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7. Der Histoncode als epigenetisches Signal

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<strong>7.</strong> Chromatinvorlesung: <strong>Der</strong> <strong>Histoncode</strong> <strong>als</strong> <strong>epigenetisches</strong> <strong>Signal</strong> 1<br />

<strong>7.</strong> <strong>Der</strong> <strong>Histoncode</strong> <strong>als</strong> <strong>epigenetisches</strong> <strong>Signal</strong><br />

in dieser Stunde geht es um die molekularen Grundlagen differenzierter Chromatinstrukturen, welche<br />

zugleich epigenetische Markierungen für Transkription, Replikation, Rekombination und Reparatur<br />

darstellen<br />

Def.: Unter einer epigenetischen Markierung versteht man eine kovalente Modifizierung des Chromatins,<br />

nicht der DNA-Sequenz, welche die Transkription oder andere DNA-abhängige Prozesse positiv oder<br />

negativ beeinflusst<br />

meist bestehen diese epigenetischen Markierungen in kovalenten Modifikationen der Histone, welche in<br />

ihrer Vielfalt auch <strong>Histoncode</strong> genannt werden<br />

obwohl die Histon-Modifizierungen schon über 30 Jahre bekannt sind, wurde ihre epigenetische Bedeutung<br />

erst nach den Beschreibungen der ersten Histon-Azetyltransferase 1996 und der ersten Histon-<br />

Methyltransferase im Jahre 2000 deutlich<br />

seitdem steht der <strong>Histoncode</strong> im Zentrum der Chromatinforschung<br />

Aufbau des <strong>Histoncode</strong>s<br />

Histone liegen in und außerhalb von Nukleosomen in vielfältiger Weise kovalent modifiziert vor<br />

bei diesen Modifizierungen handelt es sich vor allen um Phosphorylierungen, Azetylierungen,<br />

Methylierungen, Ubiquitinierungen und ATP-Ribosylierungen<br />

(Überblick über die identifizierten Modifizierungsorte)<br />

Phosphorylierungen (an Serin-, Threonin-, bzw. Tyrosinresten des Proteins) sind bereits bei vielen anderen<br />

Proteinen gefunden worden und spielen eine bedeutende Rolle bei der Regulierung von Enzymaktivitäten<br />

im Falle von H1 gilt: je mehr phosphoryliert, je leichter ist es vom Chromatin lösbar, wogegen die<br />

Phosphorylierung bestimmter Core-Histonvarianten wichtig für die DNA-Doppelstrangbruchreparatur ist<br />

(Liste der histonmodifizierenden Enzymfamilien)<br />

von noch größerer Bedeutung scheinen die Histonazetylierungen (an Lysinresten) zu sein, deren Ausmaß<br />

durch die antagonistischen Enzymfamilien der Histonazetyltransferasen (HAT) und der Histondeacetylasen<br />

(HDAC) reguliert wird<br />

die zuständigen Enzyme sind meist nicht positionsspezifisch<br />

(Millar and Grunstein 2006: Spezifitäten der HATs und HDACs)<br />

Histonmethylierungen (an Lysin- und Argininresten) werden durch Histonmethyltransferasen (HMTasen)<br />

durchgeführt<br />

da die Core-Histone und insbesondere H3 und H4 eine durchschnittliche Verweildauer von vielen Stunden<br />

am Chromatin haben, während die Bindezeiten der meisten Nichthistonproteine in der Größenordnung von<br />

Sekunden oder einigen Minuten gemessen werden, kommt neben der Modifikation auch der<br />

"Demodifikation" eine große Bedeutung bei<br />

im Gegensatz zu Histonazetylierungen sind Lysin-Methylierungen relativ stabil und werden nur unter<br />

bestimmten Bedingungen durch Histondemethylasen (HDMasen) entfernt, während Arginin-Methylierungen<br />

durch Umwandlung des Methyl-Arginins in Citrullin neutralisiert werden können<br />

Träger der Lysin-Histonmethyltransferaseaktivität sind fast ausschließlich SET-Domänen-Proteine, welche<br />

sehr spezifisch ganz bestimmte Lysinpositionen mit bis zu drei Methylresten ausstatten können<br />

