klassen in 23 Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen der<br />
Untersuchungsregion, leistete unter Berücksichtigung der ethnischen sowie<br />
sozioökonomischen Lage der Herkunftsfamilien einen Beitrag zur Untersuchung des<br />
Entscheidungsverhaltens von Jugendlichen an der Schwelle von der Schule in den Beruf.<br />
Die Ergebnisse dieser Befragung bieten im Hinblick auf individuelle Defizite <strong>und</strong> Potentiale<br />
den am Prozess der beruflichen Orientierung beteiligten Akteuren die Möglichkeit einer<br />
stärker zielgerichteten Konzeption dieses Prozesses.<br />
Insgesamt kann durch die Untersuchung die Frage beantwortet werden, inwiefern<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich auf individueller Ebene den benachteiligten Jugendlichen für den Start in die<br />
9
erufliche Erstausbildung bzw. in eine Berufstätigkeit ein angemessenes Rüstzeug zur<br />
eigenverantwortlichen <strong>und</strong> aktiven Gestaltung ihrer Erwerbsbiographie mit auf den Weg zu<br />
geben wird.<br />
Eine eingehende, in ein dreigliederiges Zielsystem überführte, Beschreibung der Ziele <strong>und</strong><br />
Teilziele entsprechend der Handreichung zur Zielformulierung findet sich im Anhang.<br />
3 Wissenschaftlicher Stand<br />
3.1 Fachliteratur<br />
A<br />
Allen, Robert C. (1983): Collective invention. In: Journal of Economic Behavior and<br />
Organization 4, Nummer 1, S. 1-24<br />
Andreß, Hans-Jürgen/Hagenaars, Jacques A. / Kühnel, Steffen (1997): Analyse von Tabellen<br />
<strong>und</strong> kategorialen Daten. Log-lineare Modelle, latente Klassenanalyse, logistische<br />
Regression <strong>und</strong> GSK-Ansatz. Berlin u.a.: Springer.<br />
Arbeitskreis Einstieg/psychonomics AG (2006): Berufswahl in Hamburg. Eine Umfrag unter<br />
Hamburger Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern. Internetpublikation:<br />
(http://fhh.hamburg.de/stadt/ Aktuell/behoerden/bildung-sport/berufs-<strong>und</strong>weiterbildung/berufswahl-hamburg,property=<br />
source.pdf)<br />
Artelt, Cordula/Demmrich, Anke/Baumert, Jürgen (2001): Selbstreguliertes Lernen. S. 271-<br />
298 in: Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), a.a.O.<br />
Avenarius, Hermann/Ditton, Hartmut/Döbert, Hans/Klemm, Klaus/Klieme, Eckhard/Rürup,<br />
Matthias/Tenorth, Elmar/Weishaupt, Horst/Weiß, Manfred (2003): Bildungsbericht für<br />
Deutschland. Erste Bef<strong>und</strong>e. Opladen: Leske+Budrich<br />
B<br />
Bandilla, Wolfgang/Bosnjak, Michael (2000): Online Surveys als Herausforderung für die<br />
Umfrageforschung: Chancen <strong>und</strong> Probleme. S. 9 – 28 in: Mohler, Peter Ph. / Lüttinger,<br />
Paul (Hrsg.): 2000. Querschnitt. Festschrift für Max Kaase. Mannheim: ZUMA.<br />
Baumert, Jürgen/Schümer, G<strong>und</strong>el (2001): Familiäre Lebensverhältnisse,<br />
Bildungsbeteiligung <strong>und</strong> Kompetenzerwerb. S. 323 – 407 in Deutsches PISA-<br />
Konsortium ( Hrsg.), a.a.O.<br />
Beinke, L./Wascher, U. (1993): Unterrichtsthema Berufswahl. Didaktik <strong>und</strong> Methodik.<br />
Darmstadt.<br />
10
Beinke, Lothar (Hrsg). (2002): Familie <strong>und</strong> Berufswahl. Bad Honnef.<br />
Beck, Klaus (1974): Bedingungsfaktoren der Berufsentscheidung. Eine<br />
erziehungswissenschaftliche Untersuchung am Beispiel ungelernter junger Arbeiter<br />
<strong>und</strong> Arbeiterinnen. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhart.<br />
Beck, Ulrich/Brater, Michael/Wegener, Bernd (1979). Berufswahl <strong>und</strong> Berufszuweisung. Zur<br />
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Preyer, K. (1978): Berufs- <strong>und</strong> Betriebspädagogik. Einführung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>legung.<br />
München/Basel.<br />
Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (1999): Wissen managen. Wie Unternehmen ihre<br />
wertvollste Ressource optimal nutzen. 3. Aufl. Wiesbaden<br />
R<br />
Reißig, Birgit/Gaupp, Nora/Lex, Tilly (2004): Längsschnittstudie zum Übergang Schule-<br />
Beruf. Hoffnungen <strong>und</strong> Ängste – Jugendliche aus Zuwandererfamilien an der Schwelle<br />
zur Arbeitswelt. DJI Bulletin 69 (Winter 2004), S. 4-7.<br />
Reißig, Birgit/Gaupp, Nora/Hofmann-Lun, Irene/Lex, Tilly (2006): Schule - <strong>und</strong> dann?<br />
Schwierige Übergänge von der Schule in die Berufsausbildung. Reihe Wissenschaft für<br />
alle. München / Halle: Deutsches Jugendinstitut.<br />
(http://cgi.dji.de/uebergang/schule<strong>und</strong>dann2006.pdf)<br />
Rheinberg, Alexander/Hummel, Markus (2002): Zur langfristigen Entwicklung des<br />
qualifikationsspezifischen Arbeitskräfteangebots <strong>und</strong> -bedarfs in Deutschland.<br />
Empirische Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> aktuelle Projektionsergebnisse. In: Mitteilungen aus der<br />
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Roitsch, J. (2003): Orwells Kinder. Der weltweite Pisa-Test: Ergebnisse <strong>und</strong> Folgen für die<br />
B<strong>und</strong>esrepublik. In: Gewerkschaftliche Monatshefte 1/2003, 54. Jahrgang. S. 50 – 59.<br />
Rützel, Josef (2000a): Wandel von Arbeit <strong>und</strong> Beruf – <strong>Aus</strong>wirkungen auf die Berufsreife. In:<br />
Rützel, J./ Sehrer, A./ Ziehm, S.(Hrsg.) (2000): Berufseignung <strong>und</strong> berufliche<br />
20
Anforderungen. Handlungsfelder der Berufsvorbereitung <strong>und</strong> Berufsausbildung.<br />
Darmstädter Beiträge zur Berufspädagogik. Darmstadt. S. 9 – 31.<br />
Rützel, Josef (2002): Fit für <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beruf. Berufseignung zwischen Bewertung,<br />
Prognose <strong>und</strong> Förderung. In: Berufsbildung (2002)73, S. 3 - 8.<br />
S<br />
Schaeper, H./Kühn, T./Witzel, A. (2000): Diskontinuierliche Erwerbskarriere <strong>und</strong><br />
Berufswechsel in den 1990ern: Strukturmuster <strong>und</strong> biografische Umgangsweisen<br />
betrieblich ausgebildeter Fachkräfte. In: Mitteilungen der Arbeitsmarkt- <strong>und</strong><br />
Berufsforschung 33(2000)1, S. 80-99.<br />
Scharmann, T. (1956): Arbeit <strong>und</strong> Beruf. Eine soziologische <strong>und</strong> psychologische<br />
Untersuchung über die heutige Berufssituation. Tübingen.<br />
Schober, Karen (2001): Berufswahlorientierung im Wandel – Vorbereitung auf eine<br />
veränderte Arbeitswelt. S. 7-38 in: Wissenschaftliche Begleitung des Programms<br />
„Schule – Wirtschaft / Arbeitsleben“ (Hrsg.): Schule – Wirtschaft / Arbeitsleben.<br />
Dokumentation 2. Fachtagung 30. u. 31.05.2001. Bielefeld: SWA-Materialien Nr. 7.<br />
Schober, Karin (2004): <strong>Aus</strong>bildungsreife. Zur Diskussion um ein schwieriges Konstrukt –<br />
Erfahrungen der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit. Vortrag beim Experten-Workshop der<br />
Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AGBFN). Bonn.<br />
Schrumpf, Heinz/Budde, Rüdiger (1999): Die langfristigen Entwicklungsperspektiven der<br />
Region Niederrhein. Hrsg. vom Rheinisch-Westfälischen Institut für<br />
Wirtschaftsforschung Essen, Essen.<br />
Schumpeter, Joseph (2006): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Nachdruck der 1.<br />
Auflage von 1912. Herausgegeben <strong>und</strong> ergänzt um eine Einführung von Röpke, J. /<br />
Stiller, O. Duncker & Humblot. Berlin.<br />
Schwappacher, A./ Sommer, C.(1979): Die Förderung nicht berufsreifer Jugendlicher: Bericht<br />
über einen Modellversuch. Karlsruhe.<br />
Seifert, K-H. (1977): Theorien der Berufswahl <strong>und</strong> der beruflichen Entwicklung. In: Seifert, K.-<br />
H./Eckhardt, H.-H./Jaide, W. (Hrsg.): Handbuch der Berufspsychologie.<br />
Göttingen/Toronto/Zürich, S. 173-279.<br />
Seifert, K.H. (1988). Berufswahl <strong>und</strong> Laufbahnentwicklung. In: Frey, D./Graf Hoyos,<br />
C./Stahlberg, D. (Hrsg.): Angewandte Psychologie (S. 187-204). München.<br />
Seifert, Karl Heinz (1989): <strong>Berufliche</strong> Entwicklung <strong>und</strong> berufliche Sozialisation. In: Roth,<br />
Erwin (Hg.) (1989): Organisationspsychologie, erschienen in der Reihe: Enzyklopädie<br />
der Psychologie. Göttingen u. a., S. 608-630.<br />
21
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland (1998): Stärkung der <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit als Beitrag zur Verbesserung<br />
der <strong>Aus</strong>bildungssituation. In: Dostal, W./Parmentier, K./Schober, K. (Hrsg.): Mangelnde<br />
Schulleistungen oder überzogene Anforderungen? Zur Problematik<br />
unbesetzter/unbesetzbarer <strong>Aus</strong>bildungsplätze. Dokumentation eines Workshops in der<br />
B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit am 16. Oktober 1997 in Nürnberg. Beiträge zur Arbeitsmarkt<strong>und</strong><br />
Berufsforschung 202. Nürnberg, S. 232-240.<br />
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (2003): Vereinbarung<br />
über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10).<br />
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (2004): Vereinbarung<br />
über Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9).<br />
Skiba, E-G. u.a. (1995) (Hrsg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. Band 8. Erziehung im<br />
Jugendalter – Sek<strong>und</strong>arstufe 1. Stuttgart.<br />
Sprenger, Rolf-Ulrich (2001): ADAPT Unternehmensnetzwerke <strong>und</strong> regionale Netzwerke.<br />
Chance für Beschäftigung <strong>und</strong> Umweltschutz. Hrsg. von der Nationalen<br />
Unterstützungsstelle (NU) ADAPT der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit. Bonn.<br />
Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.) (2003a): Im Jahr 2050 wird jeder Dritte in Deutschland 60<br />
Jahre oder älter sein. Pressemitteilung vom 6. Juni 2003. URL: http://www.destatis.<br />
de/presse/deutsch/pk/2003/Bevoelkerung_2050.pdf; 02.02.05.<br />
Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.) (2003b): Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 10.<br />
koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Presseexemplar. URL:<br />
http://www.destatis.de/ presse/deutsch/pk/2003/Bevoelkerung_2050.pdf; 02.02.05.<br />
Stauffer, Ernst (1981): Die Berufswahl als Produkt von Eignung <strong>und</strong> Neigung. In: Stoll (1981,<br />
S. 377-413).<br />
Stövesand, H. (o.J.): Schulentwicklung nach Klippert – Über den Anspruch, mittels Dressur<br />
Selbstständigkeit zu fördern.<br />
Stoll, Francois (Hg.) (1981): Anwendungen im Berufsleben. Arbeits- , Wirtschafts- <strong>und</strong><br />
Verkehrspsychologie. Bd. 8 der Reihe „Die Psychologie des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts“, Zürich.<br />
SWA-Glossar (2004): <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit. URL: hhtp:// www.swaprogramm.de/datenbank/glossar.php<br />
stichwort=<strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit<br />
T<br />
Thoma, Günter (2001): Die Kluft zwischen Schule <strong>und</strong> Arbeitswelt <strong>und</strong> Ansätze zu ihrer<br />
Überwindung. In: Wirtschaft <strong>und</strong> Berufserziehung 53(2001)6, S. 22 – 27.<br />
22
Thoma, Günter (2002): Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen – aber wie? In: Wirtschaft <strong>und</strong><br />
Berufserziehung 54(2002)9, S. 13 - 19.<br />
ThyssenKrupp Steel AG (2006): Präsentation der Projekts „Chance“ auf der Fachtagung<br />
„Erfolgreiche Wege in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beruf“ des B<strong>und</strong>esministeriums für Arbeit <strong>und</strong><br />
Soziales <strong>und</strong> der Initiative für Beschäftigung! am 6. Oktober 2006 in Berlin<br />
URL: http://www.initiative-fuer-beschaeftigung.de/fileadmin/PDF/Fachtagung_Forum_3<br />
_Praesentationen.pdf<br />
Troltsch, Klaus (2003): Bildungsbeteiligung <strong>und</strong> –chancen von ausländischen Jugendlichen<br />
<strong>und</strong> jungen Erwachsenen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, S. 49-62 in: Integration durch<br />
Qualifikation. Chancengleichheit für Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der beruflichen<br />
Bildung. Ergebnisse, Veröffentlichungen <strong>und</strong> Materialien aus dem BIBB, Bonn: BIBB<br />
(im Internet unter: www.bibb.de/dokumente/pdf/pr_pr-material_2003_migranten.pdf)<br />
U<br />
Ulrich, Joachim Gerd (2003): Ergänzende Hinweise aus der Lehrstellenbewerberbefragung<br />
2002 zur Interpretation der Berufsbildungsstatistik: das Problem der latenten<br />
Nachfrage. Informationen für die Beratungs- <strong>und</strong> Vermittlungsdienste (ibv) 13/03,<br />
S. 1775-1784.<br />
Ulrich, Joachim Gerd (2004): Wege zwischen dem Verlassen der der allgemein bildenden<br />
Schule <strong>und</strong> dem Beginn einer beruflichen <strong>Aus</strong>bildung. Ein Rückblick auf die<br />
Entwicklung der vergangenen Jahre. Informationen für die Beratungs- <strong>und</strong><br />
Vermittlungsdienste (ibv) 23/04, S. 49-60.<br />
Ulrich, Joachim Gerd (2005): Probleme bei der Bestimmung von <strong>Aus</strong>bildungsplatznachfrage<br />
<strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebot. Definitionen, Operationalisierungen, Messprobleme.<br />
S. 5-36 in B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Der <strong>Aus</strong>bildungsmarkt <strong>und</strong> seine<br />
Einflussfaktoren. Dokumentation der Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft<br />
Berufsbildungsforschungsnetz vom 01./02. Juli 2004. Bonn: BIBB.<br />
Ulrich, Joachim Gerd (2005a): <strong>Aus</strong>bildungschancen von Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>. Ergebnisse aus der BIBB-Berufsbildungsforschung. In: INBAS<br />
(Hrsg.): Werkstattbericht 2005. Frankfurt a.M.<br />
Ulrich, Joachim Gerd/Krekel, Elisabeth M./Flemming, Simone (2006a): Lage auf dem<br />
Lehrstellenmarkt<br />
(20.01.2006).<br />
weiterhin sehr angespannt. URL: www.bibb.de/de/22024.htm<br />
Ulrich, Joachim Gerd/Flemming, Simone/Granath, Ralf-Olaf/Krekel, Elisabeth M. (2006b):<br />
Zahl der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge fällt auf den niedrigsten Stand seit<br />
der Wiedervereinigung. URL: http://www.bibb.de/de/23711.htm (20.01.2006).<br />
23
Ulrich, Joachim Gerd (2006c): Der Verbleib der Schulabgänger/innen in quantitativer <strong>und</strong><br />
qualitativer Hinsicht. Vortrag anlässlich der 6. SWA-Fachtagung zum Thema<br />
„Berufsorientierung-Berufsvorbereitung-Berufsausbildung“ in Hamburg (15. Mai. 2006).<br />
Im Internet unter: http://www.swa-programm.de/tagungen/hamburg/vortrag_ulrich.pdf.<br />
Ulrich, Joachim Gerd (2006d): Wie groß ist die „Lehrstellenlücke“ wirklich? Vorschlag für<br />
einen alternativen Berechnungsmodus. In: Berufsbildung in Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis<br />
35, S. 12-16.<br />
V<br />
Vetter, W. (1997): Mit Brief <strong>und</strong> Siegel – Erwartungen an Bildung in der Schule. In: Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Berufserziehung 49(1997)1, S. 20 – 27.<br />
W<br />
Weyer, Johannes (2000): Soziale Netzwerke. München, Oldenbourg.<br />
Wachtveitl, Erich/Witzel, Andreas (1987): Hauptschüler <strong>und</strong> berufliche Zukunft – aus der<br />
Sicht ihrer Erfahrungen auf dem Weg ins Berufsleben. S. 107-126 in: Axel Bolder <strong>und</strong><br />
Klaus Rodax (Hg.): Das Prinzip der aufge(sc)hobenen Belohnung. Die Sozialisation<br />
von Arbeiterkindern für den Beruf. Bonn: Verlag Neue Gesellschaft.<br />
Wiethaupt, Ulrich (1998): Einige Anregungen zur Verbesserung der Lage. In: Dostal, W./<br />
Parmentier, K./ Schober, K. (Hrsg.) (1998): Mangelnde Schulleistungen oder<br />
überzogene Anforderungen? Zur Problematik unbesetzter/ unbesetzbarer<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplätze. Beiträge zur Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Berufsforschung 216. Nürnberg,<br />
S.119 – 120.<br />
Z<br />
Zander, E. (2001): Schule <strong>und</strong> Wirtschaft. – Ein Kommentar von Prof. Dr. Ernst Zander – . In:<br />
Personal 1(2001), S. 20-21.<br />
Zedler, R. (2003): Förderung der <strong>Aus</strong>bildungsreife – was ist zu tun? In: Wirtschaft <strong>und</strong><br />
Berufserziehung 55(2003)8, S.12 – 15.<br />
24
3.2 Datenbanken<br />
Des Weiteren wurde auf verschiedene statistische Datenquellen herangezogen. U. a. hält<br />
das Landesamt für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik Nordrhein-Westfalen (LDS NRW)<br />
besonders zu den Bereichen Bevölkerung, Schulen <strong>und</strong> sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigte <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>zubildende eine umfangreiche Datensammlung vor 4 . Ergänzend hierzu<br />
folgende Statistiken:<br />
• <strong>Aus</strong> der Beschäftigtenstatistik 5 liefert die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit Angaben über die<br />
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten <strong>und</strong> die Arbeitslosen an das LDS NRW,<br />
veröffentlicht aber auch selbst ausführliche Informationen über Arbeitslose in der über<br />
das Internet erreichbaren Datenbank „Der Arbeitsmarkt in Deutschland“.<br />
• Angaben zu Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt sowie zu den neu<br />
abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträgen bietet die im Herbst durchgeführte Erhebung des<br />
B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung (BIBB). Ergebnisse sind in den Berufsbildungsberichten<br />
des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong> Forschung, ausführlicher aber wiederum im<br />
Internet über die BIBB-Datenbank "Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge zum<br />
30.09." erhältlich.<br />
• Ergänzt wird das Datenangebot zum <strong>Aus</strong>bildungsmarkt durch die vom Ministerium für<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> Mittelstand, Energie <strong>und</strong> Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
herausgegebenen „Regionaldaten zur beruflichen Bildung in Nordrhein-Westfalen“, in<br />
denen auch gr<strong>und</strong>legende Daten zu den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der<br />
B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit enthalten sind.<br />
Die Liste der Datenquellen verdeutlicht, dass die amtliche Statistik eine Fülle von<br />
Informationen für die Bestandsaufnahme der Arbeitsmarktregion Wesel/Kleve/Duisburg <strong>und</strong><br />
deren Entwicklung bereithält. Diese Daten differieren im Hinblick auf Erhebungseinheiten,<br />
räumlichen Abgrenzungskriterien, regionalen Merkmalstiefen, Zeitreihen-Darstellungen <strong>und</strong><br />
Systematiken. Trotz dieser unterschiedlichen zeitlichen <strong>und</strong> räumlichen Perspektiven (oder<br />
auch gerade deshalb) bieten sie die Möglichkeit, eine umfassende Analyse der<br />
demographischen Rahmenbedingungen, der ökonomischen Verfassung <strong>und</strong> der<br />
Entwicklungen im Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarkt vornehmen zu können.<br />
Fachinformationen wurden zudem gewonnen aus der Literaturdatenbank „<strong>Berufliche</strong><br />
Bildung“ sowie dem Publikationsverzeichnis des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsforschung, dem<br />
4 Als Beispiele seien die CD/DVD „NRW regional. Statistische Informationen für die Gemeinden <strong>und</strong> Kreise<br />
Nordrhein-Westfalens“ <strong>und</strong> die über das Internet erreichbare „Landesdatenbank NRW“ genannt<br />
5 Die in der Beschäftigtenstatistik der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit erhobenen Daten beruhen auf den Meldungen<br />
der Arbeitgeber zur Sozialversicherung. Erfasst werden alle sozialversicherungspflichtig beschäftigten<br />
Arbeiterinnen <strong>und</strong> Arbeiter, Angestellten <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>zubildenden. Diese repräsentieren ca. 80% aller<br />
Erwerbstätigen. Nicht sozialversicherungspflichtig <strong>und</strong> somit auch nicht in der Beschäftigtenstatistik enthalten<br />
sind Beamte, Selbstständige <strong>und</strong> mithelfende Familienangehörige (vgl. Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2000a). Diese<br />
Begrenzung galt bis Mitte 1999 auch für geringfügig Beschäftigte, die bis dahin nur vom Mikrozensus erfasst<br />
wurden. Per Gesetz wurden ab dem 01.04.1999 die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse der<br />
Sozialversicherungspflicht unterworfen <strong>und</strong> können daher im Rahmen der Beschäftigtenstatistik ebenfalls<br />
nachgewiesen werden.<br />
25
Publikationsverzeichnis des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong> Forschung, dem online<br />
Auftritt des bwp@ 6 , online Dokumentation des Deutschen Jugendinstitutes.<br />
3.3 Newsletter<br />
BiBBpraxis, BiBBforschung, Pressemitteilungen der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit,<br />
Sozialpolitische Informationen (SPI) des B<strong>und</strong>esministeriums für Arbeit <strong>und</strong> Soziales<br />
(BMAS), Pressemitteilungen des B<strong>und</strong>esministeriums für Ges<strong>und</strong>heit (BMG) <strong>und</strong> des<br />
B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF), BMBF-Aktuell, bwp@newsletter,<br />
Partner für Schule, Good Practice Center zur Förderung von Benachteiligten, Gesellschaft<br />
für innovative Beschäftigungsförderung NRW.<br />
3.4 Veranstaltungen<br />
Ferner wurden im Rahmen des Projektes die folgenden Veranstaltungen im Dialog zum<br />
Wissensaufbau <strong>und</strong> –austausch besucht:<br />
„Fit für die <strong>Aus</strong>bildung – Können, was Zukunft hat“ (Fachtagung des BMBF im Rahmen der<br />
<strong>Aus</strong>bildungsoffensive, Düsseldorf)<br />
"Bitte umsteigen im <strong>Aus</strong>bildungsbahnhof Richtung Zukunft" (Fachtagung der SPI Consult<br />
GmbH, Berlin)<br />
„Übergangsprobleme Jugendlicher an der ersten Schwelle in NRW“ (Tagung des Instituts<br />
Arbeit <strong>und</strong> Technik, Gelsenkirchen)<br />
„Geprüft <strong>und</strong> für zu schwach bef<strong>und</strong>en“ (Fachtagung der Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong><br />
Wissenschaft, Berlin)<br />
„Duale <strong>Aus</strong>bildung in innovativen Technologiefeldern“ (Veranstaltung der Kausa, Berlin)<br />
<strong>Berufliche</strong> Bildung in NRW „Reform des Berufbildungsgesetzes“ (Veranstaltung im Rahmen<br />
des Dortm<strong>und</strong>er Forschertages „<strong>Berufliche</strong> Bildung“ der Sozialforschungsstelle Dortm<strong>und</strong>,<br />
Dortm<strong>und</strong>)<br />
„Perspektiven Berufsbildung“ (Fachtagung des Bertelsmann Verlag, Bielefeld)<br />
„ABBEO-Impulstag <strong>und</strong> Best-Practice-<strong>Aus</strong>tausch“ (Veranstaltung der UnternehmerHaus AG,<br />
Duisburg)<br />
Vorstellung des Hamburger Hauptschulmodells (Einladung der Arbeitsstiftung Hamburg<br />
GmbH, Koordinierungsstelle <strong>Aus</strong>bildung, Hamburg)<br />
„Kompetenzen stärken, Qualifikationen verbessern, Potenziale nutzen - <strong>Berufliche</strong> Bildung<br />
von Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>“ (Fachtagung des<br />
Gesprächskreises Migration & Integration der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn)<br />
„Bildungswege von Migranten“ (Veranstaltung des Rhein-Ruhr-Bildungsvereins e.V.,<br />
Duisburg)<br />
„Lernen, Arbeiten <strong>und</strong> Unternehmen ohne Grenzen“ (Konferenz im Rahmen von EURegio,<br />
Nijmegen)<br />
6<br />
Das bwp@ ist ein interaktives Medium, durch das innerhalb der Berufs- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> die<br />
Kommunikation via Internet gefördert werden soll.<br />
26
„<strong>Aus</strong>bildung jetzt – Erfolg braucht alle“ (<strong>Aus</strong>bildungskonferenz der IHK Niederrhein &<br />
mittlerer Niederrhein, Duisburg, Dinslaken)<br />
„Jobcenter auf dem Prüfstand: Anforderungen aus der Perspektive von Jugend <strong>und</strong> Familie“<br />
(Fachtagung des deutschen Vereins für öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge, Erfurt)<br />
„Fachkonferenz Berufsberatung <strong>und</strong> Schule“ (Veranstaltung der Agentur für Arbeit, Bochum)<br />
Herbsttagung der Sektion für Berufs- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> der DGfE, ERfurt<br />
„<strong>Berufliche</strong> Bildung, Innovation <strong>und</strong> soziale Integration“ (14. Hochschultage <strong>Berufliche</strong><br />
Bildung, Bremen)<br />
Methodenworkshop: Jugendliche mit niedrigen Bildungsabschlüssen in der Panelforschung<br />
(Fachtagung des Deutschen Jugendinstituts, Halle)<br />
„Neue Kooperationen zwischen Schule <strong>und</strong> Arbeitswelt“ (Programmübergreifende<br />
Fachtagung der Programme Schule-Wirtschaft-Arbeitsleben/Kompetenzen fördern/Lernende<br />
Regionen, Bad Honnef)<br />
„Lernende Regionen – Zukunftsmodell für Bildung in NRW“ (Fachtagung der Lernenden<br />
Regionen in Kooperation mit dem Landesinstitut für Qualifizierung NRW, Münster)<br />
„Auf die Plätze! Fertig! Beruf!“ (Fachtagung der Stiftung Partner für Schule NRW, Bochum)<br />
„Professionell kooperieren <strong>und</strong> qualifizieren in der Benachteiligtenförderung. Rückblicke –<br />
Einblicke – <strong>Aus</strong>blicke“ (4. Flensburger Fachgespräche Benachteiligtenförderung)<br />
„Bildung, Arbeit <strong>und</strong> Identität im Jugendalter“ (Tagung der Sektionen Jugendsoziologie <strong>und</strong><br />
Bildung <strong>und</strong> Erziehung des DGS, Bielefeld)<br />
„Pisa: Unternehmen wollen Taten sehen“ (Vortrag von Andreas Schleicher im Rahmen des<br />
Unternehmertages, Duisburg)<br />
Veranstaltungen im Rahmen des BQF-Programmes (Auftakt- & Abschlussveranstaltung etc.<br />
sowie die regelmäßige Teilnahme an den Treffen der Entwicklungsplattform 4 <strong>und</strong> den<br />
Treffen der Arbeitsgemeinschaft 4)<br />
Teilnahme an verschiedenen <strong>Aus</strong>bildungsbörsen <strong>und</strong> –märkten in der Region<br />
Besuch von Open-Space & Assessment Center Veranstaltungen sowie einem Workshop<br />
zum Berufswahlpass<br />
4 Zusammenarbeit mit anderen Stellen<br />
Die Zusammenarbeit mit anderen Stellen fand auf mehreren Ebenen statt. Dabei wurden<br />
Initiativen zur Vernetzung <strong>und</strong> Kooperation verschiedener Akteure in der Region in<br />
vielfältiger Form aufgegriffen, bereits vorhandene Einzelkooperationen wurden mit<br />
relevanten Akteuren in Kontakt gebracht. Anzubringen ist an dieser Stelle, dass allein, das<br />
die Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve umfassende Gebiet größer ist als die gemeinschaftlichen<br />
Gebiete aller kreisfreien Städte des Ruhrgebietes. Insofern kann das Setzen positiver<br />
Impulse an einigen zentralen Stellen <strong>und</strong> zwar dort, wo sich die gesamtwirtschaftliche<br />
Situation in der Region zurzeit eher negativ darstellt, als ein Erfolg der Bemühungen<br />
innerhalb des Projektes gewertet werden. Gleichsam bestanden zu Beginn des Projektes –<br />
nicht allein auf Gr<strong>und</strong> der Größe der Gesamtregion – nur einige unverbindliche<br />
Verbindungen zwischen den Akteuren, die meist im Bereich der einzelnen Institutionen (z. B.<br />
auf Ebene der Schulen oder der Bildungsträger oder der Kreise bzw. der Stadt Duisburg)<br />
27
verblieben. Zusammengetragen <strong>und</strong> wurden alle relevanten Partner in zeitintensiver<br />
Kleinarbeit, diese finden sich in Form einer Zuordnung als mindmap auf der<br />
Projekthomepage www.netzwerk-berufsorientierung.de.<br />
Als wichtigste Partner können im Projekt neben den befragten regionalen Schulen 7 , die<br />
Beiräte Schule <strong>und</strong> Beruf in Duisburg <strong>und</strong> Wesel 8 , die Berufsberatungsstellen der<br />
Arbeitsagenturen, das U25-Team der ARGE in Duisburg, die Regionalagentur NiederRhein 9<br />
<strong>und</strong> die UnternehmerHaus AG 10 die, als Tochter der UnternehmerverbandsGruppe e. V., u.<br />
a. den rechtsrheinischen Arbeitskreis Schule / Wirtschaft moderiert, genannt werden.<br />
Daneben fand eine Zusammenarbeit mit der verschiedenen regionalen Bildungsträgern wie<br />
z. B. dem Institut für Maßnahmen zur Förderung der beruflichen <strong>und</strong> sozialen Eingliederung<br />
e.V. (IMBSE), der gemeinnützigen Gesellschaft für Beschäftigungsförderung mbH (GfB), der<br />
sci: moers gGmbH 11 oder dem Rhein-Ruhr-Bildungsverein, dem TIAD 12 , der Arbeitsgruppe<br />
ABBEO 13 , der Lernenden EURegio Niederrhein (hier explizit im Handlungsfeld 1: Übergang<br />
Schule <strong>und</strong> Beruf), dem Arbeitskreis „Schule-Beruf“ der Ernst-Balach-Gesamtschule, dem<br />
7 Hauptschule (HS) Hitzestraße, Duisburg / Adolph-Kolping-Hauptschule, Duisburg / HS Alpen / Anne-Frank-<br />
Hauptschule, Geldern / HS Anne-Frank-Schule, Duisburg / HS Bronkhorststraße Duisburg / HS Emil-<br />
Rentmeister-Schule, Duisburg / HS Friedrich-Ebert-Straße, Duisburg / HS Gustav-Heinemann, Dinslaken / HS<br />
Haarbeckschule, Neukirchen-Vluyn / Heinrich-Meyers HS, Hamminkeln / HS Im Angerbogen, Duisburg /<br />
Konrad-Adenauer-HS, Kleve / HS Rheinberg / HS St Nikolaus, Kalkar / HS Wachtendonk / HS Werthstraße,<br />
Duisburg / HS Xanten / Realschule (RS) Am Westwall, Geldern / RS Gustav-Heinemann, Dinslaken / RS<br />
Gustav-Stresemann, Duisburg / Heinrich-Meyers RS, Hamminkeln / RS Jeanette-Wolff, Dinslaken / RS Voerde<br />
/ RS Wesel Mitte / Gesamtschule (GS) Duisburg Mitte / GS Erich-Kästner, Duisburg / Ernst-Barlach-GS<br />
Dinslaken / GS Hünxe / GS Ruhrort, Duisburg / GS Schermbeck / GS Voerde<br />
8 Die Beiräte unterstützen die schulübergreifende örtliche Abstimmung <strong>und</strong> Entwicklung der am Prozess der<br />
Berufswahlorientierung beteiligten Akteure. Mitglieder der Beiräte sind u. a. Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertreter der<br />
verschiedenen Schultypen (von der Förderschule bis zum Berufskolleg), das Jugendamt / die Jugendhilfe,<br />
Kammern (IHK, HWK <strong>und</strong> Kreishandwerkskammer), Arbeitgeberverbände, der deutsche Gewerkschaftsb<strong>und</strong><br />
sowie Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertreter verschiedener Arbeitskreise <strong>und</strong> Projekte. Als wissenschaftlicher Vertreter<br />
soll auf der nächsten Sitzung Herr Prof. Dr. Rolf Dobischat in den Beirat Schule <strong>und</strong> Beruf Duisburg berufen<br />
werden. Der Vorsitz der Beiräte obliegt aktuell gemeinsam je einem Schulaufsichtsbeamten <strong>und</strong> einem<br />
Mitarbeiter des Arbeitsamtest. Die Aufgaben des Beirates agieren im Bereich der Beratung <strong>und</strong> Information.<br />
Schwerpunkte finden sich u. a. in der Berufswahlorientierung, der Entwicklung von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf<br />
dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt, im Bereich vollzeitschulischer <strong>Aus</strong>bildungsangebote sowie der Koordination der<br />
Nutzung von Praktikumsplätzen, der Lehrerfortbildung oder auch dem Transfer regionaler Aktivitäten in diesen<br />
Bereichen.<br />
9 Die Regionalagentur NiederRhein umfasst die Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve sowie die kreisfreie Stadt Duisburg. In<br />
ihrer Funktion agiert sie als Netzwerkknoten zwischen der Region <strong>und</strong> dem Land Nordrhein-Westfalen. Dabei<br />
zeichnet sie sich gleichsam auch als Dienstleister für regionale Unternehmen aus. Vorrangiges Ziel der<br />
Regionalagentur ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen <strong>und</strong> die Sicherung der<br />
Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern. Im Rahmen des Projektes fokussierte sich die<br />
Arbeit auf die eines Multiplikators <strong>und</strong> Vermittlers.<br />
10 Die UnternehmerHaus AG ist eine Tochtergesellschaft der UnternehmerverbandsGruppe e.V.. Als lokaler<br />
Partner <strong>und</strong> direkter Partner des Projektes verfügt sich über vielfältige Netzwerkbeziehungen u. a. zu<br />
regionalen Unternehmen. Gleichzeitig hat sie es sich zum Ziel gesetzt junge Menschen an der Schnittstelle<br />
zwischen Schule <strong>und</strong> Beruf über die realen Anforderungen der betrieblichen Arbeitswelt zu informieren, um auf<br />
diesem Wege eine zielgerichtete <strong>und</strong> realistische Berufswahlorientierung zu unterstützen. Als Mitglied<br />
verschiedener Arbeitskreise Schule/Wirtschaft sowie auch in den Beiräten Schule <strong>und</strong> Beruf pflegt die UHS AG<br />
einen intensiven Erfahrungsaustausch mit Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertretern regionaler Unternehmen sowie den<br />
Pädagogen <strong>und</strong> Lehrkräften allgemein bildender <strong>und</strong> weiterführender Schulen.<br />
11 Die sci:moers gGmbH – Gesellschaft für Einrichtungen <strong>und</strong> Betriebe sozialer Arbeit ist ein gemeinnütziger<br />
anerkannter Träger <strong>und</strong> Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband.<br />
12 Deutsch-Türkischer Unternehmerverein e.V.<br />
13 Förderung der <strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> Berufswahlorientierung.<br />
28
Arbeitskreis Niederrheinischer Berufskollegs <strong>und</strong> den in der Region verankerten Projekten im<br />
Rahmen von STARegio 14 statt.<br />
Die Zusammenarbeit ermöglichte es im Allgemeinen, die Beiräte <strong>und</strong> Arbeitskreise im Sinne<br />
von Multiplikatoren zum Transfer der Ergebnisse – insbesondere der sek<strong>und</strong>ärstatistischen<br />
<strong>Aus</strong>wertungen sowie der Resultate der Schülerinnen- <strong>und</strong> Schülerbefragung – zu nutzen.<br />
Gleichzeitig konnten durch diese Form der Netzwerkarbeit die Gespräche zu einer<br />
Verbesserung von Matchingprozessen im Sinne der Transparenzerhöhung sowie zur<br />
weiteren Vernetzung der einschlägigen regionalen Institutionen mit dem Ziel der Bündelung<br />
von Ressourcen <strong>und</strong> Potenzialen genutzt werden. Eine Verständigung über<br />
Problemlösungswege fand statt. Es wurde weitere Treffen - auch nach dem Ablauf des BQF-<br />
Projektes – verabredet, um auch weiterhin das Thema Berufsorientierung im Bewusstsein<br />
der Öffentlichkeit zu halten.<br />
Zugleich wurden die im Projekt erfahrenen Ergebnisse auch über die von der<br />
UnternehmerHaus AG initiierten Unternehmenszusammenkünfte wie z.B. die „Business<br />
Breaks“ in die Unternehmen transferiert.<br />
Im Einzelnen wurden in die Beiräte Schule <strong>und</strong> Beruf die Projektergebnisse transferiert. Die<br />
laufenden Projektaktivitäten wurden vorgestellt <strong>und</strong> ein gemeinsames Konzept im Hinblick<br />
auf zukünftige Aktivitäten erarbeitet. In den Gesprächen mit dem TIAD wurde deutlich, dass<br />
die große Anzahl regionaler Einzel- <strong>und</strong> Familienunternehmen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
nach wie vor große Schwellenängste vor den deutschen Behöroden haben. Es besteht hier<br />
insbesondere die Sorge den deutschen Vorschriften <strong>und</strong> Verordnungen mangels eigener<br />
Sprachkenntnisse nicht gerecht werden zu können. Die mit der UnternehmerHaus AG<br />
eingegangene Partnerschaft äußerte sich des Weiteren in einer engen Kooperation im<br />
Rahmen von ABBEO. Hier wurde vor allem an einer weiterführenden Planung <strong>und</strong><br />
Durchführung der Schülerinnen- <strong>und</strong> Schülerbefragung gearbeitet 15 . Mit den Beiräten <strong>und</strong><br />
der Regionalagentur NiederRhein wurde jeweils in Absprache die Konstituierung eines<br />
Netzwerkes zur Berufsorientierung modellhaft entwickelt 16 . Neben dem Erfahrungsaustausch<br />
<strong>und</strong> der Planung weiterführender Projektaktivitäten entstand auf diesem Wege zudem eine<br />
Vereinbarung über die weitere Nutzung der Plattform www.netzwerk-berufsorientierung.de,<br />
im Sinne der Nachhaltigkeit. Mit dem Lernenden NiederRhein wurden aktuelle <strong>und</strong><br />
zukünftige Maßnahmen im Übergang Schule/Beruf abgestimmt <strong>und</strong> Formen möglicher<br />
Zusammenarbeit festgestellt. Der Lernende NiederRhein findet u. a. auch Berücksichtigung<br />
durch die Integration in der Mindmap der Projekthomepage. In den Arbeitskreis „Schule-<br />
14 Das Programm STARegio - „Strukturverbesserung der <strong>Aus</strong>bildung in ausgewählten Regionen“ wurde im<br />
April 2003 als Bestandteil der jährlichen <strong>Aus</strong>bildungsoffensive vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong><br />
Forschung (BMBF) initiiert.<br />
15 Vgl. hierzu ausführlicher Birkelbach, Klaus in diesem Band<br />
16 Vgl. hierzu ausführlicher Goertz, Bianca Teil D unter II. in diesem Band<br />
29
Beruf“ der Ernst-Balach-Gesamtschule wurden die Projektaktivitäten transferiert. In<br />
Kooperation mit der UnternehmerHaus AG wurde hier auch der Berufswahlpass vorgestellt.<br />
Im Rahmen des Arbeitskreises Niederrheinischer Berufskollegs oblag dem Projektträger die<br />
Entwicklung einer Projektidee zur Entwicklung <strong>und</strong> Erprobung von Systemvarianten zur<br />
Sicherung einer qualifizierten Berufsausbildung in der Region Niederrhein. Zu nennen ist<br />
ergänzend noch die Zusammenarbeit mit den Projekten der vom BQF-Programm initiierten<br />
Entwicklungsplattform 4 „Netzwerkbildung“, hier im Besonderen der Arbeitsgemeinschaft 4<br />
„Unterstützungsstrukturen“. Gemeinsam wurde mit den hier beteiligten Projekten der<br />
Erfahrungsaustausch vorangetrieben, ein Transfer fand über die eigene Region hinaus statt,<br />
dies nicht zuletzt auf Gr<strong>und</strong> der gemeinschaftlichen Arbeit am Band II D „Verbesserung der<br />
beruflichen Integrationschancen von benachteiligten Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen<br />
durch Netzwerkbildung“, Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Aufbau von Unterstützungstrukturen<br />
für die Netzwerkarbeit“ im Rahmen der Schriftenreihe zum Programm „Kompetenzen fördern<br />
– <strong>Berufliche</strong> Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf (BQF-Programm)“.<br />
30
II. Eingehende Darstellung<br />
In Deutschland besteht nach wie vor ein Mismatch zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf<br />
dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt. Dabei haben insbesondere Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit<br />
niedrigem oder keinem Schulabschluss Probleme beim Übergang in das <strong>Aus</strong>bildungssystem.<br />
Hiervon sind auch <strong>und</strong> vor allem Jugendliche mit Migrationhintergr<strong>und</strong> betroffen 17 , so dass<br />
auch bei gleichwertigem Abschluss ein Übergang nicht sicher gestellt ist. Soziale wie auch<br />
ethnische Merkmale führen somit zu Benachteiligungen. Der internationale PISA-Bericht zur<br />
Situation von Kindern aus Migrantenfamilien, den die OECD auf der Basis der Daten von<br />
2003 vorstellte, hat gezeigt, dass Deutschland zu den Staaten zählt, in denen die<br />
Leistungsunterschiede zwischen einheimischen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern <strong>und</strong> jenen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> am stärksten ausgeprägt sind. Mit einem Fokus darauf, dass bereits<br />
heute jede zehnte Familie mit Kindern eine ausländische Familie ist, in einigen Großstädten<br />
bereits mehr als 40% der Heranwachsenden einen Migrationshintergr<strong>und</strong> aufweisen <strong>und</strong><br />
bereits jedes Achte in Deutschland geborene Kind Eltern mit ausländischer<br />
Staatangehörigkeit hat (vgl. Henry-Huthmacher / Hoffmann 2006, S. 26ff.) gewinnt diese<br />
Entwicklung weiterhin an Brisanz. Gleichzeitig legt Gr<strong>und</strong>mann 2002 an Hand der PISA-<br />
Studie 18 dar, dass die Differenz zwischen leistungsstarken <strong>und</strong> –schwachen Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schülern <strong>und</strong> dem Zusammenhang zu ihrer sozialen Schichtzugehörigkeit in keinem<br />
anderen Land so ausgeprägt ist wie in Deutschland.<br />
Hat sich die Berufsbildungspolitik zum Ziel gesetzt allen Jugendlichen eine qualifizierte<br />
berufliche Bildung zu ermöglichen, um zum einen die persönliche Entwicklung jedes<br />
Einzelnen <strong>und</strong> somit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt, zum anderen aber<br />
auch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, da mehr denn je Lebenschancen<br />
heute über eine qualifizierte <strong>Aus</strong>bildung vergeben werden (vgl. BMBF 2002), so stellt sich die<br />
Frage, ob sich davon implizit ein Bedeutungszusammenhang zwischen den Begriffen „alle<br />
Jugendlichen“ <strong>und</strong> „Chancengleichheit“ ableiten lässt.<br />
Die Jugendarbeitslosigkeit stellt aktuell immer noch eines der gewichtigsten<br />
bildungspolitischen Themen dar. Gleichzeitig zeichnet die mediale Diskussion unter dem<br />
Fokus der Chancen- <strong>und</strong> Perspektivlosigkeit mit <strong>Aus</strong>sagen wie: „Der passende Azubi<br />
verzweifelt gesucht! (WAZ, 20.08.05, S.3) oder „[...] es wird Schulen für Reiche <strong>und</strong> Schulen<br />
für Arme geben [...]“ (RP, 20.08.05, S.7) ein Bild, dass zeigt, dass sich Chancengleichheit -<br />
17 Vgl. hierzu ausführlicher Ulrich, Joachim Gerd (2005a): <strong>Aus</strong>bildungschancen von Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>. Ergebnisse aus der BIBB-Berufsbildungsforschung. In: INBAS (Hrsg.): Werkstattbericht<br />
2005. Frankfurt a.M.<br />
18 PISA steht für ‚Programme for International Student Assessment’, ein Programm zur zyklischen Erfassung<br />
basaler Kompetenzen der nachwachsenden Generation. OECD PISA, Schülerleistungen im internationalen<br />
Vergleich, Nationaler Ergebnisbericht. Vgl. http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa<br />
31
im Sinne von <strong>Aus</strong>bildung für alle - als bildungspolitisches Ziel nicht ohne Weiteres in die<br />
Praxis umzusetzen ist.<br />
Wie die im Projekt durchgeführte Befragung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern an allgemein<br />
bildenden Schulen in der Untersuchungsregion im Folgenden noch zeigen wird, wirkt sich<br />
vielmehr dieser fokussierte Zustand bereits auf das Berufswahl- <strong>und</strong> damit auch auf das<br />
Orientierungsverhalten der Jugendlichen aus.<br />
Zunächst kann davon ausgegangen werden, dass Chancengleichheit nur dort besteht, wo<br />
der einzelne „Jugendliche“ seine Chancen überhaupt kennt bzw. wahrnimmt.<br />
Die unter A präsentierten Ergebnisse der sek<strong>und</strong>ärstatischen Analyse des regionalen<br />
Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktes ermöglichen es, insbesondere unter dem Blickwinkel<br />
demografischer Entwicklungen, den am Prozess der beruflichen Orientierung beteiligten<br />
Akteuren, den Jugendlichen ein angemessenes Rüstzeug zur eigenverantwortlichen <strong>und</strong><br />
aktiven Gestaltung ihrer Erwerbsbiographie mit auf den Weg zu geben. Die Risiken aber<br />
auch Chancen, die die Region in sich birgt, können im Rahmen einer richtungsweisenden<br />
Positionierung von Berufswahlstrategien transparent gemacht werden, um den Jugendlichen<br />
Zukunftschancen aufzuzeigen <strong>und</strong> in diesem Sinne <strong>Aus</strong>bildungsabbrüchen <strong>und</strong>/oder<br />
unrealistischen Berufsvorstellungen <strong>und</strong> –erwartungen entgegenzuwirken.<br />
Woran sich Jugendliche bisher bei ihrer Berufswahl orientieren <strong>und</strong> welche Informationen sie<br />
sich für ihr zukünftiges Berufsleben aneignen, zeigt sich in den unter B präsentierten<br />
Ergebnissen einer Befragung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der 10´ten Klassen an<br />
allgemein bildenden Schulen. Aufgearbeitet wird dabei die spezifische Problematik von<br />
Berufswahl- <strong>und</strong> Transferprozessen benachteiligter Jugendlicher mit <strong>und</strong> ohne<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> in der Region <strong>und</strong> die Frage, ob sich aufgr<strong>und</strong> der gewonnenen<br />
Ergebnisse ein Zusammenhang zwischen beruflicher Orientierung <strong>und</strong> sozialer/ethnischer<br />
Herkunft oder schulischer <strong>Aus</strong>bildung herstellen lässt, der dem Streben der<br />
Berufsbildungspolitik nach Chancengleichheit eine empirische Basis bieten würde.<br />
Unter C werden die im Rahmen der qualitativen Studie, geführten Interviews mit<br />
institutionellen Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertretern, die mit ihren jeweiligen funktionalen<br />
Schwerpunkten <strong>und</strong> Interessen in die regionale Arbeits-, <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Strukturpolitik<br />
eingeb<strong>und</strong>en sind, dargestellt. Hier zeigt sich inwiefern eine Transparenz über die Arbeits<strong>und</strong><br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation sowie die Bereitschaft <strong>und</strong> Einstellung der Betriebe zur<br />
<strong>Aus</strong>bildung besteht, inwieweit bestimmte Zielgruppen als benachteiligt eingeschätzt,<br />
Förderprogramme für bestimmte Zielgruppen bekannt <strong>und</strong> Probleme im Bereich der<br />
beruflichen Orientierung gesehen werden. Unter den Aspekten „institutionelle<br />
Lösungsansätze, Netzwerke“ <strong>und</strong> „Perspektiven <strong>und</strong> Trends“ wird deutlich, inwieweit bereits<br />
eine kreis- <strong>und</strong> oder städteübergreifende Vernetzung vorhandener Ansätze sowie eine<br />
32
Abstimmung zwischen den Akteuren zur Schaffung von Synergieeffekten <strong>und</strong> Erhöhung der<br />
Angebotstransparenz besteht, die im Rahmen einer Evaluation innovativer Maßnahmen<br />
herangezogen werden können.<br />
Den abschließenden Teil D bildet ein regionalorientiertes Konzept zur beruflichen<br />
Orientierung, das basierend auf einer <strong>Aus</strong>führung zum Stand der wissenschaftlichen<br />
Diskussion zum Thema <strong>„Berufswahl</strong>- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife“ <strong>und</strong> einer diskursiven<br />
<strong>Aus</strong>einandersetzung zum Thema Netzwerke erstellt wurde.<br />
Ergänzend finden sich im Teil E <strong>Aus</strong>züge aus Diplomarbeiten die innerhalb des Projektes<br />
themenspezifisch einzelne Aspekte bearbeitet haben.<br />
33
Axel Stender<br />
Teil A Die <strong>Aus</strong>bildungssituation am Niederrhein –<br />
Inhalt<br />
dargestellt anhand der amtlichen Statistik<br />
1 Einleitung.................................................................................................................35<br />
2 Topografie ...............................................................................................................37<br />
3 Bevölkerung.............................................................................................................39<br />
3.1 Bevölkerungsstruktur...............................................................................................39<br />
3.2 Bevölkerungsentwicklung ........................................................................................41<br />
4 Allgemein bildende Schulen ....................................................................................46<br />
4.1 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler .......................................................................................46<br />
4.2 Schulabschlüsse......................................................................................................49<br />
5 Arbeitsmarkt ............................................................................................................53<br />
5.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ...............................................................54<br />
5.2 Arbeitslose...............................................................................................................61<br />
6 <strong>Aus</strong>bildungsmarkt ....................................................................................................64<br />
6.1 Berufsausbildung im Dualen System.......................................................................64<br />
6.1.1 Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen.............................................65<br />
6.1.2 Angebot <strong>und</strong> Nachfrage in Berufsgruppen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsbereichen...................71<br />
6.2 <strong>Berufliche</strong> Schulen...................................................................................................76<br />
6.3 Berufsvorbereitende Maßnahmen ...........................................................................82<br />
7 <strong>Aus</strong>blick ...................................................................................................................84<br />
8 Tabellenanhang.......................................................................................................87<br />
9 Verzeichnisse ..........................................................................................................93<br />
9.1 Tabellenverzeichnis.................................................................................................93<br />
9.2 Abbildungsverzeichnis.............................................................................................94
1 Einleitung<br />
Die Entscheidung eines Jugendlichen für einen bestimmten <strong>Aus</strong>bildungsberuf ist von vielen,<br />
auch sich untereinander beeinflussender Faktoren abhängig (vgl. Beinke 2002, Jaide 1977,<br />
1981, Lange 1974, Seifert 1977, 1989, Stauffer 1981). Neben der subjektiven Berufswahlsituation<br />
(Werte, Risikobereitschaft, Engagement, Informationsniveau, Zeitpunkt <strong>und</strong> -dauer<br />
der Entscheidung) hat auch die sozio-ökonomische Situation (Geschlecht, Familie, Schulbildung<br />
<strong>und</strong> -leistung sowie der regionale Kontext) einen großen Einfluss auf die Berufswahl<br />
einer Person (vgl. Lange 1974, S. 334). Mit der von uns durchgeführten Schülerbefragung<br />
(vgl. Birkelbach 2006 in diesem Band) können sowohl die subjektive als auch sozioökonomische<br />
Situation analysiert werden, für den regionalen Kontext muss jedoch auf die<br />
amtliche Statistik zurückgegriffen werden. Entsprechende Daten aus verschiedenen Untersuchungsbereichen<br />
werden im Folgenden bezüglich ihrer Konsequenzen auf das <strong>Aus</strong>bildungsgeschehen<br />
überprüft.<br />
<strong>Aus</strong> dem Gebiet der Bevölkerungsstatistik ist beispielsweise die Prognose der Anzahl der<br />
Jugendlichen bedeutsam, da sich hieraus das in den nächsten Jahren ergebende Potenzial<br />
an <strong>Aus</strong>bildungsplatznachfragern abschätzen lässt. Ebenso lassen sich Unterschiede in der<br />
Versorgung der Jugendlichen mit allgemein bildenden Schulen oder in der Wirtschaftsstruktur<br />
auch auf die Siedlungsdichte einer Region zurückführen.<br />
Der zweite Untersuchungsbereich fokussiert auf das allgemein bildende Schulwesen, denn<br />
ein regional unterschiedliches Angebot an allgemein bildenden Schulen wirkt sich auf die<br />
Struktur der Schulabschlüsse aus, die wiederum verschiedene berufliche Optionen (Berufsausbildung,<br />
Studium) eröffnen.<br />
In einem weiteren Schritt wird der Arbeitsmarkt untersucht. Dieser wird bestimmt von der<br />
regionalen Wirtschaftsstruktur sowie der aktuellen <strong>und</strong> zu erwartenden Wirtschaftslage (hier<br />
gemessen als Arbeitslosigkeitsquote) <strong>und</strong> steht in unmittelbarem Zusammenhang zum <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebot<br />
sowohl in dessen qualitativer also auch quantitativer Dimension.<br />
Im vierten Abschnitt werden die Entwicklungen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt dargestellt. Da<br />
das Angebot an dualen <strong>Aus</strong>bildungsplätzen in den letzten Jahren <strong>und</strong> besonders in den hier<br />
untersuchten Regionen die Nachfrage nicht mehr abdeckt, müssen immer mehr Jugendliche<br />
auf alternative berufsbildende Qualifizierungswege ausweichen. <strong>Aus</strong> diesem Gr<strong>und</strong>e wird<br />
neben den bei der Arbeitsagentur gemeldeten Bewerbern <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplätzen sowie den<br />
neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträgen auch auf die alternativen Bildungsmöglichkeiten<br />
bzw. Auffangbecken eingegangen, wie sie an den Berufskollegs oder in den von der Arbeitsagentur<br />
finanzierten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen angeboten werden.<br />
35
Soweit dies mit den Daten der amtlichen Statistik möglich ist, werden in den einzelnen Abschnitten<br />
auch Merkmale analysiert, die im Allgemeinen mit einer Benachteiligung gleich<br />
gesetzt werden. Im Allgemeinen existiert eine Vielzahl an Ursachen für eine Benachteiligung,<br />
die zusammenfassend unter strukturellen <strong>und</strong> persönlichen Aspekten subsumiert werden<br />
können (vgl. BMBF 2002, 18-26):<br />
a) Benachteiligungen aufgr<strong>und</strong> des Berufsbildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungssystems<br />
An den allgemein bildenden Schulen wird bemängelt, dass sie ihren Bildungs- (Mängel<br />
bei den Gr<strong>und</strong>rechenarten, der schriftlichen <strong>und</strong> mündlichen Kommunikation usw.) <strong>und</strong><br />
Erziehungsauftrag (fehlende Schlüsselqualifikationen wie Fleiß, Pünktlichkeit) nur unzureichend<br />
umsetzen. Zudem setzt die Berufsorientierung oft erst in der neunten Klasse<br />
<strong>und</strong> somit zu spät ein. Insgesamt fehlen Konzepte als Reaktion auf unzureichende<br />
Sprachvoraussetzungen oder häusliche Probleme <strong>und</strong> für eine individuelle Förderung der<br />
Kinder. Folglich wirkt das deutsche Schulsystem insgesamt in hohem Maße selektiv.<br />
Beim Übergang von der Schule in die Berufsausbildung ergeben sich Probleme daraus,<br />
dass die Berufsorientierung erst spät einsetzt <strong>und</strong> so genannte Frühabgänger/innen, welche<br />
die Schule nach der sechsten, siebten oder achten Klasse verlassen, häufig uninformiert<br />
bleiben. Außerdem erschwert bzw. verhindert die oftmals fehlende Abstimmung<br />
zwischen den beteiligten Institutionen (Netzwerk) eine durchgängige Betreuung der Jugendlichen,<br />
so dass diese im „Meer“ der Unqualifizierten verschwinden oder aber nicht<br />
aufeinander abgestimmte <strong>und</strong> daher sinnlose <strong>und</strong> demotivierende Maßnahmekarrieren<br />
durchlaufen.<br />
Neben den Problemfeldern allgemein bildende Schulen <strong>und</strong> Übergangsregime gehört<br />
auch der (regionale) Arbeitsmarkt hierzu. Verschiedene Faktoren führen zu einem Verdrängungswettbewerb,<br />
der die schwächeren Mitbewerber/innen aus dem Markt wirft.<br />
Hierzu zählen strukturschwache Regionen in denen generell <strong>Aus</strong>bildungsbetrieb <strong>und</strong><br />
damit -plätze fehlen, ein generell unzureichendes Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen der<br />
Wirtschaft, die steigenden Qualifikationsanforderungen in den Berufsbildern sowie die<br />
Konkurrenz unter den geburtenstarken Jahrgängen. Liegen zu den ersten beiden Problemfeldern<br />
kaum Daten aus der amtlichen Statistik vor, existiert zum Arbeitsmarkt umfangreiches<br />
Datenmaterial.<br />
b) Benachteiligungen, aufgr<strong>und</strong> persönlicher Merkmale<br />
Das Geschlecht ist besonders für Mädchen ein entscheidendes Kriterium, da ihnen bspw.<br />
die zukünftig einzunehmende Rolle der Mutter zugewiesen wird <strong>und</strong> sie damit für den Arbeitsmarkt<br />
nur bedingt verfügbar erscheinen <strong>und</strong> daher auch im dualen System seltener<br />
einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz erhalten.<br />
36
Die schulische Vorbildung wirkt ebenfalls selektiv, da steigende Bildungswünsche, höhere<br />
Anforderungen auf Seiten der Betriebe <strong>und</strong> anspruchsvoller werdende Berufsbilder zu<br />
einer Entwertung des Hauptschulabschlusses führten. Jugendliche ohne einen Hauptschulabschluss<br />
haben es noch schwerer eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle zu finden.<br />
Ein weiteres Merkmal ist die soziale Herkunft. Eltern mit einer niedrigen beruflichen Stellung<br />
(Vererbung des Ungelernten-Status) oder einem Bruch in traditionellen familiären<br />
Berufsbiografien (Bergarbeiter-, Landwirtfamilie) können ihre Kinder aufgr<strong>und</strong> der eigenen<br />
Orientierungslosigkeit häufig nur unzureichend bei der Berufswahl unterstützen. Familiäre<br />
Konflikte, Verlust eines Elternteils, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Sucht- <strong>und</strong>/oder Kriminalitätserfahrungen,<br />
aber auch existenzielle Versorgungsmängel wie schlechte Ernährung,<br />
Verschuldung <strong>und</strong> unzureichende Wohnverhältnisse führen oft zu Beeinträchtigungen.<br />
Die soziale Herkunft zeigt sich auch in Sprache, Normen, Verhaltensweisen, Lebensstil,<br />
Wohnort <strong>und</strong> Bildungsverlauf sowie Berufsorientierung <strong>und</strong> Herangehensweise<br />
bei der <strong>Aus</strong>bildungsplatzsuche. Neben fachlichen dürften auch diese nichtfachlichen Einstellungskriterien<br />
bei der Einstellung einer bzw. eines <strong>Aus</strong>zubildenden für einen Betrieb<br />
eine Rolle spielen.<br />
Die Herkunft der Jugendlichen ist insofern bedeutsam, als sich Benachteiligungen für<br />
Migranten/-innen, <strong>Aus</strong>länder/innen, <strong>Aus</strong>siedler/innen oder Flüchtlingen unter anderem<br />
aus dem niedrigeren sozialen <strong>und</strong> beruflichen Status der Eltern sowie aus unzureichenden<br />
Kenntnissen der deutschen Sprache <strong>und</strong> einer damit eingeschränkten gesellschaftlichen<br />
Teilhabe ergeben können.<br />
Eine Eingrenzung dieser Benachteiligungsgründe in den verschiedenen Bereichen der<br />
amtlichen Statistik ist nur teilweise möglich. Während Angaben zum Geschlecht <strong>und</strong> zum<br />
<strong>Aus</strong>länderstatus durchweg gängig sind, fehlen in den meisten Fällen Angaben zur schulischen<br />
Vorbildung, zur sozialen Herkunft oder zum Status Migrant/in bzw. <strong>Aus</strong>siedler/in.<br />
Der Bericht stellt somit Daten zu den Bereichen Bevölkerung, allgemein bildende Schulen<br />
<strong>und</strong> Arbeitsmarkt (Beschäftigten- <strong>und</strong> Arbeitslosenstatistik) zusammen <strong>und</strong> beschreibt deren<br />
Verbindung zur <strong>Aus</strong>bildungssituation in der Region. Zudem wird der <strong>Aus</strong>bildungsmarkt selbst<br />
anhand der Berufsbildungsstatistik, der beruflichen Schulen <strong>und</strong> der Berufsvorbereitenden<br />
Bildungsmaßnahmen betrachtet. Die Unterschiede zwischen den Regionen werden herausgestellt<br />
<strong>und</strong> die in den jeweiligen Statistiken verfügbaren Merkmale zu Benachteiligungen<br />
dargestellt.<br />
2 Topografie<br />
Die aus dem Projektzusammenhang hervorgehende Abgrenzung der Region Niederrhein<br />
beinhaltet die Verwaltungseinheiten der kreisfreien Stadt Duisburg sowie der Kreise Kleve<br />
37
<strong>und</strong> Wesel (vgl. Abb. 1). Duisburg war im Jahr 2003 mit r<strong>und</strong> 506.000 Einwohnern die fünftgrößte<br />
Stadt Nordrhein-Westfalens. Sie gehört zum Kerngebiet des Ruhrgebiets <strong>und</strong> nimmt<br />
für die Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel oberzentrale Versorgungsfunktionen 1 wahr (bspw. durch<br />
Fachkliniken oder die Hochschule). Der Kreis Wesel befindet sich am nordwestlichen Rande<br />
des Ruhrgebiets <strong>und</strong> besteht aus neun Städten <strong>und</strong> vier Gemeinden, in denen im Jahr 2003<br />
r<strong>und</strong> 477.000 Menschen wohnten (vgl. auch Tab. 1). Im ländlich geprägten Kreis Kleve lebten<br />
r<strong>und</strong> 306.000 Menschen in acht Städten <strong>und</strong> acht Gemeinden (vgl. auch Tab. 1). Im Norden<br />
<strong>und</strong> Westen grenzt der Kreis Kleve an die Niederlande. Insgesamt ist das Gebiet der<br />
Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve größer als die Gebiete aller kreisfreien Städte des Ruhrgebietes<br />
zusammen.<br />
Abb. 1: Die Region Niederrhein<br />
Kranenburg<br />
Kleve<br />
Goch<br />
Kreis Kleve<br />
Fläche: 1.232 qkm<br />
Bevölkerung (2003): 305.599<br />
Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weeze<br />
Emmerich<br />
Bedburg-<br />
Hau<br />
Kalkar<br />
Uedem<br />
Kevelaer<br />
Straelen<br />
Geldern<br />
Sonsbeck<br />
Wachtendonk<br />
Rees<br />
Xanten<br />
Issum<br />
1<br />
Der deutsche Geograf Walter Christaller entwickelte in den dreißiger Jahren das System zentraler Orte. Die<br />
Orte höherer Hierarchiestufe (z. B. größere Städte) weisen dabei <strong>Aus</strong>stattungsmerkmale auf, die Orten niedrigerer<br />
Hierarchiestufe fehlen (z. B. bestimmte Verwaltungs- <strong>und</strong> Dienstleistungsfunktionen). In Deutschland<br />
wurde diese Struktur auf die Hierarchiestufen Unterzentren, Mittelzentren <strong>und</strong> Oberzentren übertragen (vgl.<br />
Heineberg 2003).<br />
38<br />
Alpen<br />
Rheurdt<br />
Kerken<br />
Kamp<br />
Lintfort<br />
Neukirchen<br />
Vluyn<br />
Hamminkeln<br />
Wesel<br />
Duisburg<br />
Fläche: 233 qkm<br />
Bevölkerung (2003): 506.496<br />
Voerde<br />
Rheinberg<br />
Moers<br />
Kreis Wesel<br />
Fläche: 1.042 qkm<br />
Bevölkerung (2003): 477.481<br />
Schermbeck<br />
Hünxe<br />
Dinslaken<br />
Duisburg
3 Bevölkerung<br />
In diesem Teil werden einige zentrale Angaben über die Bevölkerungsstruktur (z. B. Einwohnerdichte,<br />
<strong>Aus</strong>länderanteil) <strong>und</strong> die Bevölkerungsentwicklung gemacht. Die künftig zu erwartende<br />
Entwicklung der Jugendlichen ist insofern relevant, da hieraus das Nachfragepotenzial<br />
an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen grob abgeschätzt werden kann.<br />
3.1 Bevölkerungsstruktur<br />
In der Region Niederrhein lebten Ende 2003 r<strong>und</strong> 1,3 Mio. Menschen (vgl. Tab. 1). Dies entspricht<br />
7,1 % an der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens. Auf die kreisfreie Stadt Duisburg<br />
entfielen 39,3 % der Bevölkerung, auf den Kreis Kleve r<strong>und</strong> 23,7 % <strong>und</strong> auf den Kreis Wesel<br />
37,0 %. Der Anteil der Frauen an der Bevölkerung lag im Kreis Kleve bei 50,6 % <strong>und</strong> in den<br />
übrigen hier untersuchten Regionen bei 51,3 %.<br />
Die größte Einwohnerdichte wies die kreisfreie Stadt Duisburg auf (vgl. Tab. 1). Von den<br />
beiden Kreisen war der Kreis Wesel mit 458 Einwohnern pro Quadratkilometer fast doppelt<br />
so dicht besiedelt wie der Kreis Kleve mit nur 248 Einwohnern pro Quadratkilometer. Wie<br />
eine weiter differenzierende Analyse nach einzelnen Gemeinden <strong>und</strong> Städte zeigt, verteilten<br />
sich die Einwohner im Kreis Wesel heterogener über die einzelnen Gebiete als im Kreis Kleve.<br />
Die Spanne der Einwohnerdichte reichte im Kreis Kleve von 126 (Kranenburg) bis zu 502<br />
(Stadt Kleve) Einwohnern pro qkm <strong>und</strong> im Kreis Wesel von 123 (Schermbeck) bis zu 1.594<br />
(Moers) Einwohnern pro qkm. Die unterschiedliche Siedlungsstruktur in den drei Verwaltungsbezirken,<br />
die besonders hohe Einwohnerdichte in der kreisfreien Stadt Duisburg, der<br />
stärker besiedelte, da ans Ruhrgebiet angrenzende Kreis Wesel sowie der ländlich geprägte<br />
Kreis Kleve, wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt <strong>und</strong> damit auf den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt aus.<br />
So dürfte das Angebot an Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplätzen in Duisburg mengenmäßig größer,<br />
aber auch qualitativ differenzierter sein, als beispielsweise im stark ländlich geprägten<br />
Kreis Kleve, wo zum Beispiel die Landwirtschaft noch viel stärker vertreten ist. Dies macht<br />
sich auch bei der Zahl der Ein- bzw. <strong>Aus</strong>pendler bemerkbar, also derjenigen, die außerhalb<br />
ihres Wohnortes ihren Arbeitsplatz haben bzw. suchen müssen (vgl. weiter hinten Tab. 7).<br />
Am Niederrhein lebten Ende 2003 145.502 (11,3%) Einwohner mit ausländischer Nationalität<br />
(vgl. Tab. 1). Duisburg wies mit 16,5 % den höchsten <strong>Aus</strong>länderanteil auf, während die beiden<br />
Kreise gleichauf bei r<strong>und</strong> 8 % lagen <strong>und</strong> sich damit unterhalb des Landesdurchschnitts<br />
von 10,9 % befanden. Der vergleichsweise hohe <strong>Aus</strong>länderanteil in Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong><br />
dort insbesondere in den Regionen mit hoher Einwohnerdichte erfordert besondere Anstrengungen<br />
der Integrationspolitik.<br />
39
40<br />
Tab. 1: Die Bevölkerungsstruktur in den Gemeinden des Niederrheins (31.12.2003)<br />
Gebiet Kataster-<br />
fläche<br />
in qkm<br />
Bevölkerung Einwohner Geburten- Wanderungs- Veränderung (in %)<br />
Insgesamt Frauenanteil Anteil Nichtdeutsche<br />
je qkm bzw. Sterbeüberschussbilanz<br />
2003/<br />
2002<br />
2003/<br />
1993<br />
Duisburg, krfr. Stadt 233 506.496 51,3 16,5 2.176 -1.787 -381 -0,4 -5,6<br />
Kreis Kleve 1.232 305.599 50,6 7,9 248 -526 1.949 0,5 8,4<br />
- Bedburg-Hau 61 12.736 49,3 6,0 208 -47 289 1,9 3,7<br />
- Emmerich am Rhein, Stadt 80 29.276 51,1 13,1 365 -95 104 0,0 0,9<br />
- Geldern, Stadt 97 33.795 50,5 5,8 349 -27 237 0,6 9,6<br />
- Goch, Stadt 115 33.538 50,7 8,2 291 -42 204 0,5 10,2<br />
- Issum 55 12.218 51,4 3,9 223 -12 41 0,2 6,8<br />
- Kalkar, Stadt 88 13.996 51,3 6,3 159 -65 51 -0,1 16,7<br />
- Kerken 58 12.738 50,7 3,9 220 -12 109 0,8 6,7<br />
- Kevelaer, Stadt 100 27.824 51,1 6,2 277 13 220 0,8 10,7<br />
- Kleve, Stadt 98 49.105 51,4 9,8 502 -158 103 -0,1 2,6<br />
- Kranenburg 77 9.670 50,1 18,6 126 -21 146 1,3 16,6<br />
- Rees, Stadt 110 22.374 49,8 6,9 204 -50 213 0,7 14,4<br />
- Rheurdt 30 6.597 49,1 4,4 220 14 57 1,1 13,9<br />
- Straelen, Stadt 74 15.361 50,4 5,6 207 10 -50 -0,3 10,1<br />
- Uedem 61 8.501 50,2 5,6 139 -6 122 1,4 16,0<br />
- Wachtendonk 48 7.745 49,9 4,3 161 -10 86 1,0 12,3<br />
- Weeze 79 10.125 48,5 10,7 127 -18 17 0,0 10,7<br />
Kreis Wesel 1.042 477.481 51,3 8,0 458 -1.173 748 -0,1 4,0<br />
- Alpen 60 12.849 51,0 2,9 216 -30 84 0,4 9,2<br />
- Dinslaken, Stadt 48 70.857 51,2 9,7 1.486 -74 -262 -0,5 4,8<br />
- Hamminkeln, Stadt 164 27.403 50,5 5,3 167 3 14 0,1 5,6<br />
- Hünxe 107 13.717 51,5 2,4 128 -53 66 0,1 2,1<br />
- Kamp-Lintfort, Stadt 63 39.706 51,3 12,6 629 -126 -114 -0,6 -1,9<br />
- Moers, Stadt 68 107.903 51,6 10,2 1.594 -385 269 -0,1 1,2<br />
- Neukirchen-Vluyn, Stadt 43 28.809 51,7 8,9 663 -113 93 -0,1 4,7<br />
- Rheinberg, Stadt 75 32.015 51,1 5,0 426 -68 230 0,5 10,9<br />
- Schermbeck 111 13.656 50,3 2,2 123 -66 89 0,2 6,7<br />
- Sonsbeck 55 8.608 51,9 4,3 155 -50 45 -0,1 17,9<br />
- Voerde (Niederrhein), Stadt 53 38.849 51,2 6,5 726 -15 -96 -0,3 2,7<br />
- Wesel, Stadt 123 61.828 51,6 7,2 505 -82 -86 -0,3 1,2<br />
- Xanten, Stadt 72 21.281 51,5 5,3 294 -114 416 1,4 19,6<br />
Region Niederrhein 2.507 1.289.576 51,1 11,3 514 -3.486 2.316 -0,1 0,9<br />
Nordrhein-Westfalen 34.083 18.079.686 51,3 10,9 530 -30.910 34.241 0,0 1,8<br />
Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik; eigene Berechnungen.
Da <strong>Aus</strong>siedlerinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler ab einem Jahr nach ihrem Zuzug nicht mehr von den<br />
ansässigen Deutschen unterschieden werden (vgl. Deutscher B<strong>und</strong>estag 2002, S. 117), wird<br />
ihre Anzahl <strong>und</strong> ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung zwangsläufig unterschätzt. Zudem<br />
macht die amtliche Bevölkerungsstatistik keine Angaben zu <strong>Aus</strong>siedlern <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedlerinnen,<br />
so dass für die Darstellung der räumlichen Verteilung von <strong>Aus</strong>siedlerinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedlern<br />
hilfsweise die Schulstatistik als ein Indikator herangezogen werden musste – vergleiche<br />
hierzu Kapitel 1.3.<br />
Die Bilanz der natürlichen Bevölkerungsbewegung, also der Geburten <strong>und</strong> Sterbefälle, wies<br />
Ende 2003 in fast allen Gemeinden <strong>und</strong> Städten am Niederrhein ein negatives Vorzeichen<br />
auf, so dass die Sterbefälle überwogen (vgl. Tab. 1). Die räumlichen Bevölkerungsbewegungen<br />
bzw. Wanderungen, sprich die Zu- <strong>und</strong> Fortzüge, fielen regional unterschiedlich aus. In<br />
Duisburg überwogen die Fortzüge, im Kreis Wesel <strong>und</strong> insbesondere im Kreis Kleve die Zuzüge.<br />
<strong>Aus</strong> der natürlichen <strong>und</strong> räumlichen Bevölkerungsbewegung ergab sich gegenüber<br />
dem Vorjahr per Saldo für Duisburg ein Bevölkerungsrückgang von 2.168 Personen (-0,4 %).<br />
Für den Kreis Wesel ergab sich ebenfalls ein leichter Rückgang (-0,1 %), während im Kreis<br />
Kleve der Wanderungsüberschuss den negativen Saldo der natürlichen Bevölkerungsbewegung<br />
mehr als ausglich (0,5 %). Auch über einen längeren Zeitraum (1993 bis 2003) ergab<br />
sich für Duisburg ein Bevölkerungsrückgang. Die beiden Kreise gewannen allerdings hinzu –<br />
insbesondere der Kreis Kleve (8,4 %; vgl. Tab. 1). Eingehender wird die Entwicklung der<br />
Bevölkerung im folgenden Abschnitt behandelt.<br />
3.2 Bevölkerungsentwicklung<br />
Zwei Trends sind bei der gegenwärtigen Entwicklung der Bevölkerung zu beobachten, die<br />
sich in der Zukunft voraussichtlich noch verstärken werden <strong>und</strong> mit dem Stichwort „Demografischer<br />
Wandel“ umschrieben werden. Dies sind:<br />
• ein schrumpfender Bevölkerungsbestand <strong>und</strong><br />
• eine zunehmend älter werdende Bevölkerung.<br />
Beide Trends erklären sich zum einen aus den kontinuierlich sinkenden Geburtenraten <strong>und</strong><br />
zum anderen aus der gestiegenen Lebenserwartung. Auch wenn die Möglichkeit besteht,<br />
diese Tendenzen durch Zuwanderung etwas abzumildern, werden sie nicht mehr umgedreht<br />
werden können. So wird in der mittleren Variante der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung<br />
des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes (2003a) davon ausgegangen, dass die in<br />
Deutschland lebende Bevölkerung von derzeit r<strong>und</strong> 82,5 Millionen in den nächsten Jahren<br />
noch leicht anwachsen wird, aber ab dem Jahre 2013 zurückgehen wird bis auf 75 Millionen<br />
im Jahre 2050. In diesem Zeitraum wird sich die Altersstruktur der Bevölkerung derart verän-<br />
41
dern, dass bspw. die unter 20jährigen von 21 % in 2001 auf 16 % in 2050 fallen werden,<br />
während die Personen ab 65 Jahren von 17 % in 2001 auf 30 % in 2050 ansteigen werden<br />
(vgl. Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2003b, S. 42).<br />
Abb. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen von 1975 bis 2020<br />
220 %<br />
210 %<br />
200 %<br />
190 %<br />
180 %<br />
170 %<br />
160 %<br />
150 %<br />
140 %<br />
130 %<br />
120 %<br />
110 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
220 %<br />
210 %<br />
200 %<br />
190 %<br />
180 %<br />
170 %<br />
160 %<br />
150 %<br />
140 %<br />
130 %<br />
120 %<br />
110 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
1975<br />
1975<br />
1980<br />
1980<br />
1985<br />
Duisburg Kreis Kleve<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
2004<br />
2010<br />
2015<br />
2020<br />
42<br />
1975<br />
Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />
1985<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
2004<br />
2010<br />
2015<br />
2020<br />
1975<br />
1980<br />
1980<br />
1985<br />
1985<br />
1990<br />
1990<br />
1995<br />
1995<br />
2000<br />
2000<br />
2004<br />
2010<br />
2015<br />
2020<br />
2004<br />
2010<br />
2015<br />
2020<br />
220 %<br />
210 %<br />
200 %<br />
190 %<br />
180 %<br />
170 %<br />
160 %<br />
150 %<br />
140 %<br />
130 %<br />
120 %<br />
110 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
220 %<br />
210 %<br />
200 %<br />
190 %<br />
180 %<br />
170 %<br />
160 %<br />
150 %<br />
140 %<br />
130 %<br />
120 %<br />
110 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
0-15 Jahre 15-25 Jahre 25-65 Jahre 65 Jahre <strong>und</strong> älter Gesamt<br />
Quelle: LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />
Nach den Bevölkerungsprognosen des Landesamtes für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik<br />
Nordrhein-Westfalen (abgekürzt: LDS NRW) werden sich diese Megatrends auch in den hier<br />
untersuchten Regionen niederschlagen, allerdings mit eigenen regionalen Akzenten. So hat<br />
in der kreisfreien Stadt Duisburg schon seit längerem ein Bevölkerungsschw<strong>und</strong> eingesetzt,<br />
der voraussichtlich auch in Zukunft nicht zu stoppen sein wird (vgl. Abb. 2 <strong>und</strong> Tab. 2). Im<br />
Kreis Kleve wird hingegen die Bevölkerung voraussichtlich weiterhin kontinuierlich zunehmen,<br />
allerdings mit abnehmender Zuwachsrate. Im Kreis Wesel <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />
wird das Bevölkerungsniveau des Jahres 2003 bis etwa 2010 gehalten <strong>und</strong> dann in den<br />
nächsten 10 Jahren kaum merklich etwa 1 % abnehmen. Im Gegensatz zu den zuvor ge-
nannten Regionen verzeichnet die Stadt Duisburg bereits schon heute hohe Rückgänge, die<br />
sich in der Zukunft voraussichtlich weiter verstärken werden.<br />
Der zweite Trend, die Verschiebung in der Altersstruktur, ist allerdings bereits in allen untersuchten<br />
Regionen deutlich zu erkennen. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich ergaben sich aber<br />
schon in der Vergangenheit (seit 1975) deutliche Umwälzungen, die sich in der Zukunft, hier<br />
für die Jahre 2010, 2015 <strong>und</strong> 2020, fortsetzen werden. Die Altersgruppe der bis unter<br />
15jährigen, die noch die allgemein bildenden Schulen besucht, wird in Zukunft die stärksten<br />
Verluste aufweisen, während auf der anderen Seite die Gruppe der Älteren stark anwachsen<br />
wird (vgl. Tab. 2). Insgesamt zeigen die Prognosen schon für die kommenden 15 Jahre gravierende<br />
Umwälzungen in der Altersstruktur in den hier untersuchten Regionen. Für die im<br />
Projektzusammenhang besonders interessierende Altersgruppe der 15 bis unter 25jährigen,<br />
die zum größten Teil eine Berufsbildende Schule zur Berufsvorbereitung, Berufsausbildung<br />
oder Höherqualifizierung besuchen, wird bis etwa 2010 noch zunehmen <strong>und</strong> dann ebenfalls<br />
zurückgehen. Dies dürfte sich auch in einer zunächst ansteigenden Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />
bemerkbar machen, vorausgesetzt, die Zahl der Hochschulabsolventen steigt<br />
nicht unerwartet stark an. Sollte das Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen nicht genügen, werden<br />
die Jugendlichen alternative Möglichkeiten wahrnehmen müssen, soweit diese von den beruflichen<br />
Schulen, der Agentur für Arbeit oder anderen Bildungsträgern in der Region angeboten<br />
werden. Zu prüfen wäre an dieser Stelle, ob der personelle <strong>und</strong> räumliche Bestand an<br />
den beruflichen Schulen dem Anstieg in den nächsten Jahren gewachsen ist, der allerdings<br />
nur vorübergehend sein wird, denn bis 2020 wird sich die Zahl der 15 bis unter 25jährigen<br />
wieder reduziert haben. Anstieg <strong>und</strong> Rückgang fallen dabei regional unterschiedlich stark<br />
aus. Im Kreis Kleve mit seiner überdurchschnittlich positiven Bevölkerungsentwicklung wird<br />
2020 die Zahl der jungen Erwachsenen etwa gleichauf mit dem <strong>Aus</strong>gangsjahr 2003 sein (vgl.<br />
Tab. 2). In Duisburg <strong>und</strong> im Kreis Wesel wird es dagegen etwa 11 bis 13 % weniger junge<br />
Erwachsene geben. Langfristig wird es somit, entgegen der heutigen Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt,<br />
zu einem Mangel an jungen Fachkräften kommen (vgl. Bucher/Puhlmann<br />
2003, Rheinberg/Hummel 2002), besonders betroffen davon sind möglicherweise Duisburg<br />
<strong>und</strong> der Kreis Wesel.<br />
Da die amtliche Statistik keine getrennte Prognose der deutschen <strong>und</strong> nichtdeutschen Bevölkerung<br />
veröffentlicht hat, wird im Folgenden auf die Entwicklung der vergangenen Jahre<br />
zurückgegriffen (vgl. Tab. 3). Zum Vergleich ist die prozentuale Veränderung der deutschen<br />
Bevölkerung gegenübergestellt. Seit 1990 hatte die ausländische Bevölkerung in fast allen<br />
dargestellten Regionen überproportional zugenommen, lediglich der Kreis Wesel wies ein<br />
relativ ausgeglichenes Wachstum sowohl der ausländischen als auch der deutschen Einwohnerinnen<br />
<strong>und</strong> Einwohner auf. Somit stieg nach eigenen Berechnungen der Anteil der<br />
<strong>Aus</strong>länderinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder im Kreis Wesel von 7,8 % im Jahre 1990 auf 8,0 % im Jahre<br />
43
2003 <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen von 9,3 % auf 10,9 %. In Duisburg wuchs der <strong>Aus</strong>länderanteil<br />
von 14,6 % auf 16,5 % <strong>und</strong> im Kreis Kleve von 6,4 % auf 7,9 %.<br />
Tab. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen von 2003 bis 2020<br />
Alter von …<br />
bis unter …<br />
Entwicklung absolut Entwicklung in %<br />
Jahren<br />
Duisburg<br />
2003 2010 2020 2003 2010 2020<br />
0-15 75.817 65.459 60.513 100,0 86,3 79,8<br />
15-25 54.462 56.867 47.276 100,0 104,4 86,8<br />
25-65 274.283 258.679 247.920 100,0 94,3 90,4<br />
65 <strong>und</strong> älter 101.934 106.660 103.937 100,0 104,6 102,0<br />
Summe 506.496 487.665 459.646 100,0 96,3 90,8<br />
Kreis Kleve<br />
0-15 52.295 47.286 45.320 100,0 90,4 86,7<br />
15-25 35.289 40.328 35.698 100,0 114,3 101,2<br />
25-65 166.150 167.045 173.778 100,0 100,5 104,6<br />
65 <strong>und</strong> älter 51.865 59.839 68.678 100,0 115,4 132,4<br />
Summe 305.599 314.498 323.474 100,0 102,9 105,8<br />
Kreis Wesel<br />
0-15 74.500 64.839 59.288 100,0 87,0 79,6<br />
15-25 52.954 56.947 47.227 100,0 107,5 89,2<br />
25-65 263.665 258.378 255.717 100,0 98,0 97,0<br />
65 <strong>und</strong> älter 86.362 99.292 109.927 100,0 115,0 127,3<br />
Summe 477.481 479.456 472.159 100,0 100,4 98,9<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
0-15 2.828.849 2.551.414 2.394.301 100,0 90,2 84,6<br />
15-25 2.026.822 2.151.203 1.914.228 100,0 106,1 94,4<br />
25-65 9.932.265 9.729.682 9.809.593 100,0 98,0 98,8<br />
65 <strong>und</strong> älter 3.291.750 3.641.222 3.832.146 100,0 110,6 116,4<br />
Summe 18.079.686 18.073.521 17.950.268 100,0 100,0 99,3<br />
Quelle: LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />
Die Zunahme der ausländischen Bevölkerung basierte insbesondere auf dem Anstieg der<br />
25- bis unter 65jährigen, da sie zahlenmäßig die größte Gruppe bildeten (vgl. Tab. 3). Die<br />
kleinste Altersgruppe, die sich im Rentenalter befindlichen über 65jährigen, wies in den meisten<br />
Regionen den höchsten Anstieg aller Altersgruppen auf. Die Anzahl der ausländischen<br />
Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene nahmen hingegen – mit <strong>Aus</strong>nahme des Kreises<br />
Kleve – ab, <strong>und</strong> dies teilweise stärker als ihr deutsches Pendant. Die Zunahme der 0- bis<br />
15jährigen Deutschen sind noch die „<strong>Aus</strong>läufer“ des Baby-Booms aus den 60er Jahren – die<br />
Generation der Enkel (vgl. hierzu noch mal Abb. 2). Die bemerkenswerten, größeren Verluste<br />
bei den Nachkommen der nichtdeutschen Bevölkerung in Duisburg, im Kreis Wesel als<br />
auch in Nordrhein-Westfalen dürften zum Teil durch das geänderte Staatsangehörigkeitsgesetz<br />
(StAG) erklärbar sein. Neben dem schon vorher gültigen Abstammungsprinzip, wonach<br />
ein Kind mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhält, wenn ein Elternteil deutscher<br />
Staatsbürger ist, gilt ab dem 1. Januar 2000 zusätzlich das Geburtsrecht. In Deutschland<br />
geborene Kinder ausländischer Eltern, die dauerhaft hier leben, werden automatisch<br />
deutsche Staatsbürger (vgl. § 4 StAG).<br />
44
Tab. 3: Entwicklung der ausländischen Bevölkerung von 1990 bis 2003<br />
Alter<br />
von …<br />
bis<br />
unter ...<br />
Jahren 1990 2003<br />
Anzahl Veränderung<br />
2003 zu 1990<br />
(in %)<br />
<strong>Aus</strong>länder <br />
Deutsche<br />
45<br />
Anzahl Veränderung<br />
2003 zu 1990<br />
(in %)<br />
1990 2003<br />
<strong>Aus</strong>länder <br />
Deutsche<br />
Duisburg Kreis Kleve<br />
0-15 20.367 15.672 -23,1 5,0 2.543 3.004 18,1 13,8<br />
15-25 17.440 12.843 -26,4 -20,0 2.336 2.703 15,7 -8,2<br />
25-65 38.571 49.009 27,1 -14,6 9.988 15.716 57,3 10,3<br />
65 u. ä. 1.800 5.918 228,8 13,9 2.332 2.676 14,8 33,7<br />
Summe 78.178 83.442 6,7 -7,5 17.199 24.099 40,1 11,7<br />
Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />
0-15 8.782 6.477 -26,2 5,2 392.214 341.872 -12,8 8,9<br />
15-25 6.983 5.835 -16,4 -10,0 315.891 305.350 -3,3 -15,1<br />
25-65 17.685 23.017 30,1 2,0 862.769 1.191.244 38,1 -1,3<br />
65 u. ä. 1.021 2.632 157,8 46,7 41.408 126.689 206,0 23,2<br />
Summe 34.471 37.961 10,1 7,2 1.612.282 1.965.155 21,9 2,4<br />
Quelle: LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />
Die amtliche Bevölkerungsstatistik weist hinsichtlich der Herkunft deutliche Lücken <strong>und</strong> Unschärfen<br />
auf. Ein Konzept zur Erfassung des Migrationshintergr<strong>und</strong>s wie es in Stichprobenerhebungen<br />
wie PISA erhoben wird fehlt in der amtlichen Statistik völlig. Die Zahl der <strong>Aus</strong>siedlerinnen<br />
<strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler wird unterschätzt, da sie ein Jahr nach ihrem Zuzug nicht mehr<br />
von den ansässigen Deutschen unterschieden werden. Auch die Zahl der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
von <strong>Aus</strong>länderinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>ländern wird unterschätzt, da diese durch Geburt<br />
oder Einbürgerung nun leichter die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen können. Somit<br />
bleibt das mit der Migration verb<strong>und</strong>ene Problempotential zunehmend verborgen.<br />
Zusammenfassend kann folgendes zur Bevölkerungsstruktur <strong>und</strong> -entwicklung in der Region<br />
Niederrhein gesagt werden:<br />
• In der Stadt Duisburg <strong>und</strong> im Kreis Wesel lebten Ende 2003 jeweils r<strong>und</strong> eine halbe Millionen<br />
Menschen, im Kreis Kleve r<strong>und</strong> 300.000. Als Oberzentrum des Niederrheins ist<br />
Duisburg am dichtesten besiedelt, während der Kreis Wesel als Randregion des Ruhrgebiets<br />
mehrere größere Städte umfasst <strong>und</strong> damit gegenüber dem ländlich geprägten <strong>und</strong><br />
dünn besiedelten Kreis Kleve eine höhere Einwohnerdichte aufweist. Die unterschiedliche<br />
Siedlungsstruktur wirkt sich auch auf die Qualität (Branchenstruktur) <strong>und</strong> Quantität<br />
der angebotenen Arbeitsplätze <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsstellen aus.<br />
• Beim <strong>Aus</strong>länderanteil ist ebenfalls ein Stadt-Land-Gefälle sichtbar, in Duisburg lebten<br />
Ende 2003 16,5 % Nichtdeutsche <strong>und</strong> in den Kreisen lediglich 8 %.<br />
• Ein Vergleich der Jahre 2020 <strong>und</strong> 2003 zeigt, dass Duisburg voraussichtlich etwa 9 %<br />
seiner Einwohner verlieren wird, der Bevölkerungsbestand im Kreis Wesel recht stabil<br />
bleiben wird <strong>und</strong> im Kreis Kleve als einziger Region voraussichtlich noch ein Bevölke-
ungswachstum von r<strong>und</strong> 6 % stattfinden wird. Bei den 15 bis unter 25jährigen wird es bis<br />
etwa 2010 noch einen Anstieg geben, langfristig dann aber einen Rückgang. Bis 2020<br />
wird Duisburg 13 % <strong>und</strong> der Kreis Wesel 11 % dieser Altersgruppe verlieren, während<br />
der Kreis Kleve etwa wieder das Niveau von 2003 erreicht. Bezogen auf den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />
ist daher mittelfristig (bis 2010) mit einem Anstieg der Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />
zu rechnen, der zu einer weiteren Verschlechterung der <strong>Aus</strong>bildungsmarktlage<br />
führen kann. Langfristig ist (bis 2020) aber mit einer Abnahme der Jugendlichen<br />
zu rechnen, was wiederum zu einem Mangel an Nachwuchskräften führen könnte.<br />
4 Allgemein bildende Schulen<br />
Neben der Angebotsstruktur allgemein bildender Schulen in einer Region <strong>und</strong> dem Bildungsverhalten<br />
verschiedener Schülergruppen werden auch die Entwicklungen <strong>und</strong> regionalen<br />
Unterschiede bei den Schulabschlüssen dargestellt.<br />
4.1 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
Im Herbst 2004 besuchten r<strong>und</strong> 111.000 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine allgemein bildende<br />
Schule am Niederrhein. Das Gymnasium war mit einem Drittel der Schülerschaft die größte<br />
Schulform. Da beim Gymnasium <strong>und</strong> bei der Gesamtschule auch die gymnasiale Oberstufe<br />
(Sek<strong>und</strong>arbereich II) enthalten ist, wird das Größenverhältnis zugunsten dieser Schulen verzerrt.<br />
Dieses statistische Artefakt konnte für die übrigen in Tabelle 4 aufgeführten Merkmale<br />
nicht aufgehoben werden, wird diese Merkmale aber auch nicht wesentlich beeinflussen.<br />
Wird die gymnasiale Oberstufe herausgerechnet 2 <strong>und</strong> somit nur der Sek<strong>und</strong>arbereich I betrachtet,<br />
besuchten in Duisburg nicht 12.067 (vgl. Tab. 4) sondern nur 8.704 Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler ein Gymnasium. Der Anteil der Gesamtschule als stärkster Schulform stieg damit<br />
von 32,0 % auf 34,9 % an. Nach dieser Korrektur war im Kreis Kleve nicht mehr das<br />
Gymnasium, sondern mit 34,2 % die Hauptschule die am häufigsten gewählte Schulform.<br />
2 Die Berechnungen erfolgten mit Zahlen vom Ministerium für Schule, Jugend <strong>und</strong> Kinder NRW.<br />
46
47<br />
Tab. 4: Schulen sowie Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler 1)<br />
Region <strong>und</strong><br />
Schulart<br />
Schulen<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
Anzahl Verteilung (2004, in %) 2) Veränderung<br />
Anteil der … (2004, in %)<br />
1999 2004 99 zu 04<br />
(in %)<br />
gesamt Deutsche <strong>Aus</strong>länder <strong>Aus</strong>siedler Frauen <strong>Aus</strong>länder <strong>Aus</strong>siedler<br />
Duisburg<br />
- Sonderschule 17 2.486 2.798 12,6 6,9 6,1 10,1 0,5 38,7 31,5 0,1<br />
- Hauptschule 20 6.458 6.504 0,7 16,0 12,9 26,5 24,6 43,5 35,6 2,1<br />
- Realschule 10 5.336 6.339 18,8 15,6 17,1 10,7 6,8 50,1 14,8 0,6<br />
- Gymnasium 13 11.086 12.067 8,8 29,6 34,5 12,2 28,2 54,4 8,9 1,3<br />
- Gesamtschule 13 12.449 13.053 4,9 32,0 29,5 40,6 39,9 50,3 27,2 1,7<br />
- Freie Waldorfschule - - - - - - - - - - -<br />
Gesamt 73 37.815 40.761 7,8 100,0 100,0 100,0 100,0 49,6 21,5 1,4<br />
Kreis Kleve<br />
- Sonderschule 12 1.598 1.761 10,2 6,4 6,1 13,5 3,8 34,3 9,3 1,4<br />
- Hauptschule 22 8.011 8.547 6,7 31,0 29,0 52,1 71,6 44,2 7,4 5,5<br />
- Realschule 10 5.998 7.010 16,9 25,5 26,2 14,7 16,0 53,5 2,5 1,5<br />
- Gymnasium 12 8.664 9.136 5,4 33,2 34,6 16,9 8,3 52,7 2,2 0,6<br />
- Gesamtschule 1 384 1.085 182,6 3)<br />
3,9 4,1 2,7 0,3 50,6 3,0 0,2<br />
- Freie Waldorfschule - - - - - - - - - - -<br />
Gesamt 57 24.655 27.539 11,7 100,0 100,0 100,0 100,0 49,0 4,4 2,4<br />
Kreis Wesel<br />
- Sonderschule 14 1.877 2.306 22,9 5,5 5,1 9,4 3,3 36,6 16,0 1,3<br />
- Hauptschule 19 7.052 6.842 -3,0 16,2 13,6 37,1 32,8 40,8 21,3 4,4<br />
- Realschule 14 8.966 9.877 10,2 23,4 24,8 13,1 11,8 50,1 5,2 1,1<br />
- Gymnasium 14 12.902 13.374 3,7 31,7 34,2 9,7 20,4 54,1 2,8 1,4<br />
- Gesamtschule 9 8.387 9.363 11,6 22,2 21,1 30,6 31,6 48,4 12,8 3,1<br />
- Freie Waldorfschule 1 423 467 10,4 1,1 1,2 0,1 0,0 51,2 0,6 0,0<br />
Gesamt 71 39.607 42.229 6,6 100,0 100,0 100,0 100,0 48,8 9,3 2,2<br />
NRW<br />
- Sonderschule 708 91.621 104.400 13,9 6,8 2,4 12,7 5,1 35,6 22,0 2,9<br />
- Hauptschule 733 273.471 282.990 3,5 18,4 15,8 34,4 40,4 42,8 22,1 8,5<br />
- Realschule 554 314.348 344.387 9,6 22,4 24,0 17,0 24,3 50,3 9,0 4,2<br />
- Gymnasium 627 534.620 557.038 4,2 36,2 41,9 14,7 14,0 53,9 4,8 1,5<br />
- Gesamtschule 216 211.179 230.326 9,1 15,0 14,6 21,1 16,2 49,5 16,6 4,2<br />
- Freie Waldorfschule 49 14.522 17.821 22,7 1,2 1,4 0,2 0,0 51,1 1,8 0,0<br />
Gesamt 2.887 1.439.761 1.536.962 6,8 100,0 100,0 100,0 100,0 49,9 11,8 3,9<br />
Quelle: Ministerium für Schule, Jugend <strong>und</strong> Kinder NRW; eigene Berechnungen; Stichtag: 15.10. des Jahres.
Noch Notizen zu Tabelle 4<br />
1)<br />
Öffentliche <strong>und</strong> private Schulen.<br />
2)<br />
Prozentuale Verteilung über die Schulformen ohne Berücksichtigung des Weiterbildungskollegs.<br />
3)<br />
Der enorme Anstieg der Gesamtschüler im Kreis Kleve hängt mit der erst 1997 gegründeten <strong>und</strong> bisher einzigen<br />
Gesamtschule zusammen.<br />
Im Kreis Wesel lagen die Realschule (25,7 %), die Gesamtschule (24,4 %) <strong>und</strong> das Gymnasium<br />
(24,8 %) nun etwa gleichauf. Auch in Nordrhein-Westfalen verlor das Gymnasium Anteile,<br />
blieb aber mit 28,6 % weiterhin an der Spitze. Durch Herausnahme des Sek<strong>und</strong>arbereichs<br />
II wird die unterschiedliche Bildungsbeteiligung zwischen Regionen deutlicher hervorgehoben.<br />
Im gesamten B<strong>und</strong>esland dominierte das Gymnasium, in Duisburg die Gesamtschule,<br />
im Kreis Kleve die Hauptschule <strong>und</strong> im Kreis Wesel lagen Gymnasium, Gesamtschule<br />
<strong>und</strong> Realschule gleichauf. Als Folge der ungleichen Schulangebote bzw. Verteilung der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die Schulen werden sich später zwischen den Regionen auch<br />
Unterschiede bei den Schulabschlüssen ergeben. Ob hierdurch die Jugendlichen in einer<br />
Region bei der <strong>Aus</strong>bildungsplatzsuche benachteiligt werden, wird nur schwer nachzuprüfen<br />
sein. Als gesichert gilt, dass Regionen, die nur wenige Studienberechtigte in allgemein bildenden<br />
Schulen hervorbringen, letztlich auch weniger Studienanfänger aufweisen, da berufsbildende<br />
Schulen oder Kollegschulen diese Lücke über den zweiten Bildungsweg nicht<br />
mehr ausgleichen können.<br />
Wie die zurückliegende Entwicklung der Jahre 1999 bis 2004 zeigt, hat in allen Regionen die<br />
Zahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zugenommen (vgl. Tab. 4). Die geringsten Zuwachsraten<br />
wiesen die Hauptschulen <strong>und</strong> die Gymnasien auf, während die Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />
überdurchschnittlich profitierten. Bedenklich ist der überaus starke Anstieg der Schülerzahlen<br />
an den Sonderschulen, dessen Ursachen näher untersucht werden müssten.<br />
Der Frauenanteil in der Schülerschaft lag 2004 in allen Regionen knapp bei der Hälfte. In der<br />
Gesamtbevölkerung lag der Anteil leicht höher, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass<br />
Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer. Die geschlechtsspezifische Analyse<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nach Schulformen zeigt, dass sich der Anteil der Schülerinnen<br />
mit steigendem Bildungsniveau der Schulform deutlich erhöhte (vgl. Tab. 4). Zum Beispiel<br />
waren Mädchen in Nordrhein-Westfalen nur zu etwa einem Drittel an Sonderschulen,<br />
dafür aber zu über der Hälfte an Gymnasien vertreten – entsprechend umgekehrt sah es bei<br />
den Jungen aus. Demnach sollten die Mädchen bessere Chancen auf dem dualen <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />
haben als Jungen. Ein Blick in die Tabellen 11 <strong>und</strong> 3 zeigt jedoch, dass weibliche<br />
<strong>Aus</strong>zubildende bzw. Berufsschülerinnen unterrepräsentiert sind. Zu untersuchen wäre<br />
hier, ob Mädchen andere, höher qualifizierende <strong>Aus</strong>bildungswege einer dualen Berufsausbildung<br />
vorziehen.<br />
48
<strong>Aus</strong>ländische Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler waren in Nordrhein-Westfalen zu 11,8 % an allgemein<br />
bildenden Schulen vertreten (vgl. Tab. 4). Am Niederrhein ergaben sich deutliche regionale<br />
Unterschiede: Im Kreis Kleve waren nur 4,4 %, im Kreis Wesel 9,3 % <strong>und</strong> in der Stadt<br />
Duisburg gar 21,5 % der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ausländischer Herkunft. Bezogen auf die<br />
Schulform wiesen die höchsten <strong>Aus</strong>länderanteile Hauptschulen, Sonderschulen sowie Gesamtschulen<br />
auf.<br />
Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus <strong>Aus</strong>siedlerfamilien machten in Nordrhein-Westfalen 3,9 %<br />
aus, in den niederrheinischen Regionen lagen die Anteile etwas niedriger (vgl. Tab. 4). Die<br />
Schulform mit dem höchsten Anteil an <strong>Aus</strong>siedlern war die Hauptschule. Allein in Duisburg<br />
ergab sich eine relative Gleichverteilung über Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschule sowie Gymnasium.<br />
Die Verteilung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die einzelnen Schulformen zeigt deutliche<br />
Unterschiede im Bildungsverhalten der drei hier dargestellten Bevölkerungsgruppen. Bei den<br />
deutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern in Nordrhein-Westfalen dominierte mit 41,9 % das<br />
Gymnasium, während <strong>Aus</strong>länder (34,4 %) <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler (40,4 %) am häufigsten die Hauptschule<br />
besuchten (vgl. Tab. 4). Auffällig ist zudem der hohe Prozentsatz an ausländischen<br />
Jugendlichen, die eine Sonderschule besuchten.<br />
4.2 Schulabschlüsse<br />
Der Schulabschluss, mit dem die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die allgemein bildenden Schulen<br />
verlassen, ist ein zentrales Bindeglied zwischen Schul- <strong>und</strong> Beschäftigungssystem <strong>und</strong> damit<br />
ein wichtiger Baustein für die weitere berufliche Zukunft. Wie sich aus Abbildung 3 ergibt,<br />
haben sich die einzelnen Schulabschlüsse am Niederrhein von 1995 bis 2004 recht gleichmäßig<br />
entwickelt. Lediglich die Anzahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Fachhochschulreife<br />
war in den Jahren 2000 <strong>und</strong> 2001 sprunghaft angestiegen, um später aber wieder zu sinken.<br />
Dabei verlief die Entwicklung der Schulabschlüsse in den Regionen sehr unterschiedlich (vgl.<br />
Tab. 5).<br />
Ein regionaler Vergleich der Schulabschlüsse im Jahr 2004 zeigt, dass der Anteil der Absolventinnen<br />
<strong>und</strong> Absolventen mit Hochschulreife in allen drei niederrheinischen Regionen niedriger<br />
lag als der Landeswert (vgl. Tab. 5). Werden die Abschlüsse Fachhochschul- <strong>und</strong><br />
Hochschulreife zusammengefasst lag deren Anteil in Nordrhein-Westfalen bei 28,9 %, in<br />
Duisburg bei 27,1 %, im Kreis Wesel bei 24,4 % <strong>und</strong> im Kreis Kleve bei 19,2 %. Umgekehrt<br />
lag der Anteil Jugendlicher mit oder ohne Hauptschulabschluss <strong>und</strong> damit einem höheren<br />
Risikopotential für die berufliche Zukunft in Nordrhein-Westfalen bei 30,0 %, im Kreis Wesel<br />
bei 31,6 %, in Duisburg <strong>und</strong> im Kreis Kleve bei 36,3 %. Die unterschiedlichen Werte sind<br />
dabei nicht allein auf Problemlagen bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern zurückzuführen, die<br />
beispielsweise durch einen hohen <strong>Aus</strong>länder-/Migrantenanteil <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>enen<br />
49
Sprach- <strong>und</strong> Lernschwierigkeiten hervorgerufen werden. Duisburg wäre hier ein hervorstechendes<br />
Beispiel mit einem hohen Anteil (21,5 %) an ausländischen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern.<br />
Auch das regionale Angebot an Schulformen ist dafür verantwortlich, wie viele Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler eine Hochschulzugangsberechtigung erhalten können. Dies belegen die<br />
besonders niedrigen Werte des Kreises Kleve, der andererseits den niedrigsten <strong>Aus</strong>länderanteil<br />
aufweist, aber nur relativ wenige Studienberechtigte aus dem Schulsystem entlässt.<br />
Die Schulstruktur im Kreis Kleve (vergleichsweise hoher Bestand an Hauptschulen) ist allerdings<br />
nicht untypisch für einen ländlich geprägten Verwaltungsbezirk.<br />
Abb. 3: Entwicklung der Schulabschlüsse am Niederrhein<br />
250 %<br />
200 %<br />
150 %<br />
100 %<br />
50 %<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Quelle: LDS NRW; Stichtag: 15.10.; eigene Darstellung.<br />
Ohne<br />
Hauptschulabschluss<br />
Hauptschulabschluss<br />
Realschulabschluss<br />
Fachhochschulreife<br />
Hochschulreife<br />
Gesamt<br />
Tabelle 5 ermöglicht einen Vergleich der Anteile einzelner Schulabschlüsse zwischen den<br />
Jahren 1995 <strong>und</strong> 2004. In Duisburg nahmen die Absolventen ohne <strong>und</strong> mit Hauptschulabschluss<br />
von 39,9 % auf 34,0 % ab, während sich der mittlere (36,7 % auf 40,8 %) sowie die<br />
höheren Abschlüsse (23,3 % auf 25,2 %) verbesserten. Im Kreis Kleve blieben die unteren<br />
Abschlüsse konstant (34,5 % auf 34,4 %), der mittlere legte zu (42,5 % auf 45,8 %) <strong>und</strong> die<br />
höheren nahmen wiederum ab (23,0 % auf 19,7 %). Im Kreis Wesel nahmen die unteren<br />
Abschlüsse ab (31,7 % auf 30,3 %), der mittlere legte zu (42,4 % auf 45,3 %) <strong>und</strong> die Studienzugangsberechtigungen<br />
nahmen ab (25,9 % auf 24,4 %). In Nordrhein-Westfalen blieben<br />
die unteren (29,6 % auf 29,3 %) <strong>und</strong> höheren (29,6 % auf 29,1 %) Bildungsabschlüsse<br />
konstant, der Realschulabschluss stieg unmerklich von 40,8 % auf 41,6 % an. Zusammenfassend<br />
ist zu konstatieren, dass insbesondere der mittlere Abschluss gestärkt wurde. Da die<br />
Hochschulzugangsberechtigungen in den beiden Kreisen an Bedeutung verloren haben,<br />
dürfte sich dadurch die Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen erhöht haben. Erschreckend ist<br />
jedoch, dass – mit <strong>Aus</strong>nahme Duisburgs – die Schulabsolventinnen <strong>und</strong> Schulabsolventen<br />
ohne einen Schulabschluss seit 1995 zugenommen haben <strong>und</strong> andererseits die Studienbe-<br />
rechtigten abnehmen. Unter der Annahme eines weiterhin steigenden Qualifikationsbedarfs<br />
50
der Wirtschaft, wie dies in Bedarfsprognosen unterstellt wird (vgl. BLK 2002), <strong>und</strong> eines langfristigen<br />
Rückgangs von Nachwuchskräften, wie dies die Bevölkerungsprognosen voraussagen,<br />
öffnet sich die Schere zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage um so stärker, wenn die<br />
Schulabgänger nicht die von der Wirtschaft geforderten Qualifikationen mitbringen. Die beruflichen<br />
Schulen sollten daher versuchen, die nicht erreichten Schulabschlüsse über den<br />
zweiten Bildungsweg zu vermitteln. Zudem sollten Maßnahmen zur Förderung der Erlangung<br />
der Hochschulreife ergriffen werden, um den Hochtechnologiestandort Deutschland nicht zu<br />
gefährden. Nicht nur die hier abgebildeten Zahlen belegen eine Umkehr von der Bildungsexpansion,<br />
auch der Vergleich verschiedener Altersgruppen widerlegt mittlerweile die Annahme,<br />
dass besser qualifizierte jüngere Generationen an die Stelle schlechter qualifizierter älterer<br />
treten werden (vgl. Rheinberg/Hummel 2002, S. 594).<br />
Tab. 5: Struktur <strong>und</strong> Entwicklung der Schulabschlüsse<br />
1, 2)<br />
Schulabschlüsse<br />
Duisburg Kreis Kleve<br />
absolut in % Veränd. absolut in % Veränd.<br />
2004 1995 2004 ´95-´04 2004 1995 2004 ´95-´04<br />
Ohne HS-Abschluss 478 10,1 8,9 -0,4 245 5,8 6,7 52,2<br />
Hauptschulabschluss 1.344 29,8 25,1 -5,3 1.013 28,7 27,7 26,2<br />
Realschulabschluss 2.185 36,7 40,8 25,1 1.675 42,5 45,8 40,9<br />
Fachhochschulreife 151 2,3 2,8 39,8 58 1,1 1,6 93,3<br />
Hochschulreife 1.200 21,1 22,4 19,9 663 22,0 18,1 8,0<br />
Sonstiger Abschluss 3)<br />
- - - - - - - -<br />
Gesamt 5.358 100,0 100,0 12,7 3.654 100,0 100,0 30,6<br />
1, 2)<br />
Schulabschlüsse<br />
Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />
absolut in % Veränd. absolut in % Veränd.<br />
2004 1995 2004 ´95-´04 2004 1995 2004 ´95-´04<br />
Ohne HS-Abschluss 367 5,8 6,3 36,4 14.408 6,0 6,9 35,6<br />
Hauptschulabschluss 1.405 25,9 24,0 16,5 46.511 23,6 22,4 11,0<br />
Realschulabschluss 2.646 42,4 45,3 33,9 86.601 40,8 41,6 19,4<br />
Fachhochschulreife 144 1,9 2,5 60,0 6.735 2,2 3,2 72,3<br />
Hochschulreife 1.282 24,0 21,9 14,6 53.733 27,4 25,8 10,1<br />
Sonstiger Abschluss 3)<br />
- - - - - - - -<br />
Gesamt 5.844 100,0 100,0 25,4 207.988 100,0 100,0 17,0<br />
Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik; eigene Berechnungen.<br />
1)<br />
an öffentlichen <strong>und</strong> privaten Schulen (Sonder-, Haupt-, Real-, Gesamtschule, Gymnasium, Freie<br />
Waldorfschule <strong>und</strong> Schulen der allgemeinen Fortbildung/Weiterbildungskolleg).<br />
2)<br />
am Ende des Schuljahres.<br />
3)<br />
Schulabgängerinnen <strong>und</strong> -abgänger aus dem berufsbildenden Bereich der freien Waldorfschulen<br />
bzw. Abendrealschulen.<br />
Tabelle 5 ergänzend sind in Tabelle 6 die Schulabschlüsse für die drei Gruppen Deutsche,<br />
Nichtdeutsche <strong>und</strong> Frauen dargestellt. Das unterschiedliche Bildungsverhalten von deutschen<br />
<strong>und</strong> nichtdeutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern zeigt sich nicht nur beim Besuch der<br />
Schularten, sondern auch im Bildungserfolg – gemessen am Schulabschluss. In allen untersuchten<br />
Regionen zeigte sich, dass ausländische Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ihre Schulausbildung<br />
mit vergleichsweise deutlich niedrigeren Abschlüssen beendeten.<br />
51
Auch zwischen den Geschlechtern bestanden deutliche Unterschiede, sowohl bei deutschen<br />
als auch nichtdeutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern. Die Mädchen schnitten hinsichtlich der<br />
Bildungsabschlüsse deutlich besser ab als die (hier nicht dargestellten) Jungen (vgl. Tab. 6).<br />
Im Kreis Kleve kam es unter den weiblichen <strong>und</strong> männlichen Nichtdeutschen zu „von der<br />
Norm“ abweichenden Ergebnissen, was aber auf die sehr kleine Population von 76 männlichen<br />
<strong>und</strong> 74 weiblichen ausländischen Schülern zurückzuführen sein dürfte.<br />
Tab. 6: Schulabschlüsse bei Deutschen, <strong>Aus</strong>ländern <strong>und</strong> Frauen (2004)<br />
1, 2)<br />
Schulabschlüsse<br />
Duisburg Kreis Kleve<br />
Deutsche Nichtdeutsche Deutsche Nichtdeutsche<br />
gesamt weibl. gesamt weibl. gesamt weibl. gesamt weibl.<br />
Ohne HS-Abschluss 7,9 6,2 12,8 10,4 6,3 4,1 16,0 12,2<br />
Hauptschulabschluss 22,2 20,1 36,0 33,1 26,8 23,9 49,3 55,4<br />
Realschulabschluss 41,8 42,6 36,8 38,8 46,5 49,1 29,3 31,1<br />
Fachhochschulreife 2,9 3,5 2,6 2,5 1,7 1,6 0,0 0,0<br />
Hochschulreife 25,2 27,7 11,9 15,2 18,7 21,2 5,3 1,4<br />
Sonstiger Abschluss 3)<br />
0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0<br />
Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
1, 2)<br />
Schulabschlüsse<br />
Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />
Deutsche Nichtdeutsche Deutsche Nichtdeutsche<br />
gesamt weibl. gesamt weibl. gesamt weibl. gesamt weibl.<br />
Ohne HS-Abschluss 6,0 3,7 8,5 6,7 6,0 4,4 13,9 10,8<br />
Hauptschulabschluss 21,6 18,5 45,6 43,8 20,5 17,1 35,9 33,6<br />
Realschulabschluss 46,2 46,6 37,2 37,8 42,4 43,3 36,4 39,7<br />
Fachhochschulreife 2,6 2,4 1,4 1,7 3,3 3,5 2,9 3,3<br />
Hochschulreife 23,6 28,7 7,3 10,0 27,9 31,7 10,9 12,6<br />
Sonstiger Abschluss 3)<br />
0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0<br />
Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik; eigene Berechnungen.<br />
1)<br />
an öffentlichen <strong>und</strong> privaten Schulen (Sonder-, Haupt-, Real-, Gesamtschule, Gymnasium, Freie<br />
Waldorfschule <strong>und</strong> Schulen der allgemeinen Fortbildung/Weiterbildungskolleg).<br />
2)<br />
am Ende des Schuljahres.<br />
3)<br />
Schulabgängerinnen <strong>und</strong> -abgänger aus dem berufsbildenden Bereich der freien Waldorfschulen<br />
bzw. Abendrealschulen.<br />
Zusammenfassend kann über das allgemein bildende Schulwesen folgendes gesagt werden:<br />
• Der Anteil der weiblichen Schüler erhöht sich mit steigendem Bildungsniveau; auf Gymnasien<br />
liegt der Frauenanteil bei über der Hälfte. Trotz dieser guten <strong>Aus</strong>gangssituation<br />
sind die Mädchen bei der Berufsausbildung unterrepräsentiert. Auch zwischen den Bevölkerungsgruppen<br />
bestanden große Unterschiede im Bildungsverhalten. Die am häufigsten<br />
besuchte Schulform in Nordrhein-Westfalen war bei deutschen Schülern das<br />
Gymnasium (42 %), bei <strong>Aus</strong>ländern (34 %) sowie <strong>Aus</strong>siedlern (40 %) die Hauptschule,<br />
so dass <strong>Aus</strong>länder <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler dadurch schon eine schlechtere <strong>Aus</strong>gangslage aufweisen.<br />
Bei den Schulabschlüssen setzten sich diese Tendenzen fort.<br />
52
• Die von den meisten Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern besuchte Schulform war 2004 im Sek<strong>und</strong>arbereich<br />
I die Gesamtschule für Duisburg, die Hauptschule für den Kreis Kleve <strong>und</strong><br />
– mit jeweils einem Viertel gleichauf – die Realschule, das Gymnasium <strong>und</strong> die Gesamtschule<br />
für den Kreis Wesel. Das Erreichen bestimmter Schulabschlüsse ist neben der<br />
Zusammensetzung der Schülerpopulation (z. B. hoher Anteil an Migranten bzw. <strong>Aus</strong>ländern<br />
wie in Duisburg mit 21,5 %, im Gegensatz dazu im Kreis Kleve nur 4,4 %) auch von<br />
dem in der Region vorhandenen Angebot an Schulen abhängig. So lag der Anteil der<br />
Studienberechtigten im Kreis Kleve niedriger als bspw. im Kreis Wesel. Insgesamt war<br />
das Bildungsniveau am Niederrhein niedriger als im Landesdurchschnitt.<br />
• Die Entwicklung der Schulabschlüsse macht deutlich, dass die Zeiten der Bildungsexpansion<br />
offensichtlich vorbei sind. Schulabsolventen ohne oder mit Hauptschulabschluss<br />
nehmen zu <strong>und</strong> Studienberechtigte nehmen ab, allerdings wurde auch der Realschulabschluss<br />
gestärkt. Dies dürfte mittelfristig dazu führen, dass neben den steigenden Absolventenzahlen<br />
der Nachfragedruck im Dualen System weiter steigen wird. Langfristig werden<br />
aber aufgr<strong>und</strong> der dann wieder sinkenden Absolventenzahlen Nachwuchsprobleme<br />
entstehen, die qualitativ dadurch verschärft werden, dass Angebot <strong>und</strong> Bedarf an Schulabschlüssen<br />
nicht übereinstimmen.<br />
5 Arbeitsmarkt<br />
Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind von entscheidender Bedeutung für den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt,<br />
wobei die zwei „Märkte“ nur in analytischer Hinsicht voneinander getrennt werden<br />
können. Der Arbeitsmarkt wird klassisch in eine Angebotsseite (Arbeitnehmer) <strong>und</strong> eine<br />
Nachfrageseite (Betriebe bzw. Arbeitgeber) unterteilt. Abbildung 4 stellt das Erwerbspersonenpotenzial,<br />
unterteilt nach verschiedenen Personengruppen, der Arbeitskräftenachfrage<br />
gegenüber, die hier in Form von Arbeitsstellen dargestellt ist.<br />
Bei den abhängig Beschäftigten sowie den Selbstständigen <strong>und</strong> mithelfenden Familienangehörigen<br />
sind Angebot <strong>und</strong> Nachfrage quasi übereingekommen – diese Personen sind erwerbstätig,<br />
sie besetzen eine Stelle. Die größte Gruppe der Erwerbstätigen sind die sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten, zu denen die amtliche Statistik eine Vielzahl von Daten<br />
liefert. Insofern ist eine Analyse dieser Personengruppe hinsichtlich ihrer Struktur <strong>und</strong> der<br />
sich im Laufe der Zeit vollziehenden Entwicklungen relativ unproblematisch möglich. Eine<br />
ähnlich gute Datenlage existiert bei den Arbeitslosen, die einen Teil des nicht realisierten<br />
Arbeitskräfteangebots repräsentieren.<br />
Für die restlichen Personengruppen <strong>und</strong> die den Agenturen für Arbeit nicht gemeldeten Stellen<br />
liegen hingegen kaum bzw. keine im Arbeitsprozess der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit oder<br />
anderer Institutionen erstellten Daten vor. Hier müsste auf amtliche oder sozialwissenschaft-<br />
53
liche Stichprobenerhebungen, wie bspw. dem Mikrozensus, ausgewichen werden, mit denen<br />
vielfältige, aktuelle Bereiche des Arbeitslebens erforscht werden können. Da mit Stichprobenerhebungen,<br />
im Gegensatz zu Vollerhebungen, aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung<br />
befragt wird, lassen sich die Ergebnisse i. d. R. kaum für kleinräumige Regionalanalysen<br />
nutzen, da sie in diesem Falle mit zu hohen Ungenauigkeiten belastet wären. <strong>Aus</strong> diesen<br />
Gründen beschränken sich die Analysen in den folgenden Abschnitten auf die sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten <strong>und</strong> die Arbeitslosen.<br />
Abb. 4: Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt<br />
den Arbeitsagenturen<br />
nicht<br />
gemeldet<br />
gemeldet<br />
nicht realisiert<br />
(unbesetzte Stellen)<br />
Sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigte<br />
Arbeits(kräfte)angebot, Erwerbs(personen)potenzial<br />
realisiert<br />
(Erwerbstätige)<br />
Erwerbspersonenangebot<br />
Abhängig Beschäftigte<br />
Geringfügig/<br />
sozialversicherungsfreie<br />
Beschäftigte<br />
54<br />
Beamte,<br />
Richter,<br />
Soldaten<br />
realisiert<br />
(besetzte Stellen)<br />
Arbeits(kräfte)nachfrage<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit; eigene Darstellung.<br />
Selbstständige<br />
<strong>und</strong><br />
mithelfende<br />
Familienangehörige<br />
nicht realisiert<br />
(Beschäftigungslose)<br />
Arbeits-<br />
lose<br />
Stille<br />
Reserve 1<br />
1 „Nicht erwerbstätige Personen, die Arbeit suchen, ohne bei den Arbeitsämtern als Arbeitslose registriert<br />
zu sein, oder die bei aufnahmefähigerem Arbeitsmarkt ihre Arbeitskraft anbieten würden (Stille<br />
Reserve insgesamt). Z.T. handelt es sich bei der Stillen Reserve um beschäftigungslose Personen<br />
in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, als insbesondere in Vollzeitmaßnahmen beruflicher Weiterbildung<br />
(einschl. zur beruflichen Wiedereingliederung Behinderter <strong>und</strong> Deutsch-Sprachkursen) <strong>und</strong><br />
im Vorruhestand oder ähnlichen Maßnahmen. Bereinigt man die Stille Reserve insgesamt um diese<br />
beschäftigungslosen Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, gelangt man zur (traditionellen)<br />
Stillen Reserve i.e.S.“ (BA 2005)<br />
5.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />
Im Folgenden werden die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als Ganzes sowie auch<br />
bestimmte Subgruppen (bspw. Frauen, <strong>Aus</strong>länder <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>zubildende) anhand verschiedener<br />
Merkmale untersucht. Betrachtet werden die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />
am Arbeitsort (also inklusive der Einpendler), da diese im Gegensatz zu den sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten am Wohnort, einen Einblick in die Wirtschaftsstruktur der jeweiligen<br />
Region erlauben.
