Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland
Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland
Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland
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<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong>
<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong>
2<br />
Inhalt <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Ziel, Schwerpunkt und Aufbau <strong>des</strong> Berichtes<br />
Vorwort: Internationaler Luftverkehrsmarkt (wieder) in der Krise? –<br />
airconomy, Oliver Wyman<br />
Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes<br />
I. Status Quo – DLR<br />
1. Zusammenfassung<br />
2. Ausgangssituation<br />
2.1 Angebots- und Nachfragestruktur als Basis der Betrachtungen<br />
2.2 Marktänderungen durch Liberalisierung<br />
2.3 Markteintrittsbarrieren im Luftverkehrsmarkt<br />
2.4 Strukturierung <strong>des</strong> Luftverkehrs in <strong>Deutschland</strong><br />
2.4.1 Originär- und Umsteigeraufkommen<br />
2.4.2 Fallstudien zu Interkontangeboten von Sekundärflughäfen<br />
3. Wesentliche Akteure <strong>des</strong> Luftverkehrs – Flughäfen, Fluggesellschaften<br />
und Flugsicherungen<br />
3.1 Flughäfen<br />
3.1.1 Passagierverkehr auf globaler und europäischer Ebene<br />
3.1.2 Luftfrachtverkehr auf globaler und europäischer Ebene<br />
3.1.3 Passagierverkehr an deutschen Flughäfen<br />
3.1.4 Luftfrachtverkehr an deutschen Flughäfen<br />
3.1.5 Flüge an deutschen Flughäfen<br />
3.1.6 General Aviation an deutschen Flughäfen<br />
3.1.7 Verkehrskonzentration ausgewählter Regionen<br />
3.2 Fluggesellschaften<br />
3.2.1 Struktur <strong>des</strong> weltweiten Luftverkehrs<br />
3.2.2 Unterschiedliche Geschäftsmodelle von Fluggesellschaften<br />
3.2.2.1 Linien- und Netzwerkfluggesellschaften<br />
3.2.2.2 Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
3.2.2.3 Regionalfluggesellschaften<br />
3.2.2.4 Ferienfluggesellschaften<br />
3.2.3 Allianzen von Fluggesellschaften<br />
3.3 Flugsicherung<br />
3.3.1 Organisation der Flugsicherung in Europa<br />
3.3.1.1 Wirtschaftliche Aspekte der Flugsicherung<br />
3.3.1.2 Pünktlichkeit an deutschen Flughäfen<br />
3.3.2 Weltweite Organisationsformen in der Flugsicherung<br />
3.3.3 Unterschiedliche Flugsicherungssysteme in Europa und den USA<br />
4<br />
6<br />
9<br />
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59
II. Entwicklungen und Trends – ECAD<br />
1. Zusammenfassung<br />
2. Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
2.1 Europa<br />
2.2 Vereinigte Staaten von Amerika<br />
2.3 Asien<br />
2.4 Naher Osten<br />
2.5 Fazit: Rahmenbedingungen im Vergleich<br />
3. Kostenstrukturen der Fluggesellschaften<br />
4. Zukünftige Entwicklungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
4.1 Europa<br />
4.2 Vereinigte Staaten von Amerika<br />
4.3 Asien<br />
4.4 Naher Osten<br />
4.5 Rangfolge der größten Flughäfen der Welt 2006–2020<br />
5. Perspektiven der Flugsicherung<br />
5.1 Europa<br />
5.2 <strong>Deutschland</strong><br />
5.3 Vereinigte Staaten von Amerika<br />
5.4 Asien<br />
5.5 Naher Osten<br />
III. Schlussfolgerungen – airconomy, Oliver Wyman, ECAD<br />
1. Zusammenfassung<br />
2. Organisation Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> heute –<br />
airconomy, Oliver Wyman<br />
2.1 Kriterien der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
2.2 Effizienz <strong>des</strong> Gesamtsystems<br />
2.3 Transfer-Effizienz<br />
2.4 Methodik der Simulation<br />
3. Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort <strong>Deutschland</strong> – ECAD<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen – airconomy, Oliver Wyman<br />
1. Zusammenfassung<br />
2. Starke Position durch hervorragende Vernetzung im deutschen<br />
Luftverkehr halten<br />
3. Gibt es noch einen „deutschen Luftverkehrsmarkt“?<br />
4. Die Hubs in <strong>Deutschland</strong> werden international zunehmend austauschbar<br />
5. Dringend erforderliche Reformen zur Effizienzsteigerung der Nutzung von<br />
Lufträumen in Europa werden nicht umgesetzt<br />
6. Wie föderal können die regulativen Entscheidungsstrukturen im<br />
deutschen Luftverkehr bleiben angesichts einer rapide globalisierenden<br />
Luftverkehrsindustrie?<br />
7. Was zu tun ist<br />
Glossar<br />
Autoren<br />
Impressum<br />
Inhalt<br />
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105<br />
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118<br />
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132<br />
3
4<br />
Ziel, Schwerpunkt und Aufbau <strong>des</strong> Berichtes <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Ziel, Schwerpunkt und Aufbau<br />
<strong>des</strong> Berichtes<br />
European Center for Aviation Development – ECAD GmbH<br />
Ziel und Hintergrund <strong>des</strong> Berichtes<br />
Ziel <strong>des</strong> vorliegenden Berichtes ist eine aktuelle Darstellung<br />
der Wettbewerbssituation <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>. Neben einer Bestandsaufnahme<br />
sollen die wichtigsten Entwicklungen und<br />
Trends aufgezeigt und daraus Schlussfolgerungen zu<br />
den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen<br />
<strong>des</strong> Luftverkehrs gezogen werden. Daraus werden<br />
Handlungsempfehlungen für einen zukunftsfähigen<br />
Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong> abgeleitet.<br />
Die Bedeutung <strong>des</strong> Luftverkehrs für die international<br />
ausgerichtete Wirtschaft und die allgemeinen<br />
Mobilitätsbedürfnisse ist anerkannt. Als weiterhin<br />
wachsende Branche hat der Luftverkehr eine große<br />
Wirkung auf Wohlstand und Beschäftigung. Dennoch<br />
findet er in regelmäßig erstellten Wirtschaftsberichten<br />
1 keine bzw. kaum Berücksichtigung. Der<br />
vorliegende Bericht soll dazu beitragen, diese Lücke<br />
zu schließen.<br />
Schwerpunkt der Untersuchung<br />
Im Fokus steht die Wettbewerbssituation der einzelnen<br />
Träger <strong>des</strong> Luftverkehrssystems – Flughäfen,<br />
Fluggesellschaften und Flugsicherung – bezogen auf<br />
<strong>Deutschland</strong> im europäischen und im globalen Kontext.<br />
Die Untersuchung konzentriert sich auf die<br />
Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Luftverkehrs (Infrastruktur,<br />
ordnungspolitische und gesetzliche Rahmenbedingungen,<br />
Arbeitsbedingungen und Arbeitsmarkt,<br />
standortspezifische Kosten), die sich maßgeblich auf<br />
die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> auswirken. Des Weiteren<br />
wird ein Schwerpunkt auf die Besonderheiten der<br />
deutschen Luftverkehrsstruktur gelegt.<br />
Das Luftverkehrswachstum in <strong>Deutschland</strong> ist ohne<br />
einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt nicht<br />
vorstellbar. Die deutschen Luftverkehrsunternehmen<br />
sind in besonderer Verantwortung, internationale<br />
<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> und die Belange der<br />
Umwelt in Einklang zu bringen. Dennoch bildet der<br />
Themenkreis Umwelt in diesem Bericht keinen<br />
Schwerpunkt. Ausführliche Darstellungen zu<br />
Umweltwirkungen <strong>des</strong> Luftverkehrs finden sich<br />
allerdings in den Berichten nationaler und internationaler<br />
Organisationen. 2<br />
Aufbau <strong>des</strong> Berichtes<br />
Das von airconomy und Oliver Wyman verfasste<br />
Vorwort schildert die aktuelle Situation <strong>des</strong> internationalen<br />
Luftverkehrs mit Stand November 2008.<br />
Die Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes gibt<br />
einen Überblick zu den darauf folgenden vier<br />
Kapiteln.<br />
Im ersten Kapitel, erstellt vom Deutschen Zentrum<br />
für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), wird der deutsche,<br />
europäische und globale Luftverkehrsmarkt in<br />
seinem jetzigen Zustand neutral beschrieben. Die<br />
hier betrachteten Akteure sind die Flughäfen, die<br />
Fluggesellschaften und die Flugsicherungen. Der
erste Teil soll bewusst unabhängig von den folgenden<br />
Teilen als Zusammenstellung relevanter Fakten<br />
lesbar und auswertbar sein.<br />
Im zweiten, vom European Center for Aviation<br />
Development – ECAD GmbH erarbeiteten Kapitel<br />
liegt der Schwerpunkt auf den Rahmenbedingungen,<br />
Entwicklungen und Trends in den ausgewählten<br />
Luftverkehrsmärkten Vereinigte Staaten von<br />
Amerika, China, Indien, Vereinigte Arabische Emirate,<br />
Katar, Frankreich und Vereinigtes Königreich. 3<br />
Zunächst wird auf die volkswirtschaftlichen und ordnungspolitischen<br />
Rahmenbedingungen eingegangen.<br />
Hieraus werden Aussagen zu erwarteten Luftverkehrsstrukturen,<br />
Entwicklungen bei Flughäfen,<br />
Fluggesellschaften und zur Flugsicherung abgeleitet.<br />
Im dritten Kapitel, das von airconomy, ECAD und<br />
Oliver Wyman verfasst wurde, werden Schlussfol-<br />
Ziel, Schwerpunkt und Aufbau <strong>des</strong> Berichtes 5<br />
gerungen zu den aktuellen und zukünftigen Luftverkehrsstrukturen<br />
in <strong>Deutschland</strong> gezogen. Dabei<br />
geht es einerseits um die Organisation <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> und andererseits<br />
konkret um die Auswirkungen auf die Luftverkehrsanbieter<br />
Flughäfen, Fluggesellschaften und<br />
Flugsicherungen selbst.<br />
Im vierten Kapitel geben airconomy und Oliver<br />
Wyman Handlungsempfehlungen für einen<br />
zukunftsfähigen Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Jede Autorengruppe zeichnet für das von ihr<br />
bearbeitete Kapitel verantwortlich und überlässt<br />
die anderen Kapitel der Kompetenz der anderen<br />
Autoren.<br />
1 Z.B.: Jahresgutachten <strong>des</strong> Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Frühjahrs- und Herbstgutachten<br />
der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, OECD-Wirtschaftsberichte.<br />
2 Z.B. IPCC (1999): Aviation and the Global Atmosphere, IPCC (2007): Assessment Report WG 1, Chapter 2, Eurocontrol (2006):<br />
Airport Local Air Quality Studies – ALAQS, DLR (2007): Klimawirkungen <strong>des</strong> Luftverkehrs.<br />
3 Zur Auswahl dieser Länder s. Kapitel II.1.
6<br />
Vorwort <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Vorwort: Internationaler Luftverkehrsmarkt<br />
(wieder) in der Krise?<br />
airconomy, Oliver Wyman<br />
Nach einer Phase <strong>des</strong> steilen Aufschwungs steht<br />
die weltweite Luftverkehrsindustrie heute wieder<br />
vor einer zyklischen Abkühlung. Diese Abkühlung<br />
ist nach Zeitenlage und Ausmaß wenig überraschend<br />
und fügt sich ein in die sogar recht regelmäßige<br />
Folge von Auf- und Abschwüngen seit<br />
min<strong>des</strong>tens 25 Jahren. Allerdings wird der aktuelle<br />
konjunkturelle Abschwung verstärkt durch außergewöhnliche<br />
Verwerfungen auf den globalen<br />
Finanzmärkten.<br />
Der weltweite Luftverkehr wächst langfristig stabil<br />
mit durchschnittlich etwa 5% jährlich und damit<br />
deutlich stärker als das weltweite Brutto-Inlandsprodukt.<br />
In Zeiten steigender Brutto-Inlandsprodukte<br />
wächst der Luftverkehr aber sehr viel<br />
schneller als die sonstige Wirtschaft, entsprechend<br />
schnell und kräftig kühlt das Wachstum <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
in Phasen global sinkender Brutto-Inlandsprodukte<br />
ab [Abb. rechts]: Der Luftverkehr zeigt<br />
damit doppelt verstärkte Amplituden (in beiden<br />
Richtungen) im Vergleich zur zugrundeliegenden<br />
BIP-Entwicklung. Eine Folge der Globalisierung ist<br />
die Abnahme von regionalen oder auch kontinentalen<br />
Unterschieden in den Phasen oder Amplituden<br />
der konjunkturellen Ausschläge. Die wirtschaftliche<br />
Öffnung ehemals geschlossener ökonomischer<br />
Riesensysteme wie China zwingt auch<br />
diese Märkte immer mehr in die Konsequenzen<br />
zyklischer Entwicklungen und verteilt gleichzeitig<br />
seine eigene Dynamik auf alle anderen Märkte der<br />
Welt. Für die global operierenden Fluggesellschaften<br />
und deren Allianzen bedeutet dies den Verlust<br />
möglicher Ausgleichsbewegungen. Auch wenn die<br />
Folgen der Zyklen für Flughafenbetreiber oder<br />
Flugsicherungsorganisationen etwas milder ausfallen<br />
als für Fluggesellschaften 1 , bleibt die luftverkehrstypische<br />
Mischung aus extremer Zyklizität<br />
einerseits und hohen Fixkosten andererseits eines<br />
der strukturellen Kernprobleme dieser Industrie.<br />
1 Flughäfen werden von den Fluggesellschaften i.W. auf Basis der Flugbewegungen, der maximal zulässigen Flugzeuggewichte und<br />
der Anzahl der transportierten Passagiere bezahlt. Flugsicherungsorganisationen werden für ihre Dienste an den Flughäfen auf der<br />
Grundlage <strong>des</strong> maximal zulässigen Flugzeuggewichts und auf der Strecke nach dem maximal zulässigen Flugzeuggewicht und der<br />
zurückgelegten Distanz bezahlt.<br />
2 Marktaustritte seit Ende 2007 (Beispiele, Stand Juni 2008): USA: MaxJet, BigSky, Aloha Airlines, ATA Airlines, Skybus Airlines, Eos<br />
Airlines, Frontier Airlines, Champion Air. Asien: OASIS. Europa: Euromanx, Silverjet, L’avion (von BA übernommen). Alle genannten<br />
Fluggesellschaften haben die gestiegenen Kerosinkosten als wesentlichen Grund für den Marktaustritt genannt. Quelle: AEA, ATA,<br />
Unternehmensangaben, Oliver Wyman, Juni 2008.<br />
3 Anteil Kerosinkosten an den Gesamtkosten bei Netzwerkfluggesellschaften ca. 26% (Lufthansa: ca. 22%, Air France: ca. 24%,<br />
British Airways ca. 28%). Für Low-Cost-Fluggesellschaften beträgt der Anteil ca. 36% (Ryanair: ca. 37%, easyjet: 34%. Stand: Mai<br />
2008. Quelle: Oliver Wyman, Juni 2008.
Die zurückgehende Konjunktur für die Luftverkehrswirtschaft<br />
weltweit hat sich bereits 2007 angekündigt<br />
und zeigt heute international v.a. für viele<br />
Fluggesellschaften alle bekannten Begleiterscheinungen:<br />
Jobabbau, Stilllegungen von Flugzeugen<br />
in großem Stil, sogar Marktaustritte 2 .<br />
Die konjunkturelle Abkühlung wird dieses Mal,<br />
anders als 2001 (11. September), 2002 (SARS)<br />
oder zu Anfang der 90er Jahre (Golfkriege), von<br />
vier besonders wichtigen Merkmalen gleichzeitig<br />
geprägt, und zwar ganz unabhängig davon, ob<br />
diese Beobachtungen nun Ursache oder Wirkung<br />
der konjunkturellen Abkühlung sind:<br />
■ Extreme Ausschläge <strong>des</strong> Ölpreis-Niveaus:<br />
Der Ölpreis ist zwischen September 2007 und<br />
Juli 2008 nach OPEC-Angaben um 77% von<br />
durchschnittlich 74,18 USD auf 131,22 USD<br />
pro Barrel gestiegen und hat sich seit dem<br />
Jahr 2000 sogar fast vervierfacht. Anfang<br />
November 2008 hat er sich gegenüber dem<br />
Prozent<br />
10,0<br />
8,0<br />
6,0<br />
4,0<br />
2,0<br />
0<br />
-2,0<br />
1983 1988 1993 1998 2003 2008<br />
Wachstum Luftverkehr<br />
(RPK Durchschnitt)<br />
= 5,2 %<br />
Wachstum Brutto-<br />
Inlandsprodukt<br />
(BIP Durchschnitt)<br />
= 3,0 %<br />
Abb.: Die Leistung <strong>des</strong> Luftverkehrs weltweit folgt den globalen Zyklen <strong>des</strong> Brutto-Inlandsproduktes, allerdings mit deutlich<br />
verstärkter Amplitude in beiden Richtungen<br />
Verlauf <strong>des</strong> weltweiten Brutto-Inlandsprodukts (reales BIP, korrigiert um Einkaufsparitäten, auf Basis USD <strong>des</strong> Jahres 2000) und<br />
der Leistung der weltweiten Luftverkehrsindustrie (gemessen in verkauften Sitz-Kilometern [Revenue Passenger Kilometers,<br />
RPK]). BIP und RPK sind mit einem Gleitenden 3-Jahres-Durchschnitt geglättet worden.<br />
Quelle: Weltbank, ICAO, IATA, Oliver Wyman, airconomy<br />
Spitzenniveau 2008 wieder halbiert, allerdings<br />
zu Lasten gegenläufiger Währungsraten.<br />
Der Ölpreis ist zu einem kaum kalkulierbaren<br />
Risiko geworden. Dies hatte unter<br />
anderem zur Folge, dass das Geschäftsmodell<br />
vieler Low-Cost-Fluggesellschaften in Schwierigkeiten<br />
geriet, weil der Anteil der Kerosinkosten<br />
an den Gesamtkosten wesentlich<br />
größer ist als bei Netzwerkfluggesellschaften.<br />
3 Jedoch müssen sich auch etablierte<br />
Netzwerk-Carrier dem Kostendruck stellen.<br />
Das Geschäftsmodell auch vieler kleinerer,<br />
regional fokussierter Fluggesellschaften gerät<br />
existenziell unter Druck, weil die Pufferwirkung<br />
großer Hub-Systeme nicht zum Tragen<br />
kommen kann. „Schlankheit“ übersetzt sich<br />
nun oftmals in mangelhafte Flexibilität, auf<br />
Marktänderungen reagieren zu können. Dies<br />
wird den Druck auf ohnehin überfällige Konsolidierungen<br />
erhöhen. In Europa stehen<br />
mehrere Fluggesellschaften zum Verkauf, in<br />
den USA werden die Allianz- und Merger-<br />
Veränderung BIP Veränderung RPK<br />
Jahr<br />
Vorwort 7
8<br />
Vorwort <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Karten neu gemischt. Selbst in China erkennt<br />
die Branche, dass zweistellige Wachstumsraten<br />
vergänglich sein können. Eine positive<br />
Begleiterscheinung ist, dass der hohe Ölpreis<br />
einen immensen Druck ausübt, modernste<br />
Flugzeuge und Triebwerke einzusetzen, um<br />
Kerosin zu sparen. Anders gesagt: Wer jetzt<br />
schon moderne, kerosinsparende Flugzeuge<br />
einsetzt, wird in den nächsten Jahren einen<br />
Wettbewerbsvorteil erfliegen.<br />
■ Erneut drohende Überkapazitäten: Die Auftragsbücher<br />
der Flugzeughersteller waren<br />
2007 voller als je zuvor. Ganz offensichtlich<br />
haben viele in der Luftverkehrsindustrie an<br />
einen wesentlich länger anhaltenden Aufschwung<br />
geglaubt. Auch wenn nun etliche<br />
Bestellungen storniert und die verbleibenden<br />
Bestellungen zum Teil zur Flottenmodernisierung<br />
anstatt zu deren Ausweitung genutzt<br />
werden, wird der Weltmarkt in nächster Zeit<br />
mit zusätzlicher Überkapazität in erheblichem<br />
Ausmaß belastet werden. In der Folge wird es<br />
erneut zu Preiskämpfen, vermeidbaren Infrastrukturbelastungen<br />
und Wertberichtigungen<br />
in den Bilanzen infolge einer generellen Abwertung<br />
bestehender Flotten kommen. Auch<br />
dieser Effekt wird die beim Ölpreisthema genannten<br />
Folgen zeigen: Beschleunigung der<br />
Marktaustritte, Konsolidierung und Druck auf<br />
Flottenmodernisierung. Es bleibt abzuwarten,<br />
inwiefern die Finanzkrise und in der Folge<br />
knappere Liquidität die Freiheitsgrade der<br />
Fluggesellschaften weiter einschränkt. Es darf<br />
aber nicht vergessen werden, dass die sehr<br />
ausgeprägten zyklischen Schwankungen im<br />
Luftverkehr gleichwohl auf ein konstant starkes<br />
Basiswachstum aufsetzen.<br />
■ Weltweiter Nachfrageeinbruch im Zuge der<br />
Finanz- und Bankenkrise: Angesichts der im<br />
Herbst 2008 eskalierten Finanzkrise sind<br />
nahezu alle großen Luftverkehrsgesellschaften<br />
und Flughäfen weltweit mit sinkenden<br />
Auslastungen konfrontiert.<br />
■ Die – teilweise – gute Nachricht ist, dass<br />
insbesondere in den USA die großen Airlines<br />
diesmal sehr viel früher im Abschwung und<br />
sehr viel energischer als sonst Kapazität aus<br />
dem Markt nehmen. Es ist nicht verwunderlich,<br />
dass die US-Fluggesellschaften hierbei<br />
vorangehen: Sie sind durch den schwachen<br />
US-Dollar und das vergleichsweise hohe<br />
durchschnittliche Alter ihrer Flugzeuge und<br />
der folglich damit verbundenen geringeren<br />
4, 5<br />
Treibstoffeffizienz zusätzlich belastet.<br />
Die abkühlende Konjunktur und die gestiegenen<br />
Ölpreise haben für die Verbraucher in <strong>Deutschland</strong><br />
eine schwierige Situation geschaffen: In der Folge<br />
ist das für den Konsum verfügbare Einkommen für<br />
breite Bevölkerungsschichten spürbar reduziert und<br />
somit steht für Flugreisen immer weniger Geld zur<br />
Verfügung. Dieser Zusammenhang wird auch an<br />
den Fluggesellschaften und Flughäfen nicht folgenlos<br />
vorübergehen.<br />
Wie stark ist der Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong><br />
also im internationalen Vergleich für diesen zyklischen,<br />
globalen, fixkosten-intensiven, häufig<br />
genug durch Subventionen verzerrten, regional<br />
sehr unterschiedlich deregulierten und fundamental<br />
auf die Gesamtwirtschaft einwirkenden Wettbewerb<br />
gerüstet?<br />
4 Bei einer angenommenen Umsatzrendite von 5% in 2007 für eine typische US-Netzwerkfluggesellschaft und ebenfalls für eine<br />
typische europäische Netzwerkfluggesellschaft verfällt die Umsatzrendite für 2008 durch den kombinierten Effekt aus Kerosinpreis<br />
und Währungs-Disparität auf minus 22% für US-Fluggesellschaften und minus 12% für eine typische kontinentaleuropäische<br />
Netzwerkfluggesellschaft. Quelle: Oliver Wyman, 2008.<br />
5 In der Zeit vom 31.10.2006 bis zum 30.04.2008 hat sich der Wechselkurs EUR/USD von indiziert 100% auf 125% verändert und<br />
somit für europäische Fluggesellschaften einen signifikanten Puffer geschaffen. Quelle: Oliver Wyman, 2008.
Zusammenfassung<br />
<strong>des</strong> Gesamtberichtes<br />
airconomy, Oliver Wyman<br />
Ist der Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> für den Wettbewerb<br />
in der Zukunft gerüstet?<br />
Nach einer Phase <strong>des</strong> steilen Aufschwungs steht die weltweite Luftverkehrsindustrie<br />
heute wieder vor einer zyklischen Abkühlung. Diese geht auf eine rückläufige globale<br />
Konjunktur, in den letzten Jahren extrem gestiegene Kosten (insbesondere<br />
Ölpreisentwicklung) und drohende Überkapazitäten bei Fluggesellschaften zurück.<br />
Allerdings ist der Luftverkehr, gerade für eine international ausgerichtete Volkswirtschaft<br />
wie <strong>Deutschland</strong>, von enormer Bedeutung. Er schafft Mobilität und befriedigt<br />
wirtschaftliche als auch persönliche Mobilitätsbedürfnisse. Weiterhin sichert und<br />
schafft der Luftverkehr als wachsende Branche Wohlstand und Arbeitsplätze.<br />
Was muss getan werden, um weiterhin eine zukunftsfähige<br />
Entwicklung <strong>des</strong> Luftverkehrs in <strong>Deutschland</strong> zu gewährleisten?<br />
Der vorliegende Bericht beschreibt erstmals breit die aktuelle Wettbewerbssituation<br />
<strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong>. Damit trägt er dazu bei, auf diese Schlüsselfragen<br />
Antworten zu finden. Neben einer Bestandsaufnahme werden die wichtigsten<br />
Entwicklungen und Trends beschrieben sowie Schlussfolgerungen zu den aktuellen<br />
und zukünftigen Herausforderungen <strong>des</strong> Luftverkehrs gezogen. Abschließend werden<br />
Handlungsempfehlungen für einen zukunftsfähigen Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong><br />
abgeleitet.<br />
Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes 9
10<br />
Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) beschreibt den deutschen,<br />
europäischen und globalen Luftverkehrsmarkt in seinem jetzigen Zustand<br />
Strukturelle Veränderungen auf der Angebotsseite<br />
(insbesondere Konsolidierung unter etablierten<br />
Fluggesellschaften, Markteintritt von Low-Cost-<br />
Fluggesellschaften) wie auch im verkehrsrechtlichen<br />
Rahmen (Marktveränderungen durch<br />
Liberalisierung, zum Beispiel EU-US-Open-Skies-<br />
Abkommen) fördern seit Jahren den nahezu<br />
stetigen Anstieg der Nachfrage. Die steigende<br />
Nachfrage führt allerdings auch zunehmend zu<br />
wachstumshemmenden Engpässen auf einigen<br />
Flughäfen, insbesondere in Frankfurt, München<br />
und Düsseldorf.<br />
Berlin Region (BER)<br />
Bremen (BRE)<br />
Köln/Bonn (CGN)<br />
Dresden (DRS)<br />
Dortmund (DTM)<br />
Düsseldorf (DUS)<br />
Erfurt (ERF)<br />
Friedrichshafen (FDH)<br />
Karlsruhe (FKB)<br />
Münster/Osnabrück (FMO)<br />
Frankfurt (FRA)<br />
Hannover (HAJ)<br />
Hamburg (HAM)<br />
Hahn (HHN)<br />
Lübeck (LBC)<br />
Leipzig/Halle (LEJ)<br />
München (MUC)<br />
Weeze (NRN)<br />
Nürnberg (NUE)<br />
Paderborn (PAD)<br />
Rostock (RLG)<br />
Saarbrücken (SCN)<br />
Stuttgart (STR)<br />
0<br />
5 Mio.<br />
Die potenzielle Wettbewerbsintensität zwischen<br />
international tätigen Fluggesellschaften hängt u.a.<br />
direkt von bilateralen Abkommen zwischen den<br />
Ländern ab – sie können den Wettbewerb fördern<br />
oder behindern. Innerhalb der EU wurde 1997 der<br />
Europäische Binnenmarkt im Luftverkehr vollendet.<br />
Die EU ist bestrebt, gleichen Marktzugang für alle<br />
europäischen Fluggesellschaften zu allen Verbindungen<br />
aus Europa heraus zu ermöglichen.<br />
An den deutschen Flughäfen wurden 2006 insgesamt<br />
176,6 Mio. ein- bzw. aussteigende Fluggäste<br />
10 Mio. 15 Mio. 20 Mio.<br />
Originäreinsteiger<br />
+ 2006<br />
+<br />
+ 68,7 Mio. Originäreinsteiger<br />
+ 19,6 Mio. Umsteiger<br />
= 88,3 Mio. Einsteiger<br />
Einsteiger = Aussteiger<br />
=188,3 Mio. Einsteiger<br />
+ 188,3 Mio. Aussteiger<br />
= 176,6 Mio. Passagiere<br />
Abb.: Struktur der Einsteige-Passagiere an Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> 2006 [siehe auch Abb.1 Kapitel I]<br />
Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />
25 Mio.<br />
Umsteiger<br />
30 Mio.
Atlanta (USA)<br />
Chicago O’Hare (USA)<br />
London Heathrow (Großbritannien)<br />
Tokio Haneda (Japan)<br />
Los Angeles (USA)<br />
Dallas/Fort Worth (USA)<br />
Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />
Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Peking (China)<br />
Denver (USA)<br />
Las Vegas (USA)<br />
Amsterdam (Niederlande)<br />
Madrid (Spanien)<br />
New York John F. Kennedy (USA)<br />
Hongkong (China)<br />
Houston George Bush (USA)<br />
Phoenix (USA)<br />
Bangkok Suvarnabhumi (Thailand)<br />
Newark (USA)<br />
Detroit (USA)<br />
Minneapolis/Saint Paul (USA)<br />
Tokio Narita (Japan)<br />
Orlando (USA)<br />
London Gatwick (Großbritannien)<br />
Singapur (Singapur)<br />
gezählt. Dieses Passagieraufkommen strukturiert sich<br />
in Originäreinsteiger- und Umsteigerverkehre. Von<br />
den 88,3Mio. Einsteigern sind 68,7Mio. Passagiere<br />
originär an deutschen Flughäfen eingestiegen. Die<br />
verbleibenden 19,6 Mio. sind Umsteigerpassagiere.<br />
Betrachtet man die Ziele, so haben 57% der Einsteiger<br />
europäische, 26% innerdeutsche und 17%<br />
interkontinentale Verbindungen gewählt. [Abb. links]<br />
Weltweit ist eine starke Konzentration auf große<br />
Flughäfen zu verzeichnen. Gemessen an der<br />
Anzahl der Passagiere nutzten 2006 mehr als ein<br />
Viertel aller Fluggäste einen der 25 größten Flughäfen<br />
der Welt. An den 25 größten europäischen<br />
Flughäfen wurde 2006 mehr als die Hälfte (52%)<br />
10 Mio.<br />
Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes 11<br />
30 Mio. 50 Mio. 70 Mio.<br />
Abb.: Die 25 größten Flughäfen in der Welt nach Zahl der Passagiere 2006 [siehe auch Abb.5 Kapitel I]<br />
Quelle: ACI 2007, DLR 2008. *An- und abfliegende Passagiere ohne Transit<br />
0<br />
Marktanteil in der Welt<br />
(insg. 4,3 Mrd. Passagiere)<br />
72%<br />
28%<br />
Top-25-Flughäfen<br />
Restliche Flughäfen<br />
90 Mio.<br />
Anzahl der Passagiere*<br />
<strong>des</strong> europäischen Passagieraufkommens abgewickelt.<br />
Dies entspricht 16% <strong>des</strong> weltweiten Aufkommens.<br />
47% der Fluggäste, die ihre Reise in<br />
<strong>Deutschland</strong> beginnen oder hier umsteigen, fliegen<br />
ab Frankfurt oder München. [Abb. oben]<br />
In der Luftfracht konzentrieren sich die Verkehre<br />
noch deutlicher auf einige wenige Drehkreuze. So<br />
wurden 2006 an nur 25 Flughäfen 53% <strong>des</strong> weltweiten<br />
Aufkommens von insgesamt 82Mio.Tonnen<br />
Fracht abgewickelt. Auch in Europa wird die<br />
Fracht (2006 insgesamt 15Mio. Tonnen) an einigen<br />
Großflughäfen umgeschlagen, wobei Frankfurt<br />
und Paris zusammen etwa ein Viertel <strong>des</strong><br />
Gesamtaufkommens auf sich vereinigen.