(Verschiedene Lysinmethylierungsstufen und die Spezifität ihrer Funktion)<br />

wichtig: je nach Zahl der Methylreste an ein und derselben Position kann die Modifizierung recht<br />

unterschiedliche Funktionen haben<br />

zudem scheint es in dieser Hinsicht auch artspezifische Besonderheiten zu geben, so ist H3K9-<br />

Trimethylierung nur im Euchromatin von Arabidopsis zu finden<br />

(Roudier et al. 2009, Fig.1: Epigenomische Landschaft an einer Eu-/Heterochromatin-Grenze bei<br />

Arabidopsis)<br />

(Roudier et al. 2009, Fig. 3: Verteilung epigenetischer Markierungen in Genen von Arabidopsis und deren<br />

Beziehung zur Genexpression)<br />

Arginin-Methylierungen werden durch eine andere Proteinfamilie katalysiert (Arginin-Methyltransferasen -<br />

PRMTasen), sie bewirken im Allgemeinen Genaktivierung<br />

es sind noch ubiquitin-conjugierenden Enzyme zu nennen, welche durch die Übertragung des Polypeptids


<strong>7.</strong> Chromatinvorlesung: <strong>Der</strong> <strong>Histoncode</strong> <strong>als</strong> <strong>epigenetisches</strong> <strong>Signal</strong> 2<br />

Ubiquitin an HistonH2A/H2B bestimmte Histon-H3-Methylierungen anregen, diese Ubiquitinierung ist<br />

ebenfalls reversibel<br />

Funktion und Dynamik der Codierung<br />

zunächst hat man angenommen, das durch eine ganz bestimmte Modifikation (z.B. die Methylierung des<br />

Lysin 9 in Histon H3) unweigerlich bestimmte Folgen eintreten (im konkreten Fall Heterochromatisierung)<br />

heute weiß man, das es auf die räumlich und zeitlich verteilten Muster verschiedener Modifikationen<br />

ankommt, welche erst in ihrer Summe das Chromatin funktionell determinieren<br />

die im folgenden beschriebenen Azetylierungs- bzw. Methylierungsvorgänge erfolgen an bereits intakten<br />

Nukleosom, <strong>als</strong>o im Chromatin, es gibt jedoch auch Modifikationen, die bereits vor Einbau der Histone im<br />

Cytosol durchgeführt werden<br />

interessanterweise ist das Vorkommen bestimmter Modifikationen innerhalb eines Nukleosoms nicht<br />

selbstkorreliert, d.h. eine Modifikation an einen der H3-Moleküle begünstigt in der Regel nicht die gleiche<br />

Modifikation am anderen H3-Molekül<br />

durch eine Azetylierung der Histone in den Nukleosomen, egal in welcher der möglichen Positionen, wird<br />

grundsätzlich die Ablösung der Nukleosomen und damit die Transkription begünstigt<br />

(Positionen möglicher Azetylierungen)<br />

dabei kann eine Azetylierung die Initiation überhaupt erst ermöglichen, oder eine Azetylierung durch eine an<br />

die RNA-Polymerase gebundene HAT die Elongation der Transkription erleichtern<br />

am Promotoren führt ein- bis dreifache Methylierung vom Lysin 9 (K9) des Histon H3 zur<br />

Heterochromatisierung bzw. zur Stillegung einzelner euchromatischer Gene, dies kann aber durch<br />

Methylierung am Lysin 4 (K4), die Phosphorylierung an S10 bzw. durch die Azetylierung von K9 und K14<br />

gehemmt bzw. verhindert werden<br />

in der Regel sind zur Interpretation der durch „writer“-Enzyme gesetzten Methylierungen „reader“-Moleküle<br />

nötig, welche spezifisch an den modifizierten Histonschwanz binden (H4K20me3 ist eine Ausnahme)<br />

(Initialisierung des pericentromeren <strong>Histoncode</strong>s)<br />

interessant ist, das mit der Anzahl der Methylierungen an einer Position die Stabilität und Wirkung der<br />