• Entwicklung der Beschäftigten<br />
Die Entwicklung der Beschäftigten verlief in den untersuchten Regionen sehr unterschiedlich,<br />
auch wenn sie einer übergeordneten Bewegung zu folgen scheint (vgl. Abb. 5). Im Kreis Kleve<br />
verlief die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort bisher<br />
am positivsten, letztlich ergab sich ein positiver Saldo von +8,8 %, was sicherlich auch mit<br />
dem starken Bevölkerungszuzug in diese Region zu tun hat. Für die übrigen Regionen ergab<br />
sich ein negativer Saldo. Am stärksten betroffen war Duisburg, das Anfang bis Mitte der 90er<br />
Jahre große Verluste bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen hinnehmen<br />
musste. Diese Entwicklungen dürften sich ähnlich auch bei dem Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />
wieder finden.<br />
Abb. 5: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort<br />
Anzahl Veränderung<br />
120 %<br />
120 %<br />
2004 1990-2004<br />
absolut in %<br />
110 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
1990<br />
1992<br />
1994<br />
1996<br />
1998<br />
2000<br />
2002<br />
2004<br />
110 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
55<br />
Duisburg 154.292 -31.130 -16,8<br />
Kreis<br />
Kleve 74.481 6.001 8,8<br />
Kreis<br />
Wesel 113.171 -2.144 -1,9<br />
Niederrhein<br />
341.944 -27.273 -7,4<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen 5.631.485 -248.729 -4,2<br />
Quelle: LDS NRW; B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; eigene Berechnungen (Stichtag: 30.06.).<br />
• Ein <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>pendler<br />
Wie die Pendlerbewegungen zeigen, fallen Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsort bei den sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten oftmals auseinander (vgl. Tab. 7). Die Hälfte aller in Nordrhein-<br />
Westfalen wohnenden Beschäftigten musste im Jahr 2002 pendeln. In Duisburg waren es<br />
nur 40,9 %, im Kreis Kleve aber 60,2 % <strong>und</strong> im Kreis Wesel sogar 68,2 %. Nach einer Analyse<br />
von Schrumpf <strong>und</strong> Budde (1999, S. 14) mit Daten aus dem Jahre 1994 waren die drei<br />
wichtigsten Arbeitsorte für Beschäftigte aus:<br />
• Duisburg Düsseldorf, Kreis Wesel <strong>und</strong> Mühlheim,<br />
• dem Kreis Kleve Kreis Wesel, Krefeld <strong>und</strong> Duisburg <strong>und</strong><br />
• dem Kreis Wesel Duisburg, Krefeld <strong>und</strong> Düsseldorf.<br />
Zwischen den drei niederrheinischen Regionen bestand somit ein enges wirtschaftliches<br />
Geflecht, wobei Duisburg insofern eine zentrale Position innehatte, als es jeweils unter den
wichtigsten drei Arbeitsorten für Beschäftigte aus den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel aufgeführt<br />
ist. Wie sich die Pendlersituation für die <strong>Aus</strong>zubildenden darstellt kann anhand der vorliegenden<br />
Daten zwar nicht geklärt werden. Zu vermuten ist jedoch, dass in Regionen, in denen<br />
viele Beschäftigte auswärts arbeiten, dies auch für die <strong>Aus</strong>zubildenden gilt. <strong>Aus</strong>zubildende<br />
unter 18 Jahren bzw. ohne Führerschein oder ohne eigenes motorisiertes Fahrzeug<br />
sind daher auf einen gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Insgesamt<br />
werden Ihnen aber weniger Berufsmöglichkeiten offen stehen, als Jugendlichen in Regionen<br />
mit einer guten Wirtschaftsstruktur oder mit eigener Fahrmöglichkeit.<br />
Neben dem Pendlersaldo weist auch die Arbeitsmarktzentralität (AMZ) darauf hin, dass es in<br />
Duisburg mehr Einpendler gab, während in den beiden Kreisen die <strong>Aus</strong>pendler überwogen<br />
<strong>und</strong> zwar in ähnlich er Höhe (vgl. Tab. 7).<br />
Tab. 7: Ein- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>pendler nach Geschlecht am 30.06.2002<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />
am Arbeitsort am Wohnort<br />
Pendler-<br />
gesamt darunter gesamt darunter <strong>Aus</strong>pendsaldo Einpendler<br />
<strong>Aus</strong>pendler ler (in %)<br />
Duisburg 155.894 65.267 153.387 62.760 40,9 2.507 104,0<br />
Kreis Kleve 76.353 40.332 90.449 54.428 60,2 -14.096 74,1<br />
Kreis Wesel 118.663 71.767 147.532 100.636 68,2 -28.869 71,3<br />
NRW 5.889.812 2.986.323 5.785.552 2.882.063 49,8 104.260 103,6<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; eigene Berechnungen.<br />
Notiz: Die Arbeitsmarktzentralität (AMZ) ist ein Maß zur Beschreibung des Verhältnisses von Ein<strong>und</strong><br />
<strong>Aus</strong>pendlern: AMZ = (Einpendler / <strong>Aus</strong>pendler) * 100.<br />
• Die Branchenstruktur<br />
Eine Übersicht über die Branchenstrukturen in den darzustellenden Regionen gibt Tabelle 14<br />
im Anhang. In Nordrhein-Westfalen waren Mitte 2002 etwa zwei Drittel im tertiären Sektor<br />
(Dienstleistungen), etwa ein Drittel im sek<strong>und</strong>ären Sektor (Produzierendes Gewerbe) <strong>und</strong><br />
r<strong>und</strong> 1 % primären Sektor (Agrarbereich) beschäftigt. Innerhalb des sek<strong>und</strong>ären Sektors waren<br />
der ehemals für Nordrhein-Westfalen bedeutsame Bergbau sowie die Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung<br />
mit r<strong>und</strong> 1 % vertreten. Einen gewichtigeren Anteil an Beschäftigten hatten<br />
das Baugewerbe mit 5,9 % sowie die beiden zum Verarbeitenden Gewerbe zählenden Branchen<br />
Metallerzeugung <strong>und</strong> -bearbeitung (6,5 %) <strong>und</strong> Maschinenbau (4,0 %). Innerhalb des<br />
tertiären Sektors waren die größten Wirtschaftszweige der Handel, das Ges<strong>und</strong>heits-, Veterinär-<br />
<strong>und</strong> Sozialwesen sowie die Dienstleistungen für Unternehmen (jeweils über 10 %).<br />
Weiterhin bedeutsam waren die Bereiche öffentliche Verwaltung, Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung<br />
sowie Erbringung öffentlicher <strong>und</strong> privater Dienstleistungen (mit jeweils etwa<br />
5 %).<br />
Die Struktur ist in den drei niederrheinischen Regionen ähnlich, so dass folgend nur auf „pro-<br />
filbildende“ Abweichungen eingegangen wird. So ist die Stadt Duisburg ein bedeutendes<br />
56<br />
AMZ
Zentrum der Stahlindustrie, was an dem weit über dem Landesdurchschnitt liegenden Beschäftigtenanteil<br />
dieser Branche abzulesen ist (15,4 %; vgl. Tab. 14 im Anhang). Zudem gilt<br />
der Duisburger Hafen als größter Binnenhafen Europas, was sich positiv auf den übrigen<br />
Logistikbereich ausgewirkt haben dürfte, da auch die Verkehrssparte Mitte 2002 mit 9,4 %<br />
überdurchschnittlich viele Beschäftigte aufwies. Der Kohlenbergbau war mit etwa 2,3 % noch<br />
überdurchschnittlich stark vertreten.<br />
Im Kreis Wesel war der sek<strong>und</strong>äre Sektor stärker ausgeprägt, als in den beiden anderen<br />
Regionen, was auf den vergleichsweise sehr hohen Beschäftigtenanteil im Kohlenbergbau<br />
(6,7 %), bei der Gewinnung von Steinen <strong>und</strong> Erden (0,9 %) <strong>und</strong> im Baugewerbe (8,6 %) zurückzuführen<br />
ist (vgl. Tab. 14 im Anhang). Das Verarbeitende Gewerbe <strong>und</strong> die meisten darunter<br />
zusammengefassten Branchen waren hingegen unterdurchschnittlich ausgeprägt, mit<br />
<strong>Aus</strong>nahme der beiden Bereiche „Herstellung von Büromaschinen etc.“ (4,8 %) <strong>und</strong> „Glasgewerbe,<br />
Keramik, Verarbeitung von Steinen <strong>und</strong> Erden“ (1,6 %). Der Dienstleistungssektor<br />
war dagegen schwächer ausgebildet, wobei eine größere negative Abweichung nur bei den<br />
Dienstleistungen für Unternehmen zu beobachten war.<br />
Im Kreis Kleve ist der Agrarbereich mit 4,1 % vergleichsweise stark ausgeprägt, während<br />
das Produzierende Gewerbe durchschnittlich <strong>und</strong> der Dienstleistungssektor etwas unterdurchschnittlich<br />
vertreten waren. Kohle wird im Kreis Kleve nicht gefördert. Ansonsten arbeiteten<br />
vergleichsweise viele Beschäftigte aus dem Produzierenden Gewerbe in den Bereichen<br />
Bau (9,5 %), Ernährung (6,3 %) <strong>und</strong> Textil- <strong>und</strong> Bekleidungsgewerbe (1,8 %). Im Bereich<br />
der Dienstleistungen gab es überdurchschnittlich viele Beschäftigte im Ges<strong>und</strong>heits-,<br />
Veterinär- <strong>und</strong> Sozialwesen (14,7 %), aber – ähnlich wie im Kreis Wesel – vergleichsweise<br />
wenige innerhalb der Dienstleistungen für Unternehmen (vgl. Tab. 14 im Anhang).<br />
Die Veränderungen in den einzelnen Branchen sind in Tabelle 15 im Anhang gegenübergestellt.<br />
Verglichen mit dem Jahr 1998 hatten die Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen bis zum<br />
Jahr 2002 um 2,7 % zugenommen. Dabei wuchsen der Dienstleistungsbereich um 10,5 %<br />
<strong>und</strong> der nur noch marginal vorkommende Agrarbereich um 7,2 %, während das Produzierende<br />
Gewerbe 9,3 % seiner Beschäftigten verlor. Die stärksten Beschäftigtenverluste erlitten<br />
insbesondere der Bergbau, die Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung sowie das zahlenmäßig<br />
gewichtigere Baugewerbe. Die drei Branchen mit den höchsten Zuwächsen in Nordrhein-<br />
Westfalen waren der Bereich Dienstleistungen für Unternehmen sowie die beiden kleineren<br />
Wirtschaftszweige Gastgewerbe als auch Erziehung <strong>und</strong> Unterricht. Für die Veränderungen<br />
in den drei niederrheinischen Regionen sei auf die Tabelle 15 verwiesen.<br />
Der Anteil der weiblichen Beschäftigten lag im Jahre 2002 in Nordrhein-Westfalen insgesamt<br />
bei 42,8 %, die sich jedoch auf die Branchen sehr unterschiedlich verteilten (vgl. Tab. 15 im<br />
Anhang). So waren in der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft (24,7 %) <strong>und</strong> im Produzierenden Ge-<br />
57
werbe (21,3 %) weit weniger Frauen beschäftigt als im Dienstleistungsbereich (54,6 %). Diese<br />
geschlechtsspezifischen Unterschiede zeigen sich auch bei der Besetzung der <strong>Aus</strong>bildungsstellen.<br />
Der Anteil der ausländischen Beschäftigten lag in Nordrhein-Westfalen bei 8,3 % (vgl. Tab.<br />
15 im Anhang). Die Branchen mit den höchsten Anteilen waren das Gastgewerbe, die Metallerzeugung<br />
<strong>und</strong> -verarbeitung sowie die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft – in den niederrheinischen<br />
Regionen gehörte auch der Bergbau dazu. Die wenigsten <strong>Aus</strong>länderinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder<br />
fanden sich in der Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung, dem Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe<br />
sowie der öffentlichen Verwaltung.<br />
• Die <strong>Aus</strong>bildungsleistung der Branchen<br />
Die <strong>Aus</strong>bildungsleistungen der Wirtschaft waren in den einzelnen Branchen <strong>und</strong> den Regionen<br />
recht unterschiedlich, wie aus Tabelle 16 im Anhang hervorgeht. Der Anteil der <strong>Aus</strong>zubildenden<br />
an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betrug am 30. Juni 2002 in<br />
Duisburg 5,2 % <strong>und</strong> im Kreis Kleve 7,0 %. Die höchsten <strong>Aus</strong>zubildendenanteile hatten in fast<br />
allen Regionen das Baugewerbe, die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, das Gastgewerbe sowie die<br />
öffentlichen <strong>und</strong> privaten Dienstleistungen. Der Agrarbereich <strong>und</strong> das Gastgewerbe waren in<br />
absoluten Zahlen besehen allerdings nur kleine Branchen, so dass deren <strong>Aus</strong>bildungsleistung<br />
nicht stark ins Gewicht fiel. Die niedrigsten <strong>Aus</strong>zubildendenanteile waren im Bergbau<br />
<strong>und</strong> im Bereich Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung zu finden.<br />
Die <strong>Aus</strong>bildungsleistung der Betriebe einer Branche allein anhand der <strong>Aus</strong>bildungsquote zu<br />
beurteilen, ist sicherlich nicht ausreichend, da viele weitere Faktoren die <strong>Aus</strong>bildungsleistung<br />
beeinflussen. Neben dem langfristig wirkenden Strukturwandel (z. B. im Bergbau) sowie dem<br />
Wirtschaftwachstum, die die Einstellungspraxis der Betriebe beeinflussen, spielt die Zusammensetzung<br />
der Belegschaft eine wichtige Rolle. In einigen Branchen werden auch Personen<br />
mit schulischem Berufsabschluss (z. B. die Assistentenberufe im Ges<strong>und</strong>heitsbereich)<br />
oder mit Hochschulabschluss eingestellt, so dass dort aus diesem Gr<strong>und</strong>e weniger dual ausgebildet<br />
wird. Zudem bilden manche Betriebe bzw. ganze Segmente (z. B. das Handwerk)<br />
mitunter über Bedarf aus, so dass der in Tabelle 16 enthaltene <strong>Aus</strong>zubildendenanteil lediglich<br />
eine erste gr<strong>und</strong>legende Information darstellt. Dies sollte mit berücksichtigt werden,<br />
wenn die <strong>Aus</strong>bildungsleistungen verschiedener Branchen verglichen werden. Auch bei einem<br />
regionalen Vergleich der <strong>Aus</strong>bildungsleistungen einer Branche sind die Hintergründe zu<br />
berücksichtigen. Beispielsweise lässt die hohe <strong>Aus</strong>bildungsleistung im Kreditgewerbe in den<br />
beiden Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel im Vergleich zur niedrigen Quote in Duisburg, die Frage<br />
aufkommen, ob in Duisburg seitens der Banken nicht mehr für die <strong>Aus</strong>zubildenden getan<br />
werden könnte, zumal die Beschäftigten in dieser Branche von 1998 bis 2002 um ein Drittel<br />
58
zugelegt haben, die <strong>Aus</strong>zubildenden aber kaum. Dieser mögliche Ansatz zum Erkennen verborgener<br />
<strong>Aus</strong>bildungspotentiale wäre anhand weiterer Daten zu unterfüttern.<br />
Zwischen 1998 <strong>und</strong> 2002 hatte die Zahl der <strong>Aus</strong>zubildenden in Nordrhein-Westfalen um<br />
8,5 % zugenommen (vgl. Tab. 16 im Anhang). Am Niederrhein schwankten die Raten zwischen<br />
0,1 % in Duisburg, 3,7 % im Kreis Wesel <strong>und</strong> 10,6 % im Kreis Kleve. Die Zahl der<br />
<strong>Aus</strong>zubildenden ist im betrachteten Zeitraum also stärker gewachsen als die der Beschäftigten.<br />
In drei Regionen zählten die öffentliche Verwaltung <strong>und</strong> das Gastgewerbe zu den Branchen<br />
mit den höchsten Zuwachsraten, während im Bergbau sowie in der Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung<br />
<strong>Aus</strong>zubildende abgebaut wurden.<br />
• Berufsstruktur<br />
Die Berufsstrukturen in den zu untersuchenden Regionen werden in der im Anhang befindlichen<br />
Tabelle 17 anhand von sechs Berufsabschnitten (einer Gruppe von Berufen) dargestellt.<br />
Die Mehrheit, r<strong>und</strong> 62,6 % der in Nordrhein-Westfalen Beschäftigten, arbeitete Mitte<br />
2002 in einem Dienstleistungsberuf, 27,6 % in einem so genannten Fertigungsberuf <strong>und</strong><br />
7,1 % in einem technischen Beruf. Die übrigen drei Berufsabschnitte lagen jeweils etwa bei<br />
bzw. unter 1 %. Zwei regionale Besonderheiten waren der mit 4 % recht hohe Anteil agrarwirtschaftlicher<br />
Berufe im Kreis Kleve <strong>und</strong> der ebenfalls mit 4 % hohe Anteil an Bergleuten<br />
<strong>und</strong> Mineralgewinnern im Kreis Wesel. Die prozentualen Veränderungsraten zeigten für den<br />
Zeitraum von 1998 bis 2002 ein starkes Wachstum der landwirtschaftlichen Berufe im Kreis<br />
Kleve, bei ansonsten unterschiedlicher Entwicklung in den übrigen Regionen. Die Bergleute<br />
<strong>und</strong> Mineralgewinner erlitten in allen Regionen die stärksten Verluste. Die am stärksten besetzte<br />
Berufsgruppe, die Dienstleistungsberufe, konnte von 1998 bis 2002 in allen Regionen<br />
Beschäftigte hinzugewinnen, während die Fertigungsberufe fast überall verloren. Die Entwicklung<br />
der technischen Berufe verlief regional unterschiedlich (vgl. Tab. 17 im Anhang).<br />
Der Branchenverteilung ähnlich arbeiteten Frauen überpropotional häufig in Dienstleistungsberufen.<br />
In den übrigen Berufsgruppen waren sie dagegen seltener anzutreffen. <strong>Aus</strong>ländische<br />
Beschäftigte waren in technischen <strong>und</strong> Dienstleistungsberufen unterrepräsentiert <strong>und</strong> in<br />
„produzierenden“ Berufen überrepräsentiert (vgl. Tab. 17 im Anhang). Überdurchschnittlich<br />
hohe Anteile an <strong>Aus</strong>zubildenden befanden sich in landwirtschaftlichen <strong>und</strong> in Fertigungsberufen.<br />
In den technischen Berufen wurde vermutlich weniger oft ausgebildet, da hier ein großer<br />
Teil der Beschäftigten einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss besitzt <strong>und</strong><br />
wahrscheinlich studiert hat. Bei den Bergleuten <strong>und</strong> Mineralgewinnern dürfte der niedrige<br />
<strong>Aus</strong>zubildendenanteil hingegen auf die wirtschaftliche Situation zurückzuführen sein. In den<br />
Dienstleistungsberufen wurde bisher leicht unterdurchschnittlich ausgebildet. Wie die Entwicklung<br />
der <strong>Aus</strong>bildungsplätze in den Dienstleistungsberufen zeigt, gab es hier in den letz-<br />
59
ten Jahren jedoch eine positive Entwicklung. Die unterschiedlichen Entwicklungen der drei<br />
Beschäftigtengruppen (Frauen, <strong>Aus</strong>länder <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>zubildende) zeigen, dass bei einer Zunahme<br />
der gesamten Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1998 bis 2002 von<br />
knapp 3 %, die <strong>Aus</strong>zubildenden mit fast 9 % am stärksten profitieren konnten, gefolgt von<br />
den weiblichen Beschäftigten, der Anteil auf über 6 % anstieg. Der Bestand an ausländischen<br />
Beschäftigten ging hingegen um fast 7 % zurück.<br />
Über die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kann Folgendes festgehalten werden:<br />
• Die Entwicklung der Beschäftigten verlief in Duisburg besonders schlecht, im Kreis Kleve<br />
dagegen überdurchschnittlich gut <strong>und</strong> im Kreis Wesel etwa dem Landesdurchschnitt entsprechend.<br />
Diese unterschiedlichen Verläufe zeigten sich auch bei den <strong>Aus</strong>zubildenden,<br />
wobei sie sich in den letzten Jahren anteilig besser entwickelten als die Beschäftigten.<br />
• Da viele Beschäftigte aus dem Kreis Wesel <strong>und</strong> dem Kreis Kleve auswärts einen Arbeitsplatz<br />
aufsuchen müssen, wird dies vermutlich auch für <strong>Aus</strong>zubildende gelten, die in solchen<br />
Regionen einen größeren „Suchradius“ nach einem <strong>Aus</strong>bildungsplatz benötigen, als<br />
vielleicht in Duisburg, wohin viele Beschäftigte zum Arbeiten einpendeln.<br />
• Nach den drei Sektoren aufgeteilt arbeiteten in Nordrhein-Westfalen Mitte 2002 etwa<br />
zwei Drittel der Beschäftigten im Dienstleistungssektor, etwa ein Drittel im Produzierenden<br />
Gewerbe <strong>und</strong> nur noch 1 % in der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft. Die größten Branchen<br />
waren in Nordrhein-Westfalen der Handel (16,3 %), das Ges<strong>und</strong>heits-, Veterinär- <strong>und</strong><br />
Sozialwesen (11,4 %) sowie die Dienstleistungen für Unternehmen (11,8 %). Regionale<br />
Stärken lagen in Duisburg in der Metallerzeugung <strong>und</strong> -bearbeitung (15,4 %) <strong>und</strong> in der<br />
Verkehrssparte (9,4 %), im Kreis Kleve im Agrarbereich (4,1 %), im Baugewerbe (9,5 %)<br />
<strong>und</strong> im Ernährungsbereich (6,3 %) sowie im Kreis Wesel im Bergbau (6,7 %), in der Gewinnung<br />
von Steinen <strong>und</strong> Erden (0,9 %), im Baugewerbe (8,6 %) <strong>und</strong> in der Herstellung<br />
von Büromaschinen (4,8 %).<br />
• Zusammengenommen nahm in fast allen Regionen – mit <strong>Aus</strong>nahme des Kreises Kleve –<br />
die <strong>Aus</strong>bildungsleistung des Produzierenden Gewerbes zwischen 1998 <strong>und</strong> 2002 ab,<br />
während sie im Dienstleistungsbereich anstieg. Dennoch ist der <strong>Aus</strong>zubildendenanteil im<br />
Produzierenden Gewerbe zurzeit noch höher als im Dienstleistungsbereich.<br />
• Die Struktur der Berufe, aufgeschlüsselt nach sechs Berufsabschnitten, zeigt, dass Mitte<br />
2002 r<strong>und</strong> 62,6 % der nordrhein-westfälischen Beschäftigten in Dienstleistungsberufen,<br />
27,6 % in Fertigungsberufen, 7,1 % in technischen Berufen <strong>und</strong> die restlichen 2,7 % in<br />
agrarwirtschaftlichen Berufen, als Bergleute oder sonstige Arbeitskräfte arbeiteten.<br />
60
5.2 Arbeitslose<br />
Das Risiko, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, ist am Niederrhein regional sehr unterschiedlich<br />
verteilt. Am 30. Juni 2005 war die Lage in der Stadt Duisburg mit 19,2 % Arbeitslosen<br />
an den abhängig beschäftigten zivilen Erwerbspersonen besonders angespannt (vgl.<br />
Tab. 8). Zwischen den Geschlechtern existierten nur geringfügige Unterschiede. Die – mit<br />
etwas größerem Abstand zu den Männern – günstigste <strong>Aus</strong>gangslage auf dem Arbeitsmarkt<br />
finden Frauen im Kreis Kleve vor.<br />
Neben den absoluten Zahlen sind in Tabelle 8 auch die Anteile spezieller Arbeitslosengruppen<br />
an allen Arbeitslosen wiedergegeben. Junge Erwerbspersonen aus Duisburg hatten vergleichsweise<br />
schlechtere <strong>und</strong> die aus den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel bessere Chancen auf<br />
dem Arbeitsmarkt. Im Kreis Wesel suchte nur ein Viertel dieses Personenkreises länger als<br />
sechs Monate nach einer Anstellung. Im Kreis Kleve, der zwar den niedrigsten Anteil junger<br />
Menschen unter den Arbeitslosen verzeichnete, suchten immerhin 38,4 % länger als sechs<br />
Monate nach einem neuen Arbeitsplatz. Auch bei den Langzeitarbeitslosen hatte der Kreis<br />
Kleve den höchsten Anteil, was auf ein strukturelles Problem auf dem Arbeitsmarkt hindeuten<br />
dürfte.<br />
Je nach Region waren etwa 60 % der unter 25jährigen Arbeitslosen männlichen Geschlechts<br />
(vgl. Tab. 8). Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gab es nach den Angaben<br />
des Landesamtes für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik in der gleichen Altersgruppe im Jahr<br />
2002 lediglich etwa 52 bis 54 % Männer. Somit scheinen die männlichen Jugendlichen größere<br />
Probleme beim Übergang an der zweiten Schwelle gehabt zu haben.<br />
Von den Arbeitslosen unter 25 Jahren hatten in Duisburg 27,0 % keinen Schulabschluss. Sie<br />
lagen damit weit über dem Landesdurchschnitt, während die jugendlichen Arbeitslosen in<br />
den beiden Kreise darunter blieben. Wird diese Kennziffer mit dem Indikator Schulabsolventen<br />
ohne Schulabschlüsse verglichen, zeigt sich das erhöhte Arbeitslosigkeitsrisiko für Erwerbspersonen<br />
ohne Schulabschluss bzw. mit niedriger Qualifikation. In Duisburg verließen<br />
2004 8,9 % der Absolventen eine allgemein bildende Schule ohne Abschluss, im Kreis Kleve<br />
6,7 %, im Kreis Wesel 6,3 % <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen 6,9 % (vgl. Tab. 5 weiter oben). 3<br />
Erstaunlich ist, dass der Kreis Kleve einerseits den höchsten Anteil an Schulabgängern ohne<br />
Schulabschluss, andererseits aber den niedrigsten Anteil jugendlicher Arbeitslose ohne<br />
3<br />
Anstelle der Schulabsolventen wäre ein Vergleich mit derselben Altersgruppe innerhalb der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten adäquater gewesen. Leider fehlen diese Daten in der Datenbank des LDS NRW.<br />
Ein Vergleich mit – zum großen Teil 16jährigen – Schulabsolventen birgt mehrere Probleme. Da das Alter nicht<br />
übereinstimmt, ist davon auszugehen, dass ein Teil der Schulabgänger später noch einen Schulabschluss<br />
nachholen wird, bspw. durch den Besuch einer „Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr“ (vgl. hierzu Tab. 5). Außerdem<br />
wird ein großer Teil der Abiturienten ein Studium aufnehmen <strong>und</strong> fehlt insofern in der Arbeitslosenstatistik<br />
auftauchen, so dass ihr Anteil an den Arbeitslosen geringer sein muss.<br />
61
Schulabschluss aufwies. Anscheinend gab es hier noch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
für gering qualifizierte Jugendliche.<br />
Tab. 8: Arbeitslose <strong>und</strong> Arbeitslosenquoten am 30.06.2005<br />
Duisburg Kreis Kleve Kreis Wesel NRW<br />
absolut in % absolut in % absolut in % absolut in %<br />
Arbeitslose<br />
Arbeitslose insgesamt 41.751 100,0 11.649 100,0 22.676 100,0 1.032.112 100,0<br />
Frauen 18.718 44,8 4.712 40,4 10.279 45,3 455.422 44,1<br />
Arbeiter 27.914 66,9 7.347 63,1 14.429 63,6 671.025 65,0<br />
Angestellte 13.837 33,1 4.302 36,9 8.247 36,4 361.087 35,0<br />
Langzeitarbeitslose 17.139 41,1 5.436 46,7 8.528 37,6 411.471 39,9<br />
<strong>Aus</strong>länder 10.259 24,6 1.027 8,8 3.052 13,5 201.519 19,5<br />
55 Jahre <strong>und</strong> älter 4.972 11,9 1.441 12,4 2.655 11,7 128.832 12,5<br />
Unter 20 Jahre alt 912 2,2 61 0,5 240 1,1 16.093 1,6<br />
Unter 25 Jahre alt 4.892 11,7 1.007 8,6 2.082 9,2 103.681 10,0<br />
Unter 25 Jahre alt<br />
davon:<br />
- Männer 2.862 58,5 645 64,1 1.318 63,3 62.389 60,2<br />
- Frauen 2.030 41,5 362 35,9 764 36,7 41.292 39,8<br />
darunter:<br />
- Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
1.125 23,0 57 5,7 203 9,8 17.097 16,5<br />
- über 6 Monate arbeitslos<br />
1.684 34,4 387 38,4 512 24,6 31.409 30,3<br />
davon:<br />
- kein Schulabschluss 1.319 27,0 116 11,5 314 15,1 21.380 20,6<br />
- Hauptschule/mittlere<br />
Reife 3.146 64,3 766 76,1 1.494 71,8 70.274 67,8<br />
- FH/HS-Reife 427 8,7 125 12,4 274 13,2 12.027 11,6<br />
Arbeitslosenquoten<br />
- alle zivilen Erwerbspersonen<br />
17,9 7,4 9,9 11,7<br />
- abhängige zivile Erwerbspersonen<br />
19,2 8,7 11,0 12,9<br />
davon:<br />
- Männer 19,1 9,8 11,1 13,5<br />
- Frauen 19,3 7,5 10,8 12,1<br />
AA Duisburg AA Wesel NRW<br />
Arbeitslosenquoten<br />
alle zivilen Erwerbspersonen<br />
insgesamt 17,9 8,9 11,7<br />
abhängige zivile<br />
Erwerbspersonen 19,2 10,1 12,9<br />
davon:<br />
- Männer 19,1 10,6 13,5<br />
- Frauen 19,3 9,5 12,1<br />
Jüngere<br />
- Unter 20 Jahre 13,2 2,0 5,4<br />
- 20 bis unter 25 Jahre 21,2 9,7 12,7<br />
- Unter 25 Jahre 19,0 7,0 10,5<br />
<strong>Aus</strong>länder 35,0 20,8 28,8<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit; eigene Berechnungen.<br />
62
Der Anteil der Arbeitslosen ausländischer Herkunft lag in Duisburg bei 24,6 % <strong>und</strong> damit<br />
deutlich höher als der Landesdurchschnitt, während die beiden Kreise weit unter dem Landesdurchschnitt<br />
lagen. Der <strong>Aus</strong>länderanteil unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />
lag dagegen Mitte 2002 in Duisburg bei 9,7 % (vgl. Tab. 16 im Anhang). Somit ist das<br />
Arbeitslosigkeitsrisiko auch für diese Erwerbspersonengruppe sehr hoch.<br />
Abbildung 6 vermittelt eine Übersicht auf die Entwicklung der Arbeitslosenquoten in den drei<br />
niederrheinischen Regionen <strong>und</strong> Nordrhein-Westfalen. Die Arbeitslosenquoten verliefen in<br />
den zurückliegenden Jahren – mit <strong>Aus</strong>nahme des letzten Jahres – in allen Regionen nach<br />
einem ähnlichen Muster. Bis 1997 verschlechterte sich die Arbeitsmarktlage zunächst <strong>und</strong><br />
erholte sich dann in den kommenden Jahren leicht. In den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel scheint<br />
dabei in 2004 ein vorläufiger Höhepunkt erreicht zu sein, während in Nordrhein-Westfalen<br />
<strong>und</strong> insbesondere in Duisburg ein weiterer Anstieg der Arbeitslosenquote erfolgte. Insgesamt<br />
lag die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren in Duisburg weit über dem Landesdurchschnitt<br />
<strong>und</strong> in den beiden Kreisen leicht darunter.<br />
Neben der zurückliegenden Entwicklung wird des Weiteren der aktuelle Stand der Arbeitsmarktlagen<br />
in den einzelnen Geschäftsstellenbezirken der Agenturen für Arbeit in Duisburg<br />
<strong>und</strong> Wesel gezeigt. So liegen die Arbeitslosenquoten in den Geschäftsstellen Hamborn <strong>und</strong><br />
Rheinhausen deutlich über der im Hauptamt Duisburg. Die Geschäftsstellen auf dem Klever<br />
Gebiet weisen durchweg günstigere Werte auf als die Geschäftsstellen auf dem Gebiet des<br />
Kreises Wesel.<br />
Zusammenfassend bleibt festzuhalten:<br />
• Die Arbeitslosenquote in Nordrhein-Westfalen lag Mitte 2005 bei 12,9 %. In einer vergleichsweise<br />
günstigen Position befinden sich somit die Erwerbspersonen in den Kreisen<br />
Kleve (8,7 %) <strong>und</strong> Wesel (11,0 %), während die Lage in der Stadt Duisburg mit 19,2 %<br />
sehr schwierig ist. Dabei hat sich die Arbeitsmarktlage in den letzten Jahren wieder deutlich<br />
verschlechtert, was sich in den Daten zu den Beschäftigten noch nicht zeigte, da sie<br />
nur bis ins Jahr 2002 reichten. Die Lage auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt dürfte sich daher in<br />
den letzten Jahren verschlechtert haben.<br />
• Das Arbeitslosigkeitsproblem an der ersten Schwelle, bei Jugendlichen unter 20 Jahren,<br />
ist im Arbeitsagenturbezirk Wesel (2,0 %) <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen (5,4 %) als eher<br />
gering einzustufen, während die Duisburger Jugendlichen davon deutlich stärker betroffen<br />
sind (13,2 %).<br />
• Das Risiko arbeitslos zu werden <strong>und</strong> möglicherweise keine <strong>Aus</strong>bildung zu absolvieren<br />
steigt, wenn die Person einen niedrigen bzw. gar keinen Schulabschluss oder eine ausländische<br />
Herkunft hat.<br />
63
Abb. 6: Entwicklung <strong>und</strong> Stand der Arbeitslosenquoten<br />
20 %<br />
15 %<br />
10 %<br />
5 %<br />
Entwicklung der Arbeitslosenquoten<br />
(1993-2005)<br />
Duisburg Kreis Wesel<br />
20 %<br />
15 %<br />
10 %<br />
5 %<br />
Kreis Kleve NRW<br />
0 %<br />
0 %<br />
1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005<br />
64<br />
Arbeitslosenquoten am 30.06.2005<br />
Bezirke ges. m w<br />
HA Duisburg 17,0 17,5 16,4<br />
GSt D.-Hamborn 21,8 20,7 23,1<br />
GSt D.-Rheinhausen 22,5 22,2 22,9<br />
AA Duisburg 19,2 19,1 19,3<br />
HA Wesel 11,8 11,5 12,1<br />
GSt Dinslaken 10,8 10,5 11,3<br />
GSt Emmerich 9,6 10,8 8,3<br />
GSt Geldern 7,1 7,7 6,5<br />
GSt Goch 8,7 9,7 7,5<br />
GSt Kamp-Lintfort 10,0 10,7 9,2<br />
GSt Kleve 9,9 11,6 7,9<br />
GSt Moers 10,9 11,7 10,0<br />
AA Wesel 10,1 10,6 9,5<br />
Nordrhein-Westfalen 12,9 13,5 12,1<br />
Arbeitsagentur Wesel Arbeitsagentur Duisburg<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen (Stichtag: 30.06.).<br />
Notiz: ges. = gesamt, m = männlich, w = weiblich, HA = Hauptamt, GSt = Geschäftsstelle, AA = Arbeitsagenturbezirk.<br />
6 <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />
Im Folgenden werden verschiedene Daten zu Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />
im dualen System, den Schülerstrukturen an beruflichen Schulen <strong>und</strong> der Entwicklung<br />
einzelner Schulformen sowie zu den von der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit angebotenen<br />
berufsvorbereitenden Maßnahmen dargestellt.<br />
6.1 Berufsausbildung im Dualen System<br />
Zur Beschreibung von Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen im dualen System<br />
kann eine Vielzahl von Indikatoren angewandt werden, wie bspw. neu abgeschlossene
<strong>Aus</strong>bildungsverträge, unbesetzte Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong> noch nicht vermittelte Bewerber,<br />
die im ersten Abschnitt dargestellt <strong>und</strong> interpretiert werden. Anschließend wird auf<br />
die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe <strong>und</strong> die Situation in einzelnen Berufsfeldern<br />
eingegangen.<br />
6.1.1 Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />
Im Abschnitt über die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wurde bereits die Verteilung<br />
der <strong>Aus</strong>zubildenden über die einzelnen Branchen dargestellt (vgl. auch Tab. 18 im Anhang).<br />
Im Folgenden werden die in einem Jahr neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge <strong>und</strong> weitere<br />
Kennziffern erläutert, mit deren Hilfe das <strong>Aus</strong>bildungsgeschehen näher untersucht wird.<br />
• Die Angebots-Nachfrage-Situation<br />
Zu den neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträgen zählen Verträge, die im Zeitraum vom<br />
1. Oktober des Vorjahres bis zum 30. September des aktuellen Jahres neu abgeschlossen<br />
wurden <strong>und</strong> die am 30. September noch bestanden haben. Die Angaben werden im Laufe<br />
des Oktobers vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung bei den für die Berufsausbildung zuständigen<br />
Stellen (Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern<br />
usw.) erhoben. Kleinste regionale Einheit sind die Arbeitsagenturbezirke. Vom<br />
01.10.2004 bis 30.09.2005 wurden im Arbeitsagenturbezirk Duisburg 3.132 <strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />
neu abgeschlossen, 4,6 % mehr als im Vorjahr, <strong>und</strong> im Arbeitsagenturbezirk Wesel<br />
4.321 Verträge, 4,3 % weniger als im Vorjahr. In der langfristigen Perspektive von 1991 bis<br />
2005 zeigt sich in allen Regionen ein massiver Verlust an <strong>Aus</strong>bildungsstellen (vgl. Tab. 9).<br />
Bei den nun folgenden Kennziffern handelt es sich um Zahlen, die von der B<strong>und</strong>esagentur<br />
für Arbeit veröffentlicht werden bzw. darauf aufbauen. Bei deren Verwendung ist zu beachten,<br />
dass diese Zahlen zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts für das Jahr 2005 noch<br />
vorläufig sind (vgl. BIBB 2006). Ferner hat die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit das Zuordnungsverfahren<br />
geändert, so dass die regionale Zuordnung der Bewerber zu den Arbeitsagenturbezirken<br />
nicht mehr nach dem Ort der Beratung (Arbeitsagentur), sondern nach dem Wohnort des<br />
Bewerbers erfolgt. Insofern soll eine Vergleichbarkeit zu den Vorjahren nur eingeschränkt<br />
möglich sein (vgl. ebenda). Da beide Arbeitsagenturbezirke mit den Verwaltungsgrenzen<br />
übereinstimmen, der Arbeitsagenturbezirk Wesel deckt die Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel vollständig<br />
abdeckt, dürften sich hieraus keine Veränderungen ergeben.<br />
65
Tab. 9: Die Angebots-Nachfrage-Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt in den Arbeitsagenturbezirken<br />
Duisburg, Wesel <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen<br />
66<br />
Anzahl Veränderung (in %)<br />
1991 2004 2005 91 zu 05 04 zu 05<br />
Arbeitsagenturbezirk Duisburg<br />
Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge 1) 4.113 2.995 3.132 -23,9 4,6<br />
Gesamtangebot 4.704 3.039 3.155 -32,9 3,8<br />
Gesamtnachfrage 4.376 3.179 3.405 -22,2 7,1<br />
Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) 107,5 95,6 92,7 -13,8 -3,1<br />
Unbesetzte Berufsausbildungsstellen 2) 591 44 23 -96,1 -47,7<br />
Noch nicht vermittelte Bewerber 2) 263 184 273 3,8 48,4<br />
Unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem<br />
Bewerber 2,2 0,2 0,1<br />
Beim AA gemeldete Berufsausbildungsstellen 1) 4.750 3.017 2.708 -43,0 -10,2<br />
Beim AA gemeldete Bewerber 1) 3.769 4.995 4.827 28,1 -3,4<br />
Stellen-Bewerber-Relation 1,3 0,6 0,6<br />
Arbeitsagenturbezirk Wesel<br />
Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge 1) 5.600 4.515 4.321 -22,8 -4,3<br />
Gesamtangebot 6.481 4.531 4.341 -33,0 -4,2<br />
Gesamtnachfrage 5.745 5.055 4.711 -18,0 -6,8<br />
Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) 112,8 89,6 92,1 -18,3 2,8<br />
Unbesetzte Berufsausbildungsstellen 2) 881 16 20 -97,7 25,0<br />
Noch nicht vermittelte Bewerber 2) 145 540 390 169,0 -27,8<br />
Unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem<br />
Bewerber 6,1 0,0 0,1<br />
Beim AA gemeldete Berufsausbildungsstellen 1) 6.696 3.237 2.910 -56,5 -10,1<br />
Beim AA gemeldete Bewerber 1) 5.472 6.149 6.076 11,0 -1,2<br />
Stellen-Bewerber-Relation 1,2 0,5 0,5<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge 1) 143.634 115.987 111.190 -22,6 -4,1<br />
Gesamtangebot 170.693 119.345 113.906 -33,3 -4,6<br />
Gesamtnachfrage 148.116 125.443 120.325 -18,8 -4,1<br />
Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) 115,2 95,1 94,7 -17,9 -0,5<br />
Unbesetzte Berufsausbildungsstellen 2) 27.059 3.358 2.716 -90,0 -19,1<br />
Noch nicht vermittelte Bewerber 2) 4.482 9.456 9.135 103,8 -3,4<br />
Unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem<br />
Bewerber 6,0 0,4 0,3<br />
Beim AA gemeldete Berufsausbildungsstellen 1) 164.978 105.346 96.496 -41,5 -8,4<br />
Beim AA gemeldete Bewerber 1) 119.162 142.380 146.207 22,7 2,7<br />
Stellen-Bewerber-Relation 1,4 0,7 0,7<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung; eigene Berechnungen.<br />
1)<br />
Es handelt sich hierbei um die Jahressumme des Erhebungszeitraumes vom 01.10. des vergangenen bis<br />
30.09. des aktuellen Jahres.<br />
2)<br />
Es handelt sich hierbei um die Bestandszahl am 30.09. des jeweiligen Jahres.<br />
Notiz: P. = Prozentpunkte, die absolute Differenz zwischen zwei Prozentwerten.<br />
Bei den unbesetzten Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong> den noch nicht vermittelten Bewerbern<br />
handelt es sich um Bestandszahlen am 30. September des aktuellen Jahres, die aus der<br />
laufenden Vermittlungsarbeit der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit stammen. Wie sich zeigt, sank in<br />
allen Regionen die Anzahl der offenen Stellen seit 1991 sehr stark, während die Bestände
der Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerber anwuchsen <strong>und</strong> letztlich die Zahl der unbesetzten Berufsausbildungsstellen<br />
übertrafen (vgl. Tab. 9). Die aus beiden Werten errechnete Relation<br />
„unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem Bewerber“ lag 1991 in Duisburg noch bei 2<br />
offenen Stellen pro Bewerber/in <strong>und</strong> im Arbeitsagenturbezirk Wesel <strong>und</strong> in Nordrhein-<br />
Westfalen bei 6 Stellen pro Bewerber/in. Hier hätten die noch nicht vermittelten Bewerberinnen<br />
<strong>und</strong> Bewerber zumindest rechnerisch noch eine <strong>Aus</strong>wahlmöglichkeit bzw. eine Chance<br />
auf einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz gehabt. Im Jahr 2004 lag diese Kennziffer in allen Regionen weit<br />
unter 1.<br />
Werden die neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge mit den unbesetzten Berufsausbildungsstellen<br />
addiert, ergibt sich das Gesamtangebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen. Werden sie<br />
hingegen mit den noch nicht vermittelten Bewerbern addiert ergibt sich die Gesamtnachfrage<br />
nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen. Beide Kennziffern können allerdings nur als Indikator für Angebot<br />
<strong>und</strong> Nachfrage gelten, da die Betriebe auch an der Arbeitsagentur vorbei Stellen offerieren<br />
bzw. <strong>Aus</strong>zubildende einstellen können <strong>und</strong> auch die jugendlichen Nachfrager nicht die Arbeitsagentur<br />
einschalten müssen. In allen drei Regionen ging das Gesamtangebot langfristig<br />
um etwa 33 % <strong>und</strong> die Gesamtnachfrage zwischen 18 % bis 22 % zurück (vgl. Tab. 9). Die<br />
Angebotsseite wird von der wirtschaftlichen Lage geprägt, während die Nachfrageseite elastisch<br />
auf Angebotsänderungen reagiert. Das heißt: Steigt das Angebot, steigt auch die Nachfrage<br />
<strong>und</strong> umgekehrt – vgl. hierzu auch den Vorjahresvergleich in Duisburg. <strong>Aus</strong> Nachfragerückgängen<br />
darf daher nicht unmittelbar auf ein gesunkenes Interesse der Jugendlichen an<br />
der betrieblichen <strong>Aus</strong>bildung geschlossen werden (vgl. BMBF 2003, S. 36-37). Bei einer<br />
schwierigen <strong>Aus</strong>bildungslage werden Bildungsentscheidungen zugunsten von <strong>Aus</strong>bildungsalternativen<br />
bzw. weiteren Vorbereitungsphasen umgelenkt, wie die steigenden Schülerzahlen<br />
in den vollzeitschulischen Bildungsgängen belegen (vgl. hierzu den nächsten Abschnitt).<br />
Eine komprimierte Darstellung des Geschehens auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt gibt die Angebots-Nachfrage-Relation<br />
(ANR), die berechnet wird, indem das Gesamtangebot durch die<br />
Gesamtnachfrage dividiert wird. Ein Wert unter 100 indiziert ein Übergewicht an Bewerbern<br />
bzw. <strong>Aus</strong>bildungsplatznachfragern, ein Wert über 100 weist auf das Überwiegen der <strong>Aus</strong>bildungsstellen<br />
<strong>und</strong> auf eine günstige <strong>Aus</strong>bildungsmarktlage hin. Bei genau 100 wird ein rechnerischer<br />
<strong>Aus</strong>gleich erzielt, das heißt, jeder Bewerber bzw. jede Bewerberin könnte theoretisch<br />
eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle erhalten. Voraussetzung dafür sind natürlich, dass die Berufswünsche<br />
mit dem Angebot übereinstimmen, die Bewerber/innen die Anforderungen der Arbeitgeber/innen<br />
erfüllen, die Stelle für die Jugendlichen bspw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
erreichbar ist usw. 1991 wies die Angebots-Nachfrage-Relation in allen drei Regionen<br />
ein Überangebot an <strong>Aus</strong>bildungsstellen aus, das sich jedoch in den Folgejahren in ein Unterangebot<br />
verwandelte, wovon insbesondere die beiden hier untersuchten Bezirke betroffen<br />
67
waren. In 2005 lagen beide gleichauf bei einem Wert von etwa 92; Nordrhein-Westfalen lag<br />
bei 95 (vgl. Tab. 9).<br />
Eine ausführlichere Interpretation zieht auch die einzelnen Kennziffern<br />
• neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge,<br />
• unbesetzte Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong><br />
• noch nicht vermittelte Bewerber,<br />
auf deren Berechnung die ANR beruht, mit ein. Zum Beispiel stieg die ANR im Arbeitsagenturbezirk<br />
Wesel von 2004 auf 2005 um 4,3 % leicht an, <strong>und</strong> dies obwohl sich die Zahl der<br />
neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge verringert hatte (vgl. Tab. 9). Der Zuwachs der<br />
unbesetzten <strong>Aus</strong>bildungsstellen um 25 % fällt nicht ins Gewicht, da es sich lediglich um vier<br />
Stellen handelte. Allein der Rückgang der noch nicht vermittelten Bewerber verursachte die<br />
leicht verbesserte ANR. Für eine Bewertung dieses Tatbestandes wäre es wichtig zu wissen,<br />
inwieweit die <strong>Aus</strong>bildungswünsche der Jugendlichen tatsächlich erfüllt werden konnten <strong>und</strong><br />
wie viele Jugendliche, die ursprünglich einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz suchten (<strong>und</strong> wahrscheinlich<br />
noch suchen) daraufhin zum Beispiel eine schulische <strong>Aus</strong>bildung begannen.<br />
Die Kennziffern bei der Agentur für Arbeit gemeldete Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong> Bewerber<br />
sind identisch mit den unbesetzten Stellen <strong>und</strong> den noch nicht vermittelten Bewerbern. Lediglich<br />
der Erhebungszeitraum variiert. Bei den erst genannten handelt es sich um Meldungen<br />
über den gesamten Berichtszeitraum, also vom 1. Oktober des Vorjahres bis zum 30.<br />
September des laufenden Jahres (kumulierte Bewegungszahl), während die anderen Kennziffern<br />
Bestandszahlen zum 30. September sind (s. o.). Dementsprechend ähneln sich auch<br />
die Kennziffern Stellen-Bewerber-Relation <strong>und</strong> Unbesetzte Stellen je noch nicht vermitteltem<br />
Bewerber.<br />
• Entwicklungen des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes<br />
Sowohl die wirtschaftliche Situation als auch die demografische Entwicklung der Jugendlichen<br />
beeinflussen das Angebot an <strong>und</strong> die Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsstellen. Die Zusammenhänge,<br />
die allerdings nicht als kausal aufzufassen sind, werden in Abbildung 7 für Nordrhein-Westfalen<br />
dargestellt. Als Indikator für die wirtschaftliche Situation wird die Arbeitslosenquote<br />
4 abgebildet. Für die Nachfrageseite wird die Anzahl der Jugendlichen dargestellt.<br />
Diesen beiden Indikatoren sind im linken Feld der Abbildung die neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge,<br />
das Gesamtangebot <strong>und</strong> die Gesamtnachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />
gegenübergestellt.<br />
68
Die Anzahl der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge scheint stärker mit der Arbeitslosenquote<br />
zusammenzuhängen, wobei zwischen beiden ein „time lag“ existiert: Ein bis zwei<br />
Jahre bevor die Arbeitslosenquote sinkt, werden vermehrt <strong>Aus</strong>zubildende eingestellt <strong>und</strong><br />
umgekehrt. Auch das Gesamtangebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen ist stark konjunkturabhängig.<br />
In Nordrhein-Westfalen lag Anfang der 90er Jahre die Zahl der angebotenen Stellen weit<br />
über der der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge. Trotz des Anstiegs der Jugendlichen<br />
ab 1998 lag aber die Gesamtnachfrage in guten Zeiten unter, in schlechten Zeiten in<br />
der Nähe des Gesamtangebots. Das bedeutet, dass die Nachfrageseite, also die <strong>Aus</strong>bildungsplatz<br />
suchenden Jugendlichen, elastisch auf Änderungen des <strong>Aus</strong>bildungsstellenangebots<br />
reagieren <strong>und</strong> (notgedrungen) auf Alternativen ausweichen. Lediglich in den letzten<br />
beiden Jahren übertraf die Nachfrage das Stellenangebot etwas deutlicher.<br />
Abb. 7: Die Entwicklung ausgewählter Merkmale des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes in Nordrhein-<br />
Westfalen (1991-2004)<br />
.<br />
200.000<br />
190.000<br />
180.000<br />
170.000<br />
160.000<br />
150.000<br />
140.000<br />
130.000<br />
120.000<br />
110.000<br />
100.000<br />
Jugendliche*<br />
Arbeitslosenquote<br />
(in %, rechte Skala)<br />
Gesamtangebot<br />
NAA**<br />
Gesamtnachfrage<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
* Jugendliche im Alter von 18 bis 20 Jahren (Durchschnitt)<br />
** NAA = Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />
15 %<br />
14 %<br />
13 %<br />
12 %<br />
11 %<br />
10 %<br />
9 %<br />
8 %<br />
7 %<br />
6 %<br />
5 %<br />
4 %<br />
3 %<br />
2 %<br />
1 %<br />
0 %<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung; eigene Darstellung.<br />
Jugendliche*<br />
Gemeldete<br />
Stellen<br />
Arbeitslosenquote<br />
(in %, linke Skala)<br />
NAA**<br />
Gemeldete<br />
Bewerber<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
200.000<br />
190.000<br />
180.000<br />
170.000<br />
160.000<br />
150.000<br />
140.000<br />
130.000<br />
120.000<br />
110.000<br />
100.000<br />
Auf der rechten Seite von Abbildung 7 sind im <strong>Aus</strong>tausch nur die bei der Agentur für Arbeit<br />
gemeldeten Berufsausbildungsstellen <strong>und</strong> Bewerber neu hinzugekommen. Diese Kennziffern<br />
reagieren besonders stark auf die Arbeitsmarktlage. In wirtschaftlich guten Zeiten bieten die<br />
Betriebe viele <strong>Aus</strong>bildungsplätze an, was in schlechteren Zeiten deutlich nachlässt. In den<br />
4<br />
Für den Arbeitsagenturbezirk Wesel lagen uns keine Arbeitslosenquoten vor, so dass wir stattdessen die Quoten<br />
für beide Kreise eingefügt haben.<br />
69<br />
.
Jahren ab 1998 sinkt die Zahl der bei der Agentur für Arbeit gemeldeten Stellen teilweise<br />
sogar unter die der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge, was zeigt, dass die Betriebe<br />
auch auf anderen Wegen <strong>Aus</strong>zubildende akquirieren. Als Bewerber werden Jugendliche erfasst,<br />
die im Laufe des Berichtsjahres eine betriebliche oder außerbetriebliche (z. B. schulische)<br />
Berufsausbildung beginnen wollen <strong>und</strong> eine Vermittlung durch die Berufsberatung<br />
wünschen. Wie die Kurve zeigt, steigt bzw. sinkt die Bewerberzahl mit einer leichten zeitlichen<br />
Verzögerung synchron zur Arbeitslosenquote. In wirtschaftlich schlechten Zeiten wird<br />
die Agentur für Arbeit von den Jugendlichen also stärker als Vermittlungsagent in Anspruch<br />
genommen als in wirtschaftlich guten Zeiten.<br />
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die wirtschaftliche Lage, hier gemessen als Arbeitslosenquote,<br />
offensichtlich den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt stärker beeinflusst als die Zahl der<br />
Jugendlichen, die auf diesen Markt drängen. Dies gilt für das Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen,<br />
das stärker mit der wirtschaftlichen Entwicklung als mit der Zahl der auf den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />
drängenden Jugendlichen kovariiert, aber auch für die Nachfrage, die bei gegebenen<br />
Opportunitäten flexibel reagiert <strong>und</strong> auf Alternativen ausweicht.<br />
Die Abhängigkeit von Arbeitsmarkt <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarkt zeigt sich auch, wenn Arbeitslosenquote<br />
<strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation gegenübergestellt werden (vgl. Abb. 8). Nach<br />
Artikel 6 Absatz 1 der nordrhein-westfälischen Verfassung soll der Jugend eine umfassende<br />
Möglichkeit zur Berufsausbildung <strong>und</strong> Berufsausübung gesichert werden. Wie die vergangene<br />
Entwicklung der Angebots-Nachfrage-Relationen zeigt, wurde dies 1992 im Arbeitsagenturbezirk<br />
Wesel einmal erreicht. In den folgenden Jahren verlief die Entwicklung jedoch weit<br />
unter dem Landesdurchschnitt, so dass beide Bezirke zu den Schlusslichtern in Nordrhein-<br />
Westfalen gehörten <strong>und</strong> damit die Forderung der Landesverfassung deutlich verfehlten.<br />
Abb. 8: Entwicklung von Arbeitslosenquote <strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation (ANR)<br />
130 %<br />
120 %<br />
Arbeitslosenquote NRW<br />
15%<br />
Angebots-<br />
Nachfrage-<br />
Relation:<br />
1991 1995 2005<br />
10% - NRW 115,2 101,3 94,7<br />
110 %<br />
- AA Wesel 112,8 96,8 92,1<br />
100 %<br />
90 %<br />
ANR<br />
A-Bezirk<br />
Duisburg<br />
ANR NRW<br />
ANR A-Bezirk Wesel<br />
5%<br />
- AA Duisburg<br />
Arbeitslosenquote<br />
NRW<br />
107,5 89,0<br />
10,3<br />
92,7<br />
12,9<br />
80 %<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit; B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung, Erhebung zum 30.09.; eigene Darstellung.<br />
70<br />
2005 0%
Nach einer Untersuchung von Ulrich u. a. (2006a) beschritten viele der bei der B<strong>und</strong>esagentur<br />
für Arbeit gemeldeten Bewerber aufgr<strong>und</strong> der prekären Wirtschaftslage alternative Wege:<br />
• über ein Drittel besuchte im Vermittlungsjahr 2004/2005 eine Schule (allgemein bildende<br />
Schule, Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr, Berufsfachschule, Hochschule, sonstige berufsbildende<br />
Schule),<br />
• ein Viertel bemühte sich um eine Arbeitsstelle <strong>und</strong><br />
• ein Zehntel trat eine berufsvorbereitende Maßnahme an.<br />
Gegenüber Anfang der neunziger Jahre sank die Quote der Jugendlichen, die auf betrieblichem,<br />
außerbetrieblichem oder schulischem Wege eine voll qualifizierende Berufsausbildung<br />
begann. Somit besteht die Gefahr, dass der Anteil der Jugendlichen, der dauerhaft ohne voll<br />
qualifizierenden Berufsabschluss bleibt (in den letzten Jahren r<strong>und</strong> 11 %), wieder ansteigt.<br />
Diese Entwicklung ist von besonderer Brisanz, da sich die Zahl der Jugendlichen zukünftig<br />
drastisch vermindern wird. Dies könnte zur Folge haben, dass es in Zukunft zu einem erheblichen<br />
Fachkräftemangel kommen könnte (vgl. Ulrich 2006b).<br />
6.1.2 Angebot <strong>und</strong> Nachfrage in Berufsgruppen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsbereichen<br />
Von den r<strong>und</strong> 350 <strong>Aus</strong>bildungsberufen wurde ein großer Teil der <strong>Aus</strong>zubildenden in nur einigen<br />
wenigen Berufen ausgebildet. Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe machen<br />
zusammengenommen etwa ein Drittel aller neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />
aus (vgl. Tab. 10). Ein Vergleich der Geschlechter zeigt, dass weibliche <strong>Aus</strong>bildungsanfängerinnen<br />
sich sehr viel deutlicher auf die zehn stärksten Berufe konzentrierten. Wie die Ergebnisse<br />
unserer Schülerbefragung zeigen, halten es Mädchen allerdings für nötig, verschiedene<br />
berufliche Möglichkeiten zu berücksichtigen (Einstellungsebene) <strong>und</strong> tun dies<br />
auch auf der Handlungsebene, wenn sie bei ihrer Berufswahl im Durchschnitt mehr Einzelberufe<br />
berücksichtigen als Jungen. Werden die einzelnen Berufswünsche zu Berufsgruppen<br />
zusammengefasst, ergibt sich jedoch ähnlich zu den hier dargestellten neu abgeschlossenen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsverträgen, die quasi das Resultat des Abstimmungsprozesses zwischen Berufswunsch<br />
<strong>und</strong> Berufsangebot sind, ein ähnliches Bild (vgl. Birkelbach 2006, S. 51, 53-57).<br />
Jungen verteilen sich auf verschiedene, nicht miteinander „verwandte“ Berufe während sich<br />
Mädchen auf ähnliche Berufe konzentrieren. Ob die ursprünglichen Berufswünsche der<br />
Mädchen während des Berufswahlprozesses an ein möglicherweise für weibliche <strong>Aus</strong>bildungsbeginner<br />
nur begrenzt vorhandenes Berufsangebot angepasst wurden oder ob sie<br />
schon in früheren Stadien der Berufswahl auf bestimmte Bereiche „vorprogrammiert“ waren,<br />
lässt sich nicht abschließend klären. Der Ansatz, beiden Geschlechtern typische Berufe des<br />
anderen Geschlechts, zum Kennen lernen darzubieten, wie zum Beispiel anhand des Girls<br />
71
Day, erscheint hier als richtiger Weg, weitere oder – bei seltenen Berufe – neue Berufsperspektiven<br />
aufzuzeigen. Insgesamt stammen die meisten der zehn hier aufgeführten <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />
aus dem kaufmännischen Bereich (vgl. Tab. 10). Bei den männlichen <strong>Aus</strong>bildungsbeginnern<br />
war die Mehrzahl der Berufe dem gewerblich-technischen Bereich <strong>und</strong> dem<br />
Handwerk zuzuordnen, bei den Frauen überwogen die kaufmännischen Berufe.<br />
In Tabelle 11 sind die neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge <strong>und</strong> die Angebots-<br />
Nachfrage-Relation für 13 Berufsgruppen dargestellt. Die beiden größten Berufsgruppen<br />
waren in allen Regionen die Waren- <strong>und</strong> Dienstleistungsberufe sowie die Verwaltungs- <strong>und</strong><br />
Büroberufe. Welche Berufe sich hinter den 13 vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsforschung gebildeten<br />
Berufsgruppen verbergen, ist den Beispielen in den Fußnoten von Tabelle 11 zu entnehmen.<br />
Die Geschlechterverteilung der <strong>Aus</strong>zubildenden ähnelt der Verteilung der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten (vgl. Tab. 11 <strong>und</strong> Tab. 16 im Anhang). Männliche Jugendliche<br />
waren in 2004 mehrheitlich in Fertigungsberufen, technischen <strong>und</strong> den sonstigen Berufen,<br />
weibliche Jugendliche überwiegend in Dienstleistungsberufen vertreten.<br />
Hinsichtlich der Angebots-Nachfrage-Relation (vgl. Tab. 11), bei der ein Wert von 100 ein<br />
Gleichgewicht von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage signalisiert, wichen folgende Berufsgruppen besonders<br />
stark vom Gesamtmittelwert ab. Negative Abweichungen ließen im Bezirk Duisburg<br />
für die Textilbekleidungs- <strong>und</strong> Lederberufe (83,3) <strong>und</strong> im Arbeitsagenturbezirk Wesel für die<br />
technischen Berufe (81,4) feststellen. Vom regionalen Gesamtwert positiv hoben sich in<br />
Duisburg die Verkehrsberufe (100,0) <strong>und</strong> in Wesel/Kleve die übrigen Fertigungsberufe (96,9)<br />
ab. Die Werte der übrigen Berufsgruppen lagen in der Nähe des jeweiligen regionalen Gesamtwertes.<br />
Selbst die günstigste Angebots-Nachfrage-Relation lag aber immer noch nahe<br />
bei bzw. unter 100 <strong>und</strong> signalisierte somit für das <strong>Aus</strong>bildungsjahr 2004 ein zu geringes <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebot.<br />
In Nordrhein-Westfalen war der Versorgungsgrad insgesamt zwar<br />
etwas besser, aber auch hier gab es kein Berufsfeld mit einem Stellenüberhang.<br />
Abschließend ist zu diesem Datenbereich anzumerken, dass in der Septembererhebung des<br />
B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung nicht zwischen den Merkmalen Deutsche <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder<br />
unterschieden wird. Allein in der Dezembererhebung des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes wird<br />
diese Unterscheidung vorgenommen. Allerdings wurden hier keine regionalisierten Ergebnisse<br />
veröffentlicht.<br />
72
73<br />
Tab. 10: Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe im Jahr 2004<br />
Arbeitsagenturbezirk Duisburg Arbeitsagenturbezirk Wesel Nordrhein-Westfalen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in % <strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in % <strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in %<br />
– <strong>Aus</strong>bildungsbeginner/innen gesamt –<br />
Bürokaufmann/-kauffrau 159 5,3 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 238 5,3 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 5.433 4,7<br />
Industriemechaniker/in 129 4,3 Bürokaufmann/-kauffrau 226 5,0 Industriekaufmann/-kauffrau 5.267 4,5<br />
Verkäufer/in 127 4,2 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 201 4,5 Bürokaufmann/-kauffrau 4.895 4,2<br />
Kaufmann/-frau im Einzelhandel 116 3,9 Verkäufer/in 199 4,4 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 4.276 3,7<br />
Kfm. für Bürokommunikation 115 3,8 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 155 3,4 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 4.011 3,5<br />
Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 101 3,4 Arzthelfer/in 142 3,1 Verkäufer/in 3.997 3,4<br />
Kraftfahrzeugmechatroniker/in 100 3,3 Friseur/in 141 3,1 Arzthelfer/in 3.591 3,1<br />
Kaufmann/-frau für Speditions-<br />
<strong>und</strong> Logistikdienstleistung 84 2,8 Industriekaufmann/-kauffrau 115 2,5 Friseur/in 3.525 3,0<br />
Zahnmed. Fachangestellte/r 84 2,8 Industriemechaniker/in 114 2,5 Industriemechaniker/in 3.121 2,7<br />
Elektroniker/in f. Betriebstechnik 82 2,7 Tischler/in 111 2,5 Zahnmed. Fachangestellte/r 2.955 2,5<br />
Gesamt 1.074 36,6 Gesamt 1.642 36,4 Gesamt 41.069 35,4<br />
Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 2.995 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 4.515 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 115.987 100,0<br />
– Männliche <strong>Aus</strong>bildungsbeginner –<br />
Kraftfahrzeugmechatroniker/in 128 7,1 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 197 7,4 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 4.170 6,1<br />
Elektroniker/in<br />
Kaufmann/-frau für Speditions-<br />
97 5,4 Industriemechaniker/in 114 4,3 Industriemechaniker/in 3.050 4,5<br />
<strong>und</strong> Logistikdienstleistung 81 4,5 Elektroniker/in 108 4,0 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 2.625 3,9<br />
Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 63 3,5 Tischler/in 105 3,9 Industriekaufmann/-frau 2.379 3,5<br />
Mechatroniker/in 62 3,5 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 100 3,7 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 2.377 3,5<br />
Anlagenmechaniker/in für Sani-<br />
Anlagenmechaniker/in für Sani-<br />
Bürokaufmann/-kauffrau 56 3,1 tär-, Heizungs- <strong>und</strong> Klimatechnik 97 3,6 tär-, Heizungs- <strong>und</strong> Klimatechnik 2.212 3,2<br />
Maler/in <strong>und</strong> Lackierer/in 56 3,1 Metallbauer/in 94 3,5 Maler/in <strong>und</strong> Lackierer/in 2.133 3,1<br />
Anlagenmechaniker/in 55 3,1 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 93 3,5 Elektroniker/in (HW) 1.983 2,9<br />
Speditionskaufmann/-kauffrau 55 3,1 Maler/in <strong>und</strong> Lackierer/in 85 3,2 Tischler/in 1.869 2,7<br />
Kaufmann/-frau im Einzelhandel 54 3,0 Mechatroniker/in 82 3,1 Koch/Köchin 1.849 2,7<br />
Gesamt 707 39,4 Gesamt 1.075 40,2 Gesamt 24.647 36,2<br />
Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 1.796 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 2.672 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 68.136 100,0
74<br />
Fortsetzung: Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe im Jahr 2004<br />
Arbeitsagenturbezirk Duisburg Arbeitsagenturbezirk Wesel Nordrhein-Westfalen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in % <strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in % <strong>Aus</strong>bildungsberuf Anzahl in %<br />
– Weibliche <strong>Aus</strong>bildungsbeginner –<br />
Bürokaufmann/-kauffrau 103 8,6 Bürokaufmann/-kauffrau 335 18,2 Arzthelfer/in 3.570 7,5<br />
Kfm. für Bürokommunikation 90 7,5 Arzthelfer/in 141 7,7 Bürokaufmann/-frau 3.281 6,9<br />
Zahnmed. Fachangestellte/r 84 7,0 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 138 7,5 Friseur/in 3.117 6,5<br />
Verkäufer/in 77 6,4 Friseur/in 135 7,3 Zahnmed. Fachangestellte/r 2.943 6,2<br />
Arzthelfer/in 73 6,1 Verkäufer/in 122 6,6 Industriekaufmann/-frau 2.888 6,0<br />
Friseur/in 70 5,8 Zahnmed. Fachangestellte/r 104 5,6 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 2.808 5,9<br />
Kaufmann/-frau im Einzelhandel 62 5,2<br />
Fachverkäufer/in im Nahrungsmittelhandwerk<br />
98 5,3 Verkäufer/in 2.505 5,2<br />
Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 38 3,2 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 62 3,4 Kfm. für Bürokommunikation 2.061 4,3<br />
Industriekaufmann/-frau<br />
Fachverkäufer/in im Nahrungs-<br />
35 2,9 Industriekaufmann/-frau 59 3,2 Kfm. im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel 1.634 3,4<br />
mittelhandwerk 31 2,6 Bankkaufmann/-kauffrau 55 3,0 Bankkaufmann/-frau 1.565 3,3<br />
Gesamt 663 55,3 Gesamt 1.249 67,8 Gesamt 26.372 55,1<br />
Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 1.199 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 1.843 100,0 Alle <strong>Aus</strong>bildungsberufe 47.851 100,0<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (BIBB), Erhebung zum 30. September 2004; eigene Berechnungen.<br />
Notiz: Anzahl = Anzahl der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge.
75<br />
Tab. 11: Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge <strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation unterteilt nach Berufsgruppen<br />
Arbeitsagenturbezirk Duisburg Arbeitsagenturbezirk Wesel Nordrhein-Westfalen<br />
Neu abgeschlossene<br />
<strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />
2004<br />
Anzahl<br />
in %<br />
weiblich<br />
(in %)<br />
Angebots-<br />
Nachfrage-<br />
Relation<br />
2003<br />
2004<br />
Neu abgeschlossene<br />
<strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />
2004<br />
Anzahl<br />
in %<br />
weiblich<br />
(in %)<br />
Angebots-<br />
Nachfrage-<br />
Relation<br />
2003<br />
2004<br />
Neu abgeschlossene<br />
<strong>Aus</strong>bildungsverträge<br />
2004<br />
Anzahl<br />
in %<br />
weiblich<br />
(in %)<br />
Angebots-<br />
Nachfrage-<br />
Relation<br />
Fertigungsberufe<br />
davon:<br />
1.096 36,6 7,5 . . 1.734 38,4 6,7 . . 41.519 35,8 7,7 . .<br />
- Metallberufe ) 247 8,2 2,4 97,2 92,2 527 11,7 0,9 95,3 89,6 12.558 10,8 1,8 96,2 94,3<br />
- Elektriker 2) 270 9,0 3,0 98,5 99,3 316 7,0 1,6 92,3 91,1 6.695 5,8 2,9 96,2 95,8<br />
- Textilbekleidungs- u. Lederberufe 5 0,2 80,0 100,0 83,3 31 0,7 51,6 91,2 91,2 502 0,4 49,0 91,0 96,0<br />
- Ernährungsberufe 93 3,1 26,9 93,6 90,5 177 3,9 22,0 95,0 90,0 4.193 3,6 21,7 101,2 96,9<br />
- Bau- <strong>und</strong> Baunebenberufe 3) - Übrige Fertigungsberufe<br />
155 5,2 5,2 96,6 91,7 306 6,8 3,9 93,6 87,2 6.678 5,8 6,4 96,7 93,1<br />
4)<br />
326 10,9 9,5 98,7 99,1 377 8,3 10,3 96,7 96,9 10.893 9,4 10,9 98,6 98,5<br />
Technische Berufe 90 3,0 15,6 97,1 94,8 105 2,3 34,3 82,1 81,4 4.807 4,1 25,9 94,4 92,9<br />
Dienstleistungsberufe 1.694 56,6 62,8 . . 2.297 50,9 68,5 . . 64.212 55,4 65,3 . .<br />
davon:<br />
- Waren- u. Dienstleistungsberufe 5) 808 27,0 48,4 95,7 96,2 1.130 25,0 56,8 94,7 88,0 29.047 25,0 52,2 97,0 94,5<br />
- Verkehrsberufe 35 1,2 37,1 100,0 100,0 8 0,2 0,0 90,9 88,9 498 0,4 22,9 97,9 97,7<br />
- Verwaltungs- <strong>und</strong> Büroberufe 6) 491 16,4 70,9 97,0 95,4 574 12,7 70,6 94,1 87,4 19.282 16,6 68,4 97,1 95,2<br />
- Körperpflege-, Hauswirtschafts-<br />
<strong>und</strong> Reinigungsberufe 7) 170 5,7 78,2 94,3 94,2 294 6,5 85,4 93,6 89,4 7.654 6,6 80,0 97,1 95,0<br />
- Übrige Dienstleistungsberufe 8) 190 6,3 93,7 97,5 94,2 291 6,4 94,8 94,6 88,3 7.731 6,7 94,6 98,2 94,8<br />
Sonstige Berufe 9) 115 3,8 34,8 96,8 95,9 379 8,4 30,9 94,0 96,2 5.449 4,7 27,2 96,9 96,8<br />
Gesamt 2.995 100,0 40,0 96,8 95,6 4.515 100,0 40,8 94,2 89,6 115.987 100,0 41,3 97,1 95,1<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (BIBB), Erhebung zum 30. September 2004; eigene Berechnungen.<br />
1) Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- u. Klimatechnik, Kraftfahrzeugmechatroniker/in, Industriemechaniker/in u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />
2) Elektroniker/in, Energieelektroniker/in, Kommunikationselektroniker/in, Mechatroniker/in, Systemelektroniker/in u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />
3) Asphaltbauer/in, Beton- u. Stahlbauer/in, Fliesen-, Platten- u. Mosaikleger/in, Maurer/in, Maler u. Lackier/in, Tischler/in, Wasserbauer/in u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />
4) Baustoffprüfer/in, Chemielaborant/in, Drucker/in, Eisenbahner/in im Betriebsdienst, Keramiker/in, Maskenbildner/in, Uhrmacher/in, Zimmerer/in u. v. m. (vgl. BIBB 2004).<br />
5) Bank-, Versicherungs-, Einzelhandels-, Groß- u. Außenhandels-, Speditions-, Automobil-, Reiseverkehrskaufleute, Verkäufer/in, Apothekenhelfer/in u. a. (vgl. BIBB 200$).<br />
2003<br />
2004
Weitere Notizen zu Tabelle 11:<br />
6)<br />
Büro-, Industriekaufmann/-frau, Verwaltungsfachangestellte/r, Steuerfachangestellte/r u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />
7)<br />
Fachkraft für Kreislauf- u. Abfallwirtschaft, Fachkraft im Gastgewerbe, Hotelkaufmann/-frau, Friseur/in, Kosmetiker/in,<br />
Hauswirtschafter/in u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />
8)<br />
Arzt-, Tierarzt, Zahnarzthelfer/in, Zahnmed. Fachangestellte/r, Bestattungsfachkraft, Tierpfleger/in, Fachmann<br />
für Systemgastronomie u. a. (vgl. BIBB 2004).<br />
9)<br />
Behindertenberufe, Fahrzeuglackierer/in, Modenäher/in, Steinmetz u. -bildhauer/in, Forstwirt/in, Gärtner/in,<br />
Landwirt/in, Tierwirt/in, Winzer/in (vgl. BIBB 2004).<br />
Zusammenfassend ist zu konstatieren:<br />
• Die neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge sind in 2005 gegenüber dem Vorjahr weiter<br />
stark gesunken, die Angebots-Nachfrage-Relation lag mit 92,7 in Duisburg <strong>und</strong> 92,1 in<br />
Wesel/Kleve weit unter dem rechnerischen <strong>Aus</strong>gleich von 100. Auch eine Betrachtung<br />
nach 13 Berufsfeldern zeigte keine Angebotsüberhänge in einem Berufsfeld, wie dies bei<br />
weniger beliebten Berufen (Arbeitszeiten, -bedingungen, Bezahlung usw.) der Falle hätte<br />
sein können. Das Potenzial verfügbarer <strong>Aus</strong>bildungsstellen wurde in beiden Bezirken offenbar<br />
vollständig ausgeschöpft.<br />
• Die Lehrstellenlücke (noch nicht vermittelte Bewerber abzüglich der unbesetzten <strong>Aus</strong>bildungsstellen)<br />
lag 2005 bei 370 fehlenden Plätzen. Allerdings täuscht diese Rechnung<br />
darüber hinweg, dass die Nachfrage elastisch auf das Angebot reagiert. Es gibt also einen<br />
viel größeren Teil von Jugendlichen, die eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle suchen, aber zumindest<br />
vorübergehend auf eine Alternative wie einen schulischen Bildungsgang ausweicht<br />
(vgl. Ulrich u.a. 2006a).<br />
• Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe vereinten über ein Drittel der neu<br />
abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge, dabei lag die Konzentration bei den weiblichen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsbeginnern deutlich höher als bei den männlichen Jugendlichen. Solange dies<br />
die Angebotsstruktur widerspiegelt, worauf die kaum noch vorhandenen offenen Stellen<br />
hinweisen, mag diese Konzentration hinnehmbar erscheinen. Unter dem Aspekt geschlechtstypische<br />
Berufe für das andere Geschlecht zu öffnen, müssen hier in der Berufswahlorientierung<br />
neue Wege wie mit dem Girls Day beschritten werden. Dies erscheint<br />
gerade langfristig eine notwendige Strategie zu sein, wenn in bestimmten Berufen<br />
oder Bereichen (z. B. Ingenieure oder Metallverarbeitendes Gewerbe) die Fachkräfte<br />
fehlen werden <strong>und</strong> dies bspw. durch ein erhöhtes Interesse der Frauen an diesen Berufen<br />
etwas ausgeglichen werden könnte. Zumal die Erwerbstätigkeitsneigung bei den<br />
Frauen zunimmt <strong>und</strong> sie auch daher ein wichtiges Zukunftspotenzial bilden.<br />
6.2 <strong>Berufliche</strong> Schulen<br />
Im Herbst 2004 besuchten insgesamt 41.225 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine der 52 beruflichen<br />
Schulen am Niederrhein. Der größte Teil (92,4 %, absolut 38.105) ging auf eines der 23<br />
76
Berufskollegs. 5 Auf die 27 am Niederrhein ansässigen Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens verteilten<br />
sich 2.546 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler (6,2 %). Die übrigen 574 Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler (1,5 %) wurden in den beiden im Kreis Wesel bestehenden Sonderschulen unterrichtet.<br />
Für das Schuljahr 2005/2006 existierten bisher nur die Daten für die Berufskollegs, daher<br />
fehlen die Daten zu den Sonderschulen <strong>und</strong> Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens in Tabelle 12.<br />
Am 15. Oktober 2005 wurden insgesamt 39.723 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an den niederrheinischen<br />
Berufskollegs gezählt, dies entspricht einer Zunahme von 4,3 % gegenüber dem<br />
Vorjahr.<br />
Innerhalb der Berufskollegs war die Berufsschule die am häufigsten besuchte Schulform. In<br />
den beiden Kreisen nahm sie etwa die Hälfte <strong>und</strong> in Duisburg 65,3 % aller Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler auf (vgl. Tab. 12). Die zweitstärkste Schulform bestand aus der Gruppe der ein- <strong>und</strong><br />
mehrjährigen Bildungsgänge der Berufsfachschulen. Die Fachschulen bildeten 2005 die<br />
drittgrößte Schulform an den Berufskollegs. Die „kleinsten“ Bildungsgänge sind die Fachoberschule,<br />
das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> die Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr.<br />
Nur an den Berufsfachschulen findet man eine ausgeglichene Verteilung der Geschlechter<br />
(vgl. Tab. 12). In den – hier nicht aufgeführten – Sonderschulen <strong>und</strong> dem berufsschulischen<br />
Bereich überwiegen die männlichen Schüler, während die Frauen in den Fachoberschulen,<br />
den Fachschulen <strong>und</strong> besonders in den Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens stark vertreten<br />
sind.<br />
Ein Vergleich der Anteile ausländischer Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an beruflichen Schulen<br />
(vgl. Tab. 12) mit dem Anteil der ausländischen Bevölkerung im etwa ähnlichen Alter von 15<br />
bis unter 25 Jahren zeigt, dass die ausländischen Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in der Vorklasse<br />
zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> dem Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr stark überrepräsentiert waren, was<br />
auf besondere Schwierigkeiten beim Erreichen eines (adäquaten) Schulabschlusses hinweist.<br />
In den Bildungsgängen der Berufsfachschulen, die verschiedene Zugangsvoraussetzungen<br />
haben, waren die ausländischen Jugendlichen ebenfalls stark vertreten. In der Berufsschule<br />
<strong>und</strong> in den höher qualifizierenden Bildungsgängen lagen sie hingegen weit zurück.<br />
Zum Vergleich: Im Jahr 2003 lag der Anteil der ausländischen Bevölkerung im Alter von<br />
15 bis unter 25 Jahren im Kreis Kleve bei 7,7 %, im Kreis Wesel bei 11,0 % <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />
bei 15,1 %. Der Bevölkerungsanteil der 15- bis 24jährigen kann hier allerdings<br />
nur als grober Indikator dienen, da die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in den einzelnen Bildungsgängen<br />
unterschiedliche Altersstrukturen aufweisen.<br />
5 Von den 23 Berufskollegs entfallen 10 auf Duisburg, 6 auf den Kreis Kleve <strong>und</strong> 7 auf den Kreis Wesel.<br />
77
Tab. 12: Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an den Berufskollegs im Schuljahr 2005/2006 1)<br />
Duisburg<br />
Schulen<br />
78<br />
Schülerbestand<br />
gesamt Frauen <strong>Aus</strong>Veränländerder. 2)<br />
absolut absolut in % in % in % in %<br />
Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 6 203 1,1 41,4 26,6 14,7<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 4 551 3,0 52,8 33,8 -27,5<br />
Berufsschule 10 12.062 65,3 34,5 13,3 -0,9<br />
Berufsfachschule 9 4.003 21,7 52,5 21,3 49,8<br />
Fachoberschule 4 454 2,5 65,0 17,2 31,6<br />
Fachschule 6 1.201 6,5 49,4 6,4 45,0<br />
Berufskollegs insgesamt 3) 10 18.474 100,0 40,8 15,4 8,5<br />
Kreis Kleve<br />
Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 2 102 1,1 28,4 5,9 52,2<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 2 386 4,1 30,6 7,8 41,9<br />
Berufsschule 2 4.826 51,5 37,8 2,8 -3,5<br />
Berufsfachschule 3 2.603 27,8 54,8 3,9 41,2<br />
Fachoberschule 3 581 6,2 70,2 1,0 54,1<br />
Fachschule 5 871 9,3 67,4 3,6 0,5<br />
Berufskollegs insgesamt 3) 6 9.369 100,0 46,9 3,3 11,2<br />
Kreis Wesel<br />
Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 2 118 1,0 55,1 22,9 -30,2<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 3 453 3,8 30,7 21,2 32,5<br />
Berufsschule 5 5.678 47,8 40,2 10,2 -5,6<br />
Berufsfachschule 7 4.344 36,6 52,6 10,3 68,7<br />
Fachoberschule 3 403 3,4 71,7 9,2 25,2<br />
Fachschule 5 884 7,4 62,2 4,5 8,7<br />
Berufskollegs insgesamt 3) 7 11.880 100,0 47,2 10,3 16,1<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 131 6.005 1,0 39,5 27,9 10,2<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 167 17.088 2,9 37,2 18,5 47,3<br />
Berufsschule 266 349.218 60,1 39,5 8,1 -7,3<br />
Berufsfachschule 304 139.852 24,1 51,4 11,3 46,1<br />
Fachoberschule 192 23.520 4,0 62,8 5,9 33,1<br />
Fachschule 261 45.418 7,8 54,0 4,8 15,0<br />
Berufskollegs insgesamt 3) 357 581.101 100,0 44,4 9,0 6,2<br />
Quelle: LDS NRW; Stichtag jeweils der 15.10.; eigene Berechnung <strong>und</strong> Darstellung.<br />
1) Öffentliche <strong>und</strong> private Schulen.<br />
2) Prozentuale Veränderung zwischen 2005/06 <strong>und</strong> 2000/01 (Basisjahr).<br />
3) Ohne Sonderschulen; ab Schuljahr 2000/01 einschl. auslaufender Bildungsgänge der ehemaligen<br />
Kollegschulen, die den einzelnen Schularten nicht zugeordnet werden können.<br />
In den Schuljahren 2000/01 bis 2005/06 nahm die Zahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an<br />
Berufskollegs zu, während die größte Schulform, die Berufsschule, aufgr<strong>und</strong> der schlechten<br />
Lage auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt in allen Regionen an Bedeutung verlor. Von dieser Entwicklung<br />
profitierten insbesondere die Berufsfachschulen, deren Schülerzahlen in allen Regionen<br />
besonders stark anstiegen. Die längerfristige Entwicklung der einzelnen Bildungsgänge seit<br />
1995 ist Abbildung 9 zu entnehmen. Bei der Interpretation ist der sprunghafte Anstieg zwischen<br />
1999 <strong>und</strong> 2000 zu beachten, der nicht aus einem plötzlichen Zustrom von Schulan-
fängern, sondern auf der Auflösung der Kollegschulen <strong>und</strong> deren Eingliederung in die Berufskollegs<br />
resultiert, weshalb in Tabelle 12 ein kürzerer Zeitraum gewählt wurde. Von dieser<br />
Änderung unbeeinflusst blieben die Sonderschulen <strong>und</strong> die Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />
die in Abbildung 9 zusätzlich mit aufgenommen wurden. Ihre Entwicklungslinie endet<br />
aber 2004, da bei der Erstellung der Grafik noch keine Daten für das Schuljahr 2005/06 vorlagen.<br />
Durch den Sprung bei den Schülerzahlen im Berufskolleg zwischen 1999 <strong>und</strong> 2000 ist<br />
es zunächst schwierig einen Vergleich mit den Sonderschülern herzustellen. Die aufgelösten<br />
Kollegschulen gab es lediglich in Duisburg, in den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel existierten diese<br />
nicht. Dort entwickelte sich die Anzahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an den Berufskollegs<br />
monoton leicht ansteigend, so dass der Anstieg bei den Sonderschulen überproportional<br />
dazu verlief <strong>und</strong> hier durch den Sprung verdeckt wird. Dieser überproportionale Anstieg der<br />
Sonderschüler könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese Schulform in wirtschaftlich<br />
schlechten Zeiten zunehmend als ein Auffangbecken für Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit geringen<br />
Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt fungiert. Es zeigt sich, dass die Begriffe <strong>und</strong> Definitionen<br />
von Lernbehinderung, Berufsreife oder Arbeitsreife in hohem Maße von wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen abhängen. Zum Beispiel beeinflusst die Situation am <strong>Aus</strong>bildungsmarkt,<br />
wer als der „Norm“ entsprechend klassifiziert werden kann <strong>und</strong> wer als benachteiligt<br />
oder gar behindert gelten muss:<br />
„Wenn neuerdings die Zahl der ‚Lernbehinderten’ <strong>und</strong> ‚Leistungsgeschwächten’ zuzunehmen<br />
scheint, dann nur, weil die Jugendlichen mit den relativ schlechtesten schulischen<br />
Vorleistungen am meisten von der ökonomischen Entwicklung betroffen werden<br />
– will man nicht an eine überraschende Änderung des genetischen Potenzials der Begabungen<br />
glauben. Der Begriff der Arbeits- <strong>und</strong> Berufsunreife bzw. der Behinderung erfährt<br />
offenbar eine durch wirtschaftliche Entwicklung bestimmte Umdefinition, deutlich<br />
gesagt, man ist weniger ‚behindert’, sondern man wird behindert durch den Arbeits<strong>und</strong><br />
<strong>Aus</strong>bildungsstellenmangel“ (Harten 1977, zit. n. Petzold u. a. 1987, S. 17).<br />
Die „Ges<strong>und</strong>heitsschulen“ verzeichneten anfangs einen Rückgang ihrer überwiegend weiblichen<br />
Schülerschaft um etwa 10 % <strong>und</strong> verharren seitdem auf diesem Niveau. Die <strong>Aus</strong>bildung<br />
in den Ges<strong>und</strong>heitsberufen verlief aber im Vergleich zu den Berufsschulen dennoch<br />
positiver. Gegenüber der Entwicklung des Berufskollegs als Ganzem entwickelte sich die<br />
bedeutendste Schulform, die Teilzeit-Berufsschule, insbesondere ab dem Jahr 2000 unterdurchschnittlich<br />
(vgl. Abb. 9). Zugenommen haben hingegen die drei vollzeitschulischen Bildungsgänge<br />
Berufsfachschule, Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
selbst. Den einjährigen Bildungsgang der Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
besuchen Jugendliche, die keinen Hauptschul- oder gleichwertigen Abschluss erreicht haben.<br />
In das ebenfalls einjährige Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr werden Jugendliche aufgenommen,<br />
die sich nach dem Hauptschulabschluss bzw. dem Besuch der Vorklasse schulisch weiterqualifizieren<br />
<strong>und</strong> zugleich eine berufliche Gr<strong>und</strong>bildung erwerben möchten. Beide Bildungsgänge<br />
nehmen damit einen Teil der Jugendlichen auf, die sich am unteren Rande des Quali-<br />
79
fikationsspektrums befinden <strong>und</strong> somit nur geringe <strong>Aus</strong>sichten auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle auf<br />
dem weiterhin sehr angespannten <strong>Aus</strong>bildungsmarkt haben.<br />
Abb. 9: Entwicklung der Schulformen an den Berufskollegs des Niederrheins von 2000<br />
bis 2005<br />
450 %<br />
400 %<br />
350 %<br />
300 %<br />
250 %<br />
200 %<br />
150 %<br />
100 %<br />
50 %<br />
0 %<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Quelle: LDS NRW; Stichtag: 15.10.; eigene Darstellung.<br />
Vorklasse zum<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
Berufsschule<br />
Berufsfachschule<br />
Fachoberschule<br />
Fachschule<br />
Berufskollegs insgesamt<br />
Sonderschule<br />
Schulen des<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
Die Berufsfachschule umfasst ein sehr differenziertes Bündel an ein-, zwei- <strong>und</strong> dreijährigen<br />
vollzeitschulischen, teilweise auch teilzeitschulischen Bildungsgängen, die nach dem zu erreichenden<br />
Schulabschluss geordnet werden können (vgl. hierzu auch APO-BK 6 ). Gemein ist<br />
allen Bildungsgängen, dass sie entweder eine berufliche Gr<strong>und</strong>bildung oder auch eine Berufsausbildung<br />
nach Landesrecht vermitteln. Bildungsgänge, welche einen mittleren Schulabschluss<br />
(Fachoberschulreife) vermitteln, fordern als Aufnahmevoraussetzung den Hauptschulabschluss<br />
<strong>und</strong> dauern zwei Jahre. Bei Jugendlichen mit Fachoberschulreife oder erfolgreichem<br />
Besuch des Berufsgr<strong>und</strong>schuljahres können die meisten Angebote auf ein Jahr verkürzt<br />
werden. Des Weiteren gibt es noch eine Fülle von Bildungsgängen, die die Fachhochschulreife<br />
oder auch die allgemeine Hochschulreife vermitteln <strong>und</strong> als Eingangsvoraussetzung<br />
mindestens die Fachoberschulreife bzw. die Fachoberschulreife mit Berechtigung zum<br />
Besuch der gymnasialen Oberstufe erfordern. Sie dauern ein bis drei Jahre. Daten zu den<br />
einzelnen Bildungsgängen mit ihrem je unterschiedlichem Abschlussniveau lagen für eine<br />
weiter differenzierende Analyse nicht vor, so dass an dieser Stelle nicht überprüft werden<br />
konnte, ob hier eher die niedriger oder die höher qualifizierten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den<br />
starken Anstieg dieser Schulform verursachten.<br />
6<br />
Verordnung über die <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Prüfung in den Bildungsgängen des Berufskollegs (APO-BK) vom 26.<br />
Mai 1999, zuletzt geändert am 11. Dezember 2004.<br />
80
Die Fachoberschule entwickelte sich in den ersten Jahren durchschnittlich, fiel dann etwas<br />
zurück <strong>und</strong> legt seitdem überdurchschnittlich zu. Als Eingangsvoraussetzung fordert die<br />
Fachoberschule einen mittleren (Real-)Schulabschluss <strong>und</strong> vermittelt nach Beendigung der<br />
zwei Schuljahre die Berechtigung zur Aufnahme eines Studiums an einer Fachhochschule.<br />
Sie kann auch nach Abschluss einer Berufsausbildung besucht werden, um so auf dem<br />
zweiten Bildungsweg eine Studienberechtigung zu erlangen.<br />
Die Entwicklung der Fachschule verlief anfangs durchschnittlich, profitierte von der Zusammenlegung<br />
der Kollegschulen mit den Berufskollegs nur teilweise <strong>und</strong> blieb seitdem auf unterdurchschnittlichem<br />
Niveau, obwohl sie im Vergleich zum gesamten Berufskolleg wieder<br />
stärker ansteigt. Die an den Berufskollegs befindlichen Fachschulen vermitteln, aufbauend<br />
auf einer beruflichen Erstausbildung, eine berufliche Weiterbildung <strong>und</strong> ermöglichen in den<br />
mindestens zweijährigen Bildungsgängen zusätzlich den Erwerb der Fachhochschulreife.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der steigenden Zahlen von Schulabgängern ohne Schulabschluss steigen die<br />
Schülerzahlen in der Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>bildungsjahr. Zudem wirkt sich die angespannte<br />
Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt auch negativ auf die Schulabsolventen mit einem<br />
Hauptschulabschluss aus, so dass diese Gruppe vermehrt ein Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
durchläuft. Mengenmäßig am bedeutsamsten waren jedoch die Berufsfachschulen, die einen<br />
großen Teil der ausbildungswilligen Jugendlichen auffingen <strong>und</strong> in Zeiten eines knappem<br />
Lehrstellenangebots als Puffer <strong>und</strong> zum Teil lediglich als Vorstufe zur Aufnahme einer betrieblichen<br />
<strong>Aus</strong>bildung fungieren (vgl. Rheinberg/Hummel 2002, S. 590). Wird die Berufsfachschule<br />
zur Berufsvorbereitung <strong>und</strong> Höherqualifizierung genutzt, mag dies bildungsökonomisch<br />
sinnvoll sein, wenn dies nicht schon in der allgemein bildenden Schule hätte geschehen<br />
können. Wird allerdings eine schulische Berufsausbildung absolviert, um daran eine<br />
betriebliche anzuschließen, dürfte der volkswirtschaftliche Mehrwert wohl eher fraglich sein.<br />
Auch aus Sicht der Jugendlichen werden die vollzeitschulischen Bildungsgänge zum großen<br />
Teil als Warteschleife wahrgenommen, wie unsere eigene Schülerbefragung zeigt (vgl. Birkelbach<br />
2006, S. 45-49). Allerdings schwindet diese Sicht mit zunehmender Qualifizierungsfunktion<br />
des Bildungsgangs. Nur noch ein kleiner Teil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der ebenfalls<br />
am Berufskolleg angebotenen gymnasialen Oberstufe (Wirtschaftsgymnasium, Teil<br />
der Berufsfachschulen) sieht diesen Bildungsgang als Warteschleife.<br />
Festzuhalten bleibt, dass in wirtschaftlich angespannten Zeiten die vollzeitschulischen Bildungsgänge<br />
mit niedrigschwelligen Qualifizierungsangeboten vermutlich aufgr<strong>und</strong> des Verdrängungswettbewerbs<br />
stark zugenommen haben <strong>und</strong> zur Zeitüberbrückung, aber auch zur<br />
Höherqualifizierung genutzt werden. In der Folge verschwimmt der früher altersmäßig noch<br />
relativ klar abgegrenzte Übergang an der ersten Schwelle (Schule – Berufsausbildung) zunehmend<br />
durch „Maßnahmekarrieren“, wozu auch die von der Arbeitsagentur angebotenen<br />
Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen gezählt werden können.<br />
81
6.3 Berufsvorbereitende Maßnahmen<br />
Die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (§ 61 SGB III) sind ein weiteres Instrument<br />
im Übergang an der ersten Schwelle. 7 Da im Herbst 2004 der Übergang vom alten Maßnahmekonzept<br />
8 zum neuen Fachkonzept stattfand, werden hier nicht die einzelnen auslaufenden<br />
Maßnahmen, sondern die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen als Ganzes dargestellt<br />
(vgl. Tab. 13). Es handelt sich hierbei um Unterstützungsangebote zur Vorbereitung auf eine<br />
Berufsausbildung, die von außerbetrieblichen Bildungsträgern durchgeführt werden. In 2004<br />
nahmen am Niederrhein 2.157 Personen an diesen Maßnahmen teil. Werden die 1.750<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus der am Berufskolleg angebotenen Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
<strong>und</strong> dem Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr hinzugerechnet, befanden sich im Jahre 2004<br />
insgesamt 3.907 Jugendliche in berufsvorbereitenden Bildungsgängen. Werden die Teilnehmerinnen<br />
<strong>und</strong> Teilnehmer ins Verhältnis zu den Schulabsolventen allgemein bildender<br />
Schulen gesetzt, ergeben sich die folgenden Anteile: 12,2 % im Bezirk Wesel, 12,8 % in<br />
Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong> 18,5 % in Duisburg. Im Vergleich zum Vorjahr ging die Teilnehmerzahl<br />
an Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen im Arbeitsagenturbezirk Duisburg leicht<br />
zurück, während sie im Arbeitsagenturbezirk Wesel etwas zunahm.<br />
Des weiteren bietet § 241 (1) SGB III ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) mit dem Ziel der<br />
Unterstützung von Lernbeeinträchtigten <strong>und</strong> sozial Benachteiligten sowie <strong>Aus</strong>zubildenden<br />
an, die ohne Förderung eine betriebliche <strong>Aus</strong>bildung nicht beginnen, fortsetzen oder erfolgreich<br />
beenden könnten (vgl. BMBF 2005, S. 61). Diese Maßnahmen können mit Beginn der<br />
<strong>Aus</strong>bildung anlaufen <strong>und</strong> bis zu deren Ende andauern (ebenda, S. 62). <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende<br />
Hilfen wurden am Niederrhein von r<strong>und</strong> 600 Personen genutzt. Wird die Zahl der <strong>Aus</strong>zubildenden<br />
in ausbildungsbegleitenden Hilfen in Relation gesetzt zu allen <strong>Aus</strong>zubildenden<br />
(Stichtag 30.06.2004), ergibt sich für den Bezirk Duisburg ein Anteil von 5,7 %, für den Bezirk<br />
Wesel ein Anteil von 3,8 % <strong>und</strong> für Nordrhein-Westfalen ein Anteil von 7,3 %. Auch wenn<br />
7<br />
Da keine aktuellen regionalisierten Daten im Internetangebot der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit zu finden waren –<br />
auch Zeitreihendaten fehlen –, wurde auf die erst kürzlich, am 27.03.2006 ins Internet eingestellten Daten zu<br />
den Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmern an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der Berufsbildung zurückgegriffen.<br />
Sie entstammen den vom Ministerium für Arbeit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
herausgegebenen „Regionaldaten zur beruflichen Bildung in Nordrhein-Westfalen" (vgl. MAGS<br />
2006).<br />
8<br />
Ein Beispiel ist der so genannte G-Lehrgang, ein Gr<strong>und</strong>ausbildungslehrgang für gr<strong>und</strong>sätzlich ausbildungsreife<br />
Jugendliche, die aber eine zusätzliche Unterstützung benötigen (vgl. BA 1996). Im Sommer 2004 wurden die<br />
einzelnen Angebote in das neue Fachkonzept der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit überführt, mit dem nun eine stärker<br />
auf die individuellen Bedürfnisse abgestellte Förderpraxis erfolgen soll (vgl. BMBF 2005, S. 44-48).<br />
82
diese Quote mit gewissen statistischen Unschärfen verb<strong>und</strong>en ist, markiert dieser Indikator<br />
ungefähr die Größe des Problempotenzials. Im Vergleich zum Vorjahr ging diese Maßnahme<br />
im Duisburger Bezirk um ein Drittel <strong>und</strong> im Weseler Bezirk um die Hälfte zurück, während in<br />
Nordrhein-Westfalen nur ein leichter Rückgang stattfand (vgl. Tab. 13).<br />
Tab. 13: Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen<br />
der Berufsbildung 2004<br />
Art der Bildungsmaßnahme<br />
Anzahl Verteilung<br />
(in %)<br />
83<br />
Bestand<br />
Frauenanteil<br />
(in %)<br />
<strong>Aus</strong>länderanteil<br />
(in %)<br />
Veränderung<br />
2003/2004<br />
(in %)<br />
Arbeitsagenturbezirk Duisburg<br />
- Berufsvorb. Bildungsmaßnahm. 994 57,0 39,8 20,5 -1,9<br />
- <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende Hilfen 310 17,8 39,7 18,7 -29,2<br />
- BA in außerbetriebl. Einrichtung 439 25,2 32,1 27,1 5,8<br />
Gesamt 1.743 100,0 37,9 21,9 -6,6<br />
Arbeitsagenturbezirk Wesel<br />
- Berufsvorb. Bildungsmaßnahm. 1.163 62,5 40,9 9,2 5,2<br />
- <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende Hilfen 283 15,2 33,9 10,2 -48,8<br />
- BA in außerbetriebl. Einrichtung 416 22,3 35,6 12,0 0,7<br />
Gesamt 1.862 100,0 38,7 10,0 -10,1<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
- Berufsvorb. Bildungsmaßnahm. 26.653 56,2 40,5 13,4 5,5<br />
- <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende Hilfen 13.576 28,6 29,7 15,1 -4,7<br />
- BA in außerbetriebl. Einrichtung 7.202 15,2 35,8 15,0 -4,6<br />
Gesamt 47.431 100,0 36,7 14,2 0,8<br />
Quelle: Ministerium für Arbeit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen; eigene Berechnungen.<br />
Die nach § 241 (2) SGB III geregelte Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen<br />
(BaE) zielt auf lernbeeinträchtigte <strong>und</strong> sozial benachteiligte Jugendliche ab, die ohne diese<br />
Maßnahme eine <strong>Aus</strong>bildung nicht beginnen könnten. Fördervoraussetzung ist die Erfüllung<br />
der allgemeinen Schulpflicht <strong>und</strong> die Teilnahme an einer mindestens sechsmonatigen berufsausbildungsvorbereitenden<br />
Maßnahme (z. B. berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen<br />
der Arbeitsagentur, Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr). Die außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung<br />
wird von Bildungsträgern, teilweise in Kooperation mit einem Betrieb, durchgeführt (vgl.<br />
BMBF 2005, S. 67). Sie geht in die vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung geführte Statistik<br />
über die „Neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge“ mit ein, kann dort aber nicht exakt von<br />
den betrieblichen <strong>Aus</strong>bildungsplätzen unterschieden werden (vgl. BMBF 2000, S. 22 u. 24).<br />
In 2004 nahmen am Niederrhein 855 <strong>Aus</strong>zubildende an einer außerbetrieblichen <strong>Aus</strong>bildung<br />
teil. Wird diese Zahl ins Verhältnis gesetzt zu der Gesamtzahl der <strong>Aus</strong>zubildenden am<br />
30.06.2004, ergibt sich für den Arbeitsagenturbezirk Duisburg ein Anteil von 8,1 %, für den<br />
Weseler Bezirk ein Anteil von 5,5 % <strong>und</strong> für Nordrhein-Westfalen ein Anteil von 3,9 %. Aufgr<strong>und</strong><br />
der angespannten <strong>Aus</strong>bildungsmarktlage fungiert diese Maßnahme als Puffer in den<br />
beiden Arbeitsamtsbezirken. Gegenüber dem Vorjahr blieb das Niveau auf dem Gebiet We-
sel/Kleve konstant hoch, während es in Duisburg leicht anstieg <strong>und</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />
leicht sank.<br />
Werden die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer nach ihrer Geschlechterproportion untersucht,<br />
zeigt sich in allen Maßnahmen ein klarer Männerüberhang. Der Anteil der <strong>Aus</strong>länder war im<br />
Arbeitsagenturbezirk Duisburg fast doppelt so hoch wie im Arbeitsagenturbezirk Wesel, der<br />
unter dem Landesdurchschnitt lag. Im Vergleich zu den berufsvorbereitenden Bildungsgängen<br />
an den Berufskollegs (Vorklasse <strong>und</strong> Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr) lag der <strong>Aus</strong>länderanteil in<br />
den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen niedriger.<br />
Zusammenfassend ist festzustellen,<br />
• dass von den drei hier dargestellten Maßnahmen der Arbeitsagenturen die Berufsvorbereitenden<br />
Bildungsmaßnahmen den größten Teil ausmachten. Im Jahr 2004 nahmen am<br />
Niederrhein 2.157 Personen daran teil, bezogen auf die Schulabsolventen allgemein bildender<br />
Schulen sind dies 12,2 % im Bezirk Wesel, 12,8 % in Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong><br />
18,5 % in Duisburg. Möglicherweise waren die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen<br />
in Duisburg aufgr<strong>und</strong> des hohen <strong>Aus</strong>länderanteils unter der Bevölkerung – wie auch<br />
den Maßnahmenteilnehmerinnen <strong>und</strong> -teilnehmern – derart stark ausgeprägt, die im Arbeitsagenturbezirk<br />
Wesel/Kleve dagegen nicht. Werden die berufsvorbereitenden Bildungsgänge<br />
der Berufskollegs hinzugerechnet, ergeben sich insgesamt 3.907 Personen.<br />
• <strong>Aus</strong>bildungsbegleitende Hilfen bekamen am Niederrhein 593 Jugendliche, dies sind bezogen<br />
auf alle <strong>Aus</strong>zubildenden 3,8 % im Arbeitsagenturbezirk Wesel, 5,7 % in Duisburg<br />
<strong>und</strong> 7,3 % in Nordrhein-Westfalen. Offensichtlich bestand am Niederrhein ein niedrigerer<br />
Bedarf als im Land.<br />
• In außerbetrieblichen Einrichtungen am Niederrhein absolvierten 855 Personen eine Berufsausbildung.<br />
Bezogen auf alle <strong>Aus</strong>zubildenden lag der Anteil der außerbetrieblichen<br />
<strong>Aus</strong>bildungen in Nordrhein-Westfalen bei 3,9 %, im Weseler Bezirk bei 5,5 % <strong>und</strong> in<br />
Duisburg bei 8,1 %. Er lag damit am Niederrhein deutlich höher als im Land <strong>und</strong> half<br />
vermutlich die angespannte <strong>Aus</strong>bildungssituation vor Ort zu verbessern.<br />
7 <strong>Aus</strong>blick<br />
Für die Zukunft der Region Niederrhein wird sich der demografische Wandel in Form des<br />
langfristigen Rückgangs des Bevölkerungsbestands <strong>und</strong> der Verschiebungen in der Altersstruktur<br />
nachhaltig auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Sozialsysteme, die öffentlichen<br />
Finanzen, die Struktur der Nachfrage <strong>und</strong> des Angebots an Arbeitskräften auswirken. Überlegungen,<br />
den absehbaren Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt zu mildern betreffen<br />
(vgl. Rheinberg/Hummel 2002, S. 597-598, Deutscher B<strong>und</strong>estag 2002):<br />
84
• den Erhalt des Beschäftigungsreservoirs älterer Arbeitnehmer, indem altersgerechte Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden <strong>und</strong> ihre Kompetenzen durch Weiterbildung erhalten <strong>und</strong><br />
weiterentwickelt werden.<br />
• die weitere Verbesserung der Erwerbsmöglichkeiten <strong>und</strong> -bedingungen von Frauen durch<br />
frauengerechtere Arbeitsplätze, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf<br />
ermöglichen. Auf Seiten der Politik könnten Kindertagesstätten oder Ganztagsbetreuung<br />
in Schulen geschaffen werden <strong>und</strong> im Betrieb könnten Betriebskindergärten eingerichtet<br />
werden oder die Arbeitszeit hinsichtlich Dauer <strong>und</strong> Lage flexibler gestaltet werden (z. B.<br />
durch Gleitzeit, Arbeitszeitkonten oder Telearbeit). Da Frauen, wie die Analysen zu den<br />
Schulen zeigten, im Ganzen mittlerweile höhere allgemein bildende Schulabschlüsse erreichen<br />
als Männer <strong>und</strong> sich ihre Erwerbsneigung mit steigendem Qualifikationsniveau<br />
erhöht, ist eine weitere Einbindung bildungsökonomisch sinnvoll. Insofern wäre wünschenswert,<br />
wenn sich insbesondere Frauen von traditionellen Berufsbildern lösen <strong>und</strong><br />
neue Bereich entdecken würden.<br />
• die <strong>Aus</strong>schöpfung der Potenziale an Arbeitslosen.<br />
• eine gesteuerte Zuwanderungspolitik, verb<strong>und</strong>en mit einer verbesserten Integrationspolitik.<br />
• die Nachqualifizierung von Erwerbspersonen ohne abgeschlossene Berufsausbildung.<br />
Diese Gruppe ist laut Ulrich u. a. (2006b) wieder im Wachstum begriffen, so dass hier<br />
weitere Anstrengungen unternommen werden müssen, um die brachliegenden Qualifikationsreserven<br />
zu erschließen.<br />
Insgesamt zeigt diese Auflistung – finden keine weitreichenden Veränderungen im Prozess<br />
der beruflichen Orientierung statt – eine weiter wachsende Bedeutung des Weiterbildungsbereichs,<br />
da Ältere, Arbeitslose, Migranten <strong>und</strong> Erwerbspersonen ohne abgeschlossene Berufsausbildung<br />
weitergebildet, umgeschult oder nachqualifiziert werden müssen. Aber auch<br />
Teile der Schulabsolventen von allgemein bildenden Schulen haben einen Nachholbedarf an<br />
allgemein bildenden Schulabschlüssen, der zum großen Teil von den berufsbildenden Schulen<br />
erfüllt werden muss. Wie die Schulstatistik belegt, ist aus der früheren Bildungsexpansion<br />
in den 90er Jahren eine Bildungsstagnation geworden. Der Anteil der Studienberechtigten<br />
als auch des Hauptschulabschlusses an allen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern ist rückläufig, wird<br />
aber durch den Realschulabschluss aufgefangen, was sich auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt möglicherweise<br />
durch eine höhere <strong>Aus</strong>bildungsplatznachfrage auswirken könnte, aber anhand<br />
der verschiedenen, voneinander unabhängigen Statistiken so direkt nicht nachprüfbar ist.<br />
Neben dem Rückgang der Studienberechtigten ist die Zunahme der Schulabsolventen ohne<br />
Schulabschluss besonders kritisch zu sehen. Dieser auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt benachteiligte<br />
Personenkreis wird möglicherweise selbst dann Schwierigkeiten haben einen <strong>Aus</strong>bil-<br />
85
dungsplatz zu finden, wenn sich in ein paar Jahren die Angebots-Nachfrage-Situation aufgr<strong>und</strong><br />
der demografischen Verschiebungen verbessern sollte, da die Betriebe aufgr<strong>und</strong> der<br />
wachsenden Qualifikationsanforderungen am Arbeitsplatz im wachsenden Maße qualifiziertes<br />
Personal benötigen werden. Insofern müssen hier weitere Anstrengungen im Rahmen<br />
des Berufsorientierungsprozesses in den allgemein bildenden Schulen, aber auch in den<br />
nachfolgenden Bildungseinrichtungen (berufliche Schulen, außerbetriebliche Bildungsträger<br />
etc.) unternommen werden, um diesen Jugendlichen den Erwerb von allgemein bildenden<br />
<strong>und</strong> beruflichen Qualifikationen zu ermöglichen.<br />
86
87<br />
8 Tabellenanhang<br />
Tab. 14: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen (30.06.2002)<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in …<br />
Wirtschaftssektoren <strong>und</strong> Branchen Duisburg Kreis Kleve Kreis Wesel<br />
Region<br />
Niederrhein<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
1)<br />
absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in %<br />
Primärer Sektor<br />
Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Fischerei <strong>und</strong> Fischzucht (A+B) 605 0,4 3.106 4,1 1.597 1,3 5.308 1,5 46.994 0,8<br />
Sek<strong>und</strong>ärer Sektor (C-F)<br />
davon:<br />
55.597 35,7 26.028 34,1 45.171 38,1 126.796 36,1 2.037.001 34,6<br />
- Bergbau, Gewinnung von Steinen <strong>und</strong> Erden (C)<br />
davon:<br />
3.632 2,3 207 0,3 8.939 7,5 12.778 3,6 50.167 0,9<br />
- Kohlenbergbau, Gew. v. Erdöl u. -gas usw. (CA)<br />
- Erzbergbau, Gewinnung von Steinen <strong>und</strong> Erden, sonstiger<br />
3.539 2,3 - - 7.926 6,7 11.465 3,3 42.055 0,7<br />
Bergbau (CB) 93 0,1 207 0,3 1.013 0,9 1.313 0,4 8.112 0,1<br />
- Verarbeitendes Gewerbe (D)<br />
davon:<br />
39.794 25,5 18.146 23,8 24.484 20,6 82.424 23,5 1.576.105 26,8<br />
- Ernährungsgewerbe u. Tabakverarbeitung (DA) 2.682 1,7 4.812 6,3 2.348 2,0 9.842 2,8 133.357 2,3<br />
- Textil- <strong>und</strong> Bekleidungsgewerbe, Ledergewerbe (DB + DC) 125 0,1 1.390 1,8 804 0,7 2.319 0,7 52.499 0,9<br />
- Holzgewerbe (ohne Herstellung von Möbeln) (DD) 556 0,4 240 0,3 706 0,6 1.502 0,4 33.629 0,6<br />
- Papier-, Verlags- <strong>und</strong> Druckgewerbe (DE)<br />
- Kokerei, Mineralölverarbeitung, Herstellung <strong>und</strong> Verarbei-<br />
1.813 1,2 1.522 2,0 1.267 1,1 4.602 1,3 116.329 2,0<br />
tung von Spalt- <strong>und</strong> Brutstoffen (DF) 90 0,1 - - - - 90 0,0 13.374 0,2<br />
- Chemische Industrie (DG) 2.497 1,6 1.017 1,3 2.426 2,0 5.940 1,7 132.151 2,2<br />
- H. v. Gummi- <strong>und</strong> Kunststoffwaren (DH) 576 0,4 504 0,7 836 0,7 1.916 0,5 89.361 1,5<br />
- Glasgewerbe, Keramik, Verarb. v. Steinen u. Erden (DI) 913 0,6 510 0,7 1.877 1,6 3.300 0,9 41.284 0,7<br />
- Metallerzg. u. -bearb., Herst. v. Metallerzeugnissen (DJ) 23.971 15,4 2.395 3,1 4.290 3,6 30.656 8,7 380.204 6,5<br />
- Maschinenbau (DK)<br />
- Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten <strong>und</strong> -Ein-<br />
3.361 2,2 2.106 2,8 3.108 2,6 8.575 2,4 237.140 4,0<br />
richtungen, Elektrotechnik, Feinmechanik <strong>und</strong> Optik (DL) 1.874 1,2 2.208 2,9 5.644 4,8 9.726 2,8 188.752 3,2<br />
- Fahrzeugbau (DM)<br />
342 0,2 501 0,7 491 0,4 1.334 0,4 92.478 1,6<br />
- Herst. v. Möbeln, Schmuck, Musikinstrumenten, Sportgeräten,<br />
Spielwaren u. sonst. Erzeugnissen, Recycling (DN) 994 0,6 941 1,2 687 0,6 2.622 0,7 65.547 1,1<br />
- Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung (E) 2.448 1,6 384 0,5 1.588 1,3 4.420 1,3 60.953 1,0<br />
- Baugewerbe (F45) 9.723 6,2 7.291 9,5 10.160 8,6 27.174 7,7 349.776 5,9
88<br />
Fortsetzung der Tabelle: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen (30.06.2002)<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in …<br />
Wirtschaftssektoren <strong>und</strong> Branchen Duisburg Kreis Kleve Kreis Wesel<br />
Region<br />
Niederrhein<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
1)<br />
absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in %<br />
Tertiärer Sektor (G-Q)<br />
davon:<br />
- Handel, Instandhaltung <strong>und</strong> Reparatur von Kraftfahrzeugen<br />
99.680 63,9 47.211 61,8 71.894 60,6 218.785 62,3 3.805.413 64,6<br />
<strong>und</strong> Gebrauchsgütern (G) 22.823 14,6 14.169 18,6 20.719 17,5 57.711 16,4 959.118 16,3<br />
- Gastgewerbe (H) 2.537 1,6 1.872 2,5 2.680 2,3 7.089 2,0 140.400 2,4<br />
- Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung (I) 14.723 9,4 2.805 3,7 5.395 4,5 22.923 6,5 312.022 5,3<br />
- Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe (J)<br />
- Gr<strong>und</strong>stücks- <strong>und</strong> Wohnungswesen, Vermietung bewegli-<br />
5.233 3,4 2.430 3,2 3.180 2,7 10.843 3,1 229.405 3,9<br />
cher Sachen, Dienstleistungen für Unternehmen (K)<br />
- Öffentl. Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung sowie<br />
15.586 10,0 5.012 6,6 9.142 7,7 29.740 8,5 697.595 11,8<br />
exterritoriale Organisationen <strong>und</strong> Körperschaften (L+Q) 8.296 5,3 4.174 5,5 6.651 5,6 19.121 5,4 315.469 5,4<br />
- Erziehung <strong>und</strong> Unterricht (M) 5.334 3,4 2.260 3,0 2.846 2,4 10.440 3,0 197.044 3,3<br />
- Ges<strong>und</strong>heits-, Veterinär- <strong>und</strong> Sozialwesen (N) 17.111 11,0 11.210 14,7 15.985 13,5 44.306 12,6 673.543 11,4<br />
- Erbringung sonstiger öffentl. u. persönl. Dienstleistungen (O) 7.900 5,1 3.098 4,1 5.126 4,3 16.124 4,6 271.878 4,6<br />
- Private Haushalte (P) 137 0,1 181 0,2 170 0,1 488 0,1 8.939 0,2<br />
Ohne Angabe (Z) 12 0,0 8 0,0 1 0,0 21 0,0 404 0,0<br />
Gesamt 155.894 100,0 76.353 100,0 118.663 100,0 350.910 100,0 5.889.812 100,0<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />
1) Einteilung der Branchen gemäß der Klassifikation der Wirtschaftszweige, <strong>Aus</strong>gabe 1993 (WZ 93).