12<br />
Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weltweit wurden im Jahr 2007 knapp 36 Mio. Flüge<br />
angeboten. Die größten Luftverkehrsmärkte finden<br />
sich innerhalb Nordamerikas und Europas. Nordamerika<br />
weist die mit Abstand höchste Zahl intraregionaler<br />
Flüge aus. Das höchste interkontinentale<br />
Aufkommen verzeichnet die Nordatlantikroute<br />
zwischen Nordamerika und Europa. [Abb. unten]<br />
Die sechs größten Fluggesellschaften der Welt sind –<br />
gemessen an angebotenen Sitzen – in den USA<br />
beheimatet, gefolgt von Air France-KLM, Continental<br />
Airlines, China Southern und Lufthansa.<br />
Im europäischen Markt entfielen auf die Linien-/<br />
Netzwerkfluggesellschaften im Jahr 2007 fast zwei<br />
Drittel (61,9%) aller Starts an europäischen Flügen.<br />
Außerdem trugen Low-Cost-Fluggesellschaften mit<br />
knapp einem Viertel (23,7%), Regional- sowie<br />
Ferienfluggesellschaften mit 10,3 bzw. 4,2% bei.<br />
Die Flugsicherungsorganisationen müssen sich den<br />
Herausforderungen eines wachsenden Luftverkehrsmarktes<br />
mit der Zunahme der Flugbewegungen<br />
im Luftraum sowie dem Umgang mit Kapazitätsengpässen<br />
vor allem an den Hub-Flughäfen<br />
292<br />
Anzahl intraregionale<br />
Starts/Woche in Tsd.<br />
Anzahl interkontinentale<br />
Starts/Woche in Tsd.*<br />
17<br />
57<br />
4<br />
2<br />
9<br />
146<br />
stellen. Über 3Mio. Flüge kontrollierten allein die<br />
Lotsen der DFS (Deutsche Flugsicherung GmbH)<br />
im deutschen Luftraum im Jahr 2007.<br />
Um der Flugsicherungsaufgabe im internationalen<br />
Vergleich entsprechend der Anforderungen gerecht<br />
werden zu können, soll durch eine stärkere Vereinheitlichung<br />
der Luftraumstrukturen und der europäischen<br />
Bestimmungen ein effizientes europäisches<br />
Luftverkehrsmanagement geschaffen werden. Für<br />
die Schaffung <strong>des</strong> Single European Sky (SES) müssen<br />
in jedem Land jedoch die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
angepasst werden, um konform mit den<br />
EU-Vorgaben zu sein. In jüngster Vergangenheit<br />
haben bereits verschiedene Länder, wie z.B. Großbritannien,<br />
ihre Flugsicherung umstrukturiert, um<br />
sich besser auf die neuen Anforderungen einstellen<br />
zu können. Hierbei ging es vorrangig um strukturelle<br />
Veränderungen der Organisation und um Privatisierungen,<br />
die den Flugsicherungen u.a. einen höheren<br />
unternehmerischen Entscheidungsspielraum einräumen<br />
sollten. Im Zusammenhang mit der Schaffung<br />
eines einheitlichen Luftraums wird so in Teilen ein<br />
wettbewerblich organisierter Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />
geschaffen werden.<br />
Abb.: Weltweiter Luftverkehr in Starts pro Woche 2007 [siehe auch Abb.15 Kapitel I]<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008. *Einschließlich Nahem Osten und Verkehr zwischen Nord- und Südamerika<br />
6<br />
4<br />
15<br />
2<br />
9<br />
9<br />
4<br />
1<br />
112<br />
2<br />
23
Das jährliche weltweite Passagieraufkommen wird<br />
sich von 4,3Mrd. Passagieren im Jahr 2006 auf ca.<br />
9,1Mrd. im Jahr 2025 verdoppeln (plus 4% p.a.).<br />
Für die Luftfracht wird in diesem Zeitraum mit einem<br />
Wachstum von jährlich 5,8% – bezogen auf die<br />
geflogenen Frachtkilometer – gerechnet. Gründe für<br />
dieses Wachstum sind vor allem die Bevölkerungsentwicklung,<br />
das gestiegene Mobilitätsbedürfnis, die<br />
zunehmenden internationalen Wirtschaftsverflechtungen,<br />
das weltweite Wirtschaftswachstum sowie<br />
die fortschreitende Deregulierung und Liberalisierung<br />
<strong>des</strong> Luftverkehrs. [Abb. unten]<br />
Das Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens im<br />
Luftverkehr wird regional unterschiedlich ausfallen:<br />
Die höchsten Wachstumsraten sind in den nächsten<br />
Jahren für Afrika sowie den asiatisch/pazifischen<br />
Raum (jeweils plus 5,8% p.a.) zu erwarten.<br />
Es wird davon ausgegangen, dass der Luftverkehr<br />
im Nahen Osten bis 2025 pro Jahr mit durch-<br />
Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes 13<br />
Das European Center for Aviation Development – ECAD GmbH untersucht Entwicklungen<br />
in ausgewählten Luftverkehrsmärkten. Dabei wird auch auf die<br />
unterschiedlichen volkswirtschaftlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen<br />
eingegangen<br />
Jährliches Passagieraufkommen<br />
(in Millionen)<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
4,9%<br />
4.317<br />
5,7%<br />
4.565<br />
5,0% 4,8%<br />
4.793<br />
5.024<br />
4,6%<br />
5.255<br />
2006 2007 2008 2009 2010 2015 2025<br />
Passagiere<br />
schnittlich 4,6% auf 260 Mio. Passagiere anwachsen<br />
wird. Für Nordamerika ist hingegen mit einer<br />
Sättigung <strong>des</strong> Luftverkehrsmarktes auf hohem<br />
Niveau (plus 2,7% p.a. auf 2,53Mrd. Passagiere<br />
2025) zu rechnen. Für Europa wird bis zum Jahr<br />
2025 ein durchschnittliches Wachstum von 3,6%<br />
pro Jahr auf 2,56Mrd. Passagiere prognostiziert.<br />
Im Jahr 2020 werden nur noch sieben US-amerikanische<br />
Flughäfen unter den zwanzig größten Flughäfen<br />
der Welt erwartet. Die asiatischen Flughäfen<br />
Shenzhen, Jakarta und Guangzhou werden im<br />
Vergleich zu 2006 neu in dieser Aufstellung rangieren.<br />
Darüber hinaus wird China im Jahr 2020 die<br />
USA als weltweit größten Luftverkehrsmarkt<br />
abgelöst haben, und mit Dubai wird dann auch ein<br />
Flughafen aus dem Nahen Osten in der Rangfolge<br />
der zwanzig größten Flughäfen vertreten sein. In<br />
Bezug auf <strong>Deutschland</strong> wird Frankfurt der einzige<br />
Flughafen in dieser Aufstellung sein. Anzumerken<br />
4,0%<br />
6.408<br />
Jährliche<br />
Wachstumsrate<br />
9.095<br />
Abb.: Entwicklung <strong>des</strong> Passagieraufkommens im weltweiten Luftverkehr 2006–2025 [siehe auch Abb.1 Kapitel II]<br />
Quelle: ACI 2007<br />
3,6%<br />
Jährl. Wachstum<br />
6%<br />
5%<br />
4%<br />
3%<br />
2%<br />
1%<br />
0
14<br />
Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
ist ferner, dass die europäischen Flughäfen und<br />
insbesondere der deutsche Flughafen Frankfurt bei<br />
unzureichenden Kapazitäten ihrer Luftverkehrsinfrastruktur<br />
gegenüber der für 2020 prognostizierten<br />
Rangfolge im internationalen Vergleich noch<br />
weitere Positionen einbüßen würden. [Abb. rechts]<br />
Folgende wichtige Erkenntnisse können aus einem<br />
Vergleich der Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Luftverkehrssektors<br />
der betrachteten Länder gezogen werden:<br />
Planungs- und Genehmigungsverfahren können in<br />
der Mehrzahl der Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens und<br />
Asiens, wenn auch unter teilweiser Inkaufnahme<br />
geringerer gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten,<br />
schneller und wesentlich kostengünstiger<br />
bewerkstelligt werden als in den Ländern Europas<br />
und den USA.<br />
<strong>Deutschland</strong> und andere europäische Länder<br />
gehören zu den Standorten, die im internationalen<br />
Vergleich mit relativ hohen Gesamtkosten wirtschaften.<br />
Dies impliziert für die gesamte Luftverkehrswirtschaft<br />
in <strong>Deutschland</strong> einen hohen Effizienzdruck.<br />
Zur Sicherung der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
der deutschen Luftverkehrswirtschaft sind geeignete<br />
rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen<br />
zu schaffen, die beispielsweise eine einfachere,<br />
schnellere und kundenfreundlichere Abwicklung<br />
<strong>des</strong> Luftverkehrs unterstützen.<br />
Vor dem Hintergrund <strong>des</strong> prognostizierten Wachstums<br />
gewinnt auch das Thema Flugsicherung<br />
international zunehmend an Bedeutung. Die Forderung<br />
nach einer strukturellen und technischen<br />
Modernisierung der Flugsicherungen beinhaltet als<br />
übergeordnete Ziele eine weitere Verbesserung von<br />
Sicherheitsstandards, die Steigerung der Gesamteffizienz,<br />
eine Optimierung vorhandener Kapazitäten<br />
sowie eine Verringerung flugsicherungsbedingter<br />
Angesichts der dezentralen Wirtschafts- und Siedlungsstruktur<br />
in <strong>Deutschland</strong> gibt es hier kein<br />
großes Luftverkehrsdrehkreuz mit einem originären<br />
Flugreiseaufkommen der Dimension von z.B. London<br />
oder Paris. Eine einseitige Konzentration auf die<br />
Abb.: Die 20 größten Flughäfen der Welt 2006 und 2020 gemessen<br />
am Passagieraufkommen [siehe auch Abb.3 Kapitel II]<br />
Quelle: Abschätzung anhand der Passagieraufkommen 2006<br />
und prognostizierter Wachstumsraten; ACI 2007, IATA 2007,<br />
ICAO 2007, Boeing 2006 und Airbus 2007<br />
Verspätungen. Um in Europa die notwendigen<br />
Effizienzsteigerungen realisieren zu können, sollten<br />
sich die politischen Entscheidungsträger nach einer<br />
angemessenen Bewertungsphase auf die für die<br />
Organisation der Flugsicherungsdienste beste<br />
Lösung verständigen und die dafür notwendigen<br />
Schritte einleiten.<br />
airconomy, Oliver Wyman und ECAD ziehen zu den polyzentrischen Luftverkehrsstrukturen<br />
in <strong>Deutschland</strong> folgende Schlussfolgerungen:<br />
2006<br />
Nr. Flughafen<br />
1 Atlanta ATL<br />
2 Chicago ORD<br />
3 London LHR<br />
4 Tokio HND<br />
5 Los Angeles LAX<br />
6 Dallas DFW<br />
7 Paris CDG<br />
8 Frankfurt FRA<br />
9 Peking PEK<br />
10 Denver DEN<br />
11 Las Vegas LAS<br />
12 Amsterdam AMS<br />
13 Madrid MAD<br />
14 Hongkong HKG<br />
15 New York JFK<br />
16 Bangkok BKK<br />
17 Houston IAH<br />
18 Phoenix PHX<br />
19 Newark EWR<br />
20 Detroit DTW<br />
2020<br />
Nr. Flughafen<br />
1 Peking PEK<br />
2 Atlanta ATL<br />
3 Tokio HND<br />
4 Paris CDG<br />
5 Chicago ORD<br />
6 London LHR<br />
7 Madrid MAD<br />
8 Shenzhen SZX<br />
9 Bangkok BKK<br />
10 Dubai DXB<br />
11 Hongkong HKG<br />
12 Frankfurt FRA<br />
13 Amsterdam AMS<br />
14 Los Angeles LAX<br />
15 Jakarta CGK<br />
16 Dallas DFW<br />
17 Las Vegas LAS<br />
18 Houston IAH<br />
19 Guangzhou CAN<br />
20 Phoenix PHX<br />
Nordamerika Asien/Pazifik Europa Naher Osten<br />
Bedienung originärer Luftverkehre von und nach<br />
<strong>Deutschland</strong> ist ohne eine solche Nachfragestruktur<br />
auch nicht sinnvoll. Dagegen ist kein anderer Luftverkehrsstandort<br />
in Europa ähnlich stark aufgestellt<br />
wie <strong>Deutschland</strong>, um Umsteigepassagiere zu bedie
nen und damit Flugverkehre zu bündeln. Hierzu<br />
tragen insbesondere die hohe Verbindungsstärke<br />
zwischen den deutschen Flughäfen sowie die gute<br />
Zusammenarbeit und Prozessabstimmung zwischen<br />
den beteiligten Flughäfen und Fluggesellschaften<br />
bei. Dabei erweist sich das Netz aus internationalen<br />
Verkehrsflughäfen in den Wirtschaftszentren<br />
<strong>Deutschland</strong>s im Verbund mit den beiden Hubs<br />
Frankfurt und München sowie den beteiligten<br />
Fluggesellschaften als hoch synergetisch.<br />
Die hohe Leistungsfähigkeit im Umsteigeverkehr<br />
markiert gleichzeitig einen wunden Punkt <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>: Umsteigeverkehre<br />
können international ausweichen, wenn die operativen,<br />
regulativen und infrastrukturellen Voraussetzungen<br />
der heutigen Leistungsfähigkeit nicht<br />
gewährleistet werden. Ein reduziertes Luftverkehrsangebot<br />
sowie geringere Verbindungshäufigkeiten<br />
wären unausweichlich und die Folgen für die Exportfähigkeit<br />
und den Arbeitsmarkt in <strong>Deutschland</strong><br />
Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes 15<br />
gravierend. Damit ist der deutsche Luftverkehrsmarkt<br />
durch Verzerrungen im Wettbewerb um Umsteigeverkehre<br />
oder durch infrastrukturelle Defizite<br />
leichter verwundbar als seine Wettbewerber.<br />
Um die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Luftverkehrs-<br />
Wertschöpfungskette in <strong>Deutschland</strong> erhalten<br />
zu können, sind folgende Voraussetzungen unabdingbar:<br />
■ Langfristig ausgerichteter und bedarfsgerechter<br />
Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur am<br />
Boden und in der Luft,<br />
■ höchste Prozesseffizienzen sowie<br />
■ die aktive Weiterentwicklung <strong>des</strong> hoch synergetischen<br />
Verbun<strong>des</strong> von internationalen<br />
Verkehrsflughäfen und Hubs.<br />
Der Systemverbund ist Erfolgsfaktor Nummer Eins<br />
für ein breites und dichtes Flugangebot aus der<br />
Fläche in die ganze Welt.<br />
Vor dem Hintergrund der Analysen geben airconomy und Oliver Wyman Handlungsempfehlungen<br />
für eine zukunftsfähige Luftverkehrspolitik in <strong>Deutschland</strong><br />
Die föderalen Instrumente (Zuständigkeit der Länder<br />
für Flughafenpolitik im Zuge einer Bun<strong>des</strong>auftragsverwaltung)<br />
sollten in Verbindung mit denen <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong> und der Europäischen Kommission so genutzt<br />
werden, dass sie das deutsche Luftverkehrssystem<br />
optimal für den globalen Wettbewerb und<br />
seine Entscheidungsstruktur positionieren. Danach<br />
sollten folgende zentrale Punkte beachtet und<br />
realisiert werden:<br />
■ Zukunftsfähige und einvernehmliche Luftverkehrsstrategie<br />
für die Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> definieren<br />
und mit Maßnahmen hinterlegen.<br />
Kernpunkte dieser Strategie sind insbesondere<br />
verzerrungsfreie nationale und internationale<br />
Wettbewerbsbedingungen sowie die<br />
Verabschiedung eines Flughafenkonzeptes<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>, das eine zukunftsweisende,<br />
koordinierte Entwicklung ermöglicht.<br />
Bei der Strategie-Definition ist die Bedeutung<br />
einer engen Systempartnerschaft über die<br />
gesamte Luftverkehrs-Wertschöpfungskette<br />
zu berücksichtigen.<br />
■ Infrastrukturprojekte, die für die Entwicklung<br />
der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> von erheblicher<br />
Bedeutung sind, priorisieren. Dazu zählt u.a.<br />
der nachfragegerechte Ausbau von Flughäfen<br />
und ihrer intermodalen Anbindung.<br />
■ Konsequente Umsetzung der Harmonisierung<br />
und effiziente Nutzung <strong>des</strong> europäischen<br />
Luftraums (Single European Sky).<br />
■ Forschung und Lehre zu den Themen <strong>des</strong><br />
Luftverkehrs in <strong>Deutschland</strong> erweitern,<br />
fokussieren und finanziell stärken.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 17<br />
I. Status Quo<br />
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)<br />
1. Zusammenfassung<br />
Ziel <strong>des</strong> ersten Kapitels ist eine neutrale Beschreibung<br />
<strong>des</strong> deutschen Luftverkehrsmarktes in seinem<br />
jetzigen Zustand. Dabei wird zunächst eine gesamthafte<br />
Betrachtung vorgenommen, dann werden<br />
wesentliche Kennzahlen der Marktteilnehmer<br />
beschrieben: Fluggäste oder Frachtversender auf<br />
der Nachfrage- und Flughäfen, Fluggesellschaften<br />
und Flugsicherung auf der Angebotsseite.<br />
Die strukturellen Veränderungen auf der Angebotsseite<br />
und im verkehrsrechtlichen Rahmen fördern<br />
seit Jahren den nahezu stetigen Anstieg der Nachfrage.<br />
Die steigende Anzahl von Flugbewegungen<br />
führt allerdings auch zunehmend zu Engpässen auf<br />
einigen Flughäfen, insbesondere in Frankfurt und<br />
München. Der durch Neuanbieter steigende Wettbewerb<br />
kann an diesen Flughäfen nur eingeschränkt<br />
stattfinden und bestehende Anbieter<br />
können ihr Angebot nicht wunschgemäß ausweiten.<br />
Gleichzeitig führen die wachstumshemmenden<br />
Kapazitätsengpässe zu unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
der Marktteilnehmer im Wettbewerb.<br />
Die potenzielle Wettbewerbsintensität zwischen<br />
international tätigen Fluggesellschaften hängt u.a.<br />
direkt von bilateralen Abkommen zwischen Ländern<br />
ab – sie können den Wettbewerb fördern oder ihn<br />
als Markteintrittsbarriere behindern. Innerhalb der<br />
EU wurde 1997 der gemeinsame Binnenmarkt im<br />
Luftverkehr vollendet. Die EU ist bestrebt, gleichen<br />
Marktzugang für alle europäischen Fluggesellschaften<br />
zu allen Diensten aus Europa heraus zu<br />
ermöglichen.<br />
Das deutsche Passagieraufkommen strukturiert sich<br />
in Originär- und Umsteigeraufkommen. 2006 verzeichnete<br />
<strong>Deutschland</strong> ein Aufkommen von insgesamt<br />
176,6 Mio. Fluggästen, die sich je zur Hälfte<br />
aus Ein- und Aussteigern zusammensetzen. Von<br />
den 88,3 Mio. Einsteigern an deutschen Flughäfen<br />
waren 68,7 Mio. Originäreinsteiger, die ihre Flugreise<br />
an dem entsprechenden Flughafen begannen.<br />
Der verbleibende Teil von 19,6 Mio. ist an einem<br />
der deutschen Flughäfen umgestiegen.<br />
Weltweit ist eine starke Konzentration auf wenige<br />
große Flughäfen zu verzeichnen. Gemessen an der<br />
Anzahl der Passagiere nutzten 2006 mehr als ein<br />
Viertel (28%) aller Fluggäste einen der 25 größten<br />
Flughäfen der Welt. Diese liegen in den USA, in<br />
Europa oder in den bevölkerungsreichen Ländern<br />
Asiens wie China, Thailand oder Japan. Der hohe<br />
Konzentrationsgrad der Flughäfen lässt sich auch<br />
im europäischen Vergleich nachweisen. So wurde<br />
2006 an den 25 größten Flughäfen Europas mehr<br />
als die Hälfte (52%) <strong>des</strong> europäischen und 16%<br />
<strong>des</strong> weltweiten Passagieraufkommens bewältigt.<br />
Passagiere, die in <strong>Deutschland</strong> ein Flugzeug bestiegen,<br />
sind im Jahr 2006 hauptsächlich zu europäi-
18<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
schen (57%), gefolgt von innerdeutschen (26%)<br />
und interkontinentalen Zielen (17%) gereist. Von<br />
sämtlichen innerdeutsch beförderten Passagieren<br />
(23,1Mio.) entschieden sich mehr als die Hälfte der<br />
Passagiere für eine der zehn aufkommensstärksten<br />
innerdeutschen Flugverbindungen.<br />
In der Luftfracht lässt sich sogar eine noch deutlichere<br />
Konzentration auf wenige Flughäfen beobachten:<br />
Insgesamt wurden an nur 25 Flughäfen<br />
53% <strong>des</strong> weltweiten Luftfrachtaufkommens abgewickelt,<br />
so dass die Konzentration auf einige wenige<br />
Hauptdrehkreuze deutlich stärker ausgeprägt ist<br />
als im Passagierbereich. Unter den 25 größten<br />
Frachtdrehkreuzen liegen 11 in Asien, zehn in den<br />
USA, aber nur vier in Europa. 2006 wurden insgesamt<br />
82Mio. Tonnen Fracht weltweit per Flugzeug<br />
transportiert.<br />
Der Luftfrachtverkehr in Europa ist vorwiegend auf<br />
einige Hauptdrehkreuze konzentriert, an denen<br />
jedoch nur 16% <strong>des</strong> weltweiten Luftfrachtaufkommens<br />
umgeschlagen werden. Die verbliebenen<br />
84% der gesamten Fracht wurden an den großen<br />
Frachtdrehkreuzen in Asien und den USA verladen.<br />
Insgesamt wurden 2006 an europäischen Flughäfen<br />
15Mio. Tonnen Fracht abgefertigt. Frankfurt<br />
und Paris Charles de Gaulle vereinen etwa ein<br />
Viertel <strong>des</strong> Gesamtfrachtaufkommens an europäischen<br />
Flughäfen mit zusammen knapp 4Mio.<br />
Tonnen auf sich. Auf den Plätzen 3 und 4 folgen<br />
Amsterdam und London Heathrow.<br />
Weltweit wurden im Jahr 2007 knapp 36Mio.<br />
Flüge angeboten. Die größten Luftverkehrsmärkte<br />
finden sich innerhalb Nordamerikas und Europas.<br />
Nordamerika weist die mit Abstand höchste Zahl<br />
intraregionaler Flüge auf. Das höchste interkontinentale<br />
Aufkommen verzeichnet die Nordatlantikroute.<br />
Die intraregionalen Flüge übertreffen die<br />
Anzahl interkontinentaler Flüge deutlich.<br />
Amerikanische Fluggesellschaften dominieren den<br />
Passagierverkehr. Die sechs größten Fluggesellschaften<br />
der Welt – gemessen an angeboten Sitzplätzen<br />
– sind in den USA beheimatet. Auf Platz 7<br />
befindet sich Air France-KLM, gefolgt von Continental<br />
Airlines, China Southern und Lufthansa auf<br />
den Plätzen 8 bis 10.<br />
Im europäischen Markt deckten die Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
im Jahr 2007 fast zwei<br />
Drittel (61,9%) aller Starts an europäischen Flügen<br />
ab, gefolgt von den Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
mit knapp einem Viertel (23,7%). Regional- sowie<br />
Ferienfluggesellschaften weisen hingegen nur<br />
einen Anteil von 10,3% bzw. 4,2% auf.<br />
Die Top 20 der europäischen Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
decken 80% der Flüge in ihrem<br />
Segment ab. Im Segment der Ferienfluggesellschaften<br />
ist die Konzentration sogar noch höher: Hier<br />
bilden die Top 20 mit 94% nahezu den gesamten<br />
Markt ab. Dieses Bild ist vergleichbar mit dem im<br />
Low-Cost-Segment, welches zu 90% von seinen<br />
Top-20-Fluggesellschaften bedient wird. Im Bereich<br />
der Regionalfluggesellschaften ist die Marktkonzentration<br />
vergleichsweise gering: Die Top 20<br />
decken hier 64% der Flüge ab.<br />
Die Flugsicherungen als weiteres Element in der<br />
Wertschöpfungskette <strong>des</strong> Luftverkehrs müssen sich<br />
den Herausforderungen eines wachsenden Luftverkehrsmarktes<br />
mit der Zunahme der Flugbewegungen<br />
im Luftraum sowie dem Umgang mit Kapazitätsengpässen<br />
vor allem an den Hub-Flughäfen stellen. Über<br />
3Mio. Flüge kontrollierten allein die Lotsen der DFS<br />
Deutsche Flugsicherung GmbH im deutschen Luftraum<br />
im Jahr 2007, Tendenz steigend.<br />
Um europaweit dieser Aufgabe gerecht zu werden,<br />
ist es notwendig, einen Einheitlichen Europäischen<br />
Luftraum (Single European Sky) zu schaffen, unterteilt<br />
in Luftraumblöcke, die sich an den Verkehrsströmen<br />
und nicht an nationalen Grenzen orientieren.<br />
Dafür müssen in jedem Land jedoch die rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen angepasst werden, um<br />
konform mit den EU-Vorgaben zu sein. Im Zusammenhang<br />
mit der Schaffung eines einheitlichen<br />
Luftraums könnte so in Teilen ein wettbewerblich<br />
organisierter Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />
geschaffen werden.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 19<br />
2. Ausgangssituation<br />
2.1 Angebots- und Nachfragestruktur<br />
als Basis der Betrachtungen<br />
Der Luftverkehrsmarkt in <strong>Deutschland</strong> wird angebotsseitig<br />
durch Flughafenbetreiber, Luftverkehrsgesellschaften<br />
sowie Flugsicherungsdienste getragen.<br />
Darüber hinaus wirken weitere Akteure am<br />
Marktgeschehen <strong>des</strong> Luftverkehrs mit, wie z.B. die<br />
Luftverkehrsverwaltung, der Flugplankoordinator,<br />
Reisemittler und -veranstalter sowie für Luftverkehrsgesellschaften<br />
und an Flughäfen tätige<br />
Dienstleister. Die Nachfrageseite bilden Fluggäste<br />
und Frachtversender einschließlich der Luftpost.<br />
Die Flugreisenden setzen sich zusammen aus Passagieren,<br />
die innerhalb <strong>Deutschland</strong>s und ins Ausland<br />
fliegen und aus internationalen Passagieren,<br />
die als End- oder Umsteigeziel <strong>Deutschland</strong> haben.<br />
Dabei haben die Umsteigepassagiere je nach Reiseroute<br />
die Wahl zwischen deutschen und internationalen<br />
Drehkreuzflughäfen. So kann beispielsweise<br />
ein Reisender aus Indien mit einem Zielort in den<br />
USA sowohl über einen europäischen Flughafen<br />
(z.B. Frankfurt, München, London oder Paris) als<br />
auch über ein Drehkreuz im Nahen Osten (z.B.<br />
Dubai) reisen. Eine zunehmende Bedeutung nimmt<br />
die Luftfracht ein, die entweder über Mittler wie<br />
Speditionen oder durch dieLuftverkehrsgesellschaften<br />
selbst in Form klassischer Luftfracht oder zeitgarantierter<br />
Kurier-Express-Paket-Fracht (KEP) in<br />
Passagier- und Nurfrachtflugzeugen transportiert<br />
wird.<br />
Flugreisende können in <strong>Deutschland</strong> grundsätzlich<br />
aus einer Vielzahl von Fluggesellschaften wählen.<br />
Allerdings variiert je nach Strecke die Anbieterzahl.<br />
Flughäfen stehen u.a. bei überschneidenden<br />
Einzugsgebieten und nach den von dort angebotenen<br />
Destinationen im Wettbewerb um Fluggesellschaften<br />
miteinander. Aufgrund ihres hoheitlichen<br />
Auftrags übernimmt die Flugsicherung die Kontrolle<br />
an 17 internationalen Verkehrsflughäfen in<br />
<strong>Deutschland</strong>.<br />
2.2 Marktänderungen durch<br />
Liberalisierung<br />
Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs führt zu bedeutenden<br />
strukturellen Veränderungen<br />
Die Wettbewerbsintensität hängt neben der<br />
Angebots- und Nachfragestruktur der Marktteilnehmer<br />
von den rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
ab. Im Luftverkehr gelten dabei sowohl internationale<br />
Regelungen und Vereinbarungen als auch<br />
nationales Recht. Durch die Liberalisierung <strong>des</strong><br />
deutschen und europäischen Luftverkehrs kam<br />
es zu bedeutenden strukturellen Veränderungen.<br />
So besteht u.a. die Möglichkeit für europäische<br />
Fluggesellschaften, sämtliche Verbindungen im<br />
europäischen Markt zu bedienen. Dadurch hat<br />
der Wettbewerb zwischen den Fluggesellschaften<br />
erheblich zugenommen. Dies wurde auch durch<br />
den Markteintritt diverser Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
verstärkt, die durch zahlreiche Direktverbindungen<br />
und mit niedrigen Preisen neue Kundengruppen<br />
und damit zusätzliche Nachfrage<br />
generierten.<br />
Diese strukturellen Veränderungen auf der Angebotsseite<br />
und im verkehrsrechtlichen Rahmen<br />
förderten zusätzlich den seit Jahren vorhandenen<br />
Anstieg der Nachfrage. Die steigende Anzahl von<br />
Flugbewegungen führt allerdings auch zunehmend<br />
zu Engpässen auf einigen Flughäfen, insbesondere<br />
in Frankfurt und München. Hier wie auch in Düsseldorf<br />
ist es kaum mehr möglich, Slots zu den<br />
gewünschten Zeiten zu erhalten. Der durch Neuanbieter<br />
steigende Wettbewerb kann an diesen<br />
Flughäfen nur eingeschränkt stattfinden. Gleichzeitig<br />
führen die wachstumshemmenden Kapazitätsengpässe<br />
zu unterschiedlichen Auswirkungen auf<br />
die Marktteilnehmer im Wettbewerb.<br />
Die potenzielle Wettbewerbsintensität zwischen<br />
international tätigen Fluggesellschaften hängt u.a.<br />
direkt von bilateralen Abkommen zwischen Ländern<br />
ab – sie können den Wettbewerb fördern oder<br />
ihn als Markteintrittsbarriere behindern. Die Tendenz<br />
geht zu liberaleren Abkommen, die im Fall<br />
von sogenannten Open-Sky-Abkommen i.d.R.<br />
sämtliche Verkehrsrechte und freie Preis-, Flugha-
20<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
fen- und Kapazitätswahl ermöglichen sowie keine<br />
Designierung von Airlines vorsehen.<br />
Restriktive Abkommen können durch Preis-, Kapazitäts-<br />
und Frequenzfestlegungen sowie durch<br />
eingeschränkte Designierung weniger Fluggesellschaften<br />
der Vertragsstaaten die Marktzugangschancen<br />
für neue Marktteilnehmer auf diesen<br />
Strecken erschweren. Nur wenn die <strong>des</strong>ignierte<br />
Fluggesellschaft eines Lan<strong>des</strong> ihre Rechte nicht<br />
wahrnimmt oder eine Erweiterung <strong>des</strong> bilateralen<br />
Abkommens in Verhandlungen erzielt werden<br />
kann, haben neue Marktteilnehmer eine Eintrittschance.<br />
Innerhalb der EU herrscht ein gemeinsamer Binnenmarkt<br />
im Luftverkehr. Die EU ist bestrebt,<br />
umfangreiche multilaterale Abkommen mit Drittstaaten<br />
zu schließen und so den Markt zu erweitern,<br />
da ein Urteil <strong>des</strong> Europäischen Gerichtshofs<br />
gleichen Marktzugang für alle europäischen Fluggesellschaften<br />
zu allen Diensten aus Europa heraus<br />
vorsieht.<br />
Im Folgenden wird auf bilaterale Abkommen mit<br />
den Ländern, die im Kapitel 2 analysiert werden,<br />
eingegangen. Zwischen den USA und <strong>Deutschland</strong><br />
sind seit Jahren nahezu alle Beschränkungen<br />
im bilateralen Verkehr aufgehoben („open skies“).<br />
Im neuen EU-US-Luftverkehrsabkommen, das die<br />
jeweiligen bilateralen Abkommen abgelöst hat,<br />
wird geregelt, dass alle Fluggesellschaften der EU<br />
von allen Orten aus in die USA fliegen können und<br />
umgekehrt.<br />
China und Indien stellen große Wachstumsmärkte<br />
dar. Für diese Märkte ist die Möglichkeit der zunehmenden<br />
Netzausweitung von entscheidender<br />
Bedeutung. Die bilateralen Abkommen <strong>Deutschland</strong>s<br />
mit China und Indien sehen allerdings Beschränkungen<br />
bei den Verkehrsrechten, der Anzahl<br />
der anzufliegenden Flughäfen und <strong>des</strong>ignierten<br />
Fluggesellschaften sowie bei den erlaubten Frequenzen<br />
vor. Diese Mengenbegrenzungen können eine<br />
Markteintrittsbarriere bilden.<br />
Die Golfstaaten im Nahen Osten haben relativ<br />
kleine Heimatmärkte. Diese Länder und ihre Fluggesellschaften<br />
profitieren von einer weitergehenden<br />
Liberalisierung, da sie in diesem Rahmen neue<br />
Umsteigermärkte gewinnen. Aktuell begrenzen die<br />
bilateralen Abkommen mit Bahrain, Katar und den<br />
Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) die Anzahl<br />
der anzufliegenden Flughäfen und erlaubten Frequenzen,<br />
bei den VAE ist die Frequenzzahl jedoch<br />
frei wählbar.<br />
Mit der vollständigen Verwirklichung <strong>des</strong> EU-<br />
Luftverkehrsbinnenmarktes im Jahr 1997 entfielen<br />
im EU- oder Inlandsverkehr auch die Beschränkungen<br />
im Verkehr mit Frankreich und dem Vereinigten<br />
Königreich.<br />
2.3 Markteintrittsbarrieren im Luftverkehrsmarkt<br />
Markteintrittsbarrieren führen zu Wettbewerbsbeschränkungen<br />
und sind daher für die Beurteilung<br />
<strong>des</strong> Wettbewerbs in einer Branche von Bedeutung.<br />
Markteintrittsbarrieren im Luftverkehr sind vor<br />
allem begründet durch Kapazitätsengpässe auf<br />
Flughäfen, die durch Umweltregularien, wie eine<br />
Begrenzung der Nutzungszeiten oder der Lärmmenge<br />
und durch das Regime zur Vergabe von<br />
Landerechten (Slot-Allokation) verschärft werden. 1<br />
Die Bahnkapazität ist die mit Abstand wichtigste<br />
und am schwierigsten zu behebende Kapazitätsgröße<br />
eines Flughafens. Erweiterungsmaßnahmen<br />
sind, wenn überhaupt, nur über extrem lange<br />
Zeiträume von bis zu 30 Jahren möglich, bedingt<br />
durch lange Planungs- und Genehmigungsverfahren.<br />
Auch wenn Terminalausbauten tendenziell<br />
schneller umgesetzt werden als Erweiterungen der<br />
Bahnkapazität, stellt an einzelnen Flughäfen die<br />
Terminalkapazität den entscheidenden Engpass für<br />
neue Marktzutritte dar. Hinzu kommen an vielen<br />
Standorten, wie z.B. in Düsseldorf, administrative<br />
Maßnahmen zur Kapazitätsverknappung: Durch<br />
eine Bewegungskontingentierung wird die erlaubte<br />
Zahl an Flugbewegungen unterhalb der technisch<br />
möglichen Grenze festgelegt, und eine Beschränkung<br />
der Nutzungszeiten, in der Regel durch Nachtflugbeschränkungen,<br />
macht den Marktzugang zu<br />
bestimmten Zeiten gänzlich unmöglich. In Verbindung<br />
mit der aktuellen Vergabemethodik für Slots,<br />
die sich nicht an Zahlungsbereitschaften orientieren,<br />
sondern unter anderem Bestandsgarantien bieten<br />
(Großvaterrechte), führen die genannten Engpässe<br />
dazu, dass neue bzw. zusätzliche Anbieter an<br />
attraktiven Flughäfen trotz einer bevorzugten Be-
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 21<br />
handlung bei der Slotvergabe kaum eine Möglichkeit<br />
haben, ihr Angebot am Markt darzustellen.<br />
Aber auch Betriebsgrößen- und Verbundvorteile<br />
bestehender Fluggesellschaften, die bereits über<br />
ausgedehnte Netzwerke und etablierte Hubs verfügen<br />
und deren Kundenbindungsmaßnahmen in<br />
Form von Vielfliegerprogrammen können Markteintrittsbarrieren<br />
für neue Fluggesellschaften darstellen.<br />
2 Ebenso können mangelnder Wettbewerb,<br />
z.B. im Bereich der Bodenverkehrsdienste, vertikale<br />
Integration oder mangelnde Kapazitäten im Bereich<br />
der Check-in-Einrichtungen und Gates (insbesondere<br />
in den USA) Barrieren bilden.<br />
Trotz der Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs in der EU<br />
gibt es zudem noch monopolgeschützte Strecken.<br />
Für deren Bedienung erhalten die im Rahmen einer<br />
öffentlichen Ausschreibung ermittelten Fluggesellschaften<br />
Subventionen. In <strong>Deutschland</strong> gibt es mit<br />
Hof–Frankfurt, Rostock–München und Erfurt–<br />
München zurzeit nur drei von 207 solcher in Europa<br />
monopolgeschützter Strecken. 3 Werden, wie<br />
in einigen europäischen Ländern geschehen, auch<br />
aufkommensstarke Städtepaare einer solchen<br />
Marktregelung unterworfen, so könnte dieses<br />
Instrument dazu missbraucht werden, die Betreiber<br />
dieser Strecken vor Wettbewerb zu schützen.<br />
Zudem resultieren Markteintrittsbarrieren aus<br />
den bereits oben beschriebenen bilateralen Luftverkehrsabkommen,<br />
sonstigen Beihilfen und aus<br />
Subventionszahlungen an Fluggesellschaften wie<br />
etwa an Olympic Airlines.<br />
1 Vgl. Weimann (1998): Markteintrittsbarrieren im europäischen Luftverkehr: Konsequenzen für die Anwendbarkeit der Theorie<br />
der Contestable markets, S.165 f.<br />
2 Vgl. Weimann (1998): a.a.O., S. 259ff. sowie Entscheidung der Kommission vom 16. Januar 1996, Amtsblatt Nr. L 054 vom<br />
05/03/1996 S.28–42, Rn 53: „Ein gemeinsames System kann daher für andere Gesellschaften, die nicht über vergleichbare<br />
Programme verfügen, eine nicht unerhebliche Markteintrittsschranke darstellen …“<br />
3 Public Service Obligations, List of Routes concerned, Stand: 18.06.2008, http://ec.europa.eu/transport/ air_portal/internal_<br />
market/doc/pso_180608.pdf.
22<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
2.4 Strukturierung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
in <strong>Deutschland</strong><br />
Das Passagieraufkommen in <strong>Deutschland</strong> strukturiert<br />
sich in Originär- und Umsteigeraufkommen.<br />
2.4.1 Originär- und Umsteigeraufkommen<br />
2006 verzeichnete <strong>Deutschland</strong> ein Aufkommen<br />
von insgesamt 176,6 Mio. Passagieren, die sich je<br />
zur Hälfte aus Ein- und Aussteigern zusammensetzten.<br />
Von den 88,3 Mio. Einsteigern an deutschen<br />
Flughäfen waren 68,7Mio. Originäreinsteiger,<br />
die ihre Flugreise an dem entsprechenden<br />
Flughafen begannen. Der verbleibende Teil von<br />
19,6 Mio. Einsteigern bzw. knapp 40Mio. Ein- und<br />
Berlin Region (BER)<br />
Bremen (BRE)<br />
Köln/Bonn (CGN)<br />
Dresden (DRS)<br />
Dortmund (DTM)<br />
Düsseldorf (DUS)<br />
Erfurt (ERF)<br />
Friedrichshafen (FDH)<br />
Karlsruhe (FKB)<br />
Münster/Osnabrück (FMO)<br />
Frankfurt (FRA)<br />
Hannover (HAJ)<br />
Hamburg (HAM)<br />
Hahn (HHN)<br />
Lübeck (LBC)<br />
Leipzig/Halle (LEJ)<br />
München (MUC)<br />
Weeze (NRN)<br />
Nürnberg (NUE)<br />
Paderborn (PAD)<br />
Rostock (RLG)<br />
Saarbrücken (SCN)<br />
Stuttgart (STR)<br />
0<br />
5 Mio.<br />
Originäreinsteiger<br />
Abb. 1: Struktur der Einsteige-Passagiere an Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> 2006<br />
Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />
Aussteigern ist an einem der deutschen Flughäfen<br />
umgestiegen. [Abb.1]<br />
Das Umsteigeraufkommen ist in <strong>Deutschland</strong><br />
zwischen 2002 und 2006 um rund 5,9% jährlich<br />
gestiegen, während das Originäraufkommen von<br />
100 Mio. auf fast 138 Mio. Passagiere zugenommen<br />
hat, was einem jährlichen Wachstum von<br />
7,8% entspricht. Dies ist zu einem wesentlichen<br />
Teil auf die Ausweitung <strong>des</strong> Low-Cost-Angebots<br />
in <strong>Deutschland</strong> zurückzuführen.<br />
Das Luftverkehrsnachfrageaufkommen auf den<br />
deutschen Flughäfen für das Jahr 2006 von<br />
68,7Mio. Originäreinsteigern verteilt sich auf 17<br />
internationale Verkehrsflughäfen (wobei die drei<br />
10 Mio. 15 Mio. 20 Mio.<br />
Umsteiger<br />
+ 2006<br />
+<br />
+ 68,7 Mio. Originäreinsteiger<br />
+ 19,6 Mio. Umsteiger<br />
= 88,3 Mio. Einsteiger<br />
Einsteiger = Aussteiger<br />
=188,3 Mio. Einsteiger<br />
+ 188,3 Mio. Aussteiger<br />
= 176,6 Mio. Passagiere<br />
25 Mio.<br />
30 Mio.
Berliner Flughäfen zu einem Flughafen(wert) zusammengefasst<br />
sind) und die sechs Regionalflughäfen<br />
Paderborn, Friedrichshafen, Niederrhein, Karlsruhe,<br />
Lübeck und Rostock. Mit diesen 23 bzw.<br />
25 Flughäfen, die nach der amtlichen Luftverkehrsstatistik<br />
berichtspflichtig sind, ist für das Jahr 2006<br />
weitgehend die gesamte Originärnachfrage an<br />
deutschen Flughäfen erfasst. Dabei besteht die<br />
größte Originärnachfrage am Flughafen Frankfurt<br />
mit 13,0 Mio. Einsteigern. Es folgen die Flughäfen<br />
München und die drei Berliner Flughäfen zusammen<br />
(BER) mit 10,2Mio. bzw. 9,1Mio. Originäreinsteigern<br />
sowie Düsseldorf mit rund 7,9 Mio. und der Flughafen<br />
Hamburg mit 5,8 Mio. Originäreinsteigern.<br />
Die folgende Abbildung zeigt die zeitliche Entwicklung<br />
der relativen Anteile der verschiedenen Umsteigeverkehre.<br />
Dabei haben die Europa-Europa-,<br />
Interkont-Interkont- und Europa-Interkont-Verkehre<br />
deutlich zugenommen, zulasten <strong>des</strong> Inland-<br />
Europa- und Inland-Interkont-Verkehrs. Frankfurt<br />
weist im Jahr 2006 einen Umsteigeranteil von über<br />
50% auf, während dieser in München bei 34%<br />
Prozent<br />
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 23<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
5,1<br />
35,8<br />
18,8<br />
18,5<br />
20,5<br />
1,3<br />
6,0<br />
37,4<br />
19,5<br />
16,9<br />
19,1<br />
1,1<br />
D-D D-EU, EU-D D-IK, IK-D EU-EU<br />
Abb. 2: Struktur der Umsteige-Passagiere im Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong><br />
Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />
6,3<br />
39,7<br />
18,2<br />
17,0<br />
17,8<br />
1,0<br />
liegt. Signifikante Umsteigeranteile weisen ferner<br />
Düsseldorf, Nürnberg und Stuttgart auf. Das Passagieraufkommen<br />
an den übrigen deutschen Flughäfen<br />
setzt sich im Wesentlichen aus Originäreinsteigern<br />
zusammen. [Abb.2]<br />
Die Inland-Inland-Umsteiger an deutschen Flughäfen<br />
für den Zeitraum 2002 bis 2006 wählten vorwiegend<br />
die beiden Hub-Flughäfen Frankfurt und<br />
München, wobei in Frankfurt die Anzahl der<br />
Inland-Inland-Umsteiger von 63Tsd. (2002) auf<br />
47Tsd. (2006) zurückgegangen ist, während dieser<br />
Wert in München seit 2002 von 37Tsd. auf 40Tsd.<br />
angestiegen ist. Als wahrscheinlicher Grund für den<br />
Rückgang ist das Wachstum durch innerdeutsche<br />
Angebote von Low-Cost-Fluggesellschaften zu<br />
vermuten, neue Tarifangebote der Bahn sowie die<br />
Inbetriebnahme der Schienen-Neubaustrecke<br />
zwischen Frankfurt und Köln, die zu einer deutlichen<br />
Senkung der Fahrzeiten zwischen der Metropolregion<br />
Rhein-Ruhr und den übrigen südwestdeutschen<br />
Metropolregionen geführt hat. Aber<br />
auch der Zeitpunkt der Berichtspflichtigkeit der<br />
2002 2003 2004 2005 2006<br />
7,0<br />
39,4<br />
19,5<br />
16,5<br />
16,6<br />
0,9<br />
7,0<br />
39,2<br />
21,1<br />
15,6<br />
16,1<br />
0,9<br />
EU-IK, IK-EU IK-IK
24<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Regionalflughäfen spielt hier eine Rolle. Insgesamt<br />
trägt dieses Segment jedoch nur zu rund 1% der<br />
Umsteigeverkehre bei und ist leicht rückläufig.<br />
Der überwiegende Teil der Inland-Europa-Umsteiger<br />
nutzt die Angebote an den beiden Hub-Flughäfen<br />
Frankfurt und München. Am Frankfurter Flughafen<br />
ist eine rückläufige Entwicklung zu erkennen, wobei<br />
die jährliche Abnahme zwischen 5% und 8% liegt.<br />
Besonders stark fiel der Rückgang 2006 mit knapp<br />
8% aus, so dass die Zahl der Umsteiger in diesem<br />
Markt seit 2002 von rund 757Tsd. auf 573Tsd. in<br />
Frankfurt zurückgegangen ist. Schaut man sich im<br />
gleichen Zeitraum die Entwicklung der Inland-Europa-Umsteigerzahlen<br />
in München an, ist insgesamt<br />
eine positive Entwicklung zu erkennen. Nach der<br />
Eröffnung <strong>des</strong> Terminals 2 (2003) ist 2004 ein starker<br />
Anstieg in München zu verzeichnen. Damit konnte<br />
das Angebot nachfragegerecht erweitert werden, so<br />
dass die Zahl der Umsteiger seit 2002 von 621Tsd.<br />
auf etwa 695Tsd. gewachsen ist. Seitdem ist jedoch<br />
eine Stagnation zu erkennen: 2005 waren die Umsteigerzahlen<br />
leicht rückläufig, während diese 2006<br />
nahezu konstant blieben. Signifikantes Inland-Europa-Umsteigeraufkommen<br />
weisen zudem die Flughäfen<br />
Düsseldorf, Nürnberg und Stuttgart auf, wobei<br />
die Umsteigerzahl bei rund 100Tsd. liegt. In diesem<br />
Segment ist eine relative Abnahme zu beobachten.<br />
Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, waren in diesem<br />
Verkehrssegment 2002 noch 20% der Umsteiger<br />
zu finden, 2006 waren es nur noch gut 16%. Dies<br />
hängt mit dem Wachstum der Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
zusammen, die eine Vielzahl von neuen<br />
Städtepaaren bedienen 4 sowie mit einem Ausbau<br />
<strong>des</strong> dezentralen Streckennetzes z.B. der Lufthansa.<br />
Dieses neue Angebot ermöglicht Passagieren ein<br />
umsteigefreies Reisen.<br />
Inland-Interkont-Umsteiger nutzen zum überwiegenden<br />
Teil den Flughafen Frankfurt (2006:<br />
1,1Mio.), gefolgt von München (2006: 250Tsd.).<br />
Frankfurt weist aufgrund <strong>des</strong> verbesserten Intermodalangebotes<br />
seit 2005 fallende Werte auf,<br />
wohingegen in München seit 2004 ein positiver<br />
Trend zu verzeichnen ist. Die Flughäfen Düsseldorf,<br />
Stuttgart und Nürnberg weisen ein Inland-Interkont-Umsteigeraufkommen<br />
von rund 50Tsd.<br />
Passagieren pro Jahr auf. Auch dieses Segment<br />
4 Vgl. DLR/ADV (2008): Low Cost Monitor 1/2008.<br />
der Umsteiger weist von 18,5% (2002) zu 15,6%<br />
(2006) eine rückläufige Tendenz auf.<br />
Für den Europa-Europa-Verkehr an deutschen<br />
Flughäfen für den Zeitraum 2002 bis 2006 sind die<br />
beiden Hauptumsteigeflughäfen wieder Frankfurt<br />
und München, und das Aufkommen in München<br />
erreicht 2006 nahezu das Niveau von Frankfurt<br />
(2,0 Mio. vs. 1,8 Mio. Passagiere). Über den gesamten<br />
Zeitraum ist an beiden Flughäfen ein positiver<br />
Wachstumstrend zu verzeichnen, wobei München<br />
den Flughafen Frankfurt in seiner Wachstumsdynamik<br />
übertrifft. Ein geringes Europa-Europa-Umsteigeraufkommen<br />
mit einem positiven Wachstumstrend<br />
ist auch in Düsseldorf vorhanden. An den<br />
übrigen deutschen Flughäfen ist – wenn überhaupt<br />
– nur ein deutlich geringeres Umsteigeraufkommen<br />
im Europa-Europa-Verkehr zu verzeichnen. Dieser<br />
Umsteigeverkehr ist mittlerweile das zweitgrößte<br />
Segment und konnte seinen Anteil von 18,8% in<br />
2002 auf 21,1% in 2006 steigern.<br />
Frankfurt und München sind die beiden deutschen<br />
Flughäfen mit deutlichem Europa-Interkont-<br />
Umsteigeraufkommen. An den übrigen deutschen<br />
Flughäfen ist nahezu kein Verkehr in diesem Segment<br />
vorhanden. Während in Frankfurt seit 2005<br />
die Europa-Interkont-Umsteigerzahlen leicht rückläufig<br />
sind, steigen diese in München seit 2002<br />
konstant an. Insbesondere 2004 ist ein deutlicher<br />
Wachstumssprung u.a. aufgrund der Eröffnung <strong>des</strong><br />
Terminals 2 festzustellen. Jedoch übertrifft Frankfurt<br />
München in absoluten Werten nahezu um<br />
das fünffache (3,1Mio. vs. 700Tsd.). Insgesamt<br />
betrachtet nimmt dieses Marktsegment mit rund<br />
40% <strong>des</strong> gesamten Umsteigeraufkommens an<br />
deutschen Flughäfen die bedeutendste Stellung<br />
ein. Zurückzuführen ist die besondere Bedeutung<br />
dieses Verkehrssegments auf das sehr dichte<br />
europäische Streckennetz der Lufthansa und ihrer<br />
Allianzpartner, welches eine wichtige Grundlage<br />
bietet, um wirtschaftlich tragfähige Auslastungsgrade<br />
der Interkontinentalflüge ab Frankfurt und<br />
München zu erzielen.<br />
Nahezu das gesamte Aufkommen an Interkont-<br />
Interkont-Umsteigern ist auf den Flughafen Frankfurt<br />
konzentriert, ein kleiner Teil ist in München zu
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 25<br />
finden. Von 2002 bis 2006 ist das Interkont-Interkont-Umsteigeraufkommen<br />
von 800Tsd. auf<br />
knapp 1,4Mio. Passagiere gestiegen, wobei die<br />
Wachstumsdynamik 2006 deutlich nachgelassen<br />
hat. <strong>Deutschland</strong>weit betrachtet hat die Bedeutung<br />
dieser Umsteigeverkehre von 5,1% in 2002 auf<br />
7,0% in 2006 zugenommen.<br />
Insgesamt zeigt sich, dass ein großer Teil <strong>des</strong> Interkont-Umsteigeverkehrs<br />
über den Flughafen Frankfurt<br />
abgewickelt wird. Demgegenüber spielt beim<br />
Europa-Umsteigeverkehr auch der Flughafen<br />
München eine wesentliche Rolle.<br />
Allerdings konkurrieren die Standorte Frankfurt<br />
und München um Umsteigerpassagiere mit anderen,<br />
nicht-deutschen Hubs und einigen weiteren<br />
Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>. Gerade in den vergangenen<br />
Jahren haben die Passagiere von Sekundärflughäfen<br />
mit großen Einzugsgebieten in <strong>Deutschland</strong><br />
eine zunehmende Auswahl an neuen Verbin-<br />
Reisende pro Monat<br />
10.000<br />
9.000<br />
8.000<br />
7.000<br />
6.000<br />
5.000<br />
4.000<br />
3.000<br />
2.000<br />
1.000<br />
0<br />
Reisende über Frankfurt und München<br />
Reisende über Amsterdam, London und Paris<br />
dungen zu außereuropäischen Hubs erhalten. Neben<br />
zahlreichen Verbindungen über die großen<br />
europäischen Hubs wurden neue Interkontinentaldienste<br />
von deutschen und ausländischen Fluggesellschaften<br />
eingerichtet, die es den Flugreisenden<br />
ermöglichen, aufkommensstarke interkontinentale<br />
Ziele wie z.B. New York ohne Umsteigen zu erreichen<br />
bzw. an den außereuropäischen Hubs umzusteigen,<br />
um zu ihrem Endziel zu gelangen.<br />
2.4.2 Fallstudien zu Interkontangeboten von<br />
Sekundärflughäfen<br />
Diese Entwicklung führt zur Umverteilung und<br />
Neugenerierung von Verkehren, was im Folgenden<br />
an zwei Beispielen erläutert werden soll.<br />
Das erste Beispiel zeigt den Markt zwischen Hamburg<br />
und 21 Metropolregionen in Nordamerika, die<br />
auch von den beiden deutschen Hub-Flughäfen<br />
angeflogen werden. Abb.3 zeigt zwischen 1998<br />
Jan 98<br />
Apr 98<br />
Jul 98<br />
Okt 98<br />
Jan 99<br />
Apr 99<br />
Jul 99<br />
Okt 99<br />
Jan 00<br />
Apr 00<br />
Jul 00<br />
Okt 00<br />
Jan 01<br />
Apr 01<br />
Jul 01<br />
Okt 01<br />
Jan 02<br />
Apr 02<br />
Jul 02<br />
Okt 02<br />
Jan 03<br />
Apr 03<br />
Jul 03<br />
Okt 03<br />
Jan 04<br />
Apr 04<br />
Jul 04<br />
Okt 04<br />
Jan 05<br />
Apr 05<br />
Jul 05<br />
Okt 05<br />
Jan 06<br />
Apr 06<br />
Jul 06<br />
Okt 06<br />
Jan 07<br />
Apr 07<br />
Jul 07<br />
Okt 07<br />
Jan 08<br />
Apr 08<br />
Reisende über/nach New York<br />
Gleitender Durchschnitt (Jahresbasis) für<br />
Reisende über Frankfurt und München<br />
Abb. 3: Reisende ab Hamburg zu 21 ausgewählten Metropolregionen in Nordamerika über diverse Umsteigeflughäfen<br />
Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2008, DLR 2008
26<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
und 2001 einen im Jahresdurchschnitt kontinuierlichen<br />
Wachstumstrend im Reisendenaufkommen<br />
zwischen Hamburg und Zielen in Nordamerika,<br />
der durch die Ereignisse <strong>des</strong> 11. September 2001<br />
unterbrochen wird. Nach einer Erholung <strong>des</strong><br />
Marktes lag zwischen 2003 und 2005 das Aufkommen<br />
der Reisenden zwischen Hamburg und<br />
den nordamerikanischen Metropolregionen, die<br />
in Frankfurt oder München umgestiegen sind, im<br />
Jahresdurchschnitt bei ungefähr 6Tsd. pro Monat.<br />
Nach dem Markteintritt von zwei ausländischen<br />
Fluggesellschaften, die in der Folge jeweils einen<br />
täglichen Direktdienst von Hamburg nach New<br />
York anboten, ging dieser Wert in den Jahren 2006<br />
und 2007 auf durchschnittlich 5,3Tsd. Reisende<br />
pro Monat zurück. Zu Beginn <strong>des</strong> Jahres 2008<br />
erreichte das Reisendenaufkommen über Frankfurt<br />
und München wieder einen Wert von ca. 6Tsd.<br />
pro Monat.<br />
Grundsätzlich zeigen sich am Beispiel <strong>des</strong> Marktes<br />
Hamburg-Nordamerika zwei Effekte: Zum einen<br />
kommt es in diesem Fall durch die Aufnahme der<br />
neuen Direktdienste nach Nordamerika zu einer<br />
Verlagerung der Passagierströme. Ein Vergleich der<br />
beiden Perioden 2004/2005 und 2006/2007 zeigt<br />
einen Rückgang <strong>des</strong> Reisendenaufkommens über<br />
Frankfurt und München um annähernd 12%.<br />
Auch die Hubs London Heathrow, Paris Charles de<br />
Gaulle und Amsterdam mussten durch die Neuaufnahme<br />
der Direktverbindung Rückgänge in den<br />
Passagierzahlen auf dem betrachteten Markt Hamburg-Nordamerika<br />
in ähnlicher Größenordnung<br />
verkraften. Die Verlagerung hin zu den Direktflügen<br />
ist wiederum durch zwei Ansätze zu erklären.<br />
Zum einen ist die neue Verbindung für zeitsensible<br />
Reisende (d.h. insbesondere Geschäftsreisende)<br />
attraktiv, die in die Metropolregion New York reisen,<br />
da durch den Nonstop-Dienst zeitaufwändige<br />
Umwege und Umsteigevorgänge vermieden werden.<br />
Zudem können kleinere Ziele in Nordamerika,<br />
die nicht direkt ab Frankfurt und München, jedoch<br />
ab New York bedient werden, nun mit einmaligem<br />
statt mit vormals zweimaligem Umsteigen erreicht<br />
werden. Zum anderen bieten Fluggesellschaften in<br />
Folge der Aufnahme einer Strecke z.T. relativ niedrige<br />
Flugpreise an, um Neukunden zu gewinnen<br />
und sich im Markt zu etablieren. Dies trägt auch zu<br />
den gezeigten Verlagerungseffekten bei. Daneben<br />
ist jedoch auch der durch die Aufnahme eines interkontinentalen<br />
Direktdienstes entstehende Verkehrsgenerierungseffekt<br />
zu berücksichtigen. Dieser kann<br />
im Fall <strong>des</strong> Hamburg-Nordamerika-Marktes in Verbindung<br />
mit dem allgemeinen Marktwachstum mit<br />
einem jährlichen Aufkommen in einer Größenordnung<br />
von 40 bis 60Tsd. Reisenden pro Jahr abgeschätzt<br />
werden. 5<br />
Beispiele für die Verkehrsverlagerung und -generierung<br />
auf den Strecken nach Asien sind die in den<br />
vergangenen Jahren neu aufgelegten Verbindungen<br />
von Düsseldorf und Hamburg über Dubai<br />
durch Emirates sowie von Berlin über Doha durch<br />
Qatar Airways.<br />
Die nebenstehende Abb.4 zeigt exemplarisch die<br />
Luftverkehrsentwicklung von Düsseldorf zu 24 Zielen<br />
in Asien, die gleichzeitig sowohl ab Dubai als<br />
auch ab Frankfurt bzw. München bedient werden.<br />
Während lange Zeit der asiatische Markt von<br />
Düsseldorf aus vorwiegend über die Umsteigeverbindungen<br />
in Frankfurt und München bedient<br />
worden ist, hat sich mittlerweile Dubai zu einem<br />
der Hauptumsteigeflughäfen für Reisende von<br />
Düsseldorf mit Ziel Asien entwickelt. Die Anzahl<br />
der Reisenden über Dubai zu den 24 ausgewählten<br />
Zielen hat insbesondere seit Mitte 2005 bis Ende<br />
2007 auf 8 bis 9 Tsd. pro Monat zugenommen.<br />
Weniger als die Hälfte dieser Reisenden hatte ihr<br />
Endziel in Dubai. Mit der Einführung einer zweiten<br />
täglichen Verbindung ab Düsseldorf seit Mai 2006<br />
liegt die Zahl der betrachteten Asien-Umsteiger<br />
in Frankfurt und München für den betrachteten<br />
Zeitraum weiterhin stabil bzw. leicht steigend<br />
zwischen 4 und 5 Tsd. pro Monat. Die übrigen<br />
5 Vgl. Wilken/Berster (2008): Demand Generation and Redistribution Effects of new decentral intercontinental air services in<br />
Germany, Proceedings of the 12th Annual Air Transport Research Society World Conference, Athen.<br />
6 Zu berücksichtigen ist jedoch gerade im Fall von Düsseldorf, dass sich aufgrund der Neubaustrecke Köln–Rhein/Main die<br />
intermodale Anbindung <strong>des</strong> Frankfurter Flughafens deutlich verbessert hat und somit zumin<strong>des</strong>t ein Teil jener Passagiere, die in<br />
der Vergangenheit einen Zubringer Düsseldorf–Frankfurt verwendet haben, nun auf die Bahn umgestiegen sind und damit in<br />
der amtlichen Luftverkehrsstatistik nicht mehr als Umsteiger, sondern als Frankfurter Originäreinsteiger erfasst werden.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 27<br />
Umsteigeflughäfen wie z.B. Amsterdam, London<br />
Heathrow, Paris Charles de Gaulle und Helsinki<br />
spielen in diesem Fall nur eine untergeordnete<br />
Rolle, zeigen jedoch ebenfalls ein leichtes Wachstum<br />
auf mittlerweile über 3 Tsd. Reisende pro<br />
Monat. 6<br />
Wie für das zuvor erläuterte Beispiel <strong>des</strong> Marktes<br />
Hamburg-Nordamerika gilt auch für die Relation<br />
Düsseldorf-Asien, dass durch die Aufnahme der<br />
Direktverbindung die Nachfrage für das Endziel<br />
Dubai wie auch die Gesamtnachfrage für den<br />
Zielmarkt Asien über das durchschnittliche Marktwachstum<br />
hinaus stimuliert wurde. Derartige<br />
Effekte sind in ähnlicher Form auch bei innereuropäischen<br />
Low-Cost-Angeboten zu beobachten.<br />
Nach dem Markteintritt eines Anbieters mit einer<br />
Nonstop-Verbindung steigt die Nachfrage auf der<br />
betrachteten Relation sprunghaft an – der Gesamt-<br />
Reisende pro Monat<br />
10.000<br />
9.000<br />
8.000<br />
7.000<br />
6.000<br />
5.000<br />
4.000<br />
3.000<br />
2.000<br />
1.000<br />
0<br />
Reisende über Frankfurt und München<br />
Reisende über Amsterdam, Helsinki, London und Paris<br />
Abb. 4: Reisende ab Düsseldorf nach Asien über diverse Umsteigeflughäfen<br />
Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2008, DLR 2008<br />
markt wird also größer. Personen, die zuvor nicht<br />
oder zu anderen Zielen gereist sind, nutzen nun<br />
das neue Angebot.<br />
Ein wichtiger Faktor bei der Analyse der Effekte der<br />
neuen Interkontinentaldienste von Sekundärflughäfen<br />
sind Flugpreise und Gesamtreisezeiten. Eine<br />
Analyse der Verbindungsqualität zu acht ausgewählten,<br />
aufkommensstarken Zielen (Bangkok,<br />
Delhi, Hongkong, Mumbai, Osaka, Peking, Seoul<br />
und Singapur), die sowohl von Lufthansa als auch<br />
von Emirates angeflogen werden, zeigt, dass die<br />
Reisezeit pro Strecke über Dubai durchschnittlich<br />
fast drei Stunden länger dauert, als bei Umsteigeverbindungen<br />
über Frankfurt oder München. Dies<br />
liegt neben einem oft erheblichen Umweg auch an<br />
relativ langen Umsteigezeiten in Dubai. Um diese<br />
Verbindungen, die zumin<strong>des</strong>t aufgrund <strong>des</strong> Parameters<br />
„Reisezeit“ einen geringeren Kundennut-<br />
Jan 98<br />
Apr 98<br />
Jul 98<br />
Okt 98<br />
Jan 99<br />
Apr 99<br />
Jul 99<br />
Okt 99<br />
Jan 00<br />
Apr 00<br />
Jul 00<br />
Okt 00<br />
Jan 01<br />
Apr 01<br />
Jul 01<br />
Okt 01<br />
Jan 02<br />
Apr 02<br />
Jul 02<br />
Okt 02<br />
Jan 03<br />
Apr 03<br />
Jul 03<br />
Okt 03<br />
Jan 04<br />
Apr 04<br />
Jul 04<br />
Okt 04<br />
Jan 05<br />
Apr 05<br />
Jul 05<br />
Okt 05<br />
Jan 06<br />
Apr 06<br />
Jul 06<br />
Okt 06<br />
Jan 07<br />
Apr 07<br />
Jul 07<br />
Okt 07<br />
Jan 08<br />
Apr 08<br />
Reisende über/nach Dubai<br />
Gleitender Durchschnitt (Jahresbasis) für<br />
Reisende über Frankfurt und München<br />
Gleitender Durchschnitt (Jahresbasis) für<br />
Reisende über/nach Dubai
28<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
zen darstellen, am Markt absetzen zu können, sind<br />
daher preisliche Zugeständnisse erforderlich. Eine<br />
Analyse der im Juli 2008 angebotenen Flugpreise<br />
ab Düsseldorf zu den acht dargestellten Städtepaaren<br />
in der Economy- und Business Class für jeweils<br />
drei Buchungszeiträume (7, 30 und 180 Tage Vorausbuchungsfrist)<br />
sowie zwei Reiselängen (3 Tage<br />
ohne Wochenendaufenthalt und 14 Tage) zeigt<br />
ein differenziertes Bild. 7 Bei Reisen mit einer sehr<br />
kurzen Länge von drei Tagen, deren Hauptzielgruppe<br />
Geschäftsreisende sind, liegt der Ticketpreis<br />
bei Emirates in der Economy Class durchschnittlich<br />
50% unterhalb <strong>des</strong> Lufthansa-Tarifs. Bei Reisen mit<br />
einer Länge von 14 Tagen liegt der Preis bei Emirates<br />
im Durchschnitt 13% unterhalb dem von Lufthansa.<br />
In der Business Class sind die durchschnittlichen<br />
Preisabstände insgesamt geringer: Bei Kurzreisen<br />
mit einer Länge von drei Tagen liegt der Tarif<br />
bei Emirates 14%, bei Reisen mit einer Länge von<br />
14 Tagen 17% unterhalb dem von Lufthansa. Es<br />
sei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in<br />
der Mehrzahl der untersuchten Fälle andere Fluggesellschaften<br />
weitere Angebote machen, die noch<br />
unterhalb <strong>des</strong> Flugpreises von Emirates liegen,<br />
darunter auch die europäischen Wettbewerber<br />
KLM, Air France und British Airways.<br />
Anhand der beiden gezeigten Beispiele, die als<br />
exemplarisch für neue Interkontinentaldienste von<br />
deutschen Sekundärflughäfen gelten können,<br />
lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ableiten:<br />
Die Lage der neuen Hubs am Golf führt – selbst bei<br />
optimaler Flugplangestaltung – zu Reisezeitverlängerungen<br />
von bis zu 5 Stunden bei Umsteigever-<br />
bindungen aus Mitteleuropa nach Ostasien (insbesondere<br />
bei Destinationen in China, Japan oder<br />
Korea). Zu anderen Destinationen, wie z.B. Bangkok,<br />
Delhi, Mumbai oder Singapur, bei denen der<br />
Umweg über Dubai mit dem über Frankfurt oder<br />
München vergleichbar ist und somit potenziell<br />
Umsteigeverbindungen mit ähnlichen Gesamtreisezeiten<br />
angeboten werden könnten, bietet Emirates<br />
derzeit kaum konkurrenzfähige Verbindungen für<br />
zeitsensible Reisende an. Die Umsteigezeiten in<br />
Dubai liegen derzeit zwischen drei und fünf Stunden.<br />
Hierdurch ist zu erklären, warum trotz <strong>des</strong><br />
neuen Flugangebotes und niedriger Flugpreise die<br />
bisherigen Hubs nicht wesentlich an Nachfrage<br />
verloren haben bzw. sogar absolut leicht zulegen<br />
konnten. Für das Segment der zeitsensitiven Geschäftsreisenden,<br />
die zudem häufig Statuskunden<br />
in Vielfliegerprogrammen sind, spielt das neue Angebot<br />
trotz niedrigerer Preise aufgrund längerer<br />
Gesamtreisezeiten eine geringere Rolle im Vergleich<br />
zu den schnellen Verbindungen über die deutschen<br />
Hubs.<br />
Im Fall der Relation Hamburg-Nordamerika sind die<br />
zu beobachtenden Verlagerungseffekte größer –<br />
der Hub New York Newark liegt für nahezu je<strong>des</strong><br />
Ziel in Nordamerika ideal, d.h. bei optimaler Flugplangestaltung<br />
sind die Reisezeiten über Newark<br />
mit denen über Frankfurt oder München nahezu<br />
identisch. Für Reisende mit Endziel New York sinkt<br />
die Reisezeit durch die Non-Stop-Verbindung um<br />
min<strong>des</strong>tens 90 Minuten.<br />
Preissensible Privatreisende, die zudem nicht durch<br />
Vielfliegerprogramme an eine einzelne Fluggesellschaft<br />
bzw. Allianz gebunden sind, dürften mit<br />
7 Die Preisanalyse basiert auf angebotenen Preisen von Fluggesellschaften und Online-Reisebüros, abgefragt über die Meta-<br />
Suchmaschine www.kayak.com. Auf dieser Internetseite können die günstigsten verfügbaren Tarife der Online-Reisebüros wie<br />
CheapTickets, Expedia, Orbitz, Priceline und Travelocity und der Fluggesellschaften Air France, Austrian Airlines, British Airways,<br />
Cathay Pacific, Emirates, KLM, Lufthansa, Qantas, Singapore Airlines und Thai Airways direkt verglichen werden. Insgesamt<br />
umfasst die Preisanalyse 288 Kombinationen aus Städtepaar, Buchungsklasse, Vorausbuchungsfrist, Reisedauer und Fluggesellschaft<br />
(neben den Preisen von Lufthansa und Emirates wurde auch der jeweils preisgünstigste Drittanbieter ermittelt).<br />
8 So hat z.B. eine Studie in den USA ergeben, dass Geschäftsreisende für die Möglichkeit, in ihrem präferierten Vielfliegerprogramm<br />
Meilen sammeln zu können, bereit sind, einen um bis zu 72 USD höheren Ticketpreis zu zahlen. Hingegen beträgt die<br />
zusätzliche Zahlungsbereitschaft bei Privatreisenden nur 26 USD. Vgl. Proussalogloua/Koppelman: The Choice of Carrier, Flight<br />
and Fare Class, in: Journal of Air Transport Management 5 (1999), S.193–201.<br />
9 Vgl. AeroBrief: Frankfurt, Dresden, Zürich, Münster/Osnabrück: Winterflugpläne mit neuen Routen, http://www.entity38.de/<br />
aerobrief/index.php?option=com_content&task=view&id=2063&Itemid=34, Abruf am 11.08.2008.<br />
10 Vgl. www.eurocontrol.int/prc.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 29<br />
einer weitaus größeren Wahrscheinlichkeit als<br />
zeitsensible Geschäftsreisende die neuen Angebote<br />
annehmen. 8 Der Wettbewerb um diese Kundengruppe<br />
ist aufgrund der Präsenz nahezu aller<br />
größeren europäischen Netzwerkfluggesellschaften<br />
sowohl in Düsseldorf als auch in Hamburg sehr<br />
intensiv, was zu einem Absinken der Flugpreise<br />
führt. Die Flugpreisabfrage hat beispielsweise Tarife<br />
mit einer sechsmonatigen Vorausbuchungsfrist von<br />
Düsseldorf nach Bangkok, Seoul und Peking zwischen<br />
592 und 661 EUR durch die Anbieter Turkish<br />
Airlines, British Airways und Finnair ergeben.<br />
Aufgrund der begrenzten Flughafenkapazitäten ist<br />
es den Fluggesellschaften in Frankfurt kaum möglich,<br />
neue Flugverbindungen zu Destinationen in<br />
attraktiven Märkten und zu attraktiven Zeitlagen<br />
anzubieten. Die Verwaltung <strong>des</strong> Mangels führt in<br />
vielen Fällen dazu, dass neue Ziele nur durch die<br />
Aufgabe bisheriger Verbindungen realisiert werden<br />
Nach einer kurzen Darstellung <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrs<br />
soll in den folgenden Kapiteln detailliert<br />
auf die wesentlichen Akteure der Angebotsseite<br />
<strong>des</strong> Luftverkehrs eingegangen werden. Diese sind<br />
die Flughäfen, die Fluggesellschaften und die Flugsicherungen.<br />
Daneben wirken aber auch weitere<br />
Akteure auf den Luftverkehrsmarkt ein.<br />
Hier wurde bewusst darauf verzichtet, Flughäfen,<br />
Fluggesellschaften und Flugsicherungen bezüglich<br />
ihrer Kosten, Gebühren und Erlöse miteinander zu<br />
vergleichen. Die für solche Vergleiche notwendigen<br />
Daten liegen öffentlich nur unvollständig vor und<br />
sind von Einrichtung zu Einrichtung zudem noch<br />
unterschiedlich strukturiert. So sind z.B. in den<br />
Flughafenentgelten bei einem Flughafen die Flugsicherungsgebühren<br />
und Luftsicherheitskosten<br />
enthalten, bei anderen nicht. Eurocontrol gibt mit<br />
dem Air Traffic Management Cost Effectiveness<br />
(ACE)-Report und dem Performance Review Report<br />
(PRR) 10 jährlich detaillierte Übersichten von<br />
Leistungskenngrößen für Kosteneffizienz und<br />
Produktivität der europäischen Flugsicherungs-<br />
können. Beispielsweise wurden zu Beginn <strong>des</strong><br />
Winterflugplans 2007/08 in Frankfurt 8,2% der<br />
innerdeutschen Flüge reduziert, bei gleichzeitigem<br />
Wachstum der Interkontinentalflüge um 6,7%. 9<br />
Die Kapazitätsengpässe an den Hubs in <strong>Deutschland</strong><br />
stellen einen erheblichen Wettbewerbsnachteil<br />
gegenüber konsequent ausgebauten Flughäfen in<br />
Europa wie Paris und Amsterdam aber auch den<br />
neuen Drehkreuzen am arabischen Golf dar. Auch<br />
im Falle von München ist es aufgrund der begrenzten<br />
Kapazität kaum mehr möglich, neue Flüge in<br />
attraktiven Zeitlagen mit wettbewerbsfähigen<br />
Anschlussflügen anzubieten, die für Fluggesellschaften<br />
überhaupt wirtschaftlich darstellbar sind.<br />
Die Analyse der beiden gezeigten Beispiele lässt<br />
erkennen, dass ein erheblicher Teil <strong>des</strong> Luftverkehrswachstums<br />
an den deutschen Hub-Flughäfen<br />
vorbei geht und sich der Marktanteil der deutschen<br />
Hub-Flughäfen reduziert.<br />
3. Wesentliche Akteure <strong>des</strong> Luftverkehrs –<br />
Flughäfen, Fluggesellschaften und Flugsicherungen<br />
dienstleister heraus. Obwohl dies die umfangreichste<br />
europaweite Zusammenstellung relevanter<br />
ökonomischer Faktoren der Flugsicherungen darstellt,<br />
wird explizit darauf hingewiesen, dass ein<br />
Leistungsvergleich der Organisationen mit diesen<br />
Faktoren allein unzulässig wäre, da nur ein Teil der<br />
jeweiligen einschränkenden Bedingungen bisher<br />
erfasst und bewertbar ist.<br />
3.1. Flughäfen<br />
3.1.1 Passagierverkehr auf globaler und europäischer<br />
Ebene<br />
Weltweit starke Konzentration auf wenige große<br />
Hubs bei den Passagieren<br />
Gemessen an der Anzahl der Passagiere nutzten<br />
2006 mehr als ein Viertel (28%) aller Fluggäste<br />
einen der 25 größten Flughäfen der Welt. Diese<br />
großen Flughäfen liegen in den USA, in Europa<br />
oder in den bevölkerungsreichen Ländern Asiens
30<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
wie China, Thailand oder Japan. Insgesamt umfassen<br />
die für diese Untersuchung verwendeten Statistiken<br />
<strong>des</strong> Airports Council International (ACI)<br />
über 1.000 Flughäfen. [Abb.5]<br />
Insgesamt wurden 2006 weltweit 4,3 Mrd. Passagiere<br />
im gewerblichen Luftverkehr gezählt (ankommende<br />
und abfliegende Passagiere, ohne Transit).<br />
Spitzenreiter bei der Anzahl der abgefertigten Passagiere<br />
sind die Flughäfen Atlanta Hartsfield-Jackson<br />
mit 84Mio. Passagieren und Chicago O’Hare mit<br />
77 Mio. Passagieren. An dritter Stelle steht der<br />
Flughafen London Heathrow (67Mio.) und an<br />
siebter Stelle der Flughafen Paris Charles de Gaulle<br />
(57 Mio.). Von den europäischen Flughäfen folgen<br />
Frankfurt (52 Mio.), Amsterdam (46 Mio.) und<br />
Atlanta (USA)<br />
Chicago O’Hare (USA)<br />
London Heathrow (Großbritannien)<br />
Tokio Haneda (Japan)<br />
Los Angeles (USA)<br />
Dallas/Fort Worth (USA)<br />
Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />
Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Peking (China)<br />
Denver (USA)<br />
Las Vegas (USA)<br />
Amsterdam (Niederlande)<br />
Madrid (Spanien)<br />
New York John F. Kennedy (USA)<br />
Hongkong (China)<br />
Houston George Bush (USA)<br />
Phoenix (USA)<br />
Bangkok Suvarnabhumi (Thailand)<br />
Newark (USA)<br />
Detroit (USA)<br />
Minneapolis/Saint Paul (USA)<br />
Tokio Narita (Japan)<br />
Orlando (USA)<br />
London Gatwick (Großbritannien)<br />
Singapur (Singapur)<br />
10 Mio.<br />
Abb. 5: Die 25 größten Flughäfen in der Welt nach Zahl der Passagiere 2006<br />
Quelle: ACI 2007, DLR 2008. * An- und abfliegende Passagiere ohne Transit<br />
0<br />
Madrid (45Mio.) auf den Plätzen 8, 12 bzw. 13.<br />
München befindet sich auf Platz 30 der weltweit<br />
passagieraufkommensstärksten Flughäfen. Die gute<br />
Platzierung von London Heathrow ist auf den hohen<br />
Anteil von interkontinentalen Flügen mit hoher<br />
Sitzplatzkapazität pro Flugzeug zurückzuführen.<br />
Unter den 25 größten Flughäfen in Bezug auf die<br />
Gesamtpassagierzahl finden sich auch sechs asiatische<br />
Flughäfen: Tokio Haneda (66 Mio.), Peking<br />
(49 Mio.), Hongkong (43 Mio.), Bangkok (41Mio.),<br />
Tokio Narita (34 Mio.) und Singapur (33 Mio.).<br />
Der hohe Konzentrationsgrad der Flughäfen bezogen<br />
auf die Anzahl der Passagiere lässt sich auch im<br />
europäischen Vergleich nachweisen. Von den 408 in<br />
Marktanteil in der Welt<br />
(insg. 4,3 Mrd. Passagiere)<br />
72%<br />
30 Mio. 50 Mio. 70 Mio.<br />
28%<br />
Top-25-Flughäfen<br />
Restliche Flughäfen<br />
90 Mio.<br />
Anzahl der Passagiere*
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 31<br />
der ACI-Statistik enthaltenen europäischen Flughäfen<br />
wurden an den 25 größten mehr als die Hälfte<br />
(52%) <strong>des</strong> europäischen und 16% <strong>des</strong> weltweiten<br />
Passagieraufkommens bewältigt. [Abb.6]<br />
Insgesamt wurden 2006 an europäischen Flughäfen<br />
1,3 Mrd. Passagiere gezählt. Die Zahl der abgefertigten<br />
Passagiere an den Top-25-Flughäfen reicht<br />
von 67Mio. für London Heathrow bis 15Mio. für<br />
Athen. Die großen europäischen Flughäfen liegen in<br />
Westeuropa, mit Ausnahme der Flughäfen Istanbul<br />
und Moskau. Die ersten fünf Plätze werden von<br />
den großen internationalen Drehkreuzen in London,<br />
Paris, Frankfurt, Amsterdam und Madrid belegt. Die<br />
Konzentration lässt sich auf den vergleichsweise<br />
hohen Anteil von interkontinentalen Flügen mit<br />
London Heathrow (Großbritannien)<br />
Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />
Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Amsterdam (Niederlande)<br />
Madrid (Spanien)<br />
London Gatwick (Großbritannien)<br />
München (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Barcelona (Spanien)<br />
Rom Fiumicino (Italien)<br />
Paris Orly (Frankreich)<br />
London Stansted (Großbritannien)<br />
Palma de Mallorca (Spanien)<br />
Manchester (Großbritannien)<br />
Mailand Malpensa (Italien)<br />
Istanbul Ataturk (Türkei)<br />
Dublin (Irland)<br />
Kopenhagen (Dänemark)<br />
Zürich (Schweiz)<br />
Oslo (Norwegen)<br />
Stockholm Arlanda (Schweden)<br />
Wien (Österreich)<br />
Brüssel (Belgien)<br />
Düsseldorf (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Moskau Domodedovo (Russland)<br />
Athen (Griechenland)<br />
10 Mio.<br />
Abb. 6: Die 25 größten Flughäfen in Europa nach Zahl der Passagiere 2006<br />
Quelle: ACI 2007, DLR 2008. *An- und abfliegende Passagiere ohne Transit<br />
0<br />
größerem Fluggerät zurückführen. Unter den großen<br />
Flughäfen Europas nach Anzahl der Passagiere<br />
nehmen München mit Rang 7 und rund 31Mio.<br />
Fluggästen und Düsseldorf mit Rang 23 und rund<br />
17Mio. Fluggästen vordere Platzierungen ein.<br />
USA Spitzenreiter bei den Flugbewegungen<br />
Betrachtet man die Anzahl der Flugbewegungen im<br />
Linien- und Ferienflugverkehr (ohne den gewerblichen<br />
Teil der Allgemeinen Luftfahrt) so wurde 2006<br />
über die 25 größten Flughäfen der Welt ein Viertel<br />
aller Flüge abgewickelt. Von diesen Flughäfen<br />
liegen 19 in den USA und sechs in Westeuropa.<br />
Gemessen an der Anzahl der Flugbewegungen<br />
nehmen die Flughäfen von Atlanta und Chicago<br />
Marktanteil<br />
in Europa<br />
48%<br />
52%<br />
Marktanteil<br />
in der Welt<br />
30 Mio. 50 Mio. 70 Mio.<br />
84%<br />
16%<br />
Top-25-Flughäfen<br />
Restliche Flughäfen<br />
90 Mio.<br />
Anzahl der Passagiere*
32<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
herausragende Stellungen ein, die größten Flughäfen<br />
Europas sind auch hier Paris Charles de Gaulle,<br />
Frankfurt und London Heathrow.<br />
Der hohe Anteil von US-Flughäfen unter den<br />
Top25, gemessen an den Flugbewegungen, ist<br />
unter anderem auf den vergleichsweise stärkeren<br />
Einsatz kleinerer Flugzeugtypen für inneramerikanische<br />
Flüge zurückzuführen. Hieraus resultiert eine<br />
geringere durchschnittliche Sitzplatzkapazität pro<br />
Flugzeug als in Europa oder in Asien.<br />
Die 25 größten europäischen Flughäfen wickelten<br />
2006 insgesamt 14% der Flüge weltweit und 45%<br />
der Flüge in Europa (bezogen auf die Anzahl der<br />
Flugbewegungen) ab. Die Anzahl der jährlichen<br />
Flugbewegungen liegt zwischen 533Tsd. für Paris<br />
Charles de Gaulle und 173Tsd. für Dublin. Die<br />
sechs größten europäischen Flughäfen zählen<br />
ebenfalls zu den weltweit größten (Anzahl der<br />