Modifizierung steigt<br />

Methylierungen des Lysin 27 am HistonH3 und möglicherweise des Lysin26 von HistonH1, beides<br />

katalysiert von der HMTase E(z) (Ezh2), führen zur Inaktivierung homeotischer Gene und spielen bei der<br />

Aufrechterhaltung des fakultativen Heterochromatins im 2. X-Chromosom weiblicher Säuger eine wichtige<br />

Rolle<br />

(Polycomb-Bindung vor allen durch K27-, dazu begünstigt durch K9-Trimethylierung)<br />

die Chromatinveränderung insgesamt wird über spezifische Interaktionen mit weiteren Proteinen<br />

(Proteinkomplexen) vermittelt, welche durch die Art der Modifizierung bestimmt werden<br />

genomweite CHIP (Chromatin-Immunopräzipitation)-Analysen bei Drosophila zeigten, dass verschiedene<br />

Modifikationen stark miteinander und mit dem Ausmaß der Genaktivität korrelieren<br />

(Schübeler et al. 2004, Fig. 3)<br />

hier wird u.a. deutlich, das die Phosphorylierung von H3S10 nicht zur Genregulation beträgt, sondern bei<br />

der Kondensation der Chromosomen zur Mitose benötigt wird<br />

Genome sind in wenige, stark differenzierte Chromatinzustände aufgeteilt<br />

erst in den letzten Jahren konnten zahlreiche der beschriebenen Histonmodifikationen genomweit in<br />

ausgewählten Modellorganismen untersucht werden<br />

es stellte sich heraus, das<br />

1. die klassische Trennung in Eu- und Heterochromatin Chromatinzustände ungenügend<br />

charakterisiert<br />

2. das die große Vielfalt der Histonmodifikationen vor allen zur eindeutigen Spezifikation von relativ<br />

wenigen (4-5) verschiedenen Chromatinzuständen genutzt wird<br />

insgesamt 12 Chromatinmodifikationen waren z.B. in Arabidopsis wie folgt verteilt:<br />

(Roudier et al. 2011,Fig.1, Genomische Verteilung von Chromatin-Modifikationen)


<strong>7.</strong> Chromatinvorlesung: <strong>Der</strong> <strong>Histoncode</strong> <strong>als</strong> <strong>epigenetisches</strong> <strong>Signal</strong> 3<br />

diese 12 Marker bilden nur 4 charakteristische Chromatinzustände (Chromatindomänen):<br />

(Roudier et al. 2011,Fig.2, 4 dominierende Chromatinzustände in Arabidopsis)<br />

Drosophila hat dagegen einen Chromatinzustand mehr, ansonsten lassen sich die Zustände aufgrund der<br />

spzifischen Markerkombination leicht homologisieren (obwohl einzelne der Marker in ihrer Verteilung<br />

zwischen Pflanzen und Tieren mehr oder weniger divergieren, so H3K9me1, H3K9me3, H3K27me3,<br />

H3K36me3, H3K79me)<br />

(Filion et al. 2010, Fig.3, Genomische Verteilung von Chromatin-Markern in Drosophila)<br />

ähnlich wie der CS4-Chromatinzustand in Arabidopsis, verfügt das „schwarze“ Chromatin scheinbar über<br />

keine spezifischen Marker, ist aber auch zum transkriptionell inaktiven Heterochromatin zu zählen, obwohl<br />

speziell grün das klassische Heterochromatin im engeren Sinne beschreibt<br />

(Filion et al. 2010, Fig.2, Verteilung der Chromatinzustände im Drosophila-Genom)<br />

aus der Größenangabe des Drosophila-Genoms hier ist zu schließen, dass etwa 40% (80Mb) des Genoms<br />

nicht klassifiziert werden konnten<br />

die Aufgabe der eher wenigen Chromatinzustände innerhalb der Genome besteht offenbar darin, den<br />

Zugang zum Genom zu modulieren, <strong>als</strong>o die Interaktion genominterpretierender Proteine zu begünstigen<br />

oder zu erschweren<br />

in den nächsten beiden Stunden geht es um Struktur und Funktion spezieller Funktionseinheiten des<br />

Heterochromatins<br />

wir beginnen mit dem Centromer<br />

Veiko Krauß, 19.5.2011

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