89<br />
Tab. 15: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen (30.06.2002)<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in …<br />
Wirtschaftssektoren <strong>und</strong> Branchen<br />
Duisburg<br />
Anteil Ver-<br />
Kreis Kleve<br />
Anteil<br />
Kreis Wesel<br />
Anteil<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Anteil<br />
Frauen <strong>Aus</strong>länderänderung<br />
1)<br />
Ver-<br />
Frauen <strong>Aus</strong>länderänderung<br />
1)<br />
Ver-<br />
Frauen <strong>Aus</strong>länderänderung<br />
1)<br />
Ver-<br />
Frauen <strong>Aus</strong>länderänderung<br />
1)<br />
Primärer Sektor<br />
Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Fisch. (A+B) 23,0 11,6 8,6 28,3 28,6 22,3 29,2 15,9 -0,4 24,7 14,5 7,2<br />
Sek<strong>und</strong>ärer Sektor (C-F) 13,1 11,6 -11,1 21,9 8,6 -4,7 16,5 8,5 -7,9 21,3 10,1 -9,3<br />
- Bergbau, Gewinnung v. St.u.E. (C) 2,0 21,2 -7,3 10,6 16,4 -19,1 2,1 14,7 -22,1 3,9 10,6 -37,8<br />
- Verarbeitendes Gewerbe (D) 14,5 11,1 -10,7 27,0 8,6 -4,2 23,4 7,1 0,1 24,0 10,8 -6,8<br />
darunter:<br />
- Ernährungsgew. u. Tabakverarb. (DA) 44,0 10,1 -0,4 36,0 10,8 -4,5 50,5 4,9 -4,7 46,1 11,8 -2,0<br />
- Metallerzg. u. -bearb. usw. (DJ) 8,3 13,3 -15,8 14,9 5,8 -6,1 9,9 10,4 0,1 16,2 14,7 -7,4<br />
- Maschinenbau (DK) 15,7 7,5 47,3 15,0 6,8 -7,8 11,6 5,6 3,7 16,5 7,6 -5,7<br />
- Herst. v. Büromasch. usw. (DL) 30,1 3,2 -12,3 30,1 7,2 9,1 32,7 6,3 7,0 32,3 7,7 -4,7<br />
- Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung (E) 15,2 2,0 -21,4 15,4 2,3 -24,7 16,3 1,0 -14,1 19,5 1,9 -15,0<br />
- Baugewerbe (F45) 11,0 12,5 -10,8 9,8 8,9 -4,2 12,3 7,8 -9,8 11,7 8,5 -13,1<br />
Tertiärer Sektor (G-Q) 52,3 8,6 6,5 56,7 5,4 9,1 58,4 5,8 12,2 54,6 7,2 10,5<br />
- Handel, Inst.u.Rep.v.Kfz usw. (G) 46,7 8,7 1,7 45,2 5,6 8,2 50,0 5,3 4,3 48,8 6,4 1,9<br />
- Gastgewerbe (H) 56,9 30,0 10,4 57,7 19,3 27,9 56,6 25,3 33,0 54,3 26,8 21,2<br />
- Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung (I) 28,6 9,3 3,6 29,3 5,8 -4,4 23,7 6,7 26,8 27,3 8,7 7,9<br />
- Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe (J) 59,2 3,7 32,8 55,4 1,4 4,7 59,3 1,4 6,1 53,6 2,1 5,1<br />
- Dienstleistungen für Unternehmen u.a. (K) 43,8 10,8 17,0 50,4 5,2 34,6 49,8 8,2 41,7 46,2 9,3 34,2<br />
- Öff. Verwaltung usw. (L+Q) 65,3 3,7 -11,0 48,9 2,4 -6,7 61,4 2,7 1,9 55,7 3,4 -0,4<br />
- Erziehung <strong>und</strong> Unterricht (M) 46,9 10,6 54,6 82,0 3,6 3,4 78,7 2,9 8,2 64,5 6,2 19,9<br />
- Ges<strong>und</strong>heitswesen usw. (N) 80,0 6,3 2,8 77,2 5,1 8,6 81,1 4,1 11,2 79,6 5,2 8,2<br />
- Erbringung sonst. öff. u. pers. DL (O) 53,4 7,8 0,4 60,9 6,5 22,6 57,6 5,3 7,4 57,0 7,2 9,8<br />
- Private Haushalte (P) 82,5 7,3 -0,7 90,6 2,8 -14,6 85,9 8,2 4,9 85,9 7,7 -5,8<br />
Ohne Angabe (Z) 66,7 0,0 -72,7 37,5 0,0 -84,9 100,0 0,0 -95,8 47,0 5,2 -70,2<br />
Gesamt 38,2 9,7 -0,5 43,7 7,5 4,3 42,0 7,0 3,4 42,8 8,3 2,7<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen (Klassifikation der Wirtschaftszweige, <strong>Aus</strong>gabe 1993).<br />
1) Prozentuale Veränderung zwischen den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2002.
90<br />
Tab. 16: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte <strong>Aus</strong>zubildende nach Wirtschaftszweigen (30.06.2002)<br />
Sozialversicherungspflichtig beschäftigte <strong>Aus</strong>zubildende in …<br />
Wirtschaftssektoren <strong>und</strong> Branchen<br />
Duisburg<br />
Anzahl Anteil Ver-<br />
Kreis Kleve Kreis Wesel Nordrhein-Westfalen<br />
(in %) änderung<br />
1)<br />
Anzahl Anteil Ver-<br />
(in %) änderung<br />
1)<br />
Anzahl Anteil Ver-<br />
(in %) änderung<br />
1)<br />
Anzahl Anteil Ver-<br />
(in %) änderung<br />
1)<br />
Primärer Sektor<br />
Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Fisch. (A+B) 48 7,9 -17,2 220 7,1 7,3 150 9,4 9,5 3.989 8,5 -2,1<br />
Sek<strong>und</strong>ärer Sektor (C-F) 2.410 4,3 -12,9 1.930 7,4 12,6 2.346 5,2 -6,2 105.868 5,2 -1,9<br />
- Bergbau, Gewinnung v. St.u.E. (C) 122 3,4 -22,3 4 1,9 300,0 315 3,5 -26,9 1.860 3,7 -30,4<br />
- Verarbeitendes Gewerbe (D) 1.465 3,7 -15,0 1.071 5,9 16,5 1.044 4,3 4,2 66.514 4,2 4,1<br />
- Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung (E) 115 4,7 -10,9 11 2,9 -8,3 75 4,7 -13,8 2.754 4,5 -8,7<br />
- Baugewerbe (F45) 708 7,3 -6,7 844 11,6 7,9 912 9,0 -7,1 34.740 9,9 -9,2<br />
Tertiärer Sektor (G-Q) 5.571 5,6 7,3 3.189 6,8 9,4 4.522 6,3 9,6 222.476 5,8 14,5<br />
- Handel, Instandh. u. Rep. v. Kfz usw. (G) 1.265 5,5 17,2 931 6,6 19,1 1.348 6,5 17,3 59.659 6,2 17,0<br />
- Gastgewerbe (H) 136 5,4 47,8 177 9,5 71,8 193 7,2 72,3 9.780 7,0 31,6<br />
- Verkehr <strong>und</strong> Nachrichtenübermittlung (I) 666 4,5 7,8 69 2,5 -8,0 126 2,3 24,8 10.794 3,5 12,0<br />
- Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe (J) 192 3,7 2,7 195 8,0 3,2 239 7,5 22,6 11.724 5,1 10,5<br />
- Dienstleistungen für Unternehmen u.a. (K) 518 3,3 24,2 291 5,8 9,4 385 4,2 11,9 30.145 4,3 34,6<br />
- Öffentliche Verwaltung usw. (L+Q) 682 8,2 44,8 264 6,3 100,0 427 6,4 22,3 17.838 5,7 55,4<br />
- Öffentliche <strong>und</strong> private Dienstleistungen<br />
(ohne öffentliche Verwaltung) (M-P) 2.112 6,9 -9,2 1.262 7,5 -7,7 1.804 7,5 -3,8 82.536 7,2 1,0<br />
Ohne Angabe (Z) - - -100,0 7 87,5 250,0 - - -100,0 20 5,0 -66,7<br />
Gesamt 8.029 5,2 0,1 5.346 7,0 10,6 7.018 5,9 3,7 332.353 5,6 8,5<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen (Klassifikation der Wirtschaftszweige, <strong>Aus</strong>gabe 1993).<br />
1) Prozentuale Veränderung zwischen den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2002.
91<br />
Tab. 17: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Berufsabschnitten (30.06.2002)<br />
Berufsabschnitte<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />
Gesamt Frauen <strong>Aus</strong>zubildende <strong>Aus</strong>länder/innen<br />
absolut in % Ver. 1)<br />
Anteil Ver. 1)<br />
absolut Anteil Ver. 1)<br />
absolut Anteil Ver. 1)<br />
Duisburg<br />
Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 1.272 0,8 -24,4 25,8 -12,1 107 8,4 -13,0 62 4,9 -66,8<br />
Bergleute, Mineralgewinner 2.185 1,4 -12,7 0,1 100,0 27 1,2 -27,0 618 28,3 -16,8<br />
Fertigungsberufe 44.190 28,3 -8,1 7,6 -7,0 2.541 5,8 -8,9 7.067 16,0 -21,0<br />
Technische Berufe 12.940 8,3 -4,7 9,6 0,5 245 1,9 -16,4 395 3,1 0,5<br />
Dienstleistungsberufe 94.151 60,4 5,1 57,7 4,3 4.849 5,2 3,3 6.760 7,2 -4,8<br />
Sonstige Arbeitskräfte 1.156 0,7 -8,7 27,1 111,5 260 22,5 202,3 183 15,8 -37,5<br />
Gesamt 155.894 100,0 -0,5 38,2 3,7 8.029 5,2 0,1 15.085 9,7 -14,6<br />
Kreis Kleve<br />
Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 3.305 4,3 12,7 26,5 26,1 248 7,5 3,8 867 26,2 15,0<br />
Bergleute, Mineralgewinner 14 0,0 -26,3 - -100,0 - - - -<br />
Fertigungsberufe 22.542 29,5 1,6 14,4 11,1 2.001 8,9 10,3 2.242 9,9 -11,9<br />
Technische Berufe 3.085 4,0 -2,2 14,6 -0,2 106 3,4 -13,8 170 5,5 -17,9<br />
Dienstleistungsberufe 46.560 61,0 6,0 61,5 6,4 2.845 6,1 13,3 2.348 5,0 -11,0<br />
Sonstige Arbeitskräfte 847 1,1 -11,3 19,6 36,1 146 17,2 -0,7 74 8,7 -50,7<br />
Gesamt 76.353 100,0 4,3 43,7 7,3 5.346 7,0 10,6 5.701 7,5 -9,4<br />
Kreis Wesel<br />
Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 2.349 2,0 1,5 26,9 8,8 189 8,0 -13,7 289 12,3 -4,0<br />
Bergleute, Mineralgewinner 4.872 4,1 -23,8 - 51 1,0 -47,4 1.001 20,5 -27,9<br />
Fertigungsberufe 32.749 27,6 -5,6 11,0 -0,7 2.435 7,4 -9,1 3.167 9,7 -21,8<br />
Technische Berufe 7.644 6,4 2,8 12,5 5,2 177 2,3 23,8 199 2,6 6,4<br />
Dienstleistungsberufe 69.672 58,7 11,2 63,6 11,2 3.896 5,6 9,8 3.438 4,9 3,9<br />
Sonstige Arbeitskräfte 1.377 1,2 13,0 25,6 59,7 270 19,6 237,5 157 11,4 -7,1<br />
Gesamt 118.663 100,0 3,4 42,0 10,3 7.018 5,9 3,7 8.251 7,0 -12,3
92<br />
Fortsetzung der Tabelle: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Berufsabschnitten (30.06.2002)<br />
Berufsabschnitte<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />
Gesamt Frauen <strong>Aus</strong>zubildende <strong>Aus</strong>länder/innen<br />
absolut in % Entw. 1)<br />
Anteil Entw. 1)<br />
absolut Anteil Entw. 1)<br />
absolut Anteil Entw. 1)<br />
Region Niederrhein<br />
Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 6.926 2,0 -0,1 26,5 11,3 544 7,9 -6,4 1.218 17,6 -1,9<br />
Bergleute, Mineralgewinner 7.071 2,0 -20,7 - - 78 1,1 -41,8 1.619 22,9 -24,0<br />
Fertigungsberufe 99.481 28,3 -5,3 10,3 0,4 6.977 7,0 -4,2 12.476 12,5 -19,7<br />
Technische Berufe 23.669 6,7 -2,1 11,2 2,0 528 2,2 -5,5 764 3,2 -2,9<br />
Dienstleistungsberufe 210.383 60,0 7,2 60,5 7,1 11.590 5,5 7,8 12.546 6,0 -3,9<br />
Sonstige Arbeitskräfte 3.380 1,0 -1,7 24,6 69,5 676 20,0 116,0 414 12,2 -32,4<br />
Insgesamt 350.910 100,0 1,8 40,7 6,8 20.393 5,8 3,9 29.037 8,3 -13,0<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Land-, Tier- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Gartenbau 73.532 1,2 0,7 25,9 6,8 5.926 8,1 -0,9 8.594 11,7 -6,9<br />
Bergleute, Mineralgewinner 24.530 0,4 -36,3 0,3 21,1 162 0,7 -62,4 4.756 19,4 -42,9<br />
Fertigungsberufe 1.623.283 27,6 -6,7 15,1 -6,1 108.999 6,7 -2,9 221.335 13,6 -16,5<br />
Technische Berufe 417.726 7,1 0,0 14,8 3,5 8.113 1,9 -6,3 13.545 3,2 3,2<br />
Dienstleistungsberufe 3.684.606 62,6 8,1 59,1 7,6 190.797 5,2 12,8 231.372 6,3 7,3<br />
Sonstige Arbeitskräfte 66.135 1,1 11,4 28,8 110,0 18.356 27,8 88,0 7.297 11,0 -21,7<br />
Gesamt 5.889.812 100,0 2,7 42,8 6,4 332.353 5,6 8,5 486.899 8,3 -6,5<br />
Quelle: Beschäftigtenstatistik der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit; LDS NRW; eigene Berechnungen.<br />
1) Prozentuale Veränderung zwischen den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2002.
9 Verzeichnisse<br />
9.1 Tabellenverzeichnis<br />
Tab. 1: Die Bevölkerungsstruktur in den Gemeinden des Niederrheins (31.12.2003).........40<br />
Tab. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen von 2003 bis 2020..........................44<br />
Tab. 3: Entwicklung der ausländischen Bevölkerung von 1990 bis 2003............................45<br />
Tab. 4: Schulen sowie Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler1) ............................................................47<br />
Tab. 5: Struktur <strong>und</strong> Entwicklung der Schulabschlüsse.......................................................51<br />
Tab. 6: Schulabschlüsse bei Deutschen, <strong>Aus</strong>ländern <strong>und</strong> Frauen (2004)...........................52<br />
Tab. 7: Ein- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>pendler nach Geschlecht am 30.06.2002..............................................56<br />
Tab. 8: Arbeitslose <strong>und</strong> Arbeitslosenquoten am 30.06.2005 ...............................................62<br />
Tab. 9: Die Angebots-Nachfrage-Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt in den Arbeitsagenturbezirken<br />
Duisburg, Wesel <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen ..............66<br />
Tab. 10: Die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe im Jahr 2004.......................73<br />
Tab. 11: Neu abgeschlossene <strong>Aus</strong>bildungsverträge <strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation unterteilt<br />
nach Berufsgruppen..........................................................................................75<br />
Tab. 12: Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an den Berufskollegs im Schuljahr 2005/20061)...........78<br />
Tab. 13: Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen<br />
der Berufsbildung 2004 ...........................................................................................83<br />
Tab. 14: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen<br />
(30.06.2002) ............................................................................................................87<br />
Tab. 15: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen<br />
(30.06.2002) ............................................................................................................89<br />
Tab. 16: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte <strong>Aus</strong>zubildende nach Wirtschaftszweigen<br />
(30.06.2002) ............................................................................................................90<br />
Tab. 17: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Berufsabschnitten<br />
(30.06.2002) ............................................................................................................91<br />
93
9.2 Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1: Die Region Niederrhein ...........................................................................................38<br />
Abb. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen von 1975 bis 2020..........................42<br />
Abb. 3: Entwicklung der Schulabschlüsse am Niederrhein..................................................50<br />
Abb. 4: Angebot an <strong>und</strong> Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt ..................54<br />
Abb. 5: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort .............55<br />
Abb. 6: Entwicklung <strong>und</strong> Stand der Arbeitslosenquoten ......................................................64<br />
Abb. 7: Die Entwicklung ausgewählter Merkmale des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes in Nordrhein-<br />
Westfalen (1991-2004) ............................................................................................69<br />
Abb. 8: Entwicklung von Arbeitslosenquote <strong>und</strong> Angebots-Nachfrage-Relation (ANR).......70<br />
Abb. 9: Entwicklung der Schulformen an den Berufskollegs des Niederrheins von 2000 bis<br />
2005.........................................................................................................................80<br />
94
Dr. Klaus Birkelbach<br />
Teil B Erste Ergebnisse einer Befragung zur Beruforien-<br />
Inhalt<br />
tierung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der 10.<br />
Klassen von Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen in<br />
der Region Duisburg, Wesel <strong>und</strong> Kleve<br />
1 Vorbemerkungen.....................................................................................................97<br />
2 Feldbericht <strong>und</strong> Design der Studie: Onlinebefragungen in Schulen......................101<br />
2.1 Technische Voraussetzungen ...............................................................................101<br />
2.2 Vorteile einer elektronischen Datenerhebung .......................................................102<br />
2.3 Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung der Befragung ....................................................104<br />
3 Wer wurde befragt? ...............................................................................................106<br />
3.1 Region <strong>und</strong> Schulform ...........................................................................................106<br />
3.2 Migrationshintergr<strong>und</strong> der Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen............................................109<br />
3.3 Geschlechtsspezifische Bildungsbeteiligung.........................................................113<br />
3.4 Herkunftsfamilie.....................................................................................................113<br />
3.4.1 Familienstruktur .....................................................................................................113<br />
3.4.2 Schulabschlüsse der Eltern ...................................................................................114<br />
4 Was wollen die Jugendlichen nach dem Abschluss der 10. Klasse? ....................115<br />
4.1 Einstellungen zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen ...................................115<br />
4.2 Schule oder Berufsausbildung?.............................................................................119<br />
4.2.1 Pläne für die Zeit nach der Schule ........................................................................119<br />
4.2.1.1 Bivariate Analysen.................................................................................................119<br />
4.2.1.2 Kurzer Exkurs zum Verständnis der Regressionsanalyse.....................................123<br />
4.2.1.3 Multivariate Analyse ..............................................................................................125<br />
4.2.2 Besuch einer Schule..............................................................................................129<br />
4.2.2.1 Bivariate Analyse...................................................................................................129<br />
4.2.2.2 Multivariate Analysen ............................................................................................134<br />
4.2.3 Schulbesuch als zweite Wahl? ..............................................................................136<br />
4.2.3.1 Bivariate Analysen.................................................................................................136<br />
4.2.3.2 Multivariate Analyse ..............................................................................................139<br />
4.2.4 Berufsausbildung...................................................................................................141<br />
4.3 Berufswünsche ......................................................................................................145<br />
4.4 Einschätzung der Chancen im Wunschberuf ........................................................149<br />
4.5 Berufswahl im Zeitverlauf ......................................................................................153<br />
5 Informationsquellen im Berufswahlprozess ...........................................................155<br />
5.1 Zur Bedeutung der unterschiedlichen Informationsquellen ...................................156<br />
5.2 Anzahl der genutzten Informationsquellen ............................................................160<br />
5.3 Welche Informationen sind bei der Berufswahl wichtig? .......................................173<br />
5.4 Die Rolle der Schule im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ...............................182<br />
6 Rückblick auf die Analysen <strong>und</strong> Resümee ............................................................190
7 Tabellenanhang.....................................................................................................195<br />
8 Verzeichnis der Abbildungen.................................................................................201<br />
9 Verzeichnis der Tabellen .......................................................................................202<br />
10 Dokumentenanhang ..............................................................................................204<br />
96
1 Vorbemerkungen<br />
Die hier vorgelegten Analysen verfolgen das Ziel, den Prozess der schulischen Berufsorientierung<br />
genauer zu beleuchten. Der Untersuchung liegt ein Konzept zugr<strong>und</strong>e, das Berufsorientierung<br />
als einen andauernden Prozess ansieht, der sich in Interaktion der Subjekte mit<br />
verschiedenen Umweltebenen entwickelt, <strong>und</strong> nicht nur als Vorbereitung einer einmaligen<br />
Entscheidung für einen bestimmten Beruf zu verstehen ist (vgl. Famulla 2006, Schober<br />
2001). Auch wenn im Fokus der hier vorgelegten Analysen Orientierungsprozesse im Vorfeld<br />
des Überganges von der Schule in den Beruf stehen, soll nicht aus den Augen verloren werden,<br />
dass eine so verstandene Berufsorientierung darüber hinaus geht <strong>und</strong> auch Orientierungs-<br />
<strong>und</strong> Lernprozesse während des weiteren Erwerbslebens mit einschließt. Nach diesem<br />
Verständnis ist es Aufgabe der schulischen Berufsorientierung, nicht nur auf die erstmalige<br />
Wahl eines Berufes beim Übergang von der Schule in den Beruf zu orientieren <strong>und</strong> die dazu<br />
notwenigen Wissensbestände zu vermitteln, sondern darüber hinaus Entscheidungsfähigkeiten<br />
zu entwickeln, die in eine berufsbiographische Gestaltungskompetenz (Hendrich 2004)<br />
münden, die die Subjekte in die Lage versetzt, notwendige berufliche Orientierung-, Anpassungs-<br />
<strong>und</strong> Lernprozesse zu steuern <strong>und</strong> zu gestalten.<br />
Famulla (2006, 1f) definiert Berufsorientierung folgendermaßen: „Berufsorientierung ist ein<br />
Prozess der Annäherung <strong>und</strong> Abstimmung zwischen Interessen, Wünschen, Wissen <strong>und</strong><br />
Können des Individuums auf der einen <strong>und</strong> Bedarf <strong>und</strong> Anforderungen der Arbeits- <strong>und</strong> Berufswelt<br />
auf der anderen Seite.“ Beide Dimensionen unterliegen Wandlungsprozessen, die<br />
jeweils einer eigenen Logik folgen, von den Subjekten aber bei der Entwicklung einer eigenständigen<br />
<strong>und</strong> nachhaltigen beruflichen Perspektive, die auf der Ebene individueller Biographien<br />
Interessen <strong>und</strong> Fähigkeiten mit sozialen Chancen verbindet, <strong>und</strong> auf der gesellschaftlichen<br />
Ebene ein wesentliches Element sozialer Integration darstellt, miteinander verknüpft<br />
werden müssen.<br />
Schulische Berufsorientierung als Vorbereitung der Berufswahl <strong>und</strong> des Übergangs von der<br />
Schule in das Erwerbsleben muss die notwendigen Informationen <strong>und</strong> Wissensbestände<br />
über die Anforderungen <strong>und</strong> Möglichkeiten von Wirtschaft, Arbeitswelt, Betrieben <strong>und</strong> spezifischen<br />
Berufen vermitteln. Sie kann den von Seiten der Betriebe immer wieder beklagten<br />
unrealistischen <strong>und</strong> falschen beruflichen Vorstellungen vieler Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler vorbeugen<br />
<strong>und</strong> zu einer passgenaueren Berufswahl führen, die <strong>Aus</strong>bildungsabbrüche <strong>und</strong> –<br />
wechsel zu vermeiden hilft. Indem die schulische Berufsorientierung für die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler die Transparenz des Marktes erhöht <strong>und</strong> unterschiedliche berufliche Möglichkeiten<br />
aufzeigt, trägt sie dazu bei, dass sich die Berufswünsche nicht auf wenige Mode- bzw.<br />
Traumberufe konzentrieren, sondern auch weniger bekannte Berufe als Chance wahrge-<br />
97
nommen werden. Aber Schule kann heute nicht mehr bei einem Unterricht über berufliche<br />
Optionen <strong>und</strong> die Arbeitswelt stehen bleiben, sondern sieht sich auch vor die pädagogische<br />
Herausforderung gestellt, den Übergang ihrer Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu begleiten <strong>und</strong><br />
den einzelnen Jugendlichen bei seiner individuellen Berufswahl zu unterstützen <strong>und</strong> ihm Perspektiven<br />
zu vermitteln (Schober 2001).<br />
Beides aber ist untrennbar mit der objektiven <strong>und</strong> subjektiven Verfügbarkeit beruflicher Perspektiven<br />
verknüpft. Nur wenn sich die Jugendlichen Chancen auf einen Einstieg in eine<br />
qualifizierte Berufstätigkeit ausrechnen - <strong>und</strong> das bedeutet zunächst einmal die Möglichkeit<br />
einer qualifizierten Berufsausbildung - dann läuft schulische Berufsorientierung nicht ins Leere.<br />
Aber die Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt ist schwierig wie nie. Joachim Gerd Ulrich<br />
(2006a, 31) vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung fasst die Lage folgendermaßen zusammen:<br />
„Noch nie waren die Chancen auf eine Lehrstelle im wiedervereinigten Deutschland so<br />
schlecht.“ Hinzufügen muss man, dass die Lage für einige schlechter als für andere ist. Die<br />
BA/BIBB-Bewerberbefragung 2004 (Ulrich 2006a, 29) zeigt, dass Jugendliche mit einem<br />
niedrigen Schulabschluss deutlich geringere Chancen auf eine betriebliche Lehrstelle als<br />
Jugendliche mit einem höheren Abschluss haben. Davon unabhängig können gute Schulnoten<br />
(hier in Mathematik) die individuellen Chancen erhöhen. Sowohl die besuchte Schulform<br />
als auch die in der Schule erworbenen Basiskompetenzen sind aber, wie nicht erst seit der<br />
ersten PISA-Studie bekannt ist, in Deutschland in hohem Maße vom sozialen Hintergr<strong>und</strong><br />
des Elternhaus abhängig (vgl. Baumert / Schümer 2001). Besonderen Schwierigkeiten, in<br />
eine Berufsausbildung einzumünden sehen sich auch Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
ausgesetzt (u.a. Ulrich 2006a, 29; Granato 2003, 447ff). Darüber hinaus belegt die BA/BIBB-<br />
Bewerberbefragung, dass die <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten von der wirtschaftlichen Lage abhängen:<br />
Jugendliche aus einer Region mit einer höheren Arbeitslosenquote haben geringere<br />
Chancen auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle (Ulrich 2005, 21ff).<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wurde in den 10. Klassen der Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen der<br />
Landkreise Kleve <strong>und</strong> Wesel sowie der Stadt Duisburg eine Befragung zur Berufsorientierung<br />
(n = 1434) durchgeführt. Ziel der Befragung war es, den Prozess der Berufsorientierung<br />
aus der Sicht der betroffenen Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler genauer zu erforschen. Das Design<br />
der Erhebung wird im zweiten Kapitel dieses Berichtes ausführlich dargestellt <strong>und</strong> diskutiert.<br />
Im dritten Kapitel wird dann die Struktur der Stichprobe im Hinblick auf zentrale Variablen,<br />
die in den folgenden Untersuchungsschritten von besonderer Bedeutung sind (u.a. Region,<br />
Schulform, Migrationshintergr<strong>und</strong>, Struktur <strong>und</strong> Bildungsniveau der Herkunftsfamilie, Geschlecht),<br />
in uni- <strong>und</strong> bivariaten Analysen beleuchtet.<br />
Das vierte Kapitel untersucht die Frage, welche Wege die befragten Jugendlichen nach dem<br />
Abschluss der aktuell besuchten Schule beschreiten wollen <strong>und</strong> von welchen Faktoren diese<br />
Wege abhängig sind. Dabei wird dem Prozesscharakter der Berufsorientierung <strong>und</strong> des Ent-<br />
98
scheidungsverhaltens durch die Folge der Fragestellungen <strong>und</strong> Analysen sowie in den multivariaten<br />
Analysen durch Kontrolle des Erhebungszeitpunktes Rechnung getragen. <strong>Aus</strong>gehend<br />
von der Frage, inwieweit der Eintritt in das Berufsleben für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
positiv besetzt ist, wird untersucht, welche Pläne die Befragten für die Zeit nach dem Abschluss<br />
der aktuell besuchten Schule haben. Haben sie sich schon entschieden, ob sie weiter<br />
zur Schule gehen werden oder eine Berufsausbildung absolvieren wollen? In bi- <strong>und</strong> multivariaten<br />
Analysemodellen wird der Frage nachgegangen, von welchen Faktoren <strong>und</strong> Bedingungen<br />
diese Entscheidung abhängt. Daran anschließen werden beide Pfade – Schule<br />
oder Berufsausbildung – getrennt untersucht. Bei den Befragten, die angeben, weiter zur<br />
Schule zu gehen, wird wiederum zunächst bivariat <strong>und</strong> dann in multivariaten Modellen untersucht,<br />
was für eine Schule besucht werden soll. Wollen die Befragten nur weiter zur Schule<br />
gehen, weil sie geringe oder keine Chancen sehen, eine Stelle für eine betriebliche Berufsausbildung<br />
zu erhalten, oder verfolgen sie ehrgeizigere Ziele? Bei den Befragten, die<br />
angeben eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen, wird den Fragen nachgegangen, ob<br />
es sich um eine schulische oder eine duale Berufsausbildung handelt, welcher Beruf dabei<br />
angestrebt wird, inwieweit berufliche Alternativen im Rahmen des Entscheidungsprozesses<br />
erwogen wurden <strong>und</strong> wie die Chancen in dem angestrebten Beruf eingeschätzt werden. Zum<br />
Abschluss des vierten Kapitels wird der Berufswahlprozess noch einmal im Verlauf des Erhebungszeitraumes<br />
betrachtet.<br />
Das fünfte Kapitel behandelt die im Prozess der Berufsorientierung genutzten Informationsquellen.<br />
Zunächst wird die Nutzung unterschiedlicher Informationsquellen (wie z.B. Eltern,<br />
Praktikum, Schule, Berufsinformationszentrum, Presse, Bücher, Internet u.a.m.) <strong>und</strong> deren<br />
subjektive Bedeutsamkeit für diesen Prozess untersucht. Die Anzahl der genannten Informationsquellen<br />
dient im nächsten Analyseschritt als Indikator für ein aktives Informationsverhalten<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern. In bi- <strong>und</strong> multivariaten Modellen werden Einflüsse verschiedener<br />
Faktoren, wie der sozialen Herkunft, der besuchten Schule, der Schulleistung<br />
<strong>und</strong> des Leseverhaltens, der individuellen Aspirationen <strong>und</strong> Pläne auf das Informationsverhalten<br />
untersucht. Ein weiteres Untersuchungsfeld ist der selbst eingeschätzte Grad an Informiertheit<br />
über verschiedene Dimensionen der in die engere Wahl einbezogenen Berufe,<br />
wie z.B. Voraussetzungen, berufliche Tätigkeiten, Zukunftssicherheit, Arbeitszeiten <strong>und</strong> Einkommen<br />
<strong>und</strong> die Bedeutung dieser verschiedene Aspekte für die Entscheidung. Die Rolle<br />
der besuchten Schule in der Berufsorientierung wird dabei als eine Querschnittsfragestellung<br />
verstanden, die sich durch die Analysen zieht. Die Einschätzung <strong>und</strong> Bewertung dieser Rolle<br />
durch die befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ist eine Fragestellung, die im Anschluss an die<br />
Untersuchungen zum Informationsverhalten der Schüler vertiefend analysiert wird. Dabei<br />
kann gezeigt werden, dass auch bei Kontrolle individueller Hintergr<strong>und</strong>merkmale, der Einstellungen<br />
zur Schule <strong>und</strong> des Leistungsvermögens, des individuellen Informationsverhal-<br />
99
tens sowie der Einschätzung der Rolle einzelner Lehrer in diesem Prozess beträchtliche Unterschiede<br />
zwischen den einzelnen Schulen bestehen.<br />
Für die Zukunft ist darüber hinaus geplant, die <strong>Aus</strong>wertungen fortzusetzen <strong>und</strong> die hier vorgelegten<br />
Analysen in dreierlei Hinsicht zu erweitern:<br />
• Erstens ist das vorliegende Datenmaterial noch nicht ausgeschöpft. Insbesondere wurde<br />
eine Vielzahl von Einstellungen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zur Berufsorientierung <strong>und</strong><br />
zum Berufsleben erhoben, die bislang noch nicht angemessen ausgewertet werden<br />
konnten. Darüber hinaus können die vorgelegten Analysen durch die Berücksichtigung<br />
zusätzlicher Einflussfaktoren (zu denen u.a. die genannten Einstellungen gehören) vertieft<br />
werden.<br />
• Zweitens basieren die Ergebnisse auf einer vorläufigen Datenbasis, die noch verbreitert<br />
werden kann. Für die Untersuchungen in diesem Bericht wurden nur die Daten verwendet,<br />
die bis zum Ende des ersten Halbjahres des Schuljahres 2005/06 in den 10. Klassen<br />
von Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen im Rahmen des BQF-Projektes <strong>„Berufswahl</strong> <strong>und</strong><br />
Transfer. Evaluation innovativer Maßnahmen zur Verbesserung des Übergangs benachteiligter<br />
Jugendlicher / MigrantInnen in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung am Beispiel der<br />
Region Wesel / Kleve / Duisburg“ erhoben wurden. Im zweiten Halbjahr des Schuljahres<br />
2005/06 wurde der Fragebogen im Rahmen des in Duisburg <strong>und</strong> dem Kreis Wesel unter<br />
Federführung der Duisburger Unternehmerhaus AG durchgeführten Schulprojektes AB-<br />
BEO (<strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> Berufswahlorientierung) 1 für eine Befragung zur Berufsorientierung<br />
in den ABBEO-Partnerschulen eingesetzt. Durch die Kooperation mit dem AB-<br />
BEO-Team wurde ein doppeltes Ziel verfolgt: Doppelbefragungen, d.h. zusätzliche Belastungen<br />
der Schulen sollten vermieden <strong>und</strong> eine breitere, wechselseitig anschlussfähige<br />
<strong>und</strong> damit aussagekräftigere Datenbasis geschaffen werden. Die technische <strong>und</strong> personelle<br />
Durchführung auch dieser zweiten Befragungswelle lag bei dem BQF-Projektteam<br />
des Fachgebietes <strong>Wirtschaftspädagogik</strong> / <strong>Berufliche</strong> <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung der Universität<br />
Duisburg-Essen. Um möglichst zeitnah Ergebnisse der Befragung berichten zu können,<br />
basieren die in diesem Bericht präsentierten Analysen nur auf den Daten der ersten<br />
Erhebungswelle. Durch die Erstellung eines integrierten Datensatzes kann die Datenbasis<br />
der Analysen noch einmal verbreitert werden (auf ca. 2100 Befragte) <strong>und</strong> die Ergebnisse<br />
können besser abgesichert werden.<br />
1 „ABBEO“ steht als Akronym für <strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> Berufsorientierung. Es handelt sich um ein vom Land<br />
NRW, dem Europäischen Sozialfonds <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit unterstütztes Schulprojekt, das aus<br />
dem <strong>Aus</strong>bildungskonsens NRW erwachsen ist. Es soll auf regionaler Ebene zur Verbesserung der Qualifikation<br />
der Schulabgängerinnen <strong>und</strong> Schulabgänger, zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit Schule – Wirtschaft<br />
sowie zur Sicherung des <strong>Aus</strong>bildungserfolgs <strong>und</strong> zu der Vermeidung von <strong>Aus</strong>bildungsabbrüchen beitragen.<br />
100
• Drittens erlaubt die <strong>Aus</strong>weitung des Erhebungszeitraumes auf das gesamte 10. Schuljahr<br />
eine stärkere Berücksichtigung des Faktors ‚Zeit’ in den Analysen, so dass der Prozesscharakter<br />
der Berufsorientierung besser berücksichtigt werden kann. Zwar können keine<br />
Veränderungen auf Individualebene untersucht werden – dazu wäre ein Paneldesign<br />
notwendig, bei dem die Zielpersonen zu verschiedenen Zeitpunkten befragt werden<br />
müssten -, aber Veränderungen im Verlauf des 10. Schuljahres sollten auf Aggregatebene<br />
auch an den zu verschiedenen Zeitpunkten befragten Teilstichproben erkennbar werden,<br />
wenn es gelingt weitere relevante Einflüsse auf dieser Ebene zu kontrollieren.<br />
2 Feldbericht <strong>und</strong> Design der Studie: Onlinebefragungen in Schulen<br />
Befragungen bedeuten für die Schulen eine zusätzliche Belastung: Sie stören die internen<br />
Abläufe <strong>und</strong> sind mit zusätzlichem zeitlichem <strong>und</strong> organisatorischem Aufwand für die Schulleitung<br />
<strong>und</strong> die Lehrer verb<strong>und</strong>en. Nach <strong>Aus</strong>sage von Schulleitern kommt hinzu, dass in den<br />
letzten Jahren die Zahl der Anfragen, in den Schulen Befragungen durchführen zu dürfen,<br />
deutlich zugenommen hat. Um eine hohe Beteiligung der Schulen in der Region zu erreichen,<br />
musste ein Weg gef<strong>und</strong>en werden, Belastung <strong>und</strong> Aufwand für die Schulen möglichst<br />
gering zu halten. Eine Online-Befragung, die klassenweise im Computerraum der betreffenden<br />
Schule durchgeführt <strong>und</strong> von Mitarbeitern der Universität betreut wird, sollte diese Bedingungen<br />
so weit als möglich erfüllen, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben<br />
sind <strong>und</strong> sich die Terminplanung nach den Vorgaben der Schulen richtet.<br />
2.1 Technische Voraussetzungen<br />
Für die Befragung wurde auf das Tool „Umfragcenter“ der Firma Globalpark (Globalpark<br />
2006), das im Rahmen des Hochschulprogramms Unipark zu sehr günstigen Bedingungen<br />
eine professionelle Infrastruktur mit vielfältigen Möglichkeiten für Online-Befragungen zu Verfügung<br />
stellt, zurückgegriffen. Vom Projektteam wurde mit „Umfragcenter“ ein elektronischer<br />
Fragebogen programmiert, der durch die Eingabe einer bestimmten Internetadresse aufgerufen<br />
wird. 2 Technische Voraussetzung ist auf Seiten der Schulen ein Computerraum mit Internetarbeitsplätzen<br />
für die Befragten, da sich der Fragebogen auf dem zentralen Unipark-<br />
Server von Globalpark befindet <strong>und</strong> auch die Antworten dorthin übermittelt werden. Den<br />
Schülern muss in der Schule nur die Internet-Adresse <strong>und</strong> das zugehörige Passwort mitgeteilt<br />
werden. 3<br />
2 Der komplette elektronische Fragebogen ist im Anhang dokumentiert.<br />
3 Lange Internetadressen sind überaus anfällig für Tippfehler, so dass der zeitliche Aufwand für die Befragung<br />
verkürzt werden kann, wenn die Internetadresse schon vorher von den Projektmitarbeitern eingegeben wird.<br />
101
Technische Probleme waren selten, aber sie sind sowohl auf Seiten der Schulen (Probleme<br />
mit dem Internetzugang) als auch auf Seiten des Uniparkservers (Kapazitätsprobleme) aufgetreten.<br />
Bei zwei Schulen musste wegen technischer Probleme die Befragung verschoben<br />
werden. Zu Terminverschiebungen hat auch die Tatsache geführt, dass während der Feldphase<br />
die Interneträume Duisburger Schulen neu ausgestattet wurden. Aufgr<strong>und</strong> der Abhängigkeit<br />
der Befragung von der Technik ist die Möglichkeit solcher Probleme bei zukünftigen<br />
Erhebungen vorab zu klären oder zumindest in der Zeitplanung zu berücksichtigen. Eine<br />
zusätzliche Schwierigkeit stellt die Tatsache dar, dass in den Computerräumen der Schulen<br />
die Zahl der Arbeitsplätze häufig geringer ist als die Zahl der Schüler in den zu befragenden<br />
Klassen. Auch für dieses Problem konnte in jedem Fall eine Lösung gef<strong>und</strong>en werden: Meist<br />
wurden kleinere Gruppen gebildet, in einigen Fällen stand auch ein zweiter Raum mit Computerarbeitsplätzen<br />
zur Verfügung. Das Fazit ist somit positiv. Die Schulen sind ganz überwiegend<br />
für Online-Befragungen ausgestattet. Wo technische oder kapazitative Probleme<br />
auftauchten, da konnten sie in Zusammenarbeit mit den Schulen <strong>und</strong>/oder Globalpark gelöst<br />
werden.<br />
2.2 Vorteile einer elektronischen Datenerhebung<br />
Gegenüber einem persönlichen Interview mit einem konventionellen Papierfragebogen bietet<br />
eine computergestützte Befragung (CATI/CAPI <strong>und</strong> Online-Erhebungen) einige Vorteile. De<br />
Leeuw / Nicholls (1996) <strong>und</strong> de Leeuw (2000) betonen nach <strong>Aus</strong>wertung einer Reihe von<br />
Untersuchungen zum Computereinsatz bei Befragungen, dass durch die computergestützte<br />
Befragung die Datenqualität technisch verbessert werden kann: Ein gut programmierter elektronischer<br />
Fragebogen vermeidet Fehler der Filterführung, die bei Papierfragebögen immer<br />
wieder zum Problem werden. Auf der Basis der vorausgegangen Antworten entscheidet<br />
das Programm, welche Frage als nächstes vorgelegt wird <strong>und</strong> welche Antwortvorgaben relevant<br />
sind. Die Befragten werden vom Fragebogenprogramm anhand zuvor festgelegter Bedingungen<br />
durch den gesamten Fragebogen geführt. Nicht relevante Fragebogenelemente<br />
erscheinen erst gar nicht auf dem Bildschirm, so dass die für den Fragebogen benötigte Zeit<br />
verkürzt wird.<br />
Darüber hinaus ist es möglich, in die Frageformulierung selbst die im Interviewverlauf bereits<br />
erhobenen Informationen zu integrieren. So kann z.B. in eine Frage nach Informationsquellen<br />
über die Wunschberufe eine aus einer vorherigen Frage bekannte Berufsbezeichnung<br />
eingefügt werden (z.B.: „Wie intensiv hast du dich über die Anforderungen einer <strong>Aus</strong>bildung<br />
zum … informiert?“). Die Automatisierung macht die Frage für den Befragten eindeutig <strong>und</strong><br />
individualisiert den Ablauf der Befragung. Wie Fuchs (1995: 288f) für die computerunterstützte<br />
telefonische Befragung betont, ermöglicht ein elektronischer Fragebogen die<br />
102
Konstruktion komplexerer Erhebungsinstrumente <strong>und</strong> erlaubt dabei individuellere <strong>und</strong> spezifischere<br />
Fragen zu verwenden, als dies ohne den Einsatz eines Computers möglich sei. Für<br />
Online-Befragungen gilt dies natürlich gleichermaßen.<br />
Unmittelbar bei der Dateneingabe können anhand der bereits erhobenen Informationen automatisierte<br />
Überprüfungen auf Konsistenz <strong>und</strong> Eingabefehler durchgeführt werden. So lässt<br />
sich beispielsweise programmieren, dass das Computerprogramm nachfragt, wenn ein <strong>Aus</strong>bildungsgang<br />
angegeben wird, für den nach den bisherigen Angaben des Befragten die<br />
schulischen Voraussetzungen fehlen. Solche Konsistenzchecks erfordern allerdings einen<br />
sehr hohen Aufwand bei der Konzeption <strong>und</strong> Programmierung, denn sie müssen alle tatsächlich<br />
offen stehenden Möglichkeiten berücksichtigen. Wesentlich einfacher lässt sich dagegen<br />
eine Überprüfung des gültigen Wertebereichs einer Antwort implementieren, bei der<br />
das Programm etwa bei einer fünfstufigen Antwortvorgabe die Eingabe des Wertes '6' verweigert.<br />
Insgesamt sinkt durch solche Maßnahmen der Aufwand, der im Anschluss an die<br />
Befragung bei der Datenbereinigung betrieben werden muss. Darüber hinaus hat man bei<br />
einer Datenbereinigung nach dem Interview i.d.R. keine andere Möglichkeit, als den fragwürdigen<br />
Wert zu löschen, da man nicht mehr nachfragen kann, während die unmittelbare Überprüfung<br />
im Interview eine Korrektur ermöglicht.<br />
Der Computer bietet neue Möglichkeiten der Organisation von Fragen <strong>und</strong> Antworten, die<br />
dazu beitragen, Positionierungseffekte (vgl. u.a. Diekmann 1998, 398) zu vermeiden. So<br />
kann die Reihenfolge der Fragen einer Skala oder die Folge der Antwortvorgaben einer spezifischen<br />
Frage vom Programm randomisiert werden. Diese Möglichkeit wurde bei verschiedenen<br />
Fragebatterien genutzt.<br />
Da eine Übertragung der Daten vom Fragebogen in eine Datei nicht nötig ist, werden Übertragungsfehler<br />
vermieden. Die Daten liegen unmittelbar im Anschluss an die Befragung in<br />
maschinenlesbarer Form vor (hier als SPSS-Systemdatei, aber es sind bei „Umfragcenter“<br />
auch andere Formate möglich). Datenbereinigungs- <strong>und</strong> Aufbereitungsprozesse werden<br />
zwar nicht überflüssig, aber ihr Umfang wird reduziert, so dass der Zeitraum zwischen der<br />
Datenerhebung <strong>und</strong> dem Vorliegen erster Ergebnisse verkürzt werden kann. Insgesamt gesehen<br />
kann ein elektronischer Fragebogen (ob Online, CATI oder CAPI) schon während der<br />
Feldphase, vor allem aber im Anschluss daran im Bereich der Datenaufbereitung <strong>und</strong> Dateneingabe<br />
Zeit <strong>und</strong> Kosten sparen. Verglichen mit einem herkömmlichen Papierfragebogen<br />
steht dem allerdings ein erhöhter Aufwand bei der Programmierung gegenüber.<br />
Das hier verwendete elektronische Erhebungsinstrument ist selbsterklärend <strong>und</strong> die Schüler<br />
erwiesen sich ganz überwiegend mit dem Internet allgemein, aber auch speziell mit Onlinebefragungen,<br />
bei denen die Antwortvorgaben meistens nur mit der Maus angeklickt werden<br />
müssen, vertraut, so dass ein Eingreifen der Betreuer nur selten notwendig wurde. Dennoch<br />
103
variierten die Bearbeitungszeiten in einem sehr großen Rahmen (zwischen r<strong>und</strong> 15 <strong>und</strong> 50<br />
Minuten). Dies ist nicht nur auf unterschiedliche Filterdurchläufe, sondern auch auf den unterschiedlichen<br />
Grad an Vertrautheit mit dem PC sowie das unterschiedliche Lesetempo der<br />
Befragten zurückzuführen. Deshalb ist gerade bei der hier angesprochenen Zielgruppe besonders<br />
zu unterstreichen, was Bandilla/Bosnjak (2000, 19) für Online-Befragungen allgemein<br />
feststellen: Die Gestaltung des Instrumentes muss dem Medium angepasst sein. Fragen<br />
sollten möglichst kurz formuliert <strong>und</strong> auf lange Texte (Einführungen, Erläuterungen) sollte<br />
möglichst verzichtet werden (vgl. auch Gräf 2004, Couper / Coutts 2005, 227f).<br />
Insgesamt haben die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler offenbar gerne an der Online-Befragung<br />
teilgenommen. Darauf weist die Tatsache hin, dass trotz eines Hinweises durch das Projektteam<br />
auf diese Möglichkeit keine einzige Verweigerung eines Schülers zu verzeichnen war.<br />
Auch von den Eltern wurde in keinem Fall explizit die Teilnahme verweigert, allerdings konnten<br />
einige Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen nicht teilnehmen, da die Zustimmung der Eltern nicht<br />
vorlag. Die hohe Teilnahmebereitschaft ist sicher zu einem großen Teil auf die biographische<br />
Aktualität des Themas Berufsorientierung für die Zielgruppe der Befragten zurückzuführen.<br />
Auf Seiten der Schüler kommt hinzu, dass eine Befragung eine interessante Abwechslung<br />
vom schulischen Alltag darstellt. Auch die Tatsache, dass die Befragung online <strong>und</strong> nicht<br />
mittels eines herkömmlichen Papierfragebogens durchgeführt wurde, mag das Interesse der<br />
Schüler gesteigert haben. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch ein im Rahmen des DJI-<br />
Übergangspanels durchgeführter Methodenvergleich zwischen verschiedenen Befragungsformen,<br />
unter denen aus Sicht der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die Online-Befragung<br />
am besten abgeschnitten hat (vgl. Gaupp / Kuhnke / Schweigard 2006, 31ff).<br />
2.3 Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung der Befragung<br />
Um eine möglichst hohe <strong>Aus</strong>schöpfung zu erreichen, wurde das Vorhaben im Vorfeld der<br />
Befragung in der Region auf Workshops sowie über die regionalen Beiräte „Schule – Beruf“<br />
bekannt gemacht. Um die Belastung der Schulen durch Befragungen gering zu halten, wurde<br />
mit dem regionalen ABBEO-Projekt, dass für das Frühjahr eine Schülerbefragung in den<br />
ABBEO-Pilotschulen plant, eine weit reichende Zusammenarbeit vereinbart. Dabei wurden<br />
die ABBEO-Schulen zunächst aus der Gr<strong>und</strong>gesamtheit der Schulen, deren Zehntklässler<br />
2005 befragt werden sollten, herausgenommen. Zugleich aber werden dem ABBEO-Team<br />
die Erhebungsinstrumente für die Schülerbefragung in der ersten Jahreshälfte 2006 zur Verfügung<br />
gestellt. Personell wird diese zweite Befragungswelle gemeinsam von dem Projektteam<br />
<strong>und</strong> von ABBEO getragen. Die Daten werden anschließend zusammengeführt. Der<br />
verknüpfte Datensatz wird die Datenbasis dann deutlich vergrößern <strong>und</strong> durch die zwei Erhebungszeitpunkte<br />
zusätzliche Analysemöglichkeiten eröffnen.<br />
104
Die in Frage kommenden Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen wurden angeschrieben <strong>und</strong> über<br />
das Vorhaben einer klassenweisen Online-Befragung informiert. 4 Im Anschreiben wird<br />
betont, dass die Befragung von Projektmitarbeitern betreut wird, so dass für die Schule kein<br />
zusätzlicher personeller Aufwand notwendig ist. Darüber hinaus wird in dem Anschreiben<br />
darauf hingewiesen, dass vom Projektteam Elternbriefe, in denen die Eltern über das Vorhaben<br />
(falls nötig auch in türkischer oder russischer Sprache) informiert werden <strong>und</strong> im unteren<br />
Teil ihr Einverständnis mit der Befragung erklären können, den Schulen zur Verfügung gestellt<br />
wurden. Dem Anschreiben beigefügt war ein Antwortformular, mit dem die Schulen ihre<br />
Teilnahmebereitschaft erklären <strong>und</strong> Terminvorschläge machen konnten. 5 28 Schulen erklärten<br />
sich daraufhin – überwiegend mithilfe des Antwortformulars, aber auch telefonisch oder<br />
per E-Mail – bereit, an der Befragung teilzunehmen. 6 Bei der Terminvereinbarung wurden die<br />
Vorgaben der Schulen gr<strong>und</strong>sätzlich akzeptiert, auch wenn dies im Rahmen eines sehr kleinen<br />
Projektteams manchmal mit Problemen verb<strong>und</strong>en war. Gut zwei Wochen vor dem vereinbarten<br />
Befragungstermin wurden jeweils die vorbereiteten Elternbriefe der Schule zur<br />
Verfügung gestellt <strong>und</strong> mit der Schulleitung bzw. einer von dieser benannten Kontaktperson<br />
letzte Einzelheiten abgesprochen. Im Rahmen der Vorgespräche wurde den Schulen auch<br />
zugesagt, ihnen relativ frühzeitig eine erste tabellarische <strong>Aus</strong>wertung der Daten, bei denen<br />
die Ergebnisse ihrer jeweiligen Schule den Daten relevanter (anonymisierter) Vergleichsgruppen<br />
gegenübergestellt werden, zur Verfügung zu stellen. Dadurch wird es den Schulen<br />
möglich, sich hinsichtlich der ausgewerteten Fragen selber innerhalb des gesamten Spektrums<br />
zu lokalisieren <strong>und</strong> ggf. die Feinsteuerung der eigenen berufsorientierenden <strong>und</strong> vorbereitenden<br />
Maßnahmen zu optimieren. Die Befragung selber wurde jeweils von zwei Projektmitarbeitern<br />
begleitet <strong>und</strong> in der Regel an einem Tag durchgeführt.<br />
Die überaus positiv zu bewertende Teilnahmebereitschaft der Schulen – die ABBEO-Schulen<br />
noch nicht eingerechnet konnten in 28 Schulen letztlich mehr als 15 Prozent der Gr<strong>und</strong>gesamtheit<br />
der in Frage kommenden Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler befragt werden – belegt den<br />
Erfolg einer integrierten Feldstrategie, die konsequent darauf angelegt war, die Belastungen<br />
für die Schulen möglichst gering zu halten <strong>und</strong> sich an deren Interessen zu orientieren.<br />
4<br />
Wir möchten uns an dieser Stelle bei Herrn Weyers, dem Leiter des Duisburger Schulamtes, für seine Unterstützung<br />
bedanken.<br />
5<br />
Anschreiben, Antwortformular <strong>und</strong> Elternbrief sind im Anhang dokumentiert.<br />
6<br />
Die Tatsache, dass die Befragung letztlich nur an 24 Schulen durchgeführt werden konnte, hatte terminliche<br />
<strong>und</strong> technische Gründe.<br />
105
3 Wer wurde befragt?<br />
3.1 Region <strong>und</strong> Schulform<br />
Die erste Welle der Befragung wurde zwischen dem Juni <strong>und</strong> Dezember 2005 an insgesamt<br />
24 Haupt-, Real- oder Gesamtschulen der Stadt Duisburg <strong>und</strong> der Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve<br />
als klassenweise internetbasierte Befragung in den Computerräumen der Schulen durchgeführt.<br />
Dabei konnten insgesamt N=1499 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die im Sommer 2006 die<br />
Schule verlassen werden, zum Themenkomplex ‚Berufsorientierung’ befragt werden. Da die<br />
Datenqualität einer Befragung am Computer in starkem Maße von der Gewissenhaftigkeit<br />
des <strong>Aus</strong>füllens durch die Befragten abhängt <strong>und</strong> ein bloßes „Durchklicken“ einzelner Teilnehmer<br />
zu Messfehlern führen <strong>und</strong> die Ergebnisse verfälschen würde, generiert die verwendete<br />
Software der Firma Globalpark einen Qualitätsindikator, der die durchschnittlichen individuelle<br />
Antwortzeit je Bildschirmseite in Relation zur durchschnittlichen Antwortzeit aller Befragten<br />
setzt (Globalpark 2006, 444f). Dieser Indikator variiert zwischen 0 <strong>und</strong> 1, wobei 0,5<br />
dem Median der Befragungsdauer aller Befragten entspricht. Zur Verbesserung der Datenqualität<br />
wurden nur Personen mit einem Qualitätsindex über 0,2 in den Analysen verwendet.<br />
Dadurch reduziert sich die Fallzahl auf N=1434 befragte Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. In Zusammenarbeit<br />
mit dem regionalen ABBEO-Projekt ist eine zweite Befragungswelle für den<br />
Zeitraum Januar bis Juni 2006, also für das zweite Halbjahres der 10. Klasse, an Schulen<br />
der Stadt Duisburg <strong>und</strong> des Kreises Wesel geplant.<br />
Der hier vorgelegte Bericht basiert aus terminlichen Gründen lediglich auf den Daten der<br />
erste Befragungswelle 2005. Die folgende Tabelle 1 gibt einen nach Region <strong>und</strong> Schulform<br />
differenzierten Überblick über die 2005 befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, deren Daten in<br />
den Analysen genutzt werden. Zu Vergleichszwecken gibt die gleich aufgebaute Tabelle 2<br />
die Verteilung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der 10. Klassen aller Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />
in der Stadt Duisburg <strong>und</strong> den Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve für das Schuljahr<br />
2004/05 wider. Dabei handelt es sich aus zwei Gründen nicht um die Gr<strong>und</strong>gesamtheit der<br />
vorliegenden Stichprobe: Zum einen gibt sie die Schülerpopulation der 10. Klassen des Vorjahres<br />
der Befragung (Schuljahr 2004/05) wider, <strong>und</strong> zum anderen enthält sie auch die Schüler<br />
der ABBEO-Schulen, die nicht zur Gr<strong>und</strong>gesamtheit gehören, da sie für die erste Welle<br />
gar nicht angeschrieben worden sind. Der Vergleich kann dennoch Hinweise darauf geben,<br />
inwieweit einzelne Schulformen oder Regionen unter- bzw. überrepräsentiert sind.<br />
106
Tabelle 1 Befragte der ersten Erhebungswelle (2005) nach Schulform <strong>und</strong> Region<br />
Region Gesamt<br />
Duisburg Kleve Wesel<br />
Hauptschule Anzahl 224 218 207 649<br />
% von Schulform 34,5 33,6 31,9 100,0<br />
% von Kreis 41,0 71,0 35,6 45,3<br />
% der Gesamtzahl 15,6 15,2 14,4 45,3<br />
Realschule Anzahl 85 89 253 427<br />
% von Schulform 19,9 20,8 59,3 100,0<br />
% von Kreis 15,6 29,0 43,5 29,8<br />
% der Gesamtzahl 5,9 6,2 17,6 29,8<br />
Gesamtschule Anzahl 237 0 121 358<br />
% von Schulform 66,2 ,0 33,8 100,0<br />
% von Kreis 43,4 ,0 20,8 25,0<br />
% der Gesamtzahl 16,5 ,0 8,4 25,0<br />
Gesamt Anzahl 546 307 581 1434<br />
% von Schulform 38,1 21,4 40,5 100,0<br />
% von Kreis 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
% der Gesamtzahl 38,1 21,4 40,5 100,0<br />
Tabelle 2 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der 10. Klassen an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />
der Stadt Duisburg <strong>und</strong> der Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel im Schuljahr 2004/05<br />
Kreis Gesamt<br />
Duisburg Kleve Wesel<br />
Hauptschule Anzahl 989 1329 1248 3566<br />
% von Schulform 27,7 53,4 30,4 100,0<br />
% von Kreis 26,2 46,0 49,4 34,4<br />
% der Gesamtzahl 9,5 12,8 12,0 34,4<br />
Realschule Anzahl 965 1004 1564 3533<br />
% von Schulform 27,3 28,4 44,3 100,0<br />
% von Kreis 25,5 40,3 38,1 34,0<br />
% der Gesamtzahl 9,3 9,7 15,1 34,0<br />
Gesamtschule Anzahl 1826 157 1296 3279<br />
% von Schulform 55,7 4,8 39,5 100,0<br />
% von Kreis 48,3 6,3 31,5 31,5<br />
% der Gesamtzahl 17,6 1,5 12,5 31,5<br />
Gesamt Anzahl 3780 2490 4108 10378<br />
% von Schulform 36,4 24,0 39,6 100,0<br />
% von Kreis 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
% der Gesamtzahl 36,4 24,0 39,6 100,0<br />
107<br />
Datenquelle: Landesdatenbank NRW
Die regionale Verteilung der Stichprobe (Tabelle 1, Zeile Gesamt) stimmt mit der Verteilung<br />
der Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen im Schuljahr 2004/05, so wie sie die amtliche Statistik ausweist<br />
(Tabelle 2), weitgehend überein. Die maximale Abweichung beträgt lediglich 2,6 Prozentpunkte.<br />
Betrachtet man die Verteilung der besuchten Schulformen (Spalte Gesamt der beiden Tabellen),<br />
dann fällt auf, dass Hauptschüler (+ 10,9 Prozentpunkte) in dem vorliegenden Sample<br />
zu Lasten der Realschüler <strong>und</strong> der Gesamtschüler überrepräsentiert sind. Hierfür kann das<br />
ABBEO-Projekt eine Teilerklärung bieten: In Duisburg beispielsweise werden 4 der 10 Realschulen<br />
im Rahmen von ABBEO befragt (aber nur 6 der 20 Hauptschulen) <strong>und</strong> fallen also<br />
aus der Gr<strong>und</strong>gesamtheit der ersten Welle heraus. Der reduzierte Gesamtschüleranteil hat<br />
allerdings teilweise eine andere Ursache. 7 Hier wurden in einigen (nicht allen) Schulen aus<br />
Termingründen in Absprache mit den Schulen vor allem die Schüler befragt, die die Schule<br />
nach dem Abschluss der 10. Klasse voraussichtlich verlassen. Dies hat den zusätzlichen<br />
Vorteil, dass die eigentliche Zielgruppe besser getroffen wird. Dennoch dürfte eine Lücke<br />
bleiben, auf die diese Erklärungen nicht zutreffen.<br />
Die Überrepräsentation der Hauptschüler/-innen ist allerdings nicht notwendigerweise als<br />
Nachteil zu werten; sie erlaubt vielmehr aufgr<strong>und</strong> der größeren Fallzahl bei den Hauptschüler/-innen,<br />
d.h. in der Gruppe mit den größten Problemen an der ersten Schwelle, genauere<br />
<strong>und</strong> tiefer gehende Analysen, während die Antworten der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der beiden<br />
anderen Schulformen zu Vergleichszwecken als Kontrollgruppen herangezogen werden<br />
können. Innerhalb der drei durch die Schulform gebildeten Subgruppen erlauben die Fallzahlen<br />
jedenfalls aussagekräftige Analysen. In Bezug auf die Gesamtgruppe aller Befragten ist<br />
jedoch Vorsicht geboten – zumindest dann, wenn man davon ausgeht, dass die Ergebnisse<br />
auch durch die Schulform <strong>und</strong> durch regionale Unterschiede beeinflusst werden. Wo solche<br />
Einflüsse zu erwarten sind, ist es geboten, auf generalisierende <strong>Aus</strong>sagen über die gesamte<br />
Stichprobe zu verzichten <strong>und</strong> stattdessen die einzelnen Subgruppen untereinander zu vergleichen.<br />
Aber eine solche differenzierende Vorgehensweise wäre ohnehin geboten, denn<br />
generalisierende <strong>Aus</strong>sagen über die Gesamtgruppe würden, auch wenn die Subgruppen der<br />
Stichprobe die Größe dieser Gruppen in der Gr<strong>und</strong>gesamtheit exakt repräsentieren würden,<br />
die Unterschiede zwischen den Subgruppen nur verdecken <strong>und</strong> dadurch dem Erkenntnisinteresse<br />
zuwiderlaufen.<br />
7 Im Kreis Kleve gibt es nur eine Gesamtschule. Diese hat nicht an der Befragung teilgenommen.<br />
108
3.2 Migrationshintergr<strong>und</strong> der Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen<br />
Deutschland ist faktisch ein Einwanderungsland. Dies gilt für die industriellen Regionen<br />
Nordrhein-Westfalens in besonderem Maße, aber es gibt auch dort regionale Unterschiede.<br />
Beides spiegelt sich natürlich auch in den Schulstatistiken wieder. Multi-ethnische Klassen<br />
gehören zum Alltag in den Schulen. Allerdings unterscheidet sich die Verteilung der Migrantenkinder<br />
auf die verschiedenen Schulformen deutlich von der gleichaltriger deutscher Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler. So besuchten am Stichtag 15.10.2004 in Nordrhein-Westfalen 41,9%<br />
der in Frage kommenden deutschen Schüler der Sek<strong>und</strong>arstufe ein Gymnasium, aber nur<br />
14,7% der ausländischen Schüler <strong>und</strong> 14,0% der jungen <strong>Aus</strong>siedler. Genau umgekehrt verhält<br />
es sich beim Besuch der Hauptschule: Gerade 15,8% der deutschen Schüler besuchten<br />
eine Hauptschule, aber 34,4% der ausländischen Schüler <strong>und</strong> 40,4% der <strong>Aus</strong>siedlerkinder<br />
(Stender in diesem Band, Tabelle 4, vgl. auch Diefenbach 2004, 2005; Avenarius u.a. 2003,<br />
213-219; Baumert / Schümer 2001, 372-374; Gogolin u.a. 2003, 1-19, Goldberg u.a. 2002,<br />
21-31).<br />
Die amtliche Statistik beschränkt sich leider auf die Erfassung der Staatsbürgerschaft <strong>und</strong><br />
blendet dadurch systematisch bestimmte Migrantengruppen aus (Herwartz-Emden 2005). In<br />
der vorliegenden Studie wurde daher, ähnlich wie bei PISA (Baumert / Schümer 2001) oder<br />
im Längsschnitt des DJI zum Übergang Schule – Beruf (Reißig / Gaupp / Lex 2004), ein umfassenderer<br />
<strong>und</strong> zugleich differenzierterer Weg gewählt, den Migrationshintergr<strong>und</strong> der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu erheben. Zunächst wurden die Geburtsländer beider Elternteile<br />
erhoben. War mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren, dann wurde danach<br />
gefragt, ob der Schüler bzw. die Schülerin in Deutschland oder einem anderen Land geboren<br />
wurde <strong>und</strong> ggf. in welchem Alter er / sie nach Deutschland gekommen ist. Diese Personengruppe<br />
wurde zusätzlich gefragt, ob Deutsch die Umgangssprache in der Familie ist (vgl.<br />
Chlosta / Ostermann 2005) <strong>und</strong> ob sie auch deutsche Fre<strong>und</strong>e haben. Damit stehen für differenzierte<br />
Analysen möglicher Effekte des Migrationshintergr<strong>und</strong>es Einzelindikatoren bereit,<br />
aus denen auch der Indikator „Migrationshinterg<strong>und</strong>“ konstruiert wurde. Dessen Basis bilden<br />
die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen, von denen bereits beide Elternteile in Deutschland geboren<br />
wurden (In der Tabelle zugunsten der dazu komplementären Summenkategorie „Schüler/in<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong>“ nicht dargestellt). Auf der nächsten Stufe wird differenziert, ob ein<br />
Elternteil oder beide nicht in Deutschland geboren wurden. Die vierte Stufe bilden Befragte,<br />
die selber nicht in Deutschland geboren wurden, bei denen aber Deutsch zuhause auch Umgangssprache<br />
ist. Die fünfte Kategorie enthält schließlich alle Schüler, bei denen zuhause<br />
nicht Deutsch gesprochen wird. 8 Sie rekrutiert sich ganz überwiegend aus den Gruppen, bei<br />
8 Die Frageformulierung im Fragebogen lautete: „Sprecht ihr zuhause normalerweise deutsch?“<br />
109
denen entweder beide Eltern nicht in Deutschland geboren wurden (51%) oder der / die Befragte<br />
selber erst nach der Geburt nach Deutschland eingereist ist (41%).<br />
Tabelle 3 Migrationshintergr<strong>und</strong> der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nach Schulform<br />
<strong>und</strong> Region<br />
HS<br />
Duisburg<br />
HS<br />
Kleve<br />
HS<br />
Wesel<br />
RS<br />
Duisburg<br />
110<br />
RS<br />
Kleve<br />
RS<br />
Wesel<br />
GS<br />
Duisburg<br />
GS<br />
Wesel<br />
Ohne Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
55,5% 71,0% 79,3% 77,6% 84,9% 86,9% 58,4% 78,3%<br />
Ein Elternteil nicht in<br />
Deutschland geboren<br />
8,2% 5,5% 4,9% 4,7% 4,7% 5,2% 8,7% 11,7%<br />
Beide Eltern nicht in<br />
Deutschland geboren<br />
10,0% 4,1% 5,4% 5,9% 3,5% 3,6% 11,3% 5,8%<br />
Schüler/in nicht in<br />
Deutschland geboren<br />
5,9% 7,4% 5,4% 3,5% 4,7% 2,0% 4,8% ,8%<br />
Zuhause nicht Deutsch<br />
als Umgangssprache<br />
Migrations-<br />
20,5% 12,0% 4,9% 8,2% 2,3% 2,4% 16,9% 3,3%<br />
hintergr<strong>und</strong> Anteil 44,5% 29,0% 20,7% 22,4% 15,1% 13,1% 41,6% 21,7%<br />
Amtliche<br />
Statistik*<br />
Anteil 37,7% 12,9% 25,7% 15,4% 4,0% 6,3% 28,9% 15,9%<br />
Befragte Anzahl 220 217 203 85 86 252 231 120<br />
Gesamt Anteil 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%<br />
* Datenquelle für Zeile „Amtliche Statistik“: Ministerium für Schule, Jugend <strong>und</strong> Kinder NRW; In der Zeile „Amtliche Statistik“ ist<br />
der Anteil der Summe von Schülern mit ausländischer Staatsangehörigkeit <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedlerkindern ausgewiesen. Die Basis der<br />
Prozentuierung bilden alle Schüler/innen die zum Stichtag 15.10.2004 die jeweilige Schulform in den drei Kreisen besucht<br />
haben (vgl. Stender in diesem Band, Tabelle 4).<br />
HS: Hauptschule, RS: Realschule, GS: Gesamtschule<br />
Tabelle 3 belegt, dass die Beschränkung der amtlichen Statistik auf die Kategorie der Staatsanghörigkeit<br />
<strong>und</strong> des <strong>Aus</strong>siedlerstatus (der nur im ersten Jahr nach der Einreise berücksichtigt<br />
wird) erwartungsgemäß zu Unterschätzung des Anteils an Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
in den Schulen führt. Auch wenn der Vergleich mit eigenen Unschärfen verb<strong>und</strong>en<br />
ist (die Vergleichsdaten beziehen sich auf alle Schüler der dargestellten Differenzierungsebenen,<br />
nicht wie die der Stichprobe nur auf die 10. Klasse), so zeigt er doch, dass in<br />
fast allen aus der Kombination von Schulform <strong>und</strong> Kreis gebildeten Gruppen der Anteil der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> in der Stichprobe den in der amtlichen<br />
Statistik ausgewiesenen summierten Anteil an ausländischen Jugendlichen <strong>und</strong> jugendlichen<br />
<strong>Aus</strong>siedlern an den Schulen deutlich übersteigt. Dies trifft lediglich auf die Hauptschulen im<br />
Kreis Wesel nicht zu, wo in der vorliegenden Stichprobe die Anteile der Schüler der 10. Klassen<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong> sogar geringfügig niedriger liegen als die Anteile der <strong>Aus</strong>länder<br />
plus die der <strong>Aus</strong>siedler an allen Schülern der jeweiligen Schulform <strong>und</strong> Region. Eine<br />
mögliche Ursache könnte sein, dass die in dem vorliegenden Sample befragten Hauptschulen<br />
des Kreises Wesel 9 in den stärker ländlich geprägten Teilen des Kreises <strong>und</strong> nicht in den<br />
9 <strong>Aus</strong> Gründen des Datenschutzes werden in diesem Bericht keine einzelnen Schulen identifiziert. Allerdings<br />
erhalten die Schulen, die an der Befragung teilgenommen haben, eine schulscharfe <strong>Aus</strong>wertung wichtiger Daten.
größeren Bergbau- <strong>und</strong> Industriestädten mit ihrem höheren <strong>Aus</strong>länderanteil beheimat sind. 10<br />
Dies wird sich allerdings mit der Befragung der ABBEO-Schulen noch ändern.<br />
Hinsichtlich des Anteils der Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> bestehen zwischen der kreisfreien<br />
Stadt Duisburg <strong>und</strong> den beiden Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve bei allen drei Schulformen<br />
große Unterschiede, die ihre unterschiedlichen <strong>Aus</strong>länderanteile an der Wohnbevölkerung<br />
widerspiegeln (vgl. Stender in diesem Band, Tabelle 1): Der <strong>Aus</strong>länderanteil <strong>und</strong> entsprechend<br />
der Anteil an Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern mit Migrationshintergr<strong>und</strong> an den Haupt-,<br />
Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen ist in Duisburg deutlich höher als in den beiden Kreisen.<br />
Vergleicht man die drei Schulformen, dann findet man jeweils die höchsten Anteile an den<br />
Hauptschulen, allerdings dicht gefolgt von den Gesamtschulen. In den 10. Klassen der Duisburger<br />
Hauptschulen liegt der Anteil nichtdeutscher Schüler in unserer Stichprobe bei knapp<br />
45% (gegenüber 37,7% in der Schulstatistik) <strong>und</strong> an den Gesamtschulen bei r<strong>und</strong> 42%.<br />
Deutlich niedriger liegen dagegen in allen drei Regionen die Anteile der Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
an den Realschulen. Sie reichen von 22,4% in Duisburg bis hin zu 13,1% im<br />
Kreis Wesel. Bedenkt man die Bedeutung der Sprache für den Integrationsprozess (Baumert<br />
/ Schümer 2001, 379), dann erscheint der durchgängig hohe Anteil der Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>, in deren Familien überwiegend eine andere Sprache als Deutsch gesprochen<br />
wird, bedenklich. Einer Studie des Zentrums für Türkeistudien (Goldberg u.a. 2002,<br />
62) zufolge verwenden r<strong>und</strong> zwei Drittel der türkischen Familien mit schulpflichtigen Kindern<br />
im eigenen Haushalt sowohl Türkisch als auch Deutsch als Umgangssprache. <strong>Aus</strong>schließlich<br />
Türkisch oder Deutsch sprechen jeweils r<strong>und</strong> 20% dieser Gruppe.<br />
<strong>Aus</strong> Gründen des Datenschutzes werden in der Tabelle (wie generell in diesem Bericht) nicht<br />
die Daten für einzelne Schulen publiziert. Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass die Streuung<br />
des <strong>Aus</strong>länderanteils zwischen den einzelnen Schulen – nicht nur in Duisburg – beträchtlich<br />
ist. So finden sich unter den befragten Duisburger Hauptschulen zwei Schulen mit<br />
Klassen, deren <strong>Aus</strong>länderanteil bei r<strong>und</strong> 80% liegt, aber auch eine Schule, in der eine Klasse<br />
mit einem extrem niedrigen <strong>Aus</strong>länderanteil von lediglich r<strong>und</strong> 6% befragt wurde.<br />
Tabelle 4 beantwortet die Frage nach der Herkunft der Väter der befragten Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Im Anhang ist zusätzlich die Verteilung für die Mütter<br />
ausgewiesen (Tabelle A2). Diese unterscheidet sich hinsichtlich der drei häufigsten Migrantengruppen<br />
nur unwesentlich von der Tabelle für die Väter, so dass die Darstellung auf die<br />
Väter (n=342), die zudem häufiger als die Mütter (n=312) nicht in Deutschland geboren wurden,<br />
beschränkt werden kann.<br />
10 Der <strong>Aus</strong>länderanteil an der Wohnbevölkerung streut zwischen den Städten des Kreises Wesel beträchtlich: Es<br />
gibt drei Städte mit einem <strong>Aus</strong>länderanteil unter 3%, aber auch zwei Städte mit einem Anteil von über 10%<br />
(Moers <strong>und</strong> Kamp-Lintfort). In den beiden Städten mit hohem <strong>Aus</strong>länderanteil konnten in der ersten Erhebungswelle<br />
2005 keine Schulen für die Befragung gewonnen werden.<br />
111
Tabelle 4 Herkunft der Väter von Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
112<br />
Region Gesamt<br />
Duisburg Kleve Wesel<br />
Türkei 51,0% 28,2% 26,0% 40,6%<br />
Frühere Sowjetunion <strong>und</strong> Osteuropa 12,4% 40,8% 44,2% 25,4%<br />
Naher <strong>und</strong> mittlerer Osten sowie Nordafrika 14,9% 4,2% 3,9% 10,2%<br />
BeNeLux, A, CH, GB, F, USA, CA 6,2% 11,3% 5,2% 7,0%<br />
Früheres Jugoslawien <strong>und</strong> Albanien 8,2% 4,2% 2,6% 6,1%<br />
Griechenland, Italien, Spanien, Portugal 5,2% 4,2% 9,1% 5,8%<br />
Andere Länder 2,1% 7,0% 9,1% 4,7%<br />
Gesamt Anzahl 194 71 79 342<br />
Anteil 100,0% 100,0% 100,0% 100,0%<br />
Im Tabellenanhang findet sich die strukturell gleiche Tabelle A2 für die Mütter der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
In der Gesamtgruppe der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> ist der Anteil der Befragten,<br />
von denen mindestens ein Elternteil (meist aber beide) aus der Türkei stammen am höchsten<br />
(40,6%). Differenziert man allerdings nach den drei Regionen, dann trifft diese <strong>Aus</strong>sage<br />
nur noch auf Duisburg mit seinem allgemein hohen Anteil an Migranten zu – dort jedoch umso<br />
stärker. Hier stammen die Eltern von mehr als der Hälfte der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
aus der Türkei (51,0%). Dagegen liegt der Anteil der Befragten, deren Eltern aus<br />
den Ländern der ehemaligen Sowjetunion oder aus Osteuropa stammen, in Duisburg wesentlich<br />
niedriger als in den beiden Landkreisen, wo diese jeweils die größte Gruppe unter<br />
den Eltern der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> bilden. 11 Relativ groß ist in Duisburg auch<br />
die Gruppe der aus den Ländern des nahen <strong>und</strong> mittleren Osten sowie Nordafrika Zugewanderten,<br />
die aber in den Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve kaum eine Rolle spielt. Die weiteren Zuwanderergruppen<br />
sind in allen drei Regionen zahlenmäßig relativ klein, so dass über sie in<br />
den durchzuführenden Analysen keine verlässlichen <strong>Aus</strong>sagen möglich sind.<br />
11 Wie in einer Studie des Instituts für Landes- <strong>und</strong> Stadtentwicklungsforschung <strong>und</strong> Bauwesen des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen (Krampulz 2005, 43) herausgestellt wird, liegen die <strong>Aus</strong>länderanteile an der Wohnbevölkerung<br />
in den kreisfreien Städten Nordrhein-Westfalens i.d.R. deutlich über denen der Kreise, während <strong>Aus</strong>siedler<br />
eher in die ländlichen Räume gezogen sind (bzw. zugewiesen wurden).
3.3 Geschlechtsspezifische Bildungsbeteiligung<br />
Jungen <strong>und</strong> Mädchen sind b<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> landesweit in den einzelnen Schulformen unterschiedlich<br />
repräsentiert. Im Jahre 2004 lag in Nordrhein-Westfalen der Mädchenanteil an den<br />
Gymnasien bei 53,9%, an den Realschulen bei 50,3%, an den Gesamtschulen bei 49,5%<br />
<strong>und</strong> an den Hauptschulen bei 42,8% (vgl. Stender in diesem Band, Tabelle 4). Während die<br />
Mädchen häufiger ein Gymnasium besuchen, sind die Jungen vor allem an den Hauptschulen<br />
überproportional häufig vertreten. Wie folgende Tabelle belegt, spiegelt sich diese Entwicklung<br />
auch in den Daten der hier vorgelegten Schülerbefragung wider, ist aber noch etwas<br />
stärker ausgeprägt.<br />
Tabelle 5 Geschlechtsspezifik der Bildungsbeteiligung<br />
Schulform Gesamt<br />
Hauptschule Realschule Gesamtschule<br />
Geschlecht Männlich 59,2% 53,8% 51,3% 55,6%<br />
Weiblich 40,8% 46,2% 48,7% 44,4%<br />
Gesamt<br />
Anzahl<br />
Anteil<br />
3.4 Herkunftsfamilie<br />
3.4.1 Familienstruktur<br />
645<br />
100,0%<br />
113<br />
424<br />
100,0%<br />
357<br />
100,0%<br />
1426<br />
100,0%<br />
R<strong>und</strong> drei Viertel der Befragten unserer Stichprobe leben in einer vollständigen Familie mit<br />
Vater <strong>und</strong> Mutter, auch wenn es sich dabei nicht in jedem Fall um die leiblichen Eltern handeln<br />
muss (vgl. Tabelle 6). 12 R<strong>und</strong> 20 % der Befragten leben nur mit ihrer Mutter, r<strong>und</strong> 4%<br />
nur mit dem Vater zusammen in einem Haushalt. Ein quantitativ kleiner Personenkreis wohnt<br />
bei sonstigen Verwandten (meist die Großeltern) oder in einem Heim bzw. einer Wohngemeinschaft.<br />
Tabelle 6 belegt darüber hinaus, dass wiederum beträchtliche Unterschiede zwischen den<br />
Schulformen aber auch zwischen Duisburg <strong>und</strong> den beiden Landkreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel<br />
bestehen. So kommen an den Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen nur r<strong>und</strong> 70% der Befragten aus<br />
vollständigen Familien, während dies an den Realschulen 80% sind. Darüber hinaus finden<br />
wir bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern aus den beiden Landkreisen deutlich häufiger als in<br />
der Großstadt Duisburg vollständige Familien.<br />
12 Es wurde gefragt, ob die Befragten mit der Mutter / dem Vater, bzw. einem anderen weiblichen / männlichen<br />
Erziehungsberechtigten in einem Haushalt leben.
Tabelle 6 Struktur der Herkunftsfamilie<br />
Hauptschule<br />
Schulform Region<br />
Realschule<br />
Gesamtschule<br />
Duisburg Kleve Wesel Gesamt<br />
Vater <strong>und</strong> Mutter* 69,7% 80,7% 71,0% 68,4% 74,4% 77,3% 73,3%<br />
Nur Mutter* 22,3% 14,4% 20,7% 24,9% 16,7% 16,1% 19,5%<br />
Nur Vater* 4,1% 3,3% 5,4% 3,7% 5,6% 3,8% 4,2%<br />
Bei Verwandten 2,4% ,5% 1,7% 1,9% 1,6% 1,4% 1,6%<br />
Heim / Wohngemeinschaft<br />
1,6% 1,2% 1,1% 1,1% 1,6% 1,4% 1,3%<br />
Anzahl<br />
Gesamt<br />
Anteil<br />
636<br />
100,0%<br />
424<br />
100,0%<br />
352<br />
100,0%<br />
534<br />
100,0%<br />
305<br />
100,0%<br />
573<br />
100,0%<br />
1412<br />
100,0%<br />
* bzw. andere weibliche / männliche Erziehungsberechtigte.<br />
3.4.2 Schulabschlüsse der Eltern<br />
Die Schulabschlüsse der Eltern können als ein Indikator der sozialen Herkunft der Schüler<br />
<strong>und</strong> Schülerinnen <strong>und</strong> des im Elternhaus verfügbaren kulturellen Kapitals verstanden werden.<br />
<strong>Aus</strong> den Antworten der Befragten auf die Fragen nach den Schulabschlüssen der Eltern<br />
wurde eine Variable „Höchster Schulabschluss der Eltern“ konstruiert, in die der jeweils<br />
höchste Schulabschluss von Mutter oder Vater übernommen wurde. Wegen ihrer größeren<br />
Distanz zum deutschen Bildungssystem wurde die im Fragebogen vorgegebene Kategorie<br />
„Ein anderer Schulabschluss (z.B. im <strong>Aus</strong>land)“ gesondert ausgewiesen. Falls bei einem<br />
Elternteil die Kategorie „Weiß nicht“ gewählt, bei dem anderen aber eine Nennung erfolgte,<br />
dann wurde diese Nennung in der Variablen „Höchster Schulabschluss der Eltern“ aufgenommen.<br />
Diese Konstruktionslogik bewirkt gegenüber den beiden Einzelvariablen eine leichte<br />
Verschiebung hin zu höheren Abschlüssen <strong>und</strong> zur Angabe von Abschlüssen generell. 13<br />
Sie liefert aber eine zutreffende Beschreibung des sozialen Hintergr<strong>und</strong>es der Familie der<br />
Befragten im Sinne einer Unterstützung durch das in der Familie verfügbare soziale Kapital<br />
<strong>und</strong> der Aspirationen für den weiteren <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Berufsweg. Zugleich erhöht eine<br />
derartige Konstruktion gegenüber einer Beschränkung auf den Schulabschluss des Vaters<br />
oder der Mutter wegen der Häufigkeit von allein erziehenden Müttern bzw. Vätern (vgl. Tabelle<br />
6) die für weiterführende multivariate Analyseverfahren verfügbaren Fallzahlen.<br />
13 Beispielsweise haben in unserer Stichprobe lediglich 159 Väter bzw. 160 Mütter die Fach- bzw. allg. Hochschulreife,<br />
aber bei insgesamt 271 Familien trifft dies entweder auf den Vater oder die Mutter zu. Bei 306 Vätern<br />
<strong>und</strong> bei 331 Müttern wurde kein Abschluss genannt (Kategorie „Ich weiß nicht“), den Abschluss beider Elternteile<br />
konnten 280 Befragten nicht nennen.<br />
114
Tabelle 7 Höchster Schulabschluss der Eltern nach Schulform der Kinder<br />
(Spaltenprozente)<br />
Schulform Gesamt<br />
Hauptschule Realschule Gesamtschule<br />
Haupt- / Volksschulabschluss 26,0% 28,1% 21,3% 25,5%<br />
Fachoberschulreife / Mittlere Reife 26,8% 30,9% 26,3% 28,0%<br />
Fachabitur / Abitur 14,4% 26,1% 21,6% 19,8%<br />
Ein anderer Schulabschluss (z.B.<br />
im <strong>Aus</strong>land)<br />
5,7% 2,4% 3,8% 4,2%<br />
Kein Abschluss 2,5% 1,2% 2,6% 2,1%<br />
Ich weiß nicht 24,5% 11,3% 24,3% 20,4%<br />
Gesamt<br />
Anzahl 611 417 342 1370<br />
Anteil 100% 100% 100% 100%<br />
Vergleicht man die Verteilungen, dann ist vor allem der sehr hohe Anteil der Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler auffällig, die die Schulabschlüsse ihrer Eltern nicht nennen können („Ich weiß<br />
nicht“). Jeweils ein knappes Viertel der Haupt- <strong>und</strong> der Gesamtschüler wissen nicht, welchen<br />
Schulabschluss ihre Mutter oder ihr Vater besitzt. Nun könnte man vermuten, dass es sich<br />
dabei überwiegend um Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> handelt, die die in der Heimat<br />
ihrer Eltern von diesen erworbenen Abschlüsse nicht in das deutsche Schulsystem einzuordnen<br />
vermögen. Aber dies trifft nur teilweise zu. Zum war für diese Fälle die Kategorie „Ein<br />
anderer Abschluss (z.B. im <strong>Aus</strong>land)“ vorgesehen, die auch genutzt wurde. Zusätzliche Analysen<br />
belegen aber darüber hinaus, dass auch 22,1% der Hauptschüler <strong>und</strong> sogar 28,1% der<br />
Gesamtschüler ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> nicht in der Lage sind, den Schulabschluss wenigstens<br />
eines Elternteils zu benennen. Dies könnte darauf hinweisen, dass die schulische<br />
Bildung in den Familien dieser Gruppe nur eine untergeordnete Rolle spielt <strong>und</strong> kein Gesprächsthema<br />
ist. Wenn diese Interpretation zutrifft, dann werden Schule <strong>und</strong> Bildung in den<br />
Familien der Realschüler deutlich häufiger thematisiert. Jedenfalls können nur r<strong>und</strong> 11% der<br />
befragten Realschüler nicht den Schulabschluss wenigstens eines Elternteils nennen.<br />
4 Was wollen die Jugendlichen nach dem Abschluss der 10. Klasse?<br />
4.1 Einstellungen zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen<br />
Für die befragten Jugendlichen ist das Erlernen eines Berufs eine Selbstverständlichkeit, auf<br />
die sie sich ganz überwiegend freuen (Tabelle 8a, Kategorie a). Das gilt für die Mädchen<br />
sogar noch in stärkerem Umfang als für die Jungen. Insgesamt ist die Orientierung auf eine<br />
Berufsausbildung als Vorbereitung auf eine spätere Berufsausübung bei der großen Mehrheit<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler positiv besetzt. Lediglich eine Minderheit von r<strong>und</strong> 21 Prozent<br />
betrachtet eine Berufsausbildung eher unter pragmatischen Gesichtspunkten <strong>und</strong> sieht<br />
115
sie vor allem als eine notwendige Voraussetzung, um den Lebensunterhalt zu bestreiten<br />
(Kategorie b). Beruflichkeit im Sinne einer Identifikation mit dem angestrebten Beruf spielt für<br />
diese Gruppe keine Rolle. Nur eine verschwindend kleine Minderheit strebt kurz- bzw. mittelfristig<br />
keine Berufsausbildung an. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Schulformen<br />
sind dabei minimal. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede sind bei den Antworten nur<br />
gering, aber es lohnt festzuhalten, dass sich die Mädchen (76,3%) unserer Stichprobe entgegen<br />
traditionellen Rollenerwartungen sogar noch etwas häufiger als die Jungen (72,9%)<br />
darauf freuen, durch das Erlernen eines Berufes ihre Unabhängigkeit zu erreichen.<br />
Tabelle 8a Wie stehst du zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen?<br />
(Differenziert nach Schulform <strong>und</strong> Geschlecht)<br />
Gesamt<br />
Hauptschule<br />
116<br />
Schulform Geschlecht<br />
Realschule<br />
Gesamtschule<br />
Männlich Weiblich<br />
(a) Ich freue mich darauf, einen Beruf<br />
zu erlernen <strong>und</strong> damit auf eigenen<br />
Füßen zu stehen.<br />
(b) Um seinen Lebensunterhalt ver-<br />
74,3% 74,6% 71,9% 76,5% 72,9% 76,3%<br />
dienen zu können, ist es besser eine<br />
Berufsausbildung absolviert zu haben.<br />
Auch wenn der Beruf vielleicht nicht so<br />
viel Spaß macht.<br />
20,9% 21,6% 22,7% 17,6% 21,6% 19,9%<br />
(c) Einen Beruf brauche ich nicht zu<br />
erlernen. Ich gehe lieber gleich arbeiten.<br />
,5% ,8% ,6% ,6% ,3%<br />
(d) Ich habe überhaupt keine Lust,<br />
nach der Schule einen Beruf zu erlernen<br />
oder zu arbeiten.<br />
1,5% 1,4% ,7% 2,8% 1,8% 1,3%<br />
(e) Nichts davon! 2,8% 1,7% 4,7% 2,5% 3,2% 2,2%<br />
Gesamt 1434<br />
100%<br />
649<br />
100%<br />
427<br />
100%<br />
358<br />
100%<br />
793<br />
100%<br />
633<br />
100%
Tabelle 8b gibt die Einstellung zur Ergreifung eines Berufes differenziert nach dem höchsten<br />
Bildungsabschluss eines Elternteiles wider. Zur Vereinfachung wurden hier die drei extrem<br />
schwach besetzten Kategorien (c), (d) <strong>und</strong> (e) zusammengefasst. Auffällig ist, dass die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die nicht den höchsten Schulabschluss wenigstens eines Elternteiles<br />
kennen, deutlich seltener als der Durchschnitt angeben, sich auf das Erlernen eines<br />
Berufes zu freuen (69,3%) <strong>und</strong> statt dessen die Berufsausbildung häufiger unter pragmatischen<br />
Gesichtspunkten (26,4%) sehen. Möglicherweise weisen diese Zahlen darauf hin,<br />
dass in den Familien dieser Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die Bedeutung von Bildung <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildung<br />
in geringerem Umfang thematisiert wird <strong>und</strong> zugleich bei der Berufswahl der Aspekt,<br />
mit der Berufsarbeit den Lebensunterhalt bestreiten zu müssen, stärker im Zentrum steht.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der geringen Fallzahlen verbietet sich dagegen eine inhaltliche Interpretation der in<br />
entgegengesetzter Richtung vom Durchschnitt abweichenden Zahlen für die Befragten<br />
(n=29), deren Eltern beide ohne Schulabschluss sind.<br />
Tabelle 8b Wie stehst du zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen?<br />
(Differenziert nach höchstem Schulabschluss der Eltern)*<br />
(a) Ich freue mich darauf, einen<br />
Beruf zu erlernen <strong>und</strong> damit auf<br />
eigenen Füßen zu stehen.<br />
(b) Um seinen Lebensunterhalt<br />
verdienen zu können, ist es besser<br />
eine Berufsausbildung absolviert<br />
zu haben. Auch wenn der<br />
Beruf vielleicht nicht so viel Spaß<br />
macht<br />
(c/d/e) Lieber gleich arbeiten /<br />
Keine Lust <strong>Aus</strong>bildung oder Arbeit/<br />
Nichts davon!<br />
Abitur /<br />
Fachabitur<br />
Gesamt 271<br />
100%<br />
Mittlere<br />
Reife<br />
Höchster Schulabschluss der Eltern<br />
117<br />
Hauptschule<br />
Anderer<br />
Schulabschluss<br />
Kein<br />
Abschluss<br />
Ich weiß<br />
nicht<br />
76,4% 76,0% 75,4% 74,1% 86,2% 69,3%<br />
19,6% 17,2% 20,6% 24,1% 10,3% 26,4%<br />
4,1% 6,8% 4,0% 1,7% 3,4% 4,3%<br />
383<br />
100%<br />
349<br />
100%<br />
58<br />
100%<br />
* Beschreibung der Variablen „Höchster Schulabschluss der Eltern siehe Abschnitt 3.4.2<br />
29<br />
100%<br />
280<br />
100%<br />
Tabelle 8c zeigt, dass hinsichtlicht des Wunsches, einen Beruf zu erlernen, kaum Differenzen<br />
zwischen den Jugendlichen mit <strong>und</strong> ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> bestehen. Auffällig ist<br />
hier lediglich der überdurchschnittlich hohe Anteil der Befragten (81,5%), der sich auf eine<br />
Berufsausbildung freut, in der Gruppe, bei der beide Elternteile ausländischer Herkunft sind,<br />
aber die Kinder in Deutschland geboren sind <strong>und</strong> Deutsch zuhause auch Umgangssprache<br />
ist. Bei dieser Gruppe lässt allerdings bereits die Tatsache, dass Deutsch Umgangssprache<br />
in der Familie ist, vermuten, dass es sich um Familien handelt, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt<br />
sehen <strong>und</strong> besondere Anstrengungen unternehmen, ihre Kinder in das
deutsche Berufssystem zu integrieren. Die Bedeutung einer qualifizierten Berufsausbildung<br />
für die eigene Position in der Gesellschaft ist den Jugendlichen aus diesen Familien bewusst<br />
<strong>und</strong> ist deshalb überdurchschnittlich häufig positiv besetzt. Hervorzuheben ist auch der hohe<br />
Anteil (81,2%) unter den türkischstämmigen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die sich auf eine<br />
Berufsausbildung <strong>und</strong> die mit dem Beruf verb<strong>und</strong>enen Unabhängigkeit freuen. Eine Erklärung<br />
für den unterdurchschnittlichen Anteil (67,4%) bei den Jugendlichen mit nur einem aus<br />
dem <strong>Aus</strong>land stammenden Elternteil muss vermutlich an der Heterogenität dieser Gruppe<br />
scheitern.<br />
Tabelle 8c Wie stehst du zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen?<br />
(Differenziert nach dem Migrationshintergr<strong>und</strong>) *<br />
(a) Ich freue mich darauf, einen<br />
Beruf zu erlernen <strong>und</strong> damit auf<br />
eigenen Füßen zu stehen.<br />
(b) Um seinen Lebensunterhalt<br />
verdienen zu können, ist es besser<br />
eine Berufsausbildung absolviert<br />
zu haben. Auch wenn der<br />
Beruf vielleicht nicht so viel Spaß<br />
macht<br />
(c/d/e) Lieber gleich arbeiten /<br />
Keine Lust <strong>Aus</strong>bildung oder Arbeit/<br />
Nichts davon!<br />
Kein<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Gesamt 1024<br />
100%<br />
Ein Elternteil<br />
im <strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunft<br />
Beide<br />
Elternteile<br />
im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
118<br />
Kind im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Zuhause<br />
andere<br />
Umgangssprache<br />
Türkei<br />
EhemaligeSowjetunion<br />
u. Osteuropa<br />
74,4% 67,4% 81,5% 76,6% 74,1% 81,3% 75,9%<br />
21,0% 27,4% 12,0% 18.8% 21,6% 12,9% 19,5%<br />
4,6% 5,3% 6,5% 4,7% 4,3% 5,8% 4,6%<br />
95<br />
100%<br />
92<br />
100%<br />
64<br />
100%<br />
139<br />
100%<br />
139<br />
100%<br />
87<br />
100%<br />
* Zur Variablen Migrationhintergr<strong>und</strong> siehe Abschnitt 3.2<br />
Herkunft: Heimat des Vaters (Diese beiden Gruppen umfassen r<strong>und</strong> zwei Drittel aller Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
(vgl. Tabelle 4)<br />
Insgesamt belegen die Zahlen, dass sich trotz geringfügiger Differenzen die große Mehrheit<br />
der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler unabhängig von der besuchten Schulform, dem Geschlecht,<br />
dem Bildungsniveau des Elternhauses <strong>und</strong> des Migrationsstatus darauf freut, einen<br />
Beruf zu erlernen, um damit auf eigenen Beinen zu stehen. 14<br />
14 Der geringe Einfluss der betrachteten unabhängigen Variablen konnte auch in dem multivariaten Modell einer<br />
binären logistischen Regression auf die Antwort (a) bestätigt werden. Dabei wurden neben den oben beschriebenen<br />
Variablen noch der Erhebungsmonat, die regionale Herkunft <strong>und</strong> der Durchschnitt der Deutsch-, Mathematik-<br />
<strong>und</strong> Englischzensur im letzten Zeugnis kontrolliert. Nur das Geschlecht erreicht in diesem Modell einen<br />
eben signifikanten Effekt (p=,04). Insgesamt haben die Variablen des Modells kaum Erklärungskraft, Nagelkerkes<br />
R² hat nur einen Wert von 0,029.
4.2 Pläne für die Zeit nach der Schule<br />
4.2.1.1 Bivariate Analysen<br />
Aber auch wenn die übergroße Mehrheit der an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen befragten<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine qualifizierte Berufsausbildung anstrebt, bedeutet dies nicht,<br />
dass alle Befragten gleich im Anschluss an die aktuell besuchte Schule eine Berufsausbildung<br />
absolvieren wollen. 15 Tabelle 9a gibt einen Überblick darüber, welcher Weg nach der<br />
Schule voraussichtlich eingeschlagen werden soll. Es muss darauf hingewiesen werden,<br />
dass die dort genannten Zahlen nur teilweise die eigentlichen Wünsche der Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler widerspiegeln, sondern dass es sich zumindest partiell um bereits an die Gelegenheitsstrukturen<br />
des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes angepassten Pläne handelt, deren tatsächliche<br />
Realisation aber zum Zeitpunkt der Befragung auch noch völlig offen ist.<br />
Tabelle 9a Was wirst du voraussichtlich nach Abschluss der 10. Klasse tun?<br />
Hauptschule<br />
Schulform Region Geschlecht<br />
Realschule <br />
Gesamtschule<br />
119<br />
Duisburg<br />
Kleve Wesel<br />
Männlich <br />
Weiblich<br />
(a) Weiter eine Schule besuchen 38,5% 55,0% 45,8% 43,7% 42,3% 48,7% 41,2% 50,2%<br />
(b) Eine Berufsausbildung<br />
absolvieren<br />
(c) Ohne <strong>Aus</strong>bildung gleich<br />
arbeiten gehen<br />
45,1% 35,4% 36,3% 41,9% 44,3% 36,0% 43,8% 35,5%<br />
,8% ,5% ,6% ,4% 1,3% ,5% ,8% ,5%<br />
(d) Etwas anderes machen ,9% ,7% ,6% 1,1% ,3% ,7% 1,0% ,3%<br />
(e) Das kann ich noch nicht sagen<br />
Gesamt 649<br />
100%<br />
14,6% 8,4% 16,8% 13,4% 11,7% 14,1% 13,2% 13,4%<br />
427<br />
100%<br />
358<br />
100%<br />
546<br />
100%<br />
307<br />
100%<br />
581<br />
100%<br />
793<br />
100%<br />
633<br />
100%<br />
Der hohe Wert, den die Jugendlichen einer qualifizierten <strong>Aus</strong>bildung zumessen (vgl. Tabelle<br />
8a), bestätigt sich hier noch einmal. Nur eine sehr kleine Gruppe von r<strong>und</strong> einem Prozent<br />
beabsichtigt, gleich nach der Schule ohne weitere <strong>Aus</strong>bildungsschritte arbeiten zu gehen, um<br />
Geld verdienen. Die große Mehrheit von jeweils über 80 Prozent aber will entweder weiter<br />
zur Schule gehen oder eine Berufsausbildung absolvieren. Relativ hoch ist aber auch der<br />
Anteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die noch nicht wissen, welchen Weg sie nach der Schule<br />
beschreiten sollen.<br />
15 Wenn hier <strong>und</strong> in der Folge von „Schule“ gesprochen wird, dann sind damit nicht nur allgemeinbildende sondern<br />
auch berufsvorbereitende Schulen gemeint, da sich im Vorfeld der Untersuchung herausgestellt hat, dass<br />
die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ein Jahr vor dem Verlassen der Schule häufig (noch) nicht zwischen beidem differenzieren,<br />
sondern nur allgemein von „Schule“ sprechen.