Flugbewegungen in Klammern): Paris Charles de<br />
Gaulle (533Tsd.), Frankfurt (482Tsd.), London<br />
Heathrow (471Tsd.), Madrid (433Tsd.), Amsterdam<br />
(423Tsd.) und München (386Tsd.). Die übrigen<br />
Flughäfen sind im Wesentlichen nationale<br />
Hubs, mit schwerpunktmäßig europäischen und<br />
einigen ausgewählten interkontinentalen Zielen<br />
sowie Flughäfen mit bedeutender Quell- und<br />
Zielnachfrage, wie z.B. Düsseldorf.<br />
Zunahme von Direktverbindungen an dezentralen<br />
Flughäfen<br />
Der Trend zur Dezentralisierung zeigt sich u.a. bei<br />
Flughäfen in Europa mit Angeboten von Low-Cost-<br />
Fluggesellschaften. Führend in dieser Liste sind<br />
eher dezentrale Flughäfen. Dabei sind die Begriffe<br />
zentrale und dezentrale Flughäfen nicht geografisch<br />
zu verstehen, sondern in ihrer Funktion im<br />
Luftverkehrsnetz. [Abb.7]<br />
Nimmt man die hier und im Folgenden verwendete<br />
dritte Juli-Woche 2007 als Referenzwoche 11 , ist<br />
London Stansted mit 1.751 Starts von Low-Cost-<br />
Fluggesellschaften führend in Europa. Berücksichtigt<br />
man in London Stansted die Gesamtzahl der<br />
Starts (1.886) von Flugzeugen im kommerziellen<br />
Passagierflugverkehr, so entspricht dies einem<br />
Low-Cost-Anteil von 93%. Auf den Rängen 2 und<br />
3 folgen Barcelona und Palma de Mallorca mit<br />
jeweils 898 bzw. 883 Starts von Low Cost Carriern,<br />
wobei ihr Anteil an den gesamten Starts deutlich<br />
geringer als in London Stansted ausfällt. Flughäfen<br />
mit einem deutlich höheren Low-Cost-Anteil sind<br />
z.B. Mailand (Milan Orio al Serio) mit einem ähnlich<br />
hohen Anteil an den Abflügen wie in London<br />
Stansted sowie Berlin Schönefeld, Belfast oder<br />
Southampton. Der Anteil von Low-Cost-Flügen<br />
liegt dort zwar schon im hohen Bereich von 79%<br />
bis 88%, ist jedoch immer noch geringer als<br />
London Stansted. Die absolute Zahl der Starts von<br />
Low Cost Carriern dieser Flughäfen liegt zwischen<br />
403 und 431.<br />
Während Low-Cost-Fluggesellschaften vorwiegend<br />
Punkt-zu-Punkt-Verbindungen an Flughäfen mit<br />
vorwiegend Quelle-Ziel-Verkehr bedienen, gibt es<br />
auch einige Hub-Flughäfen in Europa, die einen<br />
signifikanten Anteil von Low-Cost-Verkehren aufweisen,<br />
wie beispielsweise Paris Charles de Gaulle,<br />
Amsterdam und München. Die Anzahl der Starts<br />
von Low Cost Carriern liegt zwischen 400 und<br />
600, jedoch ist der Anteil an den Gesamtstarts vergleichsweise<br />
gering und liegt in einem Bereich von<br />
10% für Paris Charles de Gaulle und 27% für<br />
Düsseldorf.<br />
Unter den europäischen Top 25 Low-Cost-Flughäfen<br />
ist <strong>Deutschland</strong> mit sieben Flughäfen vertreten.<br />
Damit liegt <strong>Deutschland</strong> bei der Anzahl der Top-<br />
25-Flughäfen in diesem Bereich gleichauf mit dem<br />
Vereinigten Königreich. Spitzenreiter in diesem<br />
Segment in <strong>Deutschland</strong> sind Köln/Bonn, Berlin<br />
Tegel, München, Stuttgart und Düsseldorf. Hahn<br />
liegt mit 290 Starts im betrachteten Zeitraum auf<br />
Rang 43 im europäischen Vergleich.<br />
11 Diese Woche wurde gewählt, da sie die Strukturen der Verkehrsverflechtungen auf großräumlicher Regionsebene am besten<br />
wiedergibt.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 33<br />
London Stansted (Großbritannien)<br />
Barcelona (Spanien)<br />
Palma de Mallorca (Spanien)<br />
London Gatwick (Großbritannien)<br />
Dublin (Irland)<br />
Köln/Bonn (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Manchester (Großbritannien)<br />
London Luton (Großbritannien)<br />
Berlin Tegel (<strong>Deutschland</strong>)<br />
München (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Amsterdam (Niederlande)<br />
Stuttgart (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Düsseldorf (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Birmingham (Großbritannien)<br />
Edinburgh (Großbritannien)<br />
Madrid (Spanien)<br />
Oslo (Norwegen)<br />
Malaga (Spanien)<br />
Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />
Hamburg (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Berlin Schönefeld (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Belfast (Irland)<br />
Paris Orly (Frankreich)<br />
Southampton (Großbritannien)<br />
Mailand Orio al Serio (Italien)<br />
0<br />
1.000 2.000 3.000 4.000 5.000<br />
Anzahl LCC Starts Gesamtanzahl Starts<br />
Abb. 7: 25 Flughäfen mit Low Cost Carrier Angeboten in Europa nach Zahl der Starts pro Woche 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />
6.000 Starts pro<br />
Woche
34<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
3.1.2 Luftfrachtverkehr auf globaler und europäischer<br />
Ebene<br />
Starke Konzentration auf wenige Flughäfen im<br />
Luftfrachtverkehr<br />
Auf Anbieterseite ist die klassische von der integrierten<br />
Lufttransportkette zu unterscheiden.<br />
Während bei ersterer – vereinfacht dargestellt –<br />
Speditionen den Vorlauf vom Verlader zum Abflughafen<br />
und den Nachlauf vom Ankunfsflughafen<br />
zum Empfänger organisieren, die Airline<br />
also nur den reinen Lufttransport als Hauptlauf<br />
der Transportkette ausführt, treten Integratoren<br />
(Kurier-, Express- und Paketdienste; kurz: KEP)<br />
entlang der gesamten Transportkette auf und<br />
Memphis (USA)<br />
Hongkong (China)<br />
Anchorage (USA)<br />
Seoul Incheon (Südkorea)<br />
Tokio Narita (Japan)<br />
Schanghai Pudong (China)<br />
Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Louisville (USA)<br />
Singapur (Singapur)<br />
Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />
Los Angeles (USA)<br />
Miami (USA)<br />
Taipeh (China)<br />
New York John F. Kennedy (USA)<br />
Amsterdam (Niederlande)<br />
Chicago O’Hare (USA)<br />
Dubai (Vereinigte Arabische Emirate)<br />
London Heathrow (Großbritannien)<br />
Bangkok Suvarnabhumi (Thailand)<br />
Peking (China)<br />
Indianapolis (USA)<br />
Newark (USA)<br />
Osaka Kansai (Japan)<br />
Guangzhou (China)<br />
Dallas/Fort Worth (USA)<br />
Abb. 8: Die 25 größten Flughäfen in der Welt nach Frachtaufkommen 2006<br />
Quelle: ACI 2007, DLR 2008<br />
0<br />
verfügen über eigene Umschlagszentren, Bodenverkehrsmittel<br />
und Flugzeuge. Insgesamt wurden<br />
an den Top-25-Flughäfen 53% <strong>des</strong> weltweiten<br />
Luftfrachtaufkommens umgeschlagen, so dass die<br />
Konzentration auf einige wenige Hauptdrehkreuze<br />
deutlich stärker ausgeprägt ist als im Passagierbereich.<br />
[Abb.8]<br />
2006 wurden insgesamt 82Mio. Tonnen Fracht<br />
weltweit per Flugzeug transportiert. Unter den<br />
25 größten Frachtdrehkreuzen liegen 11 in Asien,<br />
zehn in den USA, aber nur vier in Europa. Die beiden<br />
größten Frachtflughäfen der Welt 2006 sind<br />
Memphis (USA), der zentrale Hub <strong>des</strong> Integrators<br />
FedEx, und Hongkong mit 3,7Mio. bzw. 3,6 Mio.<br />
Tonnen Fracht. Danach ist ein relativ starker Abfall<br />
1 Mio. 2 Mio. 3 Mio.<br />
Marktanteil in der Welt<br />
(insg. 82 Mio. Tonnen Fracht)<br />
47% 53%<br />
Top-25-Flughäfen<br />
Restliche Flughäfen<br />
4 Mio.<br />
Fracht in Tonnen
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 35<br />
<strong>des</strong> Frachtaufkommens zu beobachten; am Flughafen<br />
Anchorage in den USA wurden 2006 2,7Mio.<br />
Tonnen Fracht gezählt. Insgesamt reicht die Spannbreite<br />
der umgeschlagenen Fracht von 3,7Mio.<br />
Tonnen für den erstplatzierten Flughafen Memphis<br />
bis hin zu 758Tsd. Tonnen für Dallas/Ft. Worth<br />
(Platz 25).<br />
Die 25 größten Flughäfen in Europa nach Frachtaufkommen<br />
wickeln 84% <strong>des</strong> Luftfrachtverkehrs<br />
in Europa ab, dies entspricht jedoch nur 16% <strong>des</strong><br />
weltweiten Luftfrachtaufkommens [Abb.9]. Die<br />
verbliebenen 84% der gesamten Fracht wurden an<br />
den großen Frachtdrehkreuzen in Asien und den USA<br />
umgeschlagen. Das Aufkommen an den größten<br />
europäischen Frachtflughäfen verteilt sich dabei zu<br />
Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />
Amsterdam (Niederlande)<br />
London Heathrow (Großbritannien)<br />
Luxemburg (Luxemburg)<br />
Köln/Bonn (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Brüssel (Belgien)<br />
Lüttich (Belgien)<br />
Mailand Malpensa (Italien)<br />
Kopenhagen (Dänemark)<br />
Madrid (Spanien)<br />
Istanbul Ataturk (Türkei)<br />
East Midlands (Großbritannien)<br />
Zürich (Schweiz)<br />
London Stansted (Großbritannien)<br />
München (<strong>Deutschland</strong>)<br />
London Gatwick (Großbritannien)<br />
Wien (Österreich)<br />
Manchester (Großbritannien)<br />
Mailand Orio al Serio (Italien)<br />
Helsinki (Finnland)<br />
Rom Fiumicino (Italien)<br />
Moskau Domodedovo (Russland)<br />
Hahn (<strong>Deutschland</strong>)<br />
Moskau Sheremetyevo (Russland)<br />
Abb. 9: Die 25 größten Flughäfen in Europa nach Frachtaufkommen 2006<br />
Quelle: ACI 2007, DLR 2008<br />
0<br />
einem unterschiedlichen Grad auf die verschiedenen<br />
Geschäftsmodelle der Frachtfluggesellschaften.<br />
Beispielsweise sind an den Flughäfen Lüttich (TNT),<br />
Brüssel, Leipzig (DHL) und Köln/Bonn (UPS) die<br />
Integratoren maßgeblich für das Frachtaufkommen<br />
verantwortlich, am Flughafen Luxemburg der Standard-Luftfrachtanbieter<br />
Cargolux. Frankfurt und<br />
Paris Charles de Gaulle werden sowohl von Integratoren<br />
als auch von klassischen Luftfrachtanbietern<br />
genutzt (wobei in Paris allerdings der Europa-Hub<br />
der FedEx angesiedelt ist) und kommen zusammen<br />
mit knapp 4Mio. Tonnen auf etwa ein Viertel <strong>des</strong><br />
Gesamtfrachtaufkommens an europäischen Flughäfen.<br />
Auf den Plätzen 3 und 4 folgen Amsterdam<br />
und London Heathrow. Die verbleibenden 21 Flughäfen<br />
sind deutlich kleiner und haben pro Jahr ein<br />
Marktanteil<br />
in Europa<br />
16%<br />
84%<br />
Marktanteil<br />
in der Welt<br />
84%<br />
1 Mio. 2 Mio. 3 Mio.<br />
16%<br />
Top-25-Flughäfen<br />
Restliche Flughäfen<br />
4 Mio.<br />
Fracht in Tonnen
36<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Aufkommen unter einer Million Tonnen. Insgesamt<br />
wurden 2006 an europäischen Flughäfen 15Mio.<br />
Tonnen Fracht abgefertigt.<br />
3.1.3 Passagierverkehr an deutschen Flughäfen<br />
Frankfurt führt 2006 die Rangfolge mit 52Mio.<br />
Passagieren deutlich vor München mit rund<br />
31Mio. an [Abb.10]. Auf den Rängen drei bis<br />
sieben folgt eine weitere Gruppe von Flughäfen, an<br />
denen Flüge zu europäischen und einigen interkontinentalen<br />
Zielen angeboten werden und deren<br />
jährliches Aufkommen zwischen 17 Mio. und<br />
10Mio. Passagieren liegt. Die nachfolgenden<br />
Flughäfen bieten vor allem Flüge zu innerdeutschen<br />
und europäischen Zielen an und weisen ein<br />
Aufkommen von deutlich unter 10 Mio. Passagieren<br />
auf. Die größten Flughäfen in dieser Kategorie<br />
sind Berlin Schönefeld, Hannover und Nürnberg.<br />
Gemessen an der Anzahl der Flugbewegungen<br />
entspricht die Rangfolge auf den ersten Plätzen der<br />
Frankfurt (FRA)<br />
München (MUC)<br />
Düsseldorf (DUS)<br />
Hamburg (HAM)<br />
Berlin Tegel (TXL)<br />
Stuttgart (STR)<br />
Köln/Bonn (CGN)<br />
Berlin Schönefeld (SXF)<br />
Hannover (HAJ)<br />
Nürnberg (NUE)<br />
Hahn (HHN)<br />
Leipzig/Halle (LEJ)<br />
Dortmund (DTM)<br />
Dresden (DRS)<br />
Bremen (BRE)<br />
Münster/Osnabrück (FMO)<br />
Berlin Tempelhof (THF)<br />
Saarbrücken (SCN)<br />
Erfurt (ERF)<br />
Abb. 10: Die Verkehrsflughäfen <strong>Deutschland</strong>s nach Zahl der Passagiere 2006<br />
Quelle: ADV 2007, DLR 2008<br />
oben genannten Flughafen-Aufstellung. Wachstum<br />
in der Anzahl der Passagiere ist aufgrund von<br />
Kapazitätsengpässen in Frankfurt und München<br />
sowie wegen Betriebsbeschränkungen in Düsseldorf<br />
nur mit dem Einsatz größeren Fluggerätes,<br />
nicht aber bei den Flugbewegungen zu attraktiven<br />
Zeitenlagen möglich.<br />
Verkehrsströme von <strong>Deutschland</strong> nach Europa und<br />
in die Welt<br />
Passagiere, die in <strong>Deutschland</strong> ein Flugzeug bestiegen,<br />
sind im Jahr 2006 hauptsächlich zu europäischen<br />
(57%), gefolgt von innerdeutschen (26%)<br />
und interkontinentalen Zielen (17%) gereist.<br />
Die Nachfrage zu Zielen im Inland entfiel im Jahr<br />
2006 auf etwa 16,2Mio. Originäreinsteiger. Dies<br />
entspricht rund 8,1Mio. innerdeutschen Flugreisen,<br />
wenn man eine Flugreise als Hin- und Rückflug<br />
zählt. Auf ihrer innerdeutschen Reise stiegen<br />
3,3Mio. Fluggäste in München ein, knapp<br />
3Mio. auf den Berliner Flughäfen, gefolgt von<br />
0 10 Mio. 20 Mio. 30 Mio. 40 Mio. 50 Mio. 60 Mio.<br />
Anzahl Passagiere
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 37<br />
Hamburg, Köln/Bonn,<br />
Frankfurt, Düsseldorf und<br />
Stuttgart mit einem Aufkommen<br />
zwischen 2Mio.<br />
und 1,5Mio. Einsteigern.<br />
Den rund 8,1Mio. innerdeutschen<br />
Reisen im Jahr<br />
2006 standen mehr als<br />
52Mio. Flugreisen im<br />
grenzüberschreitenden<br />
Luftverkehr gegenüber,<br />
was einem Anteil von<br />
86% aller Flugreisen von<br />
oder zu deutschen Flughäfen<br />
entspricht. Während<br />
im innerdeutschen Verkehr<br />
eine erhebliche Überlappung<br />
mit den konkurrierenden<br />
Verkehrsträgern<br />
Schiene und Straße besteht,<br />
ist bei längeren,<br />
grenzüberschreitenden<br />
Reisen häufig das Flugzeug<br />
die einzige Reisealternative.<br />
Dies erklärt den<br />
hohen Anteil grenzüberschreitender<br />
Reisen.<br />
Einsteiger<br />
in Mio.<br />
Dabei waren für 41Mio. Einsteiger europäische<br />
Flughäfen Ziel bzw. Herkunft der Flugreise, was<br />
gegenüber 11,4 Mio. Reisen im interkontinentalen<br />
Verkehr einen Anteil von rund 78% an den Auslandsflugreisen<br />
ausmacht. [Abb.11]<br />
Die sieben dargestellten Flughäfen vereinigen im<br />
Europaverkehr 31,1Mio. Einsteiger. Dies entspricht<br />
76% <strong>des</strong> Gesamtaufkommens der 25 deutschen<br />
Flughäfen von 41Mio.<br />
Von Frankfurt aus sind rund 6,3Mio. Originärpassagiere<br />
zu europäischen Zielen geflogen, gefolgt<br />
von Berlin (SXF, THF, TXL) mit 5,3Mio., Düsseldorf<br />
mit 5,2Mio. und München mit 5Mio. Außer den<br />
besonders starken Spanien-Strömen (z.B. Düsseldorf:<br />
1,5Mio. Einsteiger) fallen bei Düsseldorf<br />
und Frankfurt hohe Aufkommen in die Türkei auf<br />
(758 bzw. 665Tsd. Einsteiger), die auch in Stuttgart<br />
(479Tsd.), München (437Tsd.) und Berlin (387Tsd.)<br />
erheblich sind, jedoch weit unter den Werten <strong>des</strong><br />
Jahres 2005 liegen.<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Frankfurt München Berlin Düsseldorf Hamburg Stuttgart Köln/Bonn<br />
Endzielregion: Interkontinental<br />
Europa<br />
Originäreinsteiger<br />
Originäreinsteiger<br />
Umsteiger<br />
Umsteiger<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Originäreinsteiger<br />
Umsteiger<br />
Abb. 11: Zielregionen der Einsteiger auf den größten sieben deutschen Flughäfen 2006<br />
Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />
Von den größten deutschen Flughäfen verzeichnen<br />
nur Frankfurt und München ein nennenswertes<br />
Umsteigeraufkommen. Unter den Umsteigern befanden<br />
sich neben den von oder zu einem anderen<br />
deutschen Flughafen fliegenden Passagieren auch<br />
Fluggäste, die in den vergangenen Jahren für die<br />
beiden Hub-Flughäfen stark an Bedeutung gewonnen<br />
haben: die sogenannten Ausland-Ausland-<br />
Umsteiger. Insgesamt sind an beiden Hub-Flughäfen<br />
7,8Mio. Ausland-Ausland-Umsteiger zu einem<br />
Endziel in Europa und 5,2Mio. zu außereuropäischen<br />
Gebieten gereist. Davon sind über Frankfurt<br />
im Jahr 2006 9,8 Mio. (+ 0,2Mio. gegenüber 2005)<br />
und über München 3,2Mio. Personen (+ 0,3Mio.)<br />
umgestiegen. Der Anteil der übrigen deutschen<br />
Flughäfen an diesen Umsteigern war mit weniger<br />
als 3% gering.<br />
Von sämtlichen innerdeutsch beförderten Passagieren<br />
(23,1Mio.) entfielen mehr als die Hälfte auf eine<br />
der zehn aufkommensstärksten innerdeutschen<br />
Flugverbindungen. Besonders die Flughäfen Mün-
38<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
chen mit fünf Strecken (nach Hamburg, Berlin-Tegel,<br />
Frankfurt, Köln/Bonn und Düsseldorf) und Berlin-<br />
Tegel mit vier Strecken (nach Frankfurt, München,<br />
Köln/Bonn und Stuttgart) sind hier stark vertreten.<br />
Auf einigen innerdeutschen Strecken ist ein hoher<br />
Anteil von Umsteigern zu verzeichnen: Am stärksten<br />
ist dies auf der Verbindung Frankfurt–München<br />
sowie auf den Strecken Frankfurt–Berlin und Frankfurt–Hamburg<br />
zu erkennen. Passagiere, die z.B.<br />
von Berlin über Frankfurt zu weiter entfernten Zielen<br />
oder umgekehrt fliegen, machten 2006 mehr als<br />
36% der Passagiere auf dieser Strecke aus. So flogen<br />
z.B. 2006 rund 50Tsd. Passagiere von Berlin<br />
Tegel über Frankfurt in die USA. Im direkten Vergleich<br />
der Verbindungen Frankfurt–Hamburg und<br />
München–Hamburg zeigt sich, dass der Hub-Effekt<br />
für Frankfurt noch deutlich stärker ausfällt als für<br />
München. Auf der Strecke Frankfurt–München wirkt<br />
sich der Umsteiger-Effekt sogar doppelt aus, da es<br />
sowohl Umsteiger von München über Frankfurt in<br />
die Welt gibt, als auch Umsteiger von Frankfurt über<br />
München in die Welt. Das führte 2006 auf dieser<br />
Relation sogar zu einem Umsteigeranteil von 56%.<br />
Eingeladene Fracht<br />
und Post in Mio. Tonnen<br />
2,0<br />
1,8<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0,0<br />
3.1.4 Luftfrachtverkehr an deutschen Flughäfen<br />
Fracht: Starke Zuwächse, vor allem im Interkontinentalverkehr<br />
Luftfracht in <strong>Deutschland</strong> wird im Wesentlichen an<br />
fünf Flughäfen abgewickelt. Der größte Frachtflughafen<br />
<strong>Deutschland</strong>s ist Frankfurt mit über 2Mio.<br />
Tonnen abgefertigter Fracht und damit einem<br />
Anteil am deutschen Gesamtaufkommen von mehr<br />
als 50%. Mit deutlichem Abstand folgt Köln/Bonn<br />
als zweitgrößter deutscher Frachtflughafen mit<br />
einem Aufkommen von über 600Tsd. Tonnen<br />
Luftfracht. Die Flughäfen München, Hahn und<br />
Düsseldorf weisen jeweils ein Frachtaufkommen<br />
zwischen 225Tsd. Tonnen und 60Tsd. Tonnen auf.<br />
Die anderen deutschen Verkehrsflughäfen weisen<br />
nur noch sehr geringe bzw. keine Frachtaufkommen<br />
auf. Leipzig/Halle als neuer Hub der DHL wird<br />
jedoch ab 2008 erhebliche Marktanteile im Luftfrachtverkehr<br />
hinzugewinnen.<br />
Ähnlich wie die Entwicklung <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
auf den deutschen Flughäfen verlaufen die<br />
1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006<br />
Abb. 12: Aufkommen eingeladener Fracht und Post auf den deutschen Flughäfen<br />
Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />
CAGR 4,7%<br />
Gesamt<br />
Ausland gesamt<br />
Interkontinental<br />
Europa<br />
<strong>Deutschland</strong>
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 39<br />
Entwicklungslinien der Fracht- und Postströme, die<br />
auf Flügen mit Startflughafen in <strong>Deutschland</strong><br />
befördert wurden. [Abb.12]<br />
Zwischen 1991 und 2006 verdoppelte sich das<br />
Frachtaufkommen auf deutschen Flughäfen.<br />
Dies entspricht einer jährlichen Wachstumsrate<br />
von 4,7%. Der Anstieg im Frachtaufkommen war<br />
vor allem getrieben durch den Interkontinentalverkehr.<br />
Dabei wird die meiste Fracht in Frankfurt<br />
(2006: 1,04Mio. Tonnen bei Start), Köln/Bonn<br />
(2006: 364Tsd. Tonnen bei Start) und München<br />
(2006: 127Tsd. Tonnen bei Start) umgeschlagen.<br />
Im Luftfracht- und -postverkehr von <strong>Deutschland</strong> zu<br />
europäischen Zielländern war in den letzten Jahren<br />
ein geringeres Wachstum als im Interkontinentalverkehr<br />
zu verzeichnen. Dort gab es Zuwächse von<br />
502Tsd. Tonnen im Jahr 1993 auf über 1,1Mio.<br />
Tonnen im Jahr 2006. Diesen Entwicklungen entsprechend<br />
haben sich die Anteile der einzelnen<br />
Zielregionen am Gesamtaufkommen verschoben:<br />
Während <strong>Deutschland</strong> 1993 noch Ziel von 22% <strong>des</strong><br />
Gesamtaufkommens war, betrug dieser Wert im Jahr<br />
2006 weniger als 7%. Demgegenüber stieg der<br />
Anteil <strong>des</strong> interkontinentalen Frachtaufkommens<br />
Starts in Tsd.<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
von 51% im Jahr 1993 auf 63% im Jahr 2006. Die<br />
angegebenen Regionen sind jeweils Streckenzielregionen.<br />
Die Fracht wird also gegebenenfalls dort<br />
umgeladen und in die eigentliche Bestimmungszielregion<br />
weitertransportiert.<br />
Im Gegensatz zum Passagierluftverkehr ist das<br />
Aufkommen im Luftfrachtverkehr je nach Richtung<br />
einer Verbindung häufig unterschiedlich ausgelastet.<br />
Daher versuchen die Luftfrachtgesellschaften<br />
ihre Flüge als „Rundflüge“ zu organisieren, um an<br />
verschiedenen Destinationen zusätzliche Fracht an<br />
Bord nehmen zu können.<br />
3.1.5 Flüge an deutschen Flughäfen<br />
Die Hälfte der Starts in <strong>Deutschland</strong> werden in<br />
Frankfurt und München abgewickelt<br />
Die neun größten Flughäfen <strong>Deutschland</strong>s verzeichneten<br />
zusammen fast 900Tsd. Starts (rund<br />
89% <strong>des</strong> Gesamtaufkommens der deutschen<br />
Flughäfen). Jeder dieser neun Flughäfen (die Flüge<br />
der drei Flughäfen Berlins werden als Gesamtwert<br />
angegeben) hat ein Jahresaufkommen von mehr<br />
als 25Tsd. Starts. [Abb.13]<br />
Frankfurt München Berlin Düsseldorf Hamburg Köln/Bonn Stuttgart Hannover Nürnberg<br />
Passagierflüge<br />
Fracht- und Postflüge<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Abb. 13: Passagier-, Fracht- und Postflüge auf den größten Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> 2006<br />
Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />
Europa Interkontinental
40<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Im Jahr 2006 hatte der Flughafen Frankfurt mit<br />
insgesamt rund 236Tsd. Starts im Linien- und Charterverkehr<br />
das höchste Flugaufkommen. München,<br />
der zweite deutsche Hub-Flughafen, kam 2006<br />
bereits auf etwa 82% der Starts von Frankfurt.<br />
Im <strong>Deutschland</strong>-Verkehr hatte München vor Berlin<br />
das höchste Flugaufkommen. Dies liegt maßgeblich<br />
an der geographischen Lage der beiden Städte, so<br />
dass alternative Verkehrsträger von den Reisenden<br />
aufgrund relativ langer Reisezeiten zu den anderen<br />
deutschen Metropolregionen nur als unzureichende<br />
Substitute für Flugreisen angesehen werden.<br />
Dabei spielt in München neben dem hohen Flugaufkommen<br />
zu Inlands<strong>des</strong>tinationen auch das<br />
Flugaufkommen zu internationalen Zielen eine<br />
zunehmend wichtigere Rolle. Auf dem Hub-Flughafen<br />
Frankfurt wurden sowohl im Europa-Verkehr<br />
als auch im Interkontinental-Verkehr weiterhin die<br />
höchsten Flugaufkommen gezählt. Im Interkontinental-Bereich<br />
waren es ca. 63% (2005: 66%) der<br />
Flüge der Top-25-Flughäfen.<br />
Bei den Fracht- und Postflügen, die im betrachteten<br />
Zeitraum nur einen Anteil von weniger als 4%<br />
der Gesamtflüge ausmachen, sind über 80%<br />
grenzüberschreitend. Es entfielen mit ca. 12Tsd.<br />
Starts etwa 39% dieser Flüge auf den Flughafen<br />
Köln/ Bonn. Zusammen mit dem entsprechenden<br />
Flugaufkommen in Frankfurt kamen diese beiden<br />
Flughäfen auf über 23Tsd. Starts, was etwa 74%<br />
aller Fracht- und Postflüge der 25 Verkehrsflughäfen<br />
ausmacht.<br />
3.1.6 General Aviation an deutschen Flughäfen<br />
Als General Aviation wird der Verkehr bezeichnet,<br />
der nicht dem Linien-, Pauschalflug-, Tramp- und<br />
Anforderungsverkehr zuzurechnen ist und typischerweise<br />
mit kleinem Fluggerät durchgeführt wird. Zu<br />
den 25 internationalen und regionalen Verkehrsflughäfen<br />
in <strong>Deutschland</strong> kommen weitere rund<br />
400 Flugplätze in <strong>Deutschland</strong>, auf denen Luftverkehr<br />
mit kleinem Fluggerät durchgeführt wird.<br />
An dieser Stelle wird schwerpunktmäßig die Verkehrsart<br />
Business Aviation beschrieben, da diese im<br />
Segment General Aviation aufgrund <strong>des</strong> Wachstums<br />
die größte Bedeutung hat. Die verbleibenden<br />
Arten der Allgemeinen Luftfahrt sind insbesondere<br />
Taxiflugverkehr<br />
befindet sich in einer<br />
Wachstumsphase<br />
im Kontext der internationalen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
<strong>des</strong> Standortes zu vernachlässigen.<br />
Die Entwicklung <strong>des</strong> Werkluftverkehrs und <strong>des</strong><br />
Taxiflugverkehrs weisen unterschiedliche Tendenzen<br />
auf. Während der Werkluftverkehr, bei dem es<br />
sich um Flüge von Unternehmen mit eigenem<br />
Fluggerät handelt eher eine rückläufige Tendenz<br />
aufweist, befindet sich der Taxiverkehr, bei dem<br />
frem<strong>des</strong> Fluggerät gechartert wird, seit einigen<br />
Jahren in einer Wachstumsphase. Die beiden letztgenannten<br />
Verkehrsarten werden häufig auch<br />
unter dem Begriff der Business Aviation bzw. <strong>des</strong><br />
Geschäftsreiseluftverkehrs zusammengefasst, da er<br />
für die Anbindung und die Wirtschaft der einzelnen<br />
Regionen von Bedeutung ist.<br />
3.1.7 Verkehrskonzentration ausgewählter Regionen<br />
In Europa: Hohe Konzentration von Verkehren auf<br />
wenige Flughäfen<br />
In Europa sind in <strong>Deutschland</strong> und Frankreich im<br />
Hinblick auf Starts pro Woche mit 86,9 bzw. 84,7%<br />
die höchsten Konzentrationsgrade im Flughafenbereich<br />
zu verzeichnen, während es z.B. in den USA<br />
oder in China mehr relativ große Flughäfen gibt.<br />
[Abb.14]<br />
Länder mit vergleichsweise geringem Konzentrationsgrad<br />
sind die USA und China. In den USA fertigen<br />
die Top-10-Flughäfen nur 28,8% der gesamten<br />
Starts ab, in China sind es 51,6%. Die beiden<br />
größten US-amerikanischen Flughäfen waren 2007<br />
Atlanta Hartsfield-Jackson und Chicago O’Hare<br />
mit rund 10Tsd. bzw. 9Tsd. Starts pro Woche. In<br />
<strong>Deutschland</strong> entfallen auf die beiden Hubs die<br />
Hälfte aller in <strong>Deutschland</strong> stattfindenden Starts<br />
(Frankfurt 4,5Tsd., München 4Tsd.).<br />
Großbritannien und Indien sind mit 69,2% und<br />
76,6% durch einen mittleren Konzentrationsgrad<br />
gekennzeichnet.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 41<br />
China<br />
Peking<br />
Guangzhou<br />
Schanghai Pudong<br />
Schanghai Hongqiao<br />
Chengdu<br />
Shenzhen<br />
Kunming<br />
Xi An Xianyang<br />
Hangzhou<br />
Chongqing<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Frankfurt<br />
München<br />
Düsseldorf<br />
Hamburg<br />
Berlin Tegel<br />
Stuttgart<br />
Köln/Bonn<br />
Hannover<br />
Berlin Schönefeld<br />
Nürnberg<br />
Frankreich<br />
Paris Charles de Gaulle<br />
Paris Orly<br />
Nizza<br />
Lyon<br />
Marseille<br />
Toulouse<br />
Bordeaux<br />
Strasbourg<br />
Nantes<br />
Clermont-Ferrand<br />
Großbritannien<br />
London Heathrow<br />
London Gatwick<br />
Manchester<br />
London Stansted<br />
Edinburgh<br />
Birmingham<br />
Glasgow<br />
London Luton<br />
London City<br />
Aberdeen<br />
0<br />
Marktanteil China 51,6%<br />
Marktanteil <strong>Deutschland</strong> 86,9%<br />
Marktanteil Frankreich 84,7%<br />
Marktanteil Großbritannien 69,2%<br />
1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000<br />
Starts/Woche<br />
Abb. 14: Die größten Flughäfen in ausgewählten Regionen der Welt sowie deren Anteil am Gesamtaufkommen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />
2007, Teil 1. Quelle: OAG 2007, DLR 2008
42<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Indien<br />
Bombay<br />
Delhi<br />
Bangalore<br />
Chennai<br />
Hyderabad<br />
Kalkutta<br />
Ahmedabad<br />
Kochi<br />
Thiruvananthapuram<br />
Guwahati<br />
Bahrain/Katar<br />
Bahrain<br />
Doha<br />
USA<br />
Atlanta<br />
Chicago O’Hare<br />
Dallas/Fort Worth<br />
Los Angeles<br />
Denver<br />
Houston George Bush<br />
Detroit<br />
Charlotte<br />
Philadelphia<br />
New York John F. Kennedy<br />
Vereinigte Arabische Emirate<br />
Dubai<br />
Abu Dhabi<br />
Sharjah<br />
Ras al Khaimah<br />
Al Ain<br />
Al-Fujairah<br />
0<br />
Marktanteil Indien 76,6%<br />
Marktanteil Bahrain/Katar jeweils 100%<br />
Marktanteil USA 28,8%<br />
Marktanteil VAE 100%<br />
1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000<br />
Starts/Woche<br />
Abb. 14: Die größten Flughäfen in ausgewählten Regionen der Welt sowie deren Anteil am Gesamtaufkommen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />
2007, Teil 2. Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />
12 Diese Woche wurde gewählt, da sie die Strukturen der Verkehrsverflechtungen auf großräumlicher Regionsebene am besten<br />
wiedergibt.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 43<br />
3.2 Fluggesellschaften<br />
3.2.1 Struktur <strong>des</strong> weltweiten Luftverkehrs<br />
Intraregionale Flüge deutlich vor interkontinentalen<br />
Flügen<br />
Weltweit wurden im Jahr 2007 knapp 36Mio. Flüge<br />
angeboten. Die größten Luftverkehrsmärkte finden<br />
sich innerhalb Nordamerikas und Europas. [Abb.15]<br />
Bedeutende Strecken innerhalb Nordamerikas und<br />
über den Atlantik<br />
In der dritten Juli-Woche 2007 wurden weltweit<br />
715Tsd. Starts gezählt. Hiervon entfielen 19% auf<br />
Starts an Flughäfen der 27 Mitgliedsstaaten der<br />
Europäischen Union, was einer Zahl von über<br />
133Tsd. entspricht. 12 So ist z.B. der Anteil der<br />
Flüge zwischen Europa und Asien in dieser Woche<br />
nahezu genauso hoch wie im gesamten Jahr 2007.<br />
Dies gilt ebenfalls für die anderen Ströme.<br />
Nordamerika weist mit 292 Tsd. die höchste Zahl<br />
intraregionaler Flüge pro Woche auf (41%). Das<br />
höchste interkontinentale Aufkommen verzeichnet<br />
292<br />
Anzahl intraregionale<br />
Starts/Woche in Tsd.<br />
Anzahl interkontinentale<br />
Starts/Woche in Tsd.*<br />
17<br />
57<br />
4<br />
2<br />
9<br />
146<br />
die Nordatlantikroute mit 9Tsd. Flügen pro Woche.<br />
Die Abbildung zeigt, dass die Zahl der wöchentlichen<br />
intraregionalen Flüge (654Tsd.) die Anzahl<br />
interkontinentaler Flüge einschließlich Nahem<br />
Osten und Verkehr zwischen Nord- und Südamerika<br />
(60Tsd.) deutlich übertrifft. Darüber hinaus gibt<br />
es noch kleinere Ströme von unter 1Tsd. Starts pro<br />
Woche, die in dieser Abbildung nicht dargestellt<br />
sind, beispielsweise zwischen Ozeanien und Nordamerika.<br />
Die größten Fluggesellschaften in der Welt nach<br />
Sitzplatzangebot<br />
Ein Vergleich der größten Fluggesellschaften der Welt<br />
nach den angebotenen Sitzplätzen in der dritten Juli-<br />
Woche im Jahr 2007 zeigt, dass hier der amerikanische<br />
Low Cost Carrier Southwest das größte Angebot<br />
hat. [Abb.16; umseitig] Es folgen sechs weitere<br />
amerikanische Gesellschaften. Lufthansa liegt nach<br />
diesem Kriterium auf Platz 9. Würde man diesen<br />
Vergleich nach der Anzahl der angebotenen Flüge<br />
durchführen, ergäbe sich grundsätzlich ein ähnliches<br />
Bild, jedoch wäre der Unterschied zwischen Southwest<br />
zu den anderen Gesellschaften deutlich kleiner.<br />
Dies liegt daran, dass Southwest im Wesentlichen nur<br />
Abb. 15: Weltweiter Luftverkehr in Starts pro Woche 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008. *Einschließlich Nahem Osten und Verkehr zwischen Nord- und Südamerika<br />
6<br />
4<br />
15<br />
2<br />
9<br />
9<br />
4<br />
1<br />
112<br />
2<br />
23
44<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Southwest Airlines<br />
Delta Air Lines<br />
American Airlines<br />
United Airlines<br />
US Airways<br />
Northwest Airlines<br />
Air France-KLM<br />
Continental Airlines<br />
China Southern Airlines<br />
Lufthansa German Airlines<br />
Japan Airlines International<br />
China Eastern Airlines<br />
All Nippon Airways<br />
Ryanair<br />
British Airways<br />
TAM Linhas Aereas<br />
Air China<br />
Gol Transportes Aereos<br />
Air Canada<br />
Iberia<br />
Abb. 16: Die größten Fluggesellschaften der Welt nach angebotenen Sitzplätzen 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />
über einen Flugzeugtyp verfügt und so eine durchschnittliche<br />
Sitzplatzanzahl pro Flug von 136 Sitzplätzen<br />
anbietet. Zahlreiche andere Gesellschaften setzen<br />
in ihrem Flugzeugmix aber auch kleinere Flugzeuge<br />
im Regionalluftverkehr ein, so dass hier die durchschnittliche<br />
Sitzplatzanzahl pro Flug darunter liegt.<br />
Angebotsstarke Fluggesellschaften in Europa:<br />
Unterschiedliche Rangfolge für Passagieranzahl<br />
oder Frequenzen<br />
In Europa sind – gemessen an der Anzahl der angebotenen<br />
Sitzplatzkapazität für eine Juli-Woche<br />
2007 – die zwei Top-Routen Barcelona–Madrid<br />
und Mailand–Rom, mit 77Tsd. bzw. 41Tsd. Sitzen<br />
pro Woche und Reiserichtung. London Heathrow–<br />
Dublin stellt mit 26Tsd. Sitzen pro Woche und<br />
Reiserichtung die meistbeflogene internationale<br />
Route innerhalb Europas dar. Insgesamt sind fünf<br />
internationale Strecken unter den Top 10. Die<br />
höchste Sitzplatzkapazität einer interkontinentalen<br />
0 1 Mio. 2 Mio. 3 Mio. 4 Mio. 5 Mio. 6 Mio.<br />
Angebotene Sitzplätze/Woche<br />
Route ab Europa weist die Flugverbindung London<br />
Heathrow – New York JFK auf. Mit fast 38Tsd.<br />
Sitzen pro Woche liegt diese Verbindung nur knapp<br />
hinter den zwei vorgenannten innereuropäischen<br />
Top-Routen auf Platz 3. Aufgrund <strong>des</strong> eingesetzten<br />
Langstreckenfluggeräts beträgt die durchschnittliche<br />
Sitzplatzkapazität pro Flug hier 292, wohingegen<br />
dieser Wert auf der Route Barcelona–Madrid<br />
bei 157 liegt.<br />
Misst man die aufkommensstärksten Routen in<br />
Europa an der Anzahl der Frequenzen für eine<br />
Woche im Juli 2007, zeigt sich ein etwas anderes<br />
Bild. Die Verkehrsrelationen mit den meisten Flugverbindungen<br />
befinden sich zwar vorwiegend auf<br />
nationalen Märkten, wie z.B. Madrid–Barcelona<br />
oder Mailand–Rom aber auch bei den Inselverkehren.<br />
Die höchstfrequentierte Flugverbindung von<br />
einem europäischen Flughafen mit Ziel außerhalb<br />
Europas ist London Heathrow–New York JFK mit<br />
130 Flügen pro Woche jeweils pro Reiserichtung.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 45<br />
3.2.2 Unterschiedliche Geschäftsmodelle von<br />
Fluggesellschaften<br />
Für die Analyse von verschiedenen idealtypischen<br />
Geschäftsmodellen von Fluggesellschaften werden<br />
diese folgendermaßen unterschieden:<br />
■ Linien-/Netzwerkfluggesellschaften,<br />
■ Low-Cost-Fluggesellschaften,<br />
■ Ferienfluggesellschaften,<br />
■ Regionalfluggesellschaften.<br />
Die Grenzen der einzelnen Geschäftsmodelle sind<br />
seit einigen Jahren – verstärkt durch den Markteintritt<br />
der Low-Cost-Fluggesellschaften – an<br />
den Rändern nicht mehr trennscharf, zumal einige<br />
Carrier hybride Geschäftsmodelle entwickelt<br />
haben. Air Berlin beispielsweise ist sowohl auf<br />
innerdeutschen und -europäischen Business-<br />
Routen als auch auf klassischen europäischen<br />
Ferienflugstrecken vertreten und bedient seit<br />
2008 aufgrund der Übernahme der LTU zudem<br />
ausgewählte und vorwiegend touristische<br />
Langstrecken<strong>des</strong>tinationen. Die Zuordnung einzelner<br />
Fluggesellschaften zu den genannten,<br />
idealtypischen Arten von Airlines ist daher teilweise<br />
schwierig.<br />
Die Linien-/Netzwerkfluggesellschaften decken<br />
61,9% aller Starts an europäischen Flughäfen<br />
2007 ab, gefolgt von den Low Cost Carriern mit<br />
23,7%. Ferienfluggesellschaften sowie Regionalfluggesellschaften<br />
weisen hingegen nur einen<br />
Anteil von 4,2% beziehungsweise 10,3% auf. Bei<br />
den angebotenen Sitzplätzen gibt es geringfügige<br />
Unterschiede. So verfügen die Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
hier über einen Anteil von<br />
61,4%, die Low Cost Carrier von 27,6%, die<br />
Ferienfluggesellschaften von 6,3% und die<br />
Regionalfluggesellschaften von 4,7%.<br />
Eine weitergehende Analyse zeigt, dass die Top 20<br />
der europäischen Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
80% der Flüge in ihrem Segment abdecken. Im<br />