Während regionale Unterschiede eher gering sind <strong>und</strong> möglicherweise auf die Besonderheiten<br />
der Stichprobenstruktur zurückgeführt werden können, sind zwischen den drei Schulformen<br />
wesentlich größere Differenzen zu berichten. So planen zum Zeitpunkt der Befragung<br />
gut 45 Prozent der Hauptschüler, aber nur jeweils etwas mehr als ein Drittel der Real- <strong>und</strong><br />
Gesamtschüler gleich nach der Schule eine Lehre zu absolvieren. Unter den Realschülern<br />
will eine Mehrheit (55,0%) nach dem Abschluss weiter zu Schule zu gehen, bei den Gesamtschülern<br />
sind es 45,8 Prozent <strong>und</strong> selbst bei den Hauptschülern noch 38,5 Prozent. Die Unsicherheit<br />
bezüglich der eigenen Zukunft nach dem Verlassen der derzeit besuchten Schule<br />
ist bei den Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschülern (14,6% bzw. 16,8%) deutlich größer als bei den Realschülern<br />
(8,4%). Ob die angesprochenen Differenzen aber auf Unterschiede der schulischen<br />
Berufsorientierung, auf unterschiedliche Aspirationen (der Schüler bzw. der Eltern)<br />
oder auch auf unterschiedliche Chancen der Absolventen der drei Schulformen auf dem<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt zurückzuführen ist, kann an dieser Stelle nicht genauer bestimmt werden.<br />
Vieles aber spricht dafür, dass vor allem die erwartbar geringen Erfolgschancen auf dem<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt die Planungen der Jugendlichen von der Aufnahme einer Berufsausbildung<br />
in Richtung eines weiteren Schulbesuchs umlenken (vgl. Reißig et al. 2006). Ulrich<br />
zeigt in Reihe von Beiträgen (Behringer / Ulrich 1997; Ulrich 2003, 2004, 2005, 2006a/b)<br />
dass die offizielle Statistik die Lehrstellenlücke systematisch unterschätzt, weil die Nachfrage<br />
nach <strong>Aus</strong>bildungsstellen in hohem Maße von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen <strong>und</strong><br />
insbesondere von dem Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsstellen abhängig ist. Bei einem ungünstigen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt reagiert die Nachfrage flexibel <strong>und</strong> die Schulabgänger weichen freiwillig<br />
oder unfreiwillig auf andere, insbesondere schulische Angebote aus, obwohl sie eigentlich<br />
eine Berufsausbildung angestrebt haben. Auf der Makroebene amtlicher Statistik wird so die<br />
latente Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsstellen systematisch unterschätzt. Die BiBB-Schulabsolventenbefragung<br />
2005 (Ulrich 2006, 30) belegt auf der Individualebene, dass die Wünsche<br />
der Jugendlichen <strong>und</strong> deren Realisierung weit auseinanderklaffen: Knapp drei Viertel der<br />
befragten Hauptschüler haben den Wunsch, unmittelbar nach dem Verlassen der Schule<br />
eine Lehre zu absolvieren. Tatsächlich aber schafft aber nur ein Drittel der Hauptschüler bis<br />
zum Ende des Jahres in eine <strong>Aus</strong>bildung einzumünden. Auch die Zahlen für Gesamt- <strong>und</strong><br />
Realschüler sind nur graduell besser. Diese Umlenkungsprozesse, in denen Wünsche an die<br />
erwarteten Chancen des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes angepasst werden, lassen erwarten, dass sich<br />
in der vorliegenden Untersuchung die Verteilungen im Verlaufe des Schuljahres verändern,<br />
weil sich die Wünsche <strong>und</strong> Pläne der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den Realitäten des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes<br />
anpassen. Daher soll eine vertiefte Analyse durchgeführt werden, wenn die im<br />
zweiten Halbjahr des 10. Schuljahres erhobenen Daten der ABBEO-Schulen vorliegen.<br />
Die geschlechtspezifischen Differenzen – Mädchen wollen deutlich häufiger als Jungen weiter<br />
zur Schule gehen – fügen sich in das Bild höherer Bildungsaspirationen der Mädchen<br />
120
unserer Stichprobe, das sich bereits an der Tatsache, dass an den Hauptschulen die Jungen<br />
überwiegen, an den Realschulen aber in der Minderheit sind (vgl. Tabelle 5), abgezeichnet<br />
hat. Zwei weitere Gründe sind möglicherweise darüber hinaus für die größere Neigung der<br />
Mädchen, weiter eine Schule zu besuchen, von Bedeutung: Erstens die nach wie vor bestehende<br />
Geschlechtsspezifik bei der Berufswahl <strong>und</strong> zweitens schlechtere Chancen auf eine<br />
<strong>Aus</strong>bildungsstelle in bestimmten Bereichen des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes (vgl. auch: Hartung /<br />
Janik 2006, Mayer 1999). Auch der Berufsbildungsbericht des BMBF (2006, 86) stellt fest,<br />
dass weibliche Jugendliche „… häufiger andere <strong>Aus</strong>bildungsgänge, ein Studium oder höhere<br />
allgemein bildende Schulabschlüsse“ anstreben. Die Interpretation, dass der höhere Anteil<br />
der Schülerinnen, die weiter eine Schule besuchen wollen, auch auf höhere Aspirationen der<br />
Mädchen zurückgeführt werden kann, wird durch die Tatsache, dass in den Daten der vorliegenden<br />
Untersuchung mehr Mädchen als Jungen eine qualifizierte Berufsausbildung als eine<br />
wichtige Voraussetzung für das Erreichen der eigenen Selbständigkeit verstehen (vgl. Tabelle<br />
8a), zusätzlich gestützt.<br />
Eine differenzierte Betrachtung nach der sozialen Herkunft der Befragten zeigt, dass Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler, von denen mindestens ein Elternteil das Abitur bzw. Fachabitur erreicht<br />
hat, überdurchschnittlich häufig einen weiteren Schulbesuch anstreben (60,5%), während<br />
unter ihnen nur ein knappes Drittel (29,2%) nach dem Abschluss der Schule eine Berufsausbildung<br />
anstrebt. Zugleich ist in dieser Gruppe die Unsicherheit hinsichtlich des weiteren<br />
<strong>Aus</strong>bildungsverlaufs geringer als bei den anderen Gruppen (10,3%). Trotz der geringen Fallzahlen<br />
ist auffällig, dass die Befragten, deren Eltern nicht in Deutschland erworbene oder<br />
keine Schulabschlüsse haben, seltener angeben, eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen.<br />
Stattdessen scheint die Unsicherheit, was nach der Schule kommt, bei diesen Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schülern mit einem eher bildungsfernen Hintergr<strong>und</strong> höher zu sein in den Vergleichsgruppen.<br />
Die Wünsche <strong>und</strong> Pläne der deutschen Befragten richten sich zu etwa gleichen Teilen, darauf,<br />
nach dem Abschluss weiter zur Schule zu gehen (42,3%) oder eine Berufsausbildung zu<br />
absolvieren (43,8%). Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> beabsichtigen<br />
demgegenüber zu r<strong>und</strong> 55 Prozent weiter zur Schule zu gehen. Lediglich bei den Befragten,<br />
in deren Elternhaus nicht Deutsch gesprochen wird <strong>und</strong> deshalb im Schulalltag sprachliche<br />
Probleme zu erwarten sind, fällt dieser Anteil auf knapp unter 50 Prozent – liegt damit aber<br />
immer noch höher als bei den deutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern. Eine denkbare Erklärung<br />
der höheren Neigung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, weiter<br />
zur Schule zu gehen, ist die Erwartung schlechterer Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt<br />
(vgl. u.a. Granato 2003a/b).<br />
121
Tabelle 9b Was wirst du voraussichtlich nach Abschluss der 10. Klasse tun?<br />
(differenziert nach dem höchsten Schulabschluss der Eltern)*<br />
Tabelle 9c Was wirst du voraussichtlich nach Abschluss der 10. Klasse tun?<br />
(differenziert nach dem Migrationshintergr<strong>und</strong>) *<br />
Kein<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Ein Elternteil<br />
im <strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunft<br />
Beide<br />
Elternteile<br />
im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
122<br />
Kind im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Zuhause<br />
andere<br />
Umgangssprache<br />
Türkei<br />
EhemaligeSowjetunion<br />
u. Osteuropa<br />
(a) Weiter eine Schule besuchen 42,3% 55,8% 56,5% 53,1% 49,6% 56,1% 54,3%<br />
(b) Eine Berufsausbildung<br />
absolvieren<br />
(c/d/e) Das kann ich noch nicht<br />
sagen / Etwas anderes /<br />
Gleich arbeiten gehen<br />
Abitur /<br />
Fachabitur<br />
Gesamt 1024<br />
100%<br />
Mittlere<br />
Reife<br />
43,8% 30,5% 28,3% 29,7% 31,7% 26,6% 28,6%<br />
14,0% 13,7% 15,2% 17,2% 18,7% 17,3% 17,1%<br />
95<br />
100%<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Hauptschule<br />
92<br />
100%<br />
Anderer<br />
Abschluss<br />
64<br />
100%<br />
Kein<br />
Abschluss<br />
139<br />
100%<br />
139<br />
100%<br />
Ich weiß<br />
nicht<br />
(a) Weiter eine Schule besuchen 60,5% 42,8% 42,4% 41,4% 55,2% 39,3%<br />
(b) Eine Berufsausbildung<br />
absolvieren<br />
(c/d/e) Das kann ich noch nicht<br />
sagen / Etwas anderes /<br />
Gleich arbeiten gehen<br />
Gesamt 271<br />
100%<br />
29,2% 41,8% 45,3% 32,8% 20,7% 43,2%<br />
10,3% 15,4% 12,3% 25,9% 24,1% 17,5%<br />
383<br />
100%<br />
349<br />
100%<br />
58<br />
100%<br />
29<br />
100%<br />
280<br />
100%<br />
87<br />
100%<br />
* Beschreibung der Variablen „Höchster Schulabschluss der Eltern: Abschnitt 3.4.2<br />
* Die in Tabelle 9a getrennt ausgewiesenen Kategorien c/d/e wurden zusammengefasst.<br />
* Zur Variablen Migrationhintergr<strong>und</strong> siehe Abschnitt 3.2<br />
* Herkunft: Heimat des Vaters (Die beiden hier aufgeführten Gruppen umfassen r<strong>und</strong> zwei Drittel aller Befragten<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong> (vgl. Tabelle 4)<br />
Abbildung 1 gibt den Notendurchschnitt in den Fächern Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch<br />
auf dem letzten Zeugnis zusammen mit den 95%-Konfidenzintervallen der Mittelwerte differenziert<br />
für die Befragten, die (a) weiter zur Schule gehen wollen, die (b) eine Berufsausbildung<br />
anstreben <strong>und</strong> die überwiegend durch Unsicherheit geprägte Residualkategorie (c/d/e)<br />
wieder.
Abbildung 1 Notendurchschnitt der Fächer Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch im letzten<br />
Zeugnis <strong>und</strong> die Pläne für die Zeit nach der Schule<br />
Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die weiter zur Schule gehen wollen, haben erwartungsgemäß<br />
im Schnitt die besseren Noten als die Befragten, die eine Berufsausbildung anstreben oder<br />
überwiegend noch nicht wissen, was sie nach der Schule machen wollen. Die Unterschiede<br />
in den Durchschnittsnoten sind dagegen bei den zuletzt genannten Gruppen nur gering.<br />
4.2.1.2 Kurzer Exkurs zum Verständnis der Regressionsanalyse<br />
Vor der anschließenden Darstellung <strong>und</strong> Diskussion der multivariaten Modelle sollen die folgenden<br />
<strong>Aus</strong>führungen dem Leser eine kleine Hilfe zum Verständnis der verwendeten Methoden<br />
der Regressionsanalyse <strong>und</strong> der Koeffizienten an die Hand geben werden. Handelt<br />
es sich bei der Zielvariablen um eine metrische Größe, dann kann auf das häufig verwendete<br />
Verfahren einer linearen Regression nach der Methode der kleinsten Quadrate („ordinary<br />
least squares“, OLS) zurückgegriffen werden (vgl. u.a. Lewis-Beck 1993, Kühnel/Krebs<br />
2001). Dieses Modell kann durch die folgende Gleichung beschrieben werden:<br />
Y = a0<br />
+ b1<br />
X 1 + b2<br />
X 2 + b3<br />
X 3 + ... bk<br />
X k + e . Dabei bezeichnet Y die Zielvariable <strong>und</strong> X die<br />
Prädiktorvariablen, mit b werden die Regressionskoeffizienten bezeichnet <strong>und</strong> der Fehlerterm<br />
e steht für die durch die Prädiktoren nicht erklärte Varianz von Y. Die Regressionskoef-<br />
123
fizienten b der OLS-Regression lassen sich einfach interpretieren: sie geben an, um wie viele<br />
Einheiten <strong>und</strong> in welche Richtung sich die abhängige Variable verändert, wenn sich die unabhängige<br />
Variable um eine Einheit ändert <strong>und</strong> alle andere unabhängigen Variablen konstant<br />
gehalten werden. Da dieser Koeffizient an die Einheit der jeweiligen Prädiktorvariable<br />
geb<strong>und</strong>en, d.h. unstandardisiert ist, taugt er bei Modellen mit mehreren Einflussvariablen, die<br />
jeweils in unterschiedlichen Einheiten gemessen werden, nicht zum Vergleich der relativen<br />
Stärke der Einflüsse verschiedener Prädiktoren innerhalb einer Regression. Zu diesem<br />
Zweck werden zusätzlich die standardisierten Regressionskoeffizienten beta (β) ausgewiesen.<br />
Bei jeder OLS-Regressionsanalyse wird in den im Folgenden präsentierten Tabellen<br />
darüber hinaus das Maß R² wiedergegeben. Es gibt an, wie groß der Anteil der durch die<br />
unabhängigen Variablen erklärten Varianz der Zielvariablen ist.<br />
Handelt es sich bei der Zielvariable um eine Dichotomie, dann werden wichtige Voraussetzungen<br />
des linearen Regressionsmodells verletzt. Ein angemessenes Regressionsmodell für<br />
dichotome Zielvariablen ist die logistische Regression (vgl. zum folgenden: Andreß / Hagenaars<br />
/ Kühnel 1997, 261-325). Die bei der logistischen Regression geschätzten (in den folgenden<br />
Tabellen aus Gründen einer vereinfachten Darstellung allerdings nicht direkt wiedergegebenen)<br />
Parameter zeigen, um wie viele Einheiten sich das logarithmierte Verhältnis der<br />
mit 1 kodierten Gruppe der Zielvariablen zu der mit 0 kodierten Gruppe verändert, wenn der<br />
Prädiktor sich um eine Einheit ändert <strong>und</strong> zugleich alle anderen Prädiktoren konstant gehalten<br />
werden. Dargestellt kann dieser Zusammenhang durch die Gleichung<br />
ln( 0<br />
pi Gruppe1)<br />
/ pi(<br />
Gruppe 0)<br />
= β + β k ( X ki ) . Ein solches additives Modell hat allerdings einen<br />
( ∑<br />
gravierenden Nachteil: Wegen der Logarithmierung der Zielvariablen bleibt die empirische<br />
Bedeutung <strong>und</strong> damit die Interpretation der Koeffizienten unklar, auch wenn die Koeffizienten<br />
die Richtung <strong>und</strong> Stärke des Einflusses exakt wiedergeben. Die Interpretationsprobleme reduzieren<br />
sich deutlich, wenn man die obige Gleichung entlogarithmiert:<br />
p<br />
∏<br />
i(<br />
Gruppe1)<br />
/ pi(<br />
Gruppe 0)<br />
0<br />
∏<br />
βo<br />
βk<br />
* xki<br />
= e * e = α * α k X ki . Die -Koeffizienten dieses multiplika-<br />
tiven Modells beeinflussen die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zu der in der Zielvariablen<br />
mit 1 kodierten Gruppe. Wegen der Multiplikativität der Effekte () bedeutet hier ein Koeffizient<br />
mit dem Wert 1, dass kein Einfluss vorliegt. Der Regressionskoeffizient in einem<br />
additiven Modell () wäre in diesem Fall 0. Effektkoeffizienten größer als 1 erhöhen, Koeffizienten<br />
kleiner als 1 senken die Wahrscheinlichkeit einer Zugehörigkeit zu der mit 1 kodierten<br />
Gruppe. Diese unstandardisierten Effektkoeffizienten werden hier vor allem genutzt, um<br />
die Einflüsse der einzelnen Prädiktoren zwischen den Modellen vergleichen zu können. Wegen<br />
der unterschiedlichen Anzahl von <strong>Aus</strong>prägungen der verschiedenen Prädiktoren taugen<br />
die unstandardisierten -Koeffizienten wiederum nicht zum Vergleich der relativen Einflussstärke<br />
der Variablen innerhalb eines Modells. Der wird erst möglich, wenn alle Effekte stan-<br />
124
dardisiert sind, d.h. durch die Berücksichtigung ihrer stichprobenspezifischen Streuung<br />
(technisch: durch die Multiplikation mit ihrer Standardabweichung) auf der gleichen Skala<br />
gemessen werden. Da positive (1
Tabelle 10 Berufsausbildung oder weiter zur Schule? Entscheidungsfindung in der ersten<br />
Hälfte des 10. Schuljahres: Logistische Regressionen<br />
(I) Entscheidung (II) Weiter (I) Entscheidung (II) Weiter<br />
getroffen zur Schule getroffen zur Schule<br />
Unstandardisiert: EXP (b) Standardisiert: EXP (b*SDx)<br />
Konstante 23,71 4,38<br />
Höchster Bildungsabschluss der Eltern<br />
Abitur (Basiskategorie)<br />
Mittlere Reife 1,92 -1 1,77 -1 1,34 -1 1,29 -1<br />
Hauptschule 1,62 -1 2,21 -1 1,24 -1 1,42 -1<br />
Anderer Abschluss 3,94 -1 2,45 -1 1,32 -1 1,18 -1<br />
Kein Abschluss 4,44 -1 1,15 1,23 -1 1,02<br />
Weiß nicht<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
1,92 -1 1,98 -1 1,29 -1 1,31 -1<br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />
Ein Elternteil <strong>Aus</strong>l. 1,00 -1 2,25 1,00 -1 1,23<br />
Beide Eltern <strong>Aus</strong>l. 1,05 2,43 1,01 1,23<br />
Im <strong>Aus</strong>land geb.<br />
Zuhause andere<br />
1,09 2,34 1,02 1,18<br />
Umgangssprache<br />
Regionale Herkunft<br />
Duisburg (Basiskategorie)<br />
1,30 -1 1,90 1,08 -1 1,19<br />
Kleve 1,11 -1 1,05 -1 1,05 -1 1,02 -1<br />
Wesel<br />
Schulform<br />
1,60 -1 1,33 1,26 -1 1,15<br />
Hauptschule (Basiskategorie)<br />
Realschule 2,14 1,55 1,43 1,23<br />
Gesamtschule 1,05 1,08 1,02 1,03<br />
Notendurchschnitt 1,11 -1 1,96 -1 1,06 -1 1,49 -1<br />
Geschlecht: Frau 1,04 1,57 1,02 1,25<br />
Erhebungsmonat 1,08 -1 1,15 1,08 -1 1,14<br />
N 1232 1070<br />
-2 Log-Likelihood 923,44 1362,02<br />
CHI² (16 df) 35,59 115,02<br />
Nagelkerke’s R² ,053 ,136<br />
* Zielvariable des ersten Modells (I) ist die Tatsache einer Entscheidung für einen weiteren Schulbesuch oder die<br />
Aufnahme einer Berufsausbildung (Kategorien a <strong>und</strong> b) vs. der Tatsache, noch keine Entscheidung getroffen zu<br />
haben. Im zweiten Modell (II) wird die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuchs vs. die Entscheidung<br />
für die Aufnahme einer Berufsausbildung untersucht.<br />
* Fettdruck: p < 0,05.<br />
Beim Vergleich der beiden Modelle fällt zunächst auf, dass sich die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
bereits eine Entscheidung getroffen wurde (Modell I) – oder aus dem entgegen gesetzten<br />
Blickwinkel betrachtet: die Unsicherheit bei der Entscheidungsfindung – deutlich schlechter<br />
durch die verwendeten unabhängigen Variablen vorhersagen lässt als die Wahrscheinlichkeit<br />
eines weiteren Schulbesuches (Modell II).<br />
Nur wenige Effekte erreichen in Modell I bei Kontrolle des Bildungshintergr<strong>und</strong>es der Herkunftsfamilie,<br />
des Migrationshintergr<strong>und</strong>es, der regionalen Herkunft, der besuchten Schulform,<br />
der Durchschnittsnote in Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch, des Geschlechts der Befragten<br />
<strong>und</strong> des Erhebungsmonats die Signifikanzgrenze. Dazu gehört das Bildungsniveau<br />
126
des Elternhauses: verglichen mit Familien, in denen mindestens ein Elternteil Abitur hat,<br />
sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder bereits eine Entscheidung getroffen haben in<br />
allen Bildungsstrata. Unabhängig davon erhöht der Besuch einer Realschule - verglichen mit<br />
dem Hauptschulbesuch - die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung zwischen den beiden<br />
Alternativen Schulbesuch oder Berufsausbildung. Beide Effekte sind möglicherweise auf<br />
bessere Chancen dieser Gruppen, sowohl in Bezug auf den Besuch einer weiterführenden<br />
Schule als auch auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt, die eine Entscheidung erleichtern können, zurückzuführen.<br />
Auf regionale Besonderheiten hinsichtlich der Gelegenheitsstrukturen könnte<br />
die Tatsache hinweisen, dass die Wahrscheinlichkeit, schon eine Entscheidung getroffen zu<br />
haben, im Kreis Wesel signifikant niedriger ist als in der Großstadt Duisburg. Auch der Effekt<br />
für die Herkunft aus dem Kreis Kleve weist in dieselbe Richtung, ist aber deutlich schwächer<br />
<strong>und</strong> statistisch nicht bedeutsam. Weder der Migrationshintergr<strong>und</strong>, noch der Notendurchschnitt<br />
oder die Geschlechtszugehörigkeit haben einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass bereits eine Entscheidung gefällt worden ist. Das gilt auch für den Erhebungszeitpunkt.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass vor allem Indikatoren für das Bildungskapital<br />
der Eltern <strong>und</strong> Schüler die Unsicherheit reduzieren <strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Entscheidungsfindung begünstigen.<br />
Auch die Entscheidung, nach der 10. Klasse keine Berufsausbildung zu beginnen, sondern<br />
weiter zur Schule zu gehen, wird durch das Bildungskapital des Elternhauses <strong>und</strong> der Schüler<br />
begünstigt. Hat wenigstens ein Elternteil das Abitur, dann begünstigt dies fast durchgängig<br />
die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuches. Hier führt der Wunsch<br />
nach familiärem Statuserhalt zu erhöhten Bildungsaspirationen, die in eine erhöhte Wahrscheinlichkeit<br />
der Entscheidung zugunsten des Besuchs einer weiterführenden Schule münden.<br />
Stammen die Kinder dagegen aus einem Elternhaus, in dem der höchste Schulabschluss<br />
des Vaters oder der Mutter die Mittlere Reife, der Hauptschulabschluss oder ein anderer,<br />
meist im <strong>Aus</strong>land erworbener Abschluss ist, dann neigen sie eher einer Berufsausbildung<br />
zu. Dies gilt auch für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die die Schulabschlüsse ihrer Eltern<br />
nicht anzugeben vermögen. Der schwache Effekt der kleinen Gruppe, in der beide Eltern<br />
ohne Schulabschluss sind, erreicht nicht die Grenzen statistischer Signifikanz.<br />
Verglichen mit der Hauptschule steigert der Besuch einer Realschule die Neigung, sich für<br />
den Besuch einer weiterführenden Schule zu entscheiden, deutlich, während bei den Gesamtschülern<br />
kein signifikanter Effekt zu berichten ist. Wichtig für die Entscheidung ist unabhängig<br />
von der besuchten Schulform die durch die Noten in Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch<br />
dokumentierte Leistung. Erwartungsgemäß sinkt mit dem Notendurchschnitt die Neigung<br />
weiter zur Schule zu gehen.<br />
127
Die Asymmetrie der Bildungsbeteiligung von Jungen <strong>und</strong> Mädchen (vgl. Tabelle 5) schlägt<br />
sich auch bei der Entscheidung für den weiteren Schulbesuch nach der Sek<strong>und</strong>arstufe I nieder.<br />
Unabhängig von der aktuell besuchten Schulform, den Noten, dem Bildungskapital des<br />
Elternhauses <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong> ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Schülerinnen<br />
für einen weiteren Schulbesuch entscheiden, gegenüber ihren männlichen Mitschülern<br />
signifikant erhöht. In ihren mit Daten des Mikrozensus durchgeführten Analysen von Effekten<br />
der in der Familie verfügbaren Ressourcen auf den Bildungserfolg, in der neben dem Bildungsabschluss<br />
des Vaters (bzw. der Mutter), dessen/deren beruflichen Stellung <strong>und</strong> dem<br />
Haushaltseinkommen auch die Nationalität <strong>und</strong> das Geschlecht der Jugendlichen erhoben<br />
wurde, berichten auch Kristen / Granato (2004, 139) durchgängig Vorteile der Mädchen.<br />
In ähnlicher Weise erhöht in der vorliegenden Untersuchung auch die Tatsache eines Migrationshintergr<strong>und</strong>es<br />
bei Kontrolle der genannten Variablen durchgängig die Neigung, sich für<br />
den weiteren Schulbesuch zu entscheiden, signifikant. Diese positiven Effekte gehen über<br />
die von Kristen / Granato (2004, 139) vorgelegten Ergebnisse noch hinaus. Während in deren<br />
Analysen der negative Effekt der berücksichtigten Nationalitäten lediglich verschwindet<br />
<strong>und</strong> im Falle der griechischen Staatsbürger auch signifikant positiv wird, wenn als Indikatoren<br />
der in der Familie verfügbaren Ressourcen Bildung, berufliche Stellung <strong>und</strong> Einkommen kontrolliert<br />
werden, hat in der hier vorgelegten Analyse der Migrationshintergr<strong>und</strong> einen signifikanten<br />
positiven Einfluss auf die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuchs.<br />
Über die Hintergründe dieses auffälligen Ergebnisses kann an dieser Stelle nur spekuliert<br />
werden. Dazu gehört sicherlich, dass die Schwierigkeiten, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz zu bekommen,<br />
für Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> niedrigem Schulabschluss noch<br />
größer als für ihre deutschen Mitschüler/innen sind. Ein wichtiges Motiv für die Entscheidung<br />
dieser Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler dürfte das Bestreben darstellen, ihre, verglichen mit ihren<br />
deutschen Mitschülern, geringeren Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt zu<br />
verbessern. Der <strong>Aus</strong>länderanteil an den <strong>Aus</strong>zubildenden in Westdeutschland ist zwischen<br />
1994 <strong>und</strong> 2004 kontinuierlich von 9,4 Prozent auf 5,6 Prozent zurückgegangen (Konsortium<br />
Bildungsberichterstattung 2006, 154). Die hier vorgelegten Analysen können als ein Beleg<br />
für die besonderen Bemühungen der befragten Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> gelten,<br />
sich in den deutschen Arbeitsmarkt mit seinen Qualifikationserfordernissen zu integrieren.<br />
Eine solche Interpretation deckt sich mit Ergebnissen des DJI-Übergangspanels (Reißig<br />
/ Gaupp / Lex 2004, 7). Auch die das Konsortium Bildungsberichterstattung (2006, 175-177)<br />
bescheinigt den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eine „positivere Einstellung<br />
zur Schule <strong>und</strong> eine höhere Lernmotivation“ sowie höhere Bildungsaspirationen bei<br />
Kontrolle des sozialen <strong>und</strong> schulischen Hintergr<strong>und</strong>es. Mit der Angabe, weiter zur Schule<br />
gehen zu wollen, ist aber zunächst noch keine <strong>Aus</strong>sage über die angestrebte Schulform verknüpft.<br />
Die folgenden Analysen, bei denen diese Frage im Zentrum steht, werden zeigen, ob<br />
128
die Angabe, weiter zur Schule zu gehen, überwiegend auf Streben nach Höherqualifizierung<br />
zurückzuführen ist, oder ob es sich in starkem Maße um eine Form des <strong>Aus</strong>weichens angesichts<br />
besonders geringer Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf dem<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt (vgl. u.a. Granato 2003, Troltsch 2003, Konsortium Bildungsberichterstattung<br />
2006, 153-156).<br />
4.2.2 Besuch einer Schule<br />
4.2.2.1 Bivariate Analyse<br />
Die bisherigen Analysen geben noch keinen Aufschluss darüber, was für eine Schule besucht<br />
werden soll. Tabelle 11 erlaubt einen genaueren Blick auf die Pläne der Befragten, die<br />
angegeben haben, nach Abschluss der 10. Klasse weiter zur Schule gehen zu wollen. Sie<br />
gibt differenziert nach aktueller Schulform, Region <strong>und</strong> Geschlecht wieder, welche Schule die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler angeben, besuchen zu wollen.<br />
Auch wenn in allen drei Schulformen mit der Fachoberschulreife ein formal gleichwertiger<br />
Abschluss der Sek<strong>und</strong>arstufe I erreicht werden kann <strong>und</strong> bei entsprechenden Noten auch ein<br />
Übergang zur Oberstufe des Gymnasiums oder der Gesamtschule möglich ist, erscheint der<br />
Schritt von der Hauptschule zum Gymnasium bzw. der Oberstufe der Gesamtschule den<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern doch offensichtlich als wesentlich größer als der von der Realoder<br />
der Gesamtschule. Knapp die Hälfte der Realschüler (47,9%) <strong>und</strong> sogar 55,8 Prozent<br />
der Gesamtschüler (die dafür i.d.R. die Schule nicht wechseln müssen) haben vor, nach Abschluss<br />
der 10. Klasse diesen Weg zu beschreiten, aber nur eine kleine Minderheit von 13,1<br />
Prozent der Hauptschüler. Als weiterführende Schule gilt diesen häufiger eine zweijährige<br />
Berufsfachschule, wie die Höhere Handelsschule, oder eine Fachoberschule erreichbar (zusammen<br />
r<strong>und</strong> 40%). Diese beiden, die Fachoberschulreife voraussetzenden Schulformen,<br />
werden auch von einem vergleichbar hohen Anteil der Realschüler, die weiter zur Schule<br />
gehen wollen, genannt, während ihr Anteil sich bei den Gesamtschülern nahezu halbiert.<br />
Hierfür gibt es vermutlich eine einfache Erklärung: Gesamtschüler, die nach der 10. Klasse<br />
weiter zur Schule gehen wollen, müssen dafür normalerweise – anders als Haupt- <strong>und</strong> Realschüler<br />
– ihr gewohntes schulisches Umfeld nicht verlassen. Dies bedeutet aber auch, dass<br />
bei Haupt- <strong>und</strong> Realschülern häufiger gezielte Abwägungs- <strong>und</strong> Entscheidungsprozesse bei<br />
der Wahl der Schulform stattgef<strong>und</strong>en haben, während vielen Gesamtschülern die Möglichkeit,<br />
ihre gewohnte Schule nicht notwendigerweise verlassen zu müssen, eine solche Entscheidung<br />
abgenommen hat.<br />
129
Tabelle 11a Was für eine Schule wirst du voraussichtlich besuchen?<br />
Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <br />
Hauptschule<br />
Schulform Region Geschlecht<br />
Realschule <br />
Gesamtschule<br />
130<br />
Duisburg<br />
Kleve Wesel<br />
Männlich <br />
Weiblich<br />
11,4% 1,7% 4,9% 5,7% 9,6% 5,0% 5,0% 7,4%<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr 3,4% ,9% 2,4% 1,1% 1,6% 1,0%<br />
Einjährige Berufsfachschule 7,6% 2,6% 5,5% 6,6% 6,4% 3,6% 6,3% 3,9%<br />
Zweijährige Berufsfachschule<br />
(z.B. Höhere Handelsschule)<br />
19,9% 24,8% 13,5% 7,0% 31,2% 25,8% 21,1% 19,3%<br />
Fachoberschule 20,3% 14,5% 8,0% 12,7% 17,6% 15,8% 17,3% 12,5%<br />
Gymnasium, Wirtschaftsgymnasium,<br />
Oberstufe der<br />
Gesamtschule<br />
Eine andere Schule (z.B. im<br />
<strong>Aus</strong>land)<br />
Ich werde wahrscheinlich die<br />
Klasse wiederholen<br />
Ich weiß noch nicht genau,<br />
welche Schule ich besuchen<br />
werde<br />
Berufskolleg ohne nähere<br />
Angaben<br />
Mittlere Reife / FOR ohne<br />
nähere Angaben<br />
Gesamt 236<br />
13,1% 47,9% 55,8% 52,0% 13,6% 35,1% 32,4% 41,5%<br />
,4% ,4% ,3%<br />
2,5% 1,3% ,4% ,3% 1,0%<br />
18,6% 5,6% 7,4% 9,6% 14,4% 10,4% 13,5% 8,4%<br />
2,5% 2,6% 2,5% 3,9% 0,8% 2,2% 1,6% 3,5%<br />
3,0% ,4% 4,0% ,4% ,9% 1,3%<br />
100%<br />
234<br />
100%<br />
163<br />
100%<br />
229<br />
100%<br />
125<br />
100%<br />
279<br />
100%<br />
318<br />
100%<br />
Basis: Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen, die angegeben haben, nach dem Abschluss der 10. Klasse weiter zur Schule<br />
gehen zu wollen (n=629).<br />
Die Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr selbst oder auch<br />
einjährige Berufsfachschulen gelten häufig als Warteschleifen für Jugendliche, die nicht auf<br />
Anhieb eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle gef<strong>und</strong>en haben (z.B. Braun 2002, BLK 2002, 7; Niemeyer<br />
2002, 213). Entsprechend hoch ist der Anteil der Nennungen dieser Schulformen unter den<br />
Hauptschülern (zusammen über 20%), während er sich bei den Gesamtschülern bereits halbiert<br />
<strong>und</strong> bei den Realschülern noch einmal deutlich niedriger liegt. Aber insbesondere bei<br />
den Hauptschülern wird es nicht bei diesen Anteilen bleiben: Knapp 19 Prozent der Befragten<br />
dieser Gruppe wissen noch nicht, welche Schule sie einmal besuchen wollen <strong>und</strong> weitere<br />
5,5 Prozent machen sehr unbestimmte Angaben. Zusammen sind das fast 25 Prozent der<br />
Hauptschüler, die im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres zwar davon ausgehen, dass sie<br />
nach dem Verlassen der Schule (noch) keine <strong>Aus</strong>bildung beginnen <strong>und</strong> weiter zur Schule<br />
gehen werden, aber noch nicht sagen können, was das für eine Schule ist. Wenn man<br />
zugleich sieht, wie positiv Berufsausbildung <strong>und</strong> Beruf bei den Schülern besetzt sind (vgl.<br />
Tabelle 8a), dann handelt es sich offensichtlich nicht um eine bewusste Entscheidung für<br />
den weiteren Schulbesuch, sondern um die Wahrnehmung einer <strong>Aus</strong>weichmöglichkeit ange-<br />
311<br />
100%
sichts denkbar schlechter Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt (vgl. bereits Wachtveitl<br />
/ Witzel 1987, 111).<br />
Hinsichtlich der regional differenzierten Verteilungen fallen strukturelle Unterschiede zwischen<br />
der Großstadt Duisburg <strong>und</strong> den beiden Landkreisen auf. Während sich zwischen den<br />
Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve die Verteilungen nur gering unterscheiden, bestehen zwei, teilweise<br />
miteinander verknüpfte Differenzen zwischen Duisburg <strong>und</strong> den Landkreisen: In Duisburg<br />
ist der Anteil, der beabsichtigt, ein Gymnasium bzw. die Oberstufe der Gesamtschule zu besuchen,<br />
deutlich höher als in den Kreisen Kleve <strong>und</strong> Wesel (52,0% zu 13,6% bzw. 35,1%).<br />
Zugleich liegt der Anteil, der plant eine zweijährige Berufsfachschule zu besuchen, in Duisburg<br />
wesentlich niedriger (7,0% zu 31,2% bzw. 25,8%). Stark abgeschwächt ist eine solche<br />
Tendenz auch bei den Fachoberschulen zu beobachten (12,7% zu 17,6% bzw. 15,8%). Die<br />
in Duisburg zu beobachtende stärkere Fixierung der Schüler auf das Gymnasium <strong>und</strong> die<br />
Oberstufe der Gesamtschule dürfte zumindest teilweise mit dem in Duisburg höheren Anteil<br />
an Gesamtschülern unter den Befragten, die wie oben gezeigt, oft ihr gewohntes schulisches<br />
Umfeld nicht verlassen wollen, zu erklären sein (vgl. Tabelle 1). Ähnliche strukturelle Differenzen<br />
werden auch für den – verglichen mit dem Kreis Kleve – höheren Anteil dieser Gruppe<br />
im Kreis Wesel verantwortlich sein.<br />
Die bereits angesprochene Tendenz einer geschlechtsspezifischen Bildungsbeteiligung setzt<br />
sich auch nach dem Abschluss der 10. Klasse fort. So wie die Mädchen häufiger die Gesamt-<br />
<strong>und</strong> vor allem die Realschule besuchen (Tabelle 5) <strong>und</strong> nach der 10. Klasse häufiger<br />
weiter zur Schule gehen wollen (Tab. 9a, 10), so zeigt sich hier (Tab. 11a), dass die Mädchen<br />
häufiger als die Jungen auf die Oberstufe des Gymnasiums oder der Gesamtschule<br />
streben.<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus bildungsprivilegierten Elternhäusern mit mindestens einem<br />
Elternteil mit (Fach-)Abitur streben nicht nur deutlich häufiger als ihre Mitschüler/innen einen<br />
weiteren Schulbesuch an (vgl. Tabelle 9b, 10). Sie entscheiden sich auch besonders oft<br />
(44,1%) für den Besuch eines Gymnasiums oder der gymnasialen Oberstufe einer Gesamtschule<br />
(Tabelle 11b). Weitere gut 35 Prozent der Befragten dieser Gruppe beabsichtigen<br />
eine zweijährige Berufsfachschule oder eine Fachoberschule zu besuchen. Dagegen werden<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong> einjährige Berufsfachschulen von dieser Gruppe deutlich seltener<br />
als Ziel genannt als von den anderen Befragten. Betrachtet man beides gemeinsam – den<br />
hohen Anteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus bildungsprivilegierten Familien, der sich für<br />
einen weiteren Schulbesuch entscheidet <strong>und</strong> welche Schulformen sie dabei anstreben –<br />
dann wird die Verknüpfung von hohen Bildungsaspirationen mit dem Bestreben nach familiärem<br />
Statuserhalt sichtbar.<br />
131
Tabelle 11b/c Was für eine Schule wirst du voraussichtlich besuchen? (Differenziert nach<br />
dem höchsten Schulabschluss der Eltern <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong>)<br />
Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
+ Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
Abitur /<br />
Fachabitur<br />
Mittlere<br />
Reife<br />
(b) Höchster Schulabschluss Eltern<br />
132<br />
Hauptschule<br />
Anderer<br />
Abschluss<br />
Kein<br />
Abschluss<br />
Ich weiß<br />
nicht<br />
4,3% 8,6% 9,3% 8,3% 6,7% 8,3%<br />
Einjährige Berufsfachschule 2,5% 5,6% 5,0% 8,3% 0% 9,3%<br />
Zweijährige Berufsfachschule<br />
(z.B. Höhere Handelsschule)<br />
19,3% 26,5% 20,7% 16,7% 13,3% 13,0%<br />
Fachoberschule 16,1% 13,6% 13,6% 12,5% 13,3% 14,8%<br />
Gymnasium, Wirtschaftsgymnasium,<br />
Oberstufe der Gesamtschule<br />
44,1% 32,1% 36,4% 45,8% 26,7% 35,2%<br />
Sonstige* 1,2% 0,6% 4,2% ,9%<br />
Ich weiß noch nicht genau, welche<br />
Schule ich besuchen werde**<br />
Gesamt 161<br />
100%<br />
Vorklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
+ Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
Kein<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
12,4% 13,0% 15,0% 4,2% 40,0% 18,5%<br />
162<br />
100%<br />
140<br />
100%<br />
24<br />
100%<br />
15<br />
100%<br />
(c) Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunft<br />
Ein<br />
Elternteil<br />
im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Beide<br />
Eltern im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Kind im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Zuhause<br />
andere<br />
Umgangs<br />
sprache<br />
Türkei<br />
108<br />
100%<br />
Ehemalige<br />
Sowjetunion<br />
u.<br />
Osteuropa<br />
7,6% 7,5% 2,0% 15,2% 4,5% 1,3% 7,3%<br />
Einjährige Berufsfachschule 4,7% 5,7% 5,9% 3,0% 9,1% 6,7% 7,3%<br />
Zweijährige Berufsfachschule<br />
(z.B. Höhere Handelsschule)<br />
20,9% 28,3% 13,7% 24,2% 13,6% 17,3% 22,0%<br />
Fachoberschule 15,6% 7,5% 19,6% 9,1% 16,7% 16,0% 19,5%<br />
Gymnasium, Wirtschaftsgymnasium,<br />
Oberstufe der Gesamtschule<br />
35,3% 34,0% 52,9% 33,3% 40,9% 50,7% 24,4%<br />
Sonstige* ,9% 2,0% 5,3%<br />
Ich weiß noch nicht genau, welche<br />
Schule ich besuchen werde**<br />
Gesamt 422<br />
100%<br />
14,9% 17,0% 3,9% 15,2% 15,2% 8,0% 19,5%<br />
53<br />
100%<br />
51<br />
100%<br />
33<br />
100%<br />
66<br />
100%<br />
75<br />
100%<br />
* In der Kategorie „Sonstige“ wurden die Tabelle 11a getrennt ausgewiesenen Kategorien „eine andere Schule<br />
(z.B. im <strong>Aus</strong>land)“ <strong>und</strong> „…Klasse wiederholen“ zusammen gefasst.<br />
** Die Kategorie „Ich weiß noch nicht…“ schließt hier auch die Kategorien „Berufskolleg ohne nähere Angaben“,<br />
„Mittlere Reife / FOR ohne nähere Angaben“ mit ein.<br />
41<br />
100%<br />
Einen ähnlich hohen Anteil, der zum Gymnasium strebt, findet man bei der zahlenmäßig<br />
kleinen Gruppe der Befragten, die angeben, dass ihre Eltern andere (in der Regel ausländische)<br />
Schulabschlüsse erworben haben. Allerdings ist dieser Anteil nur schwer zu interpretieren,<br />
denn einerseits ist diese Gruppe zu klein für statistisch gesicherte <strong>Aus</strong>sagen <strong>und</strong> zum
anderen erlaubt die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe keine <strong>Aus</strong>sage über das Niveau des<br />
Abschlusses. Sie belegt lediglich, dass zumindest ein Elternteil einen Abschluss erworben<br />
hat <strong>und</strong> dass die Kinder diesen auch kennen. Das unterscheidet diese Gruppe allerdings<br />
positiv von den Befragten, die entweder angeben, dass ihre Eltern ohne formalen Schulabschluss<br />
sind, oder dass sie die Schulabschlüsse ihrer Eltern nicht kennen. Auffällig ist in diesen<br />
beiden Gruppen vor allem der relativ hohe Anteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die noch<br />
nicht sagen können, welche Schule sie einmal besuchen wollen. Offenbar vergrößert auch<br />
hier wiederum die Bildungsdistanz des Elternhauses die Unsicherheit, welcher Weg nach der<br />
Schule eingeschlagen werden soll.<br />
Ein interessantes Ergebnis der multivariaten Analyse zur Entscheidung zwischen Schulbesuch<br />
<strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildung war die Tendenz, dass Befragte mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eher dazu<br />
neigen, weiter zur Schule zu gehen. Tabelle 11c zeigt nun, dass Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
der zweiten Migrantengeneration, die zuhause Deutsch sprechen, sogar häufiger als ihre<br />
deutschen Mitschüler/innen nach der 10. Klasse die gymnasiale Oberstufe der Gesamtschule<br />
oder ein Gymnasium besuchen wollen. Dies gilt insbesondere auch für die türkischstämmigen<br />
Befragten, die in der vorliegenden Stichprobe die größte Migrantengruppe bilden. Im<br />
Kontrast dazu streben Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion<br />
<strong>und</strong> aus dem übrigen Osteuropa seltener das Gymnasium an. Zugleich ist bei diesen<br />
Befragten die Unsicherheit, welche Schule besucht werden soll, noch besonders hoch. Allerdings<br />
bleiben diese Zahlen aufgr<strong>und</strong> der relativ niedrigen Fallzahlen mit einem Fragezeichen<br />
versehen.<br />
Auch wenn sich an dieser Stelle noch nicht sagen lässt, inwieweit sich die Schulwünsche<br />
verwirklichen, lassen die Daten doch zumindest den Schluss zu, dass in der vorliegenden<br />
Stichprobe die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Migrationhintergr<strong>und</strong> sich hinsichtlich ihrer<br />
schulischen Aspirationen nur wenig von ihren deutschen Mitschüler/innen unterscheiden.<br />
Insbesondere bei den in Deutschland geborenen Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, bei<br />
denen die Tatsache, dass im Elternhaus Deutsch die Umgangssprache ist, auf einen relativ<br />
hohen Grad sozialer Integration in die deutsche Gesellschaft hinweist, scheinen darüber hinaus<br />
auch starke Bestrebungen wirksam zu sein, über höhere formale Bildung soziale Aufwärtsmobilität<br />
zu verwirklichen.<br />
133
4.2.2.2 Multivariate Analysen<br />
In zwei multivariaten Modellen soll auch in der Gruppe der Befragten, die angegeben haben,<br />
weiter zur Schule zu gehen, untersucht werden, inwieweit die in den bivariaten Analysen<br />
herausgearbeiteten Zusammenhänge bei wechselseitiger Kontrolle der berücksichtigten unabhängigen<br />
Variablen bestehen bleiben <strong>und</strong> die Zielvariable signifikant zu beeinflussen vermögen.<br />
Zu diesem Zweck wurden aus der Vielzahl der von den Zehntklässlern an Haupt-,<br />
Gesamt- <strong>und</strong> Realschulen als angestrebt genannten Schulformen zwei Zielvariablen konstruiert,<br />
die jeweils sehr unterschiedliche Typen repräsentieren. Die Wahl des Besuchs der<br />
gymnasialen Oberstufe der Gesamtschule bzw. des Gymnasiums (verglichen mit der Wahl<br />
einer anderen, z.T. auch noch nicht explizit benannten Schulform) kann i.d.R. als bewusst<br />
ehrgeizige Entscheidung, sich durch den Besuch einer weiterführenden Schule neue berufliche<br />
Möglichkeitsräume zu erschließen, verstanden werden. Anders hingegen die Befragten,<br />
die angeben, nach der Schule das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr (bzw. die Vorklasse dazu) oder eine<br />
einjährige Berufsfachschule zu besuchen. Der Schulbesuch soll hier der Berufsvorbereitung<br />
dienen <strong>und</strong> so den anschließenden Einstieg in eine Berufsausbildung ermöglichen. Bei den<br />
Befragten, die zwar angeben, weiter zur Schule zu gehen aber noch nicht wissen, was für<br />
eine Schule sie besuchen werden, werden ähnliche Motive eine Rolle bei der Entscheidungsfindung<br />
spielen. Sie werden daher mit den Befragten, die Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr oder<br />
einjährige Berufsfachschulen angeben, zusammengefasst. Ob es sich aus Sicht der Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler bei dieser Entscheidung um eine zweite Wahl handelt, für die man sich<br />
nur entscheidet, weil der direkte Einstieg in eine Berufsausbildung nicht möglich ist, wird unten<br />
noch genauer untersucht. Beide Gruppen markieren entgegen gesetzte Pole auf einem<br />
Kontinuum, an dessen einen Ende die Befragten durch das Abitur ein gegenüber dem aktuellen<br />
Abschluss höher qualifiziertes Einstiegniveau in das Berufsleben anstreben <strong>und</strong> an<br />
dessen anderem Ende der weitere Schulbesuch überhaupt erst den Einstieg in eine Berufsausbildung<br />
auf einem Niveau, das dem der aktuell besuchten Schule entspricht, ermöglichen<br />
soll. Als Prädiktoren werden in dem Modell die aus den bivariaten Modellen bekannten<br />
Variablen, wiederum ergänzt um die Kontrolle des Erhebungszeitpunktes, benutzt.<br />
134
Tabelle 12 Logistische Regressionen des weiteren Schulbesuchs als (I) Höherqualifikation<br />
<strong>und</strong> als berufsvorbereitenden Maßnahme bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die angeben,<br />
weiter zur Schule gehen zu wollen*<br />
(I)<br />
Höherqualifikation<br />
(II)<br />
Berufsvorbereitung<br />
135<br />
(I)<br />
Höherqualifikation<br />
(II)<br />
Berufsvorbereitung<br />
Unstandardisiert: EXP (b) Standardisiert: EXP (b*SDx)<br />
Konstante 75,12 19,61 -1<br />
Höchster Bildungsabschluss der Eltern<br />
Abitur (Basiskategorie)<br />
Mittlere Reife 1,23 -1 1,26 1,10 -1 1,11<br />
Hauptschule 1,25 -1 1,73 1,10 -1 1,26<br />
Anderer Abschluss 3,06 2,17 -1 1,23 1,15 -1<br />
Kein Abschluss 1,36 -1 3,40 1,05 -1 1,19<br />
Weiß nicht<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
1,10 -1 1,80 1,04 -1 1,25<br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />
Ein Elternteil <strong>Aus</strong>l. 1,21 1,26 -1 1,06 1,07 -1<br />
Beide Eltern <strong>Aus</strong>l. 2,41 3,26 -1 1,26 1,36 -1<br />
Im <strong>Aus</strong>land geb.<br />
Zuhause andere<br />
1,59 1,06 1,11 1,01<br />
Umgangssprache<br />
Regionale Herkunft<br />
Duisburg (Basiskategorie)<br />
2,05 1,61 -1 1,22 1,14 -1<br />
Kleve 12,24 -1 1,55 2,76 -1 1,19<br />
Wesel<br />
Schulform<br />
5,39 -1 1,03 -1 2,32 -1 1,01 -1<br />
Hauptschule (Basiskategorie)<br />
Realschule 14,38 6,42 -1 3,70 2,49 -1<br />
Gesamtschule 10,10 2,78 -1 2,59 1,52 -1<br />
Notendurchschnitt 5,14 -1 2,33 2,67 -1 1,66<br />
Geschlecht: Frau 1,32 1,17 -1 1,15 1,08 -1<br />
Erhebungsmonat 1,20 -1 1,00 -1 1,17 -1 1,00 -1<br />
N 559 559<br />
-2 Log-Likelihood 507,84 536,88<br />
CHI² (16 df) 228,64 113,34<br />
Nagelkerke’s R² ,459 ,267<br />
* Zielvariable des ersten Modells (I: Höherqualifikation) ist die Tatsache einer Entscheidung für den Besuch der<br />
gymnasialen Oberstufe der Gesamtschule bzw. des Gymnasiums vs. alle anderen Befragten, die angeben weiter<br />
zur Schule zu gehen. Im zweiten Modell (II: Berufsvorbereitung) werden die Befragten, die das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
(inkl. Vorklasse) oder eine einjährige Berufsfachschule angeben sowie diejenigen, die zwar angeben zur<br />
Schule zu gehen, aber noch nicht genau sagen können, welche Schule das sein wird, allen anderen Befragten,<br />
die angeben weiter zur Schule zu gehen, gegenübergestellt.<br />
*<br />
Fettdruck: p < 0,05.<br />
Die beiden hochsignifikanten Modelle in Tabelle 12 enthalten keine Überraschungen <strong>und</strong><br />
bestätigen im Wesentlichen die Ergebnisse der bivariaten Analysen. Allerdings tritt der unterschiedliche<br />
Beitrag der verschiedenen Prädiktoren zur Erklärung der Zielvariablen deutlicher<br />
zu Tage. Die Entscheidung, das Abitur anzustreben, hängt in starkem Maße von der<br />
aktuell besuchten Schulform ab. Die Wahrscheinlichkeit, die gymnasiale Oberstufe anzustreben,<br />
ist erwartungsgemäß bei Real- <strong>und</strong> Gesamtschülern gegenüber Hauptschülern deutlich<br />
erhöht. Hinzu müssen gute Noten kommen. Der Notendurchschnitt in Deutsch, Englisch <strong>und</strong>
Mathematik des letzten Zeugnisses hat einen starken <strong>und</strong> hochsignifikanten Effekt. Die Geschlechtszugehörigkeit<br />
hat bei Kontrolle der Schulform <strong>und</strong> der Leistung dagegen keinen<br />
signifikanten Effekt, obgleich zumindest das Vorzeichen des Koeffizienten den in der bivariaten<br />
Analyse gezeigten erhöhten Anteil der Schülerinnen, die das Abitur anstreben, bestätigt.<br />
Stark ist der Effekt der regionalen Gelegenheitsstrukturen: Verglichen mit der Großstadt<br />
Duisburg <strong>und</strong> seiner auf kurzen Wegen erreichbaren Schulinfrastruktur ist bei Kontrolle der<br />
Leistungen die Wahrscheinlichkeit für Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler von Haupt-, Gesamt- <strong>und</strong><br />
Realschulen nach dem Abschluss an einer Gesamtschule oder einem Gymnasium das Abitur<br />
anzustreben, in den Flächenkreisen Wesel <strong>und</strong> insbesondere Kleve, wo es nur eine Gesamtschule<br />
gibt, signifikant reduziert. Die Vorzeichen der Indikatoren für das Bildungsniveau<br />
des Elternhauses <strong>und</strong> den Migrationsstatus bestätigen zwar tendenziell die Ergebnisse der<br />
bivariaten Analysen, aber sie bleiben unterhalb der Grenzen statistischer Signifikanz.<br />
Erwartungsgemäß sind die Effekte im zweiten Modell den für die Entscheidung zugunsten<br />
der gymnasialen Oberstufe ermittelten Einflüssen nahezu entgegengesetzt. Die Gruppe, die<br />
als Ziel eine berufsvorbereitende Schule nennt, oder über die Erwartung hinaus, weiter zur<br />
Schule zu gehen, noch nichts Konkreteres aussagen kann, besucht deutlich seltener eine<br />
Gesamt- oder eine Realschule als eine Hauptschule. Es handelt sich eher um leistungsschwächere<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler: Je schlechter der Notendurchschnitt, desto höher die<br />
Wahrscheinlichkeit zu dieser Gruppe zu gehören. Bei Kontrolle der aktuellen Schulform, der<br />
durch den Notendurchschnitt gemessenen Schulleistung <strong>und</strong> der übrigen Prädiktoren des<br />
Modells hat die Geschlechtszugehörigkeit hingegen keinen signifikanten Einfluss mehr. Das<br />
gilt auch für das Bildungsniveau des Elternhauses. Überraschenderweise senkt dagegen die<br />
Tatsache, dass zwar beide Eltern im <strong>Aus</strong>land geboren wurden, aber zu Hause Deutsch die<br />
Umgangssprache ist, im Vergleich zu den Befragten ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit<br />
zu der Gruppe zu gehören, die nur über den Umweg eines zusätzlichen Schulbesuchs<br />
hofft, den Einstieg in eine Berufsausbildung <strong>und</strong> einen Beruf zu schaffen. Die Tatsache,<br />
dass sich dieser Effekt auch im multivariaten Modell als stabil erweist, deutet gemeinsam<br />
mit den stabilen Vorzeichen der Indikatoren zum Migrantionshintergr<strong>und</strong> in beiden Modellen<br />
darauf hin, dass sich unter den Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eine quantitativ<br />
bedeutsame Gruppe befindet, die tendenziell höhere Bildungsaspirationen als viele ihrer<br />
Mitschüler ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> hat.<br />
4.2.3 Schulbesuch als zweite Wahl?<br />
4.2.3.1 Bivariate Analysen<br />
Oben wurde bereits angesprochen, dass die Antworten auf die Frage nach den Plänen für<br />
die Zeit nach dem Abschluss der 10. Klasse nur teilweise die tatsächlichen Wünsche der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler beschreiben, sondern vielmehr deren bereits die an die Realität<br />
136
des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes angepassten Pläne wiedergeben. Von der Hypothese ausgehend,<br />
dass der Besuch einer Schule für viele der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nur die zweitbeste Lösung<br />
darstellt, die gewählt wird, weil die eigenen Chancen auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle als<br />
sehr gering eingeschätzt werden (vgl. u.a. Wachtveitl / Witzel 1987, 111), wurde der Subgruppe,<br />
die angab eine Schule zu besuchen, die Frage gestellt, ob sie anstatt weiter zur<br />
Schule zu gehen, lieber eine <strong>Aus</strong>bildung absolvieren würden.<br />
Tabelle 13 Würdest du, statt weiter zur Schule zu gehen, lieber eine Berufsausbildung<br />
machen?<br />
a<br />
Gesamt<br />
Hauptschule<br />
Schulform Region Geschlecht<br />
Realschule <br />
Gesamtschule<br />
Duisburg Kleve Wesel Männlich Weiblich<br />
% Ja 36,6 49,7 27,5 29,5 34,6 38,1 37,2 41,3 31,5<br />
N 465 181 189 95 153 97 215 240 219<br />
b Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />
(inkl.<br />
Vorklasse)<br />
Einjährige<br />
Berufsfachschule<br />
Aufnehmender Bildungsgang<br />
Zweijährige<br />
Berufsfachschule <br />
Fachoberschule<br />
137<br />
Gymnasium,<br />
Oberstufe<br />
der Gesamtschule<br />
Sonstiges<br />
Ich weiß<br />
noch nicht<br />
genau<br />
% Ja 67,6 81,8 39,8 36,1 14,0 33,3 56,3<br />
N 34 22 98 72 164 3 71<br />
c<br />
Abitur /<br />
Fachabitur Mittlere Reife Hauptschule<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Anderer<br />
Abschluss<br />
Kein<br />
Abschluss Ich weiß nicht<br />
% Ja 28,8 39,3 38,3 21,4 22,2 46,7<br />
N 125 122 107 14 9 75<br />
d<br />
Kein<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Ein Elternteil<br />
im <strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunftsland<br />
Beide Elternteile<br />
im <strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Kind im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Zuhause<br />
andere<br />
Umgangssprache<br />
Türkei<br />
Ehemalige<br />
Sowjetunion<br />
<strong>und</strong> Osteuropa<br />
% Ja 37,9 29,3 28,6 41,7 32,4 29,4 39,3<br />
N 322 41 35 24 37 51 28<br />
Die Ergebnisse (Tabelle 13) stützen die Hypothese, dass ein weiterer Schulbesuch häufig<br />
als <strong>Aus</strong>weichmöglichkeit angesichts der geringen Chancen auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle wahrgenommen<br />
wird. Insgesamt würde mehr als ein Drittel der Jugendlichen (36,6%), die angeben,<br />
weiter zur Schule zu gehen, anstatt dessen lieber eine Berufsausbildung absolvieren<br />
(vgl. Behringer / Ulrich 1996; Ulrich 2003, 2004, 2005, 2006a/b). Gleichgültig, welche Schule<br />
verlassen wird, in welcher der drei Regionen die Schüler beheimatet sind oder welche Schul-
form sie besuchen werden, in allen Gruppen ist dieser Anteil beträchtlich. Gleichzeitig belegen<br />
die Daten deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Schulformen: Unter den<br />
Hauptschülern, die angeben, weiter zur Schule zur gehen, würde nahezu die Hälfte (49,7%)<br />
lieber eine Berufsausbildung absolvieren, bei den Gesamtschülern liegt dieser Anteil bei<br />
knapp 30 Prozent (29,5%) <strong>und</strong> bei den Realschülern noch etwas niedriger (27,5%). Die regionalen<br />
<strong>und</strong> geschlechtsspezifischen Differenzen lassen sich überwiegend auf die Verteilung<br />
der Schulformen in den einzelnen Teilstichproben zurückführen.<br />
Abschnitt b der Tabelle gibt die Anteile differenziert für die von den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />
angegebenen aufnehmenden Schulen wieder. Auch wenn die Fallzahlen in den einzelnen<br />
Gruppen teilweise zu klein für abgesicherte <strong>Aus</strong>sagen sind, kann man doch Tendenzen<br />
erkennen. Es wird deutlich, dass vor allem das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr (einschließlich Vorklasse)<br />
<strong>und</strong> einjährige Berufsfachschulen für die Mehrheit der Schüler, die sie benennen, bestenfalls<br />
eine zweite Wahl darstellen. Etwas geringer sind die Anteile für die Fachoberschulen<br />
<strong>und</strong> die zweijährige Berufsfachschulen (wie die Höhere Handelsschule), aber auch sie werden<br />
von deutlich mehr als einem Drittel nur gewählt, weil sie nicht damit rechnen, eine Lehrstelle<br />
zu finden. Lediglich bei den Schülern, die zur Oberstufe des Gymnasium oder der Gesamtschule<br />
wechseln wollen, handelt es sich bei der großen Mehrheit um eine echte Wahl<br />
zwischen Alternativen: <strong>Aus</strong> dieser Gruppe würde nur eine kleine Minderheit von 14 Prozent<br />
lieber eine <strong>Aus</strong>bildung beginnen. Aber auch deren Vorhandensein belegt, dass eine Schulausbildung<br />
nach dem Abschluss der 10. Klasse an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen für<br />
viele Schüler subjektiv den Charakter einer der Situation am <strong>Aus</strong>bildungsmarkt geschuldeten<br />
Warteschleife hat, wenn auch dabei eine Abstufung nach dem angestrebten Niveau der<br />
Schulform erkennbar ist. Je mehr allerdings die Schule den Charakter einer „weiterführenden“<br />
Schule hat, die neue Möglichkeitsräume eröffnet <strong>und</strong> den Weg in höher qualifizierte<br />
Berufe eröffnet, umso eher wird sie auch als bewusste Alternative zu einer Berufsausbildung<br />
nach Abschluss der gegenwärtig besuchten Schule angesehen <strong>und</strong> gewählt.<br />
Die Ergebnisse in Abschnitt c der Tabelle, wo die Antworten nach dem Bildungsniveau der<br />
Herkunftsfamilie differenziert dargestellt werden, enthalten keine Überraschungen. Dass die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die aus einer Familie, in der ein Elternteil Abitur hat, seltener als<br />
die meisten anderen Bildungsgruppen den weiteren Schulbesuch nur als zweite Wahl betrachten<br />
(28,8%), hängt natürlich damit zusammen, dass sie häufiger die gymnasiale Oberstufe<br />
einer Gesamtschule oder eines Gymnasiums besuchen (vgl. Tabelle 11b), was wiederum<br />
eine Folge erhöhter Bildungsaspirationen der Herkunftsfamilie ist. Als eher bildungsfern<br />
wurden die Befragten charakterisiert, die nicht den Schulabschluss wenigstens eines Elternteiles<br />
nennen können. Dass in dieser Gruppe die Unsicherheit über den weiteren Weg nach<br />
der Schule stärker ausgeprägt ist, wurde oben bereits mehrfach thematisiert. Hier nun zeigt<br />
138
sich, dass fast die Hälfte (46,7%) der Befragten dieser Gruppe, die angeben weiter zur Schule<br />
zu gehen, stattdessen lieber gleich eine Berufsausbildung absolvieren würden.<br />
Abschnitt d der Tabelle bestätigt noch einmal die - verglichen mit ihren deutschen Mitschüler/innen<br />
- oft hohen Aspirationen der Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Für diese Gruppe<br />
ist die Schule deutlich seltener die zweite Wahl. Die Frage, ob sie, statt weiter zur Schule zu<br />
gehen, lieber eine Berufsausbildung absolvieren würden, wird fast durchgängig häufiger verneint<br />
als von Befragten ohne Migrationshintergr<strong>und</strong>. Eine auffällige <strong>Aus</strong>nahme, die allerdings<br />
wegen der kleinen Fallzahlen keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann, bilden<br />
die Migranten aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion <strong>und</strong> aus Osteuropa, bei denen<br />
der Anteil, für den der Schulbesuch nur zweite Wahl ist, um 10 Prozentpunkte höher liegt als<br />
bei den Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong>. Diese Differenz ist vor allem auf<br />
die Differenzen bei den Schulformen, die von beiden Gruppen als Ziel angegeben werden,<br />
zurückzuführen: Unter den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern aus türkischen Familien, die weiter<br />
zur Schule gehen wollen, beabsichtigt z.B. gut die Hälfte ein Gymnasium zu besuchen, bei<br />
der Vergleichgruppe aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion <strong>und</strong> aus Osteuropa ist es<br />
dagegen nur ein knappes Viertel (vgl. Tabelle 11c).<br />
4.2.3.2 Multivariate Analyse<br />
Eine logistische Regression der Dichotomie, ob der weitere Schulbesuch verglichen mit einer<br />
Berufsausbildung nur eine zweite Wahl darstellt, kann hier wieder die Frage klären, inwieweit<br />
die in den bivariaten Analysen aufgezeigten Zusammenhänge im multivariaten Modell bestehen<br />
bleiben <strong>und</strong> welche relative Bedeutung sie bei Kontrolle der weiteren Prädiktoren im<br />
Modell haben. Von besonderer Bedeutung ist hier die Frage, inwieweit aus der Sicht der Jugendlichen<br />
bestimmte Schulformen nur eine <strong>Aus</strong>weichmöglichkeit darstellen, die gewählt<br />
wird, weil der eigentlich angestrebte direkte Weg in eine Berufsausbildung versperrt ist. Wegen<br />
des starken Zusammenhangs zwischen der aktuell besuchten Schulform <strong>und</strong> der genannten<br />
Zielschule wird in der Analyse auf die Kontrolle der aktuellen Schulform zugunsten<br />
der Zielschule verzichtet.<br />
139
Tabelle 14 Lieber Berufsausbildung statt weiter zur Schule? (Logistische Regression)<br />
Koeffizienten<br />
Unstandardisiert: EXP (b) Standardisiert: EXP (b*SDx)<br />
Konstante<br />
Höchster Bildungsabschluss der Eltern<br />
Abitur (Basiskategorie)<br />
3,47 -1<br />
Mittlere Reife 1,16 1,07<br />
Hauptschule 1,61 1,23<br />
Anderer Abschluss 1,40 -1 1,06 -1<br />
Kein Abschluss 1,90 -1 1,10<br />
Weiß nicht<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />
1,58 1,18<br />
Ein Elternteil <strong>Aus</strong>l. 2,09 -1 1,24 -1<br />
Beide Eltern <strong>Aus</strong>l. 1,06 -1 1,02 -1<br />
Im <strong>Aus</strong>land geb. 1,37 1,07<br />
Zuhause andere Umgangssprache<br />
Regionale Herkunft<br />
Duisburg (Basiskategorie)<br />
1,12 -1 1,03 -1<br />
Kleve 1,01 -1 1,00 -1<br />
Wesel<br />
Genannte Schulform<br />
1,18 1,09<br />
Gymnasium, Gymnasiale Oberstufe der Gesamtschule (Basiskategorie)<br />
Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr (inkl. Vorklasse) 10,32 1,84<br />
Einjährige Berufsfachschule 105,74 2,59<br />
Zweijährige Berufsfachschule 3,80 1,73<br />
Fachoberschule 2,65 1,42<br />
Weiß noch nicht (genau) 7,46 2,06<br />
Notendurchschnitt 1,17 1,10<br />
Geschlecht: Frau 1,83 -1 1,35 -1<br />
Erhebungsmonat 1,23 -1 1,20 -1<br />
N 438<br />
-2 Log-Likelihood 463,49<br />
CHI² (16 df) 110,61<br />
Nagelkerke’s R² ,306<br />
* Zielvariable des ersten Modells (I) ist die Tatsache einer Entscheidung für einen weiteren Schulbesuch oder die<br />
Aufnahme einer Berufsausbildung (Kategorien a <strong>und</strong> b) vs. der Tatsache, noch keine Entscheidung getroffen zu<br />
haben. Im zweiten Modell (II) wird die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuchs vs. die Entscheidung<br />
für die Aufnahme einer Berufsausbildung untersucht.<br />
* Fettdruck: p < 0,05.<br />
Die Ergebnisse der in Tabelle 14 wiedergegebenen Regressionsanalyse sind eindeutig: Sie<br />
zeigen, dass die Frage, welche Schulform voraussichtlich besucht wird, den mit Abstand<br />
stärksten Effekt besitzt, <strong>und</strong> bestätigen die Ergebnisse der bivariaten Analysen. Die ganz<br />
überwiegende Mehrheit der Schüler, die angeben nach dem Abschluss der derzeit besuchten<br />
Schule weiter zur Schule zu gehen, würde lieber eine Berufsausbildung absolvieren (vgl.<br />
hierzu auch: BMBF 2006, 85-88). Mit <strong>Aus</strong>nahme der Gruppe, die zum Gymnasium zu wechseln<br />
beabsichtigt, sehen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in einem weiteren Schulbesuch nur<br />
eine suboptimale Lösung, zu der sie sich durch ihre antizipierte Chancenlosigkeit in der Konkurrenz<br />
um eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle genötigt sehen. Verglichen mit der Entscheidung für den<br />
140
Besuch eines Gymnasiums erhöhen insbesondere die Nennung typischer schulischer „Warteschleifen“,<br />
wie der einjährigen Berufsfachschule <strong>und</strong> des Berufsgr<strong>und</strong>schuljahrs (inkl. Vorklasse),<br />
sowie die Tatsache, dass die Befragten die Schulform noch nicht genau benennen<br />
können, die Wahrscheinlichkeit, dass die Befragten angeben, eigentlich lieber eine Berufsausbildung<br />
zu absolvieren. Etwas abgeschwächt, aber immer noch statistisch bedeutsam,<br />
lässt sich ein solcher Effekt auch bei der Nennung einer zweijährigen Berufsfachschule<br />
<strong>und</strong> einer Fachoberschule feststellen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Entscheidung für<br />
den Besuch einer Schule umso seltener nur eine zweite Wahl für die Befragten darstellt, je<br />
höher das angestrebte Abschlussniveau angesiedelt ist. Erwähnenswert ist darüber hinaus<br />
der statistisch signifikante negative Geschlechtseffekt: Weibliche Jugendliche streben nicht<br />
nur seltener eine Berufsausbildung im dualen System an, sondern sehen offenbar auch unabhängig<br />
von der angestrebten Schulform in einem weiteren Schulbesuch häufiger als ihre<br />
männlichen Klassenkameraden eine Möglichkeit, die eigenen beruflichen Chancen zu<br />
verbessern (vgl. dazu bereits Heinz u.a. 1985, 272f). Statistisch nicht bedeutsam sind dagegen<br />
die Effekte des höchsten Bildungsabschlusses der Eltern, des Migrationshintergr<strong>und</strong>es,<br />
der regionalen Herkunft, des Notendurchschnittes <strong>und</strong> des Erhebungszeitpunktes.<br />
4.2.4 Berufsausbildung<br />
Tabelle 15 beschreibt differenziert nach Schulform, Region, Geschlecht, Bildungsniveau der<br />
Eltern <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angegeben haben, im<br />
Anschluss an die Schule eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen, ob es sich dabei um<br />
eine <strong>Aus</strong>bildung im Rahmen des dualen System, eine schulische Berufsausbildung oder um<br />
eine <strong>Aus</strong>bildung im öffentlichen Dienst handelt.<br />
141
Tabelle 15 Wo wirst du voraussichtlich eine Berufsausbildung absolvieren?<br />
In einem Betrieb<br />
(duale Berufsausbildung)<br />
a<br />
Hauptschule<br />
Schulform Kreis Geschlecht<br />
Realschule<br />
Gesamt<br />
schule Duisburg<br />
Kleve Wesel<br />
142<br />
Männlich <br />
Weiblich<br />
72,9% 74,7% 68,0% 63,1% 77,9% 78,4% 77,8% 63,5%<br />
Dreijährige Berufsfachschule 10,1% 7,5% 6,3% 12,6% 5,9% 5,9% 8,0% 9,5%<br />
Schule des<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesens.<br />
2,4% 2,1% 5,5% 4,5% 2,2% 2,0% 1,2% 5,9%<br />
Im öffentlichen Dienst 3,5% 4,8% 7,0% 6,3% 2,9% 3,9% 3,8% 5,9%<br />
Sonstiges ,3% 1,4% 1,5% ,6% ,5%<br />
Das weiß ich noch nicht 10,8% 9,6% 13,3% 13,5% 11,0% 8,3% 8,6% 14,9%<br />
Gesamt (N) 288 146 128 222 136 204 338 222<br />
In einem Betrieb<br />
(duale <strong>Aus</strong>bildung)<br />
b Abitur /<br />
Fachabitur<br />
Dreijährige Berufsfachschule /<br />
Schule d. Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
Mittlere<br />
Reife<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Hauptschule<br />
Anderer<br />
Abschluss<br />
Kein<br />
Abschluss<br />
Ich weiß<br />
nicht<br />
74,7% 76,8% 74,7% 73,7% 100% 60,2%<br />
13,9% 7,8% 12,3% 10,5% 0% 12,7%<br />
Im öffentlichen Dienst 3,8% 5,2% 4,5% 0% 0% 5,9%<br />
Sonstiges 0% 0,6% 0,6% 5,3% 0% 0,8%<br />
Das weiß ich noch nicht 7,6% 9,7% 7,8% 10,5% 0% 20,3%<br />
Gesamt (N) 79 155 154 19 6 118<br />
c<br />
In einem Betrieb<br />
(duale <strong>Aus</strong>bildung)<br />
Dreijährige Berufsfachschule /<br />
Schule d. Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
Kein<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Ein Elternteil<br />
im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> Herkunft<br />
Beide<br />
Elternteile<br />
im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Kind im<br />
<strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Zuhause<br />
Deutsch<br />
nicht<br />
Umgangs<br />
sprache<br />
Türkei<br />
EhemaligeSowjetunion<br />
u. Osteuropa<br />
72,4% 71,4% 79,2% 60,0% 72,7% 75% 70%<br />
9,8% 17,9% 12,5% 15,0% 20,4% 19,5% 30%<br />
Im öffentlichen Dienst 5,5% 0% 4,2% 5,0% 0% 0% 0%<br />
Sonstige 0,7% 3,6% 0% 0% 0% 0% 0%<br />
Das weiß ich noch nicht 11,6% 7,1% 4,2% 20,0% 6,8% 5,6% 0%<br />
Gesamt (N) 438 28 24 20 44 36 10
Gut 45 Prozent der befragten Hauptschüler sowie jeweils etwas mehr als ein Drittel der Realschüler<br />
(35,4%) <strong>und</strong> der Gesamtschüler (36,3%) haben angegeben, nach der 10. Klasse<br />
eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen (Tabelle 9a). Hier nun zeigt sich, dass die große<br />
Mehrheit dieser Gruppe eine <strong>Aus</strong>bildung im dualen System anstrebt (Tabelle 15). Es finden<br />
sich auch an dieser Stelle wieder Unterschiede zwischen den Schulformen: Realschüler<br />
(74,7%) planen diesen Weg etwas häufiger als Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschüler (72,6% bzw.<br />
68,0%). Größer sind die Differenzen zwischen den drei Regionen, wo die Angaben zwischen<br />
gut 63 Prozent in Duisburg <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 78 Prozent in den beiden Landkreisen differieren. Dies<br />
ist vermutlich auf regional unterschiedliche Gelegenheitsstrukturen des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes<br />
zurückzuführen. Darüber hinaus dürften in den eher ländlich geprägten Kreisen mit ihren<br />
überwiegend durch kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen geprägten Strukturen noch häufiger<br />
andere, stärker durch persönliche Kontakte geprägte Zugänge zum <strong>Aus</strong>bildungsmarkt als in<br />
der Großstadt Duisburg existieren. Zugleich erleichtert auf der anderen Seite die Großstadt<br />
mit ihrer Infrastruktur, ihrer räumlichen Dichte <strong>und</strong> den kurzen Verkehrswegen den Zugang<br />
zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungswegen, wie den dreijährigen Berufsfachschulen, den Schulen des<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesens oder auch zu <strong>Aus</strong>bildungen im öffentlichen Dienst.<br />
Auffällig sind die Differenzen zwischen den Geschlechtern. Während 78,2 Prozent der Jungen,<br />
die angeben eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen, eine <strong>Aus</strong>bildung im dualen<br />
System anstreben, sind dies bei den Mädchen lediglich 63,8 Prozent. Die Differenz erklärt<br />
sich nur zum Teil durch geschlechtsspezifische Berufsorientierungen – so streben Mädchen<br />
häufiger eine <strong>Aus</strong>bildung in Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens oder eine <strong>Aus</strong>bildung im öffentlichen<br />
Dienst an. Ein großer Teil der Differenz ergibt sich auch daraus, dass die Mädchen<br />
(15,3%) häufiger als die Jungen (8,5%) noch nicht sagen können, wo sie voraussichtlich eine<br />
<strong>Aus</strong>bildung absolvieren werden. Daraus auf eine größere Unentschlossenheit zu schließen<br />
könnte sich aber als Fehlinterpretation erweisen, denn möglicherweise erwägen Mädchen<br />
eher mehrere Alternativen, während sich Jungen schneller festlegen (<strong>und</strong> damit zugleich<br />
eventuelle Alternativen ausblenden).<br />
Eine solche Interpretation wird durch Tabelle 16 gestützt, die eine differenzierte <strong>Aus</strong>wertung<br />
der Ablehnung bzw. Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sage „Wenn man weiß, welchen Beruf man erlernen<br />
möchte, braucht man sich nicht mehr mit anderen Möglichkeiten zu beschäftigen“<br />
enthält. Der Anteil der Mädchen, die diese <strong>Aus</strong>sage völlig ablehnen, liegt um gut 7 Prozentpunkte<br />
über dem der Jungen. Auch wenn sie bereits einen Beruf ins Auge gefasst haben,<br />
neigen die befragten Schülerinnen offenbar seltener dazu, Alternativen auszublenden. Sollte<br />
sich der Berufswunsch angesichts eines restriktiven <strong>Aus</strong>bildungsmarktes nicht erfüllen lassen,<br />
dann kann sich die größere Offenheit als ein wichtiger Vorteil der Mädchen erweisen,<br />
doch noch eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle zu finden. Allerdings kann dies im Einzelfall auch dazu<br />
143
führen, dass Mädchen zu schnell ihre ursprünglichen Ziele aufgeben <strong>und</strong> Alternativen suchen,<br />
wo mehr <strong>Aus</strong>dauer vielleicht doch noch zum Ziel geführt hätte.<br />
Tabelle 16 Berufswahl <strong>und</strong> die <strong>Aus</strong>blendung von Alternativen*<br />
Gesamt<br />
Geschlecht Höchster Bildungsabschluss Eltern<br />
Männlich Weiblich<br />
144<br />
Abschluss<br />
genannt** „Weiß nicht“<br />
Stimme völlig zu 8,1% 9,4% 6,5% 7,5 9,7<br />
Stimme etwas zu 18,2% 19,7% 16,2% 18,0 18,7<br />
teils/teils 33,3% 33,8% 32,6% 32,8 35,1<br />
Lehne etwas ab 22,8% 22,7% 22,9% 23,6 21,6<br />
Lehne völlig ab 17,6% 14,3% 21,8% 18,1 14,9<br />
1391 775 616 1071 268<br />
* Frageformulierung: „Wenn man weiß, welchen Beruf man ergreifen möchte, braucht man sich nicht mehr mit<br />
anderen Möglichkeiten zu beschäftigen.“<br />
** Hier wurden alle Nennungen, die zeigen, dass die Befragten wissen, welchen Bildungsabschluss mindestens<br />
ein Elternteil erworben hat, zusammengefasst.<br />
Die Differenzierung der Angaben zu der angestrebten <strong>Aus</strong>bildung nach dem höchsten Bildungsabschluss<br />
der Eltern (Tabelle 15b) zeigt, dass alle Befragte, die den Schulabschluss<br />
wenigstens eines Elternteils zu nennen in der Lage sind, zu r<strong>und</strong> drei Vierteln in eine duale<br />
<strong>Aus</strong>bildung streben. Der Anteil der Befragten, die über die <strong>Aus</strong>sage hinaus, eine <strong>Aus</strong>bildung<br />
machen zu wollen, zum Zeitpunkt der Befragung noch keine genaueren Angaben machen<br />
können, bewegt sich bei diesen Befragten unter oder um die 10 Prozentmarke. Nahezu doppelt<br />
so hoch (20,3%) ist dieser Anteil dagegen bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die weder<br />
den Schulabschluss ihres Vaters oder ihrer Mutter nennen können. Anders als im Falle der<br />
oben diskutierten Gruppe der Schülerinnen gibt es hier dagegen keinen Hinweis, der auf<br />
eine erhöhte Flexibilität bei der <strong>Aus</strong>bildungswahl hinweisen könnte. Im Gegenteil: Der Anteil,<br />
der die <strong>Aus</strong>sage „Wenn man weiß, welchen Beruf man erlernen möchte, braucht man sich<br />
nicht mehr mit anderen Möglichkeiten zu beschäftigen“ ablehnt, liegt bei den Befragten dieser<br />
Gruppe niedriger als in der Vergleichsgruppe der Befragten, die den Abschluss wenigstens<br />
eines Elternteils zu nennen vermögen (Tabelle 16). Auch hier zeigt sich wieder, dass<br />
eine fehlende Thematisierung der elterlichen Schulbildung in einigen Familien ein Indikator<br />
für eine erhöhte Bildungsferne ist, die auch die Unsicherheit der Kinder, welchen Weg sie<br />
nach der Schule einschlagen wollen, vergrößert. 17 Die in Tabelle 15c dargestellte Differenzierung<br />
der anvisierten <strong>Aus</strong>bildung nach dem Migrationshintergr<strong>und</strong> der Befragten zeigt nur<br />
17 In einer logistischen Regression der Unsicherheit (Kategorie „Weiß nicht“ vs. Nennung) erreicht nur die Tatsache,<br />
keinen Schulabschluss eines Elternteils nennen zu können (verglichen mit dem Abitur als höchsten Abschluss<br />
der Eltern) eben die Signifikanzgrenze von p < 0,05. Kontrolliert wurden dabei neben dem Bildungsniveau<br />
der Eltern auch der Migrationshintergr<strong>und</strong>, die besuchte Schule, das Geschlecht, die regionale Herkunft,<br />
der Erhebungszeitpunkt <strong>und</strong> das in Tabelle 16 untersuchte <strong>Aus</strong>blenden von Alternativen.
geringe Unterschiede zwischen den Gruppen <strong>und</strong> ist darüber hinaus wegen der geringen<br />
Fallzahlen in den einzelnen Subgruppen nur wenig aussagekräftig.<br />
4.3 Berufswünsche<br />
Im Rahmen der Befragung konnten die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angegeben haben,<br />
sich schon mit der Berufswahl beschäftigt zu haben, auf eine offene Frage bis zu sechs Berufswünsche<br />
nennen. 18 Insgesamt haben n=1339 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler (93,4% aller<br />
Befragten) mindestens einen Wunschberuf benannt. Die folgende Abbildung spiegelt die<br />
Verteilung der Anzahl der genannten Berufswünsche wider. Sie zeigt, dass die große Mehrheit<br />
dieser Gruppe mehrere Berufswünsche in ihre Überlegungen mit einbezieht: Knapp zwei<br />
Drittel nennen drei <strong>und</strong> mehr Berufswünsche <strong>und</strong> lediglich 10,8 Prozent geben nur einen<br />
Beruf an.<br />
Abbildung 2 Anzahl der genannten Berufswünsche: Verteilung <strong>und</strong> Mittelwerte<br />
Genannte Berufswünsche<br />
6 5 4 3<br />
2<br />
1<br />
0 10 20 30 40 50<br />
% (n=1339)<br />
60 70 80 90 100<br />
Durchschnittliche Anzahl der<br />
genannten Berufswünsche Standardabweichung<br />
n<br />
Gesamtgruppe 3,2 1,44 1339<br />
Schüler 2,9 1,36 727<br />
Schülerinnen 3,4 1,48 612<br />
Im Durchschnitt machen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die sich schon mit der Berufswahl<br />
beschäftigt haben, r<strong>und</strong> 3,2 Angaben. Oben war auf der Einstellungsebene gezeigt worden,<br />
dass die Schülerinnen in stärkerem Maße als ihre männlichen Mitschüler bei der Berufswahl<br />
18 Die Frageformulierung lautete: „Welche Berufe hast du bisher in die engere Wahl genommen? Bitte nenne die<br />
wichtigsten zuerst, aber schreibe auch die Berufe auf, von denen du später wieder abgegangen bist.“<br />
145
dazu neigen, bei der Berufswahl mehr Alternativen zu berücksichtigen. Dies bestätigt sich<br />
hier auf der Handlungsebene der tatsächlich in die <strong>Aus</strong>wahl einbezogenen Berufe. Die Schülerinnen<br />
benennen durchschnittlich 3,4 Alternativen, während es bei ihren männlichen Mitschülern<br />
lediglich 2,9 Nennungen sind.<br />
Bei den Angaben handelt es sich nicht immer um konkrete Berufsbezeichnung, manchmal<br />
sind die Angaben ungenau <strong>und</strong> lassen sich schwer zuordnen, teilweise werden auch größere<br />
Berufs- oder Tätigkeitsfelder (z.B. „Kaufmann“ oder „IT-Fachmann“) genannt <strong>und</strong> in Einzelfällen<br />
sind die Antworten auch nicht ernsthaft als Berufswunsch zu interpretieren, sondern als<br />
ein Reflex auf die Situation, so wie sie sich den Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler darstellt, zu verstehen<br />
(z.B. „Hartz IV“ oder „Drogendealer“). Antworten, wie die zuletzt genannten, wurde in<br />
den <strong>Aus</strong>zählungen nicht als gültige Angaben berücksichtigt. Die folgenden Übersichten geben<br />
auf der Basis einer vorläufigen Zusammenfassung der ersten Nennung einen nach Geschlecht<br />
<strong>und</strong> Schulform differenzierten Überblick über die 10 häufigsten Wünsche.<br />
Wie die Schüler in ihren Antworten stellt auch diese Zusammenfassung Ebenen mit unterschiedlichem<br />
Abstraktionsniveau gegenüber. So wurden beispielsweise alle spezifischen<br />
kaufmännischen Berufe mit so allgemeinen Angaben wie „was kaufmännisches“ zur Kategorie<br />
„kaufmännische Berufe“ zusammengefasst, aber daneben tauchen auch einzelne <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />
in der Übersicht auf, wie etwa der Koch oder die Floristin. Alle Berufe, die ein<br />
Studium voraussetzen, wurden unter der Kategorie „akademische Berufe“ zusammengefasst.<br />
Natürlich wird durch die Zusammenfassung auf so verschiedenen Ebenen Unterschiedliches<br />
verglichen, dennoch eignet sich eine Übersicht auf der Basis dieser Kategorisierung<br />
als erste Heuristik für Tendenzen, Unterschiede <strong>und</strong> Gemeinsamkeiten hinsichtlich der<br />
beruflichen Orientierungen der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler.<br />
Insgesamt machen die zehn am häufigsten genannten Berufswünsche (bzw. Gruppen von<br />
Berufswünschen) zwischen 57,5 <strong>und</strong> 74,6 Prozent der Nennungen in den jeweiligen Teilstichproben<br />
aus. Auch wenn sich darunter sehr breite Berufsfelder befinden, die verschiedene<br />
Berufe umfassen, machen diese Zahlen doch auch deutlich, wie sehr sich die Berufswünsche<br />
auf nur einige wenige Berufe <strong>und</strong> Berufsgruppen konzentrieren. Dabei ist das Spektrum<br />
der Berufswünsche bei den Schülerinnen gegenüber ihren männlichen Mitschülern noch<br />
einmal stärker eingeschränkt, obwohl sie – wie oben dargestellt – mehr Berufswünsche angeben.<br />
146
Tabelle 17 Die 10 häufigsten Berufswünsche nach Geschlecht <strong>und</strong> Schulform<br />
Hauptschüler/innen<br />
Männlich (n=382) Weiblich (n=263)<br />
Berufe bzw. Berufsfelder Anteil Berufe bzw. Berufsfelder Anteil<br />
1 Kaufmännische Berufe 12,8 Kaufmännische Berufe 19,0<br />
2<br />
3<br />
Kfz-Handwerk<br />
Maschinenbau / Schiffsbau / Metallbau<br />
/Schlosser / Industriemechatronik<br />
9,9<br />
5,7<br />
Krankenpflege/Altenpflege/Hebamme<br />
Frisörin, Visagistin /Kosmetikerin<br />
10,6<br />
8,8<br />
4 IT / Informatik / Computertechnik 5,5 Erzieherin, Kinderpflegerin, Familienpflegerin<br />
8,0<br />
5 Schreiner / Tischler 5,5 Arzt-, Zahnarzt-, Apothekenhelferin 7,2<br />
6<br />
7<br />
Elektrik / Elektrotechnik / Elektronik<br />
Koch<br />
4,7<br />
4,2<br />
Tierpflegerin, Tierarzthelferin<br />
Gärtnerin /Gartenbau<br />
6,1<br />
4,2<br />
8 Gärtner /Gartenbau 3,4 Verkäuferin 3,8<br />
9<br />
10<br />
Maler / Lackierer<br />
Polizei / Zoll<br />
2,9<br />
2,9<br />
Floristin<br />
Akademische Berufe<br />
3,0<br />
2,7<br />
Summe 57,5 Summe 73,4<br />
Ohne Angabe 10,7 Ohne Angabe 3,4<br />
Realschüler/innen<br />
Männlich (n=228) Weiblich (n=196)<br />
1<br />
2<br />
Kaufmännische Berufe<br />
Akademische Berufe<br />
18,4<br />
11,0<br />
Kaufmännische Berufe<br />
Akademische Berufe<br />
24,0<br />
12,2<br />
3 IT / Informatik / Computertechnik 10,5 Med. / Tech. Assistentenberufe, verschieden<br />
Therapeuten<br />
7,7<br />
4 Kfz-Handwerk 7,9 Erzieherin, Kinderpflegerin, Familien- 7,1<br />
pflegerin<br />
5 Elektrik / Elektrotechnik / Elektronik 6,2 Krankenpflege / Altenpflege / Hebamme<br />
5,6<br />
6<br />
7<br />
Schreiner / Tischler<br />
Maschinenbau / Schiffsbau / Metallbau<br />
/Schlosser / Industriemechatronik<br />
3,9<br />
3,9<br />
Hotel, Gastronomie, Touristik<br />
Arzt-, Zahnarzt-, Apothekenhelferin<br />
5,1<br />
3,6<br />
8<br />
9<br />
Mediendesigner<br />
Öffentl. Verwaltung<br />
3,1<br />
3,1<br />
Öffentl. Verwaltung<br />
Polizei / Zoll<br />
3,6<br />
3,1<br />
10 B<strong>und</strong>eswehr (Soldat) 2,6 Frisörin, Visagistin, Kosmetikerin 2,6<br />
Summe 70,6 Summe 74,6<br />
Ohne Angabe 4,4 Ohne Angabe 1,5<br />
Gesamtschüler/innen<br />
Männlich (n=190) Weiblich (n=179)<br />
1<br />
2<br />
Kaufmännische Berufe<br />
Maschinenbau / Schiffsbau / Metall-<br />
11,5<br />
9,3<br />
Akademische Berufe<br />
Kaufmännische Berufe<br />
15,5<br />
14,9<br />
bau /Schlosser / Industriemechatronik<br />
3 Kfz-Handwerk 8,2 Frisörin, Visagistin /Kosmetikerin 12,0<br />
4 Akademische Berufe 5,5 Krankenpflege / Altenpflege / He- 7,5<br />
bamme<br />
5 IT / Informatik / Computertechnik 4,4 Arzt-, Zahnarzt-, Apothekenhelferin 5,7<br />
6 Polizei / Zoll 4,4 Erzieherin, Kinderpflegerin, Familien- 4,6<br />
pflegerin<br />
7 Elektrik / Elektrotechnik / Elektronik 4,3 Film, Theater, Musik,R<strong>und</strong>funk,<br />
3,4<br />
Showgeschäft<br />
8<br />
8<br />
Koch<br />
Gärtner /Gartenbau<br />
3,8<br />
3,3<br />
Öffentl. Verwaltung<br />
Chemielaborantin<br />
3,4<br />
2,3<br />
9 Med. / Tech. Assistentenberufe, ver- 2,7 Tierpflegerin, Tierarzthelferin 1,7<br />
schiedene Therapeuten<br />
10 Schreiner / Tischler 2,7 Polizei/Zoll 1,7<br />
Summe 60,1 Summe 72,7<br />
Ohne Angabe 12.0 Ohne Angabe 6,3<br />
147
Beides ist weder eine regionale Besonderheit noch eine neuere Entwicklung. Bereits Paul<br />
Lazarsfeld (1931, 8) kann mit nur neun Kategorien (die allerdings teilweise noch breiter als<br />
die hier verwendeten gefasst sind) die Berufswünsche von 90 Prozent der 14-jährigen männlichen<br />
Schüler in deutschen Großstädten beschreiben, bei ihren gleichaltrigen Mitschülerinnen<br />
reichen dazu sogar nur vier Kategorien („Bekleidungsgewerbe“, „Handel <strong>und</strong> Büro“,<br />
„Hauswirtschaft“, „Friseuse“). Im Jahr 2004 entfielen in den Arbeitsagenturbezirken Duisburg<br />
<strong>und</strong> Wesel bei den männlichen <strong>Aus</strong>zubildenden auf die zehn häufigsten <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />
jeweils r<strong>und</strong> 40 Prozent aller <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse, bei den weiblichen <strong>Aus</strong>zubildenden<br />
waren es im Arbeitsagenturbezirk Duisburg gut 55 Prozent <strong>und</strong> im Arbeitsagenturbezirk Wesel<br />
sogar fast 68 Prozent (Stender in diesem Band, Tabelle 10). 19<br />
Inhaltlich fällt zunächst die besondere Beliebtheit kaufmännischer Berufe in allen sechs Teilpopulationen<br />
ins Auge. Eine Ursache für die hohen Anteile dieser Kategorie ist sicher ihre<br />
Breite, also die Tatsache, dass sie eine Vielzahl von Berufen umfasst. Dennoch ist die quantitative<br />
Dominanz dieser Berufsgruppe nur zum Teil ein Artefakt der Zusammenfassung,<br />
sondern spiegelt auch die Realität der Angebotsstruktur <strong>und</strong> des Berufswahlverhaltens wider.<br />
Im Arbeitsagenturbezirk Duisburg findet man im Jahre 2004 unter den zehn am stärksten<br />
von männlichen Jugendlichen besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufen fünf kaufmännische Berufe,<br />
die zusammen r<strong>und</strong> 16,5 Prozent der <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse dieser Gruppe ausmachen.<br />
Auch bei den weiblichen Jugendlichen findet man in Duisburg 5 kaufmännische Berufe unter<br />
den Top 10 der <strong>Aus</strong>bildungsberufe, die zusammen sogar 27,4 Prozent der <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse<br />
dieser Gruppe ausmachen. Im Arbeitsagenturbezirk Wesel sind unter den zehn am<br />
häufigsten von männlichen Jugendlichen gewählten <strong>Aus</strong>bildungen zwei kaufmännische Berufe<br />
(zusammen 7,2%), während es bei den weiblichen Jugendlichen fünf sind, die zusammen<br />
sogar 35,2 Prozent der <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse dieser Gruppe ausmachen (vgl. Stender<br />
in diesem Band, Tabelle 10). 20<br />
Die deutlichen quantitativen Unterschiede bei der Wahl eines kaufmännischen Berufes lenken<br />
den Blick auf die nach wie vor ungebrochene traditionelle Geschlechtsspezifik der Berufswahl.<br />
Schon bei Lazarsfeld (1931, 8) findet sich für den Bereich „Handel <strong>und</strong> Büro“ bei<br />
den Berufswünschen der männlichen Schüler ein Anteil von 12,7 Prozent, bei den weiblichen<br />
Schülern aber von 35,5 Prozent (vgl. auch: Mayer 1999). Auch heute noch streben die befragten<br />
Haupt-, Gesamt- <strong>und</strong> Realschülerinnen häufiger als ihre männlichen Mitschüler in<br />
19 Der Berufsbildungsbericht 2006 nennt für die B<strong>und</strong>esrepublik ähnliche Zahlen: 35,6 Prozent bei den männlichen<br />
<strong>und</strong> 54,1 Prozent bei den weiblichen <strong>Aus</strong>zubildenden konzentrieren 2004 sich auf nur jeweils 10 Berufe<br />
(BMBF 2006, Übersicht 2.2.7/7).<br />
20 Der Berufsbildungsbericht 2006 nennt unter den zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufen 2004 bei<br />
weiblichen <strong>Aus</strong>zubildenden vier kaufmännische Berufe (Büro, Einzelhandel, Industrie, Bürokommunikation),<br />
die zusammen 23,3 Prozent aller neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge mit weiblichen <strong>Aus</strong>zubildenden<br />
ausmachen, <strong>und</strong> bei den männlichen <strong>Aus</strong>zubildenden immerhin zwei (Einzelhandel sowie Groß- <strong>und</strong> Außenhandel<br />
mit zusammen 6,7% der neu abgeschlossenen <strong>Aus</strong>bildungsverträge mit männlichen <strong>Aus</strong>zubildenden).<br />
148
Berufe aus diesem Bereich, zu dem man die in den Top 10 der Berufswünsche auftauchenden<br />
Kategorien „Kaufmännische Berufe“, „Verkäufer/in“ <strong>und</strong> „Öffentl. Verwaltung“ in Tabelle<br />
17 zählen kann. 21 Daneben sind bei den Mädchen insbesondere soziale <strong>und</strong> medizinische<br />
Berufe gefragt, während bei den Jungen vor allem technisch <strong>und</strong>/oder handwerklich orientierte<br />
Berufe an der Spitze der Wunschliste stehen.<br />
Dies gilt grosso modo durchgängig für alle drei Schultypen, allerdings verändern sich die<br />
Anteile zwischen den Schulformen etwas. Bei den Realschülerinnen etwa schieben sich gegenüber<br />
den Hauptschülerinnen die anspruchsvolleren Assistentenberufe zu Lasten der Alten-<br />
<strong>und</strong> Krankenpflege nach oben, während bei den männlichen Realschülern der Bereich<br />
IT / Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik an Bedeutung gewinnt. Auffällig ist vor allem,<br />
wie stark bei den Realschülern <strong>und</strong> bei den Gesamtschülern akademische Berufe, also alle<br />
Berufe, die ein Studium voraussetzen, nachgefragt werden. Dies gilt für beide Geschlechter<br />
gleichermaßen, allerdings werden akademische Berufe von den Schülerinnen noch einmal<br />
deutlich häufiger als von ihren männlichen Mitschülern angestrebt. Beides – der generell im<br />
Vergleich zu den Hauptschülern relativ hohe Anteil von Berufswünschen, die eine akademische<br />
<strong>Aus</strong>bildung voraussetzen, bei Real- <strong>und</strong> Gesamtschülern, aber auch die im Vergleich<br />
zu den Jungen bei den Mädchen deutlich häufigere Neigung, einen akademischen Beruf<br />
anzustreben, korrespondiert erwartungsgemäß mit der Häufigkeit des Wunsches, im Anschluss<br />
an die augenblicklich besuchte Schule die gymnasiale Oberstufe zu besuchen (vgl.<br />
Tabelle 11).<br />
Auch bei den Berufswünschen zeigt sich also, dass unter den Schülerinnen die Gruppe mit<br />
höheren Aspirationen größer ist als unter den männlichen Schülern. Zugleich aber wird an<br />
dieser Stelle auch deutlich, dass die große Mehrheit der Mädchen sich bei der Berufswahl<br />
nach wie vor stark an traditionellen Mustern orientiert.<br />
4.4 Einschätzung der Chancen im Wunschberuf<br />
Alle Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die sich schon mit der Berufswahl beschäftigt <strong>und</strong> einen oder<br />
mehrere Wunschberufe genannt haben, wurden zu den von ihnen genannten Berufen gefragt,<br />
wie sie die eigenen Chancen einschätzen, in den jeweiligen Beruf zu kommen.<br />
21 Wie Hartung /Janik (2006) herausstellen, werden Frauen nach wie vor in den Berufen überdurchschnittlich<br />
häufig ausgebildet, in denen Frauen auch als Mitarbeiterinnen besonders häufig vertreten sind.<br />
149
Abbildung 3 Man kann ja auch einen Beruf erlernen wollen, bei dem man sich relativ wenige<br />
Chancen ausrechnet, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Wie schätzt du die<br />
Chancen bei deinen Berufswünschen ein?<br />
1. Beruf (n=1343)<br />
2. Beruf (n=1188)<br />
3. Beruf (n=863)<br />
4. Beruf (n=467)<br />
5. Beruf (n=250)<br />
6. Beruf (n=174)<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Prozent<br />
150<br />
Sehr Gut<br />
Gut<br />
Es geht so<br />
Schlecht<br />
Keine Chance<br />
Da bei der Frage nach den Wunschberufen explizit gebeten wurde, die wichtigsten zuerst zu<br />
nennen, spiegelt die <strong>Aus</strong>wertung die Hierarchie der Berufswünsche wieder. Je weiter unten<br />
ein Beruf in dieser subjektiven Hierarchie rangiert, umso eher werden auch die Chancen in<br />
dem jeweiligen Beruf schlecht oder sehr schlecht eingeschätzt. Dies belegt, dass die Berufswünsche<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sich durchaus realistisch an den Gelegenheitsstrukturen<br />
des <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktes orientieren. Wer mehrere Berufe in seine<br />
Überlegungen mit einbezogen hat, für den sind die Chancen, einen Einstieg in diesen Beruf<br />
zu finden, ein wichtiges Kriterium für dessen subjektive Platzierung <strong>und</strong> letztlich die Entscheidung.<br />
Die Mehrheit der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler betrachtet zum Zeitpunkt der Befragung die eigenen<br />
Chancen noch eher optimistisch: Knapp zwei Drittel der Schüler, die sich schon mit<br />
der Berufswahl intensiver beschäftigt haben <strong>und</strong> konkrete Berufe in die engere Wahl genommen<br />
haben, nennen wenigstens einen Beruf, bei dem sie sich gute oder sogar sehr gute<br />
Chancen ausrechnen. Aber diese Zahlen signalisieren zugleich, dass es auch eine starke<br />
Minderheit unter den Jugendlichen gibt, die eher skeptisch in die ihre Zukunft blickt. Die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die sich schon fest für einen bestimmten Beruf entschieden haben<br />
(n=742), wurden noch einmal gesondert gefragt, ob sie glauben, dass es schwierig werden<br />
wird, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in ihrem Wunschberuf zu bekommen. Die folgende Abbildung<br />
fasst die Ergebnisse einer nach Schulform, Region, Bildungsniveau der Eltern, Migrati-
onshintergr<strong>und</strong>, Geschlechtszugehörigkeit <strong>und</strong> Schulleistung differenzierten <strong>Aus</strong>wertung<br />
zusammen. Geordnet ist die Abbildung nach der Häufigkeit, in der keine Schwierigkeiten<br />
erwartet werden.<br />
Abbildung 4 Glaubst du, dass es schwierig wird, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in deinem<br />
Wunschberuf zu bekommen?<br />
Realschule (n=212)<br />
Eltern: Weiß nicht Schulabschluss (n=137)<br />
Eltern: (Fach-)Abitur (n=136)<br />
Kleve (n=169)<br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (n=532)<br />
Schüler (n=398)<br />
Notendurchschnitt 3 oder besser (n=357)<br />
Gesamt (n=742)<br />
Notendurchschnitt 3 schlechter 3 (n=328)<br />
Wesel (n=305)<br />
Duisburg (n=268)<br />
Eltern: Hauptschule / Mittlere Reife (n=403)<br />
Hauptschule (n=351)<br />
Gesamtschule (n=179)<br />
Schülerinnen (n=344)<br />
Mit Migrationshintergr<strong>und</strong> (n=202)<br />
Eltern: Anderer oder kein Abschluss (n=38)<br />
41<br />
20,8<br />
40,9<br />
19<br />
40,4<br />
23,5<br />
39,6<br />
24,3<br />
39,5<br />
22<br />
39,4 17,3<br />
36,1<br />
24,6<br />
35,6<br />
22,9<br />
35,1<br />
20,7<br />
34,4<br />
21<br />
34,3<br />
24,3<br />
33,7<br />
23,8<br />
33,6<br />
25,6<br />
33<br />
20,1<br />
31,1<br />
29,4<br />
27,5<br />
25,2<br />
23,7<br />
23,7<br />
151<br />
38,2<br />
40,1<br />
36<br />
36,1<br />
38,5<br />
43,3<br />
39,2<br />
41,5<br />
44,2<br />
44,6<br />
41,4<br />
42,4<br />
40,7<br />
46,9<br />
39,5<br />
49<br />
52,6<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Nein Weiß nicht Ja<br />
Der Antwortkategorie „Nein“ wurden auch die Antwortkategorien „“Ich habe bereits einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz“ <strong>und</strong> „Ich brauche<br />
keinen <strong>Aus</strong>bildungsplatz“ zugeordnet.<br />
Insgesamt glaubt nur ein gutes Drittel der Befragten (35,1%), die sich bereits für einen bestimmten<br />
Beruf entschieden haben („Gesamt“), dass sie keine Schwierigkeiten zu erwarten<br />
haben, eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle in diesem Beruf zu finden – zum Teil auch deshalb, weil sie<br />
eine schulische Berufsausbildung anstreben <strong>und</strong> daher keinen <strong>Aus</strong>bildungsplatz brauchen,<br />
oder aber weil sie schon einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz haben. Diese beiden quantitativ relativ unbedeutenden<br />
Antwortvorgaben wurden für die <strong>Aus</strong>wertung mit der der Kategorie „Nein“ zusammengefasst.<br />
Ein knappes Viertel (22,9 %) der Gesamtgruppe kann noch nicht sagen, ob<br />
es schwierig wird, eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle in dem angestrebten Wunschberuf zu bekommen.<br />
Für 41,5 Prozent der Befragten aber ist dies bereit sicher. Sie beurteilen die Chancen, in<br />
ihren Wunschberuf zu kommen, überaus skeptisch <strong>und</strong> erwarten Schwierigkeiten.<br />
Die differenzierte <strong>Aus</strong>wertung zeigt, dass es Gruppen gibt, die sich geringere Chancen ausrechnen<br />
als andere. Dazu gehören Kinder aus Familien mit geringem Bildungskapital<br />
(Höchster Schulabschluss eines Elternteils: Ein anderer oder kein Abschluss). <strong>Aus</strong> dieser<br />
Gruppe erwartet nur ein knappes Viertel (23,7%) keine Schwierigkeiten, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz<br />
im Wunschberuf zu bekommen. Das steht in einem starken Kontrast zu den Befragten,
ei denen mindestens ein Elternteil Fachabitur oder Abitur besitzt. Hier rechnen immerhin<br />
40,4 Prozent der Jugendlichen nicht mit Problemen. Die Tatsache, dass gerade die Gruppe,<br />
die nicht wenigstens den Schulabschluss eines Elternteils kennt <strong>und</strong> vermutlich aus einem<br />
eher bildungsfernen Elternhaus stammt, in dem die Schule kein Gesprächsthema ist, ähnlich<br />
optimistisch ist wie die Befragten, deren Eltern der höchsten Bildungsgruppe angehören,<br />
weist darauf hin, dass die Einschätzung der eigenen Chancen auch durch eine zu geringe<br />
Informationsbasis verzerrt sein könnte.<br />
Wenn die Jugendlichen angeben, dass ihre Eltern einen „anderen“ Schulabschluss erreicht<br />
haben, dann bedeutet dies in der Regel, dass es sich um einen im <strong>Aus</strong>land erworbenen Abschluss<br />
handelt. Diese Gruppe überschneidet sich daher zu einem großen Teil mit den Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, von denen ebenfalls nur 27,5 Prozent keine Schwierigkeiten<br />
erwarten. Im Vergleich dazu liegt dieser Anteil bei den Jugendlichen ohne einen<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> deutlich höher bei 39,5 Prozent. Eine zusätzliche, hier nicht wiedergegebene<br />
Analyse, bei der der Migrationshintergr<strong>und</strong> wie in früheren Analysen weiter differenziert<br />
wurde (vgl. Tabelle 3), zeigt, dass es hierbei keine signifikanten Unterschiede zwischen<br />
den verschiedenen Gruppen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> gibt. Dies deutet darauf hin, dass sich<br />
die Jugendlichen allein aufgr<strong>und</strong> ihrer ausländischen Herkunft Nachteile ausrechnen <strong>und</strong><br />
weniger, weil sie möglicherweise sprachliche Defizite aufweisen.<br />
Der Vergleich zwischen den Geschlechtern weist nicht auf notwendigerweise darauf hin,<br />
dass die Mädchen eine geschlechtsspezifische Diskriminierung erwarten. Zwar gehen nur<br />
31,1 Prozent der Schülerinnen gegenüber 39,4 Prozent der Schüler von keinen Schwierigkeiten<br />
bei der Suche nach einem <strong>Aus</strong>bildungsplatz im Wunschberuf aus, aber umgekehrt<br />
geben 43,3 Prozent der Jungen verglichen mit 39,5 Prozent der Mädchen an, mit Schwierigkeiten<br />
zu rechnen. Dieser gegenläufige Zusammenhang erklärt sich aus der Tatsache, dass<br />
sehr viele Schülerinnen (29,4%) zu dieser Frage noch keine <strong>Aus</strong>sage machen können, während<br />
dieser Anteil bei ihren männlichen Mitschülern um r<strong>und</strong> 12 Prozentpunkte niedriger bei<br />
17,3 Prozent liegt. Die Daten zeigen aber zumindest, dass sich die Mädchen offensichtlich<br />
wesentlich unsicherer darin fühlen, wie sie der <strong>Aus</strong>bildungsmarkt aufnimmt.<br />
Schwächer Unterschiede bestehen auch zwischen den drei Schulformen. Die Jugendlichen,<br />
die eine Realschule besuchen, sind überzeugt, bessere Chancen auf eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle<br />
in ihrem Wunschberuf zu haben als Absolventen von Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen. Unter den<br />
Realschülern rechnen 41,0 Prozent (gegenüber 33,0% der Gesamtschüler/innen <strong>und</strong> 33,6%<br />
der Hauptschüler/innen) nicht mit Schwierigkeiten. Auffällig ist darüber hinaus die Differenz<br />
von r<strong>und</strong> fünf Prozentpunkten zwischen den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern des Kreises Kleve<br />
<strong>und</strong> denen aus dem Kreis Wesel bzw. aus der Stadt Duisburg. Die Jugendlichen, die im<br />
Kreis Kleve die Schule abschließen <strong>und</strong> einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz suchen, erwarten seltener<br />
Schwierigkeiten als dies im Kreis Wesel oder in Duisburg der Fall ist.<br />
152
Um zu überprüfen, inwieweit die beschriebenen Zusammenhänge in einem multivariaten<br />
Modell Bestand haben, wurde eine hier nicht tabellarisch dokumentierte logistische Regression<br />
der Dichotomie „Nein, erwarte keine Schwierigkeiten“ (1) vs. einer Zusammenfassung<br />
der Kategorien „Weiß nicht“ <strong>und</strong> „Ja“ (0) gerechnet. Dabei wurden alle oben diskutierten Einflussfaktoren<br />
sowie die Zahl der genutzten Informationsquellen <strong>und</strong> der Erhebungszeitpunkt<br />
als unabhängige Variablen berücksichtigt. Die gesamte Gleichung erreicht nur knapp das<br />
5%-Signifikanzniveau, Nagelkerkes R² liegt bei ,062. Die Erklärungskraft der beteiligten Variablen<br />
ist gering, was darauf hinweist, dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler quer durch alle<br />
Subgruppen ihre Chancen auf einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in ihrem Wunschberuf eher schlecht<br />
einschätzen. Der einzige signifikante Effekt des Modells ist für den Migrationshintergr<strong>und</strong> zu<br />
berichten: Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> schätzen in einer allgemein<br />
schwierigen <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation ihre Chancen, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in ihrem<br />
Wunschberuf zu bekommen, noch einmal signifikant schlechter ein als die deutschen Jugendlichen.<br />
Da hier die Schulleistungen durch die Schulform <strong>und</strong> die Durchschnittsnote kontrolliert<br />
werden, liegt der Schluss nahe, dass diese Jugendlichen überzeugt sind, dass sie<br />
wegen ihrer Herkunft schlechtere Chancen haben. Auf der Basis der hier vorliegenden Daten<br />
kann die empirische Basis dieser Überzeugung nicht diskutiert werden, aber gleichgültig ob<br />
aktive Diskriminierung seitens des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes vorliegt oder nicht, das Bewusstsein<br />
relativer Deprivation birgt großes Konfliktpotential <strong>und</strong> steht dem Bemühen um soziale Integration<br />
der Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> diametral entgegen.<br />
4.5 Berufswahl im Zeitverlauf<br />
Insgesamt haben sich r<strong>und</strong> 94 Prozent der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler schon „intensiver<br />
mit der Wahl eines Berufs beschäftigt“. Zu Beginn der Feldphase, am Ende des 9.<br />
<strong>und</strong> im ersten Monat des 10. Schuljahres, lagen die Zahlen noch etwas niedriger (bei r<strong>und</strong><br />
88 Prozent) <strong>und</strong> stiegen ab Oktober deutlich an, was darauf hinweist, dass zu Beginn des 10<br />
Schuljahres, wenn nach den Sommerferien der Unterrichtsalltag eingekehrt ist, das Thema<br />
noch einmal an Bedeutung gewinnt – sowohl im schulischen Curriculum als auch für die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, bei denen sich die bald anstehende Entscheidung für die Zeit<br />
nach dem Abschluss der 10. Klasse mit Nachdruck in den Vordergr<strong>und</strong> schiebt. Aber die<br />
Zunahme der Beschäftigung mit dem Thema führt nicht zu mehr Entscheidungssicherheit:<br />
Zwar haben sich insgesamt r<strong>und</strong> 52 Prozent aller Befragten bereits „fest für einen Beruf entschieden“,<br />
aber die Entwicklung ist hier weniger eindeutig, wenn nicht sogar gegenläufig.<br />
153
Abbildung 5 Berufswahl im Zeitverlauf<br />
Anteil<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
Mit Berufswahl schon intensiver beschäftigt?<br />
Schon fest für einen Beruf entschieden?<br />
Juni Sept. Okt. Nov. Dez.<br />
Erhebungsmonat<br />
Über die Ursachen können hier nur erste Vermutungen geäußert werden, die zusätzlicher<br />
vertiefender Analysen bedürfen: Zum einen werden die Bedeutung der anstehenden Entscheidung<br />
für einen Beruf <strong>und</strong> ihr Einfluss auf den weiteren Lebensverlauf sowie ihre Risiken<br />
zunehmend bewusster wahrgenommen. Zum anderen aber dürften auch die wirtschaftlichen<br />
Gelegenheitsstrukturen einer überaus schwierigen Situation am <strong>Aus</strong>bildungsmarkt, die die<br />
individuellen Entscheidungsräume begrenzen <strong>und</strong> mögliche Berufswünsche als illusorisch<br />
erscheinen lassen, nun stärker reflektiert werden. Genauer zu untersuchen wird aber auch<br />
die Frage sein, inwieweit die beschriebenen Differenzen zwischen den einzelnen Erhebungszeitpunkten<br />
auf unterschiedliche Ansätze <strong>und</strong> Bemühungen der einzelnen Schulen bei<br />
der schulischen Berufsorientierung zurückzuführen sind.<br />
Tabelle 18 Wann hast du dich für diesen Beruf entschieden?*<br />
Gesamt<br />
154<br />
Geschlecht<br />
Männlich Weiblich<br />
Das war schon immer mein Traumberuf 28,9% 31,1% 26,3%<br />
Vor mehr als einem Jahr 31,3% 34,6% 27,3%<br />
Im Verlauf des letzten Jahres 23,5% 22,3% 25,1%<br />
Im Verlauf des letzten halben Jahres 11,2% 8,3% 14,6%<br />
In den letzten Wochen 5,1% 3,8% 6,7%<br />
N 688 373 315<br />
* Nur an Befragte, die angegeben haben, sich schon für einen Beruf entschieden zu haben. Zur Standardisierung des zeitlichen<br />
Bezugs wurden nur die im Verlauf des ersten Halbjahres des 10. Schuljahres befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler berücksichtigt.
Allerdings ist der Anteil der Befragten, der sich erst in den letzten Wochen vor der Befragung<br />
für einen Beruf entschieden hat, relativ gering. Tabelle 18 belegt, dass nur bei etwa 5 Prozent<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die im Verlauf des ersten Halbjahres des 10. Schuljahres<br />
angegeben haben, sich schon für einen Beruf entschieden zu haben, die Entscheidung erst<br />
in den letzten Wochen vor der Befragung gefallen ist. Bei weiteren 11 Prozent ist diese Entscheidung<br />
im Verlauf des letzten halben Jahres gefallen. Dagegen geben über 60 Prozent<br />
der Befragten an, dass ihre Entscheidung schon vor mehr als einem Jahr gefallen ist oder<br />
dass der genannte Beruf schon immer ihr Traumberuf war. Allerdings sind relativ deutliche<br />
Geschlechtseffekte zu beobachten: Bei den männlichen Befragten steht der Berufswunsch<br />
wesentlich häufiger schon sehr früh - d.h. seit mehr als einem Jahr – fest, während sich ihre<br />
Mitschülerinnen häufiger erst später entscheiden. Ob die Mädchen in geringerem <strong>Aus</strong>maß<br />
auf tradierte Berufswahlmuster zurückgreifen können <strong>und</strong> sie deshalb in größerem Umfang<br />
ihre Wahl von Informationen, die ihnen im Prozess der Berufsorientierung vermittelt werden,<br />
abhängig machen, oder ob sich auch hier wiederum eine höhere Flexibilität der Mädchen<br />
(vgl. auch die Tabellen 15 <strong>und</strong> 16) bemerkbar macht, kann an dieser Stelle ohne weitere<br />
Analysen nicht entschieden werden. 22<br />
5 Informationsquellen im Berufswahlprozess<br />
Im Rahmen der Befragung wurden die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler gebeten, anhand mehrer<br />
Listen mit möglichen Informationsquellen zum Berufswahlprozess (u.a. mit Personen aus<br />
dem persönlichen Umfeld, Angeboten der Schule, Angeboten der Arbeitsagentur), die durch<br />
die Möglichkeit von offenen Antworten zusätzlich von den Befragten ergänzt werden konnten,<br />
anzugeben, welche Informationsquellen sie kennen <strong>und</strong> genutzt haben, <strong>und</strong> inwieweit<br />
diese im Rahmen des Orientierungsprozesses für sie hilfreich waren. 23 Zunächst soll untersucht<br />
werden, welche Bedeutung die verschiedenen Informationsquellen für die Berufswahl<br />
haben (Abschnitt 5.1). Im zweiten Schritt wird dann die Breite der genutzten Informationsquellen<br />
untersucht. Dazu wird ein einfacher quantitativer Indikator berechnet, bei dem die<br />
Anzahl der bereits genutzten Informationsquellen aufaddiert wurde. Im Rahmen von bi- <strong>und</strong><br />
multivariaten Analysen sollen Zusammenhänge zwischen individuellen <strong>und</strong> strukturellen<br />
Merkmalen <strong>und</strong> der Anzahl der genannten Informationsquellen untersucht <strong>und</strong> diskutiert<br />
werden.<br />
22 Auf eine Darstellung der nach Schulform, Region, Bildungsniveau des Elternhaus <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
differenzierten <strong>Aus</strong>wertungen wird hier verzichtet, da sie keine berichtenswerten Zusammenhänge aufweisen.<br />
23 Die offenen Angaben konnten in der Mehrzahl der Fälle nachträglich spezifischen Antwortvorgaben zugeordnet<br />
werden. Danach verblieb eine überaus heterogene Residualkategorie. Wegen ihres geringen Umfanges<br />
(r<strong>und</strong> 8 Prozent) in Verbindung mit ihrer Heterogenität wird diese Kategorie hier nicht berücksichtigt.<br />
155
5.1 Zur Bedeutung der unterschiedlichen Informationsquellen<br />
Tabelle 19 enthält in Spalte (I) den Anteil der Befragten, der angibt, die jeweilige Informationsquelle<br />
bereits genutzt zu haben. Wurde angegeben, eine Informationsquelle genutzt zu<br />
haben, dann erfolgte jeweils eine Nachfrage, ob diese Informationen bisher bei der Berufswahl<br />
(1) gar nicht, (2) sehr wenig, (3) etwas oder (4) sehr geholfen haben. Spalte (II) der<br />
Tabelle gibt die durchschnittliche Bewertung durch die Nutzer wieder. In Spalte (III) werden<br />
die Befragten, die auf die Nachfrage „sehr geholfen“ geantwortet haben, auf alle Befragten<br />
prozentuiert. Die Zahlen in Klammern hinter den jeweiligen Werten geben die Rangplätze an.<br />
Durch die Kombination der Häufigkeit der Nutzung <strong>und</strong> der Bewertung der Informationsquelle<br />
wird deutlich, welche tatsächliche Bedeutung einer spezifischen Informationsquelle für den<br />
Berufswahlprozess der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zukommt.<br />
156
Tabelle 19 Nutzung von Informationsquellen im Berufswahlprozess <strong>und</strong> deren subjektive<br />
Bewertung durch die Befragten (geordnet nach der Nutzungshäufigkeit)<br />
157<br />
(I)<br />
Genutzt<br />
von…<br />
(%)*<br />
(II)<br />
Bewertung<br />
durch die<br />
Nutzer**<br />
(Mittelwert)<br />
(III)<br />
Anteil „sehr<br />
geholfen“<br />
(Basis: Alle<br />
Befragten)***<br />
1 Praktikum 96,0 3,60 (1) 70,0 (1)<br />
2 Berufsinformationszentrum (BIZ) 85,6 2,85 (10) 22,2 (4)<br />
3 Mutter 66,9 3,46 (2) 36,7 (2)<br />
4 BERUF AKTUELL (Buch) 63,8 2,82 (11) 16,2 (6)<br />
5 Vater 62,7 3,45 (3) 34,0 (3)<br />
6 Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte 62,4 3,15 (5) 21,7 (5)<br />
7 Zeitschriften / Zeitungen 60,0 2,56 9,1 (15)<br />
8 BERUFEnet (Internet) 53,2 2,63 10,7 (12)<br />
9 MACH’S RICHTIG (Heft) 53,2 2,46 6,9<br />
10 Berufsberatung 52,7 3,02 (7) 18,0 (7)<br />
11 Betriebsbesichtigungen /-erk<strong>und</strong>ungen 52,5 2,92 (9) 17,3 (8)<br />
12 Berufsk<strong>und</strong>licher Unterricht, Arbeitslehre 51,5 2,67 9,9 (14)<br />
13 Bücher 51,2 2,58 8,3<br />
14 Verwandte 50,0 3,06 (6) 15,1 (9)<br />
15 Broschüren / Flyer 45,0 2,62 8,4<br />
16 Persönliches Gespräch mit Lehrern 44,1 2,98 (8) 13,8 (10)<br />
17 Radio <strong>und</strong> Fernsehen 38,8 2,61 7,1<br />
18 Informationsveranst. d. berufsbild. Schulen 36,2 2,82 (11) 10,0 (13)<br />
19 Geschwister 30,8 3,30 (4) 13,5 (11)<br />
20 WAS WERDEN? (Heft) 29,9 2,41 3,8<br />
21 Berufsmärkte 27,2 2,76 (15) 5,9<br />
22 MACH’S RICHTIG (Internet) 24,4 2,52 4,0<br />
23 Berufsk<strong>und</strong>liche Schriften 15,3 2,42 2,4<br />
24 <strong>Aus</strong>bildungsbörsen 14,7 2,81 (13) 3,3<br />
25 WAS WERDEN? (Internet) 14,6 2,46 2,2<br />
26 Kammern (z.B. IHK, Handwerkskammer) 11,4 2,76 (15) 2,0<br />
27 GIRL’S DAY (Veranstaltung) 9,6 2,77 (14) 2,5<br />
28 Assessmentcenter zur Berufswahl 7,7 2,53 1,4<br />
29 GIRL’S DAY (Internet) 3,4 2,38 0,4<br />
n=1427 n=1434<br />
*Basis der Prozentuierung: Alle Befragten, die mindestens eine Informationsquelle genannt haben (n=1427).<br />
** Frageformulierung <strong>und</strong> Antwortvorgaben: Wie sehr konnten Dir die unterschiedlichen Informationsquellen bei<br />
der Berufswahl helfen? 1 „Gar nicht geholfen“, 2 „Sehr wenig“, 3 „Etwas“, 4 „Sehr geholfen“. Die Antwortvorgabe<br />
„Das kann ich nicht sagen“ wurde aus den Berechnungen ausgeschlossen.<br />
***Basis der Prozentuierung: Alle Befragten (n=1434)<br />
Die Werte in Klammern in den Spalten II <strong>und</strong> III geben den jeweiligen Rangplatz wieder.
Die in den Curricula der Schulen verankerten Betriebspraktika sind nicht nur die am häufigsten<br />
genutzten Informationsquellen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Prozess der Berufswahl<br />
– 96 Prozent der Befragten haben ein Praktikum absolviert (Spalte I), sondern sie werden<br />
auch am höchsten bewertet (Spalte II: MW=3,60). Insgesamt geben 70 Prozent aller Befragten<br />
an, dass ihnen das Praktikum bei der Berufswahl sehr geholfen habe (Spalte III). Damit<br />
hat das Praktikum unter den hier genannten Informationsquellen die mit Abstand größte Bedeutung<br />
für den Berufswahlprozess. Diese Zahlen entsprechen denen des DJI-<br />
Übergangspanels, das in einer Längsschnittuntersuchung Hauptschüler/innen auf ihrem Weg<br />
in den Beruf begleitet: R<strong>und</strong> 97 Prozent der Befragten Schülerinnen haben ein Praktikum<br />
absolviert <strong>und</strong> drei Viertel von ihnen bewerten sie als wichtige Entscheidungshilfe für die<br />
berufliche Zukunft (Hofmann-Lun u.a. 2005, 18). 24 Wie das Praktikum ist auch ein Besuch<br />
im Berufsinformationszentrum der Arbeitsagentur (BIZ) für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
obligatorisch. Über 85 Prozent der Befragten haben diesen Besuch absolviert. Damit ist das<br />
BIZ zwar die am zweithäufigsten genannte Informationsquelle, aber sein Nutzen für den Berufswahlprozess<br />
wird von den Nutzern deutlich geringer als der eines Praktikums eingeschätzt<br />
(MW=2,85, Rang 10).<br />
Bei fast alle Informationsquellen, die hinsichtlich ihres Nutzens subjektiv höher als das BIZ<br />
eingeschätzt werden, steht das persönliche Gespräch im Vordergr<strong>und</strong>. Ganz vorne stehen<br />
dabei die Gespräche mit den Eltern (Rang 2 <strong>und</strong> 3), aber auch mit den Geschwistern (4) <strong>und</strong><br />
mit Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekannten (5) sowie weiter entfernten Verwandten (6). Auch die Berufsberatung<br />
(7) <strong>und</strong> das persönliche Gespräch mit Lehrern (8) zählen zu dieser Gruppe. Offensichtlich<br />
schätzen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den Nutzen einer Informationsquelle besonders<br />
hoch ein, wenn die Informationen, die sie erhalten, auf sie persönlich als Individuum<br />
bezogen sind. Darauf weist nicht nur die gegenüber spezifische Informationsmedien, wie<br />
dem Buch BERUF AKTUELL, dem Internetangebot BERUFEnet oder dem Heft MACH’S RICHTIG,<br />
deutlich höhere Bewertung persönlicher Gespräche hin, sondern auch die interne Abstufung<br />
der Nutzeneinschätzungen nach der persönlichen Nähe zwischen den Beteiligten. Je größer<br />
die Nähe, desto eher vertrauen die Ratsuchenden offenbar darauf, dass sie Informationen<br />
erhalten, die ganz auf ihre individuelle Person <strong>und</strong> ihre spezifische Situation abgestimmt<br />
sind. 25 Zugleich erlaubt das persönliche Gespräch den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die eige-<br />
24 Auch wenn das berufsk<strong>und</strong>liche Praktikum in der Studie Berufswahl in Hamburg (Arbeitskreis EINSTIEG /<br />
psychonomics 2006, Teil A) nur den dritten Rang (hinter den Eltern <strong>und</strong> dem schulischen Unterricht) der am<br />
häufigsten genutzten Informationsquellen darstellt, so bestätigt auch diese Befragung die besondere Bedeutung<br />
von Praktika im Prozess der Berufsfindung. Die Differenzen zwischen beiden Untersuchungen dürften auf<br />
die unterschiedlichen Gr<strong>und</strong>gesamtheiten der befragten Stichproben zurückzuführen sein. So werden in der<br />
Hamburger Studie auch Gymnasiasten der Jahrgangsstufe 12 befragt <strong>und</strong> explizit Wert darauf gelegt, die gesamte<br />
Schülerschaft der Vorabgangsklassen der allgemein bildenden Schulen u.a. auch die durch Schichtung<br />
nach drei sozialen Schichten anhand von Kaufkraft-Indizes einzelner Stadtteile abzubilden, während bei der<br />
hier vorgelegten Untersuchung stärker benachteiligte Jugendliche im Fokus des Interesses stehen.<br />
25 In eine solche Rangfolge fügt sich auch das Betriebspraktikum, das an der Spitze der Bewertungen steht, weil<br />
es dem Individuum Primärerfahrungen aus dem Berufsleben liefert.<br />
158
nen Wünsche <strong>und</strong> Vorstellungen in einem interaktiven Prozess mit einer Vertrauensperson<br />
überhaupt erst hinreichend zu konkretisieren, um sich dann gezielter Informationen beschaffen<br />
zu können. Ein wichtiges Element der Bewertung eines Informationsangebotes ist das<br />
Vertrauen, dass der Informationsquelle <strong>und</strong> damit den Informationen entgegengebracht wird.<br />
Vertrauen hilft den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, in Gesprächen mit Personen, die sie <strong>und</strong> ihre<br />
persönliche Situation einschätzen können, realistische Ziele zu bestimmen <strong>und</strong> angesichts<br />
der kaum überschaubaren Menge an Informationen, die Transaktionskosten individueller<br />
Informationssuche zu senken.<br />
Kritisch ist dabei allerdings zu sehen, dass persönliche Nähe zwar die Kenntnis der Person<br />
sichert <strong>und</strong> insofern Vertrauen in die Bewertung der Informationen gerechtfertigt erscheint,<br />
aber der Bereich besonderer Kenntnisse der schulischen <strong>und</strong> beruflichen Gelegenheitsstrukturen<br />
sowie des <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktes dabei zunächst einmal ausblendet bleibt.<br />
Kenntnisse in diesen Bereichen sind aber gr<strong>und</strong>sätzlich unabhängig davon, ob eine persönliche<br />
Beziehung zwischen den Informationssuchenden <strong>und</strong> der Informationsquelle besteht.<br />
Wahrscheinlicher als bei persönlich nahe stehenden Menschen sind sie jedenfalls in Kontexten<br />
professioneller Beratung zu finden, so wie sie das BIZ <strong>und</strong> die Berufsberatung des Arbeitsamtes<br />
bietet. Diese wurde zum Zeitpunkt der Befragung von gut der Hälfte der befragten<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern (52,7%) genutzt, aber sie wird von ihnen in deutlich geringerem<br />
Maße als die eigene Familie oder auch nur Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte als eine Hilfe bei der<br />
Berufswahl wahrgenommen. Insgesamt geben nur 18 Prozent aller befragten Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler an, dass ihnen die Berufsberatung bei der Berufswahl „sehr geholfen“ habe.<br />
Betriebsbesichtigungen <strong>und</strong> -erk<strong>und</strong>ungen werden im Rahmen der schulischen Berufsvorbereitung<br />
durchgeführt. Sie sollen Einblicke in das Arbeitsleben <strong>und</strong> in betriebliche Zusammenhänge<br />
vermitteln. Der Nutzen für die Berufswahl dieser eher punktuellen Einblicke in spezifische<br />
Betriebe <strong>und</strong> Berufe wird von den Befragten noch etwas höher als der des BIZ mit seinem<br />
umfangreichen Informationsangebot eingeschätzt. Als eine Ursache dafür kann man<br />
vermuten, dass Betriebsbesichtigungen, ähnlich wie ein Betriebspraktikum, Primärerfahrungen<br />
über das Berufsleben, über bestimmte berufliche Tätigkeitsbereiche <strong>und</strong> konkrete Betriebe<br />
vermitteln, während das BIZ zwar eine Fülle von abstrakten Informationen zur Berufswahl<br />
vorhält, aus denen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aber aktiv ihre konkrete <strong>Aus</strong>wahl treffen<br />
müssen.<br />
Generell scheint zu gelten, dass Primärerfahrungen, so wie sie ein Betriebspraktikum, aber<br />
teilweise auch schon Betriebserk<strong>und</strong>ungen <strong>und</strong> –besichtigungen zu bieten vermögen, <strong>und</strong><br />
vor allem Beratungsgespräche, die gezielt auf die eigene Person mit ihren Eigenschaften,<br />
Vorstellungen <strong>und</strong> Möglichkeiten eingehen, für die Berufswahl der Jugendlichen eine wesentlich<br />
höhere Bedeutung haben, als alle medialen Informationsangebote von Broschüren<br />
über Bücher bis hin zu Internetangeboten. So werden beispielsweise auch Veranstaltungen,<br />
159
wie die <strong>Aus</strong>bildungsbörsen, Berufsmärkte oder Informationsveranstaltungen der berufsbildenden<br />
Schulen, die Möglichkeiten bieten, in interaktiven Gesprächssituationen die eigenen<br />
Interessen zu erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Informationen zu sammeln, deutlich besser bewertet werden als<br />
die zur Verfügung gestellten Informationsmedien. 26 Einen zusätzlichen Beleg für diese These<br />
stellt der Vergleich zwischen dem GIRL’S DAY als Veranstaltung <strong>und</strong> dem ihn begleitende<br />
Internetangebot dar. Auch hier wird die Veranstaltung (2,77) deutlich besser bewertet als das<br />
Internetangebot (2,38). Zum Zeitpunkt der Befragung haben diese <strong>und</strong> andere Veranstaltungen<br />
allerdings noch eine verhältnismäßig geringe Bedeutung, denn nur eine Minderheit der<br />
befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler hat bis dahin an einer Informationsveranstaltungen der<br />
berufsbildenden Schulen (36,2%), an Berufsmärkten (27,2%) <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsbörsen<br />
(14,7%) oder dem GIRL’S DAY (9,6%) teilgenommen.<br />
Hinzuweisen ist noch auf den verhältnismäßig geringen Wert (2,67), den die befragten Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler dem berufsk<strong>und</strong>lichen Unterricht in der Schule bzw. dem Fach Arbeitslehre<br />
für den eigenen Berufswahlprozess zumessen. Allerdings wird diese Zahl dadurch,<br />
dass viele der höher bewerteten Informationsquellen im Rahmen der schulischen Berufsorientierung<br />
angeboten werden, wieder etwas relativiert, so dass die Bewertung sich wohl nur<br />
auf die reine Unterrichtssituation bezieht. Diese Einschätzung allerdings steht in einem korrelativen<br />
Zusammenhang mit der allgemeinen Einschätzung von Schule: Es besteht ein signifikanter<br />
Zusammenhang (Gamma=0,25) zwischen der auf einer fünfstufigen Skala erhobenen<br />
Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sage „Ich gehe gerne zur Schule“ <strong>und</strong> der Bewertung des Faches<br />
Arbeitslehre bzw. des berufsk<strong>und</strong>lichen Unterrichts. Schüler, die generell weniger gerne zur<br />
Schule gehen, bewerten auch das Fach Arbeitslehre bzw. den berufsk<strong>und</strong>lichen Unterricht<br />
eher schlechter. Die relativ geringe Höhe des Koeffizienten belegt allerdings zugleich, dass<br />
beides häufig unabhängig voneinander variiert <strong>und</strong> beispielsweise auch Schüler/innen, die<br />
ansonsten gerne zur Schule gehen, den Wert des berufsk<strong>und</strong>lichen Unterrichts für ihre Berufswahl<br />
eher gering einschätzen.<br />
5.2 Anzahl der genutzten Informationsquellen<br />
Insgesamt wurden von den einzelnen Befragten bis zu 28 verschiedene bei der Berufswahl<br />
genutzte Informationsquellen benannt. Die große Mehrheit von 98,2 Prozent der n=1434<br />
Befragten nennt allerdings nicht mehr als 20 Informationsquellen, die durchschnittliche Zahl<br />
der Nennungen liegt bei 11,68 <strong>und</strong> die Standardabweichung bei 4,20. Eine nach dem Erhebungsmonat<br />
differenzierte <strong>Aus</strong>wertung (Abbildung 6, Zeile 1) unterstreicht noch einmal den<br />
Prozesscharakter der Berufswahl (vgl. Abschnitt 4.4): In den beiden ersten Erhebungsmona-<br />
26<br />
Lediglich die Schrift „Beruf Aktuell“, die knapp zwei Drittel der Befragten genutzt haben, wird ähnlich positiv<br />
bewertet wie die genannten Veranstaltungen.<br />
160
ten, dem letzten des alten <strong>und</strong> dem ersten Monat des neuen Schuljahres, liegt die Zahl der<br />
genutzten Informationsquellen noch deutlich niedriger als in den folgenden Monaten, wenn<br />
das Problem der Berufswahl immer drängender wird, <strong>und</strong> erreicht im Dezember, dem letzten<br />
Erhebungsmonat, den höchsten Wert.<br />
Signifikante Unterschiede bei der Zahl der durchschnittlich von den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />
genutzten Informationsquellen lassen sich auch zwischen den drei Schulformen (Abbildung<br />
6, Zeile 2) beobachten. So nutzten Realschüler (12,38) im Schnitt gut eine Informationsquelle<br />
mehr als Hauptschüler (11,16), während die durchschnittliche Informationsnutzung<br />
der Gesamtschüler zwischen beiden Gruppen liegt. Wesentlich stärker noch als zwischen<br />
den Schulformen variiert die Zahl der durchschnittlich genutzten Informationsquellen allerdings<br />
zwischen den einzelnen Schulen (Abbildung 6, Zeile 3). 27 Das neben den Abbildungen<br />
ausgewiesene Maß Eta für den Zusammenhang zwischen den jeweiligen unabhängigen Variablen<br />
<strong>und</strong> der Zahl der genutzten Informationsquellen erreicht bei den Schulformen einen<br />
Wert von Eta = ,124, bei den einzelnen Schulen ist dieser Wert beinahe doppelt so hoch (Eta<br />
= ,237). In einigen der Schulen nutzen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Schnitt weniger als<br />
10 Informationsquellen, in anderen dagegen mehr als 13. Es ist zu vermuten, dass diese<br />
relativ großen Differenzen zwischen den einzelnen Schulen nicht nur auf den Zeitpunkt der<br />
Erhebung <strong>und</strong> Unterschiede in der Schülerschaft, sondern auch auf Differenzen im Umfang<br />
<strong>und</strong> in der Qualität der schulischen Berufsvorbereitung zurückzuführen sind. Dieser Frage<br />
wird in einem der folgenden Kapitel aus der Perspektive der Schüler auf ihre Schule noch<br />
eingehender untersucht.<br />
27 Aufgr<strong>und</strong> der zugesagten Anonymität werden die Schulen hier nicht namentlich genannt.<br />
161
Abbildung 6 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Erhebungsmonat, Schulform,<br />
besuchter Schule <strong>und</strong> regionaler Herkunft: Mittelwerte<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
14<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
13<br />
12<br />
9<br />
11<br />
10<br />
9<br />
1<br />
2<br />
Erhebungsmonat<br />
Juni Sept. Okt. Nov. Dez.<br />
Schulform<br />
Hauptschule Realschule Gesamtschule<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
Schule<br />
11 13 15 17 19 21 23<br />
10 12 14 16 18 20 22<br />
Regionale Herkunft<br />
Duisburg Kreis Kleve Kreis Wesel<br />
162<br />
Juni<br />
Sept.<br />
Okt.<br />
Nov.<br />
Dez.<br />
MW<br />
10,72<br />
10,46<br />
12,08<br />
11,81<br />
12,29<br />
Eta: ,145<br />
Signifikanz F: ,000<br />
Hauptschule<br />
Realschule<br />
Gesamtschule<br />
MW<br />
11,16<br />
12,38<br />
11,79<br />
Eta: ,124<br />
Signifikanz F: ,000<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,21 78<br />
4,12 213<br />
4,11 355<br />
4,18 583<br />
4,24 205<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,24 649<br />
3,79 427<br />
4,47 358<br />
MW zwischen 9,70 <strong>und</strong> 13,32<br />
Standardabweichung zwischen<br />
3,20 <strong>und</strong> 4,89<br />
n zwischen 12 <strong>und</strong> 166<br />
Eta: ,237<br />
Signifikanz F: ,000<br />
Duisburg<br />
Kr. Kleve<br />
Kr. Wesel<br />
MW<br />
11,30<br />
11,35<br />
12,23<br />
Eta: ,106<br />
Signifikanz F: ,000<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,26 546<br />
4,18 307<br />
4,11 581<br />
Die durchgezogene Linie markiert in den Grafiken die durchschnittlich genutzte Anzahl von Informationsquellen<br />
(11,68).
Zur Überprüfung der Frage, ob die Informationsbeschaffung in den Landkreisen Kleve <strong>und</strong><br />
Wesel schwieriger ist, als in der Großstadt Duisburg mit ihrem räumlich verdichtetem Informationsangebot,<br />
wurde die Zahl der genutzten Informationsquellen differenziert für die drei<br />
Regionen betrachtet (Abbildung 6, Zeile 4). Das Ergebnis überrascht, denn während zwischen<br />
der Stadt Duisburg <strong>und</strong> dem ländlich strukturierten Flächenkreis Kleve keinerlei Unterschiede<br />
der Zahl der durchschnittlich von den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern genutzten Informationsquellen<br />
zu berichten sind, liegt diese Zahl im Kreis Wesel signifikant höher. Möglicherweise<br />
ist dieser Effekt auf Besonderheiten der Schulen, die im Kreis Wesel teilgenommen<br />
haben, zurückzuführen. Ob der Zusammenhang bestehen bleibt, wenn der Erhebungszeitpunkt,<br />
die Schulform <strong>und</strong> spezifische Merkmale der Schüler kontrolliert werden, kann erst die<br />
multivariate Analyse erweisen.<br />
Abbildung 7 gibt die Anzahl der genutzten Informationsquellen differenziert nach individuellen<br />
Hintergr<strong>und</strong>merkmalen, wie dem Geschlecht, der Familienstruktur, dem höchstem Schulabschluss<br />
der Eltern <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong> wieder. Im Vergleich zu ihren männlichen<br />
Mitschülern haben die Schülerinnen nicht nur die höheren Bildungsaspirationen <strong>und</strong><br />
weisen eine größere Flexibilität bei der Berufswahl auf, sondern sie nutzen auch mehr Informationsquellen<br />
(12,30 gegenüber 11,19) um ihre beruflichen Ziele <strong>und</strong> Möglichkeiten genauer<br />
zu bestimmen (Abbildung 7, Zeile 1).<br />
Wer nicht mit Vater <strong>und</strong> Mutter (bzw. einem anderen männlichen oder weiblichen Erziehungsberechtigten)<br />
zusammenlebt, dem stehen möglicherweise nicht alle der vorgegebenen<br />
Informationsquellen (vgl. Tabelle 19) zur Verfügung. 28 Wie die zweite Grafik in der ersten<br />
Zeile von Abbildung 7 belegt, werden tatsächlich von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die nicht<br />
mit beiden Elternteilen in einer Familie zusammenleben, weniger Informationsquellen (11,14)<br />
als von den Befragten aus so genannten „vollständigen“ Familien (11,92) genannt.<br />
28 Die Befragten, die bei sonstigen Verwandten oder in Heimen bzw. Wohngemeinschaften, wurden aufgr<strong>und</strong> der<br />
geringen Fallzahlen mit den Befragten aus so genannten „Einelternfamilien“ zusammengefasst <strong>und</strong> den Befragten<br />
aus „vollständigen“ Familien gegenübergestellt.<br />
163
Abbildung 7 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Geschlecht, Vollständigkeit<br />
der Familie, höchstem Schulabschluss der Eltern <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong>:<br />
Mittelwerte<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
Geschlecht<br />
Männl. Weibl.<br />
9<br />
(Fach-)Abitur<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
MR<br />
HS<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
Mit beiden Elternteilen<br />
Ja Nein<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Kein Abschluss<br />
And. Abschluss Weiß Nicht<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Eltern im <strong>Aus</strong>land<br />
geb.<br />
Kind im <strong>Aus</strong>land<br />
geb.<br />
Zuhause nicht<br />
deutsch<br />
Migrationshinterg<strong>und</strong> II: Herkunft des Vaters<br />
Türkei Frühere Sowjetunion u. Osteuropa<br />
164<br />
Männlich<br />
Weiblich<br />
Eta: ,131<br />
Signifikanz F: ,000<br />
Mit beiden Elternteilen<br />
Ja<br />
Nein<br />
Eta: ,082<br />
Signifikanz F: ,002<br />
(Fach-)Abitur<br />
Mittlere Reife<br />
Hauptschule<br />
Anderer Abschluss<br />
Kein Abschluss<br />
Weiss nicht<br />
MW<br />
11,19<br />
12,30<br />
MW<br />
11,94<br />
12,39<br />
11,95<br />
11,40<br />
11,41<br />
10,74<br />
MW<br />
11,92<br />
11,14<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,16 797<br />
4,18 635<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,17<br />
4,24<br />
1035<br />
377<br />
Std.abw.<br />
n<br />
3,89 271<br />
4,16 383<br />
4,13 349<br />
4,62 58<br />
3,28 29<br />
4,38 280<br />
Eta: ,141<br />
Signifikanz F: ,000<br />
Erläuterung der Variablen „Höchster Schulabschluss<br />
der Eltern: Abschnitt 3.4.2<br />
Kein Migrations-<br />
hintergr<strong>und</strong><br />
Ein Elternteil im<br />
<strong>Aus</strong>land geb.<br />
Kind im <strong>Aus</strong>land<br />
geboren<br />
Zuhause Deutsch<br />
nicht Umgangs<br />
sprache<br />
Eta: ,131<br />
Signifikanz F: ,000<br />
Türkei<br />
Frühere Sowjetunion<br />
<strong>und</strong> Osteuropa<br />
MW<br />
11,94<br />
11,87<br />
10,94<br />
10,17<br />
MW<br />
10,73<br />
11,16<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,09 1024<br />
4,59<br />
3,57<br />
4,34<br />
187<br />
64<br />
139<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,80 139<br />
4,14 87<br />
Nur die beiden größten Migrantengruppen,<br />
die anderen Gruppen sind zu klein für gesicherte<br />
<strong>Aus</strong>sagen
Der Bildungshintergr<strong>und</strong> der Familie steht als Indikator auch für das in der Familie verfügbare<br />
soziale <strong>und</strong> kulturelle Kapital. Mit dem Bildungsniveau des Elternhauses sollte daher auch<br />
die Vertrautheit mit der Beschaffung von Informationen <strong>und</strong> somit die Zahl der verfügbaren<br />
Informationsquellen steigen. Die Differenzierung nach dem Bildungshintergr<strong>und</strong> der Familie<br />
(Abbildung 7, Zeile 2) zeigt allerdings, dass Jugendliche aus Familien, in denen wenigstens<br />
ein Elternteil die Mittlere Reife als höchsten Abschluss besitzt, die meisten Informationsquellen<br />
(12,39) nutzen. 29 Bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, bei denen ein Elternteil (Fach-)Abitur<br />
hat, liegt diese Zahl hingegen etwas niedriger (11,94). Die Ursache hierfür dürfte sein, dass<br />
sich die Aspirationen der Jugendlichen aus Elternhäusern mit hohem Bildungsniveau häufig<br />
ebenfalls auf das Abitur (vgl. Tabellen 9b, 10, 11b) richten. Wenn eine Entscheidung aber<br />
schon vorab weitgehend feststeht, dann ist der Informationsbedarf entsprechend geringer.<br />
Anders hingegen bei den Befragten aus Familien, in denen der Hauptschulabschluss der<br />
höchste Bildungsabschluss ist (11,95). Wenn hier weniger Informationsquellen als von Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schülern mit Familien aus dem mittleren Bildungsstratum genutzt werden, dann<br />
widerspricht dies der Hypothese einer mit dem verfügbaren kulturellen <strong>und</strong> sozialen Kapital<br />
steigenden Vertrautheit mit der Beschaffung von Informationen nicht. Im Sinne dieser Hypothese<br />
lassen sich auch die noch etwas niedrigeren Werte für die beiden kleinen Gruppen der<br />
Befragten, deren Eltern einen anderen, meist ausländischen (11,40) oder keinen Schulabschluss<br />
(11,41) besitzen, interpretieren. Eine Folge der in geringerem Umfang zur Verfügung<br />
stehenden Informationen wurde in Abschnitt 4 bereits diskutiert: Die Unsicherheit, welchen<br />
Weg sie nach der Schule beschreiten wollen, ist in beiden Gruppen besonders ausgeprägt.<br />
R<strong>und</strong> ein Viertel von ihnen kann zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht sagen, ob sie eine<br />
<strong>Aus</strong>bildung absolvieren oder weiter zur Schule gehen wollen (vgl. Tabelle 9b, 10). Auffällig<br />
sind auch hier wieder die Befragten, die den Schulabschluss der Eltern nicht kennen. Die<br />
Schulabschlüsse der Eltern waren im Elternhaus offensichtlich kein Gesprächsthema, was<br />
wiederum auf die besondere Bildungsferne dieser Gruppe mit einer entsprechend geringen<br />
Vertrautheit mit der Beschaffung von Informationen hinweist. Tatsächlich nutzt diese quantitativ<br />
nicht unerhebliche Gruppe mit Abstand die wenigsten Informationsquellen zur Berufswahl<br />
(10,74).<br />
Die Differenzierung nach dem Migrationshintergr<strong>und</strong> zeigt, dass hinsichtlich der Zahl der<br />
durchschnittlich genutzten Informationsquellen keine Unterschiede zwischen den Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schülern mit deutschen oder ausländischen Eltern bestehen, wenn Deutsch die<br />
Umgangssprache im Elternhaus ist <strong>und</strong> das Kind auch in Deutschland aufgewachsen ist. In<br />
beiden Gruppen werden durchschnittlich r<strong>und</strong> 11,9 Informationsquellen genutzt. Aber schon<br />
wenn im Elternhaus zwar Deutsch gesprochen wird, aber der Jugendliche nicht in Deutschland<br />
geboren <strong>und</strong> aufgewachsen ist, sinkt die Zahl der genutzten Informationsquellen bereits<br />
29 Zur Konstruktion der Variablen „Höchster Bildungsabschluss der Eltern“ vgl. Kapitel 3.4.2.<br />
165
auf r<strong>und</strong> 10,9 <strong>und</strong> bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, in deren Elternhaus eine andere Umgangssprache<br />
als Deutsch gesprochen wird, noch weiter auf r<strong>und</strong> 10,2. Wenn man annimmt,<br />
dass die nicht in Deutschland geborenen Befragten zumindest teilweise Defizite in der Beherrschung<br />
der deutschen Sprache aufweisen <strong>und</strong> solche Defizite bei den Befragten, die<br />
zuhause eine andere Umgangssprache sprechen, noch ausgeprägter sind, dann wird deutlich,<br />
dass nicht der Migrationshintergr<strong>und</strong> als solcher, sondern dass das <strong>Aus</strong>maß der Beherrschung<br />
der deutschen Sprache die Anzahl der zur Berufswahl genutzten Informationsquellen<br />
beeinflusst. In dieser Richtung lassen sich auch die Ergebnisse für die Befragten mit<br />
türkischem oder russisch/osteuropäischem Migrationshintergr<strong>und</strong> interpretieren (Tabelle 20,<br />
Zeile 4). Beide Werte liegen unterhalb des Gesamtmittelwertes, aber höher als der Mittelwert<br />
der Befragten, in deren Elternhaus nicht Deutsch gesprochen wird, was für die Heterogenität<br />
der beiden Gruppen hinsichtlich der Beherrschung der deutschen Sprache spricht.<br />
Die hinreichend sichere Beherrschung der deutschen Sprache ist ein Stück kulturellen Kapitals,<br />
das die Möglichkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten, sich die für die Berufswahl notwendigen Informationen<br />
zu beschaffen, positiv beeinflusst. Eng damit zusammen hängt die Lesefähigkeit,<br />
die in den Analysen durch die selbst berichtete Lesepraxis in drei Bereichen (Bücher zur<br />
Unterhaltung, Sachbücher, Tageszeitung) indiziert wird (vgl. Artelt, Demmrich, Baumert<br />
2001, 283). In allen drei Bereichen besteht ein linearer Zusammenhang der Lesepraxis mit<br />
der Anzahl der von den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern genutzten Informationsquellen (Abbildung<br />
8, Zeile 1). Unterschiede bestehen lediglich hinsichtlich des Niveaus der Zusammenhänge:<br />
Die Häufigkeit des Lesens von Sachbüchern <strong>und</strong> der Tagezeitung beeinflusst die<br />
Zahl der genutzten Informationsquellen in etwas stärkerem Maße als das Lesen von Büchern<br />
zur Unterhaltung. Dies ist erklärbar, denn bei Sachbüchern <strong>und</strong> der Tageszeitung geht es in<br />
stärkerem Maße als beim Lesen von Büchern zur Unterhaltung um die Beschaffung, <strong>Aus</strong>wahl<br />
<strong>und</strong> Bewertung von Informationen. Gerade dies ist aber im Prozess der Berufswahl von<br />
besonderer Bedeutung.<br />
166
Abbildung 8 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Lesepraxis, dem Notendurchschnitt<br />
in den Fächern Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch sowie der Haltung<br />
zur Schule <strong>und</strong> den Plänen für die Zeit nach der Schule: Mittelwerte<br />
14<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
Lesepraxis<br />
1 Fast täglich<br />
3 Einmal im Monat 5 Nie oder fast nie<br />
2 Mehrmals im Monat 4 Ein paar mal im Jahr<br />
A Sachbücher B Bücher zur Unterhaltung C Tageszeitung<br />
Notendurchschnitt Deutsch, Mathematik u. Englisch<br />
Sehr Gut Gut Befriedigend <strong>Aus</strong>reichend Mangelhaft<br />
9<br />
Stimme völlig zu<br />
teils/teils<br />
Stimme etwas zu<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
Zustimmung: Gehe gerne zur Schule<br />
Lehne völlig ab<br />
Lehne etwas ab<br />
Pläne für die Zeit nach der Schule<br />
Weiter zur Schule<br />
Weiß nicht /Etwas anderes<br />
Berufsausbildung<br />
167<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
MW n<br />
A B C A B c<br />
13,25<br />
12,67<br />
12,20<br />
11,86<br />
10,80<br />
12,69<br />
12,27<br />
12,04<br />
11,47<br />
10,80<br />
12,57<br />
11,91<br />
11,44<br />
11,02<br />
10,40<br />
68<br />
206<br />
258<br />
336<br />
566<br />
187<br />
273<br />
245<br />
310<br />
419<br />
406<br />
441<br />
194<br />
143<br />
250<br />
<strong>Aus</strong> Platzgründen wurde auf die Angabe der<br />
Standardabweichung verzichtet.<br />
Sehr Gut<br />
Gut<br />
Befriedigend<br />
<strong>Aus</strong>reichend<br />
Mangelhaft<br />
Signifikanz F:<br />
Eta:<br />
Eta: ,094<br />
Signifikanz F: ,020<br />
Stimme völlig zu<br />
Stimme etwas zu<br />
teils/teils<br />
Lehne etwas ab<br />
Lehne völlig ab<br />
Eta: , 170<br />
Signifikanz F: ,000<br />
Weiter zur Schule<br />
Berufsausbildung<br />
Weiß nicht / etwas<br />
anderes<br />
Eta: , 066<br />
Signifikanz F: ,043<br />
A B C<br />
,000<br />
,187<br />
MW<br />
9,2<br />
12,27<br />
11,88<br />
11,23<br />
10,36<br />
MW<br />
12,37<br />
12,35<br />
11,60<br />
11,29<br />
10,11<br />
MW<br />
11,80<br />
11,80<br />
11,01<br />
,000<br />
0,160<br />
,000<br />
,181<br />
Std.abw.<br />
n<br />
3,63 5<br />
3,80 193<br />
4,20 792<br />
4,32 312<br />
4,43 11<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,97 213<br />
4,27 347<br />
3,90 523<br />
3,90 154<br />
3,67 177<br />
Std.abw.<br />
n<br />
4,26 649<br />
4,26 574<br />
3,83 211
Auch der im letzten Zeugnis erzielte (ger<strong>und</strong>ete) Notendurchschnitt in den drei Fächern<br />
Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch kann als ein Indikator für die Vertrautheit mit der Beschaffung<br />
von Informationen verstanden werden. Der Notendurchschnitt weist einen ähnlich linearen<br />
Zusammenhang wie die Lesepraxis mit der Zahl der genutzten Informationsquellen auf<br />
(Abbildung 8, Zeile 2). Je besser die Zensuren sind, umso mehr Informationsquellen nutzen<br />
die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Rahmen der Berufswahl. Eine <strong>Aus</strong>nahme bilden lediglich<br />
die fünf Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit einem sehr guten Notendurchschnitt. Ein Blick in die<br />
Daten zeigt, dass für vier der fünf dieser Fälle schon feststeht, dass sie im Anschluss an die<br />
gegenwärtig besuchte Schule ein Gymnasium besuchen werden. Die Frage der Berufswahl<br />
stellt sich für sie derzeit noch nicht.<br />
Wer ungern zur Schule geht, der wird auch den schulischen Angeboten eher negativ gegenüber<br />
stehen <strong>und</strong> die im Rahmen der schulischen Berufsorientierung bereitgestellten Informationen<br />
werden niedriger bewertet <strong>und</strong> in der Folge genutzt (Abbildung 8, Zeile 3). Überprüft<br />
werden kann dies anhand der nach dem Grad der Zustimmung bzw. Ablehnung der <strong>Aus</strong>sage<br />
„Ich gehe gerne zur Schule“ differenzierten <strong>Aus</strong>wertung der Zahl der im Berufswahlprozess<br />
genutzten Informationsquellen. Fasst man dabei die beiden zustimmenden Kategorien zusammen,<br />
dann ist auch hier ein nahezu linearer Zusammenhang mit der Zahl der genutzten<br />
Informationsquellen zu berichten, der die o.g. Hypothese stützt: Je weniger gerne die Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler zur Schule gehen, umso niedriger ist auch die Zahl der von ihnen bei<br />
der Berufswahl genutzten Informationsquellen.<br />
Zwischen den drei Indikatorenkomplexen Lesepraxis, Schulnoten <strong>und</strong> einer positiven Bewertung<br />
der Schule bestehen natürlich inhaltliche Überschneidungen. Aber die Korrelationen der<br />
einzelnen Indikatoren sind relativ schwach; mit <strong>Aus</strong>nahme des Zusammenhangs zwischen<br />
dem Lesen von Sachbüchern <strong>und</strong> dem Lesen von Büchern zur Unterhaltung (Tau b= ,46)<br />
erreicht kein Koeffizient die Marke von Tau b=,3. Dennoch wird erst die multivariate Analyse<br />
zeigen, inwieweit die Effekte bei Kontrolle der jeweils anderen Indikatoren bestehen bleiben.<br />
Um zu ermitteln, inwieweit sich das Informationsverhalten zwischen den Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen,<br />
die sich bereits für das Absolvieren einer Berufsausbildung bzw. den weiteren Schulbesuch<br />
entschieden haben, <strong>und</strong> den Befragten, die hierzu noch keine Entscheidung getroffen<br />
haben, unterscheidet, wird in Abbildung 8 (Zeile 4) die Zahl der durchschnittlich genutzten<br />
Informationsquellen für diese Gruppen differenziert dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die<br />
Befragten, die bereits eine Entscheidung – gleichgültig welche – getroffen haben, im Schnitt<br />
die gleiche Zahl an Informationsquellen (11,8) genutzt haben, während die Gruppe derjenigen,<br />
die noch keine Entscheidung getroffen haben, bisher auch auf weniger Informationsquellen<br />
zurückgegriffen hat. Das Zusammenhang zwischen dem Informationsverhalten <strong>und</strong><br />
die Frage, ob bereits eine Entscheidung für den weiteren Weg nach der Schule gefällt wurde,<br />
kann unterschiedlich interpretiert werden. Einerseits ist das Sammeln von Informationen eine<br />
168
Voraussetzung für eine Entscheidung, andererseits kann die Tatsache, dass noch keine Entscheidung<br />
getroffen wurde, auch darauf hinweisen, dass noch nicht hinreichend aktiv nach<br />
Informationen gesucht wurde. In diesem Fall wäre die Tatsache, dass noch keine Entscheidung<br />
getroffen wurde, ein Indikator für eine geringere Aktivität bei der Informationsbeschaffung.<br />
Es wurden zwei multivariate Regressionsanalysen der Zahl der im Berufswahlprozess genutzten<br />
Informationsquellen gerechnet. Im ersten Modell (Tabelle 20) wurden neben dem<br />
Geschlecht, der Struktur der Herkunftsfamilie, dem Migrationshintergr<strong>und</strong>, dem Bildungsniveau<br />
der Eltern, der Einstellung zur Schule <strong>und</strong> der Schulleistung, der Lesepraxis <strong>und</strong> den<br />
Plänen für die Zeit nach dem Abschluss des 10. Schuljahres die Schulform, der Erhebungszeitpunkt<br />
<strong>und</strong> die regionale Herkunft kontrolliert. Im zweiten Modell, das im Tabellenanhang<br />
in Tabelle A3 präsentiert wird, werden statt der Schulform, des Erhebungszeitpunktes <strong>und</strong><br />
der Region die besuchten Schulen kontrolliert. 30 Aufgr<strong>und</strong> der den Schulen zugesicherten<br />
Anonymität wurden dabei die Namen der Schulen mit den bereits in Abbildung 6 benutzten<br />
Zahlenkodes ersetzt. Als Basiskategorie der in einzelne Dichotomien aufgelösten Variablen<br />
Schule wurde in der Regression die Schule 20, bei der die Anzahl der durchschnittlich genannten<br />
Informationsquellen nahe am Mittelwert liegt, gewählt.<br />
30<br />
Auf die Kontrolle dieser drei Variabeln musste im zweiten Modell zur Vermeidung von Kollinearität verzichtet<br />
werden<br />
169
Tabelle 20 OLS-Regression der Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten Informationsquellen<br />
auf strukturelle <strong>und</strong> individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale: Modell I<br />
170<br />
Regressionskoeffizienten<br />
B<br />
Unstandardisiert<br />
Beta<br />
Standardisiert Signifikanz<br />
(Konstante) 9,09 ,000<br />
Erhebungszeitpunkt<br />
Aktuell besuchte Schulform<br />
Hauptschule (Basiskategorie)<br />
,49 ,11 ,004<br />
Realschule ,14 ,02 ,665<br />
Gesamtschule<br />
Region<br />
Duisburg (Basiskategorie)<br />
-,07 -,01 ,872<br />
Kleve -,13 -,01 ,700<br />
Wesel ,97 ,11 ,001<br />
Geschlecht (Frau) ,93 ,11 ,000<br />
Familienstruktur: Lebt mit beiden Elternteilen<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />
,34 ,04 ,203<br />
Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />
Deutsch als Umgangssprache<br />
-,01 -,00 ,975<br />
Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch -,61 -,03 ,293<br />
Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />
-,95 -,06 ,041<br />
Mittlere Reife ,65 ,07 ,054<br />
Hauptschule ,11 ,01 ,762<br />
Anderer oder kein Schulabschluss ,49 ,03 ,384<br />
Weiß nicht<br />
Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Schulleistungen<br />
-,70 -,07 ,062<br />
Ich gehe gerne zur Schule (Zustimmung) ,44 ,12 ,000<br />
Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch (*-1) ,30 ,04 ,136<br />
Lesepraxis<br />
v_171 Bücher zur Unterhaltung ,07 ,02 ,482<br />
v_172 Sachbücher ,32 ,09 ,004<br />
v_174 Tageszeitungen ,29 ,10 ,000<br />
Pläne für die Zeit nach dem 10. Schuljahr<br />
Berufsausbildung (Basiskategorie)<br />
Weiter zur Schule -,53 -,06 ,039<br />
Weiß noch nicht -,67 -,06 ,061<br />
R²= ,125 F= 8,279 Signifikanz F=,000 n= 1235<br />
Anmerkungen: Modell II, bei dem die Prädiktoren Erhebungszeitpunkt, Schulform <strong>und</strong> Region durch die aktuell<br />
besuchte Schule ersetzt sind, wird im Tabellenanhang in Tabelle A3 wiedergegeben.<br />
Zu den <strong>Aus</strong>prägungen der unabhängigen Variablen vgl. die Abbildungen 6 bis 8. Im Unterschied zur Abbildung 7<br />
handelt es sich hier um den nicht ger<strong>und</strong>eten Notendurchschnitt, der aus Darstellungsgründen mit dem Faktor -1<br />
multipliziert wurde. Da in diesem Modell der erst ab September erhobene Notendurchschnitt als Prädiktorvariable<br />
benutzt wird, basieren die Berechnungen nur auf Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die im ersten Halbjahr des 10.<br />
Schuljahres befragt wurden.
Da die Ergebnisse der Modelle im Hinblick auf die Koeffizienten der in beiden Gleichungen<br />
benutzten Prädiktoren strukturell weitgehend identisch sind <strong>und</strong> nur geringe Differenzen in<br />
der Höhe bestehen (vgl. Tabelle 20 <strong>und</strong> A3), aber der Erhebungszeitpunkt <strong>und</strong> die Schulform<br />
zusätzlich zu interpretierende Informationen liefern, werden hier nur die Koeffizienten des<br />
ersten Modells interpretiert. Dennoch ist ein Unterschied bemerkenswert: Die beteiligten Variablen<br />
erklären im ersten Modell r<strong>und</strong> 12,5 Prozent der Varianz der Summe der von den<br />
Schülern genannten Informationsquellen. Werden hingegen im zweiten Modell statt der<br />
Schulform, des Erhebungszeitpunktes <strong>und</strong> der Region die einzelnen Schulen berücksichtigt,<br />
dann steigt die erklärte Varianz auf 15,1 Prozent (Tabelle A3). 31 Diese Differenz weist darauf<br />
hin, dass zwischen den einzelnen Schulen hinsichtlich des Heranführens an relevante Informationsquellen<br />
im Prozess der Berufsvorbereitung z.T. große Unterschiede bestehen, die<br />
sich auch bei Kontrolle individueller Merkmale der Schüler, z.B. wie dem Bildungsniveau des<br />
Elternhauses, dem Migrationshintergr<strong>und</strong>, der Lesepraxis, der Schulnoten in der Anzahl der<br />
von den Schülern angegebenen Informationsquellen niederschlagen.<br />
Bei dem in Tabelle 20 dargestellten Modell beeinflusst der Erhebungszeitpunkt wegen der<br />
Kumulativität der genutzten Informationsquellen erwartungsgemäß die Zahl der genutzten<br />
Informationsquellen signifikant. Der Koeffizient von b = ,49 zeigt, dass die befragten Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres unabhängig von allen anderen im<br />
Modell berücksichtigten Einflussgrößen im Schnitt alle zwei Monate knapp eine zusätzliche<br />
Informationsquelle benennen. Welche Schulform die Befragten besuchen, spielt dagegen für<br />
das Informationsverhalten keine signifikante Rolle. Interessanterweise allerdings bleibt der<br />
bereits in den bivariaten Analysen diskutierte positive Effekt des Kreises Wesel im Vergleich<br />
zu der Stadt Duisburg <strong>und</strong> dem Kreis Kleve auch in der multivariaten Analyse bestehen. Eine<br />
plausible Interpretation dieses Effektes ist, dass sich unter den teilnehmenden Schulen des<br />
Kreises Wesel mehr Schulen befinden, die ihre Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler stärker an Informationen<br />
zur Berufswahl als andere heran führen. Es handelt sich eigentlich also um einen<br />
Effekt der Arbeit einzelner Schulen, so wie er oben bereits angesprochen wurde.<br />
Der in der bivariaten Analyse beschriebene Geschlechteffekt bleibt in der multivariaten Analyse<br />
bestehen. Auch wenn Faktoren, die eng mit höheren Bildungsaspirationen zusammenhängen,<br />
wie beispielsweise die besuchte Schule, die Schulnoten, die Lesepraxis <strong>und</strong> die<br />
Pläne für die Zeit nach dem 10. Schuljahr, kontrolliert werden, nutzen die Schülerinnen im<br />
Schnitt beinahe eine Informationsquelle mehr als ihre männlichen Mitschüler. Möglicherweise<br />
ist ihr Informationsbedarf höher, weil sie sich in deutlich geringerem Maße als männliche<br />
Jugendliche an traditionellen Mustern, die an Wert <strong>und</strong> Bedeutung verlieren, orientieren können<br />
<strong>und</strong> wollen.<br />
31 Auch das um die Zahl der verwendeten Prädiktorvariablen korrigierte R² steigt von 0,110 auf 0,124.<br />
171
Die in der Gleichung berücksichtigten Faktoren der Herkunftsfamilie haben bei Kontrolle der<br />
besuchten Schule, der Schulleistung, der Pläne <strong>und</strong> der Lesepraxis nur noch einen geringen<br />
Einfluss auf das Informationsverhalten. Diese Variablen sind direktere <strong>und</strong> somit stärkere<br />
Indikatoren des den Jugendlichen zur Verfügung stehenden <strong>und</strong> zur Informationsbeschaffung<br />
nutzbaren kulturellen Kapitals, als das Bildungsniveau der Familie <strong>und</strong> ihr Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
In der Tendenz bleiben die Einflüsse der Variablen zur Herkunftsfamilie, so wie<br />
sich in den bivariaten Analysen dargestellt haben, bestehen. Aber lediglich die Tatsache,<br />
dass zuhause in der Familie der Befragten eine andere Umgangssprache als Deutsch gesprochen<br />
wird, hat unter den beteiligten Prädiktorvariablen zur Herkunftsfamilie einen signifikanten<br />
Effekt. Sie senkt, verglichen mit den Befragten ohne Migrationshintergr<strong>und</strong>, die Zahl<br />
der durchschnittlich genutzten Informationsquellen um r<strong>und</strong> eine. Auch die multivariate Analyse<br />
bestätigt also, dass nicht der Migrationshintergr<strong>und</strong> als solcher, sondern das in der Familie<br />
verfügbare <strong>und</strong> vor allem verwertbare kulturelle Kapital, wozu hier die sichere Beherrschung<br />
der deutschen Sprache zählt, die Anzahl der im Berufsfindungsprozess genutzten<br />
Informationsquellen beeinflusst.<br />
Den stärksten Einzeleffekt in der Gleichung hat die Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sage, gerne zur<br />
Schule zu gehen, auf das Informationsverhalten. Je lieber die Befragten zur Schule gehen,<br />
umso mehr Informationsquellen werden von ihnen genutzt. Mit der positiven Bewertung der<br />
Schule im Allgemeinen steigt auch die positive Bewertung ihres Angebotes <strong>und</strong> deren Nutzung<br />
– auch im Bereich der schulischen Berufsorientierung. Im Zusammenhang mit der Diskussion<br />
der subjektiven Bewertung der verschiedenen Informationsquellen (vgl. Abschnitt<br />
5.1) wurde die große Bedeutung des Vertrauens in eine Informationsquelle für deren Bewertung<br />
herausgearbeitet. Das Vertrauen in den Wert der schulischen Angebote zur Berufsorientierung<br />
dürfte auch ein wichtiger Mechanismus sein, der im Hintergr<strong>und</strong> des Zusammenhanges<br />
zwischen einer positiven Bewertung der Schule <strong>und</strong> der Zahl der genutzten Informationsquellen<br />
im Berufswahlprozess wirkt.<br />
Während der Notendurchschnitt des letzten Zeugnisses in den drei Fächern Deutsch, Mathematik<br />
<strong>und</strong> Englisch in dem hier präsentierten Modell keinen signifikanten Einfluss auf das<br />
Informationsverhalten auszuüben vermag, haben mit der Häufigkeit des Lesens von Sachbüchern<br />
<strong>und</strong> der Tageszeitung zwei der drei Variablen zur Lesepraxis einen signifikanten<br />
positiven Effekt auf die Anzahl der genutzten Informationen. Wie im Rahmen der bivariaten<br />
Analyse stehen diese beiden Indikatoren auch für die Erfahrung mit der gezielten Beschaffung,<br />
<strong>Aus</strong>wahl <strong>und</strong> Bewertung von Sachinformationen. Dagegen deckt die Häufigkeit des<br />
Lesens von Büchern zur Unterhaltung eher den Bereich der allgemeinen Lesefähig ab – ein<br />
Bereich der seine eigene Bedeutung für die Informationsbeschaffung hat, in dem hier vorgestellten<br />
Modell aber durch die beiden anderen Variablen zur Lesepraxis bereits hinreichend<br />
repräsentiert wird. Dies erklärt den geringen Einfluss der Praxis des Lesens von Büchern zur<br />
172
Unterhaltung bei Kontrolle der beiden stärker auf Sachinformationen zielenden Indikatoren<br />
zur Lesepraxis. Inhaltlich decken diese beiden Indikatoren zwei unterschiedliche Bereiche<br />
von Informationen ab, die beide im Berufswahlprozess von Bedeutung sind. Während Sachbüchern<br />
darauf zielen, über spezifische Sachthemen mit einer längerfristigen Gültigkeit zu<br />
informieren, ist der Gegenstand von Tageszeitungen der Bericht über die aktuelle Situation.<br />
Beide Informationsgruppen haben im Berufswahlprozess ihre eigene Relevanz: Zum einen<br />
benötigen die Jugendlichen zu den verschiedenen Berufsgruppen, Berufen <strong>und</strong> Tätigkeiten<br />
inhaltliche Informationen <strong>und</strong> zum anderen setzt eine realistische Berufswahl auch hinreichende<br />
Kenntnisse der aktuellen Situation am <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt voraus.<br />
Die bivariate Analyse wies hinsichtlich des Informationsverhaltens keine Differenzen zwischen<br />
den Befragten, die sich für eine Berufsausbildung oder den weiteren Schulbesuch im<br />
Anschluss an die 10. Klasse entschieden haben. Wichtig schien nur zu sein, ob überhaupt<br />
schon eine Entscheidung getroffen worden war. Die Jugendlichen, bei denen dies noch nicht<br />
der Fall war, hatten deutlich weniger Informationsquellen genutzt. Werden dagegen die beschriebenen<br />
Variablen des multivariaten Modells kontrolliert, dann kristallisiert sich eine veränderte<br />
Einflussstruktur heraus. Jetzt zeigt sich, dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die planen<br />
weiter zur Schule zu gehen, signifikant weniger Informationsquellen nutzten, als die Jugendlichen,<br />
die eine Berufsausbildung anstreben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der<br />
Besuch einer weiterführenden Schule den Aufschub einer endgültigen Entscheidung bei der<br />
Berufswahl erlaubt, während die Absicht, eine Berufsausbildung aufzunehmen, genau diese<br />
Entscheidung erzwingt, so dass in diesem Falle der Bedarf an Informationen wesentlich höher.<br />
Einen negativen Effekt in gleicher Stärke, der allerdings wegen der geringeren Fallzahl<br />
knapp die Signifikanzgrenze verfehlt, hat verglichen mit einer Entscheidung zugunsten einer<br />
Berufsausbildung die Tatsache, dass noch keine Entscheidung getroffen wurde. Dieser bereits<br />
aus der bivariaten Analyse bekannte Effekt bleibt bestehen, auch wenn u.a. der Erhebungszeitpunkt<br />
kontrolliert wird. Dies könnte, wie bereits im Rahmen der bivariaten Analyse<br />
vermutet, darauf hinweisen, dass die Tatsache, noch keine Entscheidung zwischen beiden<br />
Optionen getroffen zu haben, auch ein Indikator für eine weniger aktive Suche nach Informationen<br />
darstellt.<br />
5.3 Welche Informationen sind bei der Berufswahl wichtig?<br />
Allen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die angegeben haben, sich bereits eingehender mit der<br />
Wahl eines Berufes beschäftigt zu haben (r<strong>und</strong> 94 Prozent aller Befragten), wurde die Frage<br />
vorgelegt, wie genau sie sich bei den sie interessierenden Berufen über die in der Abbildung<br />
9 aufgeführten Dimensionen der Berufswahl (vom Tätigkeitsprofil über Anforderungen, <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />
in der Region, Arbeitszeiten, EInkommen bis hin zu den Zukunftsper-<br />
173
spektiven) informiert haben. Abbildung 9 gibt die Anteile der Befragten, die angeben, sich<br />
über die jeweiligen Bereiche „sehr genau“ bzw. „genau“ informiert zu haben, geordnet nach<br />
ihrer Häufigkeit wieder. Abbildung 11 stellt weiter unten für die Befragten, die angeben, sich<br />
bereits fest für einen Beruf entschieden zu haben (r<strong>und</strong> 52 Prozent aller Befragten), wiederum<br />
nach ihrer empirischen Häufigkeit dar, welche der genannten Dimensionen der Berufswahl<br />
für sie bei dieser Entscheidung „sehr wichtig“ bzw. „wichtig“ war. Sowohl die Informationstiefe<br />
als auch die Frage nach der Wichtigkeit der verschiedenen Informationen als Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />
sind Indikatoren der Bedeutsamkeit der verschiedenen Themenbereiche<br />
im Berufswahlprozess. Aber während die erste Frage nicht nur die interessengeleitete<br />
aktive Informationssuche zu bestimmten Bereichen, sondern auch den Umfang, in dem bestimmte<br />
Informationen an die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler – etwa in der Schule – herangetragen<br />
werden, indiziert, erhebt die zweite Frage das <strong>Aus</strong>maß der subjektiven Bedeutsamkeit<br />
der einzelnen Faktoren für die eigene Berufswahl.<br />
Abbildung 9 Informiertheit: Wenn du jetzt an deine wichtigsten Berufswünsche denkst: Wie<br />
ausführlich hast du dich schon über die folgenden Bereiche informiert?<br />
Tätigkeiten im Beruf<br />
Körperliche Anforderungen<br />
Eingangsvoraussetzungen<br />
Geistige Anforderungen<br />
Sicherheit berufl. Zukunft<br />
Arbeitszeiten<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten i.d. Region<br />
Bezahlung während <strong>Aus</strong>bildung<br />
Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss<br />
22,0<br />
25,9<br />
30,4<br />
34,8<br />
32,9<br />
34,4<br />
33,7<br />
32,8<br />
0 20 40 60 80 100<br />
174<br />
45,0<br />
23,5<br />
21,1 43,2<br />
27,0<br />
33,2<br />
34,6<br />
33,7<br />
26,4 60,7<br />
Nur Befragte, die sich schon mit der Berufswahl intensiver beschäftigt haben (n=1347).<br />
Antwortvorgaben: Sehr genau / genau / etwas / kaum / noch nicht.<br />
25,4<br />
49,4<br />
60,7<br />
58,2<br />
66,2<br />
64,9<br />
34,7<br />
68,5<br />
79,6<br />
Sehr genau Genau<br />
Betrachten wir zunächst das <strong>Aus</strong>maß, in dem die Befragten, die sich bereits etwas intensiver<br />
mit der Berufswahl beschäftigt haben, über verschiedene für die Berufswahl relevante Bereiche<br />
informiert haben. Abbildung 9 ist zu entnehmen, dass die Befragten sich am intensivsten<br />
über das Tätigkeitsprofil der verschiedenen für sie in Frage kommenden Berufe informiert<br />
haben. R<strong>und</strong> 80 Prozent der Befragten, die sich schon intensiver mit dem Thema <strong>„Berufswahl</strong>“<br />
beschäftigt haben, geben an, dass sie sich über die Tätigkeiten in den Berufen „sehr
gut“ oder „gut“ informiert haben. Dabei steht der Abgleich der eigenen Interessensgebiete mit<br />
der Art der Tätigkeiten im Zentrum der Überlegung. In der Rangliste der Bereiche, über die<br />
sich die Befragten am intensivsten informiert haben, folgen drei Dimensionen von Anforderungen,<br />
die der Beruf an das Individuum stellen kann. Mit kleinen internen Abstufungen geben<br />
jeweils r<strong>und</strong> zwei Drittel an, sich über körperliche Anforderungen, Eingangsvoraussetzungen<br />
<strong>und</strong> geistige Anforderungen „sehr gut“ oder „gut“ informiert zu haben. Diese Informationen<br />
helfen den Jugendlichen beim Abgleich zwischen dem, was sie mitbringen, <strong>und</strong> den<br />
spezifischen Anforderungen der verschiedenen vom Tätigkeitsprofil her in Frage kommenden<br />
Berufe. Eine Entscheidung, die sich auch auf solche Informationen stützen kann, hilft bei<br />
einer passgenaueren Berufswahl, die zur Vermeidung späterer Frustrationen <strong>und</strong> damit auch<br />
zur Vermeidung von <strong>Aus</strong>bildungsabbrüchen beitragen kann.<br />
Knapp 61 Prozent geben an, sich über die Zukunftssicherheit der in Frage kommenden Berufe<br />
umfangreich informiert zu haben. Dies belegt, dass die langfristigen beruflichen Perspektiven<br />
für die Mehrheit der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine wichtige Rolle bei der Berufswahl<br />
spielen. Zugleich steht diese Zahl aber auch dafür, dass sich fast 40 Prozent darüber<br />
nicht gut informiert fühlen. Ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für den hohen Grad an Unsicherheit, die<br />
sich darin ausdrückt, ist die Tatsache, dass längerfristige Vorhersagen angesichts einer sich<br />
beschleunigenden technologischen Entwicklungen <strong>und</strong> der zunehmenden ökonomischen<br />
Globalisierung überaus schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sind.<br />
In der gleichen Größenordnung (60,7%) wie über die Zukunftssicherheit der Berufe haben<br />
die Befragten sich sehr gut bzw. über die Arbeitszeiten informiert. Hierzu aber sind Informationen<br />
leicht zu bekommen, der Gr<strong>und</strong> dafür, dass fast 40 Prozent sich über die Arbeitszeiten<br />
noch nicht intensiv informiert haben, dürfte teilweise auf die geringere subjektive Relevanz,<br />
aber auch auf die nach wie vor in vielen Berufen bestehende weitgehende Standardisierung<br />
des „Arbeitstages“ bestehen.<br />
Wenn hingegen über 40 Prozent der Befragten, die angeben, sich bereits eingehender mit<br />
der Berufswahl beschäftigt haben, sich zugleich noch nicht genau über die <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />
in der Region informiert zu haben, dann kann dies entweder bedeuten, dass gegebenenfalls<br />
auch eine berufliche <strong>Aus</strong>bildung jenseits des heimatlichen Umfeldes in Frage<br />
kommt, oder aber es weist – was wahrscheinlicher sein dürfte – auf eine mangelnde Orientierung<br />
der Jugendlichen an den Möglichkeiten des regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmarktes hin.<br />
Mangelhafte Kenntnisse der der regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten aber sind nicht notwendigerweise<br />
nur den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern selbst anzulasten können, sondern sie<br />
weisen auch auf Defizite der schulischen Berufsvorbereitung <strong>und</strong> der Berufsberatung hin.<br />
Die Bezahlung in <strong>und</strong> nach der <strong>Aus</strong>bildung ist für eine Mehrheit der Befragten, die sich schon<br />
mit der Berufswahl auseinander gesetzt haben, zunächst von nachgeordneter Bedeutung.<br />
175
Nur 49,4 Prozent geben an, schon sehr gut oder gut, über das Entgelt während der <strong>Aus</strong>bildung<br />
informiert zu sein. Im Falle des Gehaltes im Beruf nach abgeschlossener <strong>Aus</strong>bildung<br />
sind es sogar nur 43,2 Prozent.<br />
Die Frage, wie ausführlich sich jemand über die verschiedenen Bereiche informiert hat, impliziert<br />
in der Fragestellung die aktive Informationsbeschaffung durch die Befragten. Das Bewusstsein,<br />
sich aktiv entsprechend der subjektiven Relevanz des jeweiligen Bereiches gut<br />
informiert zu haben, hat sicherlich einen bedeutsamen Einfluss auf die Antworten. Aber das<br />
Bewusstsein, in einem bestimmten Bereich gut informiert zu sein, hängt auch damit zusammen,<br />
inwieweit Informationen verfügbar gemacht <strong>und</strong> den Jugendlichen vermittelt werden.<br />
Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht über statistisch signifikante Zusammenhänge<br />
zwischen den Angaben, wie genau sich die Jugendlichen über die jeweiligen Bereiche informiert<br />
haben, <strong>und</strong> Indikatoren zu beiden Dimensionen des Informationsbeschaffungsprozesses.<br />
Als Indikator eines aktiven Informationsbeschaffungsverhaltens wird auf die Summe der<br />
im Prozess der Berufswahl genutzten Informationsquellen zurückgegriffen. Inwieweit die besuchte<br />
Schule den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern im Rahmen des berufsvorbereitenden Unterrichtes<br />
in unterschiedlichem Umfang Informationen zu Berufswahl zur Verfügung stellen,<br />
kann die Zusammenhangsanalyse klären. Die ebenfalls in der Übersicht berücksichtigte<br />
Schulform kann Hinweise darauf geben, inwieweit die Differenzen auf mögliche Unterschiede<br />
zwischen den Anforderungen <strong>und</strong> Angeboten der drei Schulformen zurückgeführt werden<br />
können. Eine besonders wichtige Informationsquelle stellt das Elternhaus (vgl. Tabelle 19)<br />
dar. Es konnte bereits gezeigt werden, dass das durch das Bildungsniveau <strong>und</strong> den Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
(insbesondere bezüglich der sprachlichen Fähigkeiten) indizierte kulturelle<br />
Kapital des Elternhauses die Zahl der genutzten Informationsquellen beeinflusst. Hier soll<br />
untersucht werden, inwieweit auch die inhaltliche Seite des Informationsverhaltens mit diesen<br />
Indikatoren zusammenhängt. Die letzte Spalte der Übersicht zeigt darüber hinaus auf,<br />
inwieweit die <strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu den einzelnen Bereichen mit dem Erhebungszeitpunkt<br />
signifikant variiert.<br />
176
Tabelle 21 Zusammenhänge mit dem Grad der Informiertheit zu verschiedenen für die Berufswahl<br />
relevanten Bereichen: Signifikanz (CHI²)<br />
<strong>Aus</strong>führlichkeit Informationen zu…<br />
Anzahl<br />
Informationsquellen <br />
Schulabschluss<br />
Eltern<br />
177<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Aktuell<br />
besuchte<br />
Schule<br />
Schulform<br />
Zeitpunkt<br />
der Erhebung<br />
Tätigkeiten im Beruf x x x x<br />
Körperliche Anforderungen x x x x<br />
Eingangsvoraussetzungen x x x x x<br />
Geistige Anforderungen x x x x<br />
Arbeitszeiten x x x x<br />
Sicherheit berufliche Zukunft x x x x<br />
Region. <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten x x x x x<br />
Bezahlung während <strong>Aus</strong>bildung x x x<br />
Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildung x x x<br />
Frageformulierung <strong>und</strong> Antwortvorgaben „<strong>Aus</strong>führlichkeit Informationen zu…“ siehe Abbildung 9. Konstruktion<br />
<strong>und</strong> Verteilung des Indikators „Anzahl Informationsquellen“ siehe Kapitel 5.2. Die Indikatoren Schulabschluss der<br />
Eltern, Migrationshintergr<strong>und</strong>, Schulform <strong>und</strong> Zeitpunkt der Erhebung werden in Kapitel 3 erläutert. Um die Anzahl<br />
der unbesetzten oder sehr schwach Zellen bei den Kreuztabellen zur reduzieren, wurden bei den Variablen zur<br />
<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen die beiden Kategorien „kaum“ <strong>und</strong> „noch nicht“ zusammengefasst. Beim höchsten<br />
Schulabschluss der Eltern wurden die beiden schwach besetzten Kategorien (vgl. Tabelle 7) „Ein anderer<br />
Abschluss“ <strong>und</strong> „Kein Abschluss“ zusammengefasst. Beim Migrationshintergr<strong>und</strong> (vgl. Tabelle 3) wurden die<br />
beiden Kategorien „ein Elternteil im <strong>Aus</strong>land geboren“ <strong>und</strong> „beide Elternteile im <strong>Aus</strong>land geboren“ sowie die beiden<br />
Kategorien „Schüler/in im <strong>Aus</strong>land geboren“ <strong>und</strong> „Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache“ jeweils zu<br />
einer Kategorie zusammengefasst.<br />
x: p < 0,05<br />
Der Grad Informiertheit in allen abgefragten Bereichen hängt durchgängig signifikant mit der<br />
Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten Informationsquellen zusammen. Wer mehr Informationsquellen<br />
im Prozess der Berufswahl nutzt, der fühlt sich in allen Bereichen deutlich<br />
besser informiert. Oben konnte gezeigt werden, dass Unterschiede zwischen den verschiedenen<br />
Informationsquellen hinsichtlich des Umfangs <strong>und</strong> der Qualität der von ihnen vermittelten<br />
Informationen bestehen. Zwei wichtige Informationsquellen – das Elternhaus <strong>und</strong> die<br />
Schule – werden hier auf Zusammenhänge mit dem Grad der Informiertheit in den genannten<br />
Bereichen untersucht. Es bestehen durchgängig signifikante Zusammenhänge zwischen<br />
dem höchsten Schulabschluss der Eltern <strong>und</strong> dem Grad der Informiertheit in den verschiedenen<br />
Bereichen. Weitere, hier nicht tabellarisch aufbereitete Analysen der Verteilungen<br />
zeigen, dass sich die Zusammenhangsstrukturen bei allen Informationsfeldern stark ähneln:<br />
Jugendliche, bei denen beide Eltern keinen bzw. einen „anderen“ (meist ausländischen)<br />
Schulabschluss besitzen, geben an, in geringerem Umfang als Jugendliche aus Elternhäusern<br />
mit einen deutschen Bildungsabschluss zu den verschiedenen Bereichen informiert zu<br />
sein. In ähnlichem oder noch geringerem <strong>Aus</strong>maß haben die Jugendlichen, die nicht wissen<br />
ob, <strong>und</strong> ggf. welche Schulabschlüsse ihre Eltern erworben haben, Informationen zu den verschiedenen<br />
für die Berufswahl relevanten Dimensionen. Abbildung 11 verdeutlicht am Bei-
spiel des Grades der Informiertheit über die Eingangsvoraussetzungen der verschiedenen<br />
Berufe die differenzierte Struktur der in Tabelle 21 nur zusammenfassend dargestellten Zusammenhänge<br />
mit der Elternbildung <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
Signifikante Zusammenhänge mit Migrationshintergr<strong>und</strong> sind nur bei den Informationen zu<br />
den Tätigkeiten im Beruf, zu den Eingangsvoraussetzungen, zu den geistigen Anforderungen,<br />
zur Sicherheit der beruflichen Zukunft <strong>und</strong> den regionalen zu berichten (Tabelle 21) zu<br />
berichten. In all diesen Fällen stellt sich die Struktur der Zusammenhänge ähnlich dar, wie<br />
sie Abbildung 10 für die beruflichen Eingangsvoraussetzungen wiedergibt. Die Befragten<br />
ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> fühlen sich in diesen Bereichen besser informiert, bei den Befragten<br />
mit Migrationhintergr<strong>und</strong> gibt es darüber hinaus noch eine kleine Abstufung bei der<br />
Informiertheit zwischen den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, deren Eltern zwar aus dem <strong>Aus</strong>land<br />
stammen, in deren Familien aber Deutsch die Umgangssprache ist, <strong>und</strong> den Jugendlichen,<br />
die selbst im <strong>Aus</strong>land geboren wurden oder in deren Familien eine andere Sprache als<br />
Deutsch gesprochen wird.<br />
Abbildung 10 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angeben, über die Eingangsvoraussetzungen<br />
der sie interessierenden Berufe „sehr genau“ oder „genau“ informiert zu sein,<br />
differenziert nach Bildungs- <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> des Elterhauses:<br />
Anteile<br />
(Fach-)Abitur<br />
Mittlere Reife<br />
Hauptschule<br />
And. /kein Abschluss<br />
Weiß nicht<br />
19,6<br />
26,3<br />
36,2<br />
39,6<br />
37,2<br />
Anmerkungen: Siehe Tabelle 21<br />
25,0<br />
36,1<br />
32,9<br />
36,4<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />
Sehr genau Genau<br />
Kein<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
178<br />
24,4<br />
34,7<br />
29,8<br />
Mind. ein Elternteil im<br />
<strong>Aus</strong>land geboren,<br />
deutsch<br />
Umgangssprache<br />
29,4<br />
Schüler/in im<br />
<strong>Aus</strong>land geboren /<br />
deutsch nicht<br />
Umgangssprache<br />
27,6<br />
30,7<br />
35,0<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />
Sehr genau Genau<br />
Die Zusammenhänge dieser beiden Indikatoren zum familiären Hintergr<strong>und</strong> der Jugendlichen<br />
mit dem Grad der Informiertheit zu den verschiedenen Dimensionen der Berufswahl<br />
zeigen, dass es auch von dem Umfang des in der Familie verfügbaren kulturellen Kapitals in
Form einer allgemeinen Bildungsnähe <strong>und</strong> von Kenntnissen des Bildungswesens <strong>und</strong> auch<br />
hinreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache abhängt, wie intensiv die Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler über die verschiedenen für die Berufswahl relevanten Themenbereiche informiert<br />
sind.<br />
Berufsorientierung <strong>und</strong> –vorbereitung sind fest in den Lehrplänen aller Schulen verankert.<br />
Tabelle 21 belegt gleichwohl, dass hinsichtlich der Qualität <strong>und</strong> des Unfangs der Informationen<br />
zur Berufswahl, die den Schüler von ihren Schulen vermittelt werden, beträchtliche Unterschiede<br />
zu verzeichnen sind. Jedenfalls bestehen mit <strong>Aus</strong>nahme der Informationen zur<br />
Bezahlung nach abgeschlossener <strong>Aus</strong>bildung bei allen untersuchten Feldern mit wichtigen<br />
Informationen zur Berufswahl signifikante Zusammenhänge des Grades der Informiertheit<br />
der Jugendlichen mit der aktuell besuchten Schule. Die den CHI²-Werten in Tabelle 21<br />
zugr<strong>und</strong>e liegenden differenzierten Analysen zeigen beispielsweise, dass in einer Schule nur<br />
51,3 Prozent der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler angeben, sie wären über die Tätigkeiten in den<br />
von ihnen in die engere Wahl genommen Berufen „sehr genau“ oder „genau“ informiert, in<br />
einer anderen Schule sind es hingegen 93,7 Prozent. Auch wenn es sich bei diesem Beispiel<br />
im ersten Fall um eine Hauptschule, im zweiten aber um eine Realschule handelt, spielt die<br />
jeweilige Schulform hier keine signifikante Rolle (ebenfalls Tabelle 21). Der Datensatz enthält<br />
auch Hauptschulen, deren Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler überdurchschnittlich gut informiert sind.<br />
Es ist auch in der Regel nicht von Bedeutung, ob die Befragung früher oder später im Verlauf<br />
des Schuljahres durchgeführt wurde. Wie schon bei der Zahl der genutzten Informationsquellen<br />
gezeigt, legen auch hier die Daten den Schluss nahe, dass zwischen den einzelnen<br />
Schulen beträchtliche Unterschiede in Umfang <strong>und</strong> Qualität der Berufsvorbereitung existieren.<br />
Dieses Thema wird in Abschnitt 5.4 noch einmal aufgegriffen <strong>und</strong> aus der Perspektive<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler genauer untersucht.<br />
Wenn sich in Einzelfällen darüber hinaus Differenzen zwischen den drei untersuchten Schulformen<br />
beobachten lassen, dann fällt es schwer, dies auf systematische Unterschiede des<br />
jeweiligen Angebotes zurückzuführen, sondern dürfte eher mit Unterschieden der beruflichen<br />
Prioritäten <strong>und</strong> der Berufswünsche der drei Gruppen (vgl. Tabelle 17) zusammenhängen. So<br />
sehen sich beispielsweise die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der Hauptschule besser über die<br />
Arbeitszeiten <strong>und</strong> die Bezahlung nach Abschluss der <strong>Aus</strong>bildung informiert als Jugendliche,<br />
die eine Realschule besuchen. Dagegen spielen umgekehrt die körperlichen Anforderungen<br />
für die Hauptschüler eine geringere Rolle als für Realschüler. Ein anderer Aspekt könnte die<br />
Ursache des signifikanten Zusammenhangs zwischen der Schulform <strong>und</strong> dem Grad der Informiertheit<br />
über die spezifischen Eingangsvoraussetzungen beeinflussen: Wegen der unterschiedlichen<br />
beruflichen Möglichkeiten, die mit den unterschiedlichen Niveaus der Abschlüsse<br />
von Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen verknüpft sind, müssen sich die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen<br />
dieser Schulformen auch intensiver mit den Eingangsvoraussetzungen der verschiede-<br />
179
nen, von ihnen in die engere Wahl genommenen Berufe auseinandersetzen als Realschülerinnen<br />
<strong>und</strong> Realschüler. Tatsächlich geben die Befragten an Realschulen nur zu r<strong>und</strong> 62<br />
Prozent an, über Eingangsvoraussetzungen „sehr genau“ oder „genau“ informiert zu sein,<br />
während es an Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen r<strong>und</strong> 70 Prozent sind.<br />
Die Bedeutsamkeit der Frage der regionalen Verfügbarkeit von <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />
der in Frage kommenden Berufe nimmt zu, je mehr der Zeitpunkt, an dem eine Entscheidung<br />
zwischen verschiedenen Optionen getroffen werden muss, naht. Dies ist auf die innere<br />
Struktur des Entscheidungsprozesses, bei dem zunächst vor allem die Übereinstimmung<br />
zwischen eigenen Interessen, Fähigkeiten <strong>und</strong> Möglichkeiten mit bestimmten Berufsbildern<br />
Dann aber, wenn dieser stärker inhaltlich fokussierte Bereich auf einige Berufe eingegrenzt<br />
<strong>und</strong> konkretisiert ist, rücken die Rahmenbedingungen, zu denen auch die regionalen Gelegenheitsstrukturen<br />
gehören, stärker in den Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses. Tatsächlich<br />
lässt sich eine signifikante Zunahme der Informiertheit über die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />
mit dem Erhebungszeitpunkt beobachten.<br />
Abbildung 11 Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage: Wie wichtig waren die folgenden Gründe bei deiner<br />
Entscheidung für diesen Beruf?<br />
Tätigkeiten im Beruf<br />
Sicherheit berufl. Zukunft<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten i.d. Region<br />
Eingangsvoraussetzungen<br />
Geistige Anforderungen<br />
Körperliche Anforderungen<br />
Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss<br />
Bezahlung während <strong>Aus</strong>bildung<br />
Arbeitszeiten<br />
32,2<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Nur Befragte, die sich schon fest für einen Beruf entschieden haben (n=742).<br />
Antwortvorgaben: Sehr wichtig / wichtig / teils/teils / unwichtig / völlig unwichtig.<br />
30,3<br />
35,2<br />
180<br />
39,0<br />
38,9<br />
36,7<br />
44,5<br />
62,1<br />
29,9<br />
30,4<br />
30,7<br />
73,8<br />
43,7<br />
32,2<br />
29,5 61,7<br />
69,3<br />
67,4<br />
74,0<br />
34,6 73,6<br />
65,1<br />
26,5<br />
76,7<br />
22,1<br />
88,6<br />
Sehr wichtig Wichtig<br />
Abbildung 11 gibt für die Befragten, die sich bereits fest für einen Beruf entschieden haben,<br />
die subjektive Bedeutung der diskutierten Bereiche für ihre Berufswahl wieder. Der Grad der<br />
Informiertheit über diese Bereiche korrespondiert nur teilweise mit ihrer subjektiven Relevanz<br />
für die Entscheidung bei der Berufswahl. Zwar sind die Tätigkeiten im Beruf nicht nur der<br />
95,9
Bereich, über den sich die meisten Jugendlichen umfassend informieren, sondern sie stellen<br />
auch die wichtigste Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage bei der Wahl des Berufes dar: Für fast alle Jugendlichen,<br />
die sich bis zum Zeitpunkt der Befragung schon für einen bestimmten Beruf entschieden<br />
haben (95,6%), war das Tätigkeitsprofil des ausgewählten Berufes für ihre Entscheidung<br />
„sehr wichtig“ oder „wichtig“. Im Zentrum der Berufswahl stehen die beruflichen<br />
Tätigkeiten, aber gleich an zweiter Stelle folgt der Gesichtpunkt der Zukunftssicherheit des<br />
Berufs (88,6%). Der Beruf soll den eigenen Fähigkeiten <strong>und</strong> Neigungen entsprechen, aber<br />
fast genauso wichtig ist es den Jugendlichen, dass der von ihnen gewählte Beruf auch eine<br />
langfristig sichere Perspektive bietet. 32<br />
Mit welchem Realismus die große Mehrheit der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die bereits eine<br />
Entscheidung getroffen haben, an ihre Berufswahl herangegangen sind, wird daran deutlich,<br />
dass auf den nächsten Plätzen der Rangfolge gleich zwei pragmatisch orientierte Gesichtspunkte<br />
folgen. Die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten werden von 76,7 Prozent <strong>und</strong> die<br />
die spezifischen Eingangsvoraussetzungen der verschiedenen Berufe von 74,0 Prozent als<br />
„sehr wichtig“ oder „wichtig“ für die Berufsentscheidung bezeichnet. Die Gelegenheitsstrukturen<br />
der Region begrenzen das Universum der Wunschberufe auf Seiten des verfügbaren<br />
Angebotes, während die mit den verschiedenen Berufen verknüpften spezifischen Eingangsvoraussetzungen<br />
eine Vorraussetzung darstellen, die die Jugendlichen erfüllen müssen, um<br />
eine <strong>Aus</strong>bildung in einem bestimmten Beruf absolvieren zu können. Auch die von 73,6 Prozent<br />
als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ bezeichneten geistigen Anforderungen des Berufes<br />
müssen von den Jugendlichen genauso wie die körperlichen Anforderungen (69,3%) erfüllt<br />
werden. Deren Erfüllung können die Jugendlichen teilweise noch während der <strong>Aus</strong>bildung<br />
durch eigene Anstrengungen beeinflussen, so dass die Platzierung dieser beiden Faktoren<br />
hinter den formalen Eingangsvoraussetzungen verständlich erscheint. Für r<strong>und</strong> zwei Drittel<br />
der Befragten ist die Bezahlung nach dem <strong>Aus</strong>bildungsabschluss (67,4%) <strong>und</strong> während der<br />
<strong>Aus</strong>bildung (65,1%) eine wichtige Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage bei der Berufswahl. Diese Zahlen<br />
weisen auf die Bedeutung des mit dem Beruf verknüpften Einkommens hin, zugleich aber<br />
belegt die Tatsache, dass der Einkommensaspekt als wichtige Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />
deutlich hinter den beruflichen Tätigkeiten, der Zukunftssicherheit, den regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten,<br />
den spezifischen Eingangsvoraussetzungen sowie den geistigen <strong>und</strong><br />
körperlichen Anforderungen platziert ist, dass es für Jugendlichen eine subjektive höhere<br />
Priorität hat, überhaupt eine ihren Neigungen <strong>und</strong> Fähigkeiten entsprechende <strong>Aus</strong>bildung<br />
32 Auch hier bestehen Parallelen zu der bereits erwähnten Hamburger Studie ‚Berufswahl in Hamburg 2006’ (vgl.<br />
Arbeitskreis EINSTIEG / psychonomics 2006, Teil B). Allerdings – was zum Teil auch die unterschiedliche Frageformulierung<br />
zurückzuführen sein dürfte – nimmt bei den befragten Hamburger Schülern der Sicherheitsaspekt<br />
den ersten Rang vor der Art der Tätigkeit („eine interessante <strong>und</strong> abwechslungsreiche Tätigkeit“ gegenüber<br />
„den Tätigkeiten im Beruf“) ein. Auch das DJI-Übergangspanel, das in einem Längsschnitt den Weg von<br />
Hauptschülern in den Beruf verfolgt, zeigt die besondere Bedeutung des Sicherheitsaspektes für die Berufswahl<br />
der Jugendlichen (Homann-Lun u.a. 2005, 18).<br />
181
absolvieren zu können, als ein hohes Einkommen zu erzielen. In dieses Bild fügt sich auch,<br />
dass die Arbeitszeit mit 61,7 Prozent am Ende der Rangordnung der vorgegebenen „sehr<br />
wichtigen“ <strong>und</strong> „wichtigen“ Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen liegt.<br />
Insgesamt belegen die allesamt über 60 Prozent liegenden Häufigkeiten, dass die Berufswahl<br />
für die Jugendlichen weniger ein Maximierungs- als ein Optimierungsproblem darstellt.<br />
Es geht den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern nicht nur darum, eine <strong>Aus</strong>bildung in dem einen<br />
Traumberuf zu absolvieren, ein maximales Einkommen zu erzielen oder einen Beruf mit<br />
möglichst angenehmen Arbeitszeiten zu finden. Die Tätigkeiten im Beruf sollen den eigenen<br />
Ansprüchen <strong>und</strong> Fähigkeiten entsprechen, aber der Beruf muss auch zukunftssicher sein.<br />
Den Jugendlichen ist dabei auch bewusst, dass sie für die unterschiedlichen Berufe spezifische<br />
Eingangsvoraussetzungen erfüllen müssen <strong>und</strong> dass die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />
eine wichtige Rahmenbedingung der Berufswahl sind. Die Wahl eines Berufes<br />
basiert i.d.R. nicht nur auf einem spezifischen Motiv, sondern sie stellt eine jeweils individuelle<br />
Kombination verschiedener der genannten Faktoren <strong>und</strong> weiterer Einflussgrößen dar.<br />
5.4 Die Rolle der Schule im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
In Abschnitt 5.2 konnte gezeigt werden, dass die Zahl der von den Schülern genutzten Informationsquellen<br />
sich zwischen den einzelnen Schulen beträchtlich unterscheidet (Abbildung<br />
6). In Abschnitt 5.3 wurde darüber hinaus belegt, dass auch hinsichtlich des Grades<br />
der Informiertheit in verschiedenen für die Berufswahl bedeutsamen Bereichen signifikante<br />
Differenzen zwischen den einzelnen Schulen bestehen. Hier soll nun untersucht werden, wie<br />
die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der 10. Klassen an den 23 Schulen, die im ersten Halbjahr des<br />
10. Schuljahres an der Befragungen teilgenommen haben, das Engagement ihrer Lehrer <strong>und</strong><br />
ihrer Schule im Prozess der Berufswahl <strong>und</strong> der Vorbereitung auf den Übergang in eine Berufsausbildung<br />
bewerten.<br />
Abbildung 12 gibt die Mittelwerte des auf einer fünfstufigen Skala erhobenen Grades der<br />
Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sagen „Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule mache, helfen<br />
mir meine Lehrer“ differenziert für die einzelnen Schulen wieder. Zu Vergleichzwecken ist<br />
die durchschnittliche Zustimmung in den Abbildungen in Form einer durchgezogenen Linie<br />
dargestellt. Als ein Maß für den Zusammenhang der Zustimmung zu den beiden <strong>Aus</strong>sagen<br />
mit der besuchten Schule wird unter den Abbildungen das Maß Eta wiedergegeben. In ähnlicher<br />
Weise werden anschließend (Abbildung 13) die durchschnittlichen Bewertungen des<br />
schulischen Angebotes zur Vorbereitung auf die Berufswahl, die Bewerbung, auf Eignungstests<br />
<strong>und</strong> Vorstellungsgespräche differenziert für die einzelnen Schulen dargestellt <strong>und</strong> untersucht.<br />
182
Abbildung 12 Unterstützung durch Lehrer: Zustimmung bzw. Ablehnung zu der <strong>Aus</strong>sage:<br />
„Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule mache, helfen mir meine Lehrer“:<br />
Durchschnittswerte der Schulen<br />
Lehne völlig ab<br />
teils / teils<br />
Stimme völlig zu<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23<br />
Schule<br />
Eta = ,240 (Eta² = ,058); Signifikanz F: p
Die in Abbildung 13 präsentierten Grafiken geben die in Form von Schulnoten erhobenen<br />
Bewertungen des schulischen Angebotes zu den Bereichen Berufswahl, Bewerbung, Eignungstests<br />
<strong>und</strong> Vorstellungsgespräche als Durchschnittsnoten für die verschiedenen Schulen<br />
wieder. Die Abbildungen belegen dreierlei:<br />
Erstens bestehen beträchtliche Differenzen bezüglich des Umfanges, in dem die vier verschiedenen<br />
Bereiche in allen Schulen behandelt werden. Dies belegt die unterschiedliche<br />
Höhe der Gesamtmittelwerte über alle Befragten in den vier Bereichen: Bei der Vorbereitung<br />
auf die Berufswahl geben die Befragten ihren Schulen im Schnitt eine 3+ (Mittelwert=2,64,<br />
Standardabweichung=1,28), das Thema Bewerbung schneidet noch etwas besser ab <strong>und</strong><br />
erhält eine 2- (MW=2,19, Std.-abw.=1,20). Das Schreiben von Bewerbungen ist fest in den<br />
Lehrplänen der Schulen verankert <strong>und</strong> wird konkret im Unterricht geübt. Die Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler fühlen sie sich daher in diesem Bereich auch relativ gut vorbereitet. Auch die<br />
Berufswahl ist spätestens seit der neunten Klasse Thema im Unterricht. Dennoch bleiben<br />
hier Unsicherheiten, die die etwas schlechtere Benotung verständlich werden lassen. Im<br />
Durchschnitt deutlich schlechter beurteilen die Schüler dagegen die Vorbereitung auf Eignungstests<br />
(MW=3,27, Std.-abw.=1,46) <strong>und</strong> auf Vorstellungsgespräche (MW=3,18, Std.abw.=1,55),<br />
die jeweils nur eine 3- erhalten. Diese werden offenbar nicht oder nur im Unterricht<br />
weniger Schulen thematisiert, was die Schüler als Defizit empfinden.<br />
Zweitens lassen sich in allen vier Bereichen signifikante Zusammenhänge zwischen der besuchten<br />
Schule <strong>und</strong> der Schülerbewertung der schulischen Vorbereitung auf die spezifischen<br />
Anforderungen an die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler feststellen. Nimmt man die Bewertung<br />
durch die Schüler für die Tatsache, dann bestehen zwischen den Schulen beträchtliche Unterschiede<br />
im Hinblick auf die Angebote zur Vorbereitung auf Berufswahl, Bewerbung, Einstellungstests<br />
<strong>und</strong> Vorstellungsgespräche. Während einige Schulen im Urteil ihrer Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler in allen vier Bereichen überdurchschnittlich benotet werden, findet man auf<br />
der anderen Seite auch Schulen, die hier durchgängig schlechte Zensuren erhalten.<br />
184
Abbildung 13 Bewertung des schulischen Angebotes zur Vorbereitung auf Berufswahl, Bewerbungen,<br />
Eignungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche: Durchschnittnoten für<br />
die einzelnen Schulen<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
Berufswahl<br />
9<br />
11 13 15 17 19 21 23<br />
10 12 14 16 18 20 22<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
185<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
Bewerbung<br />
9<br />
11 13 15 17 19 21 23<br />
10 12 14 16 18 20 22<br />
Eta = ,262 (Eta² = ,069); Signifikanz F: p
Drittens fällt auf, dass die Differenzen zwischen Schulen bei der Vorbereitung auf Eignungstests<br />
<strong>und</strong> auf Vorstellungsgespräche wesentlich stärker ausgeprägt als bei den im „normalen“<br />
Curriculum verankerten Themen Berufswahlvorbereitung <strong>und</strong> Bewerbung sind. Der Vergleich<br />
der Gesamtmittelwerte hat gezeigt, dass die schulischen Angebote zur Vorbereitung<br />
auf Eignungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche von den Schülern im Schnitt als wesentlich<br />
defizitärer empf<strong>und</strong>en werden als die Angebote zu den beiden anderen Bereichen. Der Vergleich<br />
der Durchschnittswerte der Schulen <strong>und</strong> die Höhe der Eta-Koeffizienten belegt nun,<br />
dass sich die Angebote zu den Themen Eignungstests (Eta= ,45) <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche<br />
(Eta= ,42) zwischen den verschiedenen Schulen sehr viel stärker als zu den Themen Berufswahl<br />
(Eta= ,26) <strong>und</strong> Bewerbung (Eta= ,24) unterscheiden.<br />
Insgesamt belegen die Daten deutliche Unterschiede bei der schulischen Berufsorientierung<br />
<strong>und</strong> Vorbereitung auf den Berufseinstieg zwischen den teilnehmenden Schulen. Das belegen<br />
eine Reihe von Indikatoren: So unterscheidet sich die Zahl der von den Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schülern genutzten Informationsquellen auch bei Kontrolle des Erhebungszeitpunktes zwischen<br />
den einzelnen Schulen (vgl. Abschnitt 5.2), was darauf hinweist, dass die Schüler in<br />
unterschiedlichem <strong>Aus</strong>maß an verschiedene Informationsquellen herangeführt werden. Dies<br />
belegt auch eine Regression (Tabelle A3 im Anhang), bei der u.a. die einzelnen Schulen als<br />
Prädiktorvariablen eingesetzt wurden. In dieselbe Richtung weisen auch die Zusammenhänge<br />
zwischen den Schulen <strong>und</strong> dem Grad an selbst berichteter Informiertheit in verschieden<br />
für die Berufswahl relevanten Themenfeldern (Abschnitt 5.3). Beides spiegelt sich im durchschnittlichen<br />
Urteil der Schüler über die Unterstützung durch die Lehrer (Abbildung 12) <strong>und</strong><br />
die Vorbereitung auf die Berufswahl (Abbildung 13) wider. Darüber hinaus bestehen zwischen<br />
den Schulen auch signifikante Unterschiede hinsichtlich der konkreten Vorbereitung<br />
auf den Einstieg in eine <strong>Aus</strong>bildung, die sich schwächer in Bereichen, die - wie das Erstellen<br />
einer Bewerbung - im Lehrplan verankert sind, wirken, aber sich umso stärker bei darüber<br />
hinausgehenden Themen, wie die Vorbereitung auf Einstellungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche<br />
bemerkbar machen.<br />
Um zu ermitteln, inwieweit die unterschiedlichen Bewertungen der Schulen (Variablengruppe<br />
I) durch Unterschiede in der Schülerschaft mit verursacht werden, werden in einer Regression<br />
der Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung das Bildungsniveau der Eltern <strong>und</strong> der<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sowie die Geschlechtszugehörigkeit als<br />
individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale (Variablengruppe II) kontrolliert. Als zusätzliche Merkmale<br />
auf personaler Ebene sollen in der Analyse die generelle Einstellung zur Schule <strong>und</strong> das<br />
Leistungsvermögen (Variablengruppe III) kontrolliert werden. Als Indikator für die generelle<br />
Einstellung zur Schule wird in der Analyse die Zustimmung zu der <strong>Aus</strong>sage, gerne zur Schule<br />
zu gehen, berücksichtigt. Indikatoren des Leistungsvermögens sind der Notendurchschnitt<br />
in den drei Fächern Deutsch, Englisch <strong>und</strong> Mathematik <strong>und</strong> die drei Variablen zur Lesepraxis<br />
186
(Bücher zur Unterhaltung, Sachbücher <strong>und</strong> Tageszeitung), die eine generelle Vertrautheit im<br />
Umgang mit der Beschaffung <strong>und</strong> Bewertung von Informationen indizieren. Eine vierte Variablengruppe<br />
stellt das Bewusstsein der Unterstützung durch Lehrer bei der Vorbereitung auf<br />
den Beruf das <strong>Aus</strong>maß <strong>und</strong> die Qualität der subjektiv verfügbaren Informationen zum Thema<br />
Berufswahl dar. Als Variablengruppe IV werden die Anzahl der genutzten Informationsquellen<br />
(vgl. Abschnitt 5.2), die Unterstützung durch die Lehrer bei der Entscheidungsfindung<br />
(vgl. Abbildung 12) sowie der subjektiv Grad der Informiertheit über bestimmte Dimensionen<br />
der Berufswahl (vgl. Abbildung 9) in der Regressionsgleichung berücksichtigt. Sie sollten die<br />
Bewertung der schulischen Vorbereitung auf den Einstieg in eine Berufsausbildung positiv<br />
beeinflussen.<br />
Zielvariable der in Tabelle 22 wiedergegebenen Regressionsanalyse ist der Mittelwert der<br />
Bewertungen zu den vier spezifischen Bereichen schulischer Berufsvorbereitung (Vorbereitung<br />
auf Berufswahl, Bewerbung, Eignungstest <strong>und</strong> Vorstellungsgespräch). Die Einzelnoten<br />
interkorrelieren relativ hoch (zwischen r = ,46 <strong>und</strong> r = ,62), so dass es gerechtfertig erscheint,<br />
ihren Mittelwert als einen reliablen Indikator für die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung<br />
durch die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler anzusehen. 33 Im Tabellenanhang werden darüber<br />
hinaus die zusätzlich berechneten Regressionsanalysen mit den vier bereichsspezifischen<br />
Einzelindikatoren als Zielvariablen dokumentiert. Da es sich um Größen handelt, die<br />
auf der von (1) „sehr gut“ bis (6) „ungenügend“ reichenden Schulnotenskala gemessen werden,<br />
wurden die Zielvariablen der Regressionsrechnungen zusätzlich mit (-1) multipliziert.<br />
Diese Umpolung der Zielvariablen erleichtert die Interpretation der Koeffizienten, weil so positive<br />
Koeffizienten i.d.R. eine Verbesserung der Bewertung indizieren. 34<br />
33 Der Reliabilitätskoeffizient Cronbach’s α liegt bei α = ,802.<br />
34 In gleicher Weise wurden durch Multiplikation mit (-1) in den Regressionen die folgenden Prädiktorvariablen<br />
zum Zwecke einer erleichterten Interpretation umgepolt: der Notendurchschnitt im Deutsch, Mathematik <strong>und</strong><br />
Englisch (hohe Werte: gute Noten), die Zustimmung/Ablehnung zu den <strong>Aus</strong>sagen „Ich gehe gerne zur Schule“<br />
<strong>und</strong> „Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal mach, helfen mir meine Lehrer“ (hohe Werte hier:<br />
Zustimmung) <strong>und</strong> der Grad der Informiertheit zu verschiedenen Dimensionen der Berufswahl (hohe Werte hier:<br />
ausführlichere Informationen).<br />
187
Tabelle 22 Regression der schulischen Berufsvorbereitung im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale<br />
Regressionskoeffizienten<br />
Unstandardisiert B Standardisiert Beta Signifikanz<br />
(Konstante)<br />
I Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />
-2,969 ,000<br />
1 ,046 ,007 ,813<br />
2 ,554 ,151 ,000<br />
3 ,552 ,102 ,001<br />
4 ,867 ,180 ,000<br />
5 ,823 ,118 ,000<br />
6 1,331 ,131 ,000<br />
7 ,872 ,163 ,000<br />
8 ,414 ,078 ,012<br />
9 ,235 ,033 ,248<br />
10 1,025 ,092 ,001<br />
11 ,076 ,011 ,708<br />
12 ,223 ,040 ,184<br />
13 -,566 -,081 ,004<br />
14 ,248 ,050 ,110<br />
15 ,117 ,020 ,499<br />
16 -,089 -,017 ,577<br />
17 ,271 ,040 ,158<br />
18 ,343 ,043 ,118<br />
19 ,814 ,155 ,000<br />
21 ,995 ,239 ,000<br />
22 ,912 ,225 ,000<br />
23<br />
II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />
,223 ,071 ,066<br />
Geschlecht: Frau<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie: Kein Migrationshintergr<strong>und</strong>)<br />
-,037 -,017 ,509<br />
Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />
Deutsch als Umgangssprache<br />
-,003 -,001 ,975<br />
Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,148 ,029 ,268<br />
Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />
Höchster Schulabschluss Eltern (Basiskategorie: Fachabitur / Abitur)<br />
,008 ,002 ,941<br />
Mittlere Reife ,203 ,087 ,009<br />
Hauptschule ,229 ,095 ,004<br />
Anderer oder kein Schulabschluss ,244 ,054 ,071<br />
Weiß nicht<br />
III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />
,211 ,078 ,016<br />
Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung *(-1) ,078 ,085 ,002<br />
Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch *(-1)<br />
Lesepraxis<br />
-,112 -,062 ,017<br />
Bücher zur Unterhaltung ,035 ,047 ,124<br />
Sachbücher ,016 ,019 ,530<br />
Tageszeitungen<br />
IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />
,017 ,022 ,403<br />
Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />
<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />
,032 ,123 ,000<br />
Tätigkeiten im Beruf *(-1) ,053 ,043 ,178<br />
Eingangsvoraussetzungen? *(-1) -,045 -,043 ,163<br />
Körperliche Anforderungen? *(-1) ,041 ,040 ,238<br />
Geistige Anforderungen? *(-1) -,025 -,024 ,473<br />
Arbeitszeiten? *(-1) ,086 ,098 ,001<br />
Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? *(-1) -,042 -,051 ,222<br />
Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? *(-1) ,031 ,038 ,366<br />
Sicherheit der beruflichen Zukunft? *(-1) -,018 -,020 ,524<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? *(-1) ,047 ,054 ,073<br />
Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />
mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung *(-1)<br />
,259 ,316 ,000<br />
Variablen im Modell: I+II+III+IV R² = ,375 (R² korrigiert: ,348) F = 13,744 Sig. F = ,000 N = 1099<br />
Variablen im Modell: I R² = ,165 (R² korrigiert: ,151) F = 11,784 Sig. F = ,000 N = 1339<br />
Variablen im Modell: I +II R² = ,181 (R² korrigiert: ,161) F = 9,112 Sig. F = ,000 N = 1271<br />
Variablen im Modell: I +II+III R² = ,240 (R² korrigiert: ,217) F = 10,684 Sig. F = ,000 N = 1222<br />
Variablen im Modell: I +II+IV R² = ,358 (R² korrigiert: ,334) F = 14,910 Sig. F = ,000 N = 1138<br />
Anmerkungen: Zielvariable Mittlere Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung: Mittelwert der Schulnoten zu den vier spezifischen Bereichen<br />
schulischer Berufsvorbereitung (Vorbereitung auf Berufswahl, Bewerbung, Eignungstest <strong>und</strong> Vorstellungsgespräch) mit (-1) multipliziert. Wurde<br />
bei Prädiktoren die Richtung der Kodierung abweichend vom Kodeplan umgepolt, so wird dies durch (-1) hinter der Bezeichnung angezeigt. Zu<br />
den <strong>Aus</strong>prägungen der unabhängigen Variablen vgl. die Abbildungen 6 bis 8. Im Unterschied zur Abbildung 7 ist der Notendurchschnitt nicht<br />
ger<strong>und</strong>et. Die Berechnungen basieren nur auf Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres befragt wurden.<br />
188
Das Gesamtmodell hat mit einem Anteil von 37,5 Prozent erklärter Varianz einen vergleichsweise<br />
hohen Erklärungswert. Die Ergebnisse der Regressionsanalyse belegen, dass<br />
auch bei Kontrolle individueller Hintergr<strong>und</strong>merkmale, der Einstellungen zur Schule <strong>und</strong> des<br />
Leistungsvermögens sowie der im Prozess der Berufswahl genutzten Informationen <strong>und</strong> der<br />
erfahrenen Unterstützung durch Lehrer signifikante <strong>und</strong> starke Einflüsse der besuchten<br />
Schulen auf die Bewertung der Berufsvorbereitung in den Schulen durch ihre Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler bestehen bleiben. Rechnet man ein Modell, das nur die Schulen enthalt, dann<br />
werden bereits 16,5 Prozent der Varianz der Bewertung erklärt. Die Effekte in diesem hier<br />
aus Platzgründen nicht wiedergegebenen Minimalmodell unterscheiden sich strukturell nicht<br />
von den in Tabelle 22 präsentierten Koeffizienten; sie sind in der Regel allerdings etwas stärker<br />
ausgeprägt.<br />
Unter den Variablen zu den individuellen Hintergr<strong>und</strong>merkmalen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
vermögen sowohl die Geschlechtszugehörigkeit als auch der Migrationshintergr<strong>und</strong> die<br />
Bewertung nicht zu beeinflussen. Anders verhält es sich mit dem höchsten Schulabschluss<br />
der Eltern: Verglichen mit einer Herkunftsfamilie, in der mindestens ein Elternteil Fachabitur<br />
oder Abitur hat, steigt die Bewertung in allen untersuchten Bildungsgruppen gleichermaßen.<br />
Wenn ein Angebot von verschiedenen Gruppen unterschiedlich bewertet wird, dann muss<br />
die Ursache im unterschiedlichen Anspruchsniveau dieser Gruppen liegen. Offenbar haben<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die aus einem Elternhaus mit hohem formalem Bildungsniveau<br />
kommen, höhere Ansprüche an die Angebote der schulischen Berufsvorbereitung als ihre<br />
Mitschüler. Die hier berücksichtigten individuellen Hintergr<strong>und</strong>smerkmale liefern nur einen<br />
geringen zusätzlichen Anteil an erklärter Varianz: Verglichen mit dem Modell, das nur die<br />
Schulen enthält, steigt die erklärte Varianz gerade einmal um 1,6 Prozentpunkte auf 18,1<br />
Prozent.<br />
In ähnlicher Weise wie das formale Bildungsniveau des Elternhauses wird vermutlich auch<br />
der signifikante negative Effekt der Durchschnittsnote in den drei Fächern Deutsch, Englisch<br />
<strong>und</strong> Mathematik (in der Analyse wie die Zielvariable mit dem Faktor -1 multipliziert) durch<br />
höhere Ansprüche verursacht. Bessere Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler erwarten offenbar auch<br />
mehr von ihrer Schule.<br />
Mit der Zustimmung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu der <strong>Aus</strong>sage, gerne zur Schule zu gehen,<br />
steigt auch deren Bewertung des Angebotes der Schule zur Berufsvorbereitung. Dies<br />
kann als ein <strong>Aus</strong>strahlungseffekt der allgemeinen Bewertung der Schule <strong>und</strong> ihres Angebotes<br />
auf die Bewertung ihres spezifischen Angebotes zur Berufsvorbereitung interpretiert werden.<br />
Die drei Indikatoren zur Lesepraxis, die einen positiven Einfluss auf die Zahl der im Prozess<br />
der Berufswahl genutzten Informationen, haben dagegen keinen eigenständigen Effekt<br />
auf die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung. Insgesamt ist der Effekt der Variablengruppe<br />
III (Einstellungen zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen) gering: Verzichtet man<br />
189
auf sie <strong>und</strong> rechnet ein Modell, das nur die Variablengruppen I, II <strong>und</strong> IV enthält, dann sinkt<br />
die erklärte Varianz gegenüber dem Gesamtmodell nur geringfügig auf 35,8 Prozent. Insgesamt<br />
haben die Einstellungen zur Schule <strong>und</strong> das individuelle Leistungsvermögen also nur<br />
einen geringen Einfluss auf die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung.<br />
Nur schwache <strong>und</strong> in der Richtung uneinheitliche Effekte hat der Grad der <strong>Aus</strong>führlichkeit, in<br />
dem sich Schüler zu verschiedenen Dimensionen der Berufswahl informiert glauben. Berücksichtigt<br />
man die systematischen <strong>und</strong> durchgängigen Zusammenhänge dieser Variablen<br />
mit der besuchten Schule (vgl. Tabelle 21), dann ist offensichtlich, dass diese Effekte bereits<br />
in den direkten Effekten der Schulen enthalten sind. Mit der Zahl der im Berufswahlprozess<br />
von den Jugendlichen genutzten Informationsquellen verhält es sich dagegen offenbar anders.<br />
Sie hat einen signifikanten positiven Effekt auf die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung.<br />
Der Umfang, in dem Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler durch ihre Lehrer an eine Vielzahl<br />
von Informationsquellen herangeführt <strong>und</strong> in deren Nutzung unterstützt wurden, wirkt<br />
sich direkt positiv auf ihre Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung aus. Dies gilt in<br />
noch wesentlich stärkerem Maße für die erfahrene persönliche Unterstützung durch Lehrer.<br />
Je stärker die Befragten der <strong>Aus</strong>sage „Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />
mach, helfen mir meine Lehrer“ zustimmen, umso bessere Noten erhält die Berufsvorbereitung<br />
in der Schule. Angesichts der Tatsache, dass bereits die Schulen kontrolliert sind,<br />
überraschen diese Effekte in ihrer Höhe. Aber sie weisen eindruckvoll auf die Bedeutung von<br />
zwei unterschiedlichen Ebenen hin. Es wichtig ist, mit welchem Konzept die Schule als solche<br />
sich der Berufsvorbereitung annimmt – dies erklärt die Schuleffekte, aber es hängt auch<br />
in starkem Maße vom persönlichen Engagement der einzelnen in direktem Kontakt mit den<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern stehenden Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer ab, inwieweit die schulische<br />
Berufsvorbereitung aus der Perspektive der Betroffenen erfolgreich ist.<br />
6 Rückblick auf die Analysen <strong>und</strong> Resümee<br />
Die Analysen haben gezeigt, dass sich die im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres befragten<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler von Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen der Stadt Duisburg <strong>und</strong> der<br />
Landkreise Wesel <strong>und</strong> Kleve durchgängig darauf freuen, durch das Erlernen eines Berufs<br />
<strong>und</strong> den Eintritt ins Berufsleben ihr Leben selbständig zu gestalten. Aber sie wissen auch,<br />
dass ihre Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt ungünstig sind. Gefragt, was sie voraussichtlich<br />
nach dem Abschluss der der Schul tun werden, erwartet nur eine Minderheit, sich dann<br />
in einer Berufsausbildung zu befinden, während eine relativ große Gruppe angibt, weiter zur<br />
Schule zu gehen. Vergleichsweise groß ist auch die Gruppe, die zum Zeitpunkt der Befragung<br />
zu dieser Frage noch keine Angaben machen kann. Untersucht man den Hintergr<strong>und</strong><br />
der Erwartungen bzw. Entscheidung etwas genauer, dann wird deutlich, dass auch wenn<br />
190
Faktoren, wie u.a. das Geschlecht, der Migrationshintergr<strong>und</strong>, die besuchte Schulform <strong>und</strong><br />
die Schulleistungen kontrolliert werden, die Erwartung/Entscheidung zugunsten eines weiteren<br />
Schulbesuches durch das Bildungsniveau des Elternhauses beeinflusst wird. Ein positiver<br />
Effekt auf die Entscheidung zugunsten eines weiteren Schulbesuchs ist auch für die<br />
Schülerinnen nachzuweisen, deren Anteil nicht nur mit dem Niveau der besuchten Schule<br />
steigt, sondern die danach auch signifikant häufiger als ihre männlichen Mitschüler einen<br />
weiteren Schulbesuch anstreben. Interessanterweise erwarten oder planen bei Kontrolle der<br />
genannten Faktoren die Befragten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> signifikant häufiger als ihre<br />
deutschen Mitschüler weiter zur Schule zu gehen, was zumindest teilweise auf ihre schlechteren<br />
Chancen auf einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz im dualen System zurückzuführen sein dürfte.<br />
Die Entscheidung, weiter zur Schule zu gehen, kann auf ein höheres Aspirationsniveau, bei<br />
dem der angestrebte Beruf nicht mit dem Abschluss, der am Ende der Sek<strong>und</strong>arstufe I in der<br />
aktuell besuchten Schule erreichbar ist, hinweisen. Die Daten liefern Belege dafür, dass dies<br />
tatsächlich ein häufiges Motiv ist, das allerdings mit sinkendem Abschlussniveau der besuchten<br />
Schulform an Bedeutung verliert. Sehr weit verbreitet aber ist auch der umgekehrte Fall,<br />
dass ein weiterer Schulbesuch aus Sicht der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nur eine zweite Wahl<br />
darstellt, zu der sie sich gezwungen sehen, weil die Chancen auf eine eigentlich angestrebte<br />
<strong>Aus</strong>bildungsstelle als sehr gering eingeschätzt werden. Dies gilt nicht nur für „klassische“<br />
Warteschleifen, wie das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr oder einjährige Berufsfachschulen, sondern<br />
auch fast 40 Prozent der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angeben, eine zweijährige Berufsfachschule<br />
oder eine Fachoberschule zu besuchen, <strong>und</strong> sogar 14 Prozent der Gruppe, die in<br />
die gymnasiale Oberstufe einer Gesamtschule oder des Gymnasiums wechseln wird, sagen,<br />
dass sie eigentlich lieber eine Berufsausbildung absolvieren würden. Auch an dieser Stelle<br />
werden höhere Aspirationen der Mädchen deutlich: In einem multivariaten Modell hat neben<br />
dem erwartbar starken positiven Effekt der voraussichtlich besuchten Schulform nur die Geschlechtszugehörigkeit<br />
einen signifikanten (negativen) Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass der weitere Schulbesuch nur eine zweite Wahl angesichts der Wahrnehmung, auf dem<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt chancenlos zu sein, darstellt. Für die Schülerinnen stellt der weitere<br />
Schulbesuch signifikant häufiger als für männliche Schüler die erste Wahl dar, was wiederum<br />
auch mit geschlechtspezifischen Berufswünschen zusammenhängt. Keine Einflüsse sind<br />
dagegen in diesem Modell für das Bildungsniveau der Eltern, den Migrationshintergr<strong>und</strong>, die<br />
regionale Herkunft, den Notendurchschnitt des letzten Zeugnisses <strong>und</strong> den Zeitpunkt der<br />
Erhebung nachzuweisen.<br />
Die Anziehungskraft einer dualen Berufsausbildung ist nach wie vor groß: Knapp drei Viertel<br />
der Befragten, die davon ausgehen, nach der Schule eine <strong>Aus</strong>bildung zu absolvieren, streben<br />
eine betriebliche <strong>Aus</strong>bildung an. Zwei Auffälligkeit sind zu berichten: Erstens liegt der<br />
Anteil, der eine schulische Berufsausbildung oder eine <strong>Aus</strong>bildung im öffentlichen Dienst<br />
191
anstrebt, in Duisburg deutlich höher als in den beiden Landkreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve. Dies<br />
dürfte auf die bessere <strong>Aus</strong>bildungsinfrastruktur <strong>und</strong> die höhere räumliche Verdichtung in<br />
Duisburg zurückzuführen sein, aber es zeigt zugleich, dass entsprechende Angebote, wenn<br />
sie bestehen, auch angenommen werden <strong>und</strong> dazu beitragen können, bestehende Lehrstellenlücken<br />
zu schließen. Zweitens geben Mädchen seltener an, eine <strong>Aus</strong>bildung im dualen<br />
System zu anzustreben. Die bestehende Differenz von r<strong>und</strong> 14 Prozentpunkten ist aber nur<br />
teilweise auf die etwas häufigere Wahl von schulischen Berufsausbildungen zurückzuführen,<br />
sondern auch darauf, dass sich die Jungen schneller festlegen, <strong>und</strong> dadurch natürlich auch<br />
eher mögliche Alternativen – etwa eine schulische Berufsausbildung – ausblenden. Vergleicht<br />
man allerdings die konkreten Berufswünsche, dann konzentrieren diese sich bei den<br />
Schülerinnen nach wie vor stärker als bei ihren männlichen Mitschülern auf relativ wenige<br />
Bereiche.<br />
Gefragt, ob sie Schwierigkeiten erwarten, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz im Wunschberuf zu bekommen,<br />
ergibt sich im Durchschnitt der Befragten das Bild eines stark gedämpften Optimismus,<br />
das allerdings zwischen den verschiedenen Gruppen beträchtlich variiert. Wie realistisch<br />
die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ihre Situation einschätzen, wird deutlich, wenn man<br />
sieht, dass Befragte mit schlechteren Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt auch deutlich<br />
pessimistischer in die Zukunft schauen. Optimistischer schauen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler,<br />
die aus Familien mit hohem Bildungsniveau stammen, die keinen Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
besitzen, männlichen Geschlechts sind, die Realschule besuchen <strong>und</strong> die besseren Schulleistungen<br />
vorzuweisen haben, in ihre Zukunft.<br />
Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nutzen eine Vielzahl – im Schnitt werden knapp 12 genannt –<br />
unterschiedlicher Informationsquellen im Verlauf des Berufsorientierungsprozesses. Fast alle<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben die in den Curricula der der Schulen verankerten <strong>und</strong> deshalb<br />
obligatorischen Betriebspraktika <strong>und</strong> Besuche des Berufsinformationszentrums der Arbeitsagentur<br />
(BIZ) genutzt. Unter den zehn am häufigsten genutzten Informationsquellen<br />
findet man darüber hinaus weitere schriftliche bzw. internetbasierte Informationsangebote<br />
der Arbeitsagentur, sowie die Presse <strong>und</strong> beide Elternteile <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e/Bekannte. Der berufsk<strong>und</strong>liche<br />
Unterricht / das Fach Arbeitslehre <strong>und</strong> persönliche Gespräche mit Lehrern sowie<br />
Betriebsbesichtigungen/Erk<strong>und</strong>ungen fallen aus dieser Spitzengruppe bereits heraus,<br />
werden aber immerhin noch von r<strong>und</strong> der Hälfte der Befragten angegeben. Schaut man sich<br />
allerdings an, wie die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den konkreten Nutzen der unterschiedlichen<br />
Informationsangebote einschätzen, dann ergeben sich beträchtliche Verschiebungen innerhalb<br />
der Rangfolge. An der Spitze stehen zwar auch hier die Betriebspraktika, deren Nutzen<br />
für die persönliche Berufswahl von den Befragten am höchsten bewertet wird, während vor<br />
allem die medialen Informationsangebote der Arbeitsagenturen deutlich zurückfallen. Subjektiv<br />
hoch bewertet werden neben der beruflichen Primärerfahrung eines Praktikums vor allem<br />
192
Informationsquellen, die in Form eines Gespräches die Person <strong>und</strong> die individuelle Situation<br />
der Jugendlichen berücksichtigen. Dazu zählen neben Gesprächen mit Eltern, Geschwistern,<br />
Verwandten auch die Berufsberatung <strong>und</strong> das Gespräch mit Lehrern. Wichtiger <strong>und</strong> subjektiv<br />
hilfreicher als alle medialen Angebote, von Broschüren über Bücher bis hin zum Internet,<br />
sind für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf der einen Seite berufliche Primärerfahrungen <strong>und</strong><br />
auf der anderen Seite Beratungsangebote, bei denen die Person in ihrer Individualität wahrgenommen<br />
wird <strong>und</strong> in einer interaktiven Gesprächssituation die individuellen Interessen <strong>und</strong><br />
Ziele konkretisiert <strong>und</strong> auf die Gegebenheiten der Situation bezogen werden können.<br />
Dennoch ist für einen Erfolg versprechenden Berufsorientierungsprozess die Breite der berücksichtigten<br />
Informationen von besonderer Bedeutung. Nimmt man die Zahl der verschiedenen<br />
benutzten Informationsquellen als Indikator für die Breite der Informationen, dann wird<br />
das Informationsverhalten u.a. von Faktoren, wie der Einstellung zur Schule <strong>und</strong> der Lesepraxis,<br />
positiv beeinflusst. Werden diese Faktoren gemeinsam mit dem Erhebungszeitpunkt,<br />
der aktuell besuchten Schulform, dem Geschlecht, der Familienstruktur, dem Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />
<strong>und</strong> den Pläne für die Zeit nach der aktuell besuchten Schule kontrolliert, dann hat<br />
das Bildungsniveau des Elternhauses keinen signifikanten Effekt mehr auf das Informationsverhalten.<br />
Dies gilt auch für den Migrationshintergr<strong>und</strong> als solchen, der nur bei den Befragten,<br />
bei denen aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass die Umgangssprache im Elternhaus nicht<br />
deutsch ist, sprachliche Defizite zu vermuten sind, die Zahl der genutzten Informationen signifikant<br />
senkt. Offensichtlich sind auch für den Prozess der Berufsorientierung sprachliche<br />
Kompetenzen, zu denen insbesondere Lesekompetenz zählt, von besonderer Bedeutung.<br />
Unabhängig davon zeigt sich auch an dieser Stelle wieder ein Vorteil der Schülerinnen, die<br />
sich offenbar breiter informieren <strong>und</strong> im Schnitt r<strong>und</strong> eine Informationsquelle mehr als ihre<br />
männlichen Mitschüler nutzen. Unabhängig von der individuellen Ebene des Informationsbeschaffungsverhaltens<br />
bestehen aber auch große Differenzen zwischen den einzelnen Schulen,<br />
die ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern offenbar in unterschiedlichem Umfang Zugänge zu<br />
Informationsquellen öffnen. Die Tatsache, dass die Zahl der durchschnittlich von den Befragten<br />
einer Schule genutzten Informationsquellen zwischen 9,7 <strong>und</strong> 13,2 variiert, weist auf ungenutzte<br />
Potenziale in einigen Schulen hin <strong>und</strong> lässt vermuten, dass das Angebot teilweise<br />
noch verbesserungsfähig ist.<br />
Die Jugendlichen sehen sich über inhaltliche Dimensionen der von ihnen in die engere Wahl<br />
genommenen Berufe (berufliche Tätigkeiten, Anforderungen <strong>und</strong> formale Voraussetzungen)<br />
besser informiert, als über Aspekte, wie die <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region oder die<br />
Sicherheit der beruflichen Zukunft. Generell hängt der Grad der subjektiven Informiertheit mit<br />
der Zahl der genutzten Informationsquellen, mit dem Bildungsabschluss der Eltern <strong>und</strong> der<br />
besuchten Schule zusammen, während signifikante Einflüsse der Schulform <strong>und</strong> des Migrationhintergr<strong>und</strong>es<br />
nur bei einigen der erhobenen Aspekte nachweisbar sind. Schülerinnen<br />
193
<strong>und</strong> Schüler mit Migrationshintergr<strong>und</strong> fühlen sich signifikant häufiger als ihre deutschen Mitschüler<br />
über die Tätigkeiten in den sie interessierenden Berufen, deren Eingangsvoraussetzungen<br />
<strong>und</strong> geistige Anforderungen, die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten <strong>und</strong> die Zukunftsperspektiven<br />
der Berufe nur unzureichend informiert.<br />
Die Analysen haben gezeigt, dass zwischen den einzelnen Schulen, sowohl was die Zahl der<br />
genutzten Informationsquellen angeht als auch im Hinblick auf den Grad, zu dem sich die<br />
Schüler bezüglich verschiedener für die Berufswahl relevanter Bereiche informiert sehen,<br />
beträchtliche Unterschiede bestehen. Unterschiede zwischen den Schulen hinsichtlich des<br />
schulischen Angebotes zur Bewältigung des Übergangs in den Beruf werden auch von den<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern gesehen. Gebeten, das schulische Angebot zur Vorbereitung auf<br />
die Berufswahl, die Bewerbung, Einstellungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche mit Schulnoten<br />
zu beurteilen, zeigt sich eine große Varianz der Bewertungen zwischen den Schulen. Auch<br />
wenn in allen vier Bereichen signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen<br />
nachgewiesen werden können, so sind diese doch besonders ausgeprägt hinsichtlich der<br />
Vorbereitung auf Einstellungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche. Im Schnitt sind die Jugendlichen<br />
mit der Vorbereitung auf die Anforderungen in diesen beiden im Bewerbungsprozess<br />
wichtigen Anforderungen ohnehin deutlich weniger zufrieden, als mit dem in den Lehrplänen<br />
stärker verankerten Erlernen des Erstellens einer schriftlichen Bewerbung. Die Daten zeigen<br />
darüber hinaus, dass einige Schulen hier bereits wesentlich weiter sind als andere <strong>und</strong> offenbar<br />
besser in der Lage sind, ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern zu helfen, den Übergang zu<br />
bewältigen. Das gilt auch, wenn Einstellungen zur Schule, Leistungen, Bildungsniveau der<br />
Eltern, Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> andere Faktoren kontrolliert werden. Aber nicht nur das<br />
Angebot der Schule als Institution beeinflusst die Bewertung der schulischen Berufsvorbereitung.<br />
<strong>Aus</strong> Sicht der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler kommt darüber hinaus engagierten Lehrerinnen<br />
<strong>und</strong> Lehrern, von denen die Jugendlichen im Prozess der Berufsorientierung <strong>und</strong> Berufswahl<br />
Unterstützung erfahren, eine besondere Bedeutung zu <strong>und</strong> beeinflusst ihre Bewertung<br />
der schulischen Berufsvorbereitung signifikant.<br />
194
7 Tabellenanhang<br />
Tabelle A 1 Befragte der ersten Erhebungswelle (2005) nach Schulform <strong>und</strong> Region<br />
(unbereinigt)<br />
Region Gesamt<br />
Duisburg Kleve Wesel<br />
Hauptschule Anzahl 231 228 212 671<br />
% von Schulform 34,4 34,0 31,6 100,0<br />
% von Kreis 40,2 69,3 35,5 44,8<br />
% der Gesamtzahl 15,4 15,2 14,1 44,8<br />
Realschule Anzahl 96 101 260 457<br />
% von Schulform 21,0 22,1 56,9,4 100,0<br />
% von Kreis 16,7 30,7 43,6 30,5<br />
% der Gesamtzahl 6,4 6,7 17,3 30,5<br />
Gesamtschule Anzahl 247 0 124 371<br />
% von Schulform 66,6 ,0 33,4 100,0<br />
% von Kreis 43,0 ,0 28,9 24,7<br />
% der Gesamtzahl 16,5 ,0 8,3 24,7<br />
Gesamt Anzahl 574 496 429 1499<br />
% von Schulform 38,3 21,9 39,8 100,0<br />
% von Kreis 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
% der Gesamtzahl 38,3 21,9 39,8 100,0<br />
Tabelle A 2 Herkunftsländer der Mütter von Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Kreis Gesamt<br />
Duisburg Kleve Wesel<br />
Türkei 52,3% 28,8% 27,2% 41,4%<br />
Frühere Sowjetunion <strong>und</strong> Osteuropa 16,3% 47,4% 42,0% 28,9%<br />
Naher <strong>und</strong> mittlerer Osten sowie Nordafrika 14,0% 3,4% 3,7% 9,3%<br />
Andere Länder 3,5% 11,9% 9,9% 6,7%<br />
Früheres Jugoslawien <strong>und</strong> Albanien 7,6% 3,4% 7,4% 6,7%<br />
Griechenland, Italien, Spanien, Portugal 5,2% 1,7% 2,5% 3,8%<br />
BeNeLux, A, CH, GB, F, USA, CA 1,1% 3,4% 7,4% 3,2%<br />
Gesamt Anzahl 172 59 81 312<br />
100% 100% 100% 100%<br />
195
Tabelle A 3 OLS-Regression der Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten Informationsquellen<br />
auf strukturelle <strong>und</strong> individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale (Modell II)<br />
196<br />
Regressionskoeffizienten<br />
B<br />
Unstandardisiert<br />
Beta<br />
Standardisiert Signifikanz<br />
(Konstante)<br />
Schule (Basiskategorie Schule 20)<br />
11,88 ,000<br />
1 -,24 -,01 ,775<br />
2 ,70 ,05 ,228<br />
3 ,27 ,01 ,710<br />
4 -,25 -,01 ,711<br />
5 -,39 -,02 ,642<br />
6 -,18 -,01 ,871<br />
7 1,83 ,08 ,012<br />
8 -,60 -,03 ,408<br />
9 -2,48 -,10 ,002<br />
10 -,45 -,01 ,731<br />
11 ,09 ,00 ,915<br />
12 -1,50 -,07 ,038<br />
13 -1,21 -,04 ,152<br />
14 -1,36 -,07 ,043<br />
15 ,80 ,03 ,292<br />
16 ,05 ,00 ,940<br />
17 -1,02 -,04 ,214<br />
18 -1,73 -,06 ,045<br />
19 ,07 ,00 ,927<br />
21 -,50 -,03 ,418<br />
22 1,12 ,07 ,066<br />
23 ,38 ,03 ,484<br />
Geschlecht (Frau) ,92 ,11 ,000<br />
Familienstruktur: Lebt mit beiden Elternteilen<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />
,32 ,03 ,237<br />
Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />
Deutsch als Umgangssprache<br />
-,08 -,01 ,821<br />
Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch -,67 -,03 ,260<br />
Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />
-1,12 -,07 ,019<br />
Mittlere Reife ,67 ,07 ,045<br />
Hauptschule ,10 ,01 ,768<br />
Anderer oder kein Schulabschluss ,53 ,03 ,351<br />
Weiß nicht<br />
Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Schulleistungen<br />
-,77 -,07 ,041<br />
Ich gehe gerne zur Schule (Zustimmung) ,42 ,12 ,000<br />
Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch (*-1)<br />
Lesepraxis<br />
,27 ,04 ,180<br />
v_171 Bücher zur Unterhaltung ,05 ,02 ,638<br />
v_172 Sachbücher ,32 ,09 ,004<br />
v_174 Tageszeitungen<br />
Pläne für die Zeit nach dem 10. Schuljahr<br />
Berufsausbildung (Basiskategorie)<br />
,29 ,10 ,001<br />
Weiter zur Schule -,59 -,07 ,022<br />
Weiß noch nicht -,73 -,06 ,041<br />
R²= ,151 F= 5,618 Signifikanz F=,000 n= 1235<br />
Anmerkungen: Modell I, bei dem statt der aktuell besuchten Schule der Erhebungszeitpunkt, die Schulform <strong>und</strong> die Region kontrolliert werden,<br />
wird in Tabelle 20 wiedergegeben.<br />
Zu den <strong>Aus</strong>prägungen der unabhängigen Variablen vgl. die Abbildungen 6 bis 8. Im Unterschied zur Abbildung 7 handelt es sich hier um den nicht<br />
ger<strong>und</strong>eten Notendurchschnitt, der aus Darstellungsgründen mit dem Faktor -1 multipliziert wurde. Da in diesem Modell der erst ab September<br />
erhobene Notendurchschnitt als Prädiktorvariable benutzt wird, basieren die Berechnungen nur auf Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die im ersten<br />
Halbjahr des 10. Schuljahres befragt wurden.