Segment der Ferienfluggesellschaften ist die Konzentration<br />
sogar noch höher: Hier bilden die Top 20<br />
mit 94% nahezu den gesamten Markt ab. Dieses<br />
Bild ist vergleichbar mit dem im Low-Cost-Segment,<br />
das zu 90% von seinen Top-20-Fluggesellschaften<br />
bedient wird. Im Bereich der Regionalfluggesellschaften<br />
ist die Marktkonzentration ver-<br />
gleichsweise gering: Die Top 20 decken hier 64%<br />
der Flüge ab.<br />
Nahezu der gesamte Markt der Linien-/Netzwerk-,<br />
Low-Cost- sowie Ferienfluggesellschaften wird<br />
jeweils durch seine Top 40 abgedeckt (93,0%,<br />
99,4% bzw. 99,9%), wohingegen im Segment der<br />
Regionalfluggesellschaften nur 83,9% der gesamten<br />
Flüge durch die Top 40 der Regionalfluggesellschaften<br />
durchgeführt werden. [Abb.17]<br />
3.2.2.1 Linien- und Netzwerkfluggesellschaften<br />
Die größten 7 europäischen Fluggesellschaften<br />
wickeln 55% <strong>des</strong> Luftverkehrs ab<br />
Sowohl bei der Anzahl der angebotenen Sitzplätze<br />
als auch gemessen an den wöchentlichen<br />
Frequenzen sind Air France-KLM und Lufthansa<br />
die beiden größten europäischen Fluggesellschaften.<br />
British Airways und Iberia folgen auf den<br />
Rängen 3 und 4. Die sieben größten Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
bedienen 55% <strong>des</strong> europäischen<br />
Luftverkehrs in diesem Segment, die 20<br />
1,2 Mio.<br />
5,4 Mio.<br />
0,9 Mio.<br />
Angebotene Sitzplätze pro Woche<br />
Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
Ferienfluggesellschaften<br />
Regionalfluggesellschaften<br />
12,0 Mio.<br />
Abb. 17: Verteilung <strong>des</strong> europäischen Luftverkehrs nach<br />
Fluggesellschaftstyp 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008
46<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Air France-KLM<br />
Lufthansa German Airlines<br />
British Airways<br />
Iberia<br />
Alitalia<br />
SAS Scandinavian Airlines<br />
Turkish Airlines<br />
Spanair<br />
Swiss<br />
Austrian<br />
Aer Lingus<br />
Air Europa<br />
Air One<br />
Aeroflot Russian Airlines<br />
TAP Air Portugal<br />
Olympic Airlines<br />
Finnair<br />
SN Brussels Airlines<br />
Czech Airlines<br />
bmi british midland<br />
größten Fluggesellschaften über 70%. Hierbei ist<br />
zu erwähnen, dass sich Air France und KLM im<br />
Jahr 2004 zusammengeschlossen haben. Unter<br />
dem Dach der Holding Air France-KLM werden<br />
die beiden Fluggesellschaften Air France und KLM<br />
betrieben. 13 Anders sieht es z.B. im Fall Swiss aus,<br />
die ein vollkonsolidiertes Tochterunternehmen der<br />
Deutschen Lufthansa AG ist. 14 [Abb.18]<br />
Das Volumen <strong>des</strong> Gesamtmarktes umfasst<br />
wöchentlich etwa 95Tsd. Flüge mit einer Sitzplatzkapazität<br />
von 12Mio. Sitzen. Die durchschnittliche<br />
Kapazität pro Flug beträgt 127 Sitze.<br />
0<br />
200 400 600 800 1.000 1.200 1.400<br />
Abb. 18: Top 20 Linien-/Netzwerkfluggesellschaften in Europa nach angebotenen Sitzplätzen 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />
Angebotene Sitzplätze/Woche in Tsd.<br />
3.2.2.2 Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
1.600 1.800<br />
Starke Konzentration bei den Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
in Europa<br />
Bei den Low-Cost-Fluggesellschaften nimmt Ryanair<br />
gemessen an den angebotenen Sitzplätzen pro Woche<br />
den Spitzenplatz ein, gefolgt von easyJet, Air<br />
Berlin (ohne LTU) und TUIfly auf den Plätzen 2 bis 4.<br />
Die Spanne der angebotenen wöchentlichen Sitzplatzkapazität<br />
reicht von 1,2 Mio. für Ryanair bis hin<br />
zu 48Tsd. für Alpi Eagles. Die vier großen Low-Cost-<br />
Fluggesellschaften heben sich von den nachfolgen-<br />
13 Vgl. Air France-KLM: Profile – The Group, http://www.airfranceklm-finance.com/air-france-klm-group.html, Abruf am<br />
01.08.2008.<br />
14 Vgl. Lufthansa: Geschäftsfelder – Passage,<br />
http://konzern.lufthansa.com/de/html/ueber_uns/geschaeftsfelder/passage/index.html, Abruf am 01.08.2008.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 47<br />
Ryanair<br />
easyJet<br />
Air Berlin<br />
TUIfly<br />
Flybe<br />
germanwings<br />
Vueling Airlines<br />
Meridiana<br />
Jet2.com<br />
Norwegian Air Shuttle<br />
Clickair<br />
bmibaby<br />
Sterling<br />
Wizz Air<br />
easyJet Switzerland SA<br />
SkyEurope<br />
Transavia.com<br />
Air Baltic Corporation<br />
Wind Jet<br />
Alpi Eagles<br />
0<br />
200 400 600 800 1.000 1.200 1.400<br />
Abb. 19: Top 20 Low-Cost-Fluggesellschaften in Europa nach angebotenen Sitzplätzen 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />
den Low Cost Carriern in der Zahl der angebotenen<br />
Sitzplatzkapazität deutlich ab. 15 [Abb.19]<br />
Auch gemessen an der Anzahl der Frequenzen<br />
sind die vier größten Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
Ryanair, easyJet, Air Berlin (ohne LTU) und Flybe.<br />
Das Marktvolumen der Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
in Flügen pro Woche liegt bei etwa<br />
36Tsd. und beträgt etwa ein Drittel <strong>des</strong> Marktes<br />
der Linien-/Netzwerkfluggesellschaften. Die<br />
durchschnittliche angebotene Sitzplatzkapazität<br />
pro Flug ist mit 149 Sitzen um 22 Sitze höher als<br />
im Falle der Linien-/Netzwerkfluggesellschaften.<br />
3.2.2.3 Regionalfluggesellschaften<br />
Angebotene Sitzplätze/Woche in Tsd.<br />
Zwei größere Regionalfluggesellschaften<br />
in Europa<br />
15 Bei Air Berlin handelt es sich um eine Fluggesellschaft, die verschiedene Geschäftsmodelle betreibt. Da eine eindeutige Trennung<br />
nicht möglich ist, wurde der mittlerweile zu Air Berlin zählende, aber noch unter LTU-Flugnummer fliegende Teil dem Ferienflugverkehr<br />
zugeordnet, der unter Air Berlin-Flugnummer verkehrende Teil komplett dem Low-Cost-Sektor, auch wenn hier<br />
noch andere Verkehre enthalten sind.<br />
1.600<br />
Das Marktvolumen bei den Regionalfluggesellschaften<br />
beträgt 16Tsd. wöchentliche Flüge bzw.<br />
930Tsd. angebotene Sitze pro Woche und nimmt<br />
damit verglichen mit dem Markt der Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
nur einen Bruchteil ein.<br />
Die durchschnittliche Sitzplatzkapazität eines Fluges<br />
liegt aufgrund <strong>des</strong> hohen Anteils von Kurzstrecken-<br />
und Zubringerflügen mit Regionalflug-
48<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
zeugen, wie z.B. ATR 42 oder Canadair Regional<br />
Jet (CRJ), bei nur 59 Sitzen.<br />
Zwei Regionalfluggesellschaften heben sich in<br />
Bezug auf die angebotene wöchentliche Sitzplatzkapazität<br />
wie auch auf die Zahl der angebotenen<br />
Flüge 2007 deutlich ab: Wideroe’s Flyvesleskap und<br />
Binter Canarias mit 1700 bzw. 1200 wöchentlichen<br />
Flügen und einer durchschnittlich angebotenen<br />
Sitzplatzkapazität pro Flug von 44 bzw. 76 Sitzen.<br />
Die nachfolgenden Regionalfluggesellschaften sind<br />
mit 200 bis 600 wöchentlichen Flügen deutlich<br />
kleiner. Damit zeigt sich der Markt der Regionalfluggesellschaften<br />
als sehr heterogen. Aus deutscher<br />
Sicht sind besonders drei Regionalfluggesellschaften<br />
interessant, die zu den 20 größten in<br />
Europa zählen. Dies sind OLT, Cirrus Airlines und<br />
die LGW. Ebenfalls aus deutscher Sicht bedeutsam,<br />
wenn auch unter italienischem Air Operator Certificate<br />
(AOC) fliegend ist die Regionalfluggesellschaft<br />
Air Dolomiti, eine hundertprozentige Tochter der<br />
Condor Flugdienst<br />
First Choice Airways<br />
Thomsonfly<br />
Monarch Airlines<br />
LTU International Airways<br />
MyTravel Airways<br />
flyglobespan<br />
Atlasjet Airlines<br />
SunExpress<br />
Air Transat A.T. Inc.<br />
Martinair Holland<br />
Hamburg International<br />
Kibris Turkish Airlines<br />
Corsair<br />
Zoom Airlines<br />
Edelweiss Air<br />
Interavia Airlines<br />
Saratov Airlines<br />
South Airlines<br />
Astraeus<br />
Deutschen Lufthansa AG. Air Dolomiti führt<br />
hauptsächlich Zubringerdienste aus Italien zum<br />
Flughafen München durch. Lufthansa Cityline und<br />
Eurowings, die Regionalflugtöchter der Lufthansa,<br />
konnten hier nicht separat betrachtet werden, da<br />
sie ihre Flüge unter Lufthansa-Flugnummer anbieten<br />
und somit der Lufthansa zugeordnet wurden.<br />
3.2.2.4 Ferienfluggesellschaften<br />
Abb. 20: Top 20 Ferienfluggesellschaften in Europa nach angebotenen Sitzplätzen 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />
Wenige große Ferienfluggesellschaften in Europa<br />
Das Marktvolumen der Ferienfluggesellschaften in<br />
Europa beträgt 6.430 wöchentliche Flüge mit<br />
1,2Mio. Sitzen pro Woche, was nur einem Bruchteil<br />
<strong>des</strong> Marktes der Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
entspricht [Abb.20]. Es ist eine deutliche<br />
Marktkonzentration auf die acht größten Gesellschaften<br />
in diesem Segment zu beobachten. Die<br />
durchschnittliche Sitzplatzkapazität pro Flug liegt<br />
bei 190 Sitzen, das ist im Vergleich zu den übrigen<br />
0 40.000 80.000 120.000 160.000 200.000<br />
Angebotene Sitzplätze/Woche
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 49<br />
Fluggesellschaften der höchste Wert. Im Vergleich<br />
mit der Rangfolge bezüglich der angebotenen<br />
wöchentlichen Flüge ergeben sich bei den angebotenen<br />
Sitzplätzen auf den vorderen Rängen keine<br />
Änderungen.<br />
Die drei größten Gesellschaften Condor, First Choice<br />
Airways und Thomsonfly heben sich deutlich von<br />
den übrigen Ferienfluggesellschaften ab. Sie bieten<br />
807 (Condor), 751 (First Choice Airways) bzw.<br />
740 (Thomsonfly) Flüge pro Woche an oder<br />
180Tsd. (Condor), 175Tsd. (First Choice Airways)<br />
21<br />
19<br />
17<br />
15<br />
13<br />
11<br />
9<br />
7<br />
5<br />
3<br />
1<br />
Star<br />
Alliance<br />
AC<br />
CA<br />
NZ<br />
NH<br />
OZ<br />
OS<br />
BD<br />
MS<br />
LO<br />
LH<br />
SK<br />
FM<br />
SQ<br />
SA<br />
JK<br />
LX<br />
TP<br />
TG<br />
TK<br />
UA<br />
US<br />
Air Canada<br />
Air China<br />
Air New Zealand<br />
ANA<br />
Asiana Airlines<br />
Austrian<br />
bmi<br />
Egypt Air<br />
LOT Polish Airlines<br />
Lufthansa<br />
Scandinavian Airlines<br />
Shanghai Airlines<br />
Singapore Airlines<br />
South African<br />
Spanair<br />
Swiss<br />
TAP Portugal<br />
Thai Airways<br />
Turkish Airlines<br />
United Airlines<br />
US Airways<br />
Skyteam<br />
SU<br />
AM<br />
AF<br />
AZ<br />
CZ<br />
CO<br />
OK<br />
DL<br />
KE<br />
KL<br />
NW<br />
und 168Tsd. (Thomsonfly) Sitzplätze. Die folgenden<br />
Gesellschaften sind bezogen auf das wöchentliche<br />
Flug- und Sitzplatzangebot deutlich kleiner.<br />
3.2.3 Allianzen von Fluggesellschaften<br />
Allianzen sind eine Antwort der Fluggesellschaften<br />
auf den verschärften Wettbewerb, der mit der<br />
Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs in den neunziger<br />
Jahren weiter zugenommen hat. Mittlerweile<br />
existieren drei weltumspannende Allianzen: Star<br />
Alliance, Skyteam und Oneworld. [Abb.21]<br />
Aeroflot<br />
Aeromexico<br />
Air France<br />
Alitalia<br />
China Southern<br />
Continental Airlines<br />
Czech Airlines<br />
Delta Airlines<br />
Korean Air<br />
KLM<br />
Northwest Airlines<br />
RG Varig<br />
EI<br />
Eintritt 2007 Austritt 2007<br />
Eintritt 2008<br />
Oneworld<br />
American Airlines<br />
British Airways<br />
Cathay Pacific<br />
Finnair<br />
Iberia<br />
Japan Airlines<br />
LAN Chile<br />
Malév<br />
Qantas Airways<br />
Royal Jordanian<br />
Aer Lingus<br />
Low-Cost-Fluggesellschaften ohne Mitgliedschaft Linien-/Netzwerkfluggesellschaften ohne Mitgliedschaft<br />
WN B6 FR U2 FL EK MH VS AS<br />
South- Jetblue Ryanair easyjet<br />
AirTran Emirates Malaysia Virgin Alaska<br />
west<br />
Airways<br />
Airlines<br />
Airlines<br />
Abb. 21: Allianzen von Fluggesellschaften im Oktober 2008<br />
Quelle: OAG 2008, DLR 2008<br />
AA<br />
BA<br />
CX<br />
AY<br />
IB<br />
JL<br />
LA<br />
MA<br />
QF<br />
RJ<br />
CI<br />
China<br />
Airlines
50<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Merkmale von Luftverkehrsallianzen sind z.B. die<br />
Verwendung gemeinsamer Flugnummern (Code<br />
Sharing/Marketingflugnummern) und Flugplanabstimmungen,<br />
um den Kunden einer Allianz ein möglichst<br />
breites und schnelles Netzangebot zu bieten.<br />
Aus Kundensicht sind Allianzen in erster Linie mit<br />
verbesserten Anschlussmöglichkeiten, harmonisierten<br />
und aufeinander abgestimmten Services und<br />
attraktiveren, da größeren, Streckennetzen verbunden.<br />
Hinzu kommt die Möglichkeit, Services (Lounges<br />
etc.) auch der Partnerfluggesellschaften zu<br />
nutzen und auf verschiedenen Fluggesellschaften<br />
einer Allianz Vielfliegermeilen sammeln, abfliegen<br />
oder einlösen zu können. Für die Fluggesellschaften<br />
sind Allianzen zudem mit Kosteneinsparungen<br />
in vielen operativen Bereichen, im Einkauf sowie in<br />
Marketing und Vertrieb verbunden. 16 An einzelnen<br />
Standorten oder auf einzelnen Strecken kann die<br />
Allianzbildung allerdings zu einer Verschärfung der<br />
diskutierten Markteintrittsbarrieren führen oder mit<br />
höheren Preisen aufgrund reduzierten Wettbewerbs<br />
verbunden sein 17 .<br />
Von diesen drei Allianzen ist die Star Alliance<br />
gemessen an der Anzahl der Mitglieder die größte:<br />
Ende 2007 umfasste sie 19 Mitglieder. Mitglieder<br />
dieser Allianz sind u.a. Lufthansa und United Airlines.<br />
Varig verließ die Allianz 2007, ist in der nachfolgenden<br />
Analyse jedoch noch enthalten. Air China<br />
und Shanghai Airlines sind Ende 2007, Turkish<br />
Airlines und Egypt Air sind im Jahr 2008 neu hinzu<br />
gekommen und daher in den Analysedaten, die sich<br />
auf die dritte Juli-Woche 2007 beziehen, noch nicht<br />
berücksichtigt. Ende 2007 umfasste Skyteam rund<br />
um Air France und KLM 11 Mitglieder. China<br />
Southern kam im November 2007 hinzu, ist jedoch<br />
ebenfalls aus vorgenanntem Grund in der nachfolgenden<br />
Analyse noch nicht inbegriffen.<br />
Oneworld bestand Ende 2007 aus zehn Luftverkehrsgesellschaften<br />
mit den maßgeblichen Part-<br />
nern British Airways und American Airlines. Japan<br />
Airlines, Malev und Royal Jordanian sind Ende<br />
2007 beigetreten, jedoch noch nicht in der Analyse,<br />
die sich auf die dritte Juli-Woche 2007 bezieht,<br />
enthalten. Aer Lingus verließ die Allianz 2007 und<br />
operiert nun im Low-Cost-Segment.<br />
Die drei Allianzen vereinen drei Viertel <strong>des</strong> europäischen<br />
Luftverkehrs – gemessen an den Starts der<br />
Linien-/Netzwerkfluggesellschaften – auf sich. Auf<br />
die Star Alliance entfallen 33%, auf Skyteam 25%<br />
und auf Oneworld 16% aller Starts an europäischen<br />
Flughäfen.<br />
Insgesamt gesehen hat die Star Alliance weltweit<br />
einen Marktanteil von 18% aller Starts, Skyteam<br />
von 17% und Oneworld von 8%. Gemessen<br />
an den angebotenen Sitzplatzkilometern kommt<br />
die Star Alliance auf 31,7%, Skyteam auf 25,8%<br />
und Oneworld auf 22%, jeweils bezogen auf das<br />
Gesamtjahr 2007. 18<br />
Einige Gesellschaften gehören keiner Allianz an.<br />
Diese sind im Wesentlichen Low-Cost-Fluggesellschaften,<br />
wie beispielsweise Ryanair, easyJet oder<br />
Air Berlin. Hinzu kommen auch noch über 100<br />
weitere Linien-/Netzwerkfluggesellschaften, die<br />
keiner Allianz angehören 19 . Hierfür ist Emirates ein<br />
bekanntes Beispiel.<br />
Auf die Fluggesellschaften, die keiner Allianz angehören,<br />
entfällt ein Anteil von 27% der Gesamtzahl<br />
der wöchentlichen Starts an europäischen Flughäfen.<br />
Dominanz der Allianzen an großen Flughäfen<br />
Europas<br />
Der Markt an den großen internationalen Flughäfen<br />
Europas – Amsterdam, Paris Charles de Gaulle,<br />
Frankfurt, London Heathrow, Madrid, München<br />
und Zürich – wird jeweils von einer der großen<br />
Allianzen dominiert. [Abb. 22]<br />
16 Vgl. Kleymann/Seristö: Levels of airline alliance membership:balancing risks and benefits, in: Journal of Air Transport Management<br />
7 (2001), S.303–310.<br />
17 Eine umfangreiche Vor- und Nachteilsanalyse befindet sich in der Studie: Globale Allianzen von Fluggesellschaften und ihre<br />
Auswirkungen auf die Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong>. DLR-Forschungsbericht 2002 – 12, Köln 2002, S.43–89.<br />
18 Quelle: IATA World Air Transport Statistics 2007.<br />
19 Quelle: OAG Juli 2007.
Amsterdam<br />
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 51<br />
Paris Charles de<br />
Gaulle<br />
Frankfurt<br />
London Gatwick<br />
London Heathrow<br />
Madrid<br />
München<br />
Zürich<br />
StarAlliance<br />
Oneworld<br />
0 1.000 2.000<br />
3.000<br />
Anzahl von Starts<br />
Skyteam Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
Sonstige Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
Ferienfluggesellschaften<br />
Regionalfluggesellschaften<br />
Abb. 22: Allianzen von Fluggesellschaften an europäischen<br />
Flughäfen in einer Juliwoche 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />
Die dominierende Allianz an diesen Flughäfen ist<br />
typischerweise für 50% bis 75% der Starts verantwortlich.<br />
So weisen z.B. in <strong>Deutschland</strong> München<br />
(68%) und Frankfurt (71%) einen hohen Star<br />
Alliance Anteil auf.<br />
Sowohl in London Heathrow als auch in Madrid ist<br />
die Dominanz einer einzelnen Allianz nicht so stark<br />
ausgeprägt, wie in Frankfurt, München, Amsterdam,<br />
Paris oder Zürich. Am größten Flughafen <strong>des</strong><br />
Vereinigten Königreichs beträgt der Anteil an den<br />
wöchentlichen Starts für Oneworld 49%, gefolgt<br />
von der Star Alliance mit 27% und Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
ohne Allianzzugehörigkeit<br />
mit 17%. Madrid ähnelt in seiner Struktur London<br />
Heathrow insofern, da hier wiederum neben der<br />
dominierenden Oneworld der Star Alliance ein<br />
vergleichsweise hoher Anteil an den Gesamtstarts<br />
zukommt (52% vs. 18%). Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
ohne Allianzzugehörigkeit decken<br />
an diesem Flughafen 12% der Starts ab.<br />
Ein wichtiger Parameter zur Bestimmung der<br />
Bedeutung eines Flughafens ist die Anzahl der<br />
Ziele, die von den dort tätigen Fluggesellschaften<br />
direkt angeflogen werden. Für die Kunden spielt<br />
dabei eine wichtige Rolle, welche Ziele sie mit<br />
Fluggesellschaften einer Allianz erreichen können.<br />
Die Bedienung einer möglichst hohen Anzahl von<br />
Zielen von Fluggesellschaften einer Allianz lässt<br />
z.B. die Mitgliedschaft in einem Vielfliegerprogramm<br />
einer Allianz-Fluggesellschaft attraktiv<br />
werden. Ebenso schätzen Umsteiger die Möglichkeit,<br />
innerhalb einer Gesellschaft bzw. innerhalb<br />
einer Allianz umzusteigen, da häufig Flugpläne<br />
aufeinander abgestimmt sind und eine durchgängige<br />
Tarifierung angeboten wird.<br />
Bei der Anzahl der Flugziele dominieren in Frankfurt<br />
und München besonders die Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
der Star Alliance. [Abb. 23;<br />
umseitig]
52<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Amsterdam<br />
Paris Charles de<br />
Gaulle<br />
Frankfurt<br />
London Gatwick<br />
London Heathrow<br />
Madrid<br />
München<br />
Zürich<br />
StarAlliance<br />
Oneworld<br />
0 40 80<br />
120 160<br />
Anzahl Ziele<br />
Skyteam Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
Sonstige Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />
Ferienfluggesellschaften<br />
Regionalfluggesellschaften<br />
Abb. 23: Anzahl von Flugzielen an europäischen Flughäfen<br />
in einer Juliwoche 2007<br />
Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />
3.3 Flugsicherung<br />
Die Flugsicherung als weiteres Element in der<br />
Wertschöpfungskette <strong>des</strong> Luftverkehrs sorgt für<br />
Luftverkehrssicherheit und Pünktlichkeit und muss<br />
sich dabei den Herausforderungen eines wachsenden<br />
Luftverkehrsmarktes stellen: z.B. einer zunehmenden<br />
Komplexität, die durch die Zunahme der<br />
Flugbewegungen im Luftraum entsteht, sowie den<br />
Umgang mit Kapazitätsengpässen vor allem an den<br />
Hub-Flughäfen. Über 3Mio. Flüge kontrollierten<br />
allein die DFS-Lotsen im deutschen Luftraum im<br />
letzten Jahr (2007), Tendenz steigend.<br />
SES Single European Sky (SES) und Funktionale<br />
Luftraumblöcke (FAB 20 )<br />
Um der Flugsicherungsaufgabe europaweit entsprechend<br />
der Anforderungen gerecht werden zu können,<br />
ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen<br />
Luftraumes (Single European Sky), unterteilt<br />
in Luftraumblöcke, die sich an den Verkehrsströmen<br />
und nicht an nationalen Grenzen orientieren, notwendig.<br />
Dafür müssen in jedem Land jedoch die<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden,<br />
um konform mit den EU-Vorgaben zu sein. In<br />
jüngster Vergangenheit haben bereits verschiedene<br />
Länder, wie z.B. Großbritannien ihre Flugsicherung<br />
umstrukturiert, um sich besser auf die neuen Anforderungen<br />
einstellen zu können. Hierbei ging es<br />
vorrangig um strukturelle Veränderungen der Organisation<br />
und um Privatisierungen, die den Flugsicherungen<br />
u.a. einen höheren unternehmerischen<br />
Entscheidungsspielraum einräumen sollten. Im<br />
Zusammenhang mit der Schaffung eines einheitlichen<br />
Luftraums könnte so in Teilen ein wettbewerblich<br />
organisierter Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />
geschaffen werden.<br />
Die eigentliche Idee eines einheitlichen europäischen<br />
Luftraums existiert schon lange. Mit der Gründung<br />
von Eurocontrol 1960 wurde das Ziel verfolgt, einen<br />
grenzüberschreitenden Oberen Luftraum zu überwachen.<br />
Dieses Ziel konnte nur zum Teil erfüllt<br />
werden. Neben der Regulierungsfunktion im Rahmen<br />
<strong>des</strong> europäischen Luftraummanagements ist<br />
Eurocontrol darüber hinaus auch (noch) betrieblich<br />
als Flugsicherungsanbieter tätig. In dieser Funktion<br />
20 Functional Airspace Blocks.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 53<br />
betreibt Eurocontrol die Kontrollzentrale Maastricht<br />
für den Oberen Luftraum (MUAC) der Benelux-<br />
Staaten und Nordwestdeutschlands.<br />
Die Initiative zur Umsetzung <strong>des</strong> Single European<br />
Sky (SES) wurde im Oktober 2001 nach einigen<br />
anfänglichen Verzögerungen gestartet. Sie schuf<br />
das Legislativpaket, das im März 2004 beschlossen<br />
wurde und kurz darauf in Kraft trat. Es umfasst vier<br />
Rechtsvorschriften: die Rahmenverordnung, die<br />
Luftraumverordnung, die Flugsicherungsdienste-<br />
Verordnung und die Interoperabilitäts-Verordnung.<br />
Die Verordnungen bilden den rechtlichen Rahmen<br />
zur Harmonisierung der Flugsicherung in Europa.<br />
Im Einzelnen wird in den Verordnungen u.a. die<br />
Trennung von Aufsicht und Erbringung der Flugsicherungsdienstleistungen,<br />
die europaweit vereinheitlichte<br />
Zertifizierung von Flugsicherungsanbietern<br />
und Lizenzierung von Fluglotsen sowie die<br />
flexiblere und effizientere Nutzung der Flugsicherung<br />
geregelt.<br />
Neben der Festlegung von Verfahren für die detaillierte<br />
Umsetzung und für Gremien ist in der Rahmenverordnung<br />
auch die Einrichtung der unabhängigen<br />
nationalen Aufsichtsbehörden vorgesehen.<br />
Die Luftraumverordnung betrifft die Ordnung und<br />
Nutzung <strong>des</strong> Luftraums mit dem Ziel, gemeinsame<br />
Gestaltungs-, Planungs- und Verwaltungsverfahren<br />
für das Flugverkehrsmanagement im einheitlichen<br />
europäischen Luftraum festzulegen. Mit der<br />
Flugsicherungsdienste-Verordnung wird u.a. das<br />
Ziel verfolgt, die EU-weite Anwendung gemeinsamer<br />
Standards für Flugsicherungsdienste zu<br />
gewährleisten. Weiterhin schafft sie den Rahmen<br />
für eine transparente Gebührenregelung für Flugsicherungsdienste.<br />
Die vierte Verordnung regelt die Interoperabilität<br />
zwischen den verschiedenen Systemen, Komponenten<br />
und zugehörigen Verfahren <strong>des</strong> europäischen<br />
Flugverkehrsmanagementnetzes und zielt ferner<br />
darauf ab, die koordinierte und zügige Einführung<br />
neu vereinbarter und validierter Betriebskonzepte<br />
oder Technologien sicherzustellen.<br />
Die vier Verordnungen sind die Basis eines einheitlichen<br />
europäischen Luftraums, ihre Umsetzung bedarf<br />
jedoch umfangreicher Detailarbeiten und eines<br />
intensiven Informationsaustauschs aller Beteiligten.<br />
Gemäß der Rahmenverordnung ist die Europäische<br />
Kommission dazu angehalten, die Anwendung der<br />
Rechtsvorschriften regelmäßig zu überprüfen.<br />
Durch die Vereinheitlichung der Luftraumstruktur<br />
und der Bestimmungen in Europa soll ein effizientes<br />
europäisches Flugverkehrssystem geschaffen werden.<br />
Das wichtigste Instrument einer systematischeren<br />
Strukturierung <strong>des</strong> Luftraums ist eine grenzüberschreitende<br />
Integration mittels Funktionaler Luftraumblöcke<br />
(Functional Airspace Blocks, FABs) mit<br />
denen die größtmögliche Kapazität und Effizienz<br />
<strong>des</strong> Flugverkehrsmanagementnetzes sichergestellt<br />
werden soll.<br />
Gemäß der Konzeption der FABs muss sich das<br />
künftige Flugverkehrsmanagement an betrieblichen<br />
Erfordernissen orientieren, insbesondere an<br />
Verkehrsflüssen und nicht mehr an Staatsgrenzen.<br />
Dabei geht es um eine wesentlich bessere Verzahnung<br />
und grenzübergreifende Nutzung der beteiligten<br />
nationalen Lufträume und damit um kürzere<br />
Flugstrecken und günstigere Steig- und Sinkflüge<br />
(„Flugprofile“), um die grenzübergreifenden Verkehrsknotenpunkte<br />
aufzulösen, wenigstens aber<br />
zu entlasten. Ein Beispiel dafür ist etwa der durch<br />
Transantlantikverkehre hoch belastete Knotenpunkt<br />
Nordwestdeutschland/Niederlande.<br />
Dies bedeutet die schrittweise Auflösung nationaler<br />
Strukturen auf betrieblich operationeller Seite zugunsten<br />
eines europäischen Ganzen. Entstehen sollen<br />
so sechs bis acht Gruppen von EU-Mitgliedstaaten<br />
und ihren jeweiligen Dienstleistern, die die jeweiligen<br />
Staaten dann mit der Überwachung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
im Oberen und Unteren Luftraum beauftragen.<br />
Die Initiative zur Bildung der FABs geht von den<br />
Flugsicherungsdienstleistern, in einem nächsten<br />
Schritt von den Staaten aus (Bottom-up Ansatz).<br />
Eurocontrol wurde jedoch von der Kommission<br />
beauftragt, diese dabei zu unterstützen.<br />
3.3.1 Organisation der Flugsicherung in Europa<br />
Wettbewerb theoretisch möglich, praktisch kaum<br />
genutzt<br />
Während die rechtlichen Grundlagen durch die<br />
europäischen Vorgaben zur Erbringung von Flugsicherungsdienstleistungen<br />
im einheitlichen europäischen<br />
Luftraum theoretisch den Weg zu Wettbe-
54<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
werb im Bereich der Flugsicherung geebnet haben,<br />
ist die praktische Umsetzung in ganz Europa durch<br />
politische Erwägungen und staatsrechtliche Restriktionen<br />
noch behindert.<br />
In <strong>Deutschland</strong> erbringt die DFS Deutsche Flugsicherung<br />
GmbH im Rahmen der Beauftragung<br />
durch die Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong> und auf<br />
Basis internationaler Abkommen (ICAO) u.a. Flugsicherungsbetriebsdienste,<br />
zu denen insbesondere<br />
die Flugverkehrskontrolle, die Verkehrsflussregelung,<br />
die Flugberatung (ausgenommen Flugwetterberatung),<br />
die Mitwirkung beim Such- und Rettungsdienst<br />
für Luftfahrzeuge sowie die Übermittlung<br />
von Flugsicherungsinformationen gehören.<br />
Daneben umfassen die Aufgaben der Flugsicherung<br />
u.a. meteorologische Dienste und Luftfahrtdatenmanagement.<br />
Die Kernbereiche der Flugverkehrskontrolle umfassen<br />
die Kontrolle an den Flughäfen (Tower-Dienste),<br />
sowie die Kontrolle im Streckenflug verbunden mit<br />
der An- und Abflugkontrolle (Center-Dienste).<br />
Seit 1993 ist die DFS eine Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung (GmbH) im Alleineigentum<br />
der Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong> und nach derzeit<br />
geltender Rechtslage (Art. 87d GG) sind Flugsicherungsdienste<br />
allgemein in bun<strong>des</strong>eigener<br />
Verwaltung zu erbringen. Die DFS ist zu diesem<br />
Zwecke mit dieser Hoheitsaufgabe beliehen.<br />
Die grundgesetzlichen Voraussetzungen stehen<br />
jedoch im Konflikt zu bereits geltendem europäischen<br />
Recht. Sie behindern u.a. die durch die EU<br />
vorgegebene Bildung von Funktionalen Luftraumblöcken.<br />
Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen<br />
sind Flugsicherungsdiensteanbieter heute mehr<br />
denn je auf Kooperation in unternehmerischer<br />
Hinsicht angewiesen. Unternehmerische Kooperationen<br />
werden der DFS jedoch aufgrund der<br />
derzeitigen Rechtslage verwehrt, insoweit sich<br />
die beteiligten Unternehmen nicht auch im Bun<strong>des</strong>eigentum<br />
befinden.<br />
Im Gegenzug hat die deutsche Bun<strong>des</strong>regierung<br />
jedoch ausländischen Flugsicherungsorganisationen<br />
Flugsicherungsaufgaben übertragen, die als Teil der<br />
„Luftverkehrsverwaltung“ im Sinne <strong>des</strong> Artikels<br />
87dGG nicht bun<strong>des</strong>eigen sind. 21<br />
In einer ersten Runde haben zehn Regionalflughäfen<br />
die Tower-Dienstleistungen an den österreichischen<br />
Flugsicherungsdienstleister Austro Control<br />
vergeben, an neun Flughäfen stellt die DFS-Tochter<br />
„The Tower Company“ Flugsicherungsdienste<br />
bereit, und drei Flughäfen haben sich selbst zertifizieren<br />
lassen. Die Übernahme der Towerdienste an<br />
zehn deutschen Regionalflughäfen durch Austro<br />
Control und die Selbstzertifizierung der nichtbun<strong>des</strong>eigenen<br />
Betreiber der Verkehrslandeplätze<br />
erscheint im Lichte der Entscheidung <strong>des</strong> Landgerichts<br />
Konstanz 22 verfassungsrechtlich fragwürdig,<br />
da Artikel 87d GG bei der Luftverkehrsverwaltung<br />
im Bereich der Flugsicherung nicht zwischen<br />
Strecken- und Towerkontrolldiensten unterscheidet<br />
und die Luftverkehrsverwaltung in bun<strong>des</strong>eigener<br />
Verwaltung zu führen ist. In diesem speziellen<br />
Bereich scheint jedoch einer europafreundlichen<br />
Auslegung Vorrang gegeben zu sein, so dass ein<br />
von einer Aufsichtsbehörde in einem EU-Staat<br />
zertifizierter Flugsicherungsanbieter seine Dienste<br />
in allen Staaten der EU ausüben darf. An den<br />
größeren deutschen Flughäfen werden die Towerdienste<br />
weiterhin aufgrund gesetzlicher Grundlage<br />
durch die DFS erbracht.<br />
Die Sichtweise, dass die hoheitlichen Aufgaben<br />
im Bereich der Kontrolle <strong>des</strong> Luftraums dominieren,<br />
wird auch grundsätzlich in der europäischen Flugsicherungsdiensteverordnung<br />
550/2004 vertreten,<br />
21 Erbringung der Flugverkehrskontrolldienste an einigen deutschen Regionalflughäfen durch die österreichische Flugsicherungsorganisation<br />
Austrocontrol. In den grenznahen Lufträumen auf deutscher Seite sind u.a. Skyguide (Schweiz) sowie LNVL<br />
(Niederlande), die dänische Flugsicherung und Austrocontrol tätig.<br />
22 Landgericht Konstanz, Urteil vom 27.07.2006, Aktenzeichen: 4 O 234/05 H.<br />
23 Functional Airspace Block European Central: Benelux-Staaten, <strong>Deutschland</strong>, Frankreich.<br />
24 Vgl. Eurocontrol Performance Review Report 2007, S.I.<br />
25 Vgl. Mitteilung der EU-Kommission COM 2008 389/2 S.6.<br />
26 Vgl. Eurocontrol Performance Review Report 2006.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 55<br />
die die wirtschaftlichen Aspekte der Erbringung<br />
von Flugsicherungsdienstleistungen in den Hintergrund<br />
stellt und die Anwendbarkeit der Rechtsverordnungen<br />
<strong>des</strong> Gemeinsamen Marktes verneint.<br />
So erschweren nationalstaatliche Erwägungen die<br />
aus ökonomischer Sicht durchaus sinnvolle Integration<br />
mehrerer Flugsicherungsdienstleister. Bereits<br />
die Abgabe exklusiver Hoheitsrechte über dem<br />
eigenen Luftraum führte bisher zu starken Widerständen,<br />
so dass die bisherigen Initiativen zur<br />
Bildung der funktionalen Luftraumblöcke teilweise<br />
nur schleppend vorankommen.<br />
Erfreuliche Entwicklungen in diesem Prozess gab<br />
es zuletzt beim FAB EC. 23 Dort ist die beauftragte<br />
Machbarkeitsstudie abgeschlossen worden. Die<br />
Veröffentlichung der Ergebnisse ist demnächst zu<br />
erwarten. Eine Absichtserklärung (Declaration of<br />
Intent) wird noch im November 2008 während der<br />
französischen Ratspräsidentschaft unterzeichnet.<br />
Ein darauf beruhender Staatsvertrag soll bis 2012 in<br />
Kraft treten.<br />
3.3.1.1 Wirtschaftliche Aspekte der Flugsicherung<br />
Die Flugsicherung an 17 internationalen Verkehrsflughäfen<br />
ist derzeit als Monopol organisiert. Sämtliche<br />
Kosten werden direkt an den Nutzer weitergegeben,<br />
unabhängig von der Qualität der geleisteten<br />
Dienste. Dieses Prinzip der Vollkostendeckung<br />
bietet nur wenig Anreize, Dienste sowohl qualitativ<br />
als auch kostenmäßig zu optimieren.<br />
Seit den 70er Jahren und dem Beginn, nichtstaatliche<br />
Luftverkehrsaufgaben zu privatisieren, wurden<br />
die rechtlichen Strukturen <strong>des</strong> Flugverkehrsmanagements<br />
vornehmlich durch zwischenstaatliche<br />
Vereinbarungen geregelt. Wie die Leistungsüberprüfung<br />
durch die High Level Group und die Eurocontrol-Kommission<br />
jedoch gezeigt hat, ist der<br />
zwischenstaatliche Ansatz ungeeignet, da er nur<br />
uneinheitlich umgesetzt werden kann. Ein weiteres<br />
Problem stellt dabei die Intransparenz der Aufgabenverteilung<br />
zwischen Staaten, Behörden, Luftfahrtunternehmen<br />
und Flugsicherungsorganisationen<br />
dar.<br />
Aufgrund der Fragmentierung <strong>des</strong> europäischen<br />
Luftraums können neue Technologien und Verfahren<br />
nur schleppend flächendeckend eingeführt<br />
werden. Durch eine stärkere Vereinheitlichung<br />
und der damit einhergehenden Vermeidung von<br />
unnötig vielen technischen Systemen, hohen<br />
Instandhaltungskosten und Flugsicherungszentren,<br />
die in ihrer Größe nicht optimal ausgelegt<br />
sind, könnten erhebliche Einsparungen realisiert<br />
werden.<br />
Auch die Streckenführung im europäischen Luftraum<br />
lässt noch Optimierungen zu: die kürzesten<br />
Streckenführungen werden nicht hinreichend<br />
genutzt und verursachen den Luftraumnutzern<br />
zusammen mit entstehenden Verspätungen jährliche<br />
Mehrkosten von ca. 3,7 Mrd. EUR. 24 Hinzu<br />
kommen weitere Kosten in Höhe von ca. 1 Mrd.<br />
EUR, die durch die Fragmentierung der Flugsicherung<br />
in Europa, d.h. insbesondere durch die Duplizierung<br />
von Systemen und eingesetzten Ausrüstungen<br />
entstehen. 25<br />
Das Provisional Council von Eurocontrol strebt als<br />
Zielgröße eine jährliche Reduktion der Flugsicherungskosten<br />
pro km um 3% an, so dass in der<br />
Zeitspanne 2003 bis 2008 ca. 2 Mrd. EUR eingespart<br />
werden könnten. 26<br />
Das Gesamtvolumen <strong>des</strong> europäischen Flugsicherungsdienste-Marktes<br />
wird mit 8 Mrd. EUR beziffert.<br />
Dieser ist durch die Staatsgrenzen eindeutig in<br />
Einzelmärkte aufgeteilt. Während in anderen Wirtschaftszweigen<br />
Barrieren sukzessive abgebaut<br />
werden, sind im Bereich der Flugsicherungen noch<br />
27 nationale Anbieter aktiv, jeder nach wie vor mit<br />
seinen eigenen Verfahren, Ausrüstungen, Betriebskonzepten<br />
und Gemeinkosten.<br />
Flugsicherung finanziert durch den Nutzer<br />
Die Flugsicherung in <strong>Deutschland</strong> basiert auf einem<br />
nutzerfinanzierten System. Die Gebührensätze<br />
werden so bemessen, dass die Kosten der Flugsicherung<br />
gedeckt werden (Vollkostendeckung).<br />
Dieses System gilt für Streckengebühren im Eurocontrol-Gebiet,<br />
das 38 Staaten umfasst. Innerhalb<br />
<strong>des</strong> Eurocontrol-Gebietes bemisst sich das Nutzungsentgelt<br />
für den Streckenflug nach einer Formel,<br />
die das maximale Abfluggewicht <strong>des</strong> Flugzeuges<br />
(MTOW), die zurückgelegte Distanz (Großkreisentfernung)<br />
und den Gebührensatz (Unit<br />
Rate) pro Mitgliedsstaat umfasst.