Tabelle A 4 Regression der schulischen Vorbereitung auf die Berufswahl im Urteil der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />
Individualmerkmale<br />
Regressionskoeffizienten<br />
B<br />
Beta<br />
Unstandardisiert Standardisiert Signifikanz<br />
(Konstante)<br />
I Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />
-2,440 ,000<br />
1 -,058 -,007 ,809<br />
2 ,429 ,102 ,009<br />
3 ,290 ,046 ,156<br />
4 ,389 ,070 ,040<br />
5 ,737 ,093 ,002<br />
6 ,722 ,061 ,031<br />
7 ,410 ,066 ,044<br />
8 ,402 ,066 ,049<br />
9 ,219 ,027 ,385<br />
10 1,099 ,085 ,004<br />
11 ,019 ,002 ,940<br />
12 ,237 ,037 ,256<br />
13 -,722 -,090 ,003<br />
14 -,010 -,002 ,960<br />
15 ,294 ,043 ,172<br />
16 ,110 ,019 ,576<br />
17 ,383 ,050 ,104<br />
18 ,457 ,051 ,087<br />
19 ,434 ,072 ,029<br />
21 ,427 ,089 ,015<br />
22 ,665 ,142 ,000<br />
23<br />
II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />
,281 ,077 ,062<br />
Geschlecht: Frau<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie: Kein Migrationshintergr<strong>und</strong>)<br />
,008 ,003 ,904<br />
Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />
Deutsch als Umgangssprache<br />
-,066 -,018 ,518<br />
Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,018 ,003 ,915<br />
Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />
,003 ,001 ,980<br />
Mittlere Reife ,187 ,069 ,050<br />
Hauptschule ,246 ,089 ,012<br />
Anderer oder kein Schulabschluss ,145 ,028 ,386<br />
Weiß nicht<br />
III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />
,371 ,118 ,001<br />
Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung (*-1) ,071 ,067 ,021<br />
Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch *(-1)<br />
Lesepraxis<br />
-,171 -,062 ,017<br />
Bücher zur Unterhaltung ,016 ,018 ,579<br />
Sachbücher ,004 ,004 ,895<br />
Tageszeitungen<br />
IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />
-,026 -,030 ,286<br />
Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />
<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />
,036 ,121 ,000<br />
Tätigkeiten im Beruf (*-1) ,041 ,029 ,395<br />
Eingangsvoraussetzungen? (*-1) -,085 -,071 ,031<br />
Körperliche Anforderungen? (*-1)<br />
Geistige Anforderungen? (*-1)<br />
,046<br />
,026<br />
,039<br />
,022<br />
,277<br />
,547<br />
Arbeitszeiten? (*-1) ,059 ,058 ,067<br />
Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? (*-1) -,026 -,027 ,551<br />
Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? (*-1) -,018 -,019 ,665<br />
Sicherheit der beruflichen Zukunft? (*-1) ,051 ,049 ,145<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? (*-1) ,059 ,059 ,070<br />
Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />
mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung (*-1)<br />
,326 ,345 ,000<br />
R² = ,279<br />
Anmerkungen:<br />
F = 8,900 Sig. F = ,000 N = 1106<br />
Zu den <strong>Aus</strong>prägungen der unabhängigen Variablen vgl. die Abbildungen 6 bis 8. Im Unterschied zur Abbildung 7 handelt es sich hier um den nicht<br />
ger<strong>und</strong>eten Notendurchschnitt. Die Berechnungen basieren nur auf Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die im ersten Halbjahr des 10. Schuljahres befragt<br />
wurden. Die Zielvariable wurde mit (-1) multipliziert. Wurde bei Prädiktoren die Richtung der Kodierung abweichend vom Kodeplan umgepolt, so<br />
wird dies durch (-1) hinter der Bezeichnung angezeigt.<br />
197
Tabelle A 5 Regression der schulischen Vorbereitung auf die Erstellung von Bewerbungen<br />
im Urteil der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />
Individualmerkmale<br />
Regressionskoeffizienten<br />
B<br />
Beta<br />
Unstandardisiert Standardisiert Signifikanz<br />
(Konstante)<br />
Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />
-2,555 ,000<br />
1 ,178 ,024 ,462<br />
2 -,124 -,030 ,465<br />
3 ,022 ,004 ,918<br />
4 ,338 ,064 ,081<br />
5 ,499 ,066 ,044<br />
6 ,819 ,072 ,018<br />
7 ,611 ,103 ,004<br />
8 ,305 ,052 ,149<br />
9 ,142 ,018 ,585<br />
10 ,694 ,056 ,073<br />
11 -,307 -,040 ,237<br />
12 ,026 ,004 ,904<br />
13 -,643 -,083 ,010<br />
14 ,036 ,007 ,854<br />
15 ,389 ,059 ,079<br />
16 -,127 -,022 ,529<br />
17 -,215 -,029 ,374<br />
18 ,480 ,056 ,081<br />
19 ,321 ,055 ,117<br />
21 ,499 ,108 ,005<br />
22 ,439 ,097 ,013<br />
23<br />
II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />
,249 ,072 ,107<br />
Geschlecht: Frau<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />
,022 ,009 ,758<br />
Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />
Deutsch als Umgangssprache<br />
,021 ,006 ,842<br />
Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,144 ,026 ,401<br />
Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />
Höchster Schulabschluss Eltern (Basiskategorie: Fachabitur / Abitur)<br />
-,014 -,003 ,923<br />
Mittlere Reife ,216 ,084 ,028<br />
Hauptschule ,333 ,125 ,001<br />
Anderer oder kein Schulabschluss ,122 ,024 ,478<br />
Weiß nicht<br />
III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />
,142 ,047 ,204<br />
Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung (*-1) ,030 ,030 ,344<br />
Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch *(-1)<br />
Lesepraxis<br />
-,075 -,037 ,208<br />
Bücher zur Unterhaltung ,023 ,027 ,432<br />
Sachbücher ,012 ,013 ,713<br />
Tageszeitungen<br />
IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />
,061 ,073 ,015<br />
Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />
<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />
,029 ,101 ,001<br />
Tätigkeiten im Beruf (*-1) ,071 ,051 ,159<br />
Eingangsvoraussetzungen? (*-1) -,023 -,020 ,567<br />
Körperliche Anforderungen? (*-1) ,017 ,015 ,698<br />
Geistige Anforderungen? (*-1) -,020 -,018 ,642<br />
Arbeitszeiten? (*-1) ,063 ,065 ,059<br />
Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? (*-1) -,010 -,010 ,826<br />
Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? (*-1) -,019 -,021 ,660<br />
Sicherheit der beruflichen Zukunft? (*-1) -,031 -,031 ,387<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? ,055 ,058 ,097<br />
Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />
mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung (*-1)<br />
,184 ,203 ,000<br />
R² = ,172 F = 4,794 Sig. F = ,000 N = 1109<br />
Anmerkungen: Siehe Tabelle A4<br />
198
Tabelle A 6 Regression der schulischen Vorbereitung auf Einstellungstests im Urteil der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale<br />
Regressionskoeffizienten<br />
B<br />
Beta<br />
Unstandardisiert Standardisiert Signifikanz<br />
(Konstante)<br />
Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />
-3,574 ,000<br />
1 ,037 ,004 ,891<br />
2 1,094 ,219 ,000<br />
3 1,084 ,147 ,000<br />
4 1,284 ,197 ,000<br />
5 1,102 ,116 ,000<br />
6 1,965 ,142 ,000<br />
7 1,109 ,152 ,000<br />
8 -,038 -,005 ,871<br />
9 ,135 ,014 ,643<br />
10 1,502 ,099 ,001<br />
11 ,464 ,049 ,111<br />
12 ,296 ,039 ,219<br />
13 -,182 -,019 ,516<br />
14 ,146 ,022 ,511<br />
15 -,286 -,036 ,247<br />
16 -,235 -,034 ,299<br />
17 ,400 ,044 ,145<br />
18 -,232 -,021 ,459<br />
19 1,499 ,210 ,000<br />
21 1,315 ,231 ,000<br />
22 1,208 ,219 ,000<br />
23<br />
II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />
,193 ,045 ,264<br />
Geschlecht: Frau<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />
-,093 -,032 ,242<br />
Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />
Deutsch als Umgangssprache<br />
-,056 -,013 ,640<br />
Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,082 ,012 ,669<br />
Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />
-,012 -,002 ,942<br />
Mittlere Reife ,241 ,076 ,029<br />
Hauptschule ,214 ,065 ,059<br />
Anderer oder kein Schulabschluss ,226 ,036 ,243<br />
Weiß nicht<br />
III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />
,272 ,074 ,030<br />
Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung (*-1) ,095 ,076 ,007<br />
Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch *(-1)<br />
Lesepraxis<br />
-,117 -,048 ,080<br />
Bücher zur Unterhaltung ,057 ,056 ,077<br />
Sachbücher ,029 ,025 ,433<br />
Tageszeitungen<br />
IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />
,006 ,006 ,819<br />
Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />
<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />
,029 ,084 ,003<br />
Tätigkeiten im Beruf(*-1) ,030 ,018 ,596<br />
Eingangsvoraussetzungen? (*-1) ,013 ,009 ,773<br />
Körperliche Anforderungen? (*-1) -,021 -,015 ,675<br />
Geistige Anforderungen? (*-1) ,014 ,010 ,769<br />
Arbeitszeiten? (*-1) ,079 ,066 ,034<br />
Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? (*-1) -,059 -,052 ,231<br />
Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? (*-1) ,090 ,081 ,063<br />
Sicherheit der beruflichen Zukunft? (*-1) -,042 -,035 ,296<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? (*-1) ,045 ,039 ,222<br />
Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />
mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung (*-1)<br />
,226 ,203 ,000<br />
R² = ,311 F = 10,342 Sig. F = ,000 N = 1103<br />
Anmerkungen: Siehe Tabelle A4<br />
199
Tabelle A 7 Regression der schulischen Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche im Urteil<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale<br />
Regressionskoeffizienten<br />
B<br />
Beta<br />
Unstandardisiert Standardisiert Signifikanz<br />
(Konstante)<br />
Schule (Basiskategorie: Schule 20)<br />
-3,328 ,000<br />
1 -,051 -,005 ,857<br />
2 ,702 ,132 ,000<br />
3 ,806 ,103 ,001<br />
4 1,495 ,216 ,000<br />
5 ,820 ,081 ,006<br />
6 1,801 ,122 ,000<br />
7 1,351 ,175 ,000<br />
8 ,978 ,128 ,000<br />
9 ,423 ,041 ,165<br />
10 ,753 ,047 ,098<br />
11 ,114 ,011 ,707<br />
12 ,319 ,039 ,205<br />
13 -,743 -,074 ,012<br />
14 ,919 ,130 ,000<br />
15 ,063 ,007 ,809<br />
16 -,093 -,013 ,695<br />
17 ,673 ,070 ,018<br />
18 ,636 ,057 ,049<br />
19 ,989 ,131 ,000<br />
21 1,745 ,289 ,000<br />
22 1,334 ,227 ,000<br />
23<br />
II Individuelle Hintergr<strong>und</strong>merkmale<br />
,164 ,036 ,367<br />
Geschlecht: Frau<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Kein Migrationshintergr<strong>und</strong> (Basiskategorie)<br />
-,041 -,013 ,621<br />
Mindestens ein Elternteil Migrant, zuhause<br />
Deutsch als Umgangssprache<br />
,078 ,017 ,533<br />
Im <strong>Aus</strong>land geboren, zuhause Deutsch ,364 ,050 ,070<br />
Zuhause nicht Deutsch als Umgangssprache<br />
Höchster Schulabschluss Eltern<br />
Fachabitur / Abitur (Basiskategorie)<br />
,068 ,011 ,689<br />
Mittlere Reife ,155 ,046 ,179<br />
Hauptschule ,096 ,028 ,419<br />
Anderer oder kein Schulabschluss ,517 ,078 ,011<br />
Weiß nicht<br />
III Einstellung zur Schule <strong>und</strong> Leistungsvermögen<br />
,102 ,026 ,437<br />
Ich gehe gerne zur Schule: Zustimmung (*-1) ,100 ,076 ,007<br />
Notendurchschnitt Deutsch, Mathe, Englisch (*-1)<br />
Lesepraxis<br />
-,072 -,028 ,304<br />
Bücher zur Unterhaltung ,028 ,026 ,401<br />
Sachbücher ,013 ,011 ,732<br />
Tageszeitungen<br />
IV Informationen <strong>und</strong> Unterstützung<br />
,027 ,025 ,357<br />
Anzahl genutzter Informationsmöglichkeiten zur Berufswahl<br />
<strong>Aus</strong>führlichkeit der Informationen zu…<br />
,035 ,095 ,001<br />
Tätigkeiten im Beruf (*-1) ,024 ,013 ,688<br />
Eingangsvoraussetzungen? (*-1) -,079 -,053 ,096<br />
Körperliche Anforderungen? (*-1) ,146 ,100 ,004<br />
Geistige Anforderungen? (*-1) -,109 -,074 ,035<br />
Arbeitszeiten? (*-1) ,142 ,112 ,000<br />
Bezahlung während der <strong>Aus</strong>bildung? (*-1) -,052 -,043 ,314<br />
Bezahlung nach <strong>Aus</strong>bildungsabschluss? (*-1) ,043 ,037 ,393<br />
Sicherheit der beruflichen Zukunft? (*-1) -,035 -,027 ,415<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region? (*-1) ,020 ,016 ,608<br />
Bei der Entscheidung, was ich nach der Schule einmal<br />
mache, helfen mir meine Lehrer: Zustimmung (*-1)<br />
,293 ,248 ,000<br />
R² = ,326 F = 11,138 Sig. F = ,000 N = 1106<br />
Anmerkungen: Siehe Tabelle A4<br />
200
8 Verzeichnis der Abbildungen<br />
Abbildung 1 Notendurchschnitt der Fächer Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch im letzten<br />
Zeugnis <strong>und</strong> die Pläne für die Zeit nach der Schule..................................................... 122<br />
Abbildung 2 Anzahl der genannten Berufswünsche: Verteilung <strong>und</strong> Mittelwerte............................. 145<br />
Abbildung 3 Man kann ja auch einen Beruf erlernen wollen, bei dem man sich relativ wenige<br />
Chancen ausrechnet, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Wie schätzt du die<br />
Chancen bei deinen Berufswünschen ein? .................................................................. 150<br />
Abbildung 4 Glaubst du, dass es schwierig wird, einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz in deinem Wunschberuf<br />
zu bekommen? ............................................................................................................. 151<br />
Abbildung 5 Berufswahl im Zeitverlauf ............................................................................................. 154<br />
Abbildung 6 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Erhebungsmonat, Schulform,<br />
besuchter Schule <strong>und</strong> regionaler Herkunft: Mittelwerte................................................ 162<br />
Abbildung 7 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Geschlecht, Vollständigkeit der<br />
Familie, höchstem Schulabschluss der Eltern <strong>und</strong> dem Migrationshintergr<strong>und</strong>:<br />
Mittelwerte .................................................................................................................... 163<br />
Abbildung 8 Anzahl der genutzten Informationsquellen nach Lesepraxis, dem Notendurchschnitt<br />
in den Fächern Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Englisch sowie der Haltung zur Schule<br />
<strong>und</strong> den Plänen für die Zeit nach der Schule: Mittelwerte............................................ 167<br />
Abbildung 9 Informiertheit: Wenn du jetzt an deine wichtigsten Berufswünsche denkst: Wie<br />
ausführlich hast du dich schon über die folgenden Bereiche informiert?..................... 174<br />
Abbildung 10 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die angeben, über die Eingangsvoraussetzungen der sie<br />
interessierenden Berufe „sehr genau“ oder „genau“ informiert zu sein, differenziert<br />
nach Bildungs- <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> des Elterhauses: Anteile......................... 178<br />
Abbildung 11 Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage: Wie wichtig waren die folgenden Gründe bei deiner<br />
Entscheidung für diesen Beruf? ................................................................................... 180<br />
Abbildung 12 Unterstützung durch Lehrer: Zustimmung bzw. Ablehnung zu der <strong>Aus</strong>sage: „Bei der<br />
Entscheidung, was ich nach der Schule mache, helfen mir meine Lehrer“:<br />
Durchschnittswerte der Schulen................................................................................... 183<br />
Abbildung 13 Bewertung des schulischen Angebotes zur Vorbereitung auf Berufswahl,<br />
Bewerbungen, Eignungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche: Durchschnittnoten<br />
für die einzelnen Schulen ............................................................................................. 185<br />
201
9 Verzeichnis der Tabellen<br />
Tabelle 1 Befragte der ersten Erhebungswelle (2005) nach Schulform <strong>und</strong> Region 107<br />
Tabelle 2 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der 10. Klassen an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />
der Stadt Duisburg <strong>und</strong> der Kreise Kleve <strong>und</strong> Wesel im Schuljahr 2004/05 107<br />
Tabelle 3 Migrationshintergr<strong>und</strong> der befragten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nach Schulform <strong>und</strong><br />
Region 110<br />
Tabelle 4 Herkunft der Väter von Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> 112<br />
Tabelle 5 Geschlechtsspezifik der Bildungsbeteiligung 113<br />
Tabelle 6 Struktur der Herkunftsfamilie 114<br />
Tabelle 7 Höchster Schulabschluss der Eltern nach Schulform der Kinder (Spaltenprozente) 115<br />
Tabelle 8 Wie stehst du zur Notwendigkeit, einen Beruf zu ergreifen? (Differenziert nach<br />
Schulform <strong>und</strong> Geschlecht) 116<br />
Tabelle 9 Was wirst du voraussichtlich nach Abschluss der 10. Klasse tun? 119<br />
Tabelle 10 Berufsausbildung oder weiter zur Schule? Entscheidungsfindung in der ersten Hälfte<br />
des 10. Schuljahres: Logistische Regressionen 126<br />
Tabelle 11 Was für eine Schule wirst du voraussichtlich besuchen? 130<br />
Tabelle 12 Logistische Regressionen des weiteren Schulbesuchs als (I) Höherqualifikation<br />
<strong>und</strong> als berufsvorbereitenden Maßnahme bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern,<br />
die angeben, weiter zur Schule gehen zu wollen* 135<br />
Tabelle 13 Würdest du, statt weiter zur Schule zu gehen, lieber eine Berufsausbildung machen?<br />
137<br />
Tabelle 14 Lieber Berufsausbildung statt weiter zur Schule? (Logistische Regression) 140<br />
Tabelle 15 Wo wirst du voraussichtlich eine Berufsausbildung absolvieren? 142<br />
Tabelle 16 Berufswahl <strong>und</strong> die <strong>Aus</strong>blendung von Alternativen* 143<br />
Tabelle 17 Die 10 häufigsten Berufswünsche nach Geschlecht <strong>und</strong> Schulform 147<br />
Tabelle 18 Wann hast du dich für diesen Beruf entschieden?* 154<br />
Tabelle 19 Nutzung von Informationsquellen im Berufswahlprozess <strong>und</strong> deren subjektive<br />
Bewertung durch die Befragten (geordnet nach der Nutzungshäufigkeit) 157<br />
Tabelle 20 OLS-Regression der Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten<br />
Informationsquellen auf strukturelle <strong>und</strong> individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale: Modell I 170<br />
Tabelle 21 Zusammenhänge mit dem Grad der Informiertheit zu verschiedenen für<br />
die Berufswahl relevanten Bereichen: Signifikanz (CHI²) 177<br />
Tabelle 22 Regression der schulischen Berufsvorbereitung im Urteil der Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale 188<br />
202
10 Tabellen im Anhang<br />
Tabelle A 1 Befragte der ersten Erhebungswelle (2005) nach Schulform <strong>und</strong> Region<br />
(unbereinigt).................................................................................................................. 195<br />
Tabelle A 2 Herkunftsländer der Mütter von Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong> ............................................................................................. 195<br />
Tabelle A 3 OLS-Regression der Anzahl der im Berufswahlprozess genutzten Informationsquellen<br />
auf strukturelle <strong>und</strong> individuelle Hintergr<strong>und</strong>smerkmale (Modell II) ............................. 196<br />
Tabelle A 4 Regression der schulischen Vorbereitung auf die Berufswahl im Urteil der Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte Individualmerkmale .............. 197<br />
Tabelle A 5 Regression der schulischen Vorbereitung auf die Erstellung von Bewerbungen im Urteil<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />
Individualmerkmale....................................................................................................... 198<br />
Tabelle A 6 Regression der schulischen Vorbereitung auf Einstellungstests im Urteil der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />
Individualmerkmale....................................................................................................... 199<br />
Tabelle A 7 Regression der schulischen Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche im Urteil der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf die besuchte Schule <strong>und</strong> ausgesuchte<br />
Individualmerkmale....................................................................................................... 200<br />
203
11 Dokumentenanhang<br />
Fragebogen<br />
Anschreiben an Schulen<br />
Elternbriefe<br />
204
Bianca Goertz<br />
Teil C Transferprozesse benachteiligter Jugendlicher /<br />
Inhalt<br />
Migranten in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung – die<br />
Beurteilung aus Sicht der Akteure<br />
1 Forschungsleitende Fragestellungen <strong>und</strong> methodisches Vorgehen......................207<br />
2 Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation/Strukturwandel .......................................208<br />
2.1 Einschätzung der aktuellen <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation ........................................209<br />
2.2 Gründe für das <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit .................................................................209<br />
2.3 Potenziale..............................................................................................................210<br />
2.4 Verb<strong>und</strong>ausbildung................................................................................................211<br />
2.5 Besonders betroffene Personengruppen...............................................................211<br />
3 Duale <strong>Aus</strong>bildung/Außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung/Vollzeitschulische <strong>und</strong><br />
Berufsvorbereitende Maßnahmen .........................................................................213<br />
3.1 Die regionale Situation im Bereich der schulischen <strong>Aus</strong>bildung............................213<br />
3.2 Qualität der Dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Berufschancen im<br />
Vergleich zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungsformen .......................................................214<br />
3.3 Einschätzung der Arbeitsmarktchancen <strong>und</strong> Erhöhung der <strong>Aus</strong>bildungs-<br />
bereitschaft durch zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe ................................................215<br />
3.4 Berufsvorbereitende Maßnahmen .........................................................................216<br />
3.5 Einschätzung der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ) ..............................217<br />
4 Zielgruppe Benachteiligte/Migranten, Förderkulisse .............................................218<br />
4.1 Einschätzung der Gruppe Jugendlicher die, im Hinblick auf ihre Chancen auf<br />
einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz, als besonders benachteiligt angesehen werden. ...........218<br />
4.2 Chancen <strong>und</strong> Nachteile Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong><br />
kultureller Differenzen............................................................................................219<br />
4.3 Einschätzung der <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen im<br />
Kontext erhöhter Chancen Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong>......................220<br />
4.4 Effizienz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit von Förderprogrammen zum Einstieg in <strong>Aus</strong>bildung220<br />
4.5 Durchführung <strong>und</strong>/oder Beteiligung an Maßnahmen, Programmen oder<br />
Projekten ...............................................................................................................220<br />
4.6 Lücken im Angebot der Benachteiligtenförderung.................................................221<br />
4.7 Entwicklung der öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten ....................................222<br />
4.8 Entkoppelung zwischen <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt durch erhöhten<br />
Fördermitteleinsatz ................................................................................................223<br />
5 Berufswahl, Berufswahlorientierung, Transfer.......................................................223<br />
5.1 Probleme beim Übergang der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong><br />
hieraus resultierdender Handlungsbedarf .............................................................225<br />
5.2 Einschätzung des Angebots berufswahlorientierender Maßnahmen ....................226<br />
5.3 Berufswahlorientierung an allgemein bildenden Schulen......................................226<br />
5.4 Überblick über das Berufswahlspektrum ...............................................................228<br />
5.5 Transparenz existierender Angebote/Informationsgrad der Jugendlichen ............229<br />
5.6 Regionale Prägung des Berufswahlverhaltens......................................................230
5.7 Zeitpunkt der beruflichen Orientierung ..................................................................230<br />
5.8 Einschätzung der Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung, allgemein<br />
bildender <strong>und</strong> beruflicher Schulen <strong>und</strong> Unternehmen ...........................................231<br />
5.9 Nutzen von Praktika ..............................................................................................233<br />
6 Institutionelle Lösungsansätze, Netzwerke, Kooperationen von Schulen mit der<br />
Wirtschaft/Perspektiven <strong>und</strong> Trends......................................................................235<br />
6.1 Regionale Kooperationsbeziehungen Netzwerke..................................................235<br />
6.2 Weitere Kooperationsmöglichkeiten <strong>und</strong> -bedarfe/Probleme bei der<br />
Konstituierung von Netzwerken.............................................................................237<br />
6.3 Verbesserungspotenziale/Unterstützungsbedarf...................................................239<br />
6.4 Probleme ohne kurz- bzw. mittelfristige Lösungsmöglichkeiten ............................240<br />
206
1 Forschungsleitende Fragestellungen <strong>und</strong> methodisches Vorgehen<br />
In Ergänzung der empirischen Erhebung, <strong>Aus</strong>wertung <strong>und</strong> Dokumentation der quantitativen<br />
Daten, die zentrale Ergebnisse zur Beurteilung der aktuellen Lage auf dem Arbeits- <strong>und</strong><br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt der Region der Stadt Duisburg sowie der Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve<br />
eröffnete wurde im Projekt eine qualitative Studie auf Basis leitfadengestützter<br />
Experteninterviews durchgeführt.<br />
Notwendig erschien diese zusätzliche Datenerhebung, da die zur Erklärung der komplexen<br />
Problemzusammenhänge im regionalen Übergangsfeld <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung<br />
herangezogenen quantitativen Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktdaten nur über eine mittlere<br />
Reichweite verfügen <strong>und</strong> damit die <strong>Aus</strong>sagekraft einschränken. Zusätzlich erscheinen<br />
Experteninterviews als Methode der empirischen Sozialforschung vor allem dann<br />
unverzichtbar, wenn es sich bei dem Untersuchungsgegenstand um ein schlecht<br />
strukturiertes Phänomen handelt, welches anhand von Strukturdaten selbst nur mittelbar<br />
erklärt werden kann.<br />
Als Experten wurden die institutionellen Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertretern definiert, die aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer Funktionen <strong>und</strong> Tätigkeiten im Prozess der beruflichen Orientierung <strong>und</strong> -vorbereitung,<br />
aber auch in den Arbeitsfeldern <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung benachteiligter<br />
Jugendlicher/Migranten in der Stadt Duisburg sowie in den Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve über<br />
wertvolle Kenntnisse <strong>und</strong> Erfahrungen verfügen <strong>und</strong> daher für den Erkenntnisgewinn im<br />
Projekt von zentraler Bedeutung waren. Der Blickwinkel der institutionellen Wirklichkeit ergab<br />
empirische Informationen, die in Teilen die Evaluation innovativer Ansätze zur<br />
Berufswahlorientierung <strong>und</strong> -vorbereitung sowie die Untersuchung regionaler Schnittstellen<br />
<strong>und</strong> Strukturen beruflicher Orientierung ermöglichen <strong>und</strong> neue Perspektiven eröffneten.<br />
Insgesamt bildeten mehr als 25 1 leitfadengestützte Experteninterviews mit Vertreterinnen<br />
<strong>und</strong> Vertretern kommunaler Institutionen wie z. B. der Arbeitsagentur, der RAA <strong>und</strong> der<br />
ARGE, regionaler Industrie- <strong>und</strong> Handwerksorganisation (Kammern), Unternehmen, Schulen<br />
<strong>und</strong> Jugendsozialeinrichtungen der Stadt Duisburg sowie der Kreise Wesel <strong>und</strong> Kleve, die<br />
empirische Basis der Untersuchung. Zudem wurden an dieser Stelle auch die Informationen<br />
ausgewertet, die sich durch die aktive Teilnahme der universitären Forschungsgruppe an<br />
formellen Arbeitskreisen wie z. B. den Beiräten Schule <strong>und</strong> Berufe <strong>und</strong> dem Arbeitskreis<br />
Schule/Wirtschaft, regionalen Informationsveranstaltungen <strong>und</strong> Workshops zu dem<br />
Themenfeld ergaben.<br />
1 Ergänzend zu den 25 im Projekt verorteten Experteninterviews wurden Teilbereiche aus 12 weiteren, in<br />
anderen Projektzusammenhängen durchgeführten, Experteninterviews in die Untersuchung einbezogen.<br />
207
Zur Vorbereitung der Experteninterviews wurden sechs thematische Schwerpunkte gesetzt,<br />
die die Themenbereiche:<br />
Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation/Strukturwandel,<br />
Duale <strong>Aus</strong>bildung/Außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung/Vollzeitschulische Maßnahmen <strong>und</strong><br />
Berufsvorbereitende Maßnahmen,<br />
Zielgruppe Benachteiligte/Migranten, Förderkulisse,<br />
Berufswahl, Berufswahlorientierung, Transfer,<br />
institutionelle Lösungsansätze, Netzwerke, Kooperationen von Schulen mit der<br />
Wirtschaft sowie<br />
Perspektiven <strong>und</strong> Trends<br />
behandeln.<br />
<strong>Aus</strong> diesen untersuchungsleitenden Themenfeldern wurde ein Gesprächsleitfaden konzipiert,<br />
der den Bezugsrahmen für alle Interviews bildete. Damit konnte die Vergleichbarkeit der<br />
Ergebnisse der einzelnen Interviews hergestellt werden. Dennoch kristallisierten sich im<br />
Gesprächsverlauf zum Teil unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte heraus, die der<br />
jeweiligen institutionellen Verankerung der Akteure in der Arbeitsmarktregion geschuldet sind<br />
<strong>und</strong> damit je nach Akteur auch unterschiedlich breit <strong>und</strong> intensiv erörtert wurden. Bei der<br />
Interpretation der Ergebnisse bitten wir, diesen Aspekt zu berücksichtigen.<br />
2 Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation/Strukturwandel<br />
Die Einschätzung der augenblicklichen Situation wie auch der prognostischen Entwicklungen<br />
auf dem Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarkt der Untersuchungsregion erfordert eine umfassende<br />
Analyse der Interdependenzen zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf dem<br />
<strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt. Von Interesse war für die Projektgruppe insbesondere die<br />
Einschätzung der allgemeinen <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation in der Region sowie die<br />
Einschätzung der, vom in der Sek<strong>und</strong>äranalyse identifizierten Mismatch, besonders<br />
betroffenen Personengruppen, wobei auch noch einmal der Fokus auf<br />
geschlechtsspezifische Unterschiede gelegt wurde. Im Hinblick auf die immer noch<br />
gegenwärtige Qualifizierungsdebatte <strong>und</strong> in der <strong>Aus</strong>einandersetzung um die konstatierten<br />
Wissensdefizite bei Jugendlichen einerseits <strong>und</strong> den steigenden Anforderungen der Betriebe<br />
andererseits wurde an dieser Stelle auch nach den, aus der Akteursperspektive gesehenen,<br />
Gründen für das momentane <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit sowie der Einschätzung der<br />
Verb<strong>und</strong>ausbildung gefragt.<br />
208
2.1 Einschätzung der aktuellen <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation<br />
Die <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation wird in der gesamten Untersuchungsregion allgemein als<br />
negativ <strong>und</strong> rückläufig bzw. zunehmend schlechter, teilweise auch katastrophal bezeichnet.<br />
Am positivsten sind <strong>Aus</strong>sagen zur „Stagnation“ anzuführen, auch wenn man aus Sicht der<br />
Kammervertreterinnen <strong>und</strong> -vertreter mit der gegenwärtigen Lage zufrieden ist. Benannt<br />
wurde aber auch, dass das Problem der Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzentwicklung<br />
vielschichtig ist. Ohne Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt sei auch<br />
keine Besserung auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt in Sicht. Hinzu kommt, dass sich die<br />
Wiedervereinigung immer noch belastend auswirke, da deren finanzielle Belastungen die<br />
Probleme verschärfen <strong>und</strong> dies im Vergleich zu anderen europäischen Staaten von Nachteil<br />
zu sein scheint.<br />
2.2 Gründe für das <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit<br />
Auf unternehmerischer Seite scheint von der Gesamtsituation das Handwerk, aufgr<strong>und</strong> der<br />
allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Lage, in der Region besonders betroffen zu sein.<br />
Generell wurde aber auf die „magere“ regionale Infrastruktur bzw. auf eine strukturschwache<br />
Region <strong>und</strong> hiermit verb<strong>und</strong>ene wirtschaftliche Argumente verwiesen. <strong>Aus</strong>bildung müsse<br />
sich aus Sicht der Betriebe rechnen, was immer seltener der Fall <strong>und</strong> somit der Hauptgr<strong>und</strong><br />
für die geringe <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft sei. Wenn, dann werde auf Gr<strong>und</strong> der hohen Kosten<br />
nur für den Eigenbedarf ausgebildet. Die gesellschaftliche <strong>und</strong> soziale Verantwortung zähle<br />
nicht. Eine Image-Frage sei die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft nur noch für Großbetriebe. Das<br />
Argument der Nachwuchsgewinnung durch <strong>Aus</strong>bildung gelte bei den hiervon betroffenen<br />
Betrieben ebenfalls nicht mehr.<br />
Gründe für das <strong>Aus</strong>bildungsplatzdefizit werden von den Befragten zudem in gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
nicht ausbildenden Betrieben, dem zunehmenden Konkurs vieler kleinerer Unternehmen (im<br />
Kreis Kleve sind aktuell 33 Jugendliche von einer Insolvenz betroffen) oder auch in der<br />
steigenden Anzahl von 400€-Jobs gesehen. Insbesondere für die Stadt Duisburg galt die<br />
<strong>Aus</strong>sage, dass gerade der Einzelhandel lieber 400 €-Jobber einstelle, da dieser günstiger<br />
<strong>und</strong> qualifizierter seien <strong>und</strong> zudem nicht zur Berufsschule müssen, folglich mehr als drei<br />
Tage in der Woche dem Betrieb zur Verfügung stehen. Genannt wurde jedoch auch die<br />
Verschlechterung der <strong>Aus</strong>bildungsmarktsituation, insbesondere in den letzten drei Jahren,<br />
aufgr<strong>und</strong> der schwindenden Fördermittel <strong>und</strong> der Umstrukturierung des Arbeitsamtes. Ein<br />
weiterer Gr<strong>und</strong> liegt zudem im Abbau der Montanindustrie, durch den regional viele<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplätze weg gebrochen sind. Vor allem auf der rechten Rheinseite könne der<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplatzwegfall durch Zechenschließungen nicht kompensiert werden. Für die Stadt<br />
209
Dinslaken im Kreis Wesel wurde allen voran die Schließung der Zeche Lohberg-Osterfeld<br />
angeführt, die hier ein Drittel aller <strong>Aus</strong>bildungsplätze stellte. Die Kompensation durch die<br />
<strong>Aus</strong>bildung in anderen Unternehmen, überwiegend in den Bereichen Gartenbau <strong>und</strong><br />
Gastronomie, sei nicht immer im ursprünglichen Sinne erfolgreich, da die angespannte<br />
Situation auf dem <strong>Aus</strong>bildungsstellenmarkt von den Unternehmen, die oft um das eigene<br />
Überleben kämpfen, missbraucht werde (billige Arbeitskräfte durch viele <strong>Aus</strong>bildungsplätze).<br />
Anderweitige Vermittlungsversuche wie z. B. die Bereitstellung von 30 <strong>Aus</strong>bildungsplätzen in<br />
überbetrieblicher <strong>Aus</strong>bildung durch die RAG Bildung oder die Akquisition fünf weiterer<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplätze durch die Initiative „Pro <strong>Aus</strong>bildung“ im Rahmen von STARegio wurden<br />
hingegen auf rein politische Gründe im Zusammenhang mit anstehenden Wahlen<br />
zurückgeführt. Besonders kritisch wurde auch der Abbau von <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong><br />
Arbeitsplätzen bei Großunternehmen gesehen, auch wenn diese noch weiterhin <strong>und</strong><br />
teilweise über Bedarf ausbilden.<br />
Neben mangelnder Flexibilität <strong>und</strong> Mobilität, sind auf Seiten der Jugendlichen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsabbrüche <strong>und</strong> Orientierungslosigkeit defizitär belastet. Gleichzeitig steht im<br />
Raum, dass <strong>Aus</strong>sagen über mangelnde Berufsreife oder auch qualifikatorische Mängel als<br />
Begründung einer geringen <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft häufig nur <strong>Aus</strong>reden seien, da es nach<br />
wie vor besser <strong>und</strong> schlechter qualifizierte Jugendliche gäbe. Jedoch wird von den Befragten<br />
auch festgehalten, dass die Vermittlung von Kompetenzen im Bereich „Bewerbung“<br />
insgesamt absolut spärlich sei. Es fehle hier an der Anleitung, wobei die meisten Eltern dabei<br />
wenig Unterstützung geben, es fehlen auch hier hinreichende Kenntnisse.<br />
2.3 Potenziale<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplatzpotenziale werden bei „traditionellen“ Unternehmen <strong>und</strong> allen voran bei<br />
Unternehmen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> gesehen. Das <strong>Aus</strong>bildungspotenzial ausländischer<br />
Unternehmen müsse aktiviert werden. Dabei wurde darauf verwiesen, dass diese Betriebe<br />
die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter nicht nur arbeiten lassen, sondern ihnen auch einen<br />
Abschluss ermöglichen sollen. Den Interviewpartnern zu Folge rekrutieren gerade türkische<br />
Geschäftsleute verstärkt Arbeitskräfte aus der eigenen Familie. Diese Betriebe seien vor<br />
allem im Einzelhandelbereich angesiedelt (Trinkhallen, Imbissbuden etc.), weswegen eine<br />
<strong>Aus</strong>bildung nicht zwingend nötig <strong>und</strong> die Bereitschaft zur <strong>Aus</strong>bildung nicht gegeben sei. Eine<br />
Aufgabe der Politik, so die <strong>Aus</strong>sage, liege daher in der Sensibilisierung für das Thema<br />
<strong>Aus</strong>bildung. Davon werden dann auch besonders Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
profitieren.<br />
210
2.4 Verb<strong>und</strong>ausbildung<br />
Die Verb<strong>und</strong>ausbildung hat nach Angaben der Experten in der Region keine große<br />
Bedeutung. Auch wenn nach <strong>Aus</strong>sagen des Arbeitsministers Laumann die<br />
Verb<strong>und</strong>ausbildung weiter gestützt <strong>und</strong> gefördert werde, so sei sie doch in ihrer quantitativen<br />
<strong>Aus</strong>prägung in der Untersuchungsregion noch unterrepräsentiert. Als problematisch werden<br />
dabei zwei Aspekte hervorgehoben. Zum einen „fürchten“ sich die Betriebe oft vor der<br />
Weitergabe von Betriebsinterna, zum anderen sei außerdem ein gewisser Stolz vorhanden,<br />
den „Jungen“ selbst ausgebildet zu haben. Im Allgemeinen wird die Verb<strong>und</strong>ausbildung im<br />
Rahmen eines funktionierenden externen <strong>Aus</strong>bildungsmanagements jedoch als eine gute<br />
Alternative betrachtet. Dabei kommen zwei Varianten in Frage: erstens die herkömmliche<br />
betriebliche Verb<strong>und</strong>ausbildung, zweitens die Verb<strong>und</strong>ausbildung im Handling einer<br />
Partnerschaft unter Beteiligung von Betrieb, IHK, HWK <strong>und</strong> Arbeitsagentur etc. Die<br />
zusätzliche Einbindung von Kollegschulen könne sich bei niederschwelligen Angeboten als<br />
sinnvoll erweisen. Nach Angaben der Kammern <strong>und</strong> der ARGE werden sich diese zukünftig<br />
auch stärker in diesem Bereich engagieren, wobei sich als Alternative zur<br />
Verb<strong>und</strong>ausbildung, speziell für Migranten, auch Formen vollzeitschulischer <strong>Aus</strong>bildungen<br />
anbieten würden.<br />
2.5 Besonders betroffene Personengruppen<br />
Von der aktuell negativen <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation sind nach Ansicht der Befragten<br />
vornehmlich Jugendliche ohne Schulabschluss, ohne formale Qualifizierung bzw. in zweiter<br />
Linie mit Hauptschulabschluss betroffen. Der Anteil an Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> an dieser Gruppe wird insbesondere von den Akteuren in der Stadt<br />
Duisburg als sehr hoch eingeschätzt. Kritisch betrachtet, wird von Seiten der Schulen<br />
diesbezüglich die Arbeit der Arbeitsagenturen, deren Hilfestellung häufig am Schultor ende,<br />
weswegen Jugendliche mit schlechten Startchancen stark benachteiligt seien. Vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> des Facharbeitermangels bestehe hier erheblicher Handlungsbedarf.<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler müssen möglichst viel „allgemein bildende Schule“ mitnehmen.<br />
Allen voran fehle es jedoch an Einfacharbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplätzen für diese<br />
Jugendlichen. Im Vordergr<strong>und</strong> stehe momentan ein Verdrängungswettbewerb, nicht nur<br />
zwischen Abiturienten, Real- <strong>und</strong> Hauptschülern, sondern insgesamt zwischen<br />
Benachteiligten mit <strong>und</strong> ohne Schulabschluss. Diese <strong>Aus</strong>sage wird durch die eines<br />
Bildungsträgers gestützt, der sich dahingehend äußert, dass sich der<br />
Verdrängungswettbewerb auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt verstärkt auch im Bereich der<br />
Berufsvorbereitung fortsetze. Hier werden zunehmend hohe Abschlüsse vorausgesetzt,<br />
Personen mit niedrigeren Abschlüssen werden in andere Maßnahmen verdrängt. Nach<br />
211
Ansicht der Befragten müsse man diesem Problem durch Angebote <strong>und</strong> Praktika im Rahmen<br />
einer ressourcenorientierten Förderplanung entgegensteuern. Berufsvorbereitende<br />
Maßnahmen seien einem Alleingang der Jugendlichen vorzuziehen, da diese sonst ganz von<br />
der Bildfläche verschwinden werden.<br />
Daneben gibt es jedoch auch Ansichten, die keine besonders benachteiligten<br />
Personengruppen in der Region fokussieren, sondern allgemein auf den Trend steigender<br />
Schulabgangszahlen verweisen. <strong>Aus</strong> Sicht einer Gesamtschule lassen sich wegen der<br />
Integration der Realschulen <strong>und</strong> Hauptschulen keine schultypischen Benachteiligungen<br />
feststellen. Vielmehr hänge es von der einzelnen Schule ab, wie gut die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler auf eine <strong>Aus</strong>bildung vorbereitet werden. Dies sei von Schule zu Schule<br />
unterschiedlich 2 , jedoch vom Schultyp gr<strong>und</strong>sätzlich unabhängig. Auch gibt es <strong>Aus</strong>sagen<br />
darüber, dass zwar vor allem „Benachteiligte“ die <strong>Aus</strong>wirkungen der<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplatzentwicklung zu spüren bekommen, jedoch sei hier nach Meinung der<br />
Befragten eine feste Personengruppe nicht mehr klar zu bestimmen. Vielmehr werde diese<br />
Situation langfristig auch gesellschaftliche Konsequenzen haben.<br />
Als benachteiligt wurden auch die Jugendlichen in den ländlichen Gemeinden eingestuft, für<br />
die sich die regionale Verkehrsanbindung problematisch gestaltet. Die <strong>Aus</strong>bildungsvergütung<br />
bedingt in hohem Maße die Flexibilität der <strong>Aus</strong>zubildenden, da diese unter Umständen nicht<br />
einmal genug Geld für eine Monatskarte der Bahn haben.<br />
Geschlechtsspezifische Benachteiligungen werden von den Befragten unterschiedlich<br />
eingeschätzt. Einerseits spielen diese aufgr<strong>und</strong> des generell geringen Angebots an<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplätzen keine wirklich bedeutende Rolle mehr, insbesondere insofern, als dass<br />
sowieso zu wenige <strong>Aus</strong>bildungsplätze für die jeweiligen geschlechtsspezifischen Berufe<br />
vorhanden seinen. Zudem seien die <strong>Aus</strong>bildungsverhältnisse heute „lockerer“, so dass keine<br />
Hindernisse gesehen werden, eine passende Lehrstelle im Handwerksbetrieb für ein<br />
Mädchen oder eine junge Frau zu finden. Als besonders aktiv wurden hier die<br />
Regionalstellen Frau <strong>und</strong> Beruf beschrieben. Auch gebe es im Bereich „Frauen im<br />
Handwerk“ diverse Veranstaltungen wie bspw. Girls Day. Andererseits wurde doch deutlich,<br />
dass sich immer noch zu wenig Frauen bzw. junge Mädchen in typische Männerberufe<br />
(Mechatroniker, Maler, Lackierer) begeben, wohingegen immer mehr männliche Jugendliche<br />
in typische Frauenberufe (Frisör, Einzelhandel…) einmünden. Auch in den<br />
<strong>Aus</strong>bildungsberufen Bankkaufmann/-frau, Kaufmann/-frau für Bürokommunikation <strong>und</strong><br />
Fachinformatiker/in gebe es wohl noch deutliche Unterschiede. Verwiesen wurde zudem<br />
darauf, dass für männliche Jugendliche eine größere <strong>Aus</strong>wahlmöglichkeit (einige körperlich<br />
belastende Berufe seinen für weibliche Jugendliche ungeeignet) bestehe. Auch ein<br />
2 Vgl. hierzu auch Birkelbach, Klaus in diesem Band.<br />
212
unzureichendes Marketing für eher „unattraktive“ <strong>und</strong> unbekannte Berufe wurde bemängelt.<br />
Mädchen seien hier die Verlierer, da sie sich immer noch zu stark auf traditionelle<br />
Frauenberufe konzentrieren.<br />
3 Duale <strong>Aus</strong>bildung/Außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung/Vollzeitschulische <strong>und</strong><br />
Berufsvorbereitende Maßnahmen<br />
Seit den 60er Jahren steht das Duale System der Berufsausbildung hinsichtlich seiner<br />
Leistungsfähigkeit bekanntlich immer wieder in der Kritik. Auch gab es <strong>und</strong> gibt es immer<br />
wieder ausreichend Anlass, nachhaltige Reformen einzufordern. Dabei ist unübersehbar,<br />
dass es gegenwärtig massive qualitative <strong>und</strong> quantitative Mängelzuspitzungen im System<br />
der Berufsausbildung gibt, die es fraglich erscheinen lassen, ob durch das bekannte<br />
Reaktionsmuster dosierter (<strong>und</strong> partiell wirkender) Modernisierungs- <strong>und</strong> Innovationsschübe<br />
die gr<strong>und</strong>sätzliche Frage einer notwendigen „Systemkorrektur“ zur langfristigen<br />
Zukunftssicherung ausgeklammert werden kann. 3 Fragen zur aktuellen Gestaltung der<br />
Situation im Bereich der schulischen <strong>Aus</strong>bildung in der Region, der Einschätzung der<br />
Qualität der Dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> der damit einhergehenden Berufschancen im Vergleich<br />
zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungsformen, aber auch Fragen zu den Mängeln im Dualen System<br />
spielten daher in diesem thematischen Schwerpunkt ebenso eine Rolle wie die Einschätzung<br />
Berufsvorbereitender Maßnahmen oder der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ). Auch<br />
wurde der Trend zu zunehmender Akademisierung bei der Besetzung von Arbeitsplätzen<br />
bzw. ein gestiegener Anspruch an höhere Schulabschlüsse bei der Besetzung von<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplätzen, neben der Eignung zweijähriger <strong>Aus</strong>bildungsberufe (mit geringeren<br />
Anforderungen) zur Erhöhung der <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft der Betriebe, thematisiert.<br />
3.1 Die regionale Situation im Bereich der schulischen <strong>Aus</strong>bildung<br />
In dieser Frage herrschte unter den Befragten Einigkeit. So kann generell die <strong>Aus</strong>sage<br />
unterstrichen werden, dass ein Anstieg der Vollzeitschulformen an den Berufskollegs zu<br />
verzeichnen ist. 4 In diesem Kontext wurde auch darauf verwiesen, dass die Qualifizierung<br />
teilweise sinnvoll sei, andererseits aber auch die Funktion eines Auffangbeckens habe.<br />
3 Vgl. hierzu ausführlicher Dobischat, Rolf (2006): Alte <strong>und</strong> neue Herausforderungen für die beruflichen Schulen<br />
<strong>und</strong> Überlegungen zu ihrer Weiterentwicklung. Referat zur Tagung „Neue Wege in den Beruf“ am 05.05.2006<br />
in Berlin.<br />
4 Vgl hierzu auch Stender, Axel in diesem Band.<br />
213
3.2 Qualität der Dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Berufschancen im<br />
Vergleich zu alternativen <strong>Aus</strong>bildungsformen<br />
Generell, so die Ansicht der Befragten, biete die betriebliche <strong>Aus</strong>bildung mehr Chancen auf<br />
dem Arbeitsmarkt, auch sei für sämtliche Berufe die Praxis von großer Bedeutung. Die<br />
Qualität der dualen <strong>Aus</strong>bildung wurde deutlich höher eingeschätzt als die vollzeitschulischer<br />
<strong>Aus</strong>bildungen, da diese unter den realistischen Bedingungen bessere Voraussetzungen<br />
biete. Jugendliche, die nicht eine <strong>Aus</strong>bildung im Dualen System absolviert haben, haben es<br />
sicherlich an der zweiten Schwelle schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden als diejenigen, die<br />
es durchlaufen haben. In diesem Sinne verfüge die duale <strong>Aus</strong>bildung über eine höhere<br />
Reputation bei den potenziellen Übernahmebetrieben; die Einstellungschancen nach<br />
erfolgreicher <strong>Aus</strong>bildung seinen als höher anzusehen.<br />
Arbeitsminister Laumann sieht daher das duale <strong>Aus</strong>bildungssystem auch als das<br />
nonplusultra an, wobei die berufliche Bildung zukünftig allerdings auf 3 Säulen fußen wird<br />
(nicht ausschließlich auf dem dualen <strong>Aus</strong>bildungssystem). Folglich wird sich das duale<br />
System weiter zurückbilden <strong>und</strong> die vollzeitschulische <strong>Aus</strong>bildung wird zunehmen.<br />
Als Alternative werden alternative <strong>Aus</strong>bildungsformen jedoch auch positiv wahrgenommen.<br />
„Dann sitzen die wenigstens nicht auf der Straße!“ Auch im theoretischen Bereich, so die<br />
Meinung, seien vollzeitschulische Maßnahmen qualitativ durchaus gut, jedoch können sie<br />
den Praxisanteil dualer <strong>Aus</strong>bildungen nicht kompensieren. Verwiesen wurde in diesem<br />
Zusammenhang auch auf die Abhängigkeit von den jeweiligen Berufen. So sei zwar die<br />
vollzeitschulische <strong>Aus</strong>bildung in manchen <strong>Aus</strong>bildungsberufen sinnvoller, für<br />
Handwerksberufe allerdings ungeeignet, da die Arbeitsabläufe nur im Betrieb erlernbar<br />
seien.<br />
Die betrieblichen Interviewpartner äußerten jedoch auch, dass außerbetriebliche<br />
<strong>Aus</strong>bildungen inhaltlich nicht gr<strong>und</strong>sätzlich als weniger wertig im Vergleich zur dualen<br />
<strong>Aus</strong>bildung angesehen werden. Die Problematik wurde vielmehr bei den Jugendlichen<br />
gesehen, die eine außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung absolviert haben, da diesen eher die<br />
individuellen Vorraussetzungen fehlen. „Man kann die Jugendlichen nicht völlig umpolen <strong>und</strong><br />
aus ihnen in kürzester Zeit selbstbewusst auftretende Arbeitssuchende machen.“ Dem<br />
gegenüber stehen <strong>Aus</strong>sagen von Bildungsträgern, die die Vorteile außerbetrieblicher<br />
<strong>Aus</strong>zubildender betonen. Die Jugendlichen können sich besser auf die theoretische Prüfung<br />
vorbereiten, da die <strong>Aus</strong>bildungen zeitlich flexibler gestaltet seien <strong>und</strong> die Jugendlichen im<br />
Bezug auf ihre individuellen Bedürfnisse mehr Unterstützung erfahren. Zudem lerne ein<br />
Azubi im Dualen System manchmal nur einen kleinen <strong>Aus</strong>schnitt aus seinem Beruf. In der<br />
außerbetrieblichen <strong>Aus</strong>bildung werde alles gelernt werden. Hier hinge vielmehr der<br />
214
Übergang an der zweiten Schwelle von der räumlichen Flexibilität der Jugendlichen ab.<br />
Jugendliche aus dem ländlichen Bereich, wie den Kreisen Wesel <strong>und</strong> Kleve, seien oft<br />
bodenständiger. Dabei wurde auch auf einen Zusammenhang von räumlicher Flexibilität <strong>und</strong><br />
der Bildung der Eltern verwiesen. Daneben sei zu beachten, dass die Jugendlichen sich<br />
bereits auf die Realität eingestellt haben. Die Motivation sinke aufgr<strong>und</strong> der bewussten<br />
Situation, es entstehe eine Zwiespältigkeit: einerseits seien die Jugendlichen in ihren<br />
Berufswünschen <strong>und</strong> Vorstellungen unrealistisch, andererseits seien sie völlig desillusioniert.<br />
Zusätzlich wurde von den Berufsschulen die defizitäre Entlassung der Jugendlichen aus der<br />
Sek<strong>und</strong>arstufe I kritisiert; dies sei zwar kein Mangel der dualen <strong>Aus</strong>bildung selbst, wirke sich<br />
aber auf die Qualität der <strong>Aus</strong>bildung aus.<br />
3.3 Einschätzung der Arbeitsmarktchancen <strong>und</strong> Erhöhung der<br />
<strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft durch zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />
Zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe mit geringeren Anforderungen werden nach <strong>Aus</strong>sagen<br />
einiger Befragter als sinnvoll für Jugendliche mit geringerer Vorbildung erachtet.<br />
„Niedrigschwellige <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Stellenangebote sind für die Gruppe der<br />
Benachteiligten hilfreich.“<br />
Auch werde der Bedarf an diesen Berufen gesehen, jedoch nur in geringer Anzahl. Im<br />
Handwerk sind zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe sehr selten (Fahrradmonteur oder Kfz-<br />
Servicemechaniker). Auch nehmen hier einfache Tätigkeiten weiter ab, so dass die<br />
Beurteilung der Betriebe mit „Wenn schon, dann richtig“ in ihrer Kritik durch die<br />
Gewerkschaften, die gegen Einfachausbildungen votieren, gestützt wird.<br />
Generell wurde geäußert, dass es insgesamt zu wenige <strong>Aus</strong>bildungsplätze gebe, so dass<br />
<strong>Aus</strong>bildungsberufe mit geringeren Anforderungen weder die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft noch<br />
die Arbeitsmarktchancen erhöhen können. Auf dem Arbeitsmarkt haben sie eine geringere<br />
Chance auf Anerkennung als dreijährige <strong>Aus</strong>bildungsbilder. Dies findet auch Bestätigung in<br />
den <strong>Aus</strong>sagen der Unternehmen bzw. Unternehmensvertreter. Zur Erhöhung der<br />
<strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft sind zweijährige <strong>Aus</strong>bildungsberufe nicht geeignet, da die Gründe<br />
für ein Nichtangebot eines <strong>Aus</strong>bildungsplatzes meist wirtschaftlicher Natur seien, so dass<br />
eine verkürzte <strong>Aus</strong>bildung hier keinen Vorteil bringe.<br />
Problematisiert wurde, dass eine zweijährige <strong>Aus</strong>bildung nur dann sinnvoll erscheine, wenn<br />
sie einen modularen Charakter hat, d. h. wenn in kleinen Schritten gearbeitet werde.<br />
Dadurch würde sich einerseits die Motivation der <strong>Aus</strong>zubildenden während der<br />
<strong>Aus</strong>bildungszeit erhöhen, gleichzeitig aber auch die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft der Betriebe<br />
gefördert, da die Qualität in solchen <strong>Aus</strong>bildungsgängen wesentlich höher sei. Das Interesse<br />
der Unternehmen liege überwiegend bei Jugendlichen, die eine qualitativ hochwertige<br />
215
<strong>Aus</strong>bildung absolviert haben. Zukünftig werde es immer weniger Arbeitsplätze für geringfügig<br />
qualifizierte Jugendliche geben, da die Anforderungen in den Unternehmen immer mehr<br />
Kenntnisse erfordern. In diesen Rahmen lässt sich auch die <strong>Aus</strong>sage eines Trägers<br />
einordnen, der in zweijährigen <strong>Aus</strong>bildungsberufen keine Alternative sieht, eine anderweitige<br />
Nachfrage bestehe höchstens nach außerbetrieblicher <strong>Aus</strong>bildung. Eine<br />
Facharbeiterqualifikation sei, mit <strong>Aus</strong>nahme einiger Metallberufe, in der Regel nur über<br />
mindestens drei Jahre möglich. Generell gelte jedoch, dass die (didaktische) Qualität der<br />
<strong>Aus</strong>bildung erhöht werden muss, um auch schwächeren Schülern eine dreijährige<br />
<strong>Aus</strong>bildung zu ermöglichen. Zurzeit finde ein Verdrängungswettbewerb statt, in dem<br />
Personen ohne oder mit niedrigem Schulabschluss in „Maßnahmen“ oder überbetriebliche<br />
<strong>Aus</strong>bildungen abgedrängt werden.<br />
3.4 Berufsvorbereitende Maßnahmen<br />
Überwiegend war den Interviews zu entnehmen, dass Berufsvorbereitende Maßnahmen in<br />
ihrer aktuellen Konzeption keine realen Bildungschancen darstellen, sondern Warteschleifen<br />
für Jugendliche, die die Statistik der Arbeitsagenturen schönigen. Meist handle es sich nur<br />
um ein reines Verwalten der Jugendlichen. Die Maßnahmereform an sich sei noch erheblich<br />
verbesserungswürdig. Zwar haben Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer, die motiviert in die<br />
Maßnahme kommen <strong>und</strong> die ihnen gegebene Chance wirklich nutzen wollen, auch die<br />
Möglichkeit etwas daraus zu machen. Die Anderen (…) hingegen stehen jedoch die<br />
Maßnahmen auf Gr<strong>und</strong> der zu geringen Betreuung meist nicht durch. Oft erscheinen die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler berufsvorbereitender Klassen einfach nicht zum Unterricht.<br />
Darüber seien dann die Schulen zum Teil auch noch froh, da weniger Lehrkräfte eingesetzt<br />
werden müssen. Hier bestehe nach Ansicht einiger Befragter ein Handlungsbedarf, da die<br />
Maßnahmen in ihrer bisherigen Form den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern häufig keine neuen<br />
Perspektiven eröffnen <strong>und</strong> diese daher nur schwer zu motivieren seien.<br />
Dem entgegen kommt die von Arbeitsminister Laumann, lt. einem Interview, geplante<br />
Abschaffung der Vorschulklasse zum Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr. Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
sollen stattdessen zwei bis drei Tage die Schule besuchen <strong>und</strong> die verbleibende Zeit im<br />
Betrieb verbringen. Hier bestehe die Bereitschaft des Arbeitsministeriums, die Kosten für die<br />
Zeit im Betrieb zu übernehmen. Die Kosten des Schulaufenthalts sollen vom Ministerium für<br />
Schule, Jugend <strong>und</strong> Kinder übernommen werden. Laumann möchte zudem die Diskussion<br />
über den zweiten Berufsschultag beendet wissen. Theoretische <strong>Aus</strong>bildungsanteile sollen<br />
daher auf das erste <strong>und</strong> zweite Jahr verlegt werden.<br />
Die ARGEN weisen insbesondere auf den Zeitraum vor dem Beginn einer<br />
Berufsvorbereitenden Maßnahme <strong>und</strong> dem Übergang zwischen den Maßnahmen hin.<br />
216
Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen beginnen erst am 01.09 eines jeden Jahres.<br />
Wichtig sei es deshalb, den Zeitraum bis dahin zu beachten <strong>und</strong> sinnvoll zu nutzen.<br />
Dementsprechend sei eine gute informelle Zusammenarbeit mit der Berufsberatung, im<br />
Sinne eines Paradigmenwechsels von einer Maßnahme- zu einer Personenorientierung,<br />
notwendig. In diesem Zusammenhang wurde auch noch einmal, wie in vielen Fällen an<br />
anderen Stellen, auf den großen Einschnitt in der Trägerlandschaft durch das neue<br />
Vergabeverfahren über das regionale Einkaufzentrum der Arbeitsagenturen hingewiesen, bei<br />
dem der Kostenaspekt ein große Rolle spiele. Oftmals werden Träger außerhalb der Region<br />
mit geringen Kenntnissen der regionalen Verhältnisse aufgr<strong>und</strong> der niedrigen Preise<br />
bevorzugt.<br />
Es gab jedoch auch positive Äußerungen. Von Seiten einiger Träger zeigten die<br />
durchgeführten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, nach Abschluss, eine gute<br />
Vermittlungsquote. Die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer der im letzten Jahr gestarteten BVB<br />
konnten fast alle in eine <strong>Aus</strong>bildung vermittelt werden. In anderen Fällen nahmen die<br />
Jugendlichen direkt eine Arbeitstätigkeit auf oder absolvierten eine überbetriebliche<br />
<strong>Aus</strong>bildung. Hier sei jedoch zu bemerken, so die Träger, dass Jugendliche häufig in den von<br />
Betrieben als wichtig angesehenen Bereichen Deutsch <strong>und</strong> Mathematik (die Kenntnisse der<br />
Jugendlichen seien hier teilweise erschreckend) sowie in den Schlüsselkompetenzen<br />
Defizite haben. Notwendig sei es daher auch, Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit oder<br />
Entschuldigungen bei Nichterscheinen zu vermitteln. Gleiches galt für einen überregionalen<br />
Träger aus den neuen B<strong>und</strong>esländern, bei dem die Anschlussausbildung fast gesichert sei.<br />
Normalerweise erfolge die Vermittlung in vollzeitschulische <strong>Aus</strong>bildung, Reha oder<br />
außerbetriebliche <strong>Aus</strong>bildung. Ergänzend werde jedoch auch hier die Berufsfindung als ein<br />
wesentliches Element des Berufsvorbereitungsjahres (BVJ) angesehen. Wichtig sei auch<br />
eine Stärken-/Schwächenanalyse <strong>und</strong> die Feststellung der Neigungen.<br />
Auch die befragten Berufkollegs schätzen das Berufsvorbereitungsjahr prinzipiell gut ein,<br />
trotzdem hat es ihrer Ansicht nach die Funktion einer Warteschleife. „Da das Absolvieren des<br />
BVJ die Anerkennung des ersten <strong>Aus</strong>bildungsjahres bedeutet, werden die Teilnehmer von<br />
den Betrieben oft nicht berücksichtigt, da sie auf diese <strong>Aus</strong>bildungszeit nicht verzichten<br />
wollen. Daher ist es in der Regel so, dass das Absolvieren des BVJ in den Zeugnissen nicht<br />
erwähnt wird.“<br />
3.5 Einschätzung der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ)<br />
Dass der Vorteil des EQJs in der Möglichkeit liege, erworbene Module innerhalb der<br />
<strong>Aus</strong>bildung auch bei einem erreichten <strong>Aus</strong>bildungsabschluss zertifizieren <strong>und</strong> anerkennen zu<br />
lassen, wird von den Interviewten gesehen. Genannt wurde auch, dass BVJ <strong>und</strong> EQJ<br />
217
Maßnahmen seien, die vielen schulmüden Jugendlichen zugute kommen. Allerdings stelle<br />
das EQJ keine Perspektive für Schulabgänger dar – diese Alternative würde nach Ansicht<br />
eines Experten nur bestehen, wenn es in ein Kooperationsmodell eingegliedert sei. Zudem<br />
liefe es beim EQJ letztendlich auf eine Lehrzeitverlängerung hinaus. Die Jugendlichen im<br />
EQJ haben meist ein hohes Bildungsniveau <strong>und</strong> kommen im Anschluss im Dualen System<br />
unter. Für die Jugendlichen bestehe insofern kein Unterschied, ob ein EQJ Vertrag<br />
geschlossen werde oder nicht – es werden hierdurch nicht unbedingt neue<br />
<strong>Aus</strong>bildungsstellen geschaffen. Überwiegend wird damit auch die Qualität solcher<br />
Maßnahmen in Frage gestellt, da dem EQJ gleich den Berufsvorbereitenden<br />
Bildungsmaßnahmen der Charakter der Aufbewahrung oder Warteschleife zugeschrieben<br />
wird. Vieles gehe in solchen Maßnahmen verloren. Berufsorientierung sollte viel früher<br />
stattfinden. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sollten die Möglichkeit haben sich in ihrer Schulzeit in<br />
möglichst vielen Berufen auszuprobieren, das könne nicht nachgelagert Aufgabe des EQJ<br />
sein.<br />
4 Zielgruppe Benachteiligte/Migranten, Förderkulisse<br />
Das vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung geförderte Programm<br />
"Kompetenzen fördern - <strong>Berufliche</strong> Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem<br />
Förderbedarf (BQF-Programm)“ wurde eingerichtet, um auch benachteiligten jungen<br />
Menschen eine <strong>Aus</strong>bildungschance zu eröffnen. Dabei geht es um eine strukturelle <strong>und</strong><br />
qualitativ-inhaltliche Modernisierung der beruflichen Benachteiligtenförderung einschließlich<br />
einer Verbesserung der beruflichen Integration von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten 5 . Hinsichtlich<br />
dieser Zielsetzungen behandelt der aktuelle Themenbereich Fragen, die sich einerseits mit<br />
der Zuschreibung von Benachteiligungen beschäftigen <strong>und</strong> sich hier explizit auch der Gruppe<br />
der Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten sowie der ausländischer Unternehmen zuwenden.<br />
Andererseits geht es um die Veränderungen im Bereich der Benachteiligtenförderung, die<br />
Effizienz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit von Förderprogrammen, die Lücken im Angebot der<br />
Benachteiligtenförderung <strong>und</strong> um die von den Interviewpartnern eigens durchgeführten<br />
Projekte <strong>und</strong> Maßnahmen in diesem Bereich.<br />
4.1 Einschätzung der Gruppe Jugendlicher die, im Hinblick auf ihre Chancen auf<br />
einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz, als besonders benachteiligt angesehen werden.<br />
Die <strong>Aus</strong>sagen zu diesem Punkt sind sehr vielfältig. Benannt wurden Jugendliche mit<br />
Hauptschulabschluss, aus bildungsfernen Familien, mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> außerdem<br />
auch Jugendliche, deren Entwicklung aus verschiedenen Gründen verzögert sei <strong>und</strong> die<br />
5 Vgl. hierzu ausführlicher www.kompetenzen-foerdern.de.<br />
218
Probleme haben, sich zu integrieren sowie behinderte Jugendliche. Generell sei jedoch<br />
festzustellen, dass sich diese Gruppe, auf Gr<strong>und</strong> der meist nicht gerechtfertigten <strong>und</strong> zu<br />
hoch angesetzten Ansprüche der Betriebe <strong>und</strong> der hieraus entstehenden Anforderungen an<br />
die Bewerber, permanent vergrößere.<br />
Als besonders benachteiligt werden in erster Linie jedoch Jugendliche ohne formalen<br />
Schulabschluss angesehen. Allerdings wird überwiegend kein Unterschied zwischen<br />
„schwachen“ Deutschen <strong>und</strong> Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> oder Mädchen <strong>und</strong><br />
Jungen gesehen. Differenzen eröffnen sich erst bei näherer Betrachtung der<br />
Rahmenbedingungen. So besitzen Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> nach Ansicht der<br />
Befragten häufig ein besseres Sozial- <strong>und</strong> Familiengefüge. Hieraus ergebe sich für diese<br />
Gruppe möglicherweise ein Vorteil, da eine Beschäftigung im Familien- oder<br />
Fre<strong>und</strong>esbetrieb möglich sei. Von Nachteil sei in dieser Hinsicht, dass vor allem junge<br />
Frauen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> oft eine einmal angefangene Maßnahme abbrechen, weil<br />
der väterliche oder brüderliche Teil der Familie dies wünscht. Anders wird die Lage bei den<br />
Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eingeschätzt, die bereits schulisch ausgebildet nach<br />
Deutschland kommen. Diese haben es auf Gr<strong>und</strong> veränderter Anforderungen sehr schwer in<br />
ein Arbeitsverhältnis zu gelangen. In Bezug auf Jugendliche mit osteuropäischem<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> wies ein Interviewpartner auf eine stark ausgeprägte Zielverfolgung<br />
(z. B. ein eigenes Auto) dieser Gruppe Jugendlicher hin, in deren Folge sich die<br />
Jugendlichen intensiver um eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle bemühen.<br />
In den Bereich geschlechtsspezifischer Benachteiligungen fällt die <strong>Aus</strong>sage, dass bei Frauen<br />
häufig das soziale Umfeld für eine Einstellung ausschlaggebend sei. Kinder oder Karriere?<br />
Auch junge Väter <strong>und</strong> Mütter sind den Interviewpartnern zu Folge benachteiligt. Die Firmen<br />
können meist wenig mit den <strong>Aus</strong>zubildenden anfangen, da sie dem Betrieb nur halbtags zur<br />
Verfügung stehen. Spezifische Projekte seien hier gefragt. Von einem Berufskolleg wurde an<br />
dieser Stelle noch einmal darauf verwiesen, dass die Chancen stark von den jeweiligen<br />
Qualifikationen abhingen. Die Jugendlichen unterliegen hier jedoch einem wirtschaftlichen<br />
Druck. Oft werde ein höherer Schulabschluss nicht nachgeholt, da dann kein Einkommen<br />
erzielt werde. Auf Gr<strong>und</strong> finanzieller Verpflichtungen (Handy, Auto etc.) gebe es keine<br />
Verbesserung der Qualifikationen <strong>und</strong> damit keine Perspektiven. Nach <strong>Aus</strong>sage des<br />
Interviewpartners ist die Verschuldung bei den Jugendlichen enorm hoch.<br />
4.2 Chancen <strong>und</strong> Nachteile Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong><br />
kultureller Differenzen<br />
Obgleich die Befragten die Vorteile Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> wahrnehmen, so<br />
different ist die erlebte Realität. Der Anteil der <strong>Aus</strong>zubildenden mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
219
etrage gerade einmal ca. 20%. Nur selten werde gezielt nach Jugendlichen mit besonderen<br />
Sprachkenntnissen für den Einsatz in ausländischen Betriebsorten oder bestimmten<br />
Geschäftsbereichen gesucht. Meist falle bei gleicher Qualifikation die Wahl auf den<br />
deutschen Bewerber bzw. die deutsche Bewerberin. Dabei sei, insbesondere für Duisburg,<br />
die Umgangsprache häufig kein Problem. Türkische Jugendliche, die in Duisburg<br />
aufgewachsen sind, seien umgangssprachlich fit. Das Problem sei vielmehr die berufliche<br />
Fachsprache, die selbst in der Muttersprache häufig nicht präsent sei. Hier seien<br />
Unterstützungsmaßnahmen, wie z. B. die Förderung der Muttersprache in den Schulen,<br />
notwendig. Generell wird der Nachteil in sprachlichen Defiziten, kulturellen Vorurteilen,<br />
niedrigen Bildungsabschlüssen <strong>und</strong> auch dem „Kopftuch am Arbeitsplatz“ gesehen, der sich<br />
eher hemmend auf die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft der Betriebe auswirke.<br />
4.3 Einschätzung der <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen im<br />
Kontext erhöhter Chancen Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Ingesamt wurde geäußert, dass die <strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen<br />
ausbaufähig sei <strong>und</strong> Potenziale biete. Gesehen wurde auch, dass die Steigerung der<br />
<strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft ausländischer Unternehmen ein Mittel sei, um die<br />
<strong>Aus</strong>bildungschancen Jugendlicher mit Migrationshintergr<strong>und</strong> zu erhöhen. Gleichzeitig<br />
wurden jedoch auch verschiedene Probleme angesprochen: Scheinausbilder, fehlende<br />
Sprachkompetenz der ausbildenden Betriebe <strong>und</strong> unterschiedliche Fachinhalte. Zudem<br />
wollen gerade türkische Jugendliche oft nicht in türkischen Unternehmen lernen, da sie<br />
zumeist nach der <strong>Aus</strong>bildung einen sehr eingegrenzten Arbeitsbereich haben.<br />
4.4 Effizienz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit von Förderprogrammen zum Einstieg in <strong>Aus</strong>bildung<br />
Zu diesem Punkt wurden in keinem Interview Angaben gemacht!<br />
4.5 Durchführung <strong>und</strong>/oder Beteiligung an Maßnahmen, Programmen oder Projekten<br />
Fast alle Befragten engagieren sich in der Durchführung oder Beteiligung an Maßnahmen,<br />
Programmen oder Projekten. Die Vielfalt reicht hierbei von der Entwicklung <strong>und</strong><br />
Durchführung von Integrationskursen (Sprach- <strong>und</strong> Orientierungskurse) für Zuwanderer, der<br />
<strong>Aus</strong>bildung von Migranten, der Neuausrichtung der Migrationserstberatung, der Förderung<br />
von Projekten zur sozialen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Eingliederung der in Deutschland<br />
dauerhaft lebenden Spätaussiedler <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder <strong>und</strong> der Entwicklung eines b<strong>und</strong>esweiten<br />
Integrationsprogramms über die einjährige praktische <strong>Aus</strong>bildung schulpflichtiger<br />
Jugendlicher im Berufsförderlehrgang, Modellprojekte der praxisorientierten Vorklasse mit<br />
den Zielgruppen: Schulverweigerer, Jugendliche ohne Aufenthaltsgenehmigung <strong>und</strong> die<br />
220
Qualifizierung <strong>und</strong> Integration arbeitsloser Jugendlicher bis hin zur Vermittlung von<br />
Schlüsselkompetenzen, Motivationsschulungen, beruflicher Orientierung (ab der siebten<br />
Klasse bis in den außerschulischen Bereich) <strong>und</strong> Perspektivenbildung.<br />
Benannt wurden auch Modellprojekte des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder, die in der Regel in den<br />
Bereichen ADAPT, NOW, YOUTHSTART <strong>und</strong> EQUAL angesiedelt sind <strong>und</strong> durch die EU<br />
gefördert werden. Dabei geht es um Projekte zur Individualisierung der Förderstrukturen für<br />
junge Erwachsene oder auch die Mitarbeit an der Entwicklung des neuen Fachkonzepts der<br />
B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit sowie die Konzeption der Kompetenzchecks. Angeführt wurden<br />
auch das Modellprojekt Sprungbrett, das Projekt Werkstatt-Schule, das Bus-Projekt, das<br />
Projekt LOS in Duisburg sowie zahlreiche Mikroprojekte in Kooperation mit allgemein<br />
bildenden Schulen <strong>und</strong> Berufskollegs.<br />
Auf Seiten der Unternehmen bzw. Unternehmensvertreter wurden noch das Projekt ABBEO,<br />
verschiedene Jobbörsen, Projekte im Rahmen von STARegio, die Initiative<br />
„Bewerbungstraining“ in Kooperation mit verschiedenen Firmen <strong>und</strong> öffentlichen Institutionen<br />
angeführt sowie die Förderung der <strong>Aus</strong>bildung in türkischen Betrieben.<br />
Nur sehr selten genannt wurden Projekte oder Maßnahmen für Jugendliche mit<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen Einschränkungen sowie die wissenschaftliche Begleitung von Projekten.<br />
Ergänzend sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass mehrere Interviewpartner auf die<br />
Notwendigkeit einer klaren Definition <strong>und</strong> Trennung von Benachteiligungen aufmerksam<br />
machten, da nur so individuelle Maßnahmen angeboten werden können. Auch wurde von<br />
einer Seite erwähnt, dass bei den zahllosen zurzeit laufenden Projekten die jungen<br />
Migranten noch zu kurz kommen.<br />
4.6 Lücken im Angebot der Benachteiligtenförderung<br />
Bemängelt wurde hier, insbesondere von einigen Bildungsträgern, dass es sich in diesem<br />
Bereich häufig leider nur um Pilotprojekte handele, die nicht fortgesetzt werden. Dabei<br />
verlaufe die Förderung dieser Projekte nicht effektiv (flächendeckende Arbeit <strong>und</strong><br />
Erfahrungsaustausch!) Wünschenswert sei ein allgemeines Konzept zum Problembereich:<br />
Integration/Sprachförderung <strong>und</strong> Berufsvorbereitung.<br />
Auch das neue Fachkonzept bringe nach Ansicht der Befragten Vor- <strong>und</strong> Nachteile. Von<br />
Vorteil sei die individuelle Förderung von Jugendlichen da hier eine Stigmatisierung durch<br />
die Unterscheidung von bspw. Lernbehinderten, Lerngestörten usw. entfalle. Nachteile<br />
wurden im Bereich der individuellen <strong>Aus</strong>gestaltung darin gesehen, dass kein geschlossenes<br />
Gruppensetting mehr möglich sei. Die feste Zugehörigkeit (Lehrer/Sozialarbeiter) fehle. Auch<br />
sitzen Bildungsbegleiter mitunter an anderen Standorten, so dass für Jugendlichen, die<br />
221
Unterstützung benötigen, hohe Schwellen entstehen. Gleichfalls können Angebote durch die<br />
neue Vergabepraxis nicht kontinuierlich angeboten werden, d.h. die Maßnahmen liefen<br />
eventuell aus, wenn sie gerade Akzeptanz <strong>und</strong> Bekanntheit erlangten.<br />
Dabei gibt es nach Ansicht der Befragten immer noch zu wenig praktische Angebote für<br />
Jugendliche. Auch solle die Förderung viel früher beginnen, möglichst bereits im<br />
Kindergarten. (…) Talente der Kinder werden gesellschaftlich nicht als Potenziale gesehen.<br />
Gefordert wird ebenfalls eine berufsbegleitende Nachqualifizierung, die zu Abschlüssen<br />
führt. Zurzeit sei alles zu kurzfristig ausgelegt, es mangele an kooperativen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmodellen, in denen das Verhältnis zwischen Bildungsträger <strong>und</strong> Betrieb als<br />
Dienstleistungsverhältnis gesehen werde, in dem der Betrieb Unterstützung erfahre. Den<br />
kooperativen Bereich betreffend wurde gleichwohl Kritik an der Abstimmung der einzelnen<br />
Stellen untereinander (Berufsberatung <strong>und</strong> ARGE) geäußert.<br />
Offen im Raum steht daneben die Äußerung, dass Jugendliche trotz – oder gerade wegen –<br />
der Maßnahmen keine Perspektive haben. Im Reha-Bereich bieten die bisher nach § 65<br />
BBiG geregelten offen stehenden <strong>Aus</strong>bildungsberufe <strong>und</strong>/oder überbetrieblichen<br />
<strong>Aus</strong>bildungen nach erfolgreichem Abschluss meist keine gesteigerte Einstiegschance in<br />
eigenständige Erwerbsarbeit. An dieser Stelle bedarf es augenscheinlich neuer Modelle.<br />
4.7 Entwicklung der öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten<br />
Auch wenn die Einsicht besteht, dass eine neue Vergabeordnung notwendig gewesen sei,<br />
so sind doch die <strong>Aus</strong>sagen zur Umwälzung der Trägerlandschaft, die mit den veränderten<br />
Vergabebedingungen der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit zusammenhängen, konform. Kritisch<br />
betrachtet werden ungleiche Bedingungen, da kleinere regionale Träger meist nicht mit<br />
überregionalen Trägern konkurrieren können. Im Weiteren verfügen diese überregionalen<br />
Träger häufig nicht über ein regionenspezifisches Wissen, auch seien sie nicht in die dortige<br />
Arbeit eingeb<strong>und</strong>en bzw. in Netzwerken verankert. Zudem leide die Qualität der<br />
Maßnahmen, da die Gehaltsspanne enorm gesunken sei. Dies wirke sich demotivierend auf<br />
die Beschäftigen aus, die mit einer immer schwieriger werdenden Klientel arbeiten. Daneben<br />
führe diese Vorgehensweise nicht zu einer Identifikation des Mitarbeiters mit der Arbeit des<br />
jeweiligen Trägers. Insgesamt wird damit das <strong>Aus</strong>schreibungsverfahren als negativ für die<br />
gesamte Branche beurteilt. Lösungsvorschläge wurden in Richtung Sockelbeträge <strong>und</strong> die<br />
Bildung von Bietergemeinschaften gemacht, vor allem um einer Planungsunsicherheit<br />
entgegen zu wirken.<br />
222
4.8 Entkoppelung zwischen <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt durch erhöhten<br />
Fördermitteleinsatz<br />
Eine Gefahr wurde hier von den Interviewten vornehmlich in der Förderung der zweiten<br />
Schwelle gesehen. Nach der <strong>Aus</strong>bildung gebe es schließlich nie eine Übernahmegarantie.<br />
<strong>Aus</strong> Maßnahmen heraus werden die Jugendlichen genauso eingestellt werden wie<br />
diejenigen, die die <strong>Aus</strong>bildung dual durchlaufen haben. Betont wurde in diesem<br />
Zusammenhang jedoch, dass die Fördermittel diesbezüglich für nachhaltige, übertragbare<br />
<strong>und</strong> gut konzipierte Maßnahmen eingesetzt werden sollen, die über eine enge Anbindung an<br />
den regionalen Arbeitsmarkt verfügen. Ansonsten bewirken diese Maßnahmen keine<br />
Verbesserung sondern nur eine Rotation der Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer zwischen<br />
Maßnahme <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit. „Hartz IV-Karrieren“ von der Schule bis zur Rente seien<br />
dabei nicht auszuschließen.<br />
Eine <strong>Aus</strong>sage bezog sich darauf, dass Maßnahmen keine Verbesserung bewirken.<br />
Stattdessen wende der Staat eine gewisse Summe auf, um zu „reparieren“. Hier wurde<br />
vorgeschlagen, die Aufwendungen besser für die Entwicklung eines vernünftigen<br />
Berufsbildungssystems zu verwenden, da der Mitteleinsatz sich derzeit nicht effektiv<br />
gestalte. Staatliche Finanzierungsinstrumente müssen besser aufeinander abgestimmt<br />
werden. Maßnahmen wie die Einstiegsqualifizierung Jugendlicher werden häufig nur zur<br />
Statistikverschönerung eingeführt, seien aber auf Dauer keine Lösung des Problems.<br />
Gerade für Hauptschüler müssen Perspektiven geschaffen werden.<br />
5 Berufswahl, Berufswahlorientierung, Transfer<br />
Für eine erfolgreiche Bewältigung wirtschaftlicher Strukturbrüche stellt berufliches Lernen<br />
<strong>und</strong> berufliche Qualifizierung ein notweniges Referenzsystem dar. Regionale Unternehmen<br />
benötigen qualifiziertes Personal, um diesen Wandlungsprozessen begegnen zu können.<br />
Dabei kann es sich aber nicht um berufliche Qualifizierung als kurzfristige ad-hoc-Maßnahme<br />
handeln, noch kann es dabei um die Fokussierung des flexiblen Menschen im neuen<br />
Kapitalismus gehen 6 . Vielmehr gilt es, das Konzept des lebenslangen Lernens, worüber<br />
inzwischen ein breiter Konsens in allen gesellschaftlichen Politikbereichen besteht,<br />
vorzubereiten <strong>und</strong> umzusetzen 7 . Im Zentrum steht dabei u. a. die Stärkung der individuellen<br />
Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit, zu lernen <strong>und</strong> neues Wissen zu erwerben, wechselnde berufliche<br />
Konstellationen (Arbeitsteams, Projektgruppen) <strong>und</strong> Übergänge zwischen verschiedenen<br />
Tätigkeitsfeldern im Betrieb zu bewältigen. Derartige Kompetenzen zum kontinuierlichen<br />
6 Vgl. Sennett, R. (1999): Der flexible Mensch: die Kultur im neuen Kapitalismus. Berlin.<br />
7 Vgl. Dobischat, R./Seifert, H. (2001): Betriebliche Weiterbildung <strong>und</strong> Arbeitszeit(konten). Zeiträume für<br />
lebenslanges Lernen. In: WSI Mitteilungen (2001), H. 2.<br />
223
Lernen <strong>und</strong> zur Bewältigung von Komplexitäts-, Flexibilitäts- <strong>und</strong> Mobilitätsanforderungen<br />
setzten nicht erst im Erwachsenenalter an. Während, wie Heidemann 8 recherchiert hat, in<br />
anderen Ländern der Europäischen Union die organisatorische Implementierung des<br />
lebenslangen Lernens von der Vorschulerziehung über sämtliche Bildungsbereiche diskutiert<br />
wird, drohen die deutschen Entwürfe im System der Weiterbildung versiegelt zu werden 9 .<br />
Begriffe wie Berufswahl <strong>und</strong> Berufswahlvorbereitung können hierbei nicht als Konstante<br />
begriffen werden, vielmehr haben sich diese über einen längeren Zeitraum hinweg im<br />
interdependenten Gefüge von gesellschaftlichen, technischen sowie ökonomischen Faktoren<br />
entwickelt. Der Prozess der beruflichen Orientierung hat heute ein vielfältiges<br />
Aufgabenspektrum zu erfüllen. Erklärte Absicht ist es, Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene im<br />
Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem zu unterstützen <strong>und</strong> sie zu befähigen,<br />
eine Berufswahlkompetenz zu erwerben, die ihnen zu einer selbst bestimmten,<br />
sachkompetenten <strong>und</strong> realistischen Berufswahl verhilft: „Dabei geht es nicht nur darum, den<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern Informationen über bestimmte Berufe <strong>und</strong> Berufsaussichten,<br />
<strong>Aus</strong>bildungswege <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsanforderungen zu vermitteln, sondern insbesondere<br />
darum, Entscheidungsstrategien zu erarbeiten <strong>und</strong> zu erproben, die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler befähigen, eine kompetente Berufswahlentscheidung zu treffen.“ 10 Famulla 2006<br />
folgend ist Berufsorientierung ein Prozess „der Annäherung <strong>und</strong> Abstimmung zwischen<br />
Interessen, Wünschen, Wissen <strong>und</strong> Können des Individuums auf der einen <strong>und</strong> Bedarf <strong>und</strong><br />
Anforderungen der Arbeits- <strong>und</strong> Berufswelt auf der anderen Seite“ 11 berücksichtigt.<br />
Folglich geht es im nachstehenden Themenbereich um ein Spektrum an Fragen zu den<br />
verschiedenen Aspekten. Behandelt werden Fragen <strong>und</strong> Einschätzungen zu den größten<br />
Problemen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler beim Übergang in <strong>Aus</strong>bildung, die<br />
Bestandsaufnahme eines Handlungsbedarfs, die Einordnung berufswahlorientierender<br />
Maßnahmen im Allgemeinen <strong>und</strong> an allgemein bildenden Schulen, den Informationsgrad der<br />
Jugendlichen aber auch das Marketing für bestimmte Berufsbilder, die Transparenz<br />
existierender Angebote zur Unterstützung der Jugendlichen im Prozess der beruflichen<br />
Orientierung, den Nutzen von Praktika sowie die Beurteilung der Eigeninitiative Jugendlicher<br />
<strong>und</strong> der kooperativen Partner Schule, Arbeitsagentur, Bildungsträger etc.<br />
8 Vgl. Heidemann, W. (2001): Lebenslanges Lernen – aktuelle Strategien im Sozialdialog in Europa-<br />
Unveröffentlichtes Papier im Rahmen einer Dokumentation der Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft,<br />
Hauptvorstand, Frankfurt.<br />
9 So resümiert denn auch Heidemann in seinem Expose zum Thema lebenslanges Lernen – aktuelle Strategien<br />
im Sozialdialog in Europa: „Demgegenüber scheint in den Erklärungen des deutschen Bündnisses für Arbeit,<br />
<strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Wettbewerbsfähigkeit eine Einengung auf die betriebliche Weiterbildung zu erfolgen.“<br />
(Heidemann 2001, S. 2).<br />
10 Landesinstitut für Schule <strong>und</strong> Weiterbildung (LSW)/Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (1995):<br />
Studien- <strong>und</strong> Berufswahlvorbereitung am Gymnasium. Soest.<br />
11 Famulla, G. (2006): Berufsorientierung als Reformaufgabe von Schulen. Vortrag anlässlich der Hochschultage<br />
zur beruflichen Bildung in Bremen (15. März 2006).<br />
224
5.1 Probleme beim Übergang der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in<br />
<strong>Aus</strong>bildung/Handlungsbedarf<br />
An dieser Stelle ist zu erläutern, dass sich die nachfolgend gemachten <strong>Aus</strong>sagen weniger<br />
auf die direkten Probleme beim Übergang beziehen. Stattdessen wurden von den Befragten<br />
überwiegend die Ursachen diskutiert.<br />
Einklang herrschte bei den Befragten darüber, dass die Förderung der Berufsausbildung in<br />
der Schule früher als bisher beginnen müsse. Gelder, die für die berufliche Vorbereitung<br />
verwendet werden, können viel früher <strong>und</strong> sinnvoller eingesetzt werden. Eine frühkindliche<br />
Förderung sei hier erstrebenswert. Zudem sei der von der Schule vermittelte<br />
berufsorientierende Unterricht nicht an den aktuellen Arbeitsmarktbedingungen ausgerichtet.<br />
Die Schüler würden nicht genügend auf das vorbereitet, was sie nach der Schule erwarte.<br />
Auch an der Fähigkeit, sich zu bewerben mangele es. Ergänzend hierzu solle die Arbeit in<br />
den Schulen f<strong>und</strong>ierter <strong>und</strong> gezielter erfolgen. Kooperationen zwischen allgemein bildenden<br />
Schulen <strong>und</strong> der Wirtschaft müssen intensiviert, Transparenzen geschaffen werden. Bisher<br />
sei dies jedoch nicht in vielen Schulen der Fall. Die berufliche Orientierung wird damit<br />
überwiegend als defizitär <strong>und</strong> mangelhaft bezeichnet. Punkt 1 sei die negative Einschätzung<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler bezüglich ihrer Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt,<br />
gekoppelt mit einer Perspektivlosigkeit. Davon ausgehend, dass 50% der Jugendlichen gute<br />
Chancen, 30% Chancen mit Abstrichen <strong>und</strong> 20% wenige Chancen haben, realisieren diese<br />
20% der Jugendlichen schnell ihre Situation. Viele Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler glauben<br />
insofern, dass ihre Chancen sehr gering sind. Dies hat dann auch Punkt 2 zur Folge: ein<br />
mangelndes Interesse der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler bzw. eine demotivierende <strong>Aus</strong>wirkung<br />
auch auf Fachqualifikationen. Bei den Betrieben hinterließen die Bewerberinnen <strong>und</strong><br />
Bewerber oft einen unmotivierten Eindruck, nach dem Motto: Egal welchen Beruf ich erlerne,<br />
Hauptsache ich bekomme überhaupt eine Lehrstelle. Hier gingen dann die Betriebe davon<br />
aus, dass sich die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu wenig mit ihrer Berufswahl beschäftigt haben<br />
(geringe Kenntnisse über Berufe <strong>und</strong> deren Anforderungen). Verantwortlich gemacht wurde<br />
von den meisten Interviewten hierfür jedoch eine defizitäre Berufsorientierung, die dazu<br />
führe, dass sich die Jugendlichen nur für die bekanntesten Berufe bewerben, ohne die<br />
eigenen Fähigkeiten zu reflektieren sowie das mangelnde Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen.<br />
Dies werde zudem bekräftigt durch die Berichterstattung in den Medien <strong>und</strong> ein familiäres<br />
Umfeld, die jeweils ein negatives Bild vermitteln, welches den Jugendlichen „die Hoffnung<br />
raubt“ <strong>und</strong> die Motivation senke. Diese Darstellung der Chancenlosigkeit führe bei den<br />
Jugendlichen zu der Angst, etwas Neues bzw. Fremdes zu beginnen.<br />
Nicht wesentlich sei hingegen die viel diskutierte Frage der <strong>Aus</strong>bildungsreife. Diskussionen<br />
diesbezüglich habe es schon immer gegeben. Hier liege vielmehr ein Aspekt des Problems<br />
225
in den teils gestiegenen <strong>Aus</strong>bildungsanforderungen, die den Übergang erschweren. Dem<br />
entgegen standen nur wenige Meinungen, die Sprachprobleme, Integrationsprobleme <strong>und</strong><br />
mangelnde Qualifikationen bzw. ein unterschiedliches Bildungsniveau ursächlich für die<br />
Situation verantwortlich machten.<br />
Vorschläge zur Verbesserung der Situation äußerten sich in der Durchführung praktischer<br />
Arbeiten in eingerichteten Werkstätten zu verschiedenen Berufsfeldern, einer Erhöhung des<br />
pädagogischen Interesses bzw. der praktischen Kenntnisse bei den Lehrkräften (in der<br />
Lehrerausbildung werden oft nur „Fachidioten“ produziert/fehlende eigene Berufsausbildung)<br />
<strong>und</strong> der verstärkten Informationsweitergabe zu regionalen Berufsangeboten in den<br />
Berufsinformationszentren (BIZ) der Arbeitsagenturen.<br />
5.2 Einschätzung des Angebots berufswahlorientierender Maßnahmen<br />
Die Spanne der Antworten reichte in diesem Bereich von einem knappen NEIN bis hin zu der<br />
<strong>Aus</strong>sage, dass das Angebot schon viel zu groß sei. Auf die letzte <strong>Aus</strong>sage Bezug nehmend<br />
hieß es: „In der BRD werden flächendeckend Maßnahmen vermittelt. Jeder der will, kann<br />
auch in eine Maßnahme.“ Bemerkenswert, im Sinne von fraglich, erscheint dabei die vom<br />
Interviewpartner implizit ausgedrückte (fehlende) Differenzierung zwischen<br />
Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen <strong>und</strong> Maßnahmen zur beruflichen Orientierung!<br />
Zur Verbesserung der Situation wurde auf die feste Installation von Beratern insbesondere<br />
an Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen verwiesen. Dieser Vorschlag deckt sich mit dem Wunsch<br />
nach sozialpädagogischer Hilfestellung <strong>und</strong> Bildungsbegleitung ( im Rahmen der Facharbeit<br />
der befragten Institutionen) als wichtige Komponente im Prozess der beruflichen<br />
Orientierung. So wurde es auch von Unternehmensvertreterseite als sinnvoll erachtet,<br />
Jugendliche von den ersten Schritten bei der Berufsorientierung bis zum Übergang in den<br />
Arbeitsmarkt zu begleiten.<br />
Angesprochen wurde ebenfalls die Vermittlung unrealistischer Berufsbilder durch die<br />
Berufsberatung der Arbeitsagenturen, wohingegen das sich im Internet befindliche<br />
Berufsinformationsangebot gelobt wurde. „Wenn Schüler hier aktiv suchen, finden sie auch<br />
die passenden Informationen.“<br />
5.3 Berufswahlorientierung an allgemein bildenden Schulen<br />
Die Meinungen der Befragten sind hier sehr differenziert <strong>und</strong> vielfältig. So wurde geäußert,<br />
dass den Schulen für die praktische Betätigung zur Orientierung, Möglichkeiten zur<br />
Einrichtung von Werkstätten fehlen. Auch mangele es an geeignetem Lehrpersonal bzw.<br />
fehle den Lehrkräften der Praxisbezug. Lehrer können aufgr<strong>und</strong> ihrer Biographie <strong>und</strong> des<br />
226
Stellenwertes der Berufsorientierung nicht berufsübergreifend informieren. Die Probleme der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler können sie nur bedingt nachvollziehen. Auch das Wissen um die<br />
Vielzahl der vorhandenen <strong>Aus</strong>bildungsberufe, erfolgter Änderungen etc. ist nur in geringem<br />
Maße vorhanden. <strong>Aus</strong>sagen wie: „An allgemein bildenden Schulen gibt es doch kaum<br />
berufliche Bildung, bestenfalls Bewerbungstrainings“ waren nicht selten.<br />
Kritisiert wurde ebenso, dass viele Angebote wie z.B. das BIZ oder in den ländlichen Kreisen<br />
das BIZ-Mobil von Schulen <strong>und</strong> Schülern nicht richtig genutzt werden. Das notwendige<br />
Know-How zur sinnvollen Nutzung sei nicht vorhanden, ferner werde die Relevanz nicht<br />
erkannt. Eltern würden zu wenig eingeb<strong>und</strong>en werden bzw. bestehen diesseitig Defizite die<br />
bearbeitet werden müssen. Auch seien mit Kompetenzchecks <strong>und</strong> Praktika Ansätze da,<br />
fraglich sei nur, wie intensiv die Schulen diese Form der beruflichen Orientierung überhaupt<br />
betreiben können. Eine verstärkte <strong>Aus</strong>einandersetzung mit Bewerbungstrainings sei<br />
allerdings nötig (Bewerbungsmappen, Vorstellungsgespräche trainieren etc.). Zusätzlich<br />
sollten Informationen mehr in Richtung der <strong>Aus</strong>bildungen gehen, die regional angeboten<br />
werden <strong>und</strong> auch bei Betrieben stark gefragt sind (keine Beschränkung auf klassische<br />
Berufe).<br />
Klargestellt wurde aber gleichwohl, dass es bezüglich der beruflichen Orientierung große<br />
Unterschiede an den einzelnen Schulen gebe, so dass nur vereinzelt ein<br />
Verbesserungsbedarf bestehe. Eine Schule äußerte sich dahingehend, dass das Bemühen<br />
sehr groß sei, den Schülern Hilfe zu leisten. Dies liefe aber nur auf freiwilliger Basis. Ein<br />
großer Teil dieser Arbeit geschehe in der Freizeit ohne anderweitigen <strong>Aus</strong>gleich für die<br />
Lehrkräfte. Hierzu seien dann nur wenige Lehrer bereit. Die Qualität stehe <strong>und</strong> falle somit mit<br />
dem Engagement des einzelnen Lehrers. Angemerkt wurde die bereits an anderer Stelle<br />
schon einmal genannte Einrichtung einer hauptamtlichen Stelle für die Berufsorientierung,<br />
die an der fehlenden Finanzierung scheitert. Einige Schulen äußerten sich auch<br />
dahingehend, dass ihr Konzept aufgr<strong>und</strong> des Desinteresses der Schüler nicht angenommen<br />
werde. „Eher einzelne Schüler, welche sowieso eigenständiger <strong>und</strong> interessierter sind,<br />
empfinden die Angebote als positiv <strong>und</strong> hilfreich. Andere sind nur über den Pflichtcharakter<br />
der Veranstaltungen zu erreichen.“<br />
Bemerkenswert war die Vermutung, dass sich viele Lehrer nur ihren unmittelbaren Aufgaben<br />
zuwenden, der Blick ginge nicht über die Schule hinaus. Dabei würden gerade die<br />
Klassenlehrer ihre Schüler gut kennen, aber das Wissen über Potenziale <strong>und</strong> Defizite zur<br />
Unterstützung der Schüler nicht weitergeben. „Lehrer haben über Jahre hinweg mit den<br />
selben Schülern zu tun, sie können die Entwicklung des Einzelnen, die korrigiert <strong>und</strong><br />
unterstützt werden kann, einschätzen“ (biographischer Blick).<br />
227
Von den befragten Berufskollegs wurden umfangreiche Angebote im Bereich der beruflichen<br />
Orientierung genannt. Vorhandene Maßnahmen der Berufsorientierung würden hier jedoch<br />
zu spät ansetzen. Es sei schwer Versäumtes nachzuholen. „Die Jugendlichen erhalten erst<br />
hier die Erkenntnis, dass ihre Voraussetzungen für den Wunschberuf nicht ausreichen, da<br />
die allgemein bildenden Schulen sie mit falschen <strong>und</strong> unzulänglichen Kenntnissen<br />
entlassen.“ „Diese Erkenntnis ist für sie oftmals wie ein Schlag ins Gesicht.“<br />
In die Kritik geriet aber ebenfalls die Eigeninitiative der Schüler. „Die schulischen <strong>und</strong><br />
persönlichen Defizite der Schüler sind durch Studien des BiBB belegt.“<br />
Konstruktive Vorschläge zur Verbesserung fanden sich in der Einbindung von Unternehmen<br />
zur Information über Berufe <strong>und</strong> ihrer Anforderungen, einer systemischen Veränderung der<br />
Schulen z. B. im Hinblick auf Ganztags(gr<strong>und</strong>)schulen, die Erweiterung des Angebotes um<br />
z. B. Werkstattarbeit oder Erlebnispädagogik, Lernmethoden zur Unterstützung des<br />
Unterricht wodurch sogar der Bereich der außerschulischen Nachhilfe ersetzt werden könne<br />
sowie eine breite, berufsunabhängige Bildung im Sinne des Humboldt´schen<br />
Bildungsverständnis, wieder. Zudem solle sich schulische Vorbereitung stärker als bisher an<br />
den aktuellen Entwicklungen des Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktes orientieren, z. B. in Form<br />
von lokal <strong>und</strong> regional angelegten Netzwerken zwischen Wirtschaft <strong>und</strong> Schule.<br />
5.4 Überblick über das Berufswahlspektrum<br />
Im Anschluss an die vorher gemachten <strong>Aus</strong>sagen kann durch die Defizite in der<br />
Beruforientierung nicht davon die Rede sein, dass ein Überblick über das Berufsspektrum<br />
besteht. Dieser beschränke sich auf die bekanntesten <strong>Aus</strong>bildungsberufe. Die Jugendlichen<br />
seien einfach nicht ausreichend informiert. Hier bestehe auch eine Forderung an die Betriebe<br />
wonach diese das Marketing für unbekannte Berufe verbessern sollen. „Unternehmen<br />
müssen mehr für ihr Angebot werben, Vorteile <strong>und</strong> Perspektiven anbieten <strong>und</strong><br />
herausstellen.“<br />
Laut einem Interviewpartner wurden im Kreis Wesel über 300 Kompetenzchecks an<br />
Berufskollegs durchgeführt. Erschreckendes Fazit sei, dass die berufliche Orientierung der<br />
Jugendlichen fast nie zu ihren Zeugnissen <strong>und</strong> Fähigkeiten passe. Kritisiert wurde im<br />
Zusammenhang mit den Kompetenzchecks jedoch der Durchführungszeitraum, da die<br />
Durchführung in den Abschlussklassen, kurz vor den Ferien, viel zu spät sei, um Korrekturen<br />
bei der Berufswahl durchzuführen. Insofern müsse der Zeitpunkt viel weiter vorne angelegt<br />
werden, z. B. zum Ende des achten/Anfang des neunten Schuljahres, ergänzz um<br />
zielgerichtete Praktika mit Unterstützung durch die Lehrkräfte. „Ein 14-tägiges<br />
Schulpraktikum reicht da nicht aus.“ Auch die Eltern sollen stärker mit einbezogen werden.<br />
228
5.5 Transparenz existierender Angebote/Informationsgrad der Jugendlichen<br />
Den <strong>Aus</strong>sagen zu Folge sind neuere Berufe den Schülern kaum bekannt bzw. sind die<br />
Kenntnisse der Jugendlichen über die einzelnen Berufe insgesamt gering. Begründet wird<br />
diese <strong>Aus</strong>sage vereinzelt damit, dass die Jugendlichen größtenteils selbst nicht aktiv werden<br />
<strong>und</strong> meist auch keine elterliche Unterstützung bekommen, um Angebote in Anspruch zu<br />
nehmen. Interesse <strong>und</strong> Eigeninitiative seien seitens der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler nur gering<br />
ausgeprägt. Eigenständige Information <strong>und</strong> das Schreiben von Bewerbungen sehen die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler meist nur als lästige Pflichten an. Hier fehle es an der<br />
entsprechenden Motivation, sich um Arbeit zu bemühen <strong>und</strong> in den eigenen Erfolg zu<br />
investieren. „Alles soll schnell, einfach <strong>und</strong> ohne Anstrengung laufen.“<br />