56<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Hinzu kommt pro Start auf einem Flughafen in<br />
<strong>Deutschland</strong> noch die An-/Abfluggebühr, die das<br />
maximale Abfluggewicht <strong>des</strong> Flugzeuges und den<br />
Gebührensatz enthält. Die Erhebung der An- und<br />
Abfluggebühren wurde im Rahmen der EG-Verordnung<br />
1794/2006 für die EU-Mitgliedsstaaten<br />
geregelt.<br />
Die am MTOW orientierte Gebührenermittlung<br />
führt dazu, dass Halter größerer Flugzeuge höhere<br />
Gebühren zu entrichten haben.<br />
Die Gebühren werden so bemessen, dass die<br />
Kosten der Flugsicherung gedeckt werden. Weil die<br />
fixen Kosten der Flugsicherung überwiegen, führt<br />
dies bei wachsendem Verkehrsaufkommen regelmäßig<br />
zu einer Senkung der Gebühren. Zwischen<br />
2003 und 2006 sanken die Streckengebühren in<br />
<strong>Deutschland</strong> beispielsweise um 32%, die An- und<br />
Abfluggebühren sanken um 36%.<br />
3.3.1.2 Pünktlichkeit an deutschen Flughäfen<br />
Pünktlichkeit an deutschen Flughäfen wegen<br />
Kapazitätsengpässen nur im hinteren Mittelfeld<br />
Neben den Kosten stellt die Qualität der erbrachten<br />
Leistungen eine wichtige Kenngröße zur Bewertung<br />
von Flugsicherungsleistungen dar. Ein wichtiger<br />
Indikator für die Qualität sind dabei Verspätungen.<br />
Im Folgenden werden daher die in Europa angefallenen<br />
Air Traffic Flow Management (ATFM)-<br />
Verspätungen an Flughäfen und im Streckenflug<br />
dargestellt. Hierbei handelt es sich um Flüge, die<br />
bereits am Startflughafen – aufgrund von antizipierten<br />
Kapazitätsengpässen am Start- bzw. Zielflughafen<br />
bzw. beim Durchfliegen von bestimmten<br />
Sektoren – zurückgehalten werden. Die ATFM-<br />
Verspätung eines bestimmten Fluges wird jener<br />
Flugsicherungsstelle zugeschrieben, die die stärkste<br />
Beschränkung entlang <strong>des</strong> Fluges auferlegt, entweder<br />
im Streckenflug („En-route ATFM-Verspätung“)<br />
oder dem Start- oder Zielflughafen („flughafenbezogene<br />
ATFM-Verspätung“). Im Jahr 2007<br />
betrugen die ATFM-Verspätungen 24% der<br />
primären Abflugverspätungen. 27 [Abb. 24]<br />
Die Hauptursache für ATFM-Verspätungen an europäischen<br />
Flughäfen sind Kapazitätsengpässe bei<br />
der Flugsicherung, gefolgt von Wetterlagen mit<br />
schlechter Sicht oder Wind, in denen die Staffelungsabstände<br />
vergrößert werden müssen und<br />
damit die Kapazität <strong>des</strong> Flughafens eingeschränkt<br />
wird. Derartige Wetterlagen sind insbesondere an<br />
Flughäfen problematisch, die bereits knapp an der<br />
Kapazitätsgrenze operieren. Die durch Kapazitätsengpässe<br />
bedingten ATFM-Verspätungen betreffen<br />
größtenteils den anfliegenden Verkehr und fallen<br />
<strong>des</strong>halb nicht am verursachenden Zielflughafen,<br />
sondern an den jeweiligen Startflughäfen an, werden<br />
also in das Netzwerk „exportiert“. An den<br />
beiden deutschen Hubs in Frankfurt und München<br />
waren die flughafenbezogenen ATFM-Verspätungen<br />
für Ankünfte zu 92,1%, respektive 87,2%<br />
auf die Wetterlage zurückzuführen. Insgesamt kam<br />
es in Frankfurt 2007 im Vergleich zu 2006 zu einem<br />
Anstieg um mehr als 25% bzw. 171Tsd. Minuten<br />
auf 843Tsd. Minuten ATFM-Verspätungen. In<br />
München sanken die ATFM-Verspätungen um<br />
28Tsd. Minuten auf 330Tsd. Minuten. Dies entspricht<br />
einem Rückgang um knapp 8%.<br />
Am Flughafen Amsterdam, der über Kapazitätsreserven<br />
verfügt, belaufen sich die ATFM-Verspätungen<br />
2007 auf 203Tsd. Minuten, d.h. auf weniger<br />
als ein Viertel <strong>des</strong> für Frankfurt ausgewiesenen<br />
Wertes – obwohl Amsterdam in Bezug auf Funktion,<br />
Flugbewegungen und Passagierzahl mit<br />
Frankfurt vergleichbar ist.<br />
Spitzenreiter bei den ATFM-Streckenflugverspätungen<br />
sind die Streckenflug-Kontrollzonen London,<br />
Warschau, Maastricht, Madrid und Zürich.<br />
Hier erreichen nicht nur die Gesamtverspätungen<br />
in Minuten die höchsten Werte, sondern auch der<br />
Anteil verspäteter Flüge liegt hier mit zwischen<br />
3,3% und 10,1% relativ hoch. Im Vergleich zu<br />
2006 hat sich in 2007 die Anzahl der Kontrollzen-<br />
27 Vgl. Eurocontrol (2008), S.31.<br />
28 Detaillierte Betrachtungen sind im Performance Review Report von Eurocontrol zu finden.<br />
29 Vgl. Cook, Andrew/Tanner, Graham/Anderson, Stephen (2004): Evaluating the true cost to airlines of one minute of airborne<br />
or ground delay.<br />
30 Vgl. Eurocontrol (2008), S.43.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 57<br />
Madrid Barajas (Spanien)<br />
Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />
London Heathrow (Großbritannien)<br />
Rom Fiumicino (Italien)<br />
Wien (Österreich)<br />
Zürich (Schweiz)<br />
Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />
Mailand Malpensa (Italien)<br />
München (<strong>Deutschland</strong>)<br />
London City (Großbritannien)<br />
Stockholm Arlanda (Norwegen)<br />
Amsterdam (Niederlande)<br />
Genf (Schweiz)<br />
Istanbul Ataturk (Türkei)<br />
Heraklion (Griechenland)<br />
100<br />
Abb. 24: Flughafenbezogene ATFM-Ankunftsverspätungen in Europa 2007<br />
Quelle: Eurocontrol 2008<br />
tren in Europa mit mehr als 100Tsd. Minuten Gesamtverspätung<br />
von 23 auf 26 erhöht. Besonders<br />
stark verschlechtert hat sich die Verspätungssituation<br />
in den Kontrollzentren Warschau und Maastricht,<br />
wo sich die Verspätungen im Vergleich zu<br />
2006 jeweils fast verdoppelt haben. 28<br />
Trotz der hohen Verkehrsdichte und <strong>des</strong> komplexen<br />
Luftraums schneidet <strong>Deutschland</strong> bei den<br />
streckenflugbezogenen ATFM-Verspätungen relativ<br />
gut ab. Von den fünf von der DFS betriebenen<br />
Kontrollzentren traten zwar bei dreien Gesamtverspätungen<br />
von mehr als 100Tsd. Minuten auf<br />
(Rhein/Karlsruhe, München und Langen), der<br />
Anteil verspäteter Flüge an den insgesamt durchgeführten<br />
Flügen ist jedoch im europäischen Vergleich<br />
sehr niedrig. Im Falle <strong>des</strong> Kontrollbereiches<br />
Karlsruhe betrug der Anteil 2,1%, im Kontrollbereich<br />
München 0,9%. Im Bereich Langen hatten<br />
0,6% aller Flüge streckenflugbezogene ATFM-<br />
Verspätungen.<br />
Neben den Unannehmlichkeiten, die sich für Passagiere<br />
durch Verspätungen ergeben, stellen Verspä-<br />
0<br />
200 300 400 500 600 700 800 900 1.000<br />
ATFM-Verspätungen 2007 in Tsd. Minuten<br />
Verspätungen aufgrund Wetterlage Andere Verspätungsgründe<br />
tungen massive ökonomische Belastungen für die<br />
Fluggesellschaften dar. Einer Studie der Universität<br />
Westminster zufolge betragen die durchschnittlichen<br />
Kosten von längeren Verspätungen (d.h.<br />
>15 Minuten) 72 EUR pro Minute. Für größere<br />
Flugzeugtypen wie die Boeing 747-400 liegen die<br />
Kosten bei bis zu 289 EUR pro Minute. 29 Hierin<br />
nicht enthalten sind Kosten für etwaige Entschädigungen<br />
bzw. Unterstützungsleistungen an Endkunden,<br />
die sich aus der Verordnung (EG) 261/2004<br />
ergeben können. Europaweit belaufen sich die<br />
Kosten, die durch flughafen- und streckenflugbezogene<br />
ATFM-Verspätungen entstehen, laut Eurocontrol<br />
im Jahr 2007 auf mehr als 1,3 Mrd. EUR. 30<br />
3.3.2 Weltweite Organisationsformen in der<br />
Flugsicherung<br />
Große Spannbreite der Organisationsformen in<br />
der Flugsicherung weltweit<br />
Die Organisationsformen der Flugsicherungsdienstleister<br />
variieren weltweit. Neben Flugsicherungen,<br />
die ihre Leistungen als staatliche Behörde
58<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
erbringen wie z. B. in Frankreich und den USA,<br />
gibt es öffentliche Unternehmen in privaten<br />
Organisationsformen z. B. in Australien und in<br />
<strong>Deutschland</strong>. In Kanada und Großbritannien<br />
existieren voll- bzw. teilprivatisierte Organisationsformen.<br />
Bisherige Studien bieten keinen<br />
umfassenden Vergleich der Effizienz der weltweiten<br />
Flugsicherungen. Mittels partieller Vergleiche<br />
ist es jedoch möglich, individuelle Stärken<br />
und Schwächen der jeweiligen Systeme zu<br />
identifizieren.<br />
Die folgende Tabelle zeigt überblicksartig die<br />
Rechts- und Organisationsformen der wichtigsten<br />
Flugsicherungen weltweit. [Tab.1]<br />
Behörde (100% staatlich)<br />
■ Brasilien (Militär)<br />
■ China<br />
■ Frankreich<br />
■ Russland<br />
■ USA (FAA)<br />
■ VAE<br />
Öffentliches Unternehmen in privater<br />
Organisations-/Rechtsform (100% staatlich)<br />
■ Australien<br />
■ <strong>Deutschland</strong><br />
■ Irland<br />
■ Neuseeland<br />
■ Spanien<br />
■ Südafrika<br />
Organisations- und Kapitalprivatisiertes Unternehmen<br />
(zu weniger als 100% in Staatsbesitz)<br />
■ Großbritannien (Teilprivatisierung)<br />
■ Kanada (Vollprivatisierung, Non-profit Unternehmen)<br />
Tab. 1: Organisationsformen der Flugsicherungen in<br />
ausgewählten Ländern<br />
Quelle: Eigene Darstellung DLR basierend auf Czerny,<br />
A. I. und Mitusch, K., Organisations- und Privatisierungsmodelle<br />
für Flugsicherungsunternehmen: Internationale<br />
Erfahrungen, Vortrag auf der Konferenz „Perspektiven<br />
der Flugsicherung in <strong>Deutschland</strong> und Europa“,<br />
18. Februar 2008, Berlin.<br />
Auch unter organisationsprivatisierten Flugsicherungen,<br />
die sich zu 100% im Staatsbesitz befinden,<br />
gibt es je nach Handhabung der staatlichen<br />
Aufsicht erhebliche Unterschiede in den Handlungsspielräumen.<br />
Die DFS ist aufgrund der Bun<strong>des</strong>haushaltsordnung<br />
in ihrem Handlungsradius<br />
eingeschränkt. Da sie einer gesonderten Genehmigungspflicht<br />
unterliegt, ist es für sie auch nur<br />
eingeschränkt möglich, sich wesentlich an anderen<br />
internationalen Unternehmen zu beteiligen. Andere<br />
Flugsicherungsorganisationen können aufgrund<br />
ihres anders gearteten Haushaltsrechts flexibler<br />
und selbstbestimmt im Markt agieren. So können<br />
sie sich z.B. sehr viel leichter an Firmen, auch im<br />
Ausland, beteiligen. [Tab. 2]<br />
Eine Möglichkeit der Beteiligung von privaten<br />
Investoren an Flugsicherungsunternehmen stellt<br />
die Kapitalbeteiligung der Luftraumnutzer an der<br />
Flugsicherung dar. Diese Option wurde in Großbritannien<br />
gewählt, wo 42% der nationalen Flugsicherung<br />
NATS durch eine Gruppe bestehend aus<br />
sieben britischen Fluggesellschaften übernommen<br />
wurde. Aus ökonomischer Sicht ist eine derartige<br />
Lösung einerseits positiv zu bewerten. Die Luftverkehrsgesellschaften<br />
als Nutzer der Leistungen<br />
der Flugsicherung haben ein direktes Interesse an<br />
den Leistungsparametern der Flugsicherung und<br />
durch den Kauf von Kapitalanteilen entsprechende<br />
wirtschaftliche und rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten,<br />
diese zu beeinflussen. Allerdings ist bei<br />
der Beteiligung von Nutzern aus ordnungspolitischer<br />
Sicht darauf zu achten, dass keinerlei Diskriminierungspotenziale<br />
gegenüber nicht im Konsortium<br />
vertretenen Luftverkehrsgesellschaften<br />
entstehen können. Ebenfalls kritisch zu bewerten<br />
im Falle der Kapitalprivatisierung der NATS waren<br />
die fehlenden Finanzierungsmechanismen, die<br />
eine nachträgliche staatliche Finanzspritze von<br />
130Mio. GBP an die Flugsicherung erforderlich<br />
machte. Bedingt durch den Verkehrsrückgang<br />
nach dem 11. September 2001 war es zu deutlich<br />
sinkenden Erlösen gekommen, die die wirtschaftliche<br />
Leistungsfähigkeit <strong>des</strong> Flugsicherungsdienstleisters<br />
beeinträchtigten.
Land<br />
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 59<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Großbritannien<br />
Kanada<br />
Australien<br />
Neuseeland<br />
Flugsicherungsdienstleister<br />
Deutsche Flugsicherung<br />
(DFS)<br />
National Air Traffic<br />
Services (NATS)<br />
NAV CANADA<br />
Air Services<br />
Australia<br />
Airways New<br />
Zealand<br />
Rechtsform<br />
GmbH<br />
Limited (vergleichbar<br />
mit GmbH in<br />
<strong>Deutschland</strong>), NATS<br />
En Route: Public<br />
limited company<br />
(vergleichbar mit<br />
AG in <strong>Deutschland</strong>)<br />
Non-Share Capital<br />
Corporation<br />
(Unternehmen<br />
ohne Gewinnabsicht<br />
und ohne<br />
Eigenkapital)<br />
Staatliches Unternehmen<br />
State owned<br />
Enterprise (Staatliches<br />
Unternehmen)<br />
Eigentümer<br />
100% im Bun<strong>des</strong>besitz<br />
49% Britische Regierung<br />
42%The Airline Group, Konsortium aus<br />
British Airways, bmi, easyJet, Monarch<br />
Airlines, Thomas Cook Airlines, Thomsonfly<br />
und Virgin Atlantic<br />
4% BAA<br />
5% Belegschaft der NATS<br />
Da kein Eigenkapital vorhanden, gibt es auch<br />
keine Eigentümer im engeren Sinne. Für die<br />
Unternehmensführung verantwortlich sind die<br />
„Mitglieder“, die im Vorstandsgremium<br />
vertreten sind (jeweils 4 Mitglieder von Fluggesellschaften,<br />
3 Regierungsvertreter, 2 von<br />
Gewerkschaften und 1 der General Aviation)<br />
100% im Staatsbesitz<br />
100% im Staatsbesitz (50% Verkehrsministerium,<br />
50% Ministerium für Staatsbeteiligungen)<br />
Tab. 2: Eigentümerstrukturen organisations- und/oder kapitalprivatisierter Flugsicherungsdienstleister<br />
Quelle: Eigene Darstellung DLR basierend auf Czerny, A. I. und Mitusch, K., Organisations- und Privatisierungsmodelle für Flugsicherungsunternehmen:<br />
Internationale Erfahrungen, Vortrag auf der Konferenz „Perspektiven der Flugsicherung in <strong>Deutschland</strong><br />
und Europa“, 18. Februar 2008, Berlin.<br />
3.3.3 Unterschiedliche Flugsicherungssysteme<br />
in Europa und den USA<br />
Gerne wird die europäische Flugsicherungslandschaft<br />
mit der in den USA verglichen. Vorteilhaft<br />
bei den USA ist dabei, dass der Luftraum in relativ<br />
große Luftraumblöcke eingeteilt ist und mit relativ<br />
wenigen Kontrollzentralen und unterschiedlichen<br />
Betriebssystemen auskommt. Jedoch muss an dieser<br />
Stelle auch angemerkt werden, dass in Europa<br />
auf einer vergleichsweise kleinen Fläche erheblich<br />
mehr Flughäfen mit hohem Verkehrsaufkommen<br />
liegen, deren An- und Abflüge in den Überflugverkehr<br />
eingefädelt werden müssen.<br />
Das im Unterschied zur fragmentierten Flugsicherungslandschaft<br />
in Europa in den USA betriebene<br />
einheitliche Flugsicherungssystem, wird als Abtei-<br />
lung der zivilen Luftfahrtbehörde (Federal Aviation<br />
Administration – FAA) betrieben geführt.<br />
Die Finanzierung <strong>des</strong> Systems erfolgt nicht wie in<br />
Europa durch Nutzungsgebühren, sondern durch<br />
verschiedene Steuern (wie z.B. passagierbezogene<br />
Steuern oder Kerosinsteuer für Geschäftsreiseflugzeuge).<br />
Hieraus ergeben sich zwei Probleme:<br />
Zum einen findet eine Quersubventionierung<br />
zugunsten von Betreibern von Flugzeugen der<br />
allgemeinen Luftfahrt (Privatjets u.Ä.) statt, da<br />
die passagierbezogenen Steuern 95% <strong>des</strong> Gesamtsteueraufkommens<br />
ausmachen, die kommerzielle<br />
Luftfahrt jedoch nur für 73% der Kosten<br />
<strong>des</strong> Flugsicherungssystems verantwortlich ist.<br />
Zum anderen bedeutet die steuergebundene<br />
Finanzierung ein relativ starres Haushaltssystem,<br />
in dem es nur schwer möglich ist, zusätzliche
60<br />
I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Mittel zu erhalten, die für eine Modernisierung<br />
der Infrastrukturen der Flugsicherung notwendig<br />
sind. Dadurch sieht sich die FAA derzeit mit ähnlichen<br />
Problemen konfrontiert wie einst die Bun<strong>des</strong>anstalt<br />
für Flugsicherung. Aufgrund mangelnder<br />
Liquidität können keine notwendigen Investitionen<br />
in technische Neuerungen getätigt werden.<br />
Versuche, die Flugsicherung in den USA auf ein<br />
nutzerfinanziertes System umzustellen, sind vorerst<br />
durch Intervention von AOPA und NBAA 31<br />
gescheitert.<br />
Der Vorteil <strong>des</strong> US-amerikanischen Flugsicherungssystems<br />
liegt in der einheitlichen Infrastruktur.<br />
Während in Europa die Flugsicherungssysteme<br />
weitgehend national geplant und aufgebaut wurden<br />
und dementsprechend vielfältig sind, gibt es in<br />
31 AOPA: Aircraft Owners and Pilots Association; NBAA: National Business Aviation Association.<br />
den USA ein einziges Betriebssystem auf Basis einer<br />
einzigen Programmiersprache. In Europa hingegen<br />
gibt es laut Eurocontrol 27 einzelstaatliche Flugsicherungsorganisationen,<br />
über 50 Kontrollzentralen,<br />
25 nationale Ausbildungsakademien und 22 verschiedene<br />
Betriebssysteme in der Flugsicherung,<br />
auf der Basis von 30 Programmiersprachen.<br />
Die Einheitlichkeit <strong>des</strong> US-amerikanischen Systems<br />
schlägt sich auch in den zentralen Parametern der<br />
Leistungsbewertung der Flugsicherung nieder.<br />
Hierzu gehören eine hohe Fluglotsenproduktivität<br />
und niedrigere Kosten als in Europa. Die Kosten<br />
pro IFR-Flug (Instrument Flight Rules, Instrumentenflug)<br />
lagen in den USA mit 417 EUR deutlich<br />
niedriger als in Europa mit 772 EUR (jeweils für das<br />
Jahr 2005).
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 61<br />
II. Entwicklungen und Trends<br />
European Center for Aviation Development – ECAD<br />
1. Zusammenfassung<br />
Das jährliche weltweite Passagieraufkommen wird<br />
sich bis zum Jahr 2025 auf ca. 9,1 Mrd. verdoppeln.<br />
1 Gründe für dieses Wachstum sind vor allem<br />
die Bevölkerungsentwicklung, das gestiegene<br />
Mobilitätsbedürfnis, die zunehmenden internationalen<br />
Wirtschaftsverflechtungen, das weltweite<br />
Wirtschaftswachstum sowie die fortschreitende<br />
Deregulierung und Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs.<br />
Das Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens im Luftverkehr<br />
wird regional unterschiedlich ausfallen. Die<br />
höchsten Wachstumsraten <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
jeweils in Höhe von 5,8% p.a. sind in den<br />
nächsten Jahren für Afrika sowie den asiatisch/pazifischen<br />
Raum zu erwarten. Es wird davon ausgegangen,<br />
dass der Luftverkehr im Nahen Osten<br />
bis zum Jahr 2025 pro Jahr mit durchschnittlich<br />
4,6% auf 260 Mio. Passagiere anwachsen wird.<br />
Für Nordamerika ist hingegen mit einer Sättigung<br />
<strong>des</strong> Luftverkehrsmarkts zu rechnen. Das dortige<br />
Passagieraufkommen wird sich bis zum Jahr 2025<br />
mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate<br />
von ca. 2,7% im internationalen Vergleich<br />
voraussichtlich deutlich unterdurchschnittlich entwickeln.<br />
Im Jahr 2025 wird ein Aufkommen von<br />
2,53 Mrd. Passagieren für Nordamerika erwartet.<br />
Für Europa wird bis zum Jahr 2025 ein durchschnittliches<br />
Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
im Luftverkehr von 3,6% pro Jahr auf 2,56 Mrd.<br />
Passagiere prognostiziert. 2<br />
Auch die Bedeutung der Luftfracht nimmt mit<br />
zunehmender ökonomischer Internationalisierung<br />
weiter zu. Zukünftig wird ein Wachstum von jährlich<br />
ca. 5,8% bezogen auf die geflogenen Frachttonnenkilometer<br />
erwartet.<br />
Der vorliegende Berichtsteil analysiert die volkswirtschaftlichen<br />
und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen<br />
<strong>des</strong> Luftverkehrssektors in <strong>Deutschland</strong><br />
sowie <strong>des</strong>sen zukünftigen Entwicklungsperspektiven<br />
im Vergleich zu anderen wichtigen Luftverkehrsstandorten<br />
der Welt. Dabei werden neben<br />
<strong>Deutschland</strong> folgende Volkswirtschaften betrachtet:<br />
■ Frankreich,<br />
■ Vereinigtes Königreich,<br />
■ China,<br />
■ Indien,<br />
■ Vereinigte Arabische Emirate,<br />
■ Katar,<br />
■ Vereinigte Staaten von Amerika.<br />
1 Vgl. Airports Council International (2007), Global Traffic Forecast 2006–2025 Edition 2007, S.6.<br />
2 Vgl. ebenda., S.13f.
62<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Die Auswahl dieser Länder lässt sich zum einen mit<br />
ihrer besonderen Bedeutung für den Luftverkehrsmarkt<br />
<strong>Deutschland</strong> und zum anderen für unterschiedliche<br />
Entwicklungen begründen. So gehen<br />
Entwicklungen in der Luftverkehrsbranche traditionell<br />
von den USA aus. Zudem bilden Flugverbindungen<br />
in die USA den aufkommensstärksten<br />
Interkontinentalmarkt <strong>Deutschland</strong>s überhaupt.<br />
China und Indien repräsentieren die beiden wichtigsten<br />
Wachstumsmärkte weltweit. In den Ländern<br />
<strong>des</strong> Nahen Ostens ändert sich derzeit der strategische<br />
Schwerpunkt. Die Konzentration auf das<br />
Ölgeschäft wird nach und nach durch eine großflächige<br />
Bereitstellung von Infrastruktur und dem<br />
Angebot entsprechender Dienstleistungen für den<br />
globalen Luft- und Seeverkehr ersetzt. Damit werden<br />
die Luftverkehrsgesellschaften und Flughäfen<br />
dieser Region zu wichtigen Wettbewerbern auch<br />
für europäische Unternehmen. Ergänzend werden<br />
das Vereinigte Königreich und Frankreich als Vergleichsländer<br />
im europäischen Umfeld dargestellt.<br />
Folgende wichtige Erkenntnisse können aus einem<br />
Vergleich der jeweiligen ordnungspolitischen und<br />
gesetzlichen Rahmenbedingungen abgeleitet<br />
werden:<br />
Planungs- und Genehmigungsverfahren können in<br />
der Mehrzahl der Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens und<br />
Asiens, wenn auch unter teilweiser Inkaufnahme<br />
geringerer gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten,<br />
schneller und wesentlich kostengünstiger<br />
bewerkstelligt werden als in den Ländern Europas<br />
und in den USA.<br />
Die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Fluggesellschaften<br />
wird maßgeblich durch deren Kostenstrukturen<br />
beeinflusst. Nicht nur international sondern auch<br />
regional sind teilweise erhebliche Unterschiede in<br />
Struktur und Höhe dieser standortspezifischen<br />
Kosten zu verzeichnen.<br />
<strong>Deutschland</strong> und andere europäische Länder gehören<br />
zu den Standorten, die mit im internationalen<br />
Vergleich relativ hohen Gesamtkosten wirtschaften.<br />
Dies impliziert für die Luftverkehrswirtschaft<br />
in <strong>Deutschland</strong> einen hohen Effizienzdruck.<br />
Zur Sicherung der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der deutschen<br />
Luftverkehrswirtschaft sind geeignete rechtliche<br />
und regulatorische Rahmenbedingungen zu<br />
gewährleisten.<br />
Vor dem Hintergrund <strong>des</strong> prognostizierten Wachstums<br />
<strong>des</strong> weltweiten Luftverkehrs gewinnt auch<br />
das Thema Flugsicherung zunehmend an Bedeutung.<br />
Die Forderung nach einer strukturellen und<br />
technischen Modernisierung der Flugsicherung im<br />
internationalen Kontext beinhaltet als übergeordnete<br />
Ziele eine weitere Verbesserung von Sicherheitsstandards,<br />
die Steigerung der Gesamteffizienz,<br />
eine Optimierung vorhandener Kapazitäten sowie<br />
eine Verringerung flugsicherungsbedingter Verspätungen.<br />
Um in Europa die notwendigen Effizienzsteigerungen<br />
realisieren zu können, sollten sich die<br />
politischen Entscheidungsträger nach einer angemessenen<br />
Bewertungsphase auf die für die Organisation<br />
der Flugsicherungsdienste beste Lösung<br />
verständigen und die dafür notwendigen Schritte<br />
einleiten.<br />
3 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007): Global Traffic Forecast 2006–2025 Edition 2007, S.6. Nach den Angaben<br />
alternativer Langfristprognosen wird das weltweite Passagieraufkommen im Luftverkehr mit einer durchschnittlichen Rate von<br />
3,5 bis 4,9% pro Jahr wachsen. Vgl. ICAO (2007): Outlook for Air Transport to the Year 2025; IATA (2002): Passenger Forecast<br />
2003–2007 mit Ausblick auf 2017; Airbus (2007): Global Market Forecast 2007–2026; Boeing, Current Market Outlook 2006:<br />
2005–2025. Die Analysen zur zukünftigen Entwicklung <strong>des</strong> Luftverkehrs basieren auf Langfristprognosen bis zum Jahr 2025, in<br />
denen zwischenzeitliche Ereignisse wie beispielsweise Schwankungen <strong>des</strong> Kerosinpreises grundsätzlich Berücksichtigung finden.<br />
Die nachfolgenden Ausführungen basieren überwiegend auf der Prognose <strong>des</strong> Airports Council International, da die Angaben<br />
<strong>des</strong> ACI den Detaillierungsgrad bieten, der für die angestellten Überlegungen erforderlich ist.<br />
4 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.42.<br />
5 Vgl. HSH Nordbank (2007): Internationale Luftfracht, Branchenstudie, S.5.<br />
6 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.133.
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 63<br />
2. Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
Für das Passagieraufkommen im weltweiten Luftverkehr<br />
wird bis zum Jahr 2025 ein Wachstum von<br />
durchschnittlich etwa 4% pro Jahr prognostiziert. 3<br />
Dies bedeutet eine Verdopplung <strong>des</strong> Aufkommens<br />
von heute. Für das Jahr 2010 wird weltweit ein<br />
Luftverkehrsaufkommen von ca. 5,3Mrd. Passagieren<br />
und für das Jahr 2025 von ca. 9,1Mrd.<br />
erwartet. [Abb. 1]<br />
Als zentrale Gründe für das Wachstum <strong>des</strong> weltweiten<br />
Luftverkehrsaufkommens sind vor allem das<br />
in weiten Teilen der Welt zu verzeichnende Bevölkerungswachstum,<br />
das gestiegene Mobilitätsbedürfnis,<br />
die zunehmenden internationalen Wirtschaftsverflechtungen,<br />
das auch für die kommenden<br />
Jahre prognostizierte weltweite Wirtschaftswachstum<br />
von durchschnittlich ca. 3% pro Jahr<br />
sowie die fortschreitende Deregulierung und Liberalisierung<br />
<strong>des</strong> Luftverkehrs zu nennen. 4<br />
Im Bereich Luftfracht wird das zukünftige Wachstum<br />
neben den ökonomischen Bestimmungsgründen<br />
auch durch luftverkehrsspezifische Aspekte<br />
Jährliches Passagieraufkommen<br />
(in Millionen)<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
4,9%<br />
4.317<br />
5,7%<br />
4.565<br />
5,0% 4,8%<br />
4.793<br />
5.024<br />
4,6%<br />
5.255<br />
2006 2007 2008 2009 2010 2015 2025<br />
Passagiere<br />
begründet. Dazu zählen die langfristige Entwicklung<br />
der Frachtraten, immer kürzere Produktlebenszyklen,<br />
der insgesamt zunehmende Wettbewerb<br />
im Frachtmarkt sowie nicht zuletzt auch die<br />
Errichtung von Produktionsstätten in Schwellenländern.<br />
5 Vor diesem Hintergrund wird für die Luftfracht<br />
weltweit zukünftig ein Wachstum von jährlich<br />
ca. 5,8% bezogen auf die geflogenen Frachttonnenkilometer<br />
(FTK) erwartet. 6 [Abb. 2; umseitig]<br />
Das weltweite Passagieraufkommen wird im internationalen<br />
Vergleich räumlich allerdings nicht<br />
gleichmäßig wachsen, sondern in den verschiedenen<br />
Großregionen der Welt unterschiedlich ausgeprägt<br />
sein. Die höchsten Wachstumsraten <strong>des</strong><br />
Passagieraufkommens werden in den nächsten<br />
Jahren für Afrika sowie den asiatisch/pazifischen<br />
Raum prognostiziert. Es wird davon ausgegangen,<br />
dass der Luftverkehr im Nahen Osten bis zum<br />
Jahr 2025 pro Jahr mit durchschnittlich 4,6% auf<br />
260Mio. Passagiere anwachsen wird. Aufgrund der<br />
dynamischen Wirtschaftsentwicklung Chinas und<br />
Indiens werden für Asien kurzfristig Wachstums-<br />
4,0%<br />
6.408<br />
9.095<br />
Abb.1: Entwicklung <strong>des</strong> Passagieraufkommens im weltweiten Luftverkehr 2006–2025<br />
Quelle: ACI 2007<br />
Jährliche<br />
Wachstumsrate<br />
3,6%<br />
Jährl. Wachstum<br />
6%<br />
5%<br />
4%<br />
3%<br />
2%<br />
1%<br />
0<br />
Das weltweite<br />
Luftverkehrsaufkommen<br />
wird sich<br />
bis zum<br />
Jahr 2025<br />
verdoppeln
64<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Nordamerika<br />
2,7%<br />
Südamerika<br />
4,5%<br />
Europa<br />
Afrika<br />
3,6%<br />
Abb. 2: Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate <strong>des</strong> Passagieraufkommens im Luftverkehr in den Großregionen<br />
der Welt 2005 – 2025<br />
Quelle: ACI 2007<br />
raten beim Passagieraufkommen von durchschnittlich<br />
ca. 9% jährlich vorausgesagt. 7 Bis zum Jahr<br />
2025 soll dort das Passagieraufkommen durchschnittlich<br />
um 5,8% pro Jahr steigen. 8 Für Nordamerika<br />
wird zukünftig eine Sättigung <strong>des</strong> dortigen<br />
Luftverkehrsmarktes vorhergesagt. Das dortige<br />
Passagieraufkommen wird sich bis zum Jahr 2025<br />
mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate<br />
von ca. 2,7% im internationalen Vergleich<br />
voraussichtlich deutlich unterdurchschnittlich entwickeln.<br />
Für das Jahr 2025 wird in Nordamerika ein<br />
Aufkommen von 2,53Mrd. Passagieren prognostiziert.<br />
Für Europa wird bis zum Jahr 2025 ein durchschnittliches<br />
Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
im Luftverkehr von durchschnittlich ca. 3,6% pro<br />
Jahr auf 2,56Mrd. Passagiere vorhergesagt.<br />
Die divergierenden Wachstumsraten <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
lassen sich auf die unterschiedlichen<br />
Entwicklungen und Rahmenbedingungen der einzelnen<br />
Volkswirtschaften zurückführen. Eine nähere<br />
Betrachtung und ein Verständnis dieser Besonderheiten<br />
ist unabdingbar, will man Schlüsse über die<br />
5,8%<br />
4,6%<br />
zukünftige Entwicklung <strong>des</strong> regionalen bzw. weltweiten<br />
Passagieraufkommens ziehen. Aus diesem<br />
Grund erfolgt im nächsten Abschnitt eine Beschreibung<br />
ausgewählter Wirtschaftsräume im Hinblick<br />
auf ihre volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
sowie ihre luftverkehrsrelevanten Merkmale.<br />
2.1 Europa<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Naher<br />
Osten Asien/Pazifik<br />
5,8%<br />
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Die Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong> ist mit rund 82Mio.<br />
Einwohnern nicht nur das bevölkerungsreichste<br />
Land in der EU, sondern zugleich die größte Volkswirtschaft<br />
in Europa. 9 Mit einem Bruttoinlandsprodukt<br />
von über 2.900Mrd. USD erwirtschaftet<br />
<strong>Deutschland</strong> rund ein Fünftel <strong>des</strong> europäischen<br />
Bruttoinlandsprodukts. Im internationalen Vergleich<br />
ist <strong>Deutschland</strong> nach den USA und Japan die drittstärkste<br />
Wirtschaftsmacht. Das Bruttoinlandspro-
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 65<br />
dukt pro Einwohner in <strong>Deutschland</strong> liegt bei über<br />
35Tsd. USD. Begünstigt durch ein starkes weltweites<br />
Wachstum und wirtschaftliche Reformen verzeichnete<br />
die deutsche Volkswirtschaft in den letzten<br />
Jahren ein ähnlich starkes Wachstum wie gegen<br />
Ende der 1990er Jahre.<br />
Die Außenwirtschaftsbeziehungen haben für die<br />
deutsche Volkswirtschaft traditionell eine große<br />
Bedeutung. Waren und Dienstleistungen im Wert<br />
rund eines Drittels <strong>des</strong> Bruttoinlandsprodukts <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong> werden exportiert. Allerdings wird <strong>Deutschland</strong><br />
den Spitzenplatz als Exportweltmeister 2008<br />
voraussichtlich an die aufstrebende Wirtschaftsmacht<br />
China verlieren. 10<br />
Der Tourismussektor in <strong>Deutschland</strong> war in den jüngeren<br />
Jahren durch Wachstum geprägt. In der Skala<br />
der beliebtesten Reiseländer Europas lag <strong>Deutschland</strong><br />
im Jahr 2006 auf Platz fünf. Das Reiseaufkommen<br />
wächst in <strong>Deutschland</strong> deutlich stärker als in<br />
anderen Ländern Europas. 11 Mehr als 21Mio. internationale<br />
Touristen besuchten im Jahr 2005 <strong>Deutschland</strong>.<br />
Im Jahr 2006 trug der Tourismussektor rund<br />
78Mrd. USD zum Bruttoinlandsprodukt bei. 12 Dies<br />
entsprach einem Anteil von etwa 2,7%.<br />
Luftverkehrsstandort<br />
Die zentrale Lage innerhalb Europas, die globale<br />
Verknüpfung der Wirtschaft, die Reisefreudigkeit<br />
der Deutschen, die hohe Qualität der Verkehrsinfrastruktur<br />
und die gute Marktstellung der Verkehrsunternehmen<br />
führen dazu, dass <strong>Deutschland</strong><br />
internationaler Knotenpunkt für alle Verkehrsträger<br />
ist, so auch für den Luftverkehr. Der vergleichsweise<br />
polyzentralen Wirtschafts- und Siedlungsstruktur<br />
<strong>Deutschland</strong>s und der daraus resultierenden Luftverkehrsnachfrage<br />
wird durch eine breit angelegte<br />
Luftverkehrsinfrastruktur entsprochen. Tendenziell<br />
tragen dezentrale Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen<br />
mit geringeren Quellaufkommen und sich<br />
überlappenden Einzugsgebieten zur Bündelung<br />
von Luftverkehrsaufkommen über Hub-Flughäfen<br />
bei. Die internationalen Verkehrsflughäfen in<br />
<strong>Deutschland</strong> verzeichneten zwischen 2002 und<br />
2006 eine durchschnittliche jährliche Verkehrssteigerung<br />
von 7,8% auf insgesamt 176,6Mio. Fluggäste.<br />
13 Eine noch stärkere Dynamik entwickelte<br />
sich im Luftfrachtgeschäft, das im Jahr 2006 eine<br />
Zuwachsrate in Höhe von 9,3% aufwies. 14<br />
Die Flughäfen Frankfurt und München mit den<br />
Luftverkehrsdrehkreuzen der Lufthansa liegen in<br />
der Spitzengruppe der internationalen Flughäfen.<br />
Vom Wachstum <strong>des</strong> Luftverkehrs konnte auch die<br />
Lufthansa profitieren. Sie ist mit einem Umsatz<br />
von 22,4Mrd. EUR die größte deutsche Fluggesellschaft<br />
und nach Air France-KLM die zweitgrößte<br />
Fluggesellschaft Europas. 15 Trotz hoher Ölpreise<br />
zeigte der Konzern in jüngerer Vergangenheit einen<br />
positiven Geschäftsverlauf. Mit weiteren Übernahmen<br />
wird beabsichtigt, die Position in Europa<br />
weiter auszubauen.<br />
Aus der ehemals kleinen Nischenfluggesellschaft Air<br />
Berlin entstand nach der deutschen Wiedervereinigung<br />
die mittlerweile zweitgrößte Fluggesellschaft<br />
<strong>Deutschland</strong>s, die sich lange auf Flüge zu europäischen<br />
Zielen konzentrierte. Im Jahr 2007 stieg Air<br />
Berlin mit der Übernahme der LTU auch in das<br />
Langstreckengeschäft ein. Zudem gelang der Fluggesellschaft<br />
mit der Übernahme der dba im Jahr<br />
2006 die Akquisition eines wichtigen inländischen<br />
Konkurrenten. Im September 2007 gab Air Berlin<br />
darüber hinaus bekannt, den 75,1%-igen Anteil von<br />
Thomas Cook AG an der Condor Flugdienst GmbH<br />
übernehmen zu wollen. Der entsprechende Antrag<br />
auf Fusion beim Bun<strong>des</strong>kartellamt wurde jedoch im<br />
Juli 2008 zurückgezogen. Somit verbleibt die haupt-<br />
7 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007), a.a.O., S.6.<br />
8 Vgl. Airbus (2007), a.a.O, S.83.<br />
9 Vgl. IMF (2007): World Economic Outlook Database.<br />
10 Vgl. bfai (2007): China bald neuer Exportweltmeister vor <strong>Deutschland</strong>, S.1.<br />
11 Vgl. Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (2007): Jahresbericht 2006.<br />
12 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007. Country Profile Germany.<br />
13 Vgl. Kapitel I.2.4.1 dieses Berichtes.<br />
14 Vgl. ADV (2007): Verkehrsentwicklung auf deutschen Flughäfen in 2006 weiter positiv, Pressemitteilung vom 06.02.2007.<br />
15 Vgl. Handelsblatt (2008): Lufthansa prüft Übernahme, Abruf am 09.05.2008.
66<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
sächlich Ferienziele anfliegende Condor Flugdienst<br />
GmbH gegenwärtig im gemeinsamen Eigentum der<br />
Thomas Cook AG und der Deutschen Lufthansa AG.<br />
Mit Germanwings, einer 100%-igen Tochtergesellschaft<br />
der Eurowings Luftverkehrs AG, trat im Jahr<br />
1997 eine deutsche Low-Cost-Fluggesellschaft in<br />
den Markt ein, die mittlerweile zu einem wichtigen<br />
Anbieter auf dem deutschen Luftverkehrsmarkt<br />
geworden ist, und neben TUIfly eine der größeren<br />
Fluggesellschaften in diesem Segment in Europa<br />
darstellt. Seit Januar 2007 treten unter der Marke<br />
TUIfly die beiden deutschen Fluggesellschaften<br />
Hapag-Lloyd Flug und Hapag-Lloyd Express<br />
gemeinsam auf. Eigentümer ist der Touristikkonzern<br />
TUI AG, der sein Angebot überwiegend auf<br />
Kurz- und Mittelstreckenflüge ausrichtet. Zusätzlich<br />
agieren in <strong>Deutschland</strong> weitere kleinere und<br />
mittlere Fluggesellschaften.<br />
Das steigende Reiseaufkommen und die stark<br />
wachsende Luftverkehrsnachfrage machen eine<br />
bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Luftverkehrsinfrastruktur<br />
in <strong>Deutschland</strong> erforderlich. Aus<br />
diesem Grund ist der gesetzliche Rahmen so zu<br />
gestalten, dass die Entwicklung einer im internationalen<br />
Vergleich wettbewerbsfähigen Infrastruktur –<br />
auch im Hinblick auf die Kostenstrukturen – möglich<br />
ist. Um die Luftverkehrsinfrastruktur in <strong>Deutschland</strong><br />
bedarfsgerecht weiterentwickeln zu können, ist es<br />
erforderlich, dass die geplanten und zukünftigen<br />
Investitionsvorhaben zeitnah ohne das Entstehen<br />
von Kapazitätsengpässen realisiert werden können.<br />
Die Investitionsvorhaben an deutschen Flughäfen<br />
summieren sich auf rund 8Mrd. EUR. 16 Die größten<br />
Infrastrukturvorhaben im Luftverkehr bilden die<br />
Kapazitätserweiterung <strong>des</strong> Flughafens Frankfurt<br />
mit einem geplanten Investitionsvolumen von etwa<br />
3,4Mrd. EUR 17 , der Bau <strong>des</strong> Flughafens Berlin<br />
Brandenburg International mit geschätzten Investi-<br />
tionen in Höhe von 2Mrd. EUR 18 sowie der Ausbau<br />
<strong>des</strong> Flughafens München. 19<br />
Für weitere Verkehrsprojekte anderer Verkehrsträger,<br />
die in den kommenden Jahren in <strong>Deutschland</strong><br />
finanziert werden sollen, hat das Bun<strong>des</strong>ministerium<br />
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung einen<br />
„Investitionsrahmenplan für die Verkehrsinfrastruktur<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> 2006 bis 2010“ entwickelt, der<br />
nach derzeitiger Planung Investitionen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong><br />
in jährlicher Höhe von 11Mrd. EUR in den Verkehrsbereich<br />
vorsieht. 20<br />
Frankreich<br />
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Frankreich ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von<br />
2.252Mrd. USD die sechstgrößte Volkswirtschaft<br />
der Welt. 21 Im Jahr 2006 lag das Wirtschaftswachstum<br />
in Frankreich mit 2,0% erstmals deutlich unter<br />
dem europäischen Durchschnitt. Auch 2008 wird<br />
das französische Wirtschaftswachstum voraussichtlich<br />
etwas schwächer sein als in den Nachbarländern.<br />
22 Hauptmotor der französischen Wirtschaft<br />
bleibt dabei der private Konsum. Dieser leistete im<br />
Jahr 2007 einen Beitrag von rund 60% <strong>des</strong> französischen<br />
Bruttoinlandsproduktes. 23 Obwohl Frankreich<br />
international zu den führenden Export-Ländern<br />
zählt, können die Zuwachsraten nicht darüber<br />
hinweg täuschen, dass Frankreich auf den ausländischen<br />
Märkten im Vergleich zu anderen OECD-<br />
Ländern immer mehr Marktanteile verliert. 24 Die<br />
Gründe dafür liegen vor allem in der starken Ausrichtung<br />
der französischen Exporte auf traditionelle<br />
und wachstumsschwache Auslandsmärkte. Mit<br />
rund 61Mio. Einwohnern ist Frankreich hinter<br />
<strong>Deutschland</strong> das zweitbevölkerungsreichste Land<br />
der Europäischen Union. Das Bruttoinlandsprodukt<br />
16 Vgl. European Center for Aviation Development – ECAD (2007): Strukturbenchmark der Luftverkehrsstandorte VAE und Katar<br />
mit der Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong>.<br />
17 Vgl. www.ausbau.fraport.de, Abruf am 21.03.2008.<br />
18 Vgl. www.berlin-airport.de: Hauptstadt-Airport BBI, Zahlen-Daten-Fakten, Abruf am 21.03.2008.<br />
19 Das exakte Ausbauvolumen für den Flughafen München wurde derzeit noch nicht abschließend quantifiziert.<br />
20 Vgl. Bun<strong>des</strong>ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2007), Investitionsrahmenplan für die Verkehrsinfrastruktur <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong> 2006 bis 2010, Berlin.<br />
21 Vgl. IMF (2007): World Economic Database.<br />
22 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Frankreich Jahreswechsel 2007/08, S.1.
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 67<br />
pro Einwohner beträgt knapp 37Tsd. USD.<br />
Frankreich ist mit rund 76Mio. ausländischen<br />
Touristen im Jahr 2006 weltweit das Reiseland<br />
Nummer Eins. 25 Der französische Tourismussektor<br />
verzeichnete im selben Jahr einen Umsatz von<br />
insgesamt rund 96Mrd. USD. 26 Er trug damit zu<br />
4,3% zum Bruttoinlandsprodukt bei.<br />
Luftverkehrsstandort<br />
Auch der Luftverkehr war in Frankreich in den<br />
vergangenen Jahren durch ein starkes Wachstum<br />
gekennzeichnet. Der Flughafen Paris Charles de<br />
Gaulle war mit fast 57 Mio. Passagieren im Jahr<br />
2006 der verkehrsreichste Flughafen in Frankreich.<br />
Die Fluggesellschaft Air France mit ihrem Sitz am<br />
Flughafen Charles de Gaulle übernahm im Jahr 2004<br />
die niederländische Fluggesellschaft KLM im Rahmen<br />
eines Aktientausches. Das fusionierte Unternehmen<br />
ist, gemessen am Marktanteil, die größte<br />
Fluggesellschaft Europas und die weltweit umsatzstärkste<br />
Fluggesellschaft. 27 Neben Air France-KLM<br />
existieren weitere französische Fluggesellschaften,<br />
die sowohl national als auch international in verschiedenen<br />
Geschäftssegmenten operieren. Zu den<br />
größten gehören die Tochtergesellschaften der Air<br />
France, Régional mit 4,2 Mio. Passagieren und Brit<br />
Air mit 4,1 Mio. Passagieren im Jahr 2007. 28<br />
In Frankreich wird seit dem 1. Juli 2006 auf Flügen<br />
von und nach Frankreich eine Solidaritätsabgabe<br />
für die Finanzierung von Entwicklungshilfeprojekten<br />
erhoben. Die Fluggäste zahlen die vom Flugziel<br />
und der Buchungsklasse abhängige Abgabe mit<br />
dem Kauf ihrer Tickets.<br />
Der Ausbau der TGV-Schnellzugstrecke Lyon–Turin<br />
mit einem Investitionsvolumen von rund 15 Mrd.<br />
EUR ist gegenwärtig das vom Volumen her größte<br />
Infrastrukturprojekt Frankreichs. Hinzu kommt der<br />
Ausbau <strong>des</strong> Seine-Nord-Kanals mit einem Investitionsvolumen<br />
in Höhe von rund 3,2 Mrd. EUR. 29 Die<br />
Betreibergesellschaft der Pariser Flughäfen Aéroports<br />
de Paris (ADP) hat für den Zeitraum bis 2010 ein bedarfs-<br />
und zeitgerechtes Investitionskonzept im Umfang<br />
von 2,7 Mrd. EUR aufgelegt. Dieses sieht vor<br />
allem Umbaumaßnahmen von Abfertigungsanlagen<br />
im Hinblick auf den Airbus A380 vor. Zudem sind<br />
Modernisierungen der Terminal-Anlagen und Erweiterungen<br />
der Einzelhandelsflächen vorgesehen. 30<br />
Vereinigtes Königreich<br />
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Das Vereinigte Königreich bildet eine rund 60 Mio.<br />
Einwohner beheimatende politische Union der<br />
vier Teilstaaten England, Wales, Schottland und<br />
Nordirland. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von<br />
2.399 Mrd. USD ist das Vereinigte Königreich weltweit<br />
die fünftgrößte Volkswirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt<br />
pro Einwohner erreichte im Jahr<br />
2007 eine Höhe von mehr als 39 Tsd. USD und<br />
zählt damit zu den höchsten der Welt. 31 Unter den<br />
G7-Staaten realisierte das Vereinigte Königreich<br />
in der letzten Dekade den höchsten Anstieg <strong>des</strong><br />
Bruttoinlandsproduktes pro Einwohner. 32 Auf der<br />
WTO-Rangliste der Ex- und Importeure belegt das<br />
Vereinigte Königreich sowohl für Waren als auch<br />
für Dienstleistungen einen der vorderen Plätze. 33<br />
23 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Frankreich Jahreswechsel 2007/08, S.4.<br />
24 Vgl. bfai (2008): Frankreichs Handelsbilanz mit neuem Rekorddefizit, S.1.<br />
25 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile France.<br />
26 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile France.<br />
27 Vgl. Air France Press Office (2008): AIR FRANCE KLM, a global leader in air transport, Abruf unter corporate.air-france.com<br />
am 08.05.2008.<br />
28 Vgl. Air Transport Intelligence (2008): Airline Profiles France.<br />
29 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Frankreich Jahreswechsel 2007/08, S.3.<br />
30 Vgl. NZZ online (2006): Börsengang der Pariser Flughafengesellschaft, Abruf am 14.03.2008.<br />
31 Vgl. IMF (2007): World Economic Outlook Database.<br />
32 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends kompakt Großbritannien Jahresmitte 2007, S.1.<br />
33 Vgl. WTO (2007): World Trade 2006, Prospects for 2007; Risks lie ahead following stronger trade in 2006, WTO reports,<br />
Pressemitteilung Nr. 472 vom 12.04.2007.
68<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Dabei weist der britische Außenhandel seit Jahren<br />
ein Handelsbilanzdefizit auf, welches im Jahr 2006<br />
mit einer Höhe von rund 117 Mrd. EUR und einem<br />
Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 6,5% so hoch<br />
war wie nie zuvor. 34 Im Jahr 2006 trug der Fremdenverkehrssektor<br />
mit 79Mrd. USD zum Bruttoinlandsprodukt<br />
bei, was einem Anteil von über 3%<br />
entspricht. 35<br />
Luftverkehrsstandort<br />
Im europäischen Vergleich verzeichnet das Vereinigte<br />
Königreich mit rund 211Mio. Passagieren das<br />
höchste Luftverkehrsaufkommen. 36 Der Luftverkehrssektor<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> wächst insgesamt stark. So<br />
stieg das Passagieraufkommen in den letzten zehn<br />
Jahren um etwa 73% und das Frachtaufkommen<br />
um 30%. 37 Mit rund 68 Mio. Passagieren belegt<br />
der Flughafen London Heathrow im Jahr 2006<br />
weltweit den dritten Platz. Die Zahl der von britischen<br />
Flughäfen angeflogenen Destinationen ist<br />
von 251 im Jahr 1997 auf über 360 im Jahr 2006<br />
angestiegen. 38<br />
Die größte Fluggesellschaft <strong>des</strong> Vereinigten Königreichs,<br />
British Airways, musste sich, wie auch andere<br />
ehemals staatliche Fluggesellschaften, den wachsenden<br />
Markt seit der Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
in Europa mit einer zunehmenden Konkurrenz<br />
von Low-Cost-Fluggesellschaften teilen. So bildet<br />
das Vereinigte Königreich auch den wichtigsten<br />
Luftverkehrsmarkt für die beiden größten europäischen<br />
Low-Cost-Fluggesellschaften Ryanair und<br />
easyJet, die seit 1993 bzw. 1995 auf das Geschäftsmodell<br />
Low-Cost-Fluggesellschaft setzen. Ferner<br />
schloss das Vereinigte Königreich bereits frühzeitig<br />
liberalere Luftverkehrsabkommen mit Drittstaaten<br />
ab. Im Unterschied zu den europäischen Hauptkonkurrenten<br />
Lufthansa und Air France hat British<br />
Airways in den letzten Jahren ihr Geschäftsmodell<br />
überarbeitet und setzt unter anderem verstärkt auf<br />
den Interkontinentalverkehr.<br />
Mit dem steigenden Luftverkehrsaufkommen ist<br />
auch ein Wachstum <strong>des</strong> Incoming-Tourismus in das<br />
Vereinigte Königreich verbunden. Im Jahr 2005<br />
besuchten rund 30 Mio. Touristen das Vereinigte<br />
Königreich, mehr als zwei Drittel davon mit dem<br />
Flugzeug.<br />
Die Möglichkeiten, mit der bestehenden Flughafeninfrastruktur<br />
im Vereinigten Königreich den prognostizierten<br />
Zuwächsen auf 465Mio. Fluggäste bis<br />
zum Jahr 2030 39 zu entsprechen, sind begrenzt.<br />
Die britische Regierung schenkt der Entwicklung<br />
von Flughafenkapazität in ihrem Weißbuch „The<br />
Future of Air Transport“ aus dem Jahr 2003 daher<br />
besondere Aufmerksamkeit. Ziel der Strategie ist,<br />
die Nutzung der bestehenden Einrichtungen zu<br />
optimieren, negative Auswirkungen auf die<br />
Umwelt jedoch möglichst gering zu halten. Beispielsweise<br />
sind die Passagiere im Luftverkehr<br />
Großbritanniens seit dem Jahr 1994 gesetzlich zur<br />
Zahlung einer Ticketsteuer (Air Passenger Duty)<br />
verpflichtet.<br />
Bis zum Jahr 2030 sind an den Flughäfen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />
fünf neue Start- bzw. Landebahnen geplant, drei<br />
davon in London (Heathrow, Stansted, Gatwick).<br />
Auch in anderen Infrastrukturbereichen sind Großprojekte<br />
geplant, beispielsweise im Bereich der<br />
Schieneninfrastruktur (Thameslink, ca. 5,2 Mrd. EUR,<br />
Crossrail, ca. 23,6 Mrd. EUR). 40<br />
34 Vgl. Auswärtiges Amt (2007): Länderinformation Großbritannien/Vereinigtes Königreich Wirtschaft, S.2.<br />
35 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile United Kingdom und<br />
Department for Transport (2006): The Future of Air Transport Progress Report 2006, S.24.<br />
36 Vgl. Eurostat (2007): Luftverkehr in der EU27, Fluggastverkehr stieg 2006 um 5%, Pressemitteilung vom 14.12.2007.<br />
37 Eigene Berechnungen. Vgl. United Kingdom Civil Aviation Authority (2007): UK Airport Statistics: 2006 – annual, Abruf am<br />
09.03.2008.<br />
38 Eigene Berechnung nach OAG.<br />
39 Vgl. Department of Transport (2003): The Future of Air Transport White Paper.<br />
40 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Vereinigtes Königreich Jahreswechsel 2007/08, S.3.
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 69<br />
2.2 Vereinigte Staaten von Amerika<br />
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind mit einem<br />
Bruttoinlandsprodukt von 13.195 Mrd. USD die<br />
größte Volkswirtschaft der Welt. Mit 44.024 USD<br />
erwirtschaften sie das weltweit achthöchste Bruttoinlandsprodukt<br />
pro Einwohner. 41 Die Wirtschaftskraft<br />
der Vereinigten Staaten gründet sich auf ein<br />
großes, rohstoffreiches und gut erschlossenes Territorium,<br />
auf seinem mit rund 299Mio. Einwohnern<br />
sehr großen Binnenmarkt sowie auf einem in starkem<br />
Maße durch unternehmerische Initiative und<br />
freien Handel gekennzeichneten Wirtschafts- und<br />
Finanzsystem. Nach Jahren einer beeindruckenden<br />
Wirtschaftsdynamik – im Jahr 2006 betrug das<br />
Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten<br />
3,3% 42 – verliert die US-amerikanische Wirtschaft<br />
in jüngster Zeit allerdings an Fahrt. Schrumpfende<br />
Immobilienmärkte, sinkende Ausgaben der Verbraucher,<br />
hohe Energiepreise sowie gestiegene<br />
Zinsen bremsen derzeit den in der Vergangenheit<br />
zuverlässigen Wachstumsmotor „Privater Konsum“<br />
<strong>des</strong> großen Binnenmarktes.<br />
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind weltgrößter<br />
Absatzmarkt für Importgüter und belegen<br />
umgekehrt als Warenexporteur hinter <strong>Deutschland</strong><br />
international den zweiten Platz. 43<br />
Im Jahr 2005 reisten rund 49Mio. ausländische<br />
Touristen in die Vereinigten Staaten. Im Jahr 2006<br />
erwirtschaftete die US-amerikanische Tourismusindustrie<br />
wieder mehr als 518Mrd. USD, was einem<br />
Anteil von 4% am Bruttoinlandsprodukt entspricht. 44<br />
Luftverkehrsstandort<br />
Die Vereinigten Staaten von Amerika bilden mit<br />
rund 660Mio. Passagieren den größten Inlandsluft-<br />
verkehrsmarkt der Welt, gefolgt von China. 45 In<br />
den USA gibt es insgesamt mehr als 19.000 Flughäfen,<br />
wovon mehr als 3.300 der Öffentlichkeit<br />
zugänglich sind. Die Flughäfen Atlanta und Chicago<br />
nehmen gemessen am Passagieraufkommen<br />
weltweit Spitzenplätze ein. Betrachtet man die<br />
Zahl der Flugbewegungen, so sind sogar neun USamerikanische<br />
Flughäfen unter den Top-10-Flughäfen<br />
der Welt platziert. Beim Luftfrachtaufkommen<br />
belegt der Flughafen Memphis weltweit den<br />
ersten Platz. 46<br />
Die US-amerikanische Luftfahrtbranche hat sich<br />
seit den Terroranschlägen im Jahr 2001 wirtschaftlich<br />
nicht erholt und ist von harten Preiskämpfen<br />
und Überkapazitäten gekennzeichnet. Dadurch<br />
wurde kaum in moderne, sparsame Flugzeuge<br />
investiert. Viele Fluggesellschaften stehen angesichts<br />
der hohen Kerosinpreise nun erheblich unter<br />
Druck. Diesem Druck sind in der jüngsten Vergangenheit<br />
einige kleine Fluggesellschaften zum Opfer<br />
gefallen, doch auch die Großen der Branche versuchen,<br />
mit Maßnahmen wie der geplanten Fusion<br />
von Delta und Northwest der Insolvenz zu entkommen.<br />
Über weitere Zusammenschlüsse auf dem<br />
US-amerikanischen Markt wird derzeit diskutiert.<br />
Durch die Limitierung <strong>des</strong> ausländischen Kapitalanteils<br />
auf 25% wird eine finanzielle Beteiligung an<br />
US-Fluggesellschaften weiterhin grundsätzlich<br />
erschwert. Im Open-Skies-Abkommen zwischen<br />
der EU und den Vereinigten Staaten wird nun der<br />
Kapitalanteil auf 49% beschränkt. Der Stimmrechtsanteil<br />
darf jedoch nach wie vor nur maximal<br />
25% betragen.<br />
In den Vereinigten Staaten wird Unternehmen im<br />
Falle einer Insolvenz ermöglicht, mittels <strong>des</strong> Insolvenzrechts<br />
eine Restrukturierung ihres Unternehmens<br />
durchzuführen (Chapter 11). Dadurch können<br />
insbesondere neue Geldgeber die Finanzierung<br />
<strong>des</strong> Unternehmens absichern und somit bei Flug-<br />
41 Vgl. International Monetary Fund (2007): World Economic Outlook Database.<br />
42 Vgl. The World Bank Group (2007): World Development Indicators Database, United States Data Profile.<br />
43 Vgl. WTO (2007): World Trade 2006, Prospects for 2007; Risks lie ahead following stronger trade in 2006, WTO reports,<br />
Pressemitteilung Nr. 472 vom 12.04.2007.<br />
44 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007. Country Profile United States.<br />
45 Vgl. Bureau of Transportation Statistics (2007): U.S. Air Carrier Traffic Statistics – November 2007.<br />
46 Vgl. Airports Council International (2007): Statistics: Top 10 World Airport, Airports Council International information brief.
70<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
gesellschaften den Flugbetrieb aufrechterhalten.<br />
Betroffene Unternehmen genießen darüber hinaus<br />
Schutz vor Gläubigerverfahren und Streikmaßnahmen.<br />
Zudem können Tarifvereinbarungen im Kontext<br />
der Restrukturierungsmaßnahmen modifiziert<br />
werden. Da die Unternehmen, die unter Chapter 11<br />
stehen, unter dem Schutz der Gerichte betrieben<br />
werden, kann es zu Wettbewerbsverzerrungen<br />
gegenüber anderen konkurrenzfähigen Marktteilnehmern<br />
kommen. Oft wird dieses Recht als strategisches<br />
Mittel genutzt, um durch Umstrukturierungsmaßnahmen<br />
Arbeitsplatzstreichungen oder<br />
Lohnkürzungen zu erzwingen. 47 Viele amerikanische<br />
Fluggesellschaften mussten aufgrund der<br />
Verluste, die insbesondere durch die Ereignisse im<br />
September 2001 bedingt waren, eine Insolvenz<br />
nach Chapter 11 beantragen. Betroffen waren u.a.<br />
Delta Air Lines, Northwest und United Airlines.<br />
Von den Terroranschlägen hat sich der US-amerikanische<br />
Tourismusmarkt nur langsam erholt. In den<br />
fünf Jahren nach den Anschlägen fiel das internationale<br />
Passagieraufkommen in die USA insgesamt<br />
um 17%. 48<br />
Inzwischen befindet sich das Passagieraufkommen<br />
<strong>des</strong> US-amerikanischen Luftverkehrssektors mit<br />
660Mio. Passagieren wieder über dem ehemaligen<br />
Rekordniveau aus dem Jahr 2000. Allerdings liegt<br />
gleichzeitig auch die Zahl der verspäteten Flüge in<br />
Höhe von 1,8 Mio. auf historischem Rekordniveau.<br />
Bis zum Jahr 2021 wird für den amerikanischen<br />
Luftverkehr ein Anstieg <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
um 49% prognostiziert. 49 Die für die Abfertigung<br />
geplanten Infrastrukturmaßnahmen im Luftverkehrssektor<br />
werden alleine bis zum Jahr 2011 auf<br />
über 87Mrd. USD geschätzt. 50 Und auch in anderen<br />
Infrastruktursektoren besteht ein erheblicher<br />
Ausbau- und Erhaltungsbedarf.<br />
2.3 Asien<br />
China<br />
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Die Volksrepublik China ist gegenwärtig durch eine<br />
kaum vergleichbare gesellschaftliche und wirtschaftliche<br />
Entwicklungsdynamik gekennzeichnet.<br />
Mit rund 1,3Mrd. Einwohnern ist China das bevölkerungsreichste<br />
Land der Erde.<br />
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe<br />
von 2.645Mrd. USD war China bereits im Jahr<br />
2006 die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. 51<br />
Zwar rangiert das Land mit einem jährlichen Pro-<br />
Kopf-Einkommen von rund 2Tsd. USD 52 auf der<br />
internationalen Wohlfahrtsskala nur im Mittelfeld.<br />
Die Volksrepublik China wird ihr in der Vergangenheit<br />
vorgelegtes Entwicklungstempo voraussichtlich<br />
halten. Zwischen 1990 und 2005 betrug die jährliche<br />
Wachstumsrate <strong>des</strong> Pro-Kopf-Einkommens<br />
durchschnittlich 8,8%. 53<br />
Außenhandel und Investitionen sind die treibenden<br />
Kräfte in Chinas Wirtschaft. 2006 belegte China<br />
Rang drei der WTO-Länderrangliste der Warenexporteure<br />
hinter <strong>Deutschland</strong> und den USA 54 . China<br />
bietet zahlreiche Anreize und Unterstützungsmaßnahmen,<br />
um die eigene Industrie zentralstaatlich<br />
gesteuert auf Innovationskurs zu bringen. So wurde<br />
etwa der Anteil der Ausgaben für Forschung und<br />
Entwicklung am BIP auf 1,4% gesteigert. 55 Bis<br />
2020 sollen sogar rund 2,5% <strong>des</strong> BIP in Forschung<br />
und Entwicklung investiert werden – ein Großteil<br />
davon seitens der Industrie. 56<br />
Auch der Tourismussektor spielt in China eine<br />
zunehmend größere Rolle. Er zählt inzwischen zu<br />
47 Vgl. BBC News (2005): New US bankruptcy protection laws, Abruf 27.05.2008.<br />
48 Vgl. CNN.com (2007): Travel industry: U.S. losing out on international tourism, Abruf am 11.03.2008.<br />
49 Vgl. Committee on Transportation and Infrastructure (2008): Views and Estimates of the Committee on Transportation and<br />
Infrastructure for Fiscal Year 2009, S.3 ff.<br />
50 Vgl. Transportation and Infrastructure Committee: (2007): House Passes FAA-Reauthorization – Inclu<strong>des</strong> Passenger Rights<br />
Protection, Pressemitteilung vom 20.09.2007.<br />
51 Vgl. manager-magazin.de (2007): BIP – China wächst zweistellig, Abruf am 12.02.2008.<br />
52 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends kompakt VR China Jahresmitte 2007, S.3.<br />
53 Vgl. UNDP (2007): Human Development Report 2007/2008 China.
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 71<br />
den dynamischsten Wirtschaftszweigen mit dem<br />
größten Entwicklungspotenzial <strong>des</strong> Dienstleistungssektors<br />
in China. 2005 konnten knapp 47Mio. Einreisende<br />
verbucht werden. Im Jahr 2006 trug der<br />
Tourismus mehr als 63Mrd. USD zum chinesischen<br />
Bruttoinlandsprodukt bei. 57 Dies entspricht einem<br />
Anteil von 2,9% <strong>des</strong> Bruttoinlandsproduktes.<br />
Luftverkehrsstandort<br />
Das starke Wirtschaftswachstum in China spiegelt<br />
sich auch in der Dynamik <strong>des</strong> Luftverkehrssektors<br />
wieder. Mittlerweile hat China neben den USA den<br />
zweitgrößten Luftverkehrsmarkt der Welt. Die<br />
Personenverkehrsleistung im Luftverkehr hat sich<br />
zwischen 1995 und 2006 mehr als verdreifacht (von<br />
68Mrd. auf 237Mrd. Personenkilometer). Im<br />
Frachtverkehr hat sich die Verkehrsleistung im<br />
gleichen Zeitraum sogar nahezu vervierfacht (von<br />
2,2Mrd. auf 9,4Mrd. Tonnenkilometer). 58 Insbesondere<br />
der internationale Flughafen Peking zeigt in<br />
den letzten Jahren ein enormes Wachstum <strong>des</strong><br />
Passagieraufkommens auf und festigt damit seine<br />
Position unter den Top 10 der Flughäfen der Welt. 59<br />
Im Gegensatz zu anderen ostasiatischen Ländern,<br />
deren Infrastrukturinvestitionen in Folge der Asienkrise<br />
dramatisch eingebrochen sind, wurde das<br />
starke Wirtschaftswachstum in China zu einem<br />
massiven Infrastrukturaus- und -neubau genutzt.<br />
Zum Ausbau <strong>des</strong> Eisenbahnnetzes sind im aktuell<br />
geltenden Fünfjahresprogramm Chinas beispielsweise<br />
Investitionen in Höhe von ca. 178 Mrd. USD<br />
vorgesehen. 60<br />
Zahlreiche Groß-Infrastrukturprojekte sind im Bau<br />
bzw. in Planung (Hochgeschwindigkeits-<br />
bahnstrecken, Flughäfen, Häfen, U-Bahn-Netze,<br />
Süd-Nord-Wasserumleitung, Kraftwerke, Staudämme).<br />
Hinzu kommen zahlreiche Neubauten im<br />
Zusammenhang mit den Olympischen Sommerspielen<br />
2008 in Peking und der EXPO 2010 in<br />
Schanghai.<br />
In den Planungen der chinesischen Regierung bis<br />
2020 wurde der Bau von 97 neuen Flughäfen<br />
beschlossen. Dafür ist ein Investitionsvolumen von<br />
62,5Mrd. USD bereitgestellt. 61 Ergänzend zum<br />
derzeit größten Flughafen Chinas in Peking ist dort<br />
ein zweiter internationaler Flughafen geplant, der<br />
im Jahr 2015 in Betrieb gehen soll. 62<br />
Die drei größten Fluggesellschaften – Air China,<br />
China Eastern und China Southern – haben zusammen<br />
einen Marktanteil von rund 80% im Inland.<br />
Sie sind mehrheitlich in staatlicher Hand. 63 Seit die<br />
Regierung Chinas private Fluggesellschaften zugelassen<br />
und die Branche für ausländische Investoren<br />
geöffnet hat, ist zusätzlich eine Vielzahl neuer<br />
Unternehmen mit niedrigen Preisen in den chinesischen<br />
Luftverkehrsmarkt eingetreten. Im Jahr 2007<br />
gab es dort sieben private Fluggesellschaften mit<br />
einem inländischen Marktanteil von 4%.<br />
Indien<br />
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Neben der Volksrepublik China ist auch Indien gegenwärtig<br />
durch eine ausgesprochen dynamische<br />
Wirtschaftsentwicklung gekennzeichnet. Mit rund<br />
1,1Mrd. Einwohnern verfügt das Land über ein erhebliches<br />
Bevölkerungs- und Entwicklungspotenzial.<br />
54 Vgl. WTO (2007): World Trade 2006, Prospects for 2007; Risks lie ahead following stronger trade in 2006, WTO reports,<br />
Pressemitteilung Nr. 472 vom 12.04.2007.<br />
55 Zahlen für 2000–2005. Vgl. UNDP (2007): Human Development Report 2007/2008 China.<br />
56 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends kompakt VR China Jahresmitte 2007, S.1.<br />
57 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile China.<br />
58 Vgl. The World Bank (2007): An Overview of China’s Transport Sector – 2007, Easte Working Paper No.15, S.30 ff.<br />
59 Vgl. Deutsche Bank Research (2007): Aktuelle Grafik – Flughafen Peking holt rapide auf.<br />
60 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends kompakt VR China Jahresmitte 2007, S.3 ff.<br />
61 Vgl. Momberger Airport Information (2008): Momberger Airport Information No. 827 vom 25.02.2008.<br />
62 Vgl. www.china.org.cn, Abruf am 04.02.2008.<br />
63 Vgl. The World Bank (2007): An Overview of China’s Transport Sector – 2007, Easte Working Paper No.5, S.30ff.
72<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Indien etabliert sich mit einem Bruttoinlandsprodukt<br />
von mittlerweile 873Mrd. USD 64 immer<br />
stärker als Wirtschaftsmacht von internationaler<br />
Bedeutung. Das Wirtschaftswachstum hat sich in<br />
den vergangenen Jahren stark beschleunigt. Im<br />
Finanzjahr 2006/2007 legte das Bruttoinlandsprodukt<br />
um 9,2% 65 zu. Damit gehörte der Subkontinent<br />
erneut zu den am schnellsten wachsenden<br />
Volkswirtschaften der Welt. Die meisten langfristigen<br />
Wachstumsprognosen gehen davon aus, dass<br />
Indien bis 2050 ein Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften<br />
wird, das dann nur noch von China und<br />
den USA übertroffen werden würde. 66 Im Gegensatz<br />
zu China beflügelt in Indien jedoch in stärkerem<br />
Maße die Binnennachfrage die Wirtschaftsentwicklung.<br />
Diese wird nicht zuletzt von der dynamischen<br />
demografischen Entwicklung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />
beeinflusst: Trotz nachlassender Geburtenraten<br />
wird der Anteil der Bevölkerung im erwerbstätigen<br />
Alter in den nächsten zwei Dekaden weiter zunehmen.<br />
67 Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner<br />
liegt derzeit bei 785 USD.<br />
Die indische Regierung setzt zunehmend auf eine<br />
gezielte Entwicklung <strong>des</strong> Tourismussektors. Im Jahr<br />
2006 reisten 4,5Mio. Touristen nach Indien. Im<br />
Jahr 2006 wurden insgesamt rund 16Mrd. USD im<br />
Tourismussektor umgesetzt. 68 Dies entspricht einem<br />
Anteil von 2,1% <strong>des</strong> Bruttoinlandsproduktes.<br />
Luftverkehrsstandort<br />
Indien verfügt über rund 125 Flughäfen, die über<br />
eine Gesamtfläche von 3.287.590 km 2 weitgehend<br />
dezentral verteilt sind. Der Luftverkehr wird jedoch<br />
größtenteils von den 16 internationalen Flughäfen<br />
abgewickelt. 69 Im internationalen Vergleich sind die<br />
Flughäfen Indiens vergleichsweise klein. Gemessen<br />
am Passagieraufkommen befand sich im Jahr 2006<br />
kein indischer Flughafen unter den Top-50-Flughäfen<br />
der Welt, wohl aber vier chinesische Flughäfen. 70<br />
Seitdem im Jahr 1994 private Fluggesellschaften<br />
in Indien die Flugerlaubnis erhalten hatten, sank<br />
der Marktanteil der staatlichen Fluggesellschaften<br />
Indian Airlines und Air India beständig. Im Jahr<br />
2000 konnten sie nur noch einen Marktanteil von<br />
57% im inländischen Flugverkehr vorweisen.<br />
Durch den Markteintritt der Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
wie Air Deccan wenige Jahre später<br />
kamen sowohl die staatlichen als auch die privaten<br />
Linienfluggesellschaften in Bedrängnis. Ende 2007<br />
betrug der Marktanteil der privaten Fluggesellschaften<br />
im heimischen Markt bereits mehr als<br />
80%. Dank <strong>des</strong> Aufkaufs von je einer Low-Cost-<br />
Fluggesellschaft konnten Jet Airways und Kingfisher<br />
Airlines ihre Marktanteile auf jeweils 30%<br />
erhöhen. 71<br />
Im internationalen Verkehr weitet die staatliche Air<br />
India ihr Streckennetz weiter aus. Sie erfährt jedoch<br />
zunehmende Konkurrenz durch Jet Airways und<br />
zukünftig auch Kingfisher Airlines, die im August<br />
2008 den internationalen Betrieb aufgenommen<br />
hat. Das Luftverkehrsaufkommen entwickelte sich<br />
in den letzten Jahren an fast allen Flughäfen Indiens<br />
äußerst dynamisch. Das Luftfrachtaufkommen <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong> nahm seit dem Finanzjahr 2001/2002 insgesamt<br />
um durchschnittlich knapp 13% pro Jahr zu.<br />
Das Passagieraufkommen stieg seitdem jährlich<br />
sogar um 22%. 72 Damit ist der Luftverkehrssektor<br />
in Indien im weltweiten Vergleich durch die größten<br />
Wachstumsraten gekennzeichnet. 73 Diese Entwicklung<br />
ist vor allem auf den großen Nachholbedarf<br />
und die Öffnung <strong>des</strong> Luftverkehrs für private Fluggesellschaften<br />
zurückzuführen. Aufgrund der dynamischen<br />
Entwicklung arbeiten gerade die größeren<br />
Flughäfen an bzw. über ihrer Kapazitätsgrenze.<br />
64 Vgl. IMF (2007): World Economic Outlook Database.<br />
65 Vgl. The World Bank Group (2007): World Development Indicators database, India Data Profile.<br />
66 Vgl. Auswärtiges Amt (2007): Länderinformation Indien, S.1.<br />
67 Vgl. Auswärtiges Amt (2007): Länderinformation Indien, S.2.<br />
68 World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile India.<br />
69 Vgl. Deutsche Bank Research (2008): Infrastruktur Indien: 450 Mrd. Gründe, jetzt zu investieren, S.15.<br />
70 Vgl. Deutsche Bank Research (2008): Infrastruktur Indien: 450 Mrd. Gründe, jetzt zu investieren, S.16.<br />
71 Vgl. Jet Airways (2008): Jet Airways presentation of investors, S.7.<br />
72 Vgl. Deutsche Bank Research (2008): Infrastruktur Indien: 450 Mrd. Gründe, jetzt zu investieren, S.15.<br />
73 Vgl. down to earth online (2008): Congestion in the skies is costing India dearly, Abruf am 01.03.2008.
Zudem leiden indische Luftverkehrsgesellschaften<br />
unter einem gravierenden Mangel an Piloten.<br />
Der Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur,<br />
nicht nur im Bereich Luftverkehr, ist eines der<br />
wichtigsten Aufgabenfelder der indischen Regierung.<br />
Derzeit werden die beiden größten Flughäfen<br />
in Mumbai und Delhi im Rahmen von Public Private<br />
Partnership-Projekten modernisiert und in ihrer<br />
land- und luftseitigen Kapazität ausgebaut. Erweiterungspläne<br />
existieren zudem für die Flughäfen in<br />
Kalkutta und Chennai. Komplett neue Flughäfen<br />
werden in Hyderabad und Goa geplant und gebaut,<br />
in Bangalore ging der neue Flughafen im Mai 2008<br />
in Betrieb. Rund 80 kleine Flughäfen sollen in den<br />
nächsten Jahren ausgebaut und modernisiert werden.<br />
Die für den Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur<br />
vom indischen Staat veranschlagten Mittel belaufen<br />
sich auf 9,5Mrd. USD bis zum Jahr 2010.<br />
Zudem stehen hierfür noch rund 7,1Mrd. USD<br />
privates Kapital bereit. 74 Auch in anderen Bereichen<br />
der Verkehrsinfrastruktur und vor allem im Energiebereich<br />
sind umfangreiche Investitionen geplant.<br />
2.4 Naher Osten<br />
Katar<br />
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 73<br />
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Katar gehört nach Norwegen und Luxemburg mit<br />
einem Pro-Kopf-Einkommen von rund 63.000 USD<br />
bei einer Bevölkerungszahl von 828 Tsd. Einwohnern<br />
zu den reichsten Ländern der Welt. 75 Der Wohlstand<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> basiert vor allem auf seinen immensen<br />
Rohstoffvorkommen. Katar verfügt weltweit über<br />
die drittgrößten bestätigten Erdgasreserven. Die<br />
Förderung von Erdgas konnte in den vergangenen<br />
Jahren mittels umfangreicher Investitionen neben<br />
der Erdölförderung zum zweiten Standbein der<br />
Wirtschaft von Katar entwickelt werden. Im Jahr<br />
2006 entfielen rund 62% <strong>des</strong> Bruttoinlandspro-<br />
duktes <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> auf diese beiden Wirtschaftsbereiche.<br />
76 Im Jahr 2006 wuchs das Bruttoinlandsprodukt<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> um nicht weniger als 9,7%. 77<br />
Für die Jahre 2008 und 2009 werden sogar Wachstumsraten<br />
von etwa 14% prognostiziert. 78 Die<br />
stärksten Impulse dieser Entwicklungsdynamik<br />
gehen dabei weiterhin vom Öl- und Gassektor aus.<br />
Die Wirtschaft Katars wird mittelfristig durch<br />
umfangreiche Staatsausgaben gestützt. Der anhaltend<br />
hohe Ölpreis ließ die Staatseinnahmen <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong> in der Vergangenheit stark steigen. Aus der<br />
fast ausschließlichen inländischen Konzentration<br />
auf nur zwei Wirtschaftsbereiche (Öl- und Gasexporte<br />
sowie auf Produkte der expandierenden<br />
petrochemischen Industrie) resultiert eine ausgeprägte<br />
Abhängigkeit von Importen. Ein Wachstumshindernis<br />
der Wirtschaft Katars bildet jedoch<br />
die noch unzureichende Fähigkeit der heimischen<br />
Wirtschaft, die eigene Inlandsnachfrage zu befriedigen.<br />
Gleichzeitig ist Katar nun bestrebt, sich als<br />
Dienstleistungsstandort und Reiseziel zu etablieren.<br />
Wie auch in den umliegenden Golfstaaten soll dies<br />
insbesondere durch den Bau von Hotelanlagen an<br />
der Küste und auf künstlich angelegten Inseln<br />
bewerkstelligt werden. Bislang erwirtschaftet der<br />
Tourismussektor rund 524Mio. USD und damit<br />
einen Anteil von 2,1% <strong>des</strong> Bruttoinlandsproduktes<br />
Katars. Lediglich 732Tsd. Touristen besuchten das<br />
kleine Emirat im Jahr 2004. 79<br />
Die verstärkten Diversifikationsbemühungen in<br />
Katar werden sich erst langfristig in einer nennenswerten<br />
Veränderung der Außenhandelsstruktur<br />
niederschlagen. Andere Emirate in der Golf-Region,<br />
wie zum Beispiel Dubai, sind in dieser Hinsicht<br />
weiter entwickelt.<br />
Luftverkehrsstandort<br />
Der Luftverkehrssektor in Katar gehört zu den<br />
dynamischsten in der Golf-Region. Innerhalb der<br />
letzten zehn Jahre stieg das Luftverkehrsaufkom-<br />
74 Vgl. Deutsche Bank Research (2008): Infrastruktur Indien: 450 Mrd. Gründe, jetzt zu investieren, S.17.<br />
75 Vgl. IMF (2007): World Economic Database.<br />
76 Vgl. Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. (2007): Länderprofil Katar, S.1.<br />
77 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftsdaten kompakt – Katar, S.2.<br />
78 Vgl. Bayern LB (2007): Länderanalyse Katar, S.2 ff.<br />
79 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile Qatar.
74<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
men am Doha International Airport von 2 auf<br />
10Mio. Passagiere pro Jahr. 80 Dieses Wachstum<br />
wurde überwiegend durch Umsteigeverkehre<br />
generiert. Um entsprechend bestehende Kapazitätsengpässe<br />
der Luftverkehrsinfrastruktur <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong> zu beseitigen, laufen die Planungen für den<br />
neuen internationalen Flughafen auf Hochtouren.<br />
Gleichzeitig wird der bestehende Flughafen in<br />
Doha stark erweitert. Der neue Flughafen, hauptsächlich<br />
auf aufgeschüttetem Land errichtet, wird<br />
Terminal-Anlagen für über 50Mio. Fluggäste<br />
bereitstellen. Die erste Bauphase dieses Infrastrukturvorhabens<br />
soll im Jahr 2009 abgeschlossen sein,<br />
die Fertigstellung ist für 2015 vorgesehen. Für das<br />
Vorhaben wurde zunächst ein Investitionsvolumen<br />
in Höhe von rund 7,5Mrd. USD veranschlagt. Kurz<br />
vor Ende <strong>des</strong> Jahres 2007 wurde der Budgetansatz<br />
jedoch auf 11Mrd. USD erweitert. 81<br />
Auch die Fluggesellschaft Qatar Airways, deren<br />
Anteile zur Hälfte vom Staat gehalten werden,<br />
verfolgt einen expansiven Wachstumskurs. Für die<br />
nächsten Jahre sind mehr als 200 Flugzeuge im<br />
Wert von über 30Mrd. USD geordert; es handelt<br />
sich dabei ausschließlich um Flugzeugtypen, die auf<br />
Langstrecken eingesetzt werden können. 82 Auch<br />
das Streckennetz der Gesellschaft soll in den nächsten<br />
Jahren beträchtlich ausgeweitet werden.<br />
Vereinigte Arabische Emirate<br />
Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Mit einem Bruttoinlandsprodukt in Höhe von mehr<br />
als 38Tsd. USD pro Kopf bei 4,6Mio. Einwohnern<br />
gehören die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)<br />
zu den reichsten Ländern in der Region <strong>des</strong> Nahen<br />
Ostens. 83 Fast alle wirtschaftlichen Indikatoren der<br />
Emirate erreichten in den jüngeren Jahren Rekordniveau.<br />
Ein im Jahr 2006 reales Wirtschaftswachstum<br />
von 9,7% sowie stark steigende Exporte und<br />
Höchstwerte der Investitionen im In- und Ausland<br />
belegen dies nachdrücklich. 84<br />
Die Emirate verfolgen mit Nachdruck eine Diversifizierung<br />
ihrer über Jahrzehnte vom Öl dominierten<br />
Wirtschaftsstruktur. Handel, Tourismus, Bau, Industrie,<br />
Finanz- und andere Dienstleistungen tragen<br />
mittlerweile zu zwei Drittel der Wirtschaftskraft<br />
bei. 85 Dieser Strukturwandel ist insbesondere in<br />
Dubai festzustellen.<br />
Einen großen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt<br />
der Vereinigten Arabischen Emirate in Höhe von<br />
163 Mrd. USD im Jahr 2006 leisteten die gegenüber<br />
dem Vorjahr um 23 % gestiegenen Exporte,<br />
von denen noch rund 37 % auf Öl und Gas entfielen.<br />
86 Die Vereinigten Arabischen Emirate sind<br />
nach eigenen Angaben mittlerweile hinter Singapur<br />
und Hongkong zum weltweit drittgrößten<br />
Zwischenhandelsplatz avanciert. Rund 80 % <strong>des</strong><br />
VAE- Handelsvolumens wird über Dubai abgewickelt,<br />
insbesondere über die Freihandelszone<br />
Jebel Ali. 87<br />
Der Tourismus zählt zu den wichtigsten Wachstumssektoren.<br />
Um die Zahl der Touristen bis 2015<br />
auf 3Mio. zu steigern, sind in Abu Dhabi Investitionen<br />
in Höhe von 136Mrd. USD geplant. 88 Auch in<br />
den anderen Emiraten sind zahlreiche Hotelanlagen<br />
in Planung. Insgesamt wurden im Tourismussektor<br />
der Vereinigten Arabischen Emirate im Jahr 2003<br />
bei einem Besucheraufkommen von rund 5Mio.<br />
80 www.ttnworldwide.com (2008): New Doha airport expects 29 million passenger arrivals, Abruf am 27.03.2008.<br />
81 Vgl. Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. (2006): Bau-Großprojekte in den GCC-Staaten, S.12 und<br />
bfai (2008): Hohe Gehaltsforderungen am Golf, S.2.<br />
82 Vgl. Middle East Aviation (2008): Qatar Airways future expansion tops 200 Aircraft orders worth over US$30 Billion, Abruf<br />
unter middleeastaviation.aero am 08.05.2008.<br />
83 Vgl. IMF (2007): World Economic Database.<br />
84 Vgl. bfai (2007): Vereinigte Arabische Emirate 2007, Gesamtwirtschaftlicher Ausblick, S.1.<br />
85 Vgl. bfai (2006): VAE – Wirtschaftsentwicklung 2005, S.1.<br />
86 Vgl. Auswärtiges Amt (2007): Vereinigte Arabische Emirate Wirtschaft, S.1.<br />
87 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Vereinigte Arabische Emirate Jahresmitte 2007. Gesamtwirtschaftlicher Ausblick, S.4.<br />
88 Vgl. bfai (2008): Abu Dhabi sucht Anschluss an Dubais Tourismuserfolge, S.2.<br />
89 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile United Arab Emirates.