Unterstrichen wurde außerdem, dass die Vielfalt der modernen Berufslandschaft aber auch<br />
gerade für Jugendliche (<strong>und</strong> nicht nur die) mittlerweile unüberschaubar sei. Ergänzend sei<br />
die Lebenssituation für Jugendliche kompliziert, viele Jugendliche seien mit der<br />
Eigenverantwortung vermutlich oft überfordert. Die Eltern scheinen ebenfalls hilflos zu sein<br />
<strong>und</strong> können ihren Kindern in dieser Situation nicht die nötige Sicherheit bieten. Einer<br />
<strong>Aus</strong>sage zufolge ist das Desinteresse der Jugendlichen jedoch auch dem unattraktiven<br />
momentanen Modell der Berufsausbildung geschuldet.<br />
Hinzu kommen von Seiten der Interviewten sich verändernde Anforderungen der<br />
Berufsschulen, bspw. in den handwerklichen Berufen. Eine <strong>Aus</strong>bildung zum Dachdecker<br />
oder Maurer sei für Sonderschüler mittlerweile extrem schwierig, eine <strong>Aus</strong>bildung zum<br />
Bäcker oder Metzger für diese Gruppe der Jugendlichen schon nicht mehr möglich. Häufige<br />
Probleme wurden zudem im Bereich der Selbsteinschätzung der Jugendlichen von den<br />
Befragten gesehen. Zum einen sei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern in der Regel die<br />
Relevanz von Berufsorientierung <strong>und</strong> Berufswahlvorbereitung nicht bewusst, zum anderen<br />
sei diese in Bezug auf die beruflichen Vorstellungen oft unrealistisch (z.B. hohe finanzielle<br />
Erwartungen an den zukünftigen Beruf). Auch stellen wohl das BIZ <strong>und</strong> der<br />
Berufswahlunterricht wichtige Informationsangebote dar, jedoch werde hier den<br />
Jugendlichen oft nicht in ausreichendem Maße die Tragweite der Berufswahlentscheidung<br />
verdeutlicht bzw. erfolge diese nur im luftleeren Raum der Theorie. Es mangele an einer<br />
lebensweltnahen Veranschaulichung zur Gewinnung der Jugendlichen für dieses Thema.<br />
Kritisiert wird dessen ungeachtet auch die Anzahl der Angebote. „Je mehr Angebote, desto<br />
unüberschaubarer.“ Hier wurde explizit auf die mangelnde Abstimmung der einzelnen<br />
Angebote z. B. aus der Bauwirtschaft oder den Girl´s day verwiesen, die zurzeit nur<br />
nebeneinander herliefen. Dabei würde nach Ansicht einiger Interviewpartner eine Steigerung<br />
der Transparenz nicht genügen, vielmehr bedarfe es „Personen“, die die Struktur<br />
durchschauen <strong>und</strong> den Jugendlichen in seiner Berufwahl unterstützen, d. h. ihm helfen, sich<br />
229
in dem „Dschungel“ zurechtzufinden <strong>und</strong> das den Bedürfnissen des einzelnen Jugendlichen<br />
entsprechende Angebot zu finden <strong>und</strong> zu nutzen. An den Schulen könne solch eine<br />
zusätzlich angelegte Stelle durch einen „Bildungsbegleiter“ besetzt werden. Nicht möglich sei<br />
die Beratung durch Fachlehrer, die zu wenig über die Arbeitswelt <strong>und</strong> die entsprechenden<br />
Anforderungen wissen.<br />
5.6 Regionale Prägung des Berufswahlverhaltens<br />
Das Berufswahlverhalten der Jugendlichen wird nach Ansicht der meisten Befragten durch<br />
die Schulen, die Arbeitsagentur <strong>und</strong> die Kammern geprägt. Aufschlussreich war eine<br />
<strong>Aus</strong>sage zur Übertragung von Arbeitslosen-/Sozialhilfekarrieren von den Eltern auf die<br />
Kinder, in dessen Rückschluss die Eltern (die Familie) die Berufswahl <strong>und</strong><br />
Berufswahlorientierung maßgeblich positiv oder negativ beeinflussen. Als besonders<br />
ausgeprägt wird dieser Einfluss bei Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
wahrgenommen. Es gab jedoch auch Meinungen die in die Richtung verwiesen, dass das<br />
Berufswahlverhalten sich am „freien Markt“ orientiere. „Die nehmen alles, was an freien<br />
Stellen angeboten wird. Die Wünsche spielen keine Rolle.“<br />
5.7 Zeitpunkt der beruflichen Orientierung<br />
Die meisten Befragten äußerten sich in diesem Punkt dahingehend, dass man mit der<br />
beruflichen Orientierung nicht früh genug beginnen könne. Berufswahlorientierung müsse<br />
viel früher <strong>und</strong> umfangreicher vermittelt werden. Gefordert wurde ausdrücklich eine stärkere<br />
Vorbereitung auf das Berufsleben <strong>und</strong> die Berufswahl in den allgemein bildenden Schulen.<br />
Diese sei von großer Wichtigkeit, da die Jugendlichen oftmals nur unzureichend informiert<br />
seien. Auch solle die Berufswahl mindestens 11/2 Jahre vor Schulabschluss abgeschlossen<br />
sein, da viele Betriebe zu diesem Zeitpunkt ihre <strong>Aus</strong>zubildenden einstellen. Insbesondere<br />
Gymnasiasten im 10. Schuljahr hätten sich häufig noch keine Gedanken zur Berufswahl<br />
gemacht. Auch finde die Berufswahl bisher oft nur anhand weniger Hinweise (meist durch<br />
Verwandte <strong>und</strong> Bekannte) statt. Es fehle ein Gesamtüberblick über die Berufswelt.<br />
Vorgeschlagen wurde in diese Richtung gehend z. B. die Einführung von Schnuppertagen<br />
bereits in den Klassen sechs <strong>und</strong> sieben, gekoppelt mit einer Orientierungsphase, die dann<br />
in den Klassen acht bis zehn ergänzt werden durch eine Vertiefungsphase <strong>und</strong> die konkrete<br />
Vorbereitung auf den Beruf. Als optimal wurde auch ein früherer Beginn ab Klasse 5 mit<br />
sukzessivem Aufbau befürwortet. Spätestens sollen berufswahlorientierende Maßnahmen<br />
jedoch drei Jahre vor dem Verlassen der Schule (als Bestandteil des Curriculums ab Klasse<br />
7) beginnen.<br />
230
5.8 Einschätzung der Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung, allgemein<br />
bildender <strong>und</strong> beruflicher Schulen <strong>und</strong> Unternehmen<br />
Die Antworten in diesem Fragenkomplex waren sehr divergent <strong>und</strong> reichten von, „die<br />
Zusammenarbeit sei gut“ bis hin zu „die Zusammenarbeit der genannten Institutionen ist in<br />
keinem Maße ausreichend.“ Kritisiert wurden im Einzelnen:<br />
• Der Informationsfluss im Allgemeinen, da jeder nur in seinem Bereich arbeitet.<br />
• Die im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen primär mangelnden<br />
Kommunikationsstrukturen sowie die falsche Einschätzung der Interessen in den<br />
Kurzprotokollen, weswegen von einigen Bildungsträgern nochmals eigene<br />
Eignungsanalysen durchgeführt werden. Auch bliebe die Betreuung vorhandener<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplätze aus, Stellenausschreibungen seien oft fehlerhaft <strong>und</strong> Anzeigen<br />
würden häufig ohne Ankündigung aus dem System genommen, weil sie „schon lange<br />
genug drin sind.“ Früher sei die Kooperation mit den Arbeitsagenturen vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> der Stellenakquisition zudem persönlicher abgelaufen, die <strong>Aus</strong>wirkungen<br />
zeigen sich heute in der „mangelnden“ Qualität der Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerber. Als<br />
wünschenswert wurde auch die geschlechtsspezifische Erfassung der Daten durch<br />
die Arbeitsagentur eingestuft, wodurch gezielter <strong>und</strong> effektiver gearbeitet werden<br />
könne. Als Gr<strong>und</strong> für eine früher stärkere Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur<br />
wurde angegeben, dass heute weniger Maßnahmen über die Agentur laufen. Im<br />
Ganzen sollen sich die Arbeitsagenturen viel mehr den Anregungen der Akteure<br />
öffnen.<br />
• Die teilweise ungeeigneten (Einstellungs-)Testverfahren vieler Unternehmen, da<br />
diese nicht geeignet seien, um die Ansprüche der realen Arbeitswelt abzubilden.<br />
Hierdurch können keine ausreichenden <strong>Aus</strong>sagen über eine Eignung eines<br />
Jugendlichen für den Beruf getroffen werden. Ergänzend erschweren Vorurteile <strong>und</strong><br />
Klischees bei den Betrieben die Zusammenarbeit mit Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten.<br />
• Die Zusammenarbeit mit den Berufskollegs, da die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer<br />
der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen an 1-2 Tagen in der Woche ein<br />
Berufskolleg besuchen, welches spezielle Klassen für die Teilnehmer gebildet hat.<br />
Dabei wurde eigens die Gestaltung der Unterrichtsst<strong>und</strong>en in Frage gestellt, die<br />
inhaltliche <strong>Aus</strong>richtung erscheine willkürlich. Befürwortet wurde hier, schwache<br />
Fächer wie Deutsch <strong>und</strong> Mathe stärker zu gewichten.<br />
• Auf Seiten der Schulen, dass die Betreuung oft am Schultor ende. Die<br />
Arbeitsagenturen würden, wenn überhaupt nur unfreiwillig von den Jugendlichen<br />
aufgesucht werden. Schule müsse hier ein Übergangsmanagement schaffen, damit<br />
231
tatsächlich eine Zusammenarbeit stattfinde. Empfohlen wurde von den Befragten ein<br />
frühzeitiger Beginn der beruflichen Orientierung in den Schulen, damit das Angebot<br />
(Jugendliche mit bestimmten Fähigkeiten <strong>und</strong> Interessen) mit der Nachfrage der<br />
Betriebe abgestimmt werde. Im Profil der Schule solle es Experten geben, die<br />
beispielsweise Kontakte zu den Betrieben <strong>und</strong> der Arbeitsagentur pflegen <strong>und</strong><br />
gleichzeitig den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern als Anlaufstelle dienen. Dazu sei jedoch<br />
die Einbringung von Ressourcen durch alle Beteiligten notwendig (zusätzlicher<br />
Mitteleinsatz). Daneben müsse die Zusammenarbeit zwischen allgemein bildenden<br />
<strong>und</strong> berufsbildenden Schulen verbessert werden, um die praktischen Kenntnisse von<br />
Berufsschullehrern in die Berufswahlorientierung einfließen zu lassen. In die gleiche<br />
Richtung fokussieren <strong>Aus</strong>sagen von Kammervertretern, die die Einstellung mancher<br />
Lehrer bezüglich des Engagements bei der Berufswahlorientierung kritisieren.<br />
Diese Punkte ergänzend, zeigt eine aktuelle Umfrage der Stiftung Partner für Schule NRW<br />
im Auftrag des nordrhein-westfälischen <strong>Aus</strong>bildungskonsenses zur partnerschaftlichen<br />
Zusammenarbeit von Schulen <strong>und</strong> Unternehmen 12 , dass zwar 42% aller allgemein bildenden<br />
weiterführenden Schulen über einen Partner in der Wirtschaft verfügen. Gleichzeitig bedeutet<br />
dies jedoch auch, dass 58% keine Kontakte besitzen obgleich 83% der Schulen ohne<br />
Partnerschaft sehr an einer dauerhaften Kooperation mit Unternehmen interessiert sind.<br />
Zudem verfügt, wie die Abbildung zeigt, die „kritische“ Masse an Haupt- <strong>und</strong> Förderschulen<br />
über die geringsten Kontakte.<br />
12 Vgl. hierzu ausführlicher http://www.partner-fuer-schule.de/presse_complete.php?id=3722.<br />
232
In der Untersuchungsregion werden solche Kooperationen zwischen allgemein bildenden<br />
Schulen <strong>und</strong> Unternehmen z. B. im Rahmen des Projektes ABBEO 13 (<strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong><br />
Berufswahlorientierung) ermöglicht. Gleichzeitig regen die Durchführenden des Projektes die<br />
Einrichtung einer zentralen Stelle in der Region an, die Betriebe <strong>und</strong> Schulen<br />
zusammenführt. Insgesamt gebe es viele Akteure <strong>und</strong> vielfältige Aktivitäten in diesem Feld,<br />
das jedoch sehr unübersichtlich sei. „Hier bedarf es einer Konzentration <strong>und</strong> Bündelung.“<br />
Positiv erwähnt wurde von einer Arbeitsagentur die Zusammenarbeit mit Hauptschulen, die<br />
vermutlich auf Gr<strong>und</strong> des erhöhten Beratungsbedarfs, einfacher geworden sei. Auch von den<br />
Kammervertretern wurde die enge Kooperation mit allgemein bildenden Schulen in den<br />
Fokus gerückt. <strong>Aus</strong>drücklich wurde auf Infoveranstaltungen in den Schulen zu<br />
unterschiedlichen Berufen im Handwerk, Bewerbungstrainings <strong>und</strong> das Angebot anbietender<br />
Unternehmen hingewiesen. Laut <strong>Aus</strong>sagen der Vertreter der Handwerkskammer fehle es<br />
den Jugendlichen häufig an der Information, dass auch im Handwerk kaufmännisch<br />
ausgebildet werden darf. Hier werde der Versuch unternommen, Schulen <strong>und</strong> Betriebe<br />
zusammenzubringen, damit Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die reale Arbeitswelt kennen lernen.<br />
Ergänzend hierzu, das Angebot einer Jobbörse, in der Betriebe ein detailliertes<br />
Anforderungsprofil des gesuchten Bewerbers/der gesuchten Bewerberin einstellen können.<br />
5.9 Nutzen von Praktika<br />
Im Fazit waren sich die Befragten hier einig, dass Praktika hilfreich seien. Werden diese<br />
richtig ausgewählt, kontrolliert <strong>und</strong> ausgewertet unterstützen sie den Prozess der beruflichen<br />
Orientierung <strong>und</strong> helfen den Jugendlichen ihre Eignung für einen bestimmten Beruf<br />
festzustellen. Dabei gibt es jedoch verschiedene Blickwinkel, die einzelnen Probleme<br />
beleuchten.<br />
Für die Jugendlichen, die sich erstmals beruflich orientieren, sei ein Praktikum sehr wichtig,<br />
da sie erstmals in Bezug auf die Tagesstruktur auf sich allein gestellt seien <strong>und</strong> nicht im<br />
Schutz der Gruppe ständen. Durch Praktika werden Erfahrungen gemacht, die in keiner<br />
theoretischen schulischen Erörterung zum Thema Berufswahl gemacht werden können.<br />
Auch bringe ein Praktikum in der Regel Erfolgserlebnisse mit sich wodurch das<br />
Selbstwertgefühl der Jugendlichen steige. Berufsorientierung werde auf diesem Wege in die<br />
Lebenswelt der Schüler transferiert. Diesbezüglich solle der Anteil der Praktika erhöht<br />
werden zumal durch sie auch Schlüsselqualifikationen erfahren, gelebt <strong>und</strong> erworben<br />
werden. Einige Vorschläge äußern sich auch dahingehend, Praktika ab der 7. Klasse<br />
einzuführen, damit die Jugendlichen früh berufspraktische Erfahrung sammeln können.<br />
Schule brauche hier innovative Veränderungen, eine engere Zusammenarbeit mit freier<br />
13 Vgl. hierzu ausführlicher http://www.unternehmerhaus-ag.de/index.php?id=280.<br />
233
Wirtschaft wäre wünschenswert damit Informationen richtig <strong>und</strong> verständlich vermittelt<br />
werden können.<br />
Praktika bedeuten auf der anderen Seite für die Unternehmen einen hohen<br />
Betreuungsaufwand, der sich rechnen muss. Gr<strong>und</strong>legend dafür müssen Schüler von der<br />
Schule gut auf das Praktikum vorbereitet werden. Die Kritik an Praktika, bei denen sich die<br />
Jugendlichen die „Beine in den Bauch stehen <strong>und</strong> langweilen“ ist darauf zurückzuführen,<br />
dass Praktika – wenn sie schlecht vorbereitet sind – mit der beruflichen Perspektive nichts zu<br />
tun haben. Häufig entspreche das gewählte Praktikum nicht den Berufswünschen der<br />
Jugendlichen. Die Vermittlung der Praktikumsstelle erfolge vielmehr durch Verwandte <strong>und</strong><br />
Bekannte. Kurzfristige Praktika seien indessen oft auch nicht sehr sinnvoll, da die<br />
Jugendlichen sich nicht gezielt umsehen <strong>und</strong> die Zeit im Praktikum daher wenig sinnvoll<br />
nutzen.<br />
Andererseits könne ein Praktikum als „Baustein“ genutzt werden, der Betrieb <strong>und</strong> der<br />
Praktikant erkennen lasse ob sie zueinander passen. Erkennen das beide Seiten, resultiere<br />
ein hoher Nutzen.<br />
Im Kontext der Schulpraktika wurden von den Befragten häufig auch Langzeitpraktika<br />
angesprochen, die meist besser organisiert seien <strong>und</strong> oftmals den Eintritt in den Beruf<br />
bieten. Gerade für „schlechte <strong>und</strong> störende“ Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler stelle sich dies oft als<br />
Vorteil heraus, da Praktika für sie eine abwechslungsreiche Alternative zum Schulalltag<br />
darstellen. Gleichzeitig können sich die Jugendlichen im Betrieb profilieren <strong>und</strong> stören den<br />
Unterricht nicht weiter. 14<br />
Im Rahmen Berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen wurde von den Interviewpartnern<br />
geäußert, dass es hier immer schwieriger werde, Praktikumsplätze zu akquirieren, da die<br />
Unternehmen mittlerweile von vielen Seiten um die Durchführung von Praktika gebeten<br />
werden. Praktika nach der Schulzeit seien aber auch nur dann sinnvoll, wenn sich eine dem<br />
Praktikum entsprechende Perspektive biete. Auch kürzere Laufzeiten werden von<br />
Unternehmen nicht gerne gesehen, da diese dann kaum Nutzen von den Praktikanten<br />
haben. So haben allgemein bildende Schulen mittlerweile ebenfalls Probleme, genügend<br />
Stellen zu finden, was verstärkt zu Praktikaanfragen bei den Bildungsträgern führe.<br />
Ebenfalls als sinnvoll erachtet werden Praktika in Verbindung mit schulischer <strong>Aus</strong>bildung.<br />
„Die Vermittlung fachspezifischen Gr<strong>und</strong>wissens kombiniert mit betrieblicher Einarbeitung im<br />
Praktikum kann nützlich sein.“ Gleichzeitig lasse sich dem Problem<br />
„Verdrängungswettbewerb“ durch Angebot <strong>und</strong> Praktika im Rahmen einer<br />
ressourcenorientierten Förderplanung entgegensteuern. Berufsvorbereitende<br />
14 Vgl. hierzu ergänzend auch die Ergebnisse des Modellprojekts "BUS - Betrieb <strong>und</strong> Schule".<br />
234
Bildungsmaßnahmen seien dahingehend einem Alleingang der Jugendlichen vorzuziehen,<br />
da diese sonst ganz von der Bildfläche verschwinden.<br />
6 Institutionelle Lösungsansätze, Netzwerke, Kooperationen von Schulen mit der<br />
Wirtschaft/Perspektiven <strong>und</strong> Trends<br />
Abschließend wurden die Gesprächsteilnehmer nach regionalen Kooperationsbeziehungen,<br />
-möglichkeiten, -bedarfen <strong>und</strong> Netzwerken, die sich zur Bewältigung der<br />
<strong>Aus</strong>bildungsprobleme in der Region gebildet haben <strong>und</strong> ihren Visionen im Hinblick auf<br />
innovative Konzepte in diesem Bereich befragt. Innerhalb dieses Kontexts galt es ebenfalls,<br />
Probleme bei der Konstituierung von Kooperationen <strong>und</strong> Netzwerken zu eruieren sowie<br />
Verbesserungspotenziale <strong>und</strong> benötigte Unterstützungsleistungen zu ermitteln. Gegenstand<br />
waren auch Probleme für die nach Ansicht der Befragten kurz- bzw. mittelfristig wohl keine<br />
Lösungen absehbar sind.<br />
Ingesamt war es interessant zu erfahren, wie die jeweils eigenen institutionellen<br />
Handlungsspielräume der Befragten eingeschätzt werden <strong>und</strong> welche Erwartungen dabei an<br />
andere Akteure gestellt werden. Priorität hatten für uns in den Gesprächen die institutionell<br />
charakteristischen Bewertungen der Situation im Allgemeinen sowie die Einschätzungen der<br />
jeweiligen Akteure über zukünftige Entwicklungen unter dem Aspekt individueller<br />
Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen im Besonderen. Im Hinblick auf die gesamte qualitative Studie<br />
konnte so gewährleistet werden, dass forschungsseitig diejenigen Handlungsempfehlungen<br />
<strong>und</strong> Gestaltungsansätze formuliert werden, welche die regionalen Besonderheiten<br />
aufnehmen, die mehrheitlich von den eingeb<strong>und</strong>enen Akteuren der Region als relevant <strong>und</strong><br />
praktikabel eingeschätzt werden <strong>und</strong> damit einen konkreten Nutzen stiften können.<br />
6.1 Regionale Kooperationsbeziehungen Netzwerke<br />
Generell werden Kooperationen <strong>und</strong> Netzwerke positiv angesehen. Der Bestand an<br />
Netzwerken <strong>und</strong> Kooperationen ist dabei in der Region unterschiedlich ausgeprägt. Zudem<br />
scheint nach <strong>Aus</strong>wertung der <strong>Aus</strong>sagen die Transparenz fraglich. Gleiches gilt für die<br />
Bestimmung <strong>und</strong> Definition von Netzwerken <strong>und</strong> Kooperationen. Insgesamt bestehen daher<br />
nach Angaben der Interviewten Netzwerke <strong>und</strong> Kooperationen in vielfacher Hinsicht. Als<br />
Partner wurden neben den Arbeitsagenturen, Kommunen <strong>und</strong> Städten, die Jugendhilfe,<br />
verschiedene Bildungsträger <strong>und</strong> -zentren, die Beiräte Schule/Beruf, der Arbeitskreis<br />
Schule/Wirtschaft, allgemein bildende Schulen, Berufskollegs, verschiedene nicht weiter<br />
definierte Initiativen, Gremien <strong>und</strong> Arbeitskreise, Kirchen <strong>und</strong> Gemeinden, Beratungsstellen<br />
(Schwangerschaft, Drogen, Schulden etc.) sowie Kammern <strong>und</strong> Unternehmen genannt. Sehr<br />
selten genannt wurden die Eltern sowie explizit die Regionalstellen Frau <strong>und</strong> Beruf.<br />
235
Auf der konkreten Ebene wurde von Bildungsträgern für die Stadt Duisburg ein ehemaliger<br />
Vermittlungsverb<strong>und</strong> für <strong>Aus</strong>bildungsplätze genannt, der das Matching zwischen den<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplatzanforderungen der Unternehmen <strong>und</strong> Bewerberprofilen online übernehmen<br />
sollte. Dieses Angebot sei jedoch bereits vor dem Start wieder „eingeschlafen“, da die<br />
entscheidenden Träger schließen mussten. Von den Schulen wurden auch Kontakte zu<br />
Großunternehmen wie Thyssen, der König-Brauerei oder Banken genannt. Diese<br />
Unternehmen bieten Praktikumsplätze an <strong>und</strong> führen bspw. mit den Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schülern im Rahmen der Berufsorientierung Einstellungstests durch. Abschließend gebe es<br />
dann eine Rückmeldung an die Schüler bezüglich ihrer Defizite. Die stadtteilbezogene<br />
Jugendsozialarbeit berichtete über Kooperationen mit verschiedenen Schulformen im<br />
Duisburger Norden, die einen Großteil des Angebots, wie z. B. die Projektvor- <strong>und</strong><br />
-nachbereitung von Theater-Workshops zum Thema Berufsorientierung, in Anspruch<br />
nehmen sowie dem städtischen Regionalzentrum Nord <strong>und</strong> sonstigen im Stadtteil<br />
ansässigen Institutionen. Ergänzend hierzu finden daneben Kooperationen auf<br />
internationaler Ebene im Rahmen einer Zusammenarbeit multikultureller Theater-Projekte<br />
statt. Gleichfalls werde eine Kooperation mit der Musikschule, im Rahmen eines<br />
internationalen Musikcorps, in dem Kinder <strong>und</strong> Eltern verschiedener Nationen gemeinsam<br />
musizieren, genannt. Migrantenorganisationen erweitern für Duisburg die bisherigen<br />
Kooperationen um den Integrationsausschuss der Stadt, den Jugendhilfeausschuss, den<br />
Verein der türkischen Geschäftsleute in Duisburg <strong>und</strong> Umgebung e.V. (TIAD), die regionalen<br />
Transferstellen in NRW (ReTra), den Verband für interkulturelle Arbeit e.V. (VIA), das<br />
B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (BiBB), den Verband regionaler Arbeitsstellen zur Förderung<br />
von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA-Verband) sowie Ministerien<br />
<strong>und</strong> weitere nicht spezifizierte Einrichtungen.<br />
Interessant ist auch für den Kreis Kleve eine ehemalige Zusammenarbeit im Rahmen des<br />
niederländischen Hochschultages. Für diesen Kreis wurde auch früher eine stärkere<br />
Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur attestiert. Heute liefen weniger Maßnahmen über die<br />
Arbeitsagentur. Kontakte werden häufig über einen Koordinator abgehandelt wodurch die<br />
Beratungsqualität der Agentur sinke (Abhängigkeit von persönlichen Kontakten!). Gleichwohl<br />
kümmere sich hier die Kommune mit um die Vergabe von <strong>Aus</strong>bildungsplätzen, die<br />
Zusammenarbeit funktioniere hier „hervorragend“ <strong>und</strong> gestalte sich weitaus unkomplizierter<br />
als zuvor mit der Arbeitsagentur. Positiv hervorgehoben wurde für den Kreis auch das<br />
Busprojekt, das viele Wege in die Unternehmen liefere, wodurch den Schülern eher eine<br />
Perspektive geboten werde. Als verbesserungswürdig wurde explizit die Zusammenarbeit<br />
<strong>und</strong> Kooperation mit den Eltern der Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern hervorgehoben.<br />
236
Realschülerinnen <strong>und</strong> -schüler des Kreises würden hingegen kaum ins duale System der<br />
Berufsausbildung einmünden sondern direkt weiterführende Schulen besuchen 15 .<br />
Der Kreis Wesel zeichnet sich auf Gr<strong>und</strong> der aktuellen <strong>Aus</strong>bildungssituation durch die Idee<br />
aus, Zeitarbeitsfirmen für Praktika in Berufsfachschulen zu nutzen. Kooperationen der<br />
Bildungsträger finden hier sowohl mit Schulen als auch mit anderen Trägern im Rahmen von<br />
Bietergemeinschaften 16 statt. Darüber hinaus könne ein Engagement der Befragten in<br />
Jugendhilfeausschüssen <strong>und</strong> Arbeitskreisen sowie bei Jugendkonferenzen festgestellt<br />
werden.<br />
Von Seiten der befragten Unternehmen <strong>und</strong> Unternehmensvertreterinnen <strong>und</strong> -vertreter<br />
wurde die Durchführung verschiedener Projekte wie z.B. „Fit für die Wirtschaft“, „Partner für<br />
einen Tag“ mit allgemein bildenden Schulen sowie die Zusammenarbeit mit Projekten im<br />
Rahmen von STARegio <strong>und</strong> ABBEO genannt. Ergänzend hinzu komme die meist enge<br />
Kooperation der Kammern mit allgemein bildenden Schulen im Bereich der<br />
Berufswahlorientierung. Hierunter werden von den Interviewten Infoveranstaltungen zu<br />
unterschiedlichen Berufen <strong>und</strong> das Aufzeigen von Angeboten verschiedener Unternehmen<br />
gefasst. Festgehalten werden konnte hier auch, dass die Kooperation mit der Arbeitsagentur<br />
schlecht eingestuft wurde, da „so gut wie keine“ Kommunikationsstrukturen existieren.<br />
Für die Gesamtregion fand in den Gesprächen, allein schon auf Gr<strong>und</strong> des hohen<br />
Problemsdrucks, die gute Zusammenarbeit zwischen den Beiräten Schule <strong>und</strong> Beruf <strong>und</strong><br />
dem regionalen <strong>Aus</strong>bildungskonsens Bestätigung.<br />
6.2 Weitere Kooperationsmöglichkeiten <strong>und</strong> -bedarfe/Probleme bei der<br />
Konstituierung von Netzwerken<br />
Neben einer einzelnen <strong>Aus</strong>sage aus dem Kreis Kleve, nach der weitestgehend bereits alle<br />
Kooperationsmöglichkeiten genutzt werden („dennoch würde man gerne mehr Zeit in<br />
Kooperation investieren“), werden noch ausstehende Kooperationsmöglichkeiten <strong>und</strong> auch<br />
-bedarfe zum einen in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen <strong>und</strong> Schule gesehen.<br />
Hier müssen nach Ansicht der Interviewpartner die Kontakte enger werden. Gleichzeitig<br />
wünschen sich auch die Bildungsträger eine stärkere Zusammenarbeit mit allgemein<br />
15 Vgl. hierzu auch Stender, Axel in diesem Band<br />
16 Bietergemeinschaften wurden mehrerhorts gegründet, da für einen Bieter alleine eine Bewerbung für die BVB-<br />
<strong>Aus</strong>schreibungen kaum noch möglich sei. Die hier genannte Bietergemeinschaft entstammt dem Jahr 2004<br />
<strong>und</strong> hat sich jetzt im 2. Jahr trotz hohem Koordinationsbedarf bewährt. Problematisiert wurde in diesem<br />
Zusammenhang kein erneuter Zuschlag für die Bietergemeinschaft in den kommenden <strong>Aus</strong>schreibungen, da<br />
dann der neue Anbieter alle Strukturen neu aufbauen müsse. In der Konsequenz bedeute dies einen hohen<br />
Qualitätsverlust <strong>und</strong> damit einen Nachteil für die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer. „Sollte die BVB weg<br />
brechen, hätten sich die bestehenden Netzwerke erledigt. Letztendlich sei man immer Konkurrent. Gerade<br />
diese Art von Kooperation sei nicht einfach im Umgang (einerseits knallharte Konkurrenz, andererseits Team).<br />
Innerhalb der Bietergemeinschaft habe mit der Zeit jeder Anbieter Schwerpunkte <strong>und</strong> Stärken entwickelt, daher<br />
herrsche wenig direkte Konkurrenz.“<br />
237
ildenden Schulen. Diese gestalte sich aktuell kompliziert, da allgemein bildende Schulen<br />
zwar oftmals Kontakt zu Berufskollegs aufnehmen, Trägern gegenüber jedoch weniger<br />
aufgeschlossen seien. Von den Berufskollegs wird dennoch darauf hingewiesen, dass auch<br />
der <strong>Aus</strong>tausch zwischen Berufsschule <strong>und</strong> allgemein bildenden Schulen verbessert werden<br />
müsse. Die Zusammenarbeit könne hier in Form von Gesprächsr<strong>und</strong>en oder einem<br />
Lehreraustausch (z. B. Berufsschullehrer machen Berufswahlorientierung an allgemein<br />
bildenden Schulen) stattfinden.<br />
Unabhängig davon wird von den meisten Befragten eine stärkere Zusammenarbeit mit der<br />
Arbeitsagentur eingefordert, da zurzeit eine individuelle Betreuung der Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler nicht gewährleistet sei. Vielmehr beschränke sich die Zusammenarbeit in den<br />
meisten Fällen auf gelegentliche Besuche der Berufsberater <strong>und</strong> die Besuche der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Berufsinformationszentrum der Arbeitsagentur (BIZ).<br />
Verbesserungspotenziale werden auch in Hinsicht auf die Netzwerkarbeit mit den<br />
Kommunen gesehen (Aufbauarbeit!).<br />
Ebenfalls erwünscht, der <strong>Aus</strong>bau von Arbeitgeberkontakten sowie die gesteigerte<br />
Kooperation im Bereich von Unternehmensnetzwerken. Daneben solle ein regionales<br />
Übergangsmanagement vorhanden sein, was gefördert werden könne. In diesem Fall sei es<br />
von Vorteil, wenn die Netzwerke für Außenstehende erkennbar <strong>und</strong> transparent gemacht<br />
werden. Allgemein war diesbezüglich eine hohe Bereitschaft bei den Befragten vorhanden.<br />
Von den Gleichstellungsstellen bzw. den befragten Regionalstellen Frau <strong>und</strong> Beruf wurde<br />
ergänzend der Wunsch geäußert, dass Frauen diese verstärkt als Verbündete sehen <strong>und</strong><br />
gemeinsam mit ihnen <strong>und</strong> anderen Frauen vielfältige Netzwerke knüpfen sollen. Ferner sei<br />
eine vernetzte Begleitung der Kinder sinnvoll, damit Übergänge (Gr<strong>und</strong>schule <br />
weiterführende Schule Berufskolleg usw.) sich nicht so kompliziert gestalten.<br />
Von den meisten Bildungsträgern wurde problematisiert, dass der in der Vergangenheit<br />
stattgef<strong>und</strong>ene „gute“ <strong>Aus</strong>tausch (bestehende Netzwerkaktivitäten) zwischen den Trägern,<br />
durch die verschärfte Konkurrenzsituation, nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> der neuen<br />
<strong>Aus</strong>schreibungsmodalitäten der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit, aktuell weitgehend unterb<strong>und</strong>en<br />
werde. Die Gefahr, durch die Weitergabe von Know-How, einem anderen Anbieter einen<br />
Vorteil zu verschaffen sei zu hoch, da eigene Arbeitsplätze vernichtet werden könnten.<br />
Außerdem seien Netzwerke <strong>und</strong> Kooperationen Schlagworte, die von allen gefordert werden.<br />
Gleichzeitig werde aber mehr darüber geredet, als getan. Der Konkurrenzkampf unter den<br />
Trägern erschwere die Institutionalisierung von Netzwerken. Unter Planungsunsicherheiten<br />
<strong>und</strong> einer hohen Fluktuation der Träger in den Regionen könne sich eine Zusammenarbeit<br />
der Träger nicht entwickeln. Die Kooperation werde durch den Wettbewerbsdruck erschwert.<br />
Dabei hingen Netzwerke generell stark vom Engagement einzelner Personen ab. Hier sei es<br />
238
schwierig, ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen während gleichzeitig permanente<br />
Umwälzungen in der Trägerlandschaft stattfinden. Hinzu komme, dass sich die<br />
Zusammenarbeit auch auf Gr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Entlohnung seitens der Träger<br />
schwierig gestalte. Diese wirkt sich demotivierend auf die Mitarbeiter aus. Darüber hinaus<br />
müssen alle Beteiligten einen Nutzen der Kooperation sehen. Nur Institutionen, die finanziell<br />
unabhängig seien, können einen Input geben <strong>und</strong> so eine Kooperation initiieren.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich so wurde geäußert, müssen bestimmte Voraussetzung gegeben sein, damit<br />
Kooperationen funktionieren: 1. müsse ein Akteur das Netzwerk bzw. die Kooperation<br />
initiieren <strong>und</strong> damit Zeit investieren, 2. solle jeder Kooperationspartner von der<br />
Kooperation/dem Netzwerk profitieren, 3. müsse die Konstanz der Kooperationsbeziehung<br />
gewährleistet werden. Gr<strong>und</strong>legend hierfür seien weiterhin persönliche <strong>und</strong> gewachsene<br />
Beziehungen, damit die Arbeit in einer vertrauensvollen <strong>und</strong> effektiven Kooperation münde.<br />
In den Beiräten seien zwar alle meist aktiv, eine Problemlösung durch Zusammenarbeit<br />
erfolge jedoch meistens nicht. Notwendig sei hier eine Struktur inklusive einer klaren<br />
Aufgabenstellungen <strong>und</strong> einem Netzwerkmanagement. „Ein gemeinsames System, welches<br />
an einen Entscheidungsträger (vorzugsweise die Schulaufsicht) gekoppelt sein sollte.“<br />
Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Tragfähigkeit von Netzwerken oftmals nicht vom<br />
Willen der Beteiligten abhängig sei sondern von finanziellen bzw. arbeitsmarktpolitischen<br />
Gegebenheiten.<br />
Generell, so die Ansicht eines Unternehmensvertreters, herrsche eine falsche Anspruchs<strong>und</strong><br />
Erwartungssituation. Die Probleme der Berufswahl <strong>und</strong> der <strong>Aus</strong>bildung dürfen nicht<br />
isoliert betrachtet werden. Beispielsweise lägen die Probleme älterer Arbeitnehmer ganz<br />
ähnlich <strong>und</strong> stellen damit die Unternehmen auch vor ähnliche Probleme. In diesem Fall<br />
können Berufseinstieg <strong>und</strong> -ausstieg analog behandelt werden. Die Frage nach der<br />
<strong>Aus</strong>bildungsbereitschaft der Unternehmen könne daher gekoppelt werden mit Angeboten zu<br />
flexiblen Arbeitszeiten oder insgesamt einer Erweiterung der Angebote (50plus etc.) Im<br />
Ganzen solle demzufolge eine Vernetzung der <strong>Aus</strong>bildungsthemen mit anderen<br />
Unternehmensbereichen stattfinden.<br />
6.3 Verbesserungspotenziale/Unterstützungsbedarf<br />
Von den Schulen wird durch die Einführung der Ganztagsschule eine effektivere Arbeit<br />
erwartet. Schulen die bereits Anträge gestellt haben, werden 2008 hier einen erneuten<br />
Versuch starten. Der <strong>Aus</strong>bau der offenen Ganztagsschule wird gefordert.<br />
Unterstützungsbedarf wird auch bei der Einbeziehung der Eltern gesehen. „Die<br />
Einflussnahme der Eltern ist ebenfalls verbesserungswürdig.“ Gewünscht ist ebenfalls eine<br />
weiterführende, verbesserte Zusammenarbeit mit Unternehmen in der Hoffnung, damit<br />
239
Probleme mit den zu vermittelten <strong>Aus</strong>zubildenden zu lösen. „Kontakte müssten enger<br />
werden.“<br />
Ergänzend müssen Sprachschwierigkeiten beseitigt werden, die <strong>Aus</strong>wirkungen auf die<br />
Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzsuche haben. „Ghettoisierung muss aufgebrochen werden.“<br />
Dazu müssen sich Betriebe, vor allem deutsche, öffnen, parallel müsse an den Sprach- <strong>und</strong><br />
Qualifikationsmängeln gearbeitet werden.<br />
Von Seiten der Träger müssen die Kontakte zu Schulen verbessert werden. Auch sollen<br />
Lose bei der Vergabe von Maßnahmen auf längere Zeiträume ausgerichtet sein, um<br />
Kapazitäten vorzuhalten (längere Planungsphasen).<br />
Insgesamt wird die Öffnung von bisher getrennt voneinander agierenden Institutionen bzw.<br />
Strukturen (Schule, Wirtschaft, Kammern) hin zu mehr gemeinsamer Arbeit im Sinne der<br />
Zielgruppe gefordert sowie die Verankerung eines gemeinsamen Vorgehens durch<br />
Weisungen bzw. Vorgaben der Politik.<br />
6.4 Probleme ohne kurz- bzw. mittelfristige Lösungsmöglichkeiten<br />
Nicht genügend <strong>Aus</strong>bildungsplätze für die Jugendlichen in der Region damit<br />
Abwanderung der jungen Menschen (brain drain!)<br />
Flexibilität der beteiligten Institution<br />
Geringe Kooperationsbereitschaft der Unternehmen<br />
Früherer Einsatz der Förderprogramme<br />
Übergang an der (zweiten) Schwelle da sich die allgemeine Arbeitsplatzsituation nicht<br />
verbessern wird<br />
<strong>Aus</strong>reichende Zahl an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />
Arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten <strong>und</strong> die finanzielle Lage aller beteiligten<br />
Institutionen<br />
240
Bianca Goertz<br />
Teil D Entwicklung eines regionalspezifischen Konzep-<br />
Inhalt<br />
tes zur Berufswahlorientierung ….<br />
1 Wissenschaftliche Diskussion zum Thema Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife.....242<br />
1.1 Historie <strong>und</strong> Theorien zur Berufswahl ...................................................................243<br />
1.2 Berufs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife ................................................................................249<br />
1.3 Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife fördernde Angebote .........................................254<br />
1.4 Aktuelle Diskussion ...............................................................................................258<br />
1.5 Handlungsansätze.................................................................................................262<br />
2 Diskurs zum Thema Netzwerke.............................................................................269<br />
2.1 Netzwerke..............................................................................................................270<br />
2.2 Regionale Netzwerke ............................................................................................271<br />
2.3 Innovation in Netzwerken ......................................................................................272<br />
2.4 Unterstützungsstrukturen für Netzwerke ...............................................................273<br />
2.5 Unterstützungsstrukturen in der Praxis .................................................................273<br />
2.6 Formen von Unterstützungsstrukturen ..................................................................274<br />
3 Regionalspezifisches Konzept zur Berufswahlorientierung...................................277<br />
3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse.......................................................................277<br />
3.2 Regionalspezifisches Konzept zur Berufsorientierung ..........................................283
1 Wissenschaftliche Diskussion zum Thema Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />
Durch die schnellen strukturellen Veränderungen der Berufs- <strong>und</strong> Arbeitswelt in der heutigen<br />
Dienstleistungs- <strong>und</strong> Wissensgesellschaft gewinnt der Begriff „Lebenslanges Lernen“ zunehmend<br />
an Bedeutung (vgl. Rützel 2000a, S. 17). Der beim Einstieg in das Berufsleben<br />
gewählte Beruf wird häufig nicht mehr ein Leben lang ausgeübt, vielmehr wird der Berufswechsel<br />
die Regel (vgl. a.a.O. S. 13; Thoma 2001, S. 22). Die Tätigkeitsfelder der Berufe<br />
sind einem fortwährenden Wandel unterworfen. Immer neue Anforderungen an die Arbeitnehmer<br />
sowie die Kurzlebigkeit der beruflichen Karrieren erfordern ein lebenslanges Lernen<br />
<strong>und</strong> die gr<strong>und</strong>legende Fähigkeit, sich immer wieder auf neue Situationen <strong>und</strong> Aufgaben einzustellen<br />
(vgl. BMBF 2003a, S. 3).<br />
Folgt man der Definition des lebenslangen Lernens durch die OECD (vgl. OECD 1996,<br />
S. 15) so wird deutlich, dass die Basis lebenslangen Lernens bereits in der frühesten Jugendphase<br />
gelegt werden muss. Das Individuum wird befähigt, sich dem Wandel in der Arbeitswelt<br />
<strong>und</strong> in der Gesellschaft in seinen verschiedenen <strong>Aus</strong>prägungen zu stellen. Im engen<br />
Zusammenhang steht damit der Übergang an der ersten Schwelle von der Schule in<br />
das Berufsleben, wird hier doch der Gr<strong>und</strong>baustein für den weiteren beruflichen Lebenslauf<br />
gelegt.<br />
Kontinuierlich ansteigende Qualifikationsanforderungen in den Unternehmen (vgl. Kiepe<br />
1998, S. 25) führen jedoch dazu, dass dieser Übergang an der ersten Schwelle von den Jugendlichen<br />
häufig als problematisch erlebt wird (vgl. Rützel 2000a, S. 17; Nickolaus 1998, S.<br />
57). Als Gr<strong>und</strong> hierfür kann auf der einen Seite ein Verdrängungswettbewerb angeführt werden,<br />
der dazu führt, dass Jugendliche, die „nur“ über einen Hauptschulabschluss oder auch<br />
die Fachoberschulreife verfügen, zunehmend von Mitbewerbern mit Hochschulreife vom<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt verdrängt werden (vgl. Maier 1976, S.32; Roitsch 2003, S. 58). Neuere<br />
<strong>Aus</strong>bildungsberufe sind häufig inhaltlich für Hauptschüler gleichwohl zu anspruchsvoll (vgl.<br />
Wiethaupt 1998, S. 119).<br />
Andererseits wird die Kritik an der mangelnden <strong>Aus</strong>bildungsreife der Schulabgängerinnen<br />
<strong>und</strong> Schulabgänger seitens der Wirtschaft immer stärker (vgl. Zedler 2003, S 12). Jugendliche<br />
haben bereits bei den gr<strong>und</strong>legenden Kulturtechniken wie Lesen, Rechtschreibung <strong>und</strong><br />
den Gr<strong>und</strong>rechenarten große Probleme. Gestützt wurde diese Kritik unter anderem durch<br />
die PISA- <strong>und</strong> die TIMSS- Studien (vgl. Bulmahn 2004, S. 8; Küchler 1998, S. 81).<br />
Mangelnde <strong>Aus</strong>bildungsreife findet ihren <strong>Aus</strong>druck auch in Schwierigkeiten bei der Berufswahl.<br />
1 <strong>Aus</strong>bildungsreife kann dabei nicht allein an einem bestimmten Kenntnis- oder Wissenstand<br />
festgemacht werden, sie sollte vielmehr auch als Entwicklungsaufgabe betrachtet<br />
1 Vgl. hierzu ausführlicher Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
242
werden, die die Jugendlichen bewältigen müssen (vgl. Mutscheller 1998, S. 113). Hierzu<br />
gehört insbesondere die Fähigkeit, selbständig einen realistischen Lebensplan zu gestalten<br />
(vgl. Thoma 2002, S. 14). Häufig werden die eigenen Fähigkeiten oder Interessen <strong>und</strong> Neigungen<br />
fehlerhaft eingeschätzt, so dass es zu einer falschen Berufswahl kommt. Als Folge<br />
lassen sich – ausgehend von einem Schulabbruch – Abbrüche von Berufsausbildungen <strong>und</strong><br />
der anschließende Weg in diverse Hilfstätigkeiten oder die Arbeitslosigkeit konstatieren. Kontextabhängig<br />
wird dann von „Bruchbiographien“ gesprochen. Zur Vermeidung solcher Diskontinuitäten<br />
im Erwerbsleben müssen den Jugendlichen in der Schule nicht allein gr<strong>und</strong>legende<br />
Kenntnisse vermittelt werden, vielmehr müssen auch ihre individuellen Neigungen<br />
<strong>und</strong> Interessen entwickelt <strong>und</strong> gefördert werden (vgl. Thoma 2002, S. 14). Diese Entwicklung<br />
<strong>und</strong> Förderung sollte sich daher auch im Berufswahlprozess widerspiegeln. Jugendliche<br />
müssen dazu befähigt werden, eine selbständige Berufswahlentscheidung zu treffen. In der<br />
Konsequenz bedeutet dies, dass die Jugendlichen einen Beruf wählen, sich für diese Berufsausbildung<br />
bereit fühlen <strong>und</strong> über die Möglichkeiten in diesem Beruf gut informiert sind<br />
(vgl. BMBF 2003a, S. 7).<br />
Dabei erfolgt die Entwicklung von Begriffen wie Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife über einen<br />
längeren Zeitraum hinweg in einem interdepedenten Gefüge von gesellschaftlichen, technischen<br />
sowie ökonomischen Faktoren, sie können nicht als Konstante begriffen werden.<br />
1.1 Historie <strong>und</strong> Theorien zur Berufswahl<br />
In einem ersten Schritt findet der Begriff <strong>„Berufswahl</strong> bzw. Berufswahlreife/-fähigkeit“ Erläuterung.<br />
<strong>Aus</strong>gehend von der Historie wird zunächst geklärt, welche besonderen Umstände, Faktoren<br />
<strong>und</strong> Kompetenzen dem jeweiligen Berufsbegriff zu Gr<strong>und</strong>e liegen <strong>und</strong> welche theoretischen<br />
Ansätze sich zur Erklärung des komplexen Vorgangs der Berufswahlreife <strong>und</strong> deren<br />
Entwicklung heranziehen lassen. Der historische Rückblick ermöglicht es dabei, mit Blick auf<br />
die Theorie, die Entwicklung der Berufswahl, ins Abhängigkeit von gesellschaftlichen, ökonomischen<br />
<strong>und</strong> sozialen Rahmenbedingungen aufzuzeigen, um hierauf Bezug nehmend im<br />
weiteren Verlauf Handlungsansätze für eine Neugestaltung der erforderlichen Prozesse abzuleiten.<br />
Einhergehend mit dem Bedeutungswandel des Berufsbegriffs, der durch gesellschaftliche,<br />
soziale, technische <strong>und</strong> ökonomische Faktoren bedingt wird, gewinnen demnach die Begriffe<br />
Berufswahl <strong>und</strong> Berufswahlreife nur in solchen Gesellschaften an Signifikanz, die eine freie<br />
Berufswahl erlauben respektive einfordern. Unter dieser Perspektive können bis in<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>ert die Gesellschaftsformen als traditionsbestimmt, statisch, agrarisch-feudal<br />
<strong>und</strong> ständisch gegliedert bezeichnet werden. Vereinzelte Ansätze in der Bildungsgeschichte<br />
wie die Säkularisierung des Berufsbegriffs im Zeitalter der Aufklärung (1700-1800) – in deren<br />
243
Konsequenz der Beruf nicht länger zu Ehren Gottes ausgeübt wurde, sondern in erster Linie<br />
dem Nutzen der Gesellschaft dienen sollte – die eine Vorbereitung auf den Beruf fokussierten,<br />
konnten sich dabei anfänglich nicht durchsetzen. Der ausschließlich utilitaristische Erziehungsauftrag<br />
der Schulen jener Zeit, junge Menschen mit den für die anschließende Berufstätigkeit<br />
notwendig erscheinenden Fertig- <strong>und</strong> Fähigkeiten auszustatten (vgl. Preyer<br />
1978, S. 14f.), unterlag als Folge dieser Entwicklung heftiger Kritik. In den Hintergr<strong>und</strong> rückte<br />
damit einhergehend die Aufgabe der Schule, auf Beruf <strong>und</strong> Stand vorzubereiten. Die allgemeine<br />
Bildung – losgelöst der Verwertbarkeit – trat in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Eine zusehende Differenzierung der Berufe durch Technisierung, Automatisierung, Mechanisierung<br />
<strong>und</strong> Arbeitsteilung fand im Zuge der Industrialisierung statt. Nicht länger durch den<br />
Stand bzw. durch die familiäre Herkunft vererbt, konnte der Beruf auf Gr<strong>und</strong> individueller<br />
Neigungen <strong>und</strong> Fähigkeiten frei gewählt werden. An zunehmender Bedeutung gewinnt die<br />
Individualisierung von Berufsverläufen, die erstmals selbstbestimmte Entscheidungsprozesse<br />
des Subjektes erlaubt, im Rahmen aktueller Diskussionen zur „Gleichheit der Bildungsmöglichkeiten“<br />
bzw. „Chancengerechtigkeit“. Der Begriff der Chancengerechtigkeit anstelle<br />
der „gleichen Möglichkeiten“ setzt jedoch an dieser Stelle die Ungleichartigkeit <strong>und</strong> -<br />
wertigkeit bereits als gegeben voraus (vgl. Kienitz 2001) <strong>und</strong> stellt damit selbstbestimmte<br />
Entscheidungsprozesse im Rahmen der Berufswahl erneut in Frage.<br />
Werden auch die Übergänge von der allgemein bildenden Schule in die berufliche <strong>Aus</strong>bildung<br />
(erste Schwelle) <strong>und</strong> anschließend in das Beschäftigungssystem (zweite Schwelle)<br />
gegenwärtig als zentrale Elemente der Jugendphase verstanden, da sie die Einordnung in<br />
den Arbeitsmarkt markieren <strong>und</strong> zugleich für die Jugendlichen die Ablösung von der Herkunftsfamilie<br />
<strong>und</strong> die Hinwendung zu einer eigenen Existenz bedeuten, so sehen sich die<br />
Jugendlichen jedoch hier auch mit der Notwendigkeit konfrontiert, eine Entscheidung für ihren<br />
weiteren Lebensweg zu treffen, die weit reichende Konsequenzen nach sich zieht. Der<br />
Beruf ist Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Voraussetzung für Integration <strong>und</strong> gesellschaftliche Teilhabe, strukturiert<br />
den Alltag, dient der materiellen Existenzsicherung <strong>und</strong> ermöglicht die Verortung in der<br />
Gesellschaft (vgl. Krafeld 2000, S. 23).<br />
In Anbetracht empirischer Bef<strong>und</strong>e zur Berufswahl, die ein hohes Maß an Außensteuerung<br />
der Entscheidungen nachweisen (vgl. Skiba u.a. 1995, S. 394), stellt sich doch die Frage, ob<br />
Jugendliche objektiv betrachtet vor der Wahl stehen, eine berufliche <strong>Aus</strong>bildung im dualen<br />
System zu beginnen oder auf andere Alternativen (Berufsbildende Schulen etc.) auszuweichen.<br />
Neben den Kompetenzen, die Jugendliche benötigen, um ihre persönlichen Ziele zu<br />
klären, ihre Neigungen <strong>und</strong> Fähigkeiten zu bestimmen <strong>und</strong> darauf aufbauend sich rational für<br />
einen Berufsweg zu entscheiden (vgl. Huber 1997, S. 307) <strong>und</strong> die insofern Berufswahlreife<br />
bzw. -fähigkeit als primäres Ziel des Berufswahlunterrichts in allgemein bildenden Schulen<br />
kennzeichnen, bestimmen nicht nur kognitive Determinanten wie Intelligenz, Fähigkeiten <strong>und</strong><br />
244
Schulnoten (Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> Begabung), sondern zunehmend situative Determinanten<br />
wie soziale Herkunft, kultureller Hintergr<strong>und</strong>, Bezugsgruppen (Eltern, peer groups) <strong>und</strong> nicht<br />
zuletzt die <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Seifert 1988) den gesamten<br />
Bildungsweg <strong>und</strong> damit entscheidend die Berufswahl. „Die Hinführung zur Berufswahlreife<br />
verlangt beim Jugendlichen die möglichst umfassende Bewusstwerdung all der objektiven<br />
<strong>und</strong> subjektiven Chancen <strong>und</strong> Benachteiligungen, die für die Berufswahl relevant sind. Der<br />
Jugendliche muß den Konfliktcharakter der Berufswahl <strong>und</strong> die diesen bedingenden subjektiven<br />
(Werthaltungen, Fähigkeiten, Dispositionen; Neidungen) wie auch objektiven sozioökonomischen<br />
Determinanten erkennen <strong>und</strong> sich der Notwendigkeit seiner rationalen Entscheidung<br />
bewußt werden.“ (Gmelch 2000, S. 94)<br />
Die Anstrengungen den komplexen Vorgang der Berufswahl bzw. der Berufswahlreife <strong>und</strong><br />
deren Entwicklung systematisch zu analysieren, haben zu einer Vielzahl theoretischer Ansätze<br />
geführt. Diese ermöglichen zusammengenommen ein umfassenderes Verständnis für<br />
den vielschichtigen Prozess. Gleichzeitig liefern sie den theoretischen Rahmen für die Gestaltung<br />
des Prozesses der beruflichen Orientierung, indem versucht wurde <strong>„Berufswahl</strong>verhalten<br />
<strong>und</strong> Berufswegplanung als individuelles <strong>und</strong> gesellschaftliches Problem durch Erforschung<br />
relevanter Bestimmungs- <strong>und</strong> Einflussfaktoren mit unterschiedlichen wissenschaftsmethodischen<br />
Vorgehensweisen, Perspektiven <strong>und</strong> Erkenntnisinteressen (z. B. Diagnose<strong>und</strong><br />
Beratungshilfen, Rekrutierungsstrategien, Arbeitszufriedenheit <strong>und</strong> Berufserfolg im „passenden“<br />
Beruf) zu analysieren <strong>und</strong> zu erklären.“ (Gmelch 2000, S. 94)<br />
Der Prozess der beruflichen Orientierung in Schulen <strong>und</strong> Berufsberatung etc. richtet sich<br />
dementsprechend nach den einschlägigen Theorien. Bei der Entwicklung der Berufswahlreife<br />
finden demgemäß auch ökonomische, soziologische <strong>und</strong> allokative, entwicklungspsychologische,<br />
persönlichkeitsstrukturelle, entscheidungstheoretische <strong>und</strong> interaktionstheoretische<br />
Faktoren Berücksichtigung.<br />
• Soziologische <strong>und</strong> sozioökonomische Theorien zur Berufswahl stellen die Umwelt des<br />
Individuums sowie Kontextfaktoren als maßgeblich im Berufswahlprozess heraus. Charakteristisch<br />
für diese Ansätze ist die Annahme, dass Berufswahl im hohen Maße von<br />
kulturellen <strong>und</strong> sozialen Bedingungen, wie z. B. von der Wirtschaftslage sowie von den<br />
familiären Verhältnissen abhängig ist (vgl. Scharmann 1956). Soziale <strong>und</strong> ökonomische<br />
Determinanten haben folglich auf die Berufswahl einen so hohen Einfluss, dass der Beruf<br />
kaum frei gewählt werden kann, sondern zugewiesen wird.<br />
• Entwicklungstheoretische Ansätze thematisieren berufliche Entwicklung in ihrer zeitlichen<br />
Dimension <strong>und</strong> postulieren mehrere Phasen im Hinblick auf die Entwicklung von Berufswahlreife,<br />
die von den Individuen nacheinander durchlaufen werden. Fokussiert werden<br />
beruflich relevante Persönlichkeitsmerkmalen sowie die Fragen danach, in welcher Le-<br />
245
ensphase sie sich ausbilden, wie sich das Berufswahlverhalten in bestimmten Entwicklungsphasen<br />
äußert <strong>und</strong> welchen Einfluss die soziale Umwelt dabei ausübt. „Der entwicklungstheoretische<br />
Ansatz ist der systematische Ort für die Frage, über welche Einstellungen,<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten der Berufswähler in der jeweiligen Phase der beruflichen<br />
Entwicklung verfügen sollte (Berufswahlkompetenz) bzw. tatsächlich verfügt (Berufswahlreife).“<br />
(Bußhoff 1992, S. 79)<br />
• Persönlichkeitspsychologische Theorien sehen die Berufswahl als einen Matchingprozess<br />
an, bei dem das Individuum einen seiner Persönlichkeit entsprechenden Beruf wäh-<br />
len soll. 2 Beobachtbare Persönlichkeitseigenschaften (Motivationen, Einstellungen, Fä-<br />
higkeiten, Interessen etc.) werden analysiert <strong>und</strong> mit dem Anforderungsprofil der Berufe<br />
abgeglichen. Nach diesem Ansatz ist berufliche Zufriedenheit gegeben, wenn der gewählte<br />
Beruf mit den Interessen <strong>und</strong> dem Persönlichkeitsmuster der betreffenden Person<br />
übereinstimmt. Charakteristisch sind Konzepte für eine differenzierte Erfassung der Persönlichkeitsmerkmale<br />
des Berufswählers.<br />
• Entscheidungstheoretische Ansätze versuchen Berufswahl hauptsächlich durch abschließende<br />
Wahl- <strong>und</strong> Entscheidungsvorgänge zu erklären (vgl. Seifert 1977, S. 215).<br />
Es existieren verschiedene Varianten der Entscheidungstheorie, „die sich hinsichtlich der<br />
angenommenen Struktur der Entscheidungssituation, des Ablaufes des Entscheidungsprozesses<br />
<strong>und</strong> des Verhaltens des Entscheidungssubjektes unterscheiden“ (Bußhoff<br />
1992, S. 85). Ein Entscheidungsprozess besteht zusammengefasst aus der Problemwahrnehmung,<br />
der Informationssuche <strong>und</strong> -verarbeitung, der Entwicklung <strong>und</strong><br />
Definition von Handlungsalternativen sowie der Wahl der Mittel <strong>und</strong> der abschließenden<br />
Realisierung (vgl. Beinke/Wascher 1993, S. 14). Restriktiv ist zu erwähnen, dass Entscheidungsprozesse<br />
in der Realität nicht linear verlaufen. Zur Erlangung von Berufswahlreife<br />
müssen Jugendliche im Rahmen der Berufsorientierung Entscheidungsstrategien<br />
<strong>und</strong> -kriterien erlernen, die sie befähigen, rationale <strong>und</strong> selbstbestimmte Entscheidungen<br />
zu treffen.<br />
• Interaktionstheoretische Ansätze sehen die Entwicklung von Berufswahlreife sowie den<br />
gesamten Berufswahlprozess als Resultat von Interaktionsprozessen mit Lehrkräften, Eltern,<br />
der peer-group etc., welche durch die jeweilige Sachkompetenz <strong>und</strong> die jeweiligen<br />
Interessen der Interaktionspartner bestimmt sind (vgl. Gmelch 2000, S. 97).<br />
Festgehalten werden kann, dass eine Vielzahl theoretischer Ansätze existiert, die jeweils<br />
wesentliche Aspekte der Berufswahl beleuchten. Keiner dieser Ansätze kann jedoch den<br />
Anspruch erheben, den Berufswahlprozess <strong>und</strong> somit die Entwicklung von Berufswahlreife in<br />
2<br />
Auf die differentielle Psychologie zurückgehend, werden diese Theorein auch als Trait-and-Factor-Theorien<br />
bezeichnet.<br />
246
ihrer Komplexität zu erfassen. Vielmehr implizieren die verschiedenen Ansätze zur Entwicklung<br />
von Berufswahlreife differierende Aspekte. Als ein Ansatz, der auf Gr<strong>und</strong> der gegebenen<br />
Komplexität versucht, die verschiedenen Erklärungsansätze zu vereinen, <strong>und</strong> damit ein<br />
umfassenderes Verständnis von Berufswahl ermöglicht, kann das integrative Rahmenmodell<br />
zur Erklärung der Berufswahl von Bußhoff 1984 3 genannt werden.<br />
Rahmenmodell von Bußhoff<br />
Quelle: Bußhoff, L. (1984): Berufswahl: Theorien <strong>und</strong> ihre Bedeutung für die Praxis der Berufsberatung. Stuttgart,<br />
Berlin, Köln, Mainz.<br />
Demnach entwickeln Berufswähler durch Reifungsprozesse <strong>und</strong> Lernerfahrungen ein bestimmtes<br />
Selbst- <strong>und</strong> Umweltkonzept sowie Wertvorstellungen über Berufsfelder. „In der<br />
Phase der Berufswahl entwickelt die Berufswählerin <strong>und</strong> der Berufswähler, angeregt durch<br />
<strong>und</strong> eingeb<strong>und</strong>en in neue Lernerfahrungen, aus dem Selbstkonzept die Entscheidungskriterien,<br />
aus dem Umweltkonzept die Entscheidungsalternativen <strong>und</strong> aus dem Repertoire bisher<br />
gelernter Problemlösungsmethoden die Entscheidungsfertigkeit.“ (Bußhoff 1992, S. 87f.) Auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage von Entscheidungsvoraussetzungen werden Handlungspräferenzen <strong>und</strong> Realisierungserwartungen<br />
herausgebildet. Abschließend steht die Entscheidung für den ausge-<br />
3 In letzter Zeit wurden verstärkt Versuche unternommen einen integrativen Rahmen zur Erklärung der Berufswahl<br />
zu schaffen. Als Beispiel sei die sozial-kognitive Theorie von Lent, Brown <strong>und</strong> Hackett 1994 genannt, die<br />
versucht, die bestehenden Theorien zu vereinen <strong>und</strong> zu ergänzen. Die Wahl fiel hier auf Bußhoff, da die Relevanz<br />
der neueren Erklärungsansätze noch nicht endgültig beurteilt werden kann (Lent, R.W./Brown,<br />
S.D./Hackett, G.: Toward a unifying social cognitive theory of career and academic interest, choice and performance.<br />
Journal of Vocational Behaviour, Nr. 45, 1994. S.79-122.).<br />
247
wählten Beruf, die als Handlungsabsicht bezeichnet wird. Der Entscheidungsprozess findet<br />
an dieser Stelle entweder seinen vorläufigen Abschluss oder beginnt erneut. Kommt es nicht<br />
zu einer Entscheidung mit der Konsequenz ihrer Durchführung, so vermittelt der <strong>Aus</strong>führungsversuch<br />
neue Lernerfahrungen, die in die berufliche Entwicklung eingehen <strong>und</strong> sich auf<br />
weitere Entscheidungssituationen auswirken. (vgl. Bußhoff 1992, S. 88)<br />
<strong>„Berufswahl</strong> kann demnach definiert werden als<br />
• eine in eine lebenslange berufliche Entwicklung eingeb<strong>und</strong>ene (dargestellt in Phase A)<br />
<strong>und</strong><br />
• unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen <strong>und</strong> Einflüssen stehende sowie<br />
• in der Regel sich wiederholt einstellende<br />
• interaktive Lern- <strong>und</strong> Entscheidungsphase (dargestellt als Phase B),<br />
• deren jeweiliges Ergebnis dazu beiträgt, daß Menschen unterschiedliche berufliche Tätigkeiten<br />
ausüben“ (Bußhoff 1992, S. 88).<br />
Trotz zahlreicher Versuche, integrative Modelle zur Erklärung des komplexen Prozesses der<br />
Berufswahl zu entwickeln, ist es bisher jedoch noch nicht gelungen, einen Ansatz zu identifizieren,<br />
der einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte.<br />
Angesichts derzeitig tief greifender Veränderungsprozesse in Form von Technisierung, Informatisierung,<br />
Globalisierung <strong>und</strong> Umstrukturierung der Arbeitsorganisationen, muss Berufsorientierung<br />
nicht mehr länger nur Kompetenzen vermitteln, die es dem Jugendlichen<br />
ermöglichen, sich unter Kenntnisnahme seiner Fähigkeiten, wie auch des regionalen <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebots<br />
für einen „Lebensberuf“ zu entscheiden. Der Trend zu Individualisierung,<br />
Pluralisierung <strong>und</strong> Diskontinuität äußert sich vielmehr in der Konsequenz, dass der<br />
erstmalig ergriffene Beruf nicht länger als überdauerndes Moment verstanden wird, sondern<br />
den strukturellen Entwicklungen entsprechend gestaltet <strong>und</strong> modifiziert werden muss. Berufswahl<br />
meint nicht nur, sich für eine erste Stufe in der Berufsbiografie entscheiden zu können,<br />
sondern sich „darüber hinaus auf eine permanente Erweiterung <strong>und</strong> Vertiefung seiner<br />
einmal erworbenen fachlichen <strong>und</strong> überfachlichen Kompetenzen, auf ein Lebensbegleitendes<br />
Lernen, einzustellen <strong>und</strong> dafür nachhaltig motiviert <strong>und</strong> befähigt zu sein.“ (BMBF 2003a,<br />
S. 3) Für die Jugendlichen bedeutet dies, dass es nicht lediglich um die Entscheidung für<br />
einen Beruf geht, sondern um ein Vielfaches mehr. Für sie gilt es, ein Konzept der Berufswahl<br />
zu entwerfen, welches es ihnen ermöglicht, ihre Kompetenzen, die sich in Abhängigkeit<br />
von gesellschaftlichen, sozialen <strong>und</strong> kulturellen Faktoren stetig verändern, weiter zu entwickeln.<br />
In diesem Kontext lag der Untersuchung die Definition von Famulla 2006 zu Gr<strong>und</strong>e,<br />
wonach „Berufsorientierung (…) ein Prozess der Annäherung <strong>und</strong> Abstimmung zwischen<br />
Interessen, Wünschen, Wissen <strong>und</strong> Können des Individuums auf der einen <strong>und</strong> Bedarf <strong>und</strong><br />
248
Anforderungen der Arbeits- <strong>und</strong> Berufswelt auf der anderen Seite“ (Famulla 2006, S. 1) ist.<br />
Beide Dimensionen unterliegen Entwicklungs- <strong>und</strong> Wandlungsprozessen, die jeweils einer<br />
eigenen Logik folgen, von den Subjekten aber bei der Entwicklung einer eigenständigen <strong>und</strong><br />
nachhaltigen beruflichen Perspektive miteinander verknüpft werden müssen (vgl. Famulla<br />
2006, S. 1f.).<br />
Berufswahlreife lässt sich daher auch nur temporärer definieren. Für die an der Berufswahl<br />
beteiligten Institutionen bedeutet dies permanente Reflektion <strong>und</strong> Revision.<br />
1.2 Berufs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />
In Abgrenzung zur Berufswahlreife ist die Berufs- bzw. <strong>Aus</strong>bildungsreife zu sehen.<br />
Unter dem Begriff „<strong>Aus</strong>bildungsreife“ werden in der Regel unterschiedliche Begriffsverständnisse<br />
<strong>und</strong> Elemente subsumiert, so dass in der Literatur verschiedene Auffassungen herrschen,<br />
welche Inhalte unter dem Begriff „<strong>Aus</strong>bildungsreife“ zu verstehen sind, bzw. über welche<br />
Fähigkeiten, Kenntnisse <strong>und</strong> Persönlichkeitsmerkmale ein Jugendlicher verfügen muss,<br />
damit er als „ausbildungsreif“ bezeichnet werden kann. Da keine einheitliche Begriffsdefinition<br />
existiert, obwohl der Begriff vielfach in der Literatur, von den Medien <strong>und</strong> den Akteuren<br />
beruflicher Bildung verwendet wird, soll im Folgenden der aktuellen „Mystifizierung“ des Begriff<br />
entgegengewirkt werden.<br />
Im Zusammenhang mit der <strong>Aus</strong>bildungsreife werden in der Literatur verschiedene Begriffe,<br />
wie z. B. <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit, <strong>Aus</strong>bildungseignung, Berufsreife <strong>und</strong> Berufseignung verwendet.<br />
Diese Begriffe beinhalten viele Überschneidungen, insofern scheint zunächst eine Abgrenzung<br />
sinnvoll.<br />
Schwappacher <strong>und</strong> Sommer 1979 fassen unter dem Begriff der Berufsreife den körperlichen,<br />
geistigen <strong>und</strong> seelischen Entwicklungsstand zusammen, den Jugendliche bei Aufnahme einer<br />
Berufsausbildung erreicht haben sollten. Sie gehen davon aus, dass die Voraussetzungen<br />
für die Aufnahme einer Berufsausbildung, genau wie die Bedingungen der Arbeitswelt,<br />
einem fortwährenden Wandel unterliegen <strong>und</strong> es daher keine abschließende Definition von<br />
Berufsreife geben kann. Zu den Bedingungen für den Beginn einer <strong>Aus</strong>bildung gehören, ihnen<br />
zufolge, physische, kognitive, affektive sowie psychomotorische Voraussetzungen. (vgl.<br />
Schwappacher; Sommer 1979, S.42ff)<br />
Gleichfalls den Entwicklungsstand einer Person verstehen Hagmüller, Müller <strong>und</strong> Schweizer<br />
1975 unter Berufsreife, ohne diesen jedoch zur Voraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung<br />
zu machen. Vielmehr soll eine Berufsausbildung zur Berufsreife führen.<br />
(Hagmüller; Müller; Schweitzer 1975, S. 29 ff.)<br />
249
Zusammenführen lassen sich diese Definitionen in Böhm 1988 wonach sich allgemeine Berufsreife<br />
einerseits über die „körperliche, psychologische <strong>und</strong> geistige Reife für die Fähigkeit<br />
zur überlegten, kritischen Berufswahl <strong>und</strong> zum Erwerb berufspraktischer <strong>und</strong> -<br />
theoretischer Kenntnisse“ (Böhm 1988, S. 77) definiert. Der Begriff sich andererseits aber<br />
auf alle individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten <strong>und</strong> Neigungen bezieht, die benötigt werden,<br />
um den Anforderungen eines Berufs oder einer <strong>Aus</strong>bildung zu genügen (vgl. Böhm 1988,<br />
S. 77). Heute noch wird davon ausgegangen, dass die Berufs- bzw. <strong>Aus</strong>bildungsreife bei<br />
Erreichung des qualifizierten Hauptschulabschlusses – also nicht vor dem 16. Lebensjahr –<br />
gegeben ist. Zurückführen lässt sich dieser Umstand auf die Diskussion um die Schulzeitverlängerung<br />
der bis in die 70er Jahre gängigen Volksschulstruktur, welche mit der achten<br />
Klasse endete (vgl. Odenbach 1974, S 70).<br />
Diese Annahme gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Strukturelle Veränderungen implizieren<br />
neue richtungsweisende Bildungsmodelle, welche in ihrer Konsequenz erneute Überlegungen<br />
diesbezüglich nach sich ziehen müssen. Es gilt nicht mehr länger, nur die Jugendlichen<br />
mit den für die anschließende Berufstätigkeit notwendig erscheinenden Fertigkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />
auszustatten; sondern vielmehr sie zum Lebensbegleitenden Lernen zu befähigen,<br />
wofür möglichst frühzeitig die Weichen gestellt werden müssen.<br />
Von daher sind von der Berufsreife die Begriffe Berufseignung <strong>und</strong> Berufsfähigkeit abzugrenzen.<br />
Dabei ist unter Berufseignung die Wahrscheinlichkeit zu verstehen, dass eine Person<br />
den Ansprüchen eines Berufes gewachsen <strong>und</strong> damit für diesen Beruf geeignet ist (vgl.<br />
Rützel 2002, S. 4). Unter Berufsfähigkeit versteht man das Vorhandensein der für eine berufliche<br />
Tätigkeit notwendigen Qualifikationen. (vgl. SWA-Glossar 2004)<br />
Analog den Begriffen Berufseignung <strong>und</strong> Berufsfähigkeit jonglieren die Akteure der beruflichen<br />
Orientierung mit den Begriffen <strong>Aus</strong>bildungseignung <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit. Deren<br />
Konglomerat gipfelt wiederum in dem Begriff der aktuell immer wieder diskutierten <strong>Aus</strong>bildungsreife.<br />
Zumeist am Ende der Pflichtschulzeit – mit dem Erreichen eines Schulabschlusses! – werden<br />
Jugendliche formal als „ausbildungsfähig“ bezeichnet. <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit umfasst dabei<br />
die Fähigkeiten, die notwendig sind, damit ein Jugendlicher den Anforderungen einer<br />
Berufsausbildung gewachsen ist (vgl. Schober 2004, S. 5). Zur Beurteilung der <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit<br />
einer Person werden verschiedene, sowohl modifizierbare (Verhaltensweisen,<br />
Schulleistungen etc.) als auch eher statische (z. B. Intelligenz) Personenmerkmale herangezogen,<br />
die als Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufsausbildung gelten (vgl. ebd.). <strong>Aus</strong>bildungseignung<br />
umfasst die Interessen <strong>und</strong> Neigungen eines Jugendlichen. Gleichwohl<br />
stellt sich hier die Frage, ob diese mit den Gegebenheiten der <strong>Aus</strong>bildung übereinstimmen.<br />
Damit werden zwei Dimensionen als bedeutsam herausgestellt: 1. der Beruf muss für<br />
250
den/die Jugendlichen/Jugendliche geeignet sein, die Qualifikationsanforderungen müssen<br />
mit seinem/ihrem Profil übereinstimmen; 2. der/die Jugendliche muss sich für den Beruf eignen,<br />
der Beruf muss den Neigungen <strong>und</strong> Interessen des/der Jugendlichen entsprechen. Nur<br />
so können berufliche Zufriedenheit <strong>und</strong> einhergehend auch eine hohe Leistungsfähigkeit<br />
erzielt werden. (vgl. Rützel 2000a, S. 18f.)<br />
In der Konsequenz stellt Berufsreife lediglich auf einen bestimmten Entwicklungsstand ab.<br />
Sowohl die Berufs- als auch die <strong>Aus</strong>bildungseignung betrachten hingegen, ob die Persönlichkeitsmerkmale<br />
eines Jugendlichen mit den beruflichen Anforderungen übereinstimmen.<br />
Berufsfähigkeit betrachtet wiederum nur die für einen Beruf notwendigen Qualifikationen.<br />
<strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit erfasst darüber hinaus, ob die Neigungen <strong>und</strong> Interessen eines Jugendlichen<br />
mit den Gegebenheiten des Berufes übereinstimmen.<br />
Keine einheitliche Definition besteht für den Begriff der <strong>Aus</strong>bildungsreife. Im Folgenden wird<br />
daher davon ausgegangen, dass <strong>Aus</strong>bildungsreife, unter Einbeziehung einzelner Elemente<br />
der zuvor definierten Begriffe, als ein integratives Konzept verstanden werden kann.<br />
Seitens der Wirtschaft wird <strong>Aus</strong>bildungsreife häufig über Kulturtechniken deklariert. Die Kritik<br />
seitens der Betriebe über unzureichend qualifizierte Bewerber <strong>und</strong> über die immer größer<br />
werdende Diskrepanz zwischen dem Leistungsstand der Schulabgänger <strong>und</strong> den wachsenden<br />
Leistungsanforderungen ist dabei in den letzten Jahren immer deutlicher geworden. Die<br />
Debatte zwischen Bildungspolitik <strong>und</strong> Wirtschaft über die Frage, ob Jugendliche durch Schule<br />
ausreichend für die Arbeitswelt befähigt werden <strong>und</strong> somit beim Übergang in das Beschäftigungssystem<br />
über die nötige <strong>Aus</strong>bildungs- bzw. Berufsreife verfügen, wird von der Wirtschaft<br />
entschieden verneint. Eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft zu Köln<br />
2000 4 zeigte, dass über ein Viertel der <strong>Aus</strong>bildungsbetriebe mit mehr als 500 Beschäftigten<br />
ihre im Jahr 1999 angebotenen <strong>Aus</strong>bildungsstellen nicht besetzten konnten. Als Gr<strong>und</strong> nannten<br />
die meisten Betriebe den Mangel an „geeigneten“ Bewerbern. (vgl. Lenske/Werner 2000,<br />
S. 23f.) Gr<strong>und</strong>legende Kenntnisse <strong>und</strong> Fertigkeiten im Umgang mit den Kulturtechniken wie<br />
Deutsch in Wort <strong>und</strong> Schrift oder elementare Rechenformen, die mit Abschluss der allgemein<br />
bildenden Schule gegeben sein müssten, werden vermisst. Daneben werden explizit fehlende<br />
personale <strong>und</strong> soziale Kompetenzen von den Unternehmen bemängelt, die im Rahmen<br />
des Lebensbegleitenden Lernens einen zunehmend höheren Stellenwert erhalten. Der Trend<br />
zu veränderten Arbeitsorganisationen hin zur Gruppenarbeit, Teamarbeit <strong>und</strong> Dezentralisierung<br />
fordert „mehr Flexibilität <strong>und</strong> mehr fächerübergreifende Kenntnisse, mehr ganzheitliches<br />
Denken, außerdem Eigeninitiative sowie die Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit zu selbständigem,<br />
verantwortungsvollem Handeln“ (Beck 1997, S. 150). In der Erwartung der Betriebe muss<br />
sich Schule diesen neuen <strong>und</strong> nachgefragten Kompetenzen mehr öffnen. „Als Basis für die<br />
4 Vgl. dazu ausführlicher: Lenske, W./Werner, D. (2000): Globalisierung <strong>und</strong> internationale Berufskompetenz.<br />
Die IW-Umfrage zu <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beschäftigung 2000. Hrsg.: Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Köln.<br />
251
erufliche <strong>Aus</strong>- <strong>und</strong> Weiterbildung <strong>und</strong> die vermehrt nötige Teamarbeit sowie für die internationale<br />
<strong>und</strong> die interdisziplinäre Zusammenarbeit müssen mehr Schlüsselqualifikationen <strong>und</strong><br />
mehr fächerübergreifende, ganzheitliche sowie nicht unmittelbar berufsbezogene Bildungsinhalte<br />
vermittelt werden“ (Beck 1997, S. 151). Gleiches belegt eine Umfrage des Instituts<br />
der deutschen Wirtschaft. Im Rahmen der Umfrage wurde 800 Unternehmen eine Liste von<br />
Schlüsselqualifikationen vorgelegt, die es – in der Erwartungshaltung den Bewerberinnen<br />
<strong>und</strong> Bewerbern gegenüber – zu gewichten galt. Präferiert wurden primär Fähigkeiten wie<br />
Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit <strong>und</strong><br />
Selbstständigkeit. (vgl. Meier 2000, S. 4) <strong>Aus</strong>gelöst durch technologische <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />
Veränderungen erhalten diese Qualifikationen damit einen dominierenderen Stellenwert, den<br />
es in allgemein bildenden Schulen zu berücksichtigen gilt. Auch wenn oder gerade weil damit<br />
einhergehend die Notwendigkeit fächerübergreifender Qualifikationen steigt, da berufsbezogene<br />
Qualifikationen immer schneller veralten, bietet sich hier für „lernschwache“ Jugendliche<br />
die Möglichkeit über persönliche Schlüsselqualifikationen ihre Lernschwäche auszugleichen.<br />
5 Jugendlichen fehlt zumeist die Kompetenz, Zusammenhänge zwischen technischer<br />
Entwicklung, sich verändernden beruflichen Anforderungen, inkonstanten Arbeitsorganisationen<br />
sowie der wachsenden nationalen <strong>und</strong> internationalen Konkurrenz zu erkennen. In der<br />
Konsequenz führt dies dazu, dass sie auch die <strong>Aus</strong>wirkungen auf ihren eigenen beruflichen<br />
Werdegang nicht wahrnehmen (vgl. Hahnau/Jenzen/Jostes/Voigt 1999, S. 47). Diesem Defizit<br />
sollte demgemäß bereits in der Schule entgegen gewirkt werden, damit Jugendliche im<br />
weltweiten Wettbewerb um <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsplätze über ihre fachlichen Qualifikationen<br />
hinaus die Möglichkeit haben sich zu behaupten.<br />
<strong>Aus</strong>bildungsreife wird damit oft nur an Hand betriebsspezifischer Anforderungen an fachliche,<br />
soziale <strong>und</strong> personale Kompetenzen definiert (vgl. Schober 2004, S. 10) Darüber hinaus<br />
gehört zur <strong>Aus</strong>bildungsreife auch das Beherrschen von Schlüsselkompetenzen wie Handlungs-,<br />
Sprach- <strong>und</strong> Sozialkompetenz (vgl. Bulmahn 2004, S. 9; Vetter 1997, S. 20) sowie<br />
fachliche Fähigkeiten <strong>und</strong> das Verfügen über Lern- <strong>und</strong> Arbeitstugenden (vgl. Mutscheller<br />
1998, S. 113). Im Zuge zunehmender Globalisierung wird <strong>Aus</strong>bildungsreife von den Unternehmen<br />
daneben um das Element der Fremdsprache ergänzt (vgl. Kiepe 1998, S. 28).<br />
Die Broschüre der IHK mit dem Titel „Was erwartet die Wirtschaft von den Schulabgängern?“<br />
dokumentiert detailliert, welche Kompetenzen aus Sicht der Wirtschaft der Begriff <strong>Aus</strong>bildungs-<br />
bzw. Berufsreife impliziert, sprich über welche Eigenschaften <strong>und</strong> Fähigkeiten ein<br />
<strong>Aus</strong>zubildender nach Vorstellungen der Wirtschaft verfügen sollte.<br />
5 Vgl. hierzu auch Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
252
Fachliche Kompetenzen<br />
• Gr<strong>und</strong>legende Beherrschung der deutschen Sprache in Wort <strong>und</strong> Schrift<br />
• Beherrschung einfacher Rechentechniken<br />
• Gr<strong>und</strong>legende naturwissenschaftliche Kenntnisse<br />
• Hinführung zur Arbeitswelt – Gr<strong>und</strong>kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge<br />
• Gr<strong>und</strong>kenntnisse in Englisch<br />
• Kenntnisse <strong>und</strong> Verständnis über die Gr<strong>und</strong>lagen unserer Kultur<br />
Persönliche Kompetenzen<br />
• Zuverlässigkeit<br />
• Lern- <strong>und</strong> Leistungsbereitschaft<br />
• <strong>Aus</strong>dauer – Durchhaltevermögen – Belastbarkeit<br />
• Sorgfalt – Gewissenhaftigkeit<br />
• Konzentrationsfähigkeit<br />
• Verantwortungsbereitschaft – Selbstständigkeit<br />
• Fähigkeit zu Kritik <strong>und</strong> Selbstkritik<br />
• Kreativität <strong>und</strong> Flexibilität<br />
Soziale Kompetenzen<br />
• Kooperationsbereitschaft – Teamfähigkeit<br />
• Höflichkeit – Fre<strong>und</strong>lichkeit<br />
• Konfliktfähigkeit<br />
• Toleranz<br />
Wieder finden lassen sich diese Kompetenzen im Kriterienkatalog zur <strong>Aus</strong>bildungsreife, der<br />
vom „Expertenkreis <strong>Aus</strong>bildungsreife“ im Auftrag des Pakt-Lenkungsausschusses erarbeitet<br />
<strong>und</strong> zur Sitzung des Paktlenkungsausschusses am 30. Januar 2006 vorgelegt wurde. 6 Er<br />
richtet sich in erster Linie an Institutionen <strong>und</strong> Personen, die im Übergangsfeld Schule-Beruf<br />
tätig sind <strong>und</strong> sich immer wieder mit der Frage konfrontiert sehen, welche Anforderungen<br />
von der Wirtschaft an die <strong>Aus</strong>zubildenden gestellt werden <strong>und</strong> welche individuellen Voraussetzungen<br />
die Jugendlichen notwendigerweise für die Aufnahme einer Berufsausbildung<br />
mitbringen müssen.<br />
Deutlich wird, dass der aktuelle Mangel bzw. Bedarf an ausbildungsreifen Jugendlichen <strong>und</strong><br />
dem damit verb<strong>und</strong>enen so genannten „Humankapital“, der bereits in den 70er Jahren die<br />
Schulreform in Gang brachte <strong>und</strong> die erzwungene <strong>Aus</strong>dehnung der Vollschulzeit um ein 9.<br />
6 Vgl. hierzu ausführlicher Kriterienkatalog zur <strong>Aus</strong>bildungsreife. Ein Konzept für die Praxis erarbeitet vom „Expertenkreis<br />
<strong>Aus</strong>bildungsreife“… unter http://www.bmas.b<strong>und</strong>.de/BMAS/Redaktion/Pdf/ausbildungspaktkriterienkatalog-zur-ausbildungsreife-pakt-lenkungsausschuss-am-30-01-2006,property=pdf,<br />
bereich=bmas,<br />
sprache=de,rwb=true.pdf; Berufsbildungsbericht der B<strong>und</strong>esregierung 2006: <strong>Aus</strong>zug aus dem Berufsbildungsbericht<br />
der B<strong>und</strong>esregierung, Seiten 181 – 185, http://www.bmbf.de/pub/bbb_2006.pdf .<br />
253
zw. 10 Schuljahr nach sich zog, auf Gr<strong>und</strong> des ökonomisch-technischen Wandels abermals<br />
als Motor agiert. Die Entwicklung der Wirtschaft bedingt eine allgemeine Erhöhung der Bildungsvoraussetzungen,<br />
die Schule abdecken soll, da während des <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Berufsprozesses<br />
in den meist kleineren <strong>und</strong> mittleren Unternehmen auf Gr<strong>und</strong> der durchrationalisierten<br />
Betriebstruktur eine nachträglich Erlangung der Berufs- bzw. <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />
nicht möglich erscheint.<br />
<strong>Aus</strong>bildungsreife kann jedoch nicht allein auf Gr<strong>und</strong> eines Wandels abgrenzt werden. Auch<br />
wenn sie insgesamt oft als die Summe der Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten, welche Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />
für die Aufnahme einer Berufsausbildung sind (vgl. Zedler 2003, S.13) <strong>und</strong> als<br />
das Vorhandensein bestimmter Basiskompetenzen, die für einen erfolgreichen Übergang in<br />
die berufliche Erstausbildung notwendig sind (vgl. Watermann 2003, S. 3), wonach sie demnach<br />
genau wie die Berufs- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit auf dem Verfügen über bestimmte<br />
Qualifikationen, definiert wird; so ist sie auch als Entwicklungsstand zu begreifen, den Jugendliche<br />
vor Aufnahme einer Berufsausbildung erreicht haben sollten (vgl. Rützel 2002,<br />
S. 4). Damit beinhaltet sie auch den Aspekt der Berufsreife. Ziel der <strong>Aus</strong>bildungsreife ist die<br />
Entwicklung individueller Talente <strong>und</strong> Fähigkeiten, um hierauf aufbauend einen eigenen Lebensplan<br />
zu entwickeln <strong>und</strong> diesen im Erwerbsleben auch umzusetzen (vgl. Thoma 2002,<br />
S. 14). Zugehörig ist ebenfalls die Fähigkeit eine selbstständige <strong>und</strong> realistische Berufswahlentscheidung<br />
zu treffen (vgl. Niemeyer 2002, S. 213).<br />
<strong>Aus</strong>bildungsreife variiert aber auch für unterschiedliche Berufe, es bedarf daher einer Anpassung<br />
an branchenspezifische Anforderungen. Nicht jeder Beruf hat identische schulische<br />
Eingangsvoraussetzungen <strong>und</strong> stellt damit dieselben Anforderungen an die Bewerberin oder<br />
den Bewerber. Gleichsam kann <strong>Aus</strong>bildungsreife nicht losgelöst vom <strong>Aus</strong>bildungsmarkt <strong>und</strong><br />
regionalen wie auch demografischen Faktoren betrachtet werden. Hier muss stattdessen<br />
eine Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten stattfinden (vgl. Hilke 2004, S. 10). Ebenso<br />
zu berücksichtigen ist die Dynamik. <strong>Aus</strong>bildungsreife verändert sich mit dem Wandel der<br />
Arbeitswelt <strong>und</strong> dem technischen Fortschritt. Demzufolge muss sie flexibel angepasst werden.<br />
Infofern erscheint ein einheitlicher Kriterienkatalog wenig sinnvoll.<br />
1.3 Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife fördernde Angebote<br />
Das Spektrum der Maßnahmen zur Entwicklung <strong>und</strong> Förderung von Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />
gestaltet sich aktuell in hohem Maße different. Neben institutionalisierten Angeboten<br />
zur Berufsorientierung durch allgemein bildende Schulen, Berufsberatung, Kammern <strong>und</strong><br />
Jugendberufshilfe existieren zunehmend Förderprogramme durch B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder sowie<br />
Initiativen der Wirtschaft. Exemplarisch sollen an dieser Stelle einige Initiativen aufgegriffen<br />
werden.<br />
254
Im Rahmen der schulisch organisierten Entwicklung von Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife,<br />
wurde vor etwa fünfzig Jahren zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bildungs<strong>und</strong><br />
Beschäftigungssystem die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schule-Wirtschaft von Vertretern<br />
der Lehrer <strong>und</strong> Arbeitgeber mit der Intention gegründet, Defiziten in der Berufswahlorientierung<br />
gemeinsam entgegenzutreten. Schule <strong>und</strong> Wirtschaft kooperieren hier in Form eines<br />
Netzwerks. Pädagogen, Schüler, Eltern <strong>und</strong> Wirtschaftsvertreter haben die Gelegenheit, Erfahrungen<br />
<strong>und</strong> Informationen auszutauschen. (vgl. Zander 2001, S. 20) Die organisatorische<br />
Umsetzung erfolgt auf regionaler Ebene in über 450 Arbeitskreisen Schule/Wirtschaft, deren<br />
Aktivitäten wiederum auf Länderebene in 15 Studienkreisen <strong>und</strong> Landesarbeitsgemeinschaften<br />
koordiniert werden. Mit der Zusammenarbeit werden folgende Ziele verfolgt:<br />
• Der Dialog <strong>und</strong> die Kooperation zwischen Schule <strong>und</strong> Wirtschaft werden initiiert <strong>und</strong><br />
gestaltet.<br />
• Die ökonomische Bildung der Jugendlichen wird gefördert.<br />
• Lehrer <strong>und</strong> Schüler erhalten Kenntnisse über die Wirtschafts- <strong>und</strong> Arbeitswelt <strong>und</strong> deren<br />
Problemstellungen.<br />
• Unternehmen entwickeln ein Bewusstsein für den Auftrag, die Methoden <strong>und</strong> die Möglichkeiten<br />
der Schulen. (vgl. http://www.schule-wirtschaft.de/das_ziel/das_ziel.htm,<br />
01.12.2003)<br />
Konkretisieren lässt sich hierdurch die Möglichkeit der Unternehmen in diesem Netzwerk,<br />
Schulen darüber in Kenntnis zu setzen, welche Arbeitsbedingungen auf Jugendliche zukommen<br />
<strong>und</strong> welche Anforderungen an sie in einem <strong>Aus</strong>bildungsverhältnis gestellt werden.<br />
Lehrer <strong>und</strong> Schüler erhalten auf diese Weise einen praxisnahen Einblick in die Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> können ihren Berufswahlunterricht entsprechend gestalten. Umgekehrt werden Wirtschaftsvertreter<br />
darüber informiert, welche Aufgaben Schule überhaupt leisten kann <strong>und</strong><br />
welche Möglichkeiten sie für die Vorbereitung der Schüler auf die Arbeitswelt sieht. (vgl.<br />
Söhngen 1998, S. 16f.) 7 Damit scheint der Bedarf der in Teil C dieser Arbeit, von den befragten,<br />
am Prozess der beruflichen Orientierung beteiligten, Akteuren geäußerten Reformen seit<br />
fast zehn Jahren zu bestehen. Gleichwohl werden sie immer noch als evident hoch eingefordert.<br />
Insgesamt stellt sich das Themenspektrum der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft vielfältig dar.<br />
Neben Lehrerbildung, Wirtschaftsunterricht, Berufsorientierung/Berufswahl, Schulentwicklung/Schulmanagement<br />
reicht es über Planspiele bis hin zu Schülerfirmen, die aktuell immer<br />
mehr Bedeutung erfahren. Forciert durch die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft existieren zudem<br />
zahlreiche Projekte zwischen Wirtschaft <strong>und</strong> Schule zum Thema „Schülerfirmen“. Ziel ist es,<br />
das unternehmerische Handeln <strong>und</strong> Denken zu fördern, Unternehmensprozesse zu erleben<br />
<strong>und</strong> Bildung stärker in ökonomische Zusammenhänge zu setzen, indem den Schülern die<br />
7<br />
Vgl. hierzu auch die Internetseite der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft: http://www.schulewirtschaft.de.<br />
255
Möglichkeit offeriert wird, selbstständig als Unternehmer zu agieren. 8 Neben Schülerfirmen<br />
dienen Wirtschaftsplanspiele der realitätsnahen Simulation von Arbeits- <strong>und</strong> Entscheidungsabläufen<br />
eines Unternehmens. Im Internet als modernes Medium sind zahlreiche Planspiele<br />
sowie Projekte zu finden, die sich sowohl an Schüler 9 als auch an Lehrer richten <strong>und</strong> die Berufsorientierung<br />
an Schulen unterstützen sollen. Für Lehrkräfte finden sich bspw. auf den<br />
Internetseiten www.schulbank.de, www.wirtschaft<strong>und</strong>schule.de <strong>und</strong> www.netzworkshop.de<br />
Unterrichtshilfen, die es ihnen ermöglichen sollen „Schüler für volkswirtschaftliche Zusammenhänge<br />
<strong>und</strong> Abläufe zu interessieren, ihnen Wirtschaft verständlich, erlebbar zu machen<br />
... .“ (http://www.schulbank.de/html/01_pub/pub_011.asp, 28.11.03). Zusammenfassend ist<br />
damit festzuhalten, dass die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft ein breites Spektrum an berufsorientierenden<br />
Themen abdeckt, Handlungsempfehlungen sowie praktische Unterstützung zur<br />
Förderung der Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife leistet 10 <strong>und</strong> den Dialog – aber auch das<br />
gegenseitige Verständnis – zwischen Schule <strong>und</strong> Wirtschaft intensiviert.<br />
Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch das Programm „Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben“<br />
vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF). Zielleitend<br />
ist die Erleichterung des Übergangs von der Schule in die Berufsausbildung (erste Schwelle).<br />
Seit dem Programmstart im Jahr 1999 wurden in allen B<strong>und</strong>esländern insgesamt 46 Projekte<br />
gefördert, die an der ersten Schwelle Orientierungs-, Kompetenz- <strong>und</strong> Koordinationsprobleme<br />
zwischen Schule <strong>und</strong> Wirtschaft bearbeiten. 11 (vgl. www.swa-programm.de, 28.11.2006)<br />
Zentrales Anliegen ist die Kooperation, zwischen Schule, Wirtschaft <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen.<br />
„Das Programm "Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben" des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung<br />
<strong>und</strong> Forschung hat sich zum Ziel gesetzt, den Übergang Jugendlicher von der Schule in die<br />
Berufsausbildung zu verbessern“. „Die Projekte bearbeiten auf unterschiedlichen Wegen die<br />
zahlreichen Orientierungs-, Kompetenz- <strong>und</strong> Koordinationsprobleme an der so genannten 1.<br />
Schwelle zwischen Schule <strong>und</strong> Wirtschaft“ (http://www.swa-programm.de/, 28.11.2006).<br />
Die bisher hier dargelegte Problematik der Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife bzw. -fähigkeit<br />
findet explizit in dem Zwischenbericht für das Programm Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben Berücksichtigung.<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der tief greifenden strukturellen Veränderungen <strong>und</strong> der Anforde-<br />
8<br />
Zu nennen sind hier Projekte wie „GO! to school“, „Junior“, „Schüler als Bosse“ oder „buisness@school“.<br />
9<br />
www.fit-fuer-die-wirtschaft.de.<br />
10<br />
Vgl. hierzu u. a.: B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft (o. J.): Das Lehrerbetriebspraktikum. Merkblatt<br />
für Schulen <strong>und</strong> Betriebe; B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft (2003): Wirtschaft informiert Schule.<br />
Organisationen, Materialien, Veranstaltungen. 5. aktualisierte Auflage.<br />
11<br />
Als ein Beispiel, der durch das Programm geförderten Projekte, sei hier das hessische Projekt „Förderung der<br />
Berufswahlreife von Haupt- <strong>und</strong> Sonderschülerinnen <strong>und</strong> -schülern durch kontinuierliche Praxistage in Betrieben“<br />
genannt. Orientiert an den Kompetenzen, die von der IHK unter dem Begriff der <strong>Aus</strong>bildungsreife gefasst<br />
werden, wurde in diesem Projektkontext u. a. ein Vordruck zur „Beurteilung der Schlüsselqualifikationen“, unterteilt<br />
in „Arbeitsverhalten“ <strong>und</strong> „Sozialverhalten“, entwickelt. Damit sowohl Lehrkräfte <strong>und</strong> Verantwortliche des<br />
Betriebs in die Lage versetzt werden, eine kompetente Beurteilung abzugeben, wurde zusätzlich ein Informationsblatt<br />
entwickelt, das die Inhalte des jeweiligen Begriffs beschreibt. Sichergestellt werden soll so einerseits<br />
die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, die <strong>Aus</strong>einandersetzung mit den individuellen Kompetenzen der<br />
Schüler sowie andererseits eine umfassende Beurteilung der Jugendlichen.<br />
256
ungen des Beschäftigungssystems an das Bildungssystem ergeben sich Verschiebungen in<br />
der Akzentuierung. Wie bereits dargestellt, findet die (An)Forderung an die Jugendlichen,<br />
eine Entscheidung für einen Lebensberuf zu treffen, hier Erweiterung in der Forderung nach<br />
Kompetenzen, die Jugendliche aktiv in die Lage versetzen, am Lebensbegleitenden Lernen<br />
teil zu haben. „Zur Vermittlung dieser Art <strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit gehört das Entwerfen eines<br />
eigenen Zukunftskonzepts ebenso wie das Wissen um die betrieblichen Flexibilitätserfordernisse.<br />
Für die Vermittlung eines solchen anspruchsvollen Konzepts von Berufswahl- oder<br />
<strong>Aus</strong>bildungsfähigkeit scheint eine engere partnerschaftliche Kooperation zwischen Schule<br />
<strong>und</strong> Wirtschaft/Arbeitsleben unumgänglich.“ (Famulla u.a. 2001, S. 8) Fokussiert auf die frühe<br />
Einbindung der Jugendlichen in die Arbeitswelt, zur Vorbereitung auf das Lebensbegleitende<br />
Lernen einerseits sowie zur realistischen Wahrnehmung der Arbeitswelt andererseits,<br />
baut diese Form der Berufs(wahl)orientierung somit Unsicherheiten ab <strong>und</strong> Erfahrungen für<br />
die eigene Lebens- <strong>und</strong> Berufsplanung auf. In diesem Sinne bietet das Programm Schule-<br />
Wirtschaft/Arbeitsleben eine sinnvolle Ergänzung zur bereits institutionalisierten Berufs(wahl)orientierung.<br />
Deutlich wird an dieser Stelle auch, dass das Programm <strong>und</strong> somit<br />
die geförderten Projekte auf die aktuellen Veränderungen reagieren. Jugendliche sollen in<br />
die Lage versetzt werden, selbstständig sowie eigenverantwortlich zu agieren, ihr Zukunftskonzept<br />
unter Berücksichtigung ihrer individuellen Kompetenzen – aber auch der ökonomischen<br />
Rahmenbedingungen – zu entwerfen.<br />
In die gleiche Kategorie ist das Pilotprojekt „ABBEO“, beruhend auf dem "<strong>Aus</strong>bildungskonsens<br />
NRW" <strong>und</strong> kofinanziert durch das Land Nordrhein-Westfalen, die B<strong>und</strong>esagentur für<br />
Arbeit sowie den Europäischen Sozialfond, einzuordnen. Übergeordnetes Ziel von ABBEO<br />
ist die Vorbereitung aller Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf Beruf <strong>und</strong> Arbeit, so dass diese unmittelbar<br />
nach der Pflichtschulzeit eine <strong>Aus</strong>bildung im Dualen System aufnehmen können.<br />
<strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> Berufswahlorientierung sollen durch geeignete Maßnahmen in der<br />
Schule nachhaltig verbessert werden.<br />
Ergänzung finden die bereits genannten Maßnahmen in den vom Sekretariat der Ständigen<br />
Konferenz der Kultusminister der Länder formulierten verbindlichen Empfehlungen, in denen<br />
es heißt:<br />
• „ständige Überarbeitung der Lehrpläne <strong>und</strong> Handreichungen,<br />
• Abstimmung der Inhalte allgemein bildender Schulen im Kernbereich mit Anforderungen<br />
der Berufsausbildung sowie der beruflichen Vollzeitschule,<br />
• Zuweisung der höchsten St<strong>und</strong>enanteile an die Fächer Deutsch, Fremdsprache <strong>und</strong><br />
Mathematik im Rahmen der jeweiligen St<strong>und</strong>entafeln über alle Klassenstufen hinweg<br />
<strong>und</strong> Berücksichtigung dieser Basiskompetenzen in allen Unterrichtsfächern,<br />
• Hinführung zu einem sachgerechten Umgang mit den neuen Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechniken,<br />
257
• Stärkung berufsorientierender Maßnahmen wie Betriebspraktika <strong>und</strong> Projekte, Betriebserk<strong>und</strong>ungen,<br />
Berufsberatung in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Arbeitsamt,<br />
• Verbindlichkeit des Lernbereichs Arbeitslehre,<br />
• Regionale Kooperationen von Schule <strong>und</strong> Wirtschaft,<br />
• Gezielte Beseitigung von Lern- <strong>und</strong> Leistungsdefiziten durch Differenzierungsmaßnahmen,<br />
• Neue Unterrichtsformen wie Projektarbeit, fächerverbindendes <strong>und</strong> fachübergreifendes<br />
Arbeiten,<br />
• Integrationsmaßnahmen für <strong>Aus</strong>siedler <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>länder,<br />
• Lehrerfortbildung, besonders hinsichtlich neuer Lehr- <strong>und</strong> Lernformen, <strong>und</strong> Teilnahme<br />
an Lehrerbetriebspraktika“ (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der<br />
Länder in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 1998, S. 235).<br />
Greifen sowohl die oben genannten, wie auch die herkömmlichen Berufsorientierungsmaßnahmen<br />
nicht, so führen die steigenden Anforderungen sowie das nicht im gleichen Tempo<br />
Schritt haltende Qualifikationsniveau der Schulabgänger zu einem weiteren <strong>Aus</strong>einanderklaffen<br />
der Schere zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage nach Leistungen/Kompetenzen <strong>und</strong> letztlich<br />
nach <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsplätzen. Konsequent weitergedacht würde diese Entwicklung,<br />
wie bereits beobachtbar, bedeuten, dass Jugendliche zur Kompensation mangelnder<br />
Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife zunehmend in berufsvorbereitenden Maßnahmen respektive<br />
Berufskollegs „ausbildungsfit“ gemacht werden. Diese werden jedoch, folgt man der aktuellen<br />
politischen Entwicklung im Bildungsbereich, zum einen weitgehend reduziert, sei es<br />
zur Vermeidung so genannter „Maßnahmekarrieren“ oder zur Entwicklung neuer Alternativen.<br />
Zum anderen würde dies bedeuten, dass die Gesellschaft sowie die politisch Verantwortlichen<br />
die notwendigen Ressourcen bereitstellen müssten, um eine adäquate Bildung zu<br />
sichern.<br />
1.4 Aktuelle Diskussion<br />
Die Kluft zwischen wettbewerbsentscheidenden Erwartungen der Unternehmen einerseits<br />
<strong>und</strong> bisher gemessenen individuellen Bildungsleistungen der Schüler andererseits scheint<br />
sich trotz der skizzierten Initiativen, Maßnahmen, Projekte <strong>und</strong> Programme immer weiter zu<br />
vergrößern. Die Wirtschaft klagt zunehmend über mangelnde Qualifikationen der Bewerber<br />
<strong>und</strong> rechtfertigt hiermit unbesetzte <strong>Aus</strong>bildungsplätze, aber auch ihr rückläufiges <strong>Aus</strong>bildungsplatzangebot.<br />
Die PISA-Studie untermauert die <strong>Aus</strong>sage der Wirtschaft auf den ersten<br />
Blick durch die unterdurchschnittlichen Ergebnisse im internationalen Vergleich. Die problematische<br />
Situation an der ersten Schwelle wird somit zunehmend durch mangelnde <strong>Aus</strong>bildungs-<br />
bzw. Berufswahlreife der Jugendlichen erklärt. In diesem Kontext gilt es nicht nur die<br />
wirtschaftliche Perspektive, die aktuelle Diskussion <strong>und</strong> die daraus resultierenden Konsequenzen<br />
zu beleuchten, sondern auch die Perspektive der Jugendlichen, die im interdepen-<br />
258
denten Gefüge von gesellschaftlichen, technologischen <strong>und</strong> ökonomischen Faktoren agieren<br />
müssen, hier insbesondere die Perspektive der Jugendlichen, bei denen von einem erhöhten<br />
Förderbedarf gesprochen werden kann.<br />
Ein deutliches Signal für die skizzierte Situation ist die anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit.<br />
Ende Oktober 2006 waren 9,6% der Arbeitslosen, in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
insgesamt, Jüngere unter 25 Jahren. Betrachtet man die Quote der Arbeitslosen unter 25<br />
Jahren differenziert nach neuen <strong>und</strong> alten B<strong>und</strong>esländer, so zeichnet sich folgendes Bild ab:<br />
In den alten B<strong>und</strong>esländern lag die Arbeitslosenquote der Jugendlichen unter 25 Jahren im<br />
Oktober bei 7,9%; in den neuen B<strong>und</strong>esländern sogar bei 16,12%. (vgl. B<strong>und</strong>esanstalt für<br />
Arbeit 2006)<br />
Weitere Indizien für die prekäre Lage im Bildungssystem sind steigende Zahlen bei <strong>Aus</strong>bildungsabbrüchen<br />
sowie eine hohe Anzahl Jugendlicher, die keinen Berufsbildungsabschluss<br />
erlangen. Verschärfend hinzukommt, dass fast jeder 12. Jugendliche die allgemein bildende<br />
Schule ohne Schulabschluss verlässt. Dabei ist der Anteil der Mädchen, die die Schule ohne<br />
Abschluss verlassen, mit ca. 5,6% nur etwa halb so groß wie der der Jungen. Auch wenn<br />
diese geschlechtsspezifischen Unterschiede bei einer Differenzierung nach deutschen <strong>und</strong><br />
ausländischen Abgängern in ihren Relationen gleich bleiben, so liegt dieser bei den männlichen<br />
ausländischen Abgängern schon bei der kritischen Masse von fast 20%. (vgl. BMBF<br />
2006, S. 254)<br />
Noch 2003 galten 15% bis 20% der Jugendlichen als nicht ausbildungsfähig, sodass die Diskrepanz<br />
zwischen den steigenden Anforderungen des Beschäftigungssystems <strong>und</strong> dem aktuellen<br />
Leistungsstand der <strong>Aus</strong>bildungsbewerber immer gravierender zu werden scheint.<br />
(vgl. Keim 2003, S. 41) Bestätigt wird der Trend durch die <strong>Aus</strong>sagen der Betriebe, die <strong>Aus</strong>bildungsstellen<br />
wegen Mangel an geeigneten Bewerbern unbesetzt zu lassen. Eine aktuelle<br />
Unfrage der B<strong>und</strong>esvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zur <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation<br />
kam zu folgenden Ergebnissen: Die Besetzung der <strong>Aus</strong>bildungsplätze wird seitens<br />
der Betriebe als problematisch eingestuft. Als Hinderungsgründe werden die bereits oben<br />
genannten qualifikatorischen Mängel angeführt (vgl. B<strong>und</strong>esvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
2003).<br />
Ferner wird der Trend durch die Ergebnisse der PISA-Studien bestätigt. Laut der Wirtschaft<br />
sind die durch PISA festgestellten Bildungsdefizite nicht neu. Von ihrer Seite wird schon seit<br />
einigen Jahren die mangelnde <strong>Aus</strong>bildungsreife <strong>und</strong> die damit einhergehenden Defizite der<br />
Schüler beklagt. Die BASF AG hat bereits vor etwa 25 Jahren eine Eingangsuntersuchung<br />
für <strong>Aus</strong>bildungsplatzbewerber entwickelt, mit deren Hilfe sie u. a. die elementaren Rechtschreib-<br />