Länder<br />
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 75<br />
Einwohner<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
(zu laufenden Preisen<br />
in Mrd. USD)<br />
BIP pro Kopf<br />
(zu laufenden Preisen<br />
in USD)<br />
Wirtschaftswachstum<br />
(in Prozent)<br />
Wareneinfuhr<br />
(in Mrd. USD)<br />
Warenausfuhr<br />
(in Mrd. USD)<br />
Touristen etwa 1,5Mrd. USD umgesetzt. 89 Damit<br />
liegt der Anteil <strong>des</strong> Tourismussektors am Bruttoinlandsprodukt<br />
noch unter 1%.<br />
Luftverkehrsstandort<br />
Deutschl.<br />
82 Mio.<br />
2.916<br />
35.433<br />
Auch in den Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur<br />
der Emirate werden umfangreiche Investitionen<br />
getätigt. In fast allen Emiraten sind neue Flughäfen<br />
und Flughafenerweiterungen in Planung bzw. im<br />
Bau. Damit reagieren die VAE nicht nur auf die steigenden<br />
Passagier- und Frachtaufkommen – wie<br />
auch in Katar geht es vor allem um eine langfristig<br />
angelegte Wettbewerbsstrategie zur Gewinnung<br />
von Marktanteilen im internationalen Umsteige-<br />
Luftverkehr, auch in Konkurrenz zu Europa und<br />
<strong>Deutschland</strong>. Am umfangreichsten sind entsprechende<br />
Investitionen in Dubai. Dort wird der bestehende<br />
Flughafen mit einem Investitionsvolumen in<br />
Höhe von 4,1Mrd. USD ausgebaut. Darüber hinaus<br />
wird der neue Al Maktoum International Airport<br />
mit 6 Start- bzw. Landebahnen und Kapazitäten<br />
für etwa 12Mio. Tonnen Luftfracht und 120<br />
Mio. Passagieren pro Jahr gebaut. 90 Dieser rund<br />
2,8<br />
934<br />
1.131<br />
Frankreich<br />
61 Mio.<br />
2.252<br />
36.708<br />
2,0<br />
520<br />
483<br />
8,2Mrd. USD teure Flughafen ist zentraler Bestandteil<br />
<strong>des</strong> geplanten Logistik-Clusters Dubai<br />
World Central. 91 Mit diesem, mit einer Gesamtbauzeit<br />
von 25 bis 30 Jahren konzipierten Projekt,<br />
soll die größte See-Luft-Logistikdrehscheibe der<br />
Welt entstehen, in der der Flughafen mit dem<br />
Großhafen Jebel Ali und der dortigen Freihandelszone<br />
verbunden ist. Auch in den übrigen Emiraten<br />
sind Kapazitätserweiterungen der Infrastruktur für<br />
Luftverkehr ebenso wie für andere Verkehrsträger<br />
geplant.<br />
Das rasante Wachstum der Fluggesellschaft Emirates<br />
folgt der Luftverkehrsstrategie <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und<br />
ist eng mit der aufstrebenden Wirtschaftsmetropole<br />
Dubai verknüpft. Emirates ist die führende Fluggesellschaft<br />
in der Golfregion und weltweit eine der<br />
gewinnstärksten. 92 Weitere Fluggesellschaften sind<br />
Etihad Airways (Abu Dhabi), Gulf Air (Bahrain),<br />
sowie Air Arabia, die erste Low-Cost-Fluggesellschaft<br />
in der Region. Zahlreiche Bestellungen der<br />
etablierten Fluggesellschaften für Langstreckenflugzeuge<br />
deuten auf einen wachsenden interkontinentalen<br />
Verkehr hin.<br />
90 Vgl. bfai (2007): Flughafenbau in den GCC-Staaten beschert Zulieferern volle Auftragsbücher, S. 2.<br />
91 Vgl. bfai (2008): Dubai ist im internationalen Luftverkehr stark positioniert, S. 2.<br />
92 Vgl. www.aerosecure.de (2008): Die 10 größten Fluglinien – nach Gewinn, Abruf am 8.05.2008.<br />
UK<br />
60 Mio.<br />
2.399<br />
39.630<br />
2,8<br />
604<br />
450<br />
USA<br />
299 Mio.<br />
13.195<br />
44.024<br />
3,3<br />
1.855<br />
1.037<br />
China<br />
1,3 Mrd.<br />
2.645<br />
2.013<br />
10,7<br />
660<br />
762<br />
Indien<br />
1,1 Mrd.<br />
873<br />
Tab.1: Ökonomische Kennzahlen ausgewählter Luftverkehrsstandorte 2006 im Überblick<br />
Quellen: Weltbank, Economist Intelligence Unit, UNDP, UNCTAD, IWF. *Finanzjahr 2006/2007<br />
785*<br />
9,2*<br />
185<br />
126<br />
Katar<br />
827.500<br />
53<br />
62.914<br />
8,8<br />
16<br />
34<br />
VAE<br />
4,6 Mio.<br />
163<br />
38.613<br />
9,7<br />
91<br />
137
76<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
2.5 Fazit: Rahmenbedingungen<br />
im Vergleich<br />
Ordnungspolitische und gesetzliche Rahmenbedingungen<br />
Im folgenden Abschnitt werden zentrale Aspekte,<br />
denen für den Standortwettbewerb von Volkswirtschaften<br />
eine besondere Bedeutung zukommt,<br />
zusammenfassend analysiert. Zu nennen sind<br />
diesbezüglich insbesondere die Aspekte Infrastrukturentwicklung,<br />
Arbeitsbedingungen und Arbeitsmarkt<br />
sowie standortspezifische Kosten.<br />
Infrastrukturentwicklung<br />
Zwar verfügen die europäischen Länder (und insbesondere<br />
<strong>Deutschland</strong>) derzeit über eine im internationalen<br />
Vergleich hochwertige Infrastruktur,<br />
jedoch ist zu beobachten, dass sich im Gegensatz<br />
zu den Ländern Asiens oder <strong>des</strong> Nahen Ostens<br />
Planungs- und Genehmigungsprozesse oft als langwierige,<br />
komplexe und mehrstufige Prozesse mit<br />
unterschiedlich starker Beteiligung der Öffentlichkeit<br />
gestalten, weshalb oftmals kein zeit- und bedarfsgerechter<br />
Infrastrukturausbau erfolgen kann.<br />
Auch in den Vereinigten Staaten gelten komplexe<br />
Planungs- und Genehmigungsprozesse als eine der<br />
Hauptursachen der Kapazitätsengpässe im Bereich<br />
Luftverkehr. Sowohl für die europäischen Länder<br />
als auch die USA gilt: Umfangreiche Umweltprüfungen<br />
und Lärmschutzvereinbarungen sowie lang<br />
andauernde Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen<br />
Interessengruppen haben üblicherweise<br />
lange Verzögerungen <strong>des</strong> Infrastrukturausbaus<br />
zur Folge. Mitunter lässt sich aber über einen Ausgleich<br />
mit Anrainern eine Beschleunigung eines<br />
Planungs- und Genehmigungsverfahrens erzielen.<br />
In <strong>Deutschland</strong> haben die Dauer der Genehmigungsverfahren<br />
zum Bau <strong>des</strong> Flughafens München<br />
im Erdinger Moos in den 1970er und 1980er Jahren<br />
sowie zur nun Ende <strong>des</strong> Jahres 2007 genehmigten<br />
Erweiterung <strong>des</strong> Flughafens Frankfurt die<br />
Notwendigkeit von Reformen <strong>des</strong> Planungs- und<br />
Genehmigungsverfahrens sehr deutlich gemacht.<br />
Mit dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungs-<br />
gesetz für die neuen Bun<strong>des</strong>länder und dem Planungsvereinfachungsgesetz<br />
wurden erste Reformschritte<br />
eingeleitet. 93<br />
Bei der Beantragung von Infrastrukturmaßnahmen<br />
in den VAE und Katar handelt es sich hingegen auf<br />
Grund der klaren strategischen Ausrichtung und<br />
Fokussierung <strong>des</strong> jeweiligen Staates um eher formlose<br />
und damit zügige Vorgänge. Die Planung und<br />
Realisierung von Großprojekten in China war bis<br />
2004 langwierig, da sie zahlreiche Prüfschritte,<br />
Bewilligungen sowie umfangreiche Kontrollrechte<br />
der staatlichen Stellen beinhaltete. Seit 2004 wurden<br />
jedoch zahlreiche Reformmaßnahmen verabschiedet,<br />
nach denen Projekte (auch mit staatlicher<br />
Beteiligung) nun einen vereinfachten und standardisierten<br />
Prozess durchlaufen. Auch in Indien wird<br />
versucht, Planungs- und Genehmigungsprozesse<br />
zu straffen und zu vereinfachen. 94 Diese Maßnahme<br />
soll insbesondere privates Kapital mobilisieren.<br />
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Planungsund<br />
Genehmigungsverfahren in der Mehrzahl der<br />
Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens und Asiens, wenn auch<br />
unter teilweiser Inkaufnahme geringerer gesellschaftlicher<br />
Partizipationsmöglichkeiten, schneller<br />
und wesentlich kostengünstiger abgewickelt werden<br />
können als in den Ländern Europas und in den USA.<br />
Arbeitsbedingungen / Arbeitsmarkt<br />
Die Arbeitsbedingungen variieren sowohl in Europa<br />
als auch in Asien. Während <strong>Deutschland</strong> und<br />
Frankreich aber auch Indien über ein vergleichsweise<br />
umfangreiches Arbeitsrecht mit umfangreichen<br />
Schutzrechten der Arbeitnehmer verfügen, ist das<br />
Arbeitsrecht der VAE und Katars relativ flexibel.<br />
Ähnlich wie in den USA und dem Vereinigten<br />
Königreich existieren dort keine oder nur geringe<br />
Vorgaben zum Inhalt von Arbeitsverträgen. Auch<br />
Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter wie z.B. ein<br />
Kündigungsschutz existieren nicht. In China sind im<br />
Bereich der Arbeitsgesetzgebung starke Modernisierungsbemühungen<br />
feststellbar. Durch neue<br />
arbeitsrechtliche Bestimmungen und Regelungen<br />
(z.B. PRC Labour Contract Law) nähert sich China,<br />
93 Gesetz zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin, vom 16.12.1991 und<br />
Gesetz zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege vom 17.12.1993.<br />
94 Vgl. Reuters India (2008): Government to expedite airport project approval, Abruf am 29.02.2008.
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 77<br />
ebenfalls wie VAE und Katar, bei denen langsam<br />
ähnliche Maßnahmen vollzogen werden, an internationale<br />
Standards an. Hintergrund ist in China,<br />
ähnlich wie in den VAE und Katar, dass sich ein<br />
immer größerer Fachkräfte- und Arbeitermangel<br />
bemerkbar macht, der die Expansionspläne dieser<br />
boomenden Volkswirtschaften hemmt. Anzumerken<br />
ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich<br />
die VAE und Katar zunehmend mit verschiedenen<br />
Menschenrechtsorganisationen auseinandersetzen<br />
müssen, die die mangelhafte Behandlung ausländischer<br />
Billiglohn-Arbeitskräfte kritisieren. 95 Zur<br />
Deckung <strong>des</strong> Fachkräfte- und Arbeitermangels<br />
greifen die VAE und Katar in großem Umfang auch<br />
auf andere, in und durch ihre Heimatländer qualifizierte<br />
und gut ausgebildete Kräfte zurück; beispielsweise<br />
auf Piloten und Fluglotsen.<br />
Standortspezifische Kosten<br />
Bei Betrachtung der Steuergesetzgebung in den<br />
untersuchten Ländern fallen lediglich die VAE auf,<br />
in denen keine Einkommens- bzw. Körperschaftssteuer<br />
erhoben wird. Ausnahmen bestehen nur für<br />
Niederlassungen ausländischer Banken sowie für<br />
Unternehmen der Öl-, Gas- und petrochemischen<br />
Industrie. 96 Eine der deutschen Gewerbesteuer<br />
ähnliche Steuer ist in den Emiraten unbekannt.<br />
Zudem gibt es dort bislang keine Mehrwertsteuer.<br />
Langfristig plant die Regierung der Vereinigten<br />
Emirate jedoch die Einführung einer 5%-igen<br />
Umsatzsteuer. Diese soll die aufgrund der zunehmenden<br />
Freihandelsabkommen rückläufigen Zolleinnahmen<br />
kompensieren. 97<br />
In den übrigen betrachteten Ländern liegt der Körperschaftssteuersatz<br />
zwischen 15% (USA, seit 2007<br />
auch <strong>Deutschland</strong>) und 33% (Frankreich). In Indien<br />
und China werden Körperschaftssteuersätze von<br />
30% bzw. 25% erhoben und auch in Katar sind<br />
Gesellschaften mit ausländischer Kapitalbeteiligung<br />
steuerpflichtig. Der von den betroffenen Unternehmen<br />
zu versteuernde Gewinnanteil wird dabei der<br />
Höhe der ausländischen Beteiligung entsprechend<br />
festgesetzt. Die jeweiligen Steuersätze sind progressiv<br />
gestaffelt und liegen zwischen 10 und<br />
35%. 98 Angehörige anderer Golf-Staaten sind<br />
steuerrechtlich den Katarern gleichgestellt. Die<br />
Einkünfte aus nicht-selbstständiger Arbeit unterliegen<br />
in Katar auch im Unterschied zu <strong>Deutschland</strong><br />
keiner Besteuerung.<br />
Im Gegensatz zu den europäischen Ländern, aber<br />
auch China, Indien und den USA existieren derzeit<br />
weder in den VAE noch in Katar indirekte Steuern<br />
wie Umsatz- oder Verbrauchsteuern. 99<br />
Ein weiterer wichtiger Aspekt <strong>des</strong> Standortes ist<br />
neben den Arbeitskosten auch das Qualifikationsniveau<br />
der Arbeitskräfte. So verfügt <strong>Deutschland</strong><br />
im internationalen Vergleich über ein hohes Ausbildungsniveau<br />
der Arbeitskräfte. Mit hohen Arbeitskosten,<br />
vor allem im verarbeitenden Gewerbe,<br />
befindet sich <strong>Deutschland</strong> im Vergleich industrialisierter<br />
Volkswirtschaften in der Spitzengruppe,<br />
noch vor Frankreich, dem Vereinigten Königreich<br />
und den Vereinigten Staaten. 100<br />
Während die Arbeitskosten in den europäischen<br />
Ländern aufgrund von Lohnnebenkosten und<br />
Min<strong>des</strong>tlöhnen (Großbritannien) auf recht hohem<br />
Niveau liegen, sind diese in den USA, Indien, China,<br />
VAE und Katar äußerst wettbewerbsfähig. In den<br />
USA sind die Personalzusatzkosten vergleichsweise<br />
gering, zur Krankenversicherung besteht ebenfalls<br />
keine gesetzliche Pflicht. In Indien hat sich das<br />
Lohnniveau im Vergleich zu China dynamischer<br />
entwickelt. 101 Löhne und Lohnnebenkosten vari-<br />
95 Vgl. amnesty international <strong>Deutschland</strong> (2008): Länderkurzinfo Vereinigte Arabische Emirate (VAE).<br />
96 Vgl. Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. (2007): Vereinigte Arabische Emirate Wirtschaftshandbuch,<br />
S.77ff.<br />
97 Vgl. Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. (2007): Vereinigte Arabische Emirate Wirtschaftshandbuch,<br />
S.77ff.<br />
98 Vgl. bfai (2006): Recht kompakt Katar, S.9ff.<br />
99 Vgl. bfai (2006): Recht kompakt Katar, S.9ff.<br />
100 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2007): Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich, IW Trends – Vierteljahresschrift<br />
zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 34. Jahrgang, Heft 4/2007, S.8 ff.<br />
101 Vgl. www.mercer.de (2006): Lohnkosten sind in China höher als in Indien, Abruf am 01.03.2008.
78<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
ieren je nach Industrie, Unternehmensgröße und<br />
Region, ähnlich wie in China, beträchtlich. Nicht<br />
zuletzt aufgrund der arbeitsrechtlichen Reformen<br />
ist zu erwarten, dass das Lohnniveau in China<br />
gesamtwirtschaftlich zukünftig weiter steigen wird<br />
– auch wenn es deutlich unterhalb <strong>des</strong> Lohnniveaus<br />
in den wesentlichen wirtschaftlichen Wettbewerbsräumen<br />
der Welt bleiben wird. Unternehmen<br />
müssen Beiträge zur Sozialversicherung<br />
abführen (Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung,<br />
Wohngeld sowie in einigen Städten<br />
Schwangerschafts- und Unfallversicherung). Gängige<br />
Bestandteile der Vergütung von Fachkräften<br />
bilden die Zahlung von Sonderboni, freiwillige<br />
Sozialleistungen der Unternehmen sowie andere<br />
Leistungen wie Miet- oder Essenszuschüsse. Die<br />
Höhe der Beiträge und der Beitragsbemessungsgrenze<br />
wird von den jeweiligen lokalen Regierungen<br />
festgelegt, der Arbeitgeberanteil in Schanghai<br />
beispielsweise beträgt 40% <strong>des</strong> Gehalts. 102 Auch<br />
in Indien nahmen seit 2005 die Personalkosten der<br />
3. Kostenstrukturen der Fluggesellschaften<br />
Die Fluggesellschaften stehen stark in internationalem<br />
Wettbewerb. Sie produzieren aufgrund der<br />
jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Situation<br />
ihres Heimatlan<strong>des</strong> zu jeweils unterschiedlichen<br />
Kosten. Üblicherweise weisen die Kostenstrukturen<br />
von Fluggesellschaften einen hohen Fix- und einen<br />
entsprechend geringen variablen Kostenanteil auf.<br />
Grundsätzlich setzen sich die Gesamtkosten einer<br />
Fluggesellschaft aus den folgenden Kostenpositionen<br />
zusammen:<br />
■ Personalaufwand,<br />
■ Aufwendungen für Treibstoff,<br />
■ Aufwendungen für Versicherungen,<br />
■ Entgelte für Flughafen-/Abfertigungsleistungen,<br />
■ Luftsicherheitsgebühren,<br />
■ Flugsicherungsgebühren,<br />
■ Sonstige staatliche Steuern,<br />
■ Aufwendungen für Marketing und Vertrieb,<br />
■ Wartungs- und Reparaturaufwendungen,<br />
■ Abschreibungen (auf Flugzeuge etc.),<br />
■ Bordverpflegungsaufwendungen (Catering),<br />
■ Aufwendungen für Verwaltung/<br />
Zentralbereiche,<br />
großen Unternehmen um durchschnittlich 25%<br />
zu. 103 Aufgrund der ausgeprägten Entwicklungsdynamik<br />
der Wirtschaft der Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens<br />
stellt die Rekrutierung von genügend und hinreichend<br />
qualifizierten Fach- und Führungskräften aus<br />
dem Ausland zunehmend eine Herausforderung dar.<br />
Zwar stiegen in Katar im Jahr 2006 die Gehälter<br />
für Fachkräfte um 10,6%; damit liegt Katar mit<br />
den Vereinigten Arabischen Emiraten an der Spitze<br />
in der Region. 104 Dennoch kann das gesamtwirtschaftliche<br />
Lohn- und Gehaltsniveau mit der Inflationsentwicklung<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und den steigenden<br />
Lebenshaltungskosten nicht Schritt halten. In den<br />
VAE stiegen 2007 die Arbeitnehmergehälter aufgrund<br />
stark steigender Lebenshaltungskosten<br />
sowie eines deutlichen Preisanstiegs von Bodenund<br />
Immobilienpreisen um durchschnittlich 14,5%<br />
gegenüber dem Vorjahr. Auch für die Zukunft wird<br />
ein weiterer Preisanstieg der Lebenshaltungskosten<br />
in den VAE erwartet. 105<br />
■ sonstige Aufwendungen sowie<br />
■ Miet- und Leasingaufwendungen.<br />
Generell bilden die Kostenpositionen Personal, Treibstoff<br />
sowie Infrastrukturaufwendungen (Entgelte<br />
für Flughafenleistungen inkl. Abfertigungsleistungen<br />
sowie Luftsicherheits- und Flugsicherungsgebühren)<br />
die größten Kostenblöcke, die im Fall der<br />
Deutschen Lufthansa AG jeweils etwa 20% der<br />
Gesamtkosten betragen. 106 Die Anteile der jeweiligen<br />
Kostenblöcke an den Gesamtkosten einer<br />
Fluggesellschaft variieren mit dem Geschäftsmodell<br />
einer Fluggesellschaft; so weisen beispielsweise<br />
Netzwerkfluggesellschaften eine andere Kostenverteilung<br />
als Regionalfluggesellschaften oder Low-<br />
Cost-Fluggesellschaften auf.<br />
Detailliertere Beschreibung der einzelnen Kostenpositionen<br />
Die drei größten Kostenpositionen – Personal, Treibstoff<br />
sowie Infrastrukturaufwendungen – variieren je<br />
nach Standort der Fluggesellschaft, wenngleich die<br />
weltweiten Unterschiede hinsichtlich <strong>des</strong> Kerosin-
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 79<br />
preises relativ gering sind. Da Arbeits- und Lohnkosten<br />
je nach Standort unterschiedlich ausfallen, gilt<br />
dies auch für den Personalaufwand von Fluggesellschaften.<br />
Ferner variieren die Entgelte für Flughafenleistungen<br />
je nach Flughafen bzw. Standort. Diese<br />
Entgelte umfassen Start-/Landeentgelte inkl. umweltbezogener<br />
Komponenten wie Lärm- oder Emissionsentgelte,<br />
Abstell-, Passagier und Sicherheitsentgelte.<br />
Hinzu kommen in der Regel Entgelte für die<br />
Nutzung zentraler Infrastruktureinrichtungen <strong>des</strong><br />
Flughafens (beispielsweise Enteisungsleistungen,<br />
Nutzung von Fluggastbrücken und Gepäckförderanlagen)<br />
sowie Entgelte für Bodenverkehrsdienste (z.B.<br />
Flugzeugbe- und -entladung, Gepäcktransport,<br />
Passagierdienste).<br />
Durch den über die letzten Jahre gestiegenen Kerosinpreis,<br />
verursacht durch gestiegene Rohölpreise,<br />
wird der Anteil der Kostenposition Treibstoff an den<br />
Gesamtkosten einer Fluggesellschaft voraussichtlich<br />
weiter zunehmen. Je nach Geschäftsmodell sind die<br />
Fluggesellschaften unterschiedlich stark betroffen.<br />
Tendenziell ist der Anteil der Treibstoffkosten an<br />
den Gesamtkosten bei Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
höher als bei traditionellen Netzwerkfluggesellschaften.<br />
Andererseits steigen die Aufwendungen<br />
für Kerosin bei Netzwerkfluggesellschaften mit<br />
hohem Interkontstrecken-Anteil ebenfalls stark an.<br />
Low-Cost-Fluggesellschaften weisen typischerweise<br />
einen wesentlich geringeren Hedging-Anteil als<br />
Netzwerkfluggesellschaften auf, so dass sie von<br />
Steigerungen <strong>des</strong> Kerosinpreises zumin<strong>des</strong>t kurzfristig<br />
stärker betroffen sein dürften.<br />
Auch im Falle der Abrechnung von Luftsicherheitskosten<br />
lassen sich international betrachtet unterschiedliche<br />
Erhebungsmöglichkeiten und somit<br />
auch Kostenbelastungen differenzieren. Sie werden<br />
in einigen Ländern als staatliche Gebühr ausgestaltet,<br />
die von Passagieren bzw. Fluggesellschaften zu<br />
entrichten ist, wohingegen sie in anderen Ländern<br />
in den Flughafenentgelten enthalten sind. Darüber<br />
102 Vgl. VDI (2006): Ingenieure in China 2006, Arbeitsmarkt. Gehälter. Nebenkosten“.<br />
103 Vgl. bfai (2008): Steigende Personalkosten in Indien machen Unternehmen zu schaffen, S.1.<br />
104 Vgl. GulfTalent.com (2007): Gulf Compensation Trends 2007.<br />
105 Vgl. bfai (2008): Hohe Gehaltsforderungen am Golf, S.1.<br />
106 Vgl. Deutsche Lufthansa AG (2008): Geschäftsbericht 2007, S.73 und 171.<br />
107 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007), a.a.O., S.6.<br />
hinaus betrachten einige Länder Sicherheit als<br />
allgemeine staatliche Aufgabe, deren Kosten über<br />
das Steueraufkommen gedeckt werden. Beispielsweise<br />
haben die Vereinigten Staaten staatliche<br />
Förderprogramme aufgelegt, die den Luftverkehr<br />
von den zusätzlichen Kosten entlasten sollen.<br />
Des Weiteren sind mögliche standortspezifische<br />
Kostenunterschiede zu berücksichtigen, wie z.B.<br />
ob auf Flugscheine eine Umsatzsteuer, etwaige<br />
Entwicklungs- oder Klimaabgaben (z.B. in Form<br />
einer so genannten „Ticket Tax“) oder sonstige<br />
Umweltabgaben/-entgelte (z.B. für Lärm-, oder<br />
Stickoxidemissionen etc.) erhoben werden. Auch<br />
die bereits beschlossene Einbeziehung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
in das EU-weite Emissionshandelssystem<br />
sorgt international betrachtet für wettbewerbsrelevante<br />
Kostendifferenzen und somit zumin<strong>des</strong>t für<br />
Wettbewerbsnachteile für über EU-Grenzen hinaus<br />
operierende Fluggesellschaften.<br />
Die Kostenstruktur einer Fluggesellschaft beeinflusst<br />
maßgeblich ihre <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> und ist von<br />
Struktur und Volumen standortspezifischer Kosten<br />
abhängig. Nicht nur international sondern auch<br />
regional sind teilweise erhebliche Unterschiede in<br />
Struktur und Höhe der standortspezifischen Kosten<br />
zu verzeichnen.<br />
Auf Grund der zuvor geschilderten Rahmenbedingungen<br />
gehört <strong>Deutschland</strong> mit anderen europäischen<br />
Ländern zu den Standorten, die im internationalen<br />
Vergleich mit relativ hohen Gesamtkosten<br />
wirtschaften müssen. Dies impliziert für die deutsche<br />
Luftverkehrswirtschaft einen hohen Effizienzdruck.<br />
In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt<br />
darauf hinzuweisen, dass der Luftverkehrssektor in<br />
<strong>Deutschland</strong> seine Infrastrukturkosten weitestgehend<br />
selbst trägt. Zur Sicherung der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
der deutschen Luftverkehrswirtschaft sind<br />
geeignete rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen<br />
zu gewährleisten.
80<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
4. Zukünftige Entwicklungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
4.1 Europa<br />
Der europäische Luftverkehr zeigt seit Jahren einen<br />
stetigen Aufwärtstrend, der sich die nächsten Jahre<br />
weiterhin fortsetzen wird. Bis zum Jahre 2025 wird<br />
der europäische Luftverkehr gemessen am Passagieraufkommen<br />
um durchschnittlich 3,6% pro Jahr<br />
wachsen. 107 Längerfristig kann sich die Wachstumsrate<br />
im europäischen Luftverkehr aufgrund<br />
der bereits beschlossenen Einbeziehung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
in das europäische Emissionshandelssystem<br />
108 und der möglichen Einführung einer Kerosinsteuer<br />
jedoch verringern. 109<br />
Wichtige Wachstumsimpulse gehen vor allem von<br />
der Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs sowie der Erweiterung<br />
der Europäischen Union und der damit<br />
verbundenen erhöhten Reisetätigkeit aus. 110 Zu<br />
den wachstumsstärksten Märkten in Europa<br />
gehören bis zum Jahr 2011 die wirtschaftlich<br />
aufstrebenden Länder Mittel- und Osteuropas,<br />
wie Lettland mit einem Wachstum von durchschnittlich<br />
12,1% pro Jahr, Polen mit 9,2% und<br />
die Ukraine mit 8,8%; jedoch ist anzumerken,<br />
dass diese Märkte absolut betrachtet sehr kleine<br />
Märkte sind. 111<br />
Die Deregulierung der internationalen Märkte wird<br />
sich ebenfalls positiv auf die Entwicklung <strong>des</strong> europäischen<br />
Luftverkehrs auswirken. Das kürzlich in<br />
Kraft getretene Open-Skies-Abkommen zwischen<br />
der EU und den USA ermöglicht es den jeweils dort<br />
beheimateten Fluggesellschaften, von jedem Flughafen<br />
der EU zu jedem Flughafen in den USA und<br />
vice versa zu fliegen. Inwieweit Wachstumsimpulse<br />
für den europäischen Luftverkehrsmarkt von einer<br />
Etablierung von Low-Cost-Angeboten auf Interkontinentalstrecken<br />
ausgehen, bleibt abzuwarten.<br />
Die europäischen Ferienfluggesellschaften versuchen<br />
derzeit, Langstreckenverkehre mit Low-Cost-<br />
Produkten zu kombinieren. 112<br />
4.2 Vereinigte Staaten von Amerika<br />
Trotz eines vor allem durch eine erwartete Rezession<br />
und eine teilweise Marktsättigung im weltweiten<br />
Vergleich mit 2,7% unterdurchschnittlichen Wachstums<br />
<strong>des</strong> Passagieraufkommens im nordamerikanischen<br />
Luftverkehr, werden die Vereinigten Staaten<br />
von Amerika auch zukünftig einen der bedeutendsten<br />
Luftverkehrsmärkte der Welt bilden. Gefördert<br />
durch die Notwendigkeit, Nordamerika mit den<br />
wirtschaftlich schnell wachsenden Regionen der<br />
Welt zu verbinden, wird der Passagierverkehr auf<br />
den internationalen Flugstrecken von und in die Vereinigten<br />
Staaten über die nächsten zwanzig Jahre<br />
mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von<br />
ca.5,0% pro Jahr etwa doppelt so schnell wachsen<br />
wie der amerikanische Inlandsluftverkehr. 113<br />
Durch erweiterte Luftverkehrsabkommen, wie beispielsweise<br />
das Open-Skies-Abkommen mit der<br />
Europäischen Union sowie die erweiterte bilaterale<br />
Vereinbarung mit Japan eröffnen sich den großen<br />
US-amerikanischen Fluggesellschaften trotz bestehender<br />
Qualitätsprobleme und vergleichsweise<br />
alter Flugzeugflotten zukünftige Wachstumsmöglichkeiten.<br />
Seitens der im inländischen nordamerikanischen<br />
Luftverkehrsmarkt tätigen Low-Cost-<br />
Fluggesellschaften wird ebenfalls zukünftig eine<br />
Stärkung ihrer Marktpositionen erwartet. 114<br />
4.3 Asien<br />
China<br />
Die Volksrepublik China hat sich in den letzten Jahren<br />
von einer regulierten und kontrollierten schrittweise<br />
zu einer nunmehr etwas stärker marktorientierten<br />
Volkswirtschaft gewandelt. Infolge<strong>des</strong>sen<br />
konnte die Volksrepublik in den letzten Jahren eine<br />
beachtliche wirtschaftliche Entwicklung verzeich-<br />
108 Vgl. Boeing (2007), a.a.O., S.36.<br />
109 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.49.<br />
110 Vgl. Boeing (2007), a.a.O., S.36.<br />
111 Vgl. IATA (2007): Passenger Forecast 2007–2011.<br />
112 Vgl. Doganis, R. (2002): Flying Off Course: The Economics of International Airlines, S.12 ff., S.39f. und S.134 ff.
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 81<br />
nen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen,<br />
dass in China die Nachfrage im Privat- als auch im<br />
Geschäftsreiseverkehr insgesamt und auch im<br />
Luftverkehr zukünftig weiter stark steigen wird.<br />
Mit rund 1,3 Mrd. Einwohnern verfügt China über<br />
ein ausgesprochen großes Mobilitätspotenzial. Im<br />
Jahr 2005 verzeichnete das Land bereits mehr als<br />
30Mio. zu internationalen Zielen verkehrende<br />
Passagiere. Nach Angaben <strong>des</strong> National Tourism<br />
Bureau und <strong>des</strong> Außenministeriums von China wird<br />
die Zahl der Chinesen, die jährlich min<strong>des</strong>tens eine<br />
Auslandsreise unternehmen von 34,5 Mio. im Jahr<br />
2006 auf ca. 47 Mio. im Jahr 2010 und auf ca.<br />
100 Mio. im Jahr 2020 ansteigen. 115 Umgekehrt<br />
wird China nach Angaben der World Tourism Organisation<br />
im weltweiten Vergleich zukünftig der<br />
weltweit größte Tourismusmarkt sein. Im Jahr 2020<br />
werden demnach voraussichtlich ca. 180 Mio.<br />
Touristen nach China einreisen. 116<br />
Für den inländischen Passagierluftverkehr Chinas<br />
wird für die nächsten fünf Jahre ein durchschnittliches<br />
jährliches Wachstum von ca. 14,7% und für<br />
die darauf folgenden fünf Jahre von ca. 11,3%<br />
erwartet. 117 Ca. 60% <strong>des</strong> internationalen Passagierluftverkehrs<br />
aus China haben Europa und weitere<br />
ca. 30% die Vereinigten Staaten von Amerika<br />
als Ziel. 118 Langfristig sollen der inländische bzw.<br />
der internationale Passagierluftverkehr Chinas um<br />
ca. 8,2% bzw. um ca. 6,2% jährlich wachsen. 119<br />
Was die Ziele <strong>des</strong> internationalen Passagierluftverkehrs<br />
aus China angeht, so bleibt zukünftig Europa<br />
die wichtigste Zielregion.<br />
Der Beijing Capital International Airport liegt im<br />
internationalen Vergleich hinsichtlich <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
bereits heute unter den zehn größten<br />
Flughäfen der Welt und wird sich bis zum Jahr<br />
2020 voraussichtlich unter die größten fünf eingliedern.<br />
Peking stellt somit noch vor dem Flughafen<br />
Tokio Haneda den verkehrsstärksten asiatischen<br />
Flughafen. Die sehr dynamische Entwicklung <strong>des</strong><br />
asiatischen Luftverkehrs spiegelt sich in der Positionierung<br />
der dortigen Flughäfen im Ranking der<br />
verkehrsaufkommensstärksten Flughäfen der Welt<br />
wider. Im Jahr 2006 zählten noch vier Flughäfen<br />
Asiens zu den zwanzig größten Flughäfen der<br />
Welt. Bis zum Jahr 2020 wird sich deren Zahl voraussichtlich<br />
verdoppeln.<br />
Aufgrund der wirtschaftlich positiven Entwicklung<br />
Chinas wird in Zukunft sowohl der nationale als<br />
auch der internationale Frachtverkehr durch ein<br />
starkes Wachstum gekennzeichnet sein. Das<br />
Frachtaufkommen <strong>des</strong> chinesischen Inlandsluftverkehrs<br />
wird bis zum Jahr 2015 voraussichtlich um<br />
durchschnittlich ca. 12,6% jährlich und bis zum<br />
Jahr 2025 um ca. 9,1% steigen. 120<br />
Indien<br />
113 Vgl. Airbus (2007), S.86.<br />
114 Vgl. ebenda, S.86.<br />
115 Vgl. Airports International (2007): Ai Glimpse into China, September Ausgabe, S.19.<br />
116 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007), a.a.O., S.36.<br />
117 Vgl. Airbus (2006), a.a.O., S.16.<br />
118 Vgl. ebenda, S.17.<br />
119 Vgl. CAPA (2008), Asia Pacific Aviation Outlook 2008.<br />
120 Vgl. Airbus (2006), a.a.O., S.75.<br />
121 Vgl. CAPA (2008), a.a.O.<br />
122 Vgl. Airbus (2006), a.a.O., S.13.<br />
Indien erwartet aufgrund seiner ausgesprochen<br />
dynamischen Wirtschaftsentwicklung zukünftig ein<br />
starkes Wachstum <strong>des</strong> Luftverkehrsaufkommens.<br />
Laut <strong>des</strong> Centers for Asia Pacific Aviation (CAPA)<br />
wird das jährliche Passagieraufkommen im inländischen<br />
Luftverkehr Indiens in den nächsten fünf<br />
Jahren um ca. 25% wachsen, während die internationalen<br />
Passagieraufkommen im gleichen Zeitraum<br />
um jährlich ca. 15% zunehmen werden. 121 Längerfristig<br />
wird sich das Wachstum im Luftverkehr Indiens<br />
leicht abschwächen. Bis zum Jahr 2025 soll das<br />
Verkehrsaufkommen auf inländischen Flugverbindungen<br />
um jährlich ca. 12% und das internationale<br />
Passagieraufkommen von und nach Indien um ca.<br />
6% wachsen. 122 Trotz <strong>des</strong> starken Wachstums <strong>des</strong>
82<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Passagierluftverkehrs in Indien werden die dortigen<br />
Flughäfen auch längerfristig wohl nicht unter den<br />
zwanzig verkehrsaufkommensstärksten Flughäfen<br />
der Welt rangieren. Dies ist vor allem auf die<br />
Dezentralität sowie die eher mangelhafte Qualität<br />
der Luftverkehrsinfrastruktur zurückzuführen. 123<br />
Das inländische Luftfrachtaufkommen Indiens soll<br />
bis zum Jahr 2025 um durchschnittlich ca. 17,1%<br />
jährlich wachsen. Für das internationale Luftfrachtaufkommen<br />
wird hingegen ein Wachstum von<br />
durchschnittlich ca. 6,6% jährlich vorhergesagt. 124<br />
Das erwartete Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
in Indien wird auf verschiedene Ursachen<br />
zurückgeführt. Dazu ist zunächst das starke Bevölkerungswachstum<br />
in Indien zu nennen. Schon<br />
heute ist Indien weltweit das Land mit der größten<br />
Zahl junger Einwohner. 20% aller unter 24-jährigen<br />
Menschen der Welt leben in Indien. Im Jahr<br />
2035 wird Indien voraussichtlich das bevölkerungsreichste<br />
Land der Erde sein. 125 Aus der stetig<br />
wachsenden Bevölkerung Indiens und der dort<br />
wachsenden Mittelschicht leitet sich das enorme<br />
Kundenpotenzial für Fluggesellschaften in Indien<br />
ab. Das steigende verfügbare Einkommen der<br />
indischen Bevölkerung eröffnet dieser neue Möglichkeiten,<br />
dem immer größeren Mobilitätsbedarf<br />
über größere Distanzen per Luftverkehr zu entsprechen.<br />
In den letzten Jahren entwickelte sich Indien immer<br />
mehr von einer weit überwiegend landwirtschaftlich<br />
geprägten zu einer stärker industriell und<br />
dienstleistungsorientierten Volkswirtschaft. In Folge<br />
<strong>des</strong>sen ist in Indien eine breite Schicht relativ kauf-<br />
kraftstarker Bevölkerung entstanden, die eine stärkere<br />
Nachfrage nach Luftverkehr generiert. 126<br />
Für ein zukünftig starkes Wachstum <strong>des</strong> indischen<br />
Luftverkehrs spricht auch der sich immer stärker<br />
belebende Tourismus <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>. Die Zahl der nach<br />
Indien reisenden ausländischen Touristen stieg bereits<br />
in den letzten Jahren deutlich an. Nach Schätzungen<br />
<strong>des</strong> Fachverban<strong>des</strong> World Travel and Tourism Council<br />
(WTTC) wird der Incoming-Tourismus nach Indien<br />
bis 2018 um durchschnittlich 9,4% jährlich steigen.<br />
Damit bildet Indien den weltweit am stärksten wachsenden<br />
Zielmarkt <strong>des</strong> internationalen Tourismus. 127<br />
4.4 Naher Osten<br />
Der Nahe Osten hat bereits eine lange Tradition als<br />
Transitraum für den wirtschaftlichen und kulturellen<br />
Austausch zwischen Europa, Afrika und Asien.<br />
Nunmehr wird seitens der Staaten <strong>des</strong> Nahen<br />
Ostens versucht, den Vorteil ihrer hervorragenden<br />
geographischen Lage im Kontext internationaler<br />
Wirtschaftsverflechtungen sowie <strong>des</strong> internationalen<br />
Luftverkehrs gezielt zu nutzen. Dabei wird das<br />
Ziel verfolgt, die Golf-Region als alternativen Hub<br />
sowohl für die Verkehre zwischen Fernost und<br />
Europa als auch für die Verkehre zwischen Fernost<br />
und Nordamerika zu etablieren.<br />
Bis zum Jahr 2025 wird ein Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
von 4,6% pro Jahr prognostiziert. 128<br />
Innerhalb der Region gelten die Vereinigten Arabischen<br />
Emirate als größter Wachstumsmarkt.<br />
Nach Angaben von Boeing wächst die Gesamtflotte<br />
123 Vgl. Airports International (2007): Top 100 Airports 2006, September Ausgabe, S.35.<br />
124 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.116.<br />
125 Vgl. Ihlau, O. (2006): Der urbane Rausch, in: ders., Weltmacht Indien, Schriftenreihe der bpb, Bd. 558, S.63–82, hier S.65 ff.<br />
126 Vgl. HSH Nordbank (2007): Indien hebt ab – indischer Luftverkehrsmarkt im Aufwind, Branchenstudie, S.19.<br />
127 Vgl. WTTC (2008): The 2008 Travel & Tourism Economic Research India, S.12.<br />
128 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007), a.a.O., S.6.<br />
129 Vgl. Boeing: Current Market Outlook 2007, S.44 f.<br />
130 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.98.<br />
131 Die dargestellte Rangfolge der größten Flughäfen der Welt im Jahr 2020 unterstellt ein engpassfreies Wachstum. Sie basiert auf<br />
für die einzelnen Flughäfen berechneten Wachstumsraten. Diese sind aus gleich gewichteten flughafenspezifischen und regionalen<br />
Komponenten zusammengesetzt. Die flughafenspezifische Wachstumskomponente leitet sich aus der vergangenen<br />
Entwicklung <strong>des</strong> jeweiligen Flughafens ab, wohingegen die regionale Wachstumskomponente auf den Prognosewerten <strong>des</strong><br />
Airports Council International für die Periode 2005–2020 beruht.<br />
132 Vgl. Airports International, September 2007, Top 100 Airports 2006, S.35.
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 83<br />
der Region von 670 Flugzeugen im Jahr 2006 auf<br />
1.320 im Jahr 2026. 129 Der Anteil an Großraumflugzeugen<br />
beträgt dabei mehr als 400 Maschinen, mit<br />
denen zu 37% der Asien-Pazifik-Raum und 30%<br />
Europa bedient werden sollen. Aufgrund der zahlreichen<br />
Bestellungen der arabischen Airlines für Großraum-<br />
und Langstreckenflugzeuge wird es daher in<br />
Zukunft möglich sein, neben den bereits heute bestehenden<br />
Direktverbindungen nach Australien neue<br />
Dienste an die amerikanische Westküste anzubieten<br />
sowie das europäische und asiatische Streckennetz zu<br />
erweitern, was einen weiteren Wachstumsimpuls für<br />
den Luftverkehr der Golf-Region darstellt. Zu betonen<br />
ist in diesem Zusammenhang die starke Abhängigkeit<br />
der Langstreckenverkehre der Länder der<br />
Golf-Region von Umsteigerverkehren aus anderen<br />
Großregionen der Welt, so dass erweiterte Verkehrsrechte<br />
eine wesentliche Bedingung für das weitere<br />
Wachstum der Region bilden.<br />
Auf den Luftverkehrsmärkten der flächenmäßig<br />
kleinsten Länder der Golf-Region Vereinigte Arabische<br />
Emirate, Katar und Bahrain operiert neben den<br />
großen Fluggesellschaften eine kleine Zahl von<br />
Low-Cost-Fluggesellschaften. Aufgrund <strong>des</strong> vergleichsweise<br />
großen Anteils der Langstreckenverkehre<br />
am Luftverkehrsaufkommen dieser Region<br />
entfällt nur ein entsprechend kleiner Marktanteil<br />
auf die Low-Cost-Fluggesellschaften. Das