<strong>und</strong> Rechenkenntnisse testet. Das Verfahren kommt seit seiner Entwicklung unverändert<br />
zum Einsatz <strong>und</strong> ermöglicht daher einen Langzeitvergleich. Der Leistungsstand der<br />
259
<strong>Aus</strong>bildungsplatzbewerber zeigt einen kontinuierlichen Abwärtstrend, sodass die Diskrepanzen<br />
zu den Leistungsanforderungen steigen. (vgl. Kiepe 1998, S. 31ff.)<br />
Einhergehend mit veränderten Arbeitsorganisationen sind andere Kompetenzen gefragt.<br />
Nicht länger fachliche Qualifikationen zählen, vielmehr sind überfachliche Qualifikationen in<br />
den Vordergr<strong>und</strong> getreten, sodass die Wirtschaft von den Schulen fordert sich diesen Kompetenzen<br />
verstärkt zu öffnen. „Nicht der Berufsfunktionalist, Berufsspezialist <strong>und</strong> Berufskarrierist,<br />
d.h. der eng auf die beruflichen Belange getrimmte, angepasste Jugendliche prägt<br />
das Bild <strong>und</strong> beschreibt das Ziel schulischer Bildung <strong>und</strong> Erziehung aus Unternehmenssicht.<br />
… Die Wirtschaft setzt sich vielmehr für eine breite Allgemeinbildung ein <strong>und</strong> legt großen<br />
Wert auf Persönlichkeitsbildung.“ (Keim 2003, S. 42)<br />
Die Wirtschaft ergreift mittlerweile selbst die Initiative <strong>und</strong> bietet für die <strong>Aus</strong>zubildenden vielfältige<br />
Kompensationsmaßnahmen an. In einem Artikel der Frankfurter R<strong>und</strong>schau mit dem<br />
Titel „Firmen bringen Azubis das Schreiben bei“ (17.11.2003) heißt es: „Von 125 kaufmännischen<br />
Lehrlingen bei Henkel bekommen 40% am Abend Nachhilfe [...] (in) Mathematik – <strong>und</strong><br />
das seien nicht Hauptschüler, sondern „fast ausschließlich Abiturienten“. Exemplarisch sei<br />
hier noch mal die BASF AG genannt, die aus den Ergebnissen ihrer o. g. Eingangsuntersuchungen<br />
Konsequenzen gezogen hat <strong>und</strong> handelt. Bereits im Jahr 1993 konnten 520 Hauptschulabgänger,<br />
die den Eingangstest nicht bestanden hatten, ein Jahr lang an dem sog.<br />
„Start in den Beruf“ BASF-Training teilnehmen, um im Anschluss daran ihre <strong>Aus</strong>bildung zu<br />
beginnen. Ergänzend zu dem Training fand eine intensive sozialpädagogische Betreuung<br />
statt.<br />
Gleiches gilt für das Projekt "Chance 2006" 12 , das Jugendlichen eine erneute Chance einräumt,<br />
sich als Bewerber um einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz bei der ThyssenKrupp Steel AG zu bewerben.<br />
Hierbei handelt es sich um Jugendliche, die bei ihrer ersten Bewerbung um einen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplatz in diesem Unternehmen nicht erfolgreich waren, aber durchaus Potenziale<br />
aufweisen. Nach einer intensiven Betreuung wird diesen jungen Menschen eine zweite<br />
Chance gewährt. Entscheidend ist hierbei die Bereitschaft der ThyssenKrupp Steel AG, eine<br />
große Anzahl an <strong>Aus</strong>bildungsstellen im laufenden Einstellungsverfahren frei zu halten <strong>und</strong><br />
nach der erfolgreichen Wiederholung des Einstellungstestes mit den Teilnehmerinnen <strong>und</strong><br />
Teilnehmern aus dem Projekt zu besetzen.<br />
Mittel- <strong>und</strong> langfristig kann jedoch nicht die Lösung angestrebt werden, dass Wirtschaft schulische<br />
Versäumnisse <strong>und</strong> schulpolitische Fehlentscheidungen kompensiert.<br />
Genauso wenig kann von schulischer Seite erwartet werden, sich uneingeschränkt den sich<br />
rasant entwickelnden Forderungen der Wirtschaft zu unterwerfen <strong>und</strong> in entsprechende Un-<br />
12 Vgl. hierzu ausführlicher die Präsentation der ThyssenKrupp Steel AG auf der Fachtagung „Erfolgreiche Wege<br />
in <strong>Aus</strong>bildung <strong>und</strong> Beruf“ des B<strong>und</strong>esministeriums für Arbeit <strong>und</strong> Soziales <strong>und</strong> der Initiative für Beschäftigung!<br />
am 6. Oktober 2006 in Berlin.<br />
260
terrichtsinhalte umzusetzen. „Die allgemeine Bildung, die allen gemeine, dient nicht nur als<br />
Vorbereitung der bei jedem unterschiedlichen <strong>Aus</strong>bildung für die unterschiedlichen Berufe<br />
<strong>und</strong> zur Begleitung der Berufslaufbahnen. Sie zielt auf kulturell erfülltes Leben, Glück <strong>und</strong><br />
Moral, erfolgreiche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben überhaupt.“ (Kienitz 2000, S. 6)<br />
Gleichwohl geht der Trend zur Höherqualifizierung gerade für Jugendliche mit niedrigen<br />
Schulabschlüssen immer mehr mit geringeren beruflichen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt<br />
einher. Betrachtet man die Situation der Jugendlichen, so liegt die Frage nahe, ob diese<br />
den sich immer schneller wandelnden <strong>und</strong> gleichzeitig steigenden Anforderungen gerecht<br />
werden können. Die Entwicklung der Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Sozialpolitik der letzten Jahre weist<br />
deutlich auf eine Neuausrichtung auf das Individuum hin. „Persönlichkeitsentwicklung sowie<br />
berufliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Integration werden dabei vorwiegend dem Prinzip der Individualisierung<br />
<strong>und</strong> Marktgängigkeit unterworfen.“ (Rützel 2003, S. 2) Die Verantwortung wird<br />
demnach mehr <strong>und</strong> mehr auf die einzelnen Individuen verlagert.<br />
Schaeper, Kühn <strong>und</strong> Witzel 2000 stellen dazu fest: „Die Auflösung normalbiografischer Orientierungsmuster,<br />
die Prekarisierung <strong>und</strong> Flexibilisierung von Erwerbsformen <strong>und</strong> Verläufen<br />
sowie die Veränderung institutioneller Steuerungsformen in Richtung höherer Gestaltungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> -zwänge stellen wachsende Anforderungen an die Verarbeitungsfähigkeit,<br />
Reflexivität <strong>und</strong> Gestaltungskompetenz der Individuen.“ (Schaeper, Kühn & Witzel 2000,<br />
S. 84)<br />
Jugendliche sind daher aktuell mehr denn je gefordert, ihren eigenen Lebenslauf respektive<br />
ihre eigene Erwerbsbiografie zu entwerfen, sie zu einem individuellen Projekt zu gestalten<br />
<strong>und</strong> die sich anbietenden Alternativen abzuwägen. Diese Entwicklung impliziert für sie zwar<br />
einerseits einen höheren Gestaltungsspielraum bei der Planung ihres Lebenslaufs, andererseits<br />
ist die berufsbiografische Kontinuität unsicher <strong>und</strong> hängt im hohen Maße von den Entwicklungstendenzen<br />
des Arbeitsmarkts sowie von den Veränderungen der Berufsstrukturen<br />
ab (vgl. Heinz 1995, S. 66f.). Für die Jugendlichen bedeutet diese Tatsache, dass sie sich<br />
flexibel unter Wahrung ihrer Interessen auf gesellschaftliche Veränderungen einstellen müssen.<br />
Sie sind dazu angehalten, die für ihren Lebenslauf notwendigen Qualifikationen <strong>und</strong><br />
Kompetenzen zu einer berufsbiografischen Kontinuität aufzubauen, auch wenn sie nicht sicher<br />
gehen können, dass sich die Investition an Zeit, Geld <strong>und</strong> Energie längerfristig auszahlt.<br />
Die Möglichkeit bzw. die Pflicht, in der modernen Gesellschaft ihren Lebenslauf individuell zu<br />
gestalten, birgt für Jugendliche viele Unsicherheiten <strong>und</strong> Risiken in sich. „Die Krisen im Erwerbsarbeitssektor,<br />
Arbeitslosigkeit, Globalisierung, Rationalisierung <strong>und</strong> Abbau oder Verlagerung<br />
von Beschäftigung sind inzwischen nicht mehr 'bloß' eine Randbedingung des Aufwachsens.<br />
Sie sind nicht mehr 'bloß' Belastungen des Erwachsenenlebens, von denen Jugendliche<br />
in einem Schonraum entlastet ihr Jugendleben führen können. Sie haben inzwischen<br />
vielmehr das Zentrum der Jugendphase erreicht, indem sie ihren Sinn in Frage stel-<br />
261
len. Wenn die Arbeitsgesellschaft zum Problem wird, dann muß auch die Jugendphase als<br />
der biographischen Vorbereitung auf diese Gesellschaft zum Problem werden.“ (Jugendwerk<br />
der Deutschen Shell 1997, S. 13)<br />
1.5 Handlungsansätze<br />
Die Kritik der Wirtschaft über mangelnde <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Berufswahlreife der Jugendlichen<br />
erscheint fraglich, betrachtet man sie unter dem Aspekt, dass neben fachlichen Kompetenzen,<br />
welche ohnehin in der heutigen Gesellschaft schnell veralten <strong>und</strong> ständig erneuert werden<br />
müssen, verstärkt überfachliche Kompetenzen an Bedeutung gewinnen. Individuelle<br />
Kompetenzen werden zwar in unserem heutigen Bildungssystem als Schlagworte thematisiert,<br />
spiegeln sich aber nicht ganzheitlich in den Bewertungssystemen der Schulen <strong>und</strong> im<br />
System der Berufsorientierung wider. Bisher fehlt es hier an allgemein anerkannten Instrumenten<br />
zur Messung <strong>und</strong> Vermittlung individueller Kompetenzen im Kontext von Berufswahlbzw.<br />
<strong>Aus</strong>bildungsreife als Aufgabe der Berufsorientierung. Berufsorientierung als Instrument<br />
zur Entwicklung <strong>und</strong> Förderung von Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife erfordert mehr als das<br />
traditionelle Verständnis, dass Jugendliche unter Kenntnisse ihrer Wünsche <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />
sich für einen Lebensberuf entscheiden. Angesichts pluralisierter <strong>und</strong> flexibler Erwerbsformen<br />
müssen die Jugendlichen vielmehr in die Lage versetzt werden, ihre einmal erworbenen<br />
fachlichen <strong>und</strong> überfachlichen Kompetenzen im Sinne des Lebensbegleitenden Lernens stetig<br />
zu erweitern. Neben Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungskompetenz benötigen sie zunehmend<br />
Lebensgestaltungskompetenz.<br />
Für die viel beklagte Misere des deutschen Bildungssystems <strong>und</strong> den damit einhergehenden<br />
Klagen über unzureichend qualifizierte Jugendliche ist bis heute noch keine Lösung gef<strong>und</strong>en<br />
worden.<br />
Die durch PISA ausgelöste Diskussion machte nicht nur der Wirtschaft Hoffnungen auf Veränderungen<br />
im Bildungssystem bzw. auf eine zweite Bildungsexpansion; versucht sie doch<br />
die Verantwortlichkeit wieder auf eine politische Ebene <strong>und</strong> damit in Hände der „Gesellschaft“<br />
zu legen. Allerdings brauchen Veränderungen ihre Zeit. Mit einer „Nonplusultra-<br />
Lösung“ ist daher auch zukünftig nicht zu rechnen.<br />
Derzeitig werden vielfältige Modelle diskutiert, die der Steigerung der Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />
bzw. des Leistungsstands der Schüler dienen sollen.<br />
Am 15. Oktober 2004 wurde von der Kultusministerkonferenz (KMK) eine „Vereinbarung über<br />
Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9)“ geschlossen. Ergänzend<br />
hierzu die „Vereinbarung über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss<br />
(Jahrgangsstufe 10)“, die bereits am 04. Dezember 2003 getroffen wurde. Fokussiert wurden<br />
Standards für die Fächer Deutsch, Mathematik <strong>und</strong> Erste Fremdsprache.<br />
262
Aufgabe der Bildungsstandards ist u. a. die Sicherung der Qualität schulischer Bildung, die<br />
Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse sowie die Durchlässigkeit des Bildungssystems. In<br />
der Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards wird der Begriff Bildungsstandards<br />
wie folgt erklärt: „Bildungsstandards, …, greifen allgemeine Bildungsziele auf. Sie benennen<br />
die Kompetenzen, welche die Schule ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern vermitteln<br />
muss, damit bestimmte zentrale Bildungsziele erreicht werden. Die Bildungsstandards legen<br />
fest, welche Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe<br />
erworben haben sollen. Die Kompetenzen werden so konkret beschrieben, dass<br />
sie in Aufgabenstellungen umgesetzt <strong>und</strong> prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren erfasst werden<br />
können.“ (BMBF 2003b, S. 19) Demnach sollen Bildungsstandards ein Instrument darstellen,<br />
mit deren Hilfe der Lernertrag der Schulen bzw. die vorhandenen Kompetenzen von<br />
Jugendlichen zukünftig b<strong>und</strong>esweit überprüft werden kann/können. Anzunehmen ist, dass<br />
sich die Forderungen der KMK nach definierten Bildungsstandards auf entwicklungstheoretische<br />
Modelle stützen. Für die an der Berufswahlorientierung beteiligten Schulen können<br />
entwicklungstheoretische Ansätze Hinweise für die curriculare Organisation liefern, da sich<br />
hieraus ableiten lässt, wann mit der Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit zur <strong>Aus</strong>einandersetzung mit<br />
bestimmten Berufswahlaufgaben gerechnet werden kann.<br />
Aktuell wird die Einführung der Bildungsstandards kontrovers diskutiert. Ein wesentlicher<br />
Vorwurf in diesem Kontext ist die Vereinheitlichung der Schulen. Schule soll nur noch lehren<br />
dürfen was national geprüft ist; die lokale Vielfalt findet keine Relevanz mehr.<br />
Anzumerken ist ebenfalls, dass es Bildungsstandards für alle Jahrgangsstufen geben sollte<br />
<strong>und</strong> nicht lediglich für Abschlussklassen. Schülern, Lehrern sowie der Schule selbst fehlt es<br />
damit an Rückmeldung über den jeweils aktuellen Leistungsstand, sodass die Gefahr einer<br />
Fehlentwicklung im Vorfeld besteht.<br />
Standards bergen – sind sie erst mal eindeutig definiert, operationalisiert <strong>und</strong> erprobt – auch<br />
Vorteile. Die PISA-E Studie zeigte deutliche Leistungsunterschiede der Jugendlichen in den<br />
einzelnen B<strong>und</strong>esländern, die nicht ausschließlich durch unterschiedliche Kontextbedingungen<br />
erklärt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch das Bewertungssystem bzw.<br />
die Notengebung zu sehen, das/die bei identischen Ergebnissen variiert. Hinzu kommt, dass<br />
Bildungsstandards nicht gleichzeitig den Unterrichtsprozess standardisieren, sondern dass<br />
Schulen hier ein Handlungsspielraum eingeräumt wird, wie sie – abgestimmt auf ihre Schüler<br />
– die Zielvorgaben erreichen können.<br />
Abzuwarten gilt, wie sich die Diskussion um die Bildungsstandards weiter gestalten wird,<br />
aber auch wie Bildungsstandards unter Berücksichtigung der Vermittlung sowie Erfassung<br />
von fachlichen <strong>und</strong> fachübergreifenden Basisqualifikationen „die für die weitere schulische<br />
<strong>und</strong> berufliche <strong>Aus</strong>bildung von Bedeutung sind <strong>und</strong> die anschlussfähiges Lernen ermögli-<br />
263
chen“ (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder 2003, S. 3), ausdifferenziert<br />
(z.B. Aufgaben, Testverfahren <strong>und</strong> Implementation in Schulen) werden.<br />
Defizite in den so genannten Schlüsselqualifikationen eröffnen einen weiteren Handlungsansatz<br />
im Rahmen neuer Lernformen, welche explizit diese Kompetenzen fördern. Exemplarisch<br />
sei hier auf Heinz Klippert 2002 13 verwiesen, der in diesem Zusammenhang mit seinen<br />
Lernformen wohl für das meiste Aufsehen <strong>und</strong> Interesse gesorgt hat <strong>und</strong> durch seine Trainingsbücher<br />
bekannt wurde.<br />
Zentrales Prinzip seines Konzeptes ist das eigenverantwortliche Arbeiten <strong>und</strong> Lernen der<br />
Schüler (kurz: EVA). Zielführend ist die Entwicklung von Schlüsselqualifikationen wie Selbstständigkeit,<br />
Methodenkompetenz, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit etc. Qualifikationen,<br />
die verstärkt unter dem Begriff der <strong>Aus</strong>bildungsreife gefasst werden. Im Vorfeld dieser<br />
Fähigkeiten steht nach Klippert allerdings die Frage nach dem Lernen des Lernen. 14 Fähigkeiten<br />
wie Markieren, Nachschlagen, Ordnen etc. stehen hierbei an erster Stelle. Klippert<br />
geht davon aus, dass Schüler nur rudimentär in der Lage sind, selbstständig zu agieren.<br />
Konzipiert sind seine Trainingsbücher für Lehrkräfte, sie beinhalten überwiegend praktische<br />
Übungen <strong>und</strong> Handlungsanweisungen, die von den Schülern in kleinen Schritten durchlaufen<br />
werden <strong>und</strong> dabei von den Lehrern portioniert, systematisch gegliedert, kontrolliert <strong>und</strong> überprüft<br />
werden können. 15<br />
Kritisch zu bedenken ist an dieser Stelle aber auch, dass sich dieser Ansatz ausschließlich<br />
auf den Unterricht bezieht, sodass eine umfassende systemische Betrachtungsweise vermieden<br />
wird, die in der Konsequenz mit diversen anderen Prozessen wie z.B. der Organisations-<br />
<strong>und</strong> Personalentwicklung einhergehen müsste. 16<br />
<strong>Aus</strong> dieser Kritik heraus, sowie in Anbetracht des breiten Konsensus, der über die Bedeutung<br />
von fachlichen Qualifikationen <strong>und</strong> individuellen Kompetenzen sowohl für den Einzelnen<br />
als auch für Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft besteht, bilden Qualifikation <strong>und</strong> Kompetenz die<br />
Basis für individuelle Erwerbsbiografien <strong>und</strong> Employability. Ebenso sind sie als unentbehrliche<br />
Humanressource für den Wirtschaftsstandort Deutschland in einem vereinten Europa zu<br />
sehen. Die wirtschaftliche Effizienz <strong>und</strong> Wettbewerbsfähigkeit auf der einen Seite <strong>und</strong> die<br />
Verbesserung der individuellen Handlungskompetenz <strong>und</strong> Beschäftigungsfähigkeit auf der<br />
anderen Seite sind dabei nicht als Widerspruch zu interpretieren, sondern könnten in einer<br />
13<br />
Vgl. hierzu u. a.: Klippert, H. (2002): Eigenverantwortliches Arbeiten <strong>und</strong> Lernen. Bausteine für den Fachunterricht.<br />
Weinheim.<br />
14<br />
Selbstlernkonzepte werden aktuell auch im Zusammenhang mit Empowerment diskutiert.<br />
15<br />
Die Darstellung des Ansatzes von Heinz Klippert erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. An dieser Stelle<br />
sollten nur die zentralen Aspekte skizziert werden, um einige Handlungsansätze zur Verbesserung des Bildungssystems<br />
darzustellen.<br />
16<br />
Vgl. zur Kritik an Klippert: Stövesand, Helmut: Schulentwicklung nach Klippert – Über den Anspruch, mittels<br />
Dressur Selbstständigkeit zu fördern. O.J..<br />
264
präventiven <strong>und</strong> nachhaltigen regionalen Bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik miteinander in<br />
einer win-win-Situation gekoppelt werden.<br />
Als vorläufiges Ergebnis bleibt jedoch zunächst festzuhalten: Die Schere zwischen wettbewerbsentscheidenden<br />
Erwartungen der Unternehmen einerseits <strong>und</strong> bisher gemessenen<br />
individuellen Bildungsleistungen der Schüler andererseits klafft immer mehr auseinander.<br />
Das Resultat sind gegenseitige Schuldzuweisungen. Die Verlierer sind allen voran benachteiligte<br />
Jugendliche. Dennoch existieren Beispiele guter Praxis in der Region zwischen Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Bildung wie die o. g. Projekte zeigen.<br />
Lebensbegleitendes Lernen als europäisches Konzept postuliert, dass theoretisches Wissen<br />
relativ leicht lern- <strong>und</strong> vermittelbar ist, Fachwissen ohnehin in der heutigen Gesellschaft<br />
schnell veraltet <strong>und</strong> ständig erneuert werden muss. „Wissen bezeichnet die Gesamtheit der<br />
Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfaßt<br />
sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln <strong>und</strong> Handlungsanweisungen.“<br />
(Probst et al. 1999, S. 46) Fachliche Qualifikationen <strong>und</strong> individuelle Kompetenzen<br />
werden in unserem heutigen Bildungssystem als Schlagworte thematisiert, spiegeln sich<br />
aber nicht ganzheitlich im Bewertungssystem eines Notenspiegels wider. Unternehmen sind<br />
gezwungen, Personalauswahlverfahren <strong>und</strong> -kriterien auf der Basis konventioneller Bewertungssysteme<br />
durchzuführen. Diese bieten ihnen jedoch nicht die Möglichkeit, die individuellen<br />
Kompetenzen <strong>und</strong> fachlichen Qualifikationen der Bewerber zu erkennen, um sie passgenau<br />
im Rahmen eines Matchingverfahrens 17 mit unternehmensspezifischen Anforderungen<br />
abzugleichen.<br />
Gefordert sind daher differenzierte <strong>und</strong> aufeinander abgestimmte Beurteilungen in den Bildungsgängen<br />
sowie neue Bewertungskonzepte für die Personalauswahl. Ein solcher Ansatz<br />
würde in der Konsequenz ein verstärktes Engagement auf beiden Seiten bedeuten: Unternehmen<br />
wären dazu aufgefordert Jobdescriptions in Form von detaillierten Arbeitsplatz- <strong>und</strong><br />
Anforderungsbeschreibungen sowie Skillsets zur Erfassung eines Persönlichkeits- <strong>und</strong> Qualifikationsprofils,<br />
die im Idealfall in kontinuierlichen Abständen branchenbezogen aktualisiert<br />
werden, zu erarbeiten <strong>und</strong> im Rahmen eines Personalentwicklungsprozesses abzustimmen.<br />
Schule müsste Veränderungsprozesse in Form einer differenzierten Betrachtung <strong>und</strong> Bewertung<br />
der Schüler einleiten, die die Persönlichkeitsentwicklung sowie individuelle Lernfortschritte<br />
abbildet. Dabei wären hier gleichzeitig im Rahmen von pädagogischen Schulentwicklungsplänen,<br />
die verstärkt auf Selbststeuerung setzen, flankierende organisatorische Maßnahmen<br />
einzuleiten.<br />
17<br />
Hergestellt werden kann hierbei ein Bezug auf persönlichkeitspsychologische Theorien der differentiellen Psychologie.<br />
265
Erste Prozesse sind bereits von der Bildungspolitik in Gang gesetzt worden. Schule <strong>und</strong><br />
Wirtschaft könnten hiervon ausgehend eine Qualifikations- <strong>und</strong> Kompetenzmatrix erstellen,<br />
die sowohl ein fachliches Qualifikations- als auch ein individuelles Kompetenzprofil enthält.<br />
Mit Hilfe eines Matchingverfahrens ließe sich diese mit dem Anforderungsprofil der Unternehmen<br />
abgleichen. Darüber hinaus könnte diese Matrix das Potenzial beinhalten, <strong>Aus</strong>bildungsinhalte<br />
flexibler abzubilden <strong>und</strong> für die einzelnen <strong>Aus</strong>bildungsgänge berufsübergreifend<br />
nutzbar zu machen.<br />
Diese mögliche Kompetenzmatrix wäre unter den beteiligten Akteuren in einem gemeinsamen<br />
Dialog auszuhandeln. Bereits vorhandene Schulpartnerschaften <strong>und</strong> Arbeitskreise mit<br />
wissenschaftlicher Unterstützung könnten in diesem Prozess der Motor sein. Die Konzeption<br />
von Kompetenzmatrizen stellt zunächst eine Einzellösung dar. Das Problem der mangelnden<br />
Transferfähigkeit dieser Einzellösungen könnte jedoch aufgelöst werden, wenn es gelänge,<br />
diese im Rahmen regionaler <strong>Aus</strong>bildungskonsense zu bündeln, zu sichern <strong>und</strong> langfristig<br />
landesweit zu etablieren.<br />
Gleichzeitig hervorgehoben werden soll an dieser Stelle ein nachgestellter Handlungsansatz<br />
im Prinzip der <strong>„Berufswahl</strong>paten“. Nicht allein Experten der Jugendarbeit, sondern auch die<br />
einschlägige Literatur verweist darauf, dass Jugendliche, insbesondere nicht ausbildungsreife<br />
<strong>und</strong> benachteiligte Jugendliche, eher eine Chance auf einen <strong>Aus</strong>bildungsplatzplatz haben,<br />
wenn sie den Betrieb im Vorfeld durch ein Praktikum kennen lernen. 18 Lernen Betriebe die<br />
Jugendlichen <strong>und</strong> umgekehrt die Jugendlichen den Betrieb zunächst in Form eines Langzeitpraktikums<br />
oder kontinuierlicher Praxistage 19 kennen, werden meist persönliche Beziehungen<br />
aufgebaut, die die Übernahme in <strong>Aus</strong>bildung wahrscheinlicher machen. „Stimmt die<br />
Chemie“ zwischen <strong>Aus</strong>bilder <strong>und</strong> Jugendlichen, so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit,<br />
dass der <strong>Aus</strong>bilder zu einer Art „Mentor“ wird, der den Jugendlichen einerseits unterstützt<br />
<strong>und</strong> andererseits zu einer Identifikationsfigur für ihn wird. Die so genannte „mangelnde <strong>Aus</strong>bildungsreife“<br />
tritt in diesem Moment in den Hintergr<strong>und</strong>.<br />
Zu verweisen ist in diesem Kontext auf die seit wenigen Jahren entstehenden Projekte im<br />
Bereich der „ehrenamtlichen Berufseinstiegshilfe“. 20 Sog. <strong>„Berufswahl</strong>paten“ 21 sollen Jugendlichen<br />
den Übergang in das Beschäftigungssystem erleichtern. „Das Förderprinzip <strong>und</strong> die<br />
Bezeichnung seiner Aktiven leitet sich von der Gestalt „Mentor“ der griechischen Mythologie<br />
ab: Mentor übernahm für seinen Fre<strong>und</strong> Odysseus während seiner Abwesenheit die Rolle<br />
des Lehrers <strong>und</strong> des väterlichen Fre<strong>und</strong>es für seinen Sohn Telemach.“ (Hauf 2001, S. 7) In<br />
dem Projekt „Senioren als Mentoren für junge Berufseinsteiger. Eine neue Projektsparte im<br />
18<br />
Vgl. hierzu auch Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
19<br />
Vgl. hierzu ausführlicher die Diskussion um die Einführung eines Praktikumtages in Hauptschulen.<br />
20<br />
Diese Unterstützungsform hat in den Vereinigten Staaten eine lange Tradition (vgl. Hauf 2001, S. 7).<br />
21<br />
Hierfür werden die verschiedensten Begriffe verwendet: „Tutoren“, „<strong>Aus</strong>bildungsbegleiter“, <strong>„Berufswahl</strong>lotsen“<br />
etc..<br />
266
freiwilligen Handlungsfeld „Alt hilft Jung““ der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen<br />
sollen die Berufs- <strong>und</strong> Lebenserfahrungen von Senioren für Jugendliche beim<br />
Übergang an der ersten Schwelle genutzt werden. 22 Die Unterstützung reicht hierbei von der<br />
Berufsorientierung über die <strong>Aus</strong>bildungsvorbereitung <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzvermittlung bis hin<br />
zur gesamten Lebensgestaltung. <strong>„Berufswahl</strong>paten“ akquirieren <strong>Aus</strong>bildungsplätze, geben<br />
Einblicke in die Arbeitswelt, trainieren Vorstellungsgespräche, helfen bei der Erstellung von<br />
Bewerbungsunterlagen <strong>und</strong> nutzen ihre ehemaligen Kontakte. Sie begleiten die Jugendlichen<br />
nicht nur auf der fachlichen, sondern vielmehr, <strong>und</strong> darauf sei explizit verwiesen, auf<br />
der persönlichen <strong>und</strong> psychosozialen Ebene. Hierdurch kann eine intensive Beziehung entstehen,<br />
die unter Umständen auch ausbildungsbegleitend – oder gar darüber hinaus – Bestand<br />
haben kann. (vgl. Hauf 2001). In diesem Sinne tragen sie dazu bei, den Jugendlichen<br />
Lebensgestaltungskompetenz mit auf den Weg zu geben.<br />
Betrachtet man dieses – durchaus als zukunftsträchtig zu bezeichnende – Konzept, drängt<br />
sich ein Rückgriff auf die Historie der Berufswahl auf. Wie bereits zu Beginn skizziert können<br />
die Gesellschaftsformen bis ins 19. Jahrh<strong>und</strong>ert als statisch, traditionsbestimmt, agrarischfeudal<br />
<strong>und</strong> ständisch gegliedert bezeichnet werden. Der Beruf wurde durch den Vater bzw.<br />
mit dem Stand vererbt. Verkürzt formuliert wurde der Jugendliche nach <strong>und</strong> nach über die<br />
persönliche Beziehung zu seinem Vater an den Beruf herangeführt.<br />
Die ständisch-handwerkliche Berufsidee zeichnete sich zudem durch ihre Organisation in<br />
Zünften aus. Diese regelten die <strong>Aus</strong>bildung der Lehrlinge <strong>und</strong> boten einerseits wirtschaftlichen<br />
Schutz, andererseits überwachten sie aber auch die Leistungen sowie das Einhalten<br />
der Regeln. In der Zeit der <strong>Aus</strong>bildung, die ebenfalls von der Zunft festgelegt wurde <strong>und</strong> zwischen<br />
zwei <strong>und</strong> vier Jahren variierte, wohnte der Lehrling in der Regel bei der Familie des<br />
Meisters.<br />
Bereits dieser reduzierte Rückgriff auf die Geschichte legt die Schlussfolgerung nahe, dass<br />
Berufswahl, wie auch interaktionstheoretische Berufswahlkonzepte postulieren, stärker als<br />
bisher vermutet, von persönlichen Beziehungen beeinflusst ist.<br />
In einer Zeit, in der das Berufsbildungssystem durch eine Vielfalt von Zuständigkeiten, Institutionen,<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> Ansprechpartner charakterisiert ist, werden persönliche Beziehungen<br />
für die Jugendlichen wieder bedeutsamer. 23 Ein <strong>„Berufswahl</strong>pate“ kann in diesem<br />
Zusammenhang Sicherheit, Orientierung, Identifikationsmöglichkeit u.v.m. bieten. Es stellt<br />
sich also die Frage, ob neue Handlungsansätze auf alte Berufswahlmuster zurückgreifen<br />
sollten? Sicherlich nicht ohne Berufswahlfreiheit <strong>und</strong> einer Gleichheit der Bildungsmöglich-<br />
22 An sechs Orten in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland sind bisher Netzwerke entstanden, in denen Senioren ihre<br />
praktischen <strong>und</strong> sozialen Ressourcen aus einem langen Berufsleben den Jugendlichen zur Verfügung stellen.<br />
(vgl. http://www.generationendialog.de/projekte/b<strong>und</strong>eswettbewerb.htm, 11.12.03)<br />
23 Vgl. hierzu ausführlich die 14. Shell Jugendstudie.<br />
267
keiten. Dennoch scheint die Vielfalt von Institutionen, Maßnahmen <strong>und</strong> Aktivitäten, die es<br />
sich zum Ziel gesetzt haben, die Berufswahl- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsreife Jugendlicher zu fördern,<br />
nicht die optimale Lösung zu sein; verlagern sie doch die Bezugspunkte der Jugendlichen in<br />
ein Rotationsprinzip, in dem jeder Halt unmöglich scheint. Die Erkenntnis von PISA, dass die<br />
frühe Selektion der Schüler 24 in verschiedene Schultypen keine optimale Förderung ermöglicht,<br />
könnte hierfür ein Indiz sein.<br />
Die oben genannten Handlungsansätze verweisen dabei, wenn auch in unterschiedlicher<br />
<strong>Aus</strong>prägung <strong>und</strong> aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, jeweils auf einen Punkt des<br />
aktuellen Diskurs um Vernetzung <strong>und</strong> Netzwerkarbeit, der/die im Folgenden als weitere<br />
Komponente der Entwicklung eines regionalspezifischen Konzeptes zur Berufswahlorientierung<br />
zu Gr<strong>und</strong>e lag.<br />
24 Vgl. hierzu auch die <strong>Aus</strong>sagen von Klemm, K. (2003) über eine neunjährige gemeinsame Schulzeit aller Kinder<br />
in: http://www.proausbildung.de/show.php?rubrik=Presse&LN=90 11.12.2003.<br />
268
2 Diskurs zum Thema Netzwerke 25<br />
Der im April diesen Jahres von Frau Dr. Annette Schavan einberufene „Innovationskreis berufliche<br />
Bildung“ 26 lässt sich gleichwohl auch als „Innovationsnetzwerk berufliche Bildung“<br />
verstehen. Hochrangige Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft <strong>und</strong> beruflichen<br />
Schulen erarbeiten hier gemeinsam mit den Sozialpartnern <strong>und</strong> Ländern „innovative“<br />
Strategien zur Verbesserung der beruflichen Bildung.<br />
Gleichsam betont Manfred Kremer, Präsident des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung, in einem<br />
Kommentar der Zeitschrift Berufsbildung in Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis (BWP) 27 zu Anfang des<br />
Jahres 2006, dass bei dem derzeit herrschenden Mangel an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen, eine vorbehaltlose<br />
Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Kammern, beruflichen Schulen <strong>und</strong> anderen<br />
Bildungseinrichtungen notwendig sei.<br />
Angesichts der gegenwärtig sehr angespannten <strong>und</strong> problematisch behafteten <strong>Aus</strong>bildungssituation<br />
erscheint dieser Schritt dabei längst überfällig 28 .<br />
Bildungspolitische Programme von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern wie Jobstarter, Lernende Regionen,<br />
EQUAL oder BQF (<strong>Berufliche</strong> Qualifizierung für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf)<br />
zielen darauf ab, strukturelle Veränderungen im Bildungswesen hervorzurufen, gleichzeitig<br />
gilt es Innovationen freizusetzen. Allen voran steht bei diesen Programmen der Netzwerkgedanke.<br />
In den geförderten Projekten sollen vor allem möglichst viele Akteure (einer Region,<br />
Branche oder auch Zielgruppe etc.) vernetzt zusammenarbeiten.<br />
So heißt es denn auch: Die Förderung eines Projektes intendiert die Absicht zu institutioneller,<br />
interdisziplinärer <strong>und</strong> multiprofessioneller Zusammenarbeit oder den Auf- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bau<br />
von Kooperationsnetzen unter Beteiligung aller relevanten Akteure auf lokaler oder regionaler<br />
Ebene 29 sowie auch den Aufbau <strong>und</strong> die Betreuung thematischer oder regionaler Bildungsnetzwerke<br />
30 .<br />
25<br />
Vgl. Hierzu in Teilen Dobischat, Rolf (2006): Wie tragen regionale Netzwerke zur Innovationsfähigkeit der Berufbildung<br />
bei? Referat zur Tagung „Innovative Berufsbildung durch regionale Netzwerke“ des Hessischen Ministeriums<br />
für Wirtschaft, Verkehr <strong>und</strong> Landesentwicklung in Kooperation mit dem Bildungswerk der Hessischen<br />
Wirtschaft am 07.07.2006 in Frankfurt/Main.<br />
26<br />
Vgl. hierzu ausführlicher: B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung (2006a): Innovationskreis berufliche<br />
Bildung. URL: http://www.bmbf.de/de/6190.php.<br />
27<br />
Vgl. hierzu ausführlicher Kremer, Manfred (2006): Allen Jugendlichen innerhalb von drei Jahren nach der<br />
Schule einen <strong>Aus</strong>bildungsabschluss ermöglichen! Kommentar. In: B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Berufsbildung<br />
in Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis (BWP) 03/2006, S. 3-4.<br />
28<br />
Vgl. insbesondere zur regionalen <strong>Aus</strong>bildungssituation Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
29<br />
BQF-Programm - "Kompetenzen fördern: <strong>Berufliche</strong> Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf".<br />
30<br />
„Jobstarter – für die Zukunft ausbilden“.<br />
269
2.1 Netzwerke<br />
Networking ist zwar „in“. Insbesondere seit die Wirtschaft „kränkelt“ <strong>und</strong> die Politik mit ihren<br />
Lösungsstrategien immer wieder an ihre Grenzen stößt haben Netzwerke in vielen Bereichen<br />
Hochkonjunktur. Der Verb<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Kooperationsgedanke, als eine der Säulen der sozialpädagogisch<br />
orientierten Berufsausbildung, ist jedoch nicht neu. Bereits Georg Kerschensteiner<br />
der „geistige Vater der Berufsschule“ hat, als er vor über 100 Jahren als Schulreformer in<br />
seinem regionalen Wirkungskreis München begann, nicht nur das theoretische Gerüst für die<br />
Umwandlung der allgemeinen Fortbildungsschule in eine fachliche Fortbildungsschule formuliert,<br />
sondern damit auch innovative Prozesse in der beruflichen Bildung insgesamt in Gang<br />
gesetzt.<br />
Aktuell wird dabei der Begriff „Netzwerk“ inflationär für jedwede Form der Kooperation oder<br />
auch Zusammenarbeit verwendet. In Lexika des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts erstmals auftauchend für<br />
das Geäder eines Blattwerks, finden sich heute Ansatzpunkte für eine Klärung <strong>und</strong> inhaltliche<br />
Schärfung des Netzwerk-Begriffs vielfältiger Form.<br />
Gr<strong>und</strong>legend werden unter Netzwerken Systeme verstanden, die einerseits über Mechanismen<br />
zu ihrer Organisation verfügen <strong>und</strong> deren f<strong>und</strong>amentale Struktur sich andererseits mathematisch<br />
als Graph 31 gestalten lässt.<br />
In der Soziologie wurde der Begriff als „Soziales Netzwerk“ debütiert. In Deutschland zunächst<br />
von Urban Pappi (Franz) 32 , Kappelhoff (Peter) u. a. genutzt, um Willensbildungen in<br />
der Kommunalpolitik auf den Weg zu bringen, fokussiert der Begriff des Sozialen Netzwerks<br />
keine Zielleitung sondern die Verknüpfung disparater Ziele einzelner Akteure <strong>und</strong> Gruppen.<br />
Weitreichender gestaltet sich der Ansatz in der Systemtheorie. Hier ergibt nicht die Summe<br />
der Eigenschaften der Teile die Eigenschaften des Ganzen, d.h. die systemischen Eigenschaften<br />
sind nicht bei einem einzelnen Systemteil vorhanden sondern diese ergeben sich<br />
vielmehr durch die prozesshaften Beziehungen der Teile untereinander.<br />
Insofern kann unter dem Begriff Netzwerk eine Menge von miteinander auf definierte Weise<br />
verb<strong>und</strong>enen, autonomen Objekten bezeichnet werden, die ein gesamtes System bilden.<br />
Das Denken in Netzwerken, die Wahrnehmung der Lebenswelt als die eines Netzwerkes, ist<br />
daher ein Element des Systemdenkens, das sich in den letzten Jahrzehnten in allen Bereichen<br />
als ein vorrangiges Paradigma modernen Denkens hervorgearbeitet hat.<br />
31 Ein Graph besteht aus einer Menge von Elementen, den Knoten, die mittels Verbindungen gleich Kanten miteinander<br />
verb<strong>und</strong>en sind. Ein geschlossener Zug aus Kanten <strong>und</strong> Knoten heißt Masche. Dass der Großteil der<br />
Knoten zu einer oder mehreren Maschen gehört, ist das eigentliche Kennzeichen eines Netzwerks gegenüber<br />
anderen Typen von Strukturen.<br />
32 Vgl. hierzu u. a. Pappi, Franz U. (2001): Soziale Netzwerke. In Schäfers, Bernhard/ Zapf, Wolfgang (Hrsg.):<br />
Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Opladen. S. 605-616.<br />
270
In Erwartung synergetischer Prozesse <strong>und</strong> innovativer Ansätze gestaltet sich die Entwicklung<br />
innerhalb der Netzwerkstrukturen diskursiv, d.h. die dem einzelnen Netzwerk zugehörigen<br />
Akteure agieren im Rahmen von Organisationen, Unternehmen oder auch als Einzelperson<br />
in verschiedenen Netzwerken, die an sich wiederum eigene Netzwerke bilden <strong>und</strong> erneut in<br />
größere Netzwerkstrukturen eingeb<strong>und</strong>en sind.<br />
Nach Weyer (2000) 33 werden dabei sowohl regionale Netzwerke als auch Innovationsnetzwerke<br />
neben strategischen Netzwerken <strong>und</strong> Policy-Netzwerken der Form systemisch sozialer<br />
Netzwerke zugeordnet (vgl. Weyer 2000).<br />
2.2 Regionale Netzwerke<br />
Das Konzept der Regionalisierung <strong>und</strong> damit die Bildung regionaler Netzwerke als steuerungspolitische<br />
<strong>Aus</strong>formung einer stärkeren Politikorientierung auf die Region stellt darauf<br />
ab, die Region mit ihrem komplexen Geflecht an Problemfeldern, Interessenkonstellationen,<br />
Institutionen etc. als zentralen Referenzrahmen einer Gestaltungspolitik auszuweisen.<br />
Im Sinne des systemtheoretischen Netzwerkgedankens ist daher die Abgrenzung <strong>und</strong> Etablierung<br />
eines Bezugssystems Region folglich ein variabler <strong>und</strong> oszillierender Prozess, in<br />
dem, je nach Perspektive des Betrachters, ganz bestimmte Interessenlagen <strong>und</strong> Ziele zum<br />
<strong>Aus</strong>druck kommen.<br />
Regionale Netzwerke können differenziert werden nach Herkunft <strong>und</strong> Anzahl der Partner,<br />
Anstoß bzw. Anlass für die Initiative <strong>und</strong> den Zielen, die sich das Netzwerk gesetzt hat (vgl.<br />
Sprenger 2001, S. 27). Dabei muss sich der Regionsbegriff jedoch auf das ausrichten, was<br />
per se nicht existent ist, sondern was kommunikativ erzeugt <strong>und</strong> damit konstruiert wird (vgl.<br />
Gerhardter 2001, S. 59 f.). Da der Aufbau eines Netzwerkes jedoch gr<strong>und</strong>sätzlich mit der<br />
Zielsetzung beginnt, kann sich diese Zielsetzung nur in dem Prozess der „Innovation“ an sich<br />
äußern.<br />
Regionale Netzwerke <strong>und</strong> Innovationsnetzwerke ergänzen sich an der Stelle insofern, als<br />
dass Bildung <strong>und</strong> Pfade sozialer wie wirtschaftlicher Innovationen immer noch <strong>und</strong> in erster<br />
Linie raumbezogen stattfinden <strong>und</strong> wirken 34 .<br />
33 Johannes Weyer (2000): Soziale Netzwerke, München: Oldenbourg.<br />
34 Die aktuelle Diskussion um die Globalisierung der Ökonomie, in dem u. a. telekooperativ agierende Betriebe<br />
<strong>und</strong> virtuelle Unternehmensnetzwerke auf der Gr<strong>und</strong>lage von Informations- <strong>und</strong> telekommunikationstechnischer<br />
Vernetzung Produkte <strong>und</strong> Leistungen ortsungeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> über räumliche Entfernungen hinweg anbieten<br />
<strong>und</strong> nachfragen <strong>und</strong> damit in der Konsequenz die Frage nach der Dringlichkeit des lokalen Bezugs von<br />
Wirtschaft obsolet werden lassen könnte, bleibt im Folgenden ausgeblendet. Für die Diskussion vgl. dazu Picot<br />
1999, 1998; Baethge 2000. Zur langfristigen Perspektive des Zusammenhangs s. Altvater/Mahnkopf 1996,<br />
Senatsverwaltung für Arbeit, <strong>Berufliche</strong> Bildung <strong>und</strong> Frauen 1997; Virilio 2000.<br />
271
Diskutiert werden dabei in der beruflichen Bildung allen voran Qualifikations- <strong>und</strong> Kompetenzbedarfe,<br />
die präventiven Charakter haben <strong>und</strong> auf spezifische regionale Bedingungen<br />
abgestimmt sind bzw. abgestimmt sein sollen.<br />
2.3 Innovation in Netzwerken<br />
Innovation bedeutet wörtlich übersetzt „Neuerung“ oder „Erneuerung“ <strong>und</strong> wird vom den lateinischen<br />
Begriffen novus „neu“ <strong>und</strong> innovatio „etwas neu Geschaffenes“ abgeleitet. Verwendung<br />
findet der Begriff im Deutschen aber auch im Sinne von neuen Ideen <strong>und</strong><br />
Erfindungen.<br />
Zu unterscheiden ist dabei jedoch zwischen der eigentlichen Invention <strong>und</strong> der Innovation.<br />
Inventionen umfassen neue Ideen bis hin zur der konkreten Konzeptentwicklung sowie die<br />
Einbindung einer „Transfervorphase“.<br />
Innovationen ergeben sich hingegen aus der konkreten Umsetzung bzw. Verwertung.<br />
Nach Schumpeter (Josef) 1912 ist Innovation die Durchsetzung einer technischen oder organisatorischen<br />
Neuerung, nicht allein ihre Erfindung. Gleiches gilt für die berufliche Bildung.<br />
Nach Holz steht repräsentativ für Modellversuche in der Berufsbildung „das Begriffspaar Innovation<br />
<strong>und</strong> Transfer. Das heißt, es soll etwas Neues entwickelt, erprobt <strong>und</strong> verbreitet<br />
werden.“ (Holz 2000, S.18)<br />
Ergänzt man den Innovationsgedanken um die eingeforderte Zusammenarbeit im Netzwerk,<br />
dann werden Innovationen (in der beruflichen Bildung) im Rahmen der „Collective Invention“<br />
entwickelt. Als „Collective Invention“ oder „Kollektive Erfindung“ bezeichnet Allen im Bereich<br />
der Wirtschaftswissenschaft ein Modell zur Innovation, bei dem die „Erfinder“ ihre Innovationen<br />
offen miteinander teilen (vgl. Allen 1983)<br />
An diesem Punkt kränkeln jedoch die meisten „regionalen“ Netzwerke, da das Teilen von<br />
Wissen an sich meist schon ein soziales Dilemma darstellt, bei dem „Trittbrettfahrer“, die<br />
vom Wissen aller profitieren ohne eigenes Wissen beizutragen, begünstigt werden.<br />
Sowohl das Modell der kollektiven Erfindung als auch insofern die Form einer „innovativen<br />
Berufsbildung durch regionale Netzwerke“ haben also nur dann Bestandskraft wenn bestimmte<br />
Bedingungen gegeben sind.<br />
Netzwerke können nur dann effektiv <strong>und</strong> optimal arbeiten, wenn die Akteure eine gegenseitige<br />
Akzeptanz entwickeln, einen Interessenausgleich herstellen <strong>und</strong> Partizipation ermöglichen<br />
(vgl. Dobischat 1999, S.15).<br />
Einen <strong>Aus</strong>weg aus diesem Dilemma können Kompetenz- oder auch Unterstützungsnetzwerke<br />
bieten, denn wenngleich die Schwierigkeiten dieser Entwicklung deutlich werden, so ist<br />
272
doch der Trend hin zu regionalen Netzwerken ungebrochen <strong>und</strong> ein Umdenken in Gang gesetzt.<br />
2.4 Unterstützungsstrukturen für Netzwerke<br />
In Anlehnung an das Konzept der Open Innovation, bei dem Organisationen ihre Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung für Beiträge von Außen hin öffnen <strong>und</strong> das daher eng mit der kollektiven<br />
Erfindung verb<strong>und</strong>en ist, können insbesondere Organisationen <strong>und</strong> Institutionen wie Hochschulen<br />
(die unter dem Aspekt der regionalen Wettbewerbssituation zumal außen vorstehen)<br />
im Sinne einer Unterstützungsstruktur ihre Forschung <strong>und</strong> Entwicklung (ihre Kompetenzen)<br />
als Beiträge nach Außen hin anbieten.<br />
Unterstützungsstrukturen können innerhalb eines Netzwerkes, einzelne Akteure (Personen,<br />
Unternehmen etc.) zielbezogen einbinden, unterschiedliche Wissens- <strong>und</strong> Erfahrungsstände<br />
einzelner Akteure bestmöglich synergetisch bündeln, weiterentwickeln <strong>und</strong> aktuelles, evidenzbasiertes<br />
Wissen bereitstellen. Sie entwerfen <strong>und</strong> sichern hierdurch oftmals unverzichtbare<br />
Dienstleistungen innerhalb eines bestimmten Netzwerkes.<br />
Die im Rahmen dieses Projektes durchgeführten Arbeitspakte können diesbezüglich als Unterstützungsstrukturen<br />
für ein regionalspezifisches Konzept zur Berufswahlorientierung verstanden<br />
werden, insofern, als dass sie eine Basis der Netzwerkarbeiten bilden von der prospektive<br />
der Prozess der beruflichen Orientierung aus konzeptionisiert wird.<br />
2.5 Unterstützungsstrukturen in der Praxis<br />
Die Arbeitsgruppe 4 „Aufbau von Unterstützungsstrukturen für die Netzwerkarbeit“ der Entwicklungsplattform<br />
4 „Netzwerkbildung“ erprobte <strong>und</strong> erforschte im Rahmen des BQF-<br />
Programmes Lösungsansätze, die jeweils als Unterstützungsstrukturen für Netzwerkarbeit<br />
angeführt werden können.<br />
Die Erfahrung in der Arbeit mit diesen Unterstützungsstrukturen zeigte, dass diese sowohl<br />
regional als auch überregional bei Zusammenschlüssen verschiedener Akteure (Bildungsträger,<br />
Agenturen für Arbeit, Berufbildende Schulen, Jugendhilfeträger, Unternehmen etc. pp.)<br />
Zuspruch fanden. Sie dienten dabei u. a. dem <strong>Aus</strong>tausch <strong>und</strong> der Weiterentwicklung der<br />
Kompetenzen der beteiligten Partnerorganisationen <strong>und</strong> ihrer Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />
sowie der Entwicklung von Strategien zur Problemlösung, zur Weiterentwicklung von<br />
Konzepten <strong>und</strong> Qualität <strong>und</strong> auch zur Etablierung neuer Produkte. In den Zielsetzungen galt<br />
es, die Qualität von Angeboten zu verbessern, gemeinsame Handlungs- <strong>und</strong> Lösungsstrategien<br />
zu entwickeln <strong>und</strong> Problemstellungen zu verankern.<br />
273
2.6 Formen von Unterstützungsstrukturen<br />
Innerhalb der Arbeitsgruppe wurden unter Unterstützungsstrukturen Dienstleistungen gefasst,<br />
mit denen Netzwerke initiiert <strong>und</strong> gefördert werden <strong>und</strong> die sie bei der Erreichung ihrer<br />
Ziele unterstützen. Dabei helfen sie z. B. die Trägerarbeit in der Region zu verstetigen, regionalspezifische<br />
Qualifikationskonzepte auf- <strong>und</strong> auszubauen oder bestimmte bildungs- <strong>und</strong><br />
berufspädagogische Ziele regional <strong>und</strong> überregional zu verankern. Sie sorgen dafür, dass<br />
Ergebnisse der Netzwerkarbeit nachhaltig wirken, wobei Nachhaltigkeit dann besteht, wenn<br />
die erzielten Wirkungen über einen längeren Zeitraum hinweg Strukturen <strong>und</strong> Standards<br />
bestimmen. Zudem können unter Unterstützungsstrukturen auch Informations- <strong>und</strong> Dokumentationsstandards,<br />
Kommunikationsinstrumente wie Internet <strong>und</strong> Datenbanken, Beratungsinstrumente,<br />
Fortbildung, Analysen <strong>und</strong> Befragungen, Bestandsaufnahmen sowie die<br />
Projekt-/Netzwerkevaluation, die reine Informationsweitergabe <strong>und</strong> die Moderation von Diskurs<br />
gefasst werden.<br />
Damit übernehmen Unterstützungsstrukturen oft auch Management- <strong>und</strong> Koordinationsfunktionen,<br />
sie sorgen für die Konsensbildung mit den beteiligten Entscheidungsträgern <strong>und</strong> managen<br />
die Kooperationsbeziehungen untereinander. Für die Dokumentation, den Informationsfluss<br />
<strong>und</strong> das Wissensmanagement im Netzwerk können sie verantwortlich sein. In diesem<br />
Sinne übernehmen sie insofern das Qualitätsmanagement <strong>und</strong> die Evaluation des<br />
Netzwerks <strong>und</strong> seiner Vorhaben, betreiben Öffentlichkeitsarbeit, sichern Transfer <strong>und</strong> Nachhaltigkeit.<br />
Durch die Bereitstellung von Beratungs- <strong>und</strong> Fortbildungsangeboten unterstützen<br />
sie die Professionalität der beteiligten Akteure. Im Sinne von „Lernenden Organisationen“<br />
sorgen sie für die permanente Weiterentwicklung des Gesamtsystems <strong>und</strong> seiner einzelnen<br />
Teile.<br />
Alle in der Arbeitsgruppe subsumierten Vorhaben/Projekte verfolgten in ihrer Netzwerkarbeit<br />
den Aufbau <strong>und</strong> die Weiterentwicklung dieser Unterstützungsstrukturen, die sie entweder zur<br />
erfolgreichen Arbeit abrufen oder den anderen bereitstellen. Binnen der Projektlaufzeiten ließ<br />
sich daher eine gemeinsame Form von Unterstützungsstrukturen identifizieren 35 :<br />
• Innerhalb des Netzwerkes gab es eine Service- bzw. Koordinierungsstelle zur Bündelung<br />
von Teilleistungen <strong>und</strong> -aufgaben mit dem Ziel, die im Projekt kooperierenden<br />
Netzwerkpartner auf ihre eigentlichen Kernaufgaben zu konzentrieren (z. B. Produkt-<br />
oder Konzeptentwicklung). Die im Projekt verankerten Netzwerkpartner erfahren hierin<br />
insofern eine Entlastung, als dass bestimmte Tätigkeiten von einem alleine – sei es<br />
qualitativ oder quantitativ – nicht oder nicht effizient geleistet werden können.<br />
• Im Sinne einer gemeinsamen inhaltlichen Zielsetzung werden Teilaufgaben – auch<br />
wenn diese als Teilleistungen auf die einzelnen Netzwerkpartner verteilt sind – immer<br />
35 Vgl. hierzu <strong>und</strong> zum Folgenden: BMBF 2006b: Verbesserung der beruflichen Integrationschancen von benachteiligten<br />
Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen durch Netzwerkbildung. Ergebnisse der Entwicklungsplattform<br />
4 „Netzwerkbildung“. Band II d der Schriftenreihe zum Programm „Kompetenzen fördern – <strong>Berufliche</strong> Qualifizierung<br />
für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf (BQF-Programm)“.<br />
274
aufeinander bezogen. Ziel ist die Übernahme von Aufgabengebieten je nach Kompetenzprofil<br />
<strong>und</strong> <strong>Aus</strong>richtung der beteiligten Netzwerkpartner.<br />
Im Rahmen einer Förderkulisse müssen diese Unterstützungsstrukturen finanziell mit eingeplant<br />
bzw. berücksichtigt werden können. Neben der finanziellen Seite spielen jedoch auch<br />
noch andere Faktoren zur Sicherung von Unterstützungsstrukturen eine tragende Rolle, wobei<br />
hier zwischen Einflussfaktoren auf der Projekt- bzw. Netzwerkebene <strong>und</strong> externen Faktoren<br />
welche durch die jeweiligen Rahmenbedingungen bestimmt sind, unterschieden werden<br />
muss.<br />
Auf der Projekt- oder Netzwerkebene sollten den Erfahrungen der Vorhaben in der Arbeitsgruppe<br />
entsprechend, folgende Einflussfaktoren erreicht werden:<br />
Organisatorische Ebene<br />
• realistische <strong>und</strong> verbindliche Ziel- <strong>und</strong> Zeitplanung<br />
• frühzeitige Koordinierung von Vorhabens- <strong>und</strong> Arbeitstreffen sowie Festlegung der Inhalte/Ziele<br />
der Veranstaltungen<br />
Personelle Ebene<br />
• Personenkontinuität auf allen Ebenen <strong>und</strong> in allen Bereichen (z. B. als Berufsschullehrer,<br />
Arbeitsvermittler, Fallmanager, Berufsberater, Leiter des Trägers, Seminarteilnehmer/-innen,<br />
Moderatoren/-innen, Koordinatoren/-innen) <strong>und</strong> somit Auffangen von Fluktuationen<br />
• Transparenz über Personalrollen <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten im Netzwerk (Leitungsfunktionen,<br />
Mitarbeiter/-innen, operative <strong>und</strong> strategische Partner/-innen)<br />
• Konfliktmanagement <strong>und</strong> Interaktion der Akteure<br />
• Bek<strong>und</strong>ung der Interessenlage <strong>und</strong> Motivation<br />
Inhaltliche Ebene<br />
• offene Konsensfindung zwischen Individuallösungen <strong>und</strong> institutionen- <strong>und</strong> personenübergreifenden<br />
Zielvorstellungen<br />
• Adaptierbarkeit der Inhalte (z. B. auf neue Zielgruppen, andere Berufsbilder, Modularisierung)<br />
• Transfer der Inhalte in die Arbeitszusammenhänge der Praxis oder der beteiligten Akteure<br />
(z. B. Bildungsträger)<br />
Vernetzungsebene<br />
• Klärung der Win-Win-Situation (Offenheit <strong>und</strong> Transparenz)<br />
• Klärung der Vernetzungsstabilität bzw. -dichte (Abgrenzung <strong>und</strong> Integration weiterer<br />
Netzwerkpartner)<br />
• Flexibilität <strong>und</strong> Offenheit der Netzwerkstruktur gegenüber Veränderungen in Rahmenbedingen,<br />
beispielsweise der Programmstruktur (Anpassung)<br />
• Transparenz über Funktion <strong>und</strong> Einbindung (z. B. inhaltliche Mitgestaltung) der einzelnen<br />
Netzwerkpartner<br />
275
Unterstützungsstruktur Service-/Koordinierungsstelle<br />
• Bereitstellung von finanziellen Ressourcen für die Service-/Koordinierungsstelle<br />
• Schaffung von Verbindlichkeiten durch vertragliche Fixierung (Kooperationsvereinbarung)<br />
• Erfüllung der inhaltlichen <strong>und</strong> administrativen Programmanforderungen durch das Unterstützungsnetzwerk<br />
Nicht zuletzt spielen individuelle Einflussfaktoren bei den beteiligten Netzwerkpartnern<br />
eine Rolle:<br />
• Funktion <strong>und</strong> Einbindungsmöglichkeiten des Einzelnen (Mitgestaltungsspielraum,<br />
Selbstdarstellungsmöglichkeiten, Kompetenzen <strong>und</strong> Ressourcen)<br />
• Interessenlage <strong>und</strong> Motivation zur Mitarbeit (finanziell, inhaltlich, kooperativ)<br />
Und auch externe Einflussfaktoren konnten benannt werden, mit:<br />
• Dauer der Vorhabens<br />
• Finanzierungsrahmen für die Netzwerkpartner...<br />
• ... <strong>und</strong> infolge dessen Planbarkeit der Netzwerkarbeit (personell, inhaltlich, finanziell,<br />
zeitlich) bei den beteiligten Partnern<br />
• Einordnung des Netzwerkes auf der Programmebene<br />
• (Bildungs-)politischer Stellenwert des Vorhabens<br />
• Einschätzung der (bildungs-)politischen Kontinuität der Programminitiativen<br />
• Verwertungsstrategien der Netzwerkergebnisse (politische Einflussnahme, ggf. Revision<br />
von Gesetzeslagen, Empfehlungscharakter, Evaluation)<br />
• Anforderungen an Vernetzungsgrad/-tiefe<br />
• Regionaler Vernetzungsauftrag<br />
• Vorgaben bzgl. der Einbeziehung netzwerkexterner Akteure (z. B. regionale, politische<br />
Entscheidungsträger, Evaluation)<br />
• Transfer der Ergebnisse durch den Träger des Vorhabens (vgl. BMBF 2006b)<br />
276
3 Regionalspezifisches Konzept zur Berufswahlorientierung<br />
3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Die Ergebnisse aus den einzelnen Projektabschnitte (Teil A – D) zeigen, dass …<br />
• sich die Megatrends „schrumpfender<br />
Bevölkerungsbestand“ <strong>und</strong> „eine zunehmend<br />
älter werdende Bevölkerung“,<br />
die aktuell unter dem Stichwort „Demografischer<br />
Wandel“ diskutiert werden,<br />
ebenfalls in der Untersuchungsregion<br />
einstellen. Mittelfristig (bis 2010) ist für<br />
die untersuchte Altersgruppe der 15- bis<br />
unter 25-jährigen diesbezüglich mit einem<br />
Anstieg der Nachfrage nach <strong>Aus</strong>bildungsplätzen<br />
zu rechnen, langfristig (bis<br />
2020) mit einer Abnahme der Jugendlichen,<br />
die in der Konsequenz zu einem<br />
Mangel an Nachwuchskräften führen<br />
könnte. 36<br />
• die ausländische Bevölkerung seit 1990<br />
in fast allen dargestellten Regionen überproportional<br />
zugenommen hat, wobei<br />
das mit der Migration verb<strong>und</strong>ene Problempotenzial<br />
(rein statistisch) zunehmend<br />
verborgen bleibt 37 . 38<br />
• in der Untersuchungsregion die Zahl der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zugenommen<br />
hat. Besonders bedenklich sind ein ausnehmend<br />
starker Anstieg der Schülerzahlen<br />
an den Sonderschulen, hier insbesondere<br />
der ausländischen Jugendlichen<br />
sowie der auffallende Anstieg der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ohne Schulabschluss.<br />
<strong>Aus</strong>ländische Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler beenden dabei insgesamt<br />
ihre Schulausbildung mit deutlich niedrigeren<br />
Abschlüssen. 39<br />
36 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
37 Die amtliche Bevölkerungsstatistik weist hinsichtlich<br />
der Herkunft deutliche Lücken <strong>und</strong> Unschärfen auf,<br />
da ein entsprechendes Konzept zur Erfassung des<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>es fehlt. Bspw. wird die Zahl<br />
der <strong>Aus</strong>siedlerinnen <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>siedler unterschätzt,<br />
da diese ab einem Jahr nach ihrem Zuzug nicht<br />
mehr von den ansässigen Deutschen unterschieden<br />
werden. Gleiches gilt für die Zahl der Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen von Eltern ausländischer Herkunft,<br />
da diese meist bei der Geburt oder im Rahmen<br />
eines Einbürgerungsverfahrens die deutsche<br />
Staatsangehörigkeit annehmen.<br />
38 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
39 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
277<br />
• sich die Arbeitsmarktlage in der Untersuchungsregion,<br />
in den letzten Jahren,<br />
wieder deutlich verschlechtert hat. Die<br />
Entwicklung der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten verlief mit <strong>Aus</strong>nahme<br />
des Kreises Kleve 40 negativ. 41<br />
• das Risiko, von Arbeitslosigkeit betroffen<br />
zu sein, sowohl bei Deutschen als auch<br />
bei Arbeitslosen ausländischer Herkunft,<br />
ausnehmend stark in Duisburg ausgeprägt<br />
ist. Besondere Probleme beim Übergang<br />
an der zweiten Schwelle haben<br />
die Altersgruppen der unter 20-jährigen<br />
<strong>und</strong> unter 25-jährigen <strong>und</strong> hier wiederum<br />
eigens männliche Jugendliche, Jugendliche<br />
ohne bzw. niedrigem Schulabschluss<br />
sowie Jugendliche ausländischer<br />
Herkunft. 42<br />
• das Gesamtangebot an <strong>Aus</strong>bildungsstellen<br />
in der Untersuchungsregion langfristig<br />
um etwa 33 %, die Gesamtnachfrage<br />
nach <strong>Aus</strong>bildungsstellen zwischen 18 %<br />
<strong>und</strong> 22 % zurückgegangen ist 43 . Die Angebots-Nachfrage-Relation<br />
entwickelte<br />
sich weit unter dem Landesdurchschnitt.<br />
Das Potenzial verfügbarer <strong>Aus</strong>bildungsstellen<br />
wurde in der Untersuchungsregion<br />
vollständig ausgeschöpft. 44<br />
• die <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation in der Untersuchungsregion<br />
im Rahmen der Experteninterviews<br />
als negativ <strong>und</strong> rückläufig<br />
bezeichnet wird. 45<br />
• sich, stellt man Arbeitslosenquote <strong>und</strong><br />
Angebots-Nachfrage-Relation gegenüber,<br />
eine Abhängigkeit des <strong>Aus</strong>bildungsmarktes<br />
vom Arbeitsmarkt zeigt,<br />
40 Hier liegt ein Zusammenhang mit dem starken<br />
Bevölkerungszuzug nahe.<br />
41 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
42 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
43 Hierbei ist zu beachten, dass aus Nachfragerückgängen<br />
nicht unmittelbar auf ein gesunkenes Interesse<br />
der Jugendlichen an der betrieblichen <strong>Aus</strong>bildung<br />
geschlossen werden darf.<br />
44 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
45 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.
wobei die wirtschaftliche Lage, gemessen<br />
als Arbeitslosenquote, offensichtlich<br />
den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt stärker beeinflusst<br />
als die Zahl der Jugendlichen, die<br />
auf diesen Markt drängen 46 . 47<br />
• in wirtschaftlich schlechten Zeiten die<br />
Agentur für Arbeit von den Jugendlichen<br />
stärker als Vermittlungsagent in Anspruch<br />
genommen als in wirtschaftlich<br />
guten Zeiten. 48<br />
• viele der bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit<br />
gemeldeten Bewerberinnen <strong>und</strong><br />
Bewerber aufgr<strong>und</strong> der prekären Wirtschaftslage<br />
alternative Wege beschreiten<br />
<strong>und</strong> die Gefahr besteht, dass der Anteil<br />
der Jugendlichen, der dauerhaft ohne<br />
voll qualifizierenden Berufsabschluss<br />
bleibt (in den letzten Jahren r<strong>und</strong> 11 %),<br />
wieder ansteigt. 49<br />
• das Baugewerbe, die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft,<br />
das Gastgewerbe sowie die<br />
öffentlichen <strong>und</strong> privaten Dienstleistungen<br />
in allen Regionen die höchsten <strong>Aus</strong>zubildendenanteile<br />
aufweisen <strong>und</strong> mit<br />
<strong>Aus</strong>nahme des Kreises Kleve die <strong>Aus</strong>bildungsleistungen<br />
des Produzierenden<br />
Gewerbes zwischen 1998 <strong>und</strong> 2002 insgesamt<br />
abgenommen haben, während<br />
sie im Dienstleistungsbereich anstiegen,<br />
der <strong>Aus</strong>zubildendenanteil im Produzierenden<br />
Gewerbe jedoch dennoch zurzeit<br />
höher als im Dienstleistungsbereich ist. 50<br />
• von den r<strong>und</strong> 350 <strong>Aus</strong>bildungsberufen<br />
ein großer Teil der <strong>Aus</strong>zubildenden in<br />
der Untersuchungsregion nur in einigen<br />
wenigen Berufen ausgebildet wird, wobei<br />
die zehn am stärksten besetzten <strong>Aus</strong>bildungsberufe<br />
zusammengenommen etwa<br />
ein Drittel aller neu abgeschlossenen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsverträge ausmachen.<br />
Gleichwohl war bei den männlichen Jugendlichen<br />
die Mehrzahl der Berufe dem<br />
gewerblich-technischen Bereich <strong>und</strong><br />
dem Handwerk zuzuordnen, bei den<br />
46 Dies gilt sowohl für das Angebot an <strong>Aus</strong>bildungsplätzen,<br />
das stärker mit der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
als mit der Zahl der auf den <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />
drängenden Jugendlichen kovariiert, aber<br />
auch für die Nachfrage, die bei gegebenen Opportunitäten<br />
flexibel reagiert <strong>und</strong> auf Alternativen ausweicht.<br />
47 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
48 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
49 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
50 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
278<br />
Frauen überwogen kaufmännische Berufe.<br />
51<br />
• in wirtschaftlich angespannten Zeiten<br />
vollzeitschulische Bildungsgänge mit<br />
niedrigschwelligen Qualifizierungsangeboten<br />
stark zugenommen haben. In der<br />
Folge verschwimmt der früher altersmäßig<br />
noch relativ klar abgegrenzte Übergang<br />
an der ersten Schwelle zunehmend<br />
durch „Maßnahmekarrieren“, zu denen<br />
auch die von der Arbeitsagentur angebotenen<br />
Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen<br />
gezählt werden können. 52<br />
• Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler wissen, dass<br />
ihre Chancen auf dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt<br />
ungünstig sind 53 , trotzdem freuen sie<br />
sich überwiegend darauf, durch das Erlernen<br />
eines Berufes <strong>und</strong> den Eintritt ins<br />
Berufsleben ihr Leben selbstständig zu<br />
gestalten. 54<br />
• nur eine Minderheit von Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schülern sich nach dem Abschluss<br />
der allgemein bildenden Schule in einer<br />
Berufsausbildung sieht, die Masse gibt<br />
an, weiter zu Schule zu gehen bzw. existiert<br />
eine große Gruppe, die zum Zeitpunkt<br />
der Befragung diesbezüglich noch<br />
keine Angaben machen kann. 55<br />
• aus Sicht der Jugendlichen ein weiterer<br />
Schulbesuch 56 nur die zweite Wahl darstellt,<br />
zu der sie sich, auf Gr<strong>und</strong> der als<br />
gering eingeschätzten <strong>Aus</strong>bildungschancen,<br />
gezwungen sehen. 57<br />
• 50% der Hauptschülerinnen <strong>und</strong> -schüler<br />
sowie 30% der Gesamt- <strong>und</strong> 27% der<br />
Realschüler, die angeben weiter zur<br />
Schule zu gehen, lieber eine Berufsausbildung<br />
absolvieren würden. 58<br />
• für viele Jugendliche eine Schulausbildung<br />
nach dem Abschluss der 10. Klasse<br />
an Haupt-, Real- <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />
51 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
52 Vgl. hierzu Stender, Axel Teil A in diesem Band.<br />
53 im Durchschnitt der Befragten ergibt sich das Bild<br />
eines stark gedämpften Optimismus.<br />
54 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
55 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
56 Hier insbesondere das Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr <strong>und</strong><br />
einjährige Berufsfachschulen.<br />
57 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
58 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band
subjektiv den Charakter einer der Situation<br />
geschuldeten Warteschleife hat. 59<br />
• knapp dreiviertel der Befragten, die davon<br />
ausgehen nach der Schule eine<br />
<strong>Aus</strong>bildung zu absolvieren, eine betriebliche<br />
<strong>Aus</strong>bildung anstreben. 60<br />
• entsprechende <strong>Aus</strong>bildungsangebote,<br />
wenn sie bestehen, auch angenommen<br />
werden <strong>und</strong> dazu beitragen können, bestehende<br />
Lehrstellenlücken zu schließen.<br />
61<br />
• Schülerinnen seltener als ihre männlichen<br />
Mitschüler eine <strong>Aus</strong>bildung im dualen<br />
System anstreben. Gleichzeitig informieren<br />
sie sich breiter als ihre Klassenkameraden.<br />
62<br />
• Befragte mit schlechteren Chancen auf<br />
dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt deutlich pessimistischer<br />
in die Zukunft blicken als Jugendliche<br />
die aus Familien mit hohem<br />
Bildungsniveau stammen, keinen Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
aufweisen, männlich<br />
sind, die Realschule besuchen <strong>und</strong> gute<br />
Schulnoten zeigen. 63<br />
• die befragten Jugendlichen knapp zwölf<br />
unterschiedliche Informationsquellen im<br />
Verlauf des Berufsorientierungsprozesses<br />
nutzen 64 . 65<br />
• für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf der<br />
einen Seite insbesondere Primärerfahrungen<br />
in Form von Betriebspraktika<br />
wichtig <strong>und</strong> subjektiv hilfreich sind. Auf<br />
der anderen Seite wird ausdrücklich<br />
auch in Beratungsangeboten 66 , bei denen<br />
die Jugendlichen in ihrer Individualität<br />
wahrgenommen werden <strong>und</strong> in einer<br />
interaktiven Gesprächsituation ihre indi-<br />
59 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
60 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
61 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
62 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
63 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
64 Fast alle Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben die in<br />
den Curricula verankerten <strong>und</strong> daher obligatorischen<br />
Betriebspraktika <strong>und</strong> Besuche des Berufsinformationszentrums<br />
genutzt. Unter den zehn am<br />
häufigsten genutzten Informationsquellen finden<br />
sich darüber hinaus weitere schriftliche bzw. internetbasierte<br />
Informationsangebote der Arbeitsagenturen,<br />
sowie der Presse, beide Elternteile <strong>und</strong><br />
Fre<strong>und</strong>e/Bekannte.<br />
65 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
66 Hierzu zählen neben Gesprächen mit Eltern, Geschwistern,<br />
Verwandten auch die Berufsberatung<br />
<strong>und</strong> das Gespräch mit Lehrern.<br />
279<br />
viduellen Interessen <strong>und</strong> Ziele konkretisieren<br />
können, einen konkreter Nutzen<br />
gesehen. 67<br />
• das Informationsverhalten u. a. von Faktoren,<br />
wie der Einstellung zur Schule <strong>und</strong><br />
der Lesepraxis positiv beeinflusst wird,<br />
wohingegen das Bildungsniveau der Eltern<br />
keinen signifikanten Effekt hierauf<br />
mehr hat. 68<br />
• für den Prozess der Berufsorientierung<br />
sprachliche Kompetenzen, speziell die<br />
Lesekompetenz, von besonderer Bedeutung<br />
sind. 69<br />
• die Zahl der durchschnittlich von den<br />
Befragten einer Schule genutzten Informationsquellen<br />
zwischen 9,7 <strong>und</strong> 13,2<br />
variiert, was als ein Hinweis auf ungenutzte<br />
Potenziale in den Schulen gewertet<br />
werden kann <strong>und</strong> vermuten lässt,<br />
dass das Angebot teilweise noch verbesserungsfähig<br />
ist. 70<br />
• die Jugendlichen über die inhaltliche<br />
Dimension 71 der von ihnen in die engere<br />
Wahl genommenen Berufe besser informiert<br />
sind, als über Aspekte die die<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten in der Region<br />
oder die Sicherheit der beruflichen Zukunft<br />
betreffen. 72<br />
• sich Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
häufiger als ihre deutschen Mitschüler<br />
nur unzureichend informiert sehen<br />
73 . 74<br />
• zwischen den einzelnen Schulen bezüglich<br />
verschiedener für die Berufswahl relevanter<br />
Bereiche 75 , beträchtliche Unterschiede<br />
bestehen bzw. diese von den<br />
Jugendlichen gesehen werden. 76<br />
67<br />
Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
68<br />
Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
69<br />
Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
70<br />
Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
71<br />
<strong>Berufliche</strong> Tätigkeiten, Anforderungen <strong>und</strong> formale<br />
Voraussetzungen.<br />
72<br />
Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
73<br />
Über die Tätigkeiten in den sie interessierenden<br />
Berufen, deren Eingangsvoraussetzungen <strong>und</strong><br />
geistigen Anforderungen, die regionalen <strong>Aus</strong>bildungsmöglichkeiten<br />
sowie die Zukunftsperspektiven<br />
der Berufe.<br />
74<br />
Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
75<br />
Berufswahl, Bewerbungen, Eignungstests <strong>und</strong><br />
Vorstellungsgespräche.<br />
76<br />
Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band
• die Jugendlichen im Schnitt mit der Vorbereitung<br />
auf die Anforderungen, hinsichtlich<br />
Einstellungstests <strong>und</strong> Vorstellungsgespräche<br />
deutlich weniger zufrieden<br />
sind, als mit dem in den Lehrplänen<br />
stärker verankerten Erlernen des<br />
Schreibens einer schriftlichen Bewerbung.<br />
77<br />
• aus Sicht der Befragten engagierten<br />
Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern, von denen die<br />
Jugendlichen im Prozess der Berufsorientierung<br />
Unterstützung erfahren, eine<br />
besondere Bedeutung zufällt <strong>und</strong> diese<br />
die schulische Berufsorientierung signifikant<br />
beeinflusst. 78<br />
• von den Experten die Kompetenzen im<br />
Bereich „Bewerbung“ insgesamt spärlich<br />
bewertet werden. 79<br />
• der Förderung des Dialogs zwischen<br />
Schule <strong>und</strong> Wirtschaft eine besondere<br />
Bedeutung im Rahmen des Berufsorienterungsprozess<br />
zukommt. 80<br />
• die praktizierte berufliche Orientierung<br />
überwiegend als defizitär <strong>und</strong> mangelhaft<br />
bezeichnet wird. Praktika 81 seien jedoch<br />
sehr hilfreich. Werden diese richtig<br />
ausgewählt, kontrolliert <strong>und</strong> ausgewertet<br />
unterstützen sie den Prozess der beruflichen<br />
Orientierung <strong>und</strong> helfen den Jugendlichen<br />
ihre Eignung für einen bestimmten<br />
Beruf festzustellen. 82<br />
• lt. der Interviews nur die intensive Zusammenarbeit<br />
zwischen Unternehmen<br />
<strong>und</strong> allgemein bildenden Schulen dazu<br />
beitragen kann gegenseitige Vorurteile<br />
abzubauen. 83<br />
• der Übergang Schule-Beruf im Rahmen<br />
des beruflichen Orientierungsprozesses<br />
insgesamt durch eine intensive Einbe-<br />
77 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
78 Vgl. hierzu Birkelbach, Klaus Teil B in diesem Band<br />
79 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
80 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
81 Durch Praktika werden Erfahrungen gemacht, die in<br />
keiner theoretischen schulischen Erörterung zum<br />
Thema Berufswahl gemacht werden können. Auch<br />
bringt ein Praktikum in der Regel Erfolgserlebnisse<br />
mit sich wodurch das Selbstwertgefühl der Jugendlichen<br />
steigt. Berufsorientierung wird auf diesem<br />
Wege in die Lebenswelt der Schüler transferiert.<br />
Diesbezüglich sollte der Anteil der Praktika erhöht<br />
werden zumal durch sie auch Schlüsselqualifikationen<br />
erfahren, gelebt <strong>und</strong> erworben werden.<br />
82 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
83 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
280<br />
ziehung aller am Prozess Beteiligten 84<br />
verbessert werden muss. Die Zusammenarbeit<br />
mit Unternehmen vor Ort sollte<br />
deutlich intensiviert werden, wobei<br />
sich Praktikumsplätze dabei als probates<br />
Mittel erwiesen haben, die berufliche Orientierung<br />
der Jugendlichen erheblich<br />
zu fördern 85 . 86<br />
• der Prozess der <strong>Berufliche</strong>n Orientierung<br />
sich wieder am Beruf, im übertragenen<br />
Sinne auch an einer „Berufung“ ausrichten<br />
sollte 87 da die vorherrschende Idealisierung<br />
von Berufsbildern bei den Jugendlichen<br />
häufig nichts mit der Realität<br />
gemeinsam hat. 88<br />
• insbesondere Klein- <strong>und</strong> Mittelbetriebe in<br />
der Region dazu übergehen, persönliche<br />
Voraussetzungen der Jugendlichen<br />
schulischen Leistungen vorzuziehen. 89<br />
Motivation, Durchhaltevermögen <strong>und</strong> der<br />
Willen, eine <strong>Aus</strong>bildung erfolgreich abzuschließen<br />
stehen in der Erwartung der<br />
Betriebe höher, so dass sich schulische<br />
Defizite – bei entsprechender Betreuung<br />
– in der Regel im Verlauf einer <strong>Aus</strong>bildung<br />
aufarbeiten lassen können. 90<br />
• leistungsschwache Jugendliche häufig<br />
den Anforderungen, die an eine <strong>Aus</strong>bildung<br />
gestellt werden, nicht mehr gewachsen<br />
sind. 91<br />
• <strong>Aus</strong>bildungsplatzpotenziale bei „traditionellen“<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Unternehmen<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong> 92 gesehen<br />
werden. 93<br />
84 Hierzu zählt auch eine gute informelle Zusammenarbeit<br />
mit der Berufsberatung, im Sinne eines Paradigmenwechsels<br />
von der Maßnahme- zur Personenorientierung.<br />
85 Verbesserungswürdig bleibt die Qualität der Praktikumszeit<br />
(Vorbereitung, Begleitung, Nachbereitung<br />
im Dialog zwischen Jugendlichem – Schule – Betrieb<br />
<strong>und</strong> nicht zu vergessen auch den Eltern).<br />
86 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
87 Die Identifizierung mit dem zu erlernenden Beruf<br />
<strong>und</strong> damit auch mit dem Berufsstand ist eine notwendige<br />
Voraussetzung, langfristig im Berufsleben<br />
Fuß zu fassen.<br />
88 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
89 Zumal diese aus den Abgangszeugnissen der allgemein<br />
bildenden Schulen häufig nicht zu erkennen<br />
sind.<br />
90 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
91 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
92 Dabei wurde darauf verwiesen, dass diese Betriebe<br />
die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter nicht nur arbei-
• von der aktuell negativen <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation<br />
vornehmlich Jugendliche<br />
ohne Schulabschluss, ohne formale<br />
Qualifizierung bzw. in zweiter Linie mit<br />
Hauptschulabschluss betroffen sind. Zudem<br />
stehe momentan ein Verdrängungswettbewerb<br />
94 im Vordergr<strong>und</strong>, der<br />
sich auch dahingehend äußere, dass<br />
sich dieser verstärkt auch im Bereich der<br />
Berufsvorbereitung fortsetzt. 95<br />
• zwar vor allem „Benachteilitge“ die <strong>Aus</strong>wirkungen<br />
der <strong>Aus</strong>bildungsplatzentwicklung<br />
zu spüren bekommen, hier jedoch<br />
eine feste Personengruppe nicht mehr<br />
klar zu bestimmen ist. Langfristig wird<br />
diese Situation vielmehr auch gesellschaftliche<br />
Konsequenzen haben. 96<br />
• ein unzureichendes Marketing für eher<br />
„unattraktive“ <strong>und</strong> unbekannte Berufe<br />
bemängelt wurde. Mädchen seien hier<br />
die Verlierer, da sie sich immer noch zu<br />
stark auf traditionelle Mädchenberufe<br />
konzentrieren. 97<br />
• betrachtet man den Übergang an der<br />
zweiten Schwelle, das unternehmerische<br />
Interesse überwiegend bei Jugendlichen<br />
liegt, die eine qualitativ hochwertige<br />
<strong>Aus</strong>bildung absolviert haben. 98<br />
• berufsvorbereitende Maßnahmen in ihrer<br />
aktuellen Konzeption 99 keine realen Bildungschancen<br />
darstellen, sondern Warteschleifen.<br />
100<br />
• das EQJ keine wirkliche Perspektive 101<br />
für Schulabgänger darstellt. Diese Perspektive<br />
würde nach Ansicht eines Experten<br />
nur bestehen, wenn es in ein Kooperationsmodell<br />
eingegliedert wäre. 102<br />
ten lassen, sondern ihnen auch einen Abschluss<br />
ermöglichen sollen.<br />
93 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
94 Nicht nur zwischen Abiturienten, Real-, <strong>und</strong> Hauptschülern,<br />
sondern insgesamt zwischen Benachteiligten<br />
mit <strong>und</strong> ohne Schulabschluss.<br />
95 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
96 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
97 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
98 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
99 Die Maßnahmereform an sich sei noch erheblich<br />
verbesserungswürdig.<br />
100 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
101 Letztendlich läuft es beim EQJ auf eine Lehrzeitverlängerung<br />
raus, da die Jugendlichen im EQJ<br />
meist ein hohes Bildungsniveau haben <strong>und</strong> im Anschluss<br />
im dualen System unterkommen.<br />
102 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
281<br />
• es viele gute Projekte 103 im Bereich der<br />
beruflichen Orientierung gibt, diese jedoch<br />
– da es sich häufig leider nur um<br />
Pilotprojekte handelt – meist nicht fortgesetzt<br />
werden. 104<br />
• Fördermittel für nachhaltige, übertragbare<br />
<strong>und</strong> gut konzipierte Maßnahmen eingesetzt<br />
werden sollten, die über eine<br />
enge Anbindung an den regionalen Arbeitsmarkt<br />
verfügen. 105<br />
• die Förderung der Berufsausbildung in<br />
der Schule früher als bisher beginnen<br />
umfangreicher gestaltet werden muss.<br />
Eine frühkindliche Förderung sei hier erstrebenswert,<br />
insbesondere insofern als<br />
dass der von der Schule vermittelte berufsorientierende<br />
Unterricht sich nicht an<br />
den aktuellen Arbeitsmarktbedingungen<br />
orientiert. 106<br />
• die negative Einschätzung der Jugendlichen<br />
bezüglich ihrer Chancen auf dem<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt mit einer Perspektivlosigkeit<br />
gekoppelt ist. Dies drückt sich in<br />
der Folge in einem mangelnden Interesse<br />
aus bzw. hat demotivierende <strong>Aus</strong>wirkungen<br />
107 auch auf Fachqualifikationen.<br />
108<br />
• die ungenügende Abstimmung einzelner<br />
Angebote zur beruflichen Orientierung,<br />
die zurzeit nur nebeneinander herlaufen,<br />
bemängelt wurde 109 . 110<br />
• Kooperationen <strong>und</strong> Netzwerke positiv<br />
angesehen werden wenn sie bestimmte<br />
Voraussetzungen 111 erfüllen <strong>und</strong> die<br />
103 Dabei gibt es nach Ansicht der Befragten immer<br />
noch zu wenig praktische Angebote für Jugendliche.<br />
104 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
105 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
106 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
107 Diese Darstellung der Chancenlosigkeit führt bei<br />
den Jugendlichen zu der Angst etwas Neues bzw.<br />
Fremdes zu beginnen.<br />
108 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
109 Dabei würde nach Ansicht einiger Interviewpartner<br />
eine Steigerung der Transparenz nicht genügen,<br />
vielmehr bedarf es „Personen“, die die Struktur<br />
durchschauen <strong>und</strong> den Jugendlichen in seiner Berufwahl<br />
unterstützen, d.h. ihm helfen sich in dem<br />
„Dschungel“ zurechtzufinden <strong>und</strong> das den Bedürfnissen<br />
des einzelnen Jugendlichen entsprechende<br />
Angebot zu finden <strong>und</strong> zu nutzen.<br />
110 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
111 1. muss ein Akteur das Netzwerk bzw. die Kooperation<br />
initiieren <strong>und</strong> damit Zeit investieren. 2. sollte<br />
jeder Kooperationspartner von der Kooperation /
Probleme der Berufswahl <strong>und</strong> der <strong>Aus</strong>bildung<br />
nicht isoliert betrachten. 112<br />
• insgesamt die Öffnung von bisher getrennt<br />
voneinander agierenden Institutionen<br />
bzw. Strukturen (Schule, Wirtschaft,<br />
Kammern) hin zu mehr gemeinsamer<br />
Arbeit im Sinne der Zielgruppe gefordert<br />
wird sowie die Verankerung eines gemeinsamen<br />
Vorgehens durch Weisungen<br />
bzw. Vorgaben der Politik. 113<br />
dem Netzwerk profitieren 3. muss die Konstanz der<br />
Kooperationsbeziehung gewährleistet werden.<br />
112 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
113 Vgl. hierzu Goertz, Bianca Teil C in diesem Band.<br />
282
3.2 Regionalspezifisches Konzept zur Berufsorientierung<br />
Die dargestellten Ergebnisse indizieren bereits eine Vielfalt an Verbesserungsvorschlägen.<br />
Berufswahlorientierende Maßnahmen lassen sich dabei auf verschiedenen Ebenen identifizieren.<br />
Für die Entwicklung eines regionalspezifischen Konzeptes zur Beruforientierung ist<br />
jedoch bestimmend, dass der Prozess der beruflichen Orientierung nicht linear verläuft, sondern<br />
dass die Erfahrungen mit dem <strong>Aus</strong>bildungsmarkt <strong>und</strong> die Wissensbestände über bestehende<br />
Optionen, die im Prozessverlauf gesammelt werden, zu einer kontinuierlichen Neubewertung<br />
der eigenen Situation führen <strong>und</strong> zur Revision von früher getroffenen Entscheidungen<br />
beitragen können. Jugendliche antizipieren ihre geringen <strong>Aus</strong>bildungschancen <strong>und</strong><br />
bewerben sich kaum noch für <strong>Aus</strong>bildungsstellen im Dualen System. Gleichzeitig verschlechtert<br />
der <strong>Aus</strong>bildungsmarkt sich zunehmend, <strong>Aus</strong>bildungsstellen werden nur noch in wenigen<br />
Bereichen „en masse“ angeboten. Zugleich fühlen sich Lehrkräfte mit der beruflichen Orientierung<br />
an Schulen überfordert. Der Anspruch an so genannte „Beratungslehrer“ wächst,<br />
zumal auch die Berufsberatung der Arbeitsagenturen nicht mehr so angenommen wird wie<br />
früher. Auch fehlte es an einer Verzahnung der einzelnen Stellen untereinander <strong>und</strong> allen<br />
voran an der Vermittlung regionaler Kenntnisse zum <strong>Aus</strong>bildungsmarkt sowie in der Weiterführung<br />
auch zum Arbeitsmarkt 114 .<br />
Das im Folgenden vorgestellte Konzept will insofern im Rahmen eines Konglomerat, das die<br />
Schaffung einer regional abgestimmten beruflichen Orientierung unter vorheriger Bedarfsplanung<br />
mit einem Höchstmaß an Transparenz für die Jugendlichen ermöglicht <strong>und</strong> damit zu<br />
einer qualitativen Verbesserung führt, indem es den Informationsaustausch der Akteure fordert<br />
<strong>und</strong> fördert <strong>und</strong> damit Parallelstrukturen vermeidet, einem Paradigmenwechsel über<br />
eine strukturierte <strong>und</strong> frühzeitige Berufsorientierung folgen, damit Jugendliche wieder Integration<br />
erfahren <strong>und</strong> Vertrauen in sich <strong>und</strong> die Arbeitswelt aufbauen. Neben einer beobachtbaren<br />
Diffusion der Zuständigkeiten <strong>und</strong> Aktionen der Akteure in diesem Feld wird es für die<br />
Jugendlichen selbst immer schwieriger, aus der Menge der ihnen zur Verfügung stehenden<br />
Informationen die Angebote auszuwählen, die über ihre individuelle Berufs- <strong>und</strong> Lebensbiographie<br />
entscheiden. <strong>Berufliche</strong> Orientierung für Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler kann dementsprechend<br />
nicht ausschließlich auf Schulnoten, sondern auf den Stärken <strong>und</strong> Interessen der<br />
Jugendlichen basieren, wobei diese hinsichtlich der Realisierungschancen auf dem regionalen<br />
<strong>Aus</strong>bildungsmarkt im Laufe des Prozesses auch extern immer wieder überprüft werden<br />
sollten.<br />
Auf der Basis der Ergebnisse wurde dahingehend eine Berufsorientierungsstelle Nieder-<br />
Rhein (BOS NiederRhein) konzipiert die, im Sinne der Systematisierung <strong>und</strong> Verbesserung<br />
114 Vergleicht man den Indikator Schulabsolventen ohne Schulabschlüsse so zeigt sich das erhöhte Arbeitslosigkeitsrisiko<br />
für Erwerbspersonen ohne Schulabschluss bzw. mit niedriger Qualifikation.<br />
283
des Berufsorientierungsprozesses, allgemein bildende Schulen (hier möglichst schon ab<br />
Klasse 5) in der Region unterstützen soll. Ein regionalspezifisches Konzept zur <strong>Berufliche</strong>n<br />
Orientierung muss dabei, den im Projekt gemachten Erfahrungen folgend, auf einer regionalen<br />
Bewertung <strong>und</strong> Begleitung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler aufbauen, d.h. im Vordergr<strong>und</strong><br />
stehen die Stärken <strong>und</strong> Interessen die der einzelne Jugendliche für einen Beruf mitbringt,<br />
weniger seine schulischen Leistungen.<br />
Gefragt ist dabei eine Konzentration <strong>und</strong> effektive Koordination neuer sowie bereits existierender<br />
Aktivitäten im Rahmen des Berufsorientierungsprozesses von Schulen, Unternehmen,<br />
Berufsberatung der Agenturen, Kammern <strong>und</strong> auch Bildungsträgern. Im Zentrum der<br />
BOS NiederRhein steht dabei der Jugendliche selbst, dem ein individueller, professioneller<br />
<strong>und</strong> auch konsequenter Prozess der beruflichen Orientierung angeboten wird. Folglich ergibt<br />
sich gleichsam auch eine Betreuung durch die Jugendberufshilfe <strong>und</strong>/oder eine sozialpädagogische<br />
Betreuung sowie die stärke Einbindung von Eltern, Berufskollegs oder auch<br />
Migrantenorganisationen <strong>und</strong> weitere dem Jugendlichen zur Hilfe stehende Institutionen. Die<br />
BOS NiederRhein dient dabei den an der Berufsorientierung beteiligten Akteuren als regionaler<br />
Scout.<br />
In einem ersten Schritt geht es daher zunächst um die Charakterisierung der Stärken <strong>und</strong><br />
Vorlieben der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, um die Messung von Kompetenzen die bisher nicht<br />
schulisch erfasst werden. Dazu können je nach Jahrgangsstufe Orientierungsbausteine 115 ,<br />
der Berufswahlpass 116 <strong>und</strong>/oder Kompetenzchecks 117 eingesetzt werden. Im Vordergr<strong>und</strong><br />
steht dabei nicht die Vermittlung, sondern die spezifische <strong>Aus</strong>richtung einer Orientierung am<br />
regionalen <strong>Aus</strong>bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt. Die jeweiligen Instrumente werden dabei im engen<br />
<strong>Aus</strong>tausch mit den Lehrkräften <strong>und</strong> der BOS NiederRhein eingesetzt, so dass eine begleitende<br />
Betreuung der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler stattfindet.<br />
115 Im Projekt Berufsstart in Thüringen absolvieren die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in einem Jahr zunächst zwei<br />
Orientierungsbausteine bei einem Bildungsträger. Dabei werden sie mit den unterschiedlichen Anforderungen<br />
eines Berufsfeldes vertraut gemacht. Der folgende Orientierungsbaustein bietet ihnen dann die Möglichkeit, die<br />
gesammelten Informationen über ein Berufsfeld zu vertiefen oder ein weiteres Berufsfeld kennen zulernen. Im<br />
nächsten Jahr wird dann in einem Zeitraum von einmal 10 Tagen oder zweimal 5 Tagen ein weiterer betrieblicher<br />
Orientierungsbaustein absolviert. Dieser Baustein bietet den Jugendlichen dann auch die Möglichkeit,<br />
sich durch Leistungsbereitschaft <strong>und</strong> praktische Fähigkeiten für eine Übernahme in ein <strong>Aus</strong>bildungsverhältnis<br />
zu empfehlen. (vgl. Bildungs- <strong>und</strong> Technologiezentrum Rohr-Kloster der Handwerkskammer Südthüringen<br />
2004).<br />
116 Der Berufswahlpass ist ein Instrument zur Förderung der Selbstverantwortung <strong>und</strong> der individuellen Lernplanung.<br />
Er dient im Rahmen der Berufsorientierung der Dokumentation von Projekten <strong>und</strong> Maßnahmen (Praktika,<br />
Unterrichtsprojekte, schulische <strong>und</strong> außerschulische Veranstaltungen oder auch Angaben zu besonderen<br />
Lernleistungen) sowie in diesem Sinne auch der Unterstützung des beruflichen Entscheidungsprozesses der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. Gleichzeitig kann er zur Initiierung von <strong>Aus</strong>einandersetzungs- <strong>und</strong> Gesprächsanlässen<br />
über den Verlauf des Berufswahlprozesses beitragen. Schulen kann er dabei unterstützen, ihr Berufsorientierungscurriculum<br />
zu formulieren <strong>und</strong> zu präzisieren. (vgl. URL: http://www.berufswahlpass.de).<br />
117 Kompetenzchecks dienen der Ermittlung sozialer, personaler <strong>und</strong> methodischer Kompetenzen, sowie berufsfeldbezogener<br />
Kompetenzen. Sie ermöglichen die Erweiterung des persönlichen Wissensspektrums der Jugendlichen<br />
in Bezug auf einen Beruf oder mehrere Berufsfelder, in denen berufsfachliche Kompetenzen ermittelt<br />
wurden. Die geschlechtsspezifische Orientierung soll dabei möglichst durch Beratung <strong>und</strong> Informationsvermittlung<br />
erweitert werden (vgl. Ministerium für Arbeit Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales des Landes NRW 2006a).<br />
284
Auf den Ergebnissen dieser Instrumente aufbauend geht es im Folgenden um die berufsorientierende<br />
Beratung der Jugendlichen durch entsprechende Beratungslehrerinnen <strong>und</strong> -<br />
lehrer an den Schulen (sinnvoll wäre die Einrichtung solcher Beratungsstellen an jeder Schule,<br />
vorstellbar ist aber auch die Einrichtung einer Beratungslehrerstelle für kleinere Schulen<br />
„im Pool“), die Berufberatung der Arbeitsagenturen <strong>und</strong> geschulte Berater in der BOS NiederRhein.<br />
Es erfolgt eine intensive Betreuung der Jugendlichen durch die Personen die den<br />
Jugendlichen, nach den Ergebnissen der Schülerinnen- <strong>und</strong> Schülerbefragung, den meisten<br />
Nutzen bringen. Anbieten würde sich, in besonderen Fällen, zur Intensivierung der Beratung,<br />
auch die Einbindung ehrenamtlicher Berufswahlpaten, die die Jugendlichen über den gesamten<br />
Prozess begleiten.<br />
In ihrer Funktion als regionaler Scout ist die BOS NiederRhein in diesem Rahmen auch für<br />
die Weitergabe von gesammelten Informationen 118 , die Bereitstellung von Materialien <strong>und</strong><br />
Angeboten (z.B. spezifische Angebote für Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>) sowie die<br />
Durchführung von Informationsveranstaltungen (in Schulen, Unternehmen, auf Elternkreisen<br />
oder sonstigen Veranstaltungen) zuständig. Gleichzeitig agiert sie in diesem Sinne als Anlaufstelle,<br />
an der die entsprechenden Informationen jederzeit abgerufen werden können, die<br />
Kenntnisse über verschiedenste Initiativen in der Region werden an einer Stelle gebündelt.<br />
In einem dritten Feld bemüht sich die BOS NiederRhein um die Akquirierung von Praktikumsplätzen,<br />
die im Laufenden in eine Praktikumsbörse einfließen <strong>und</strong> auf die alle Schulen<br />
<strong>und</strong> Bildungsträger in der Region Zugriff haben. Dabei sollen zum einen die Jugendlichen<br />
verstärkt in die Selbstverantwortung genommen werden; die Praktikumsaufnahme nach dem<br />
Motto „Praktikum in Betrieben, in denen die Eltern oder wahlweise Bekannte arbeiten“ soll<br />
vermieden werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Praktikumsplätze nicht aufgenommen<br />
<strong>und</strong> vermittelt werden. Nur sollte die Aufnahme eines Praktikums gezielt nach Berufswunsch<br />
<strong>und</strong> nicht nach dem „wenig Aufwandprinzip“ erfolgen. Diesbezüglich sollen auch<br />
die Eltern zur Stärkung der Motivation bei der Suche nach Praktikumsplätzen intensiver mit<br />
einbezogen werden. Gleichzeitig trifft die BOS NiederRhein für die Betriebe, auf Wunsch, die<br />
Vorauswahl der Praktikanten. Kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen sehen sich meist nicht in der<br />
Lage, die <strong>Aus</strong>wahl <strong>und</strong> Vergabe von Praktikumsplätzen intern zu meistern. In der BOS NiederRhein<br />
können auf Wunsch, Schülerprofile <strong>und</strong> Unternehmensanforderungen erfasst <strong>und</strong><br />
miteinander abgeglichen werden. Parallel hierzu werden ferner die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
sowie die Betriebe bei Problemlagen während des Praktikums unterstützt. Die Akzeptanz<br />
seitens der Unternehmen wird hierbei durch die einmalige Ansprache erhöht bzw. erweist es<br />
sich in diesem Rahmen von Vorteil, dass die Unternehmen nicht mehr „von allen Seiten“ angesprochen<br />
werden, sondern hier mit der BOS NiederRhein explizit über einen Ansprech-<br />
118<br />
Hierzu zählen insbesondere auch die Ergebnisse der im Folgenden noch ergänzend beschrieben Unterstützungsstrukturen<br />
der BOS NiederRhein.<br />
285
partner verfügen. Gleichzeitig ist es für die Unternehmen von Vorteil ihre „späteren <strong>Aus</strong>zubildenden“<br />
schon frühzeitig kennen zu lernen. Es besteht die Möglichkeit über einen längeren<br />
Zeitraum ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen.<br />
Mit Blick auf die Bildungsträger in der Region <strong>und</strong> die Weiterführung der Einstiegsqualifizierung<br />
Jugendlicher (EQJ) wäre auch eine <strong>Aus</strong>weitung der Praktikumsaktivitäten auf diesen<br />
Bereich denkbar.<br />
Den Kern der BOS NiederRhein bildet ein Monitoringinstrument 119 , in dem alle Profile der<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sowie die im Prozess durchlaufenen Stationen, Erfahrungen <strong>und</strong><br />
Ergebnisse etc. erfasst, dokumentiert <strong>und</strong> jederzeit zurückgespiegelt werden können. Durch<br />
den Einsatz dieses individuellen Schülerinnen- <strong>und</strong> Schülermonitors wird der/die Einzelne im<br />
gesamten Prozessverlauf fachlich unterstützt <strong>und</strong> konsistent betreut. Die an der Berufswahl<br />
beteiligten Akteure haben, kennwortgeschützt <strong>und</strong> in Absprache, jeweils Zugriff auf die entsprechenden<br />
Daten. Für den einzelnen Jugendlichen schafft die hierdurch hergestellte<br />
Transparenz des beruflichen Orientierungsprozess Strukturen, an die er/sie sich halten kann.<br />
Die Flucht von dem „Fremden“, der Rückzug, ist nicht mehr so einfach möglich. Vielmehr<br />
wird dem Jugendlichen hiermit ein individueller Bildungsmonitor an die Hand gegeben, der<br />
seine Aktivitäten <strong>und</strong> außerschulischen Kompetenzen dokumentiert <strong>und</strong> in diesem Sinne als<br />
Bescheinigung dient.<br />
Die BOS NiederRhein forcierend agieren die in diesem Projekt durchgeführten Unterstützungsstrukturen:<br />
sek<strong>und</strong>ärstatistische Analysen des Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Aus</strong>bildungsmarktes, Expertengespräche,<br />
Befragung von Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. Ergänzend hierzu bietet sich<br />
zudem ein regionales <strong>Aus</strong>bildungsmarktmonitoring 120 an. Sie unterstützen – in ihrer Fortführung<br />
– die Qualität der Angebote sowie die Entwicklung gemeinsamer Handlungs- <strong>und</strong> Lösungsstrategien<br />
unter Berücksichtigung regionaler Problemstellungen. Ferner dienen sie der<br />
direkten Evaluation der BOS NiederRhein, indem die Fortschritte dokumentiert werden. Über<br />
den Transfer dieser Unterstützungsstrukturen können gleichfalls Informations- <strong>und</strong> Aufklärungskampagnen<br />
z.B. über die Entwicklung neuer Berufe geleistet werden.<br />
Die BOS NiederRhein bildet, setzt man die avisierten Angebote um, in der Region ein Netzwerk,<br />
an dem alle Fäden des beruflichen Orientierungsprozesses zusammenlaufen. Schulen,<br />
Betriebe, aber auch Behörden <strong>und</strong> die Bildungslandschaft prägende Akteure arbeiten Hand<br />
in Hand. Die BOS NiederRhein unterstützt dabei die beteiligten Partner <strong>und</strong> koordiniert den<br />
Prozess der beruflichen Orientierung, in den alle Akteure eingeb<strong>und</strong>en sind. In der Konsequenz<br />
bedeutet dies, dass Beratung <strong>und</strong> Unterstützung nicht mehr länger isoliert nebenein-<br />
119 Dieses Instrument ist im Vorfeld mit den Schulen <strong>und</strong> Berufsberatungen der Agenturen für Arbeit abzustimmen,<br />
entsprechende Erhebungsbögen sind zu entwickeln.<br />
120 Vgl. hierzu ausführlicher Goertz, Bianca (2005): Regionale Analysen zur Ermittlung des <strong>Aus</strong>bildungsplatzpotenzials:<br />
Chance oder Fiktion? – Das Projekt One-Stop-Agency „PRO AUSBILDUNG“.<br />
286
ander stehen, sondern in der gesamten Region aufeinander aufbauen. Ergänzt durch Beratungsfachkräfte<br />
an den Schulen werden den Jugendlichen frühzeitig alle objektiven (z. B die<br />
Region prägenden) <strong>und</strong> subjektiven Chancen <strong>und</strong> Benachteiligungen, die für die Berufswahl<br />
relevant sind, bewusst. Der Konfliktcharakter der Berufswahl wird aktiv erlebt <strong>und</strong> die diesen<br />
bedingenden subjektiven als auch objektiven sozioökonomischen Faktoren 121 werden erkannt.<br />
Durch rechtzeitige Interventionsmaßnahmen wird zudem die Motivation, den Schulabschluss<br />
zu erreichen, verstärkt. Entscheidungen für eine weitere schulische oder berufliche<br />
Laufbahn werden nachhaltig reflektiert. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler bekommen wieder Mut,<br />
überhaupt in den Bewerbungsprozess für eine <strong>Aus</strong>bildungsstelle im dualen System einzusteigen.<br />
Das F<strong>und</strong>ament für eine erfolgreiche Berufswahl wird geschaffen. Der direkte Zugang<br />
zu einer Praktikumsstelle über die außerschulischen Kompetenzen <strong>und</strong> Vorlieben der<br />
Jugendlichen ermöglicht dabei einen <strong>Aus</strong>weg aus der Defizitorientierung.<br />
Weiterhin stellt die BOS NiederRhein den Transfer von Know-How an die beteiligten Akteure<br />
sicher, wobei sich in diesem Punkt über eine <strong>Aus</strong>weitung der aktuellen Projekthomepage<br />
www.netzwerk-berufsorientierung.de nachdenken ließe. Sie berät <strong>und</strong> unterstützt neben den<br />
Lehrkräften, Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sowie die Eltern <strong>und</strong> akquiriert Betriebe zur Teilnahme<br />
in verschiedenen Bereichen, wobei die bereits laufenden Aktivitäten in der Region z. B.<br />
im Rahmen von ABBEO ausgebaut werden.<br />
Das vorgestellt Konzept einer BOS NiederRhein beruht auf Kooperation. Kooperation, wie<br />
auch immer geartet, benötigt einen institutionellen Rahmen, der sich erstens als Impulsgeber<br />
versteht <strong>und</strong> zweitens für die Arrangierung der Kooperation verantwortlich zeigt. Vorstellbar<br />
wäre diesbezüglich die Einrichtung der BOS NiederRhein in Anlehnung an die Regionalagentur<br />
NiederRhein. Hier besteht, dem vorangegangen Diskurs zur Netzwerkarbeit folgend,<br />
keine Konkurrenzsituation, auch ist kein Interessenkonflikt gegeben. Eine Verankerung dieses<br />
institutionellen Rahmens für ein „Steuerungsorgan“ des beruflichen Orientierungsprozesses<br />
würde hier die Anerkennung <strong>und</strong> die Bereitschaft zur Kooperation aller Akteure genießen,<br />
wobei die politische Unterstützung hierbei nicht außen vor gelassen werden kann.<br />
121 Vgl. Gmelch 2000.<br />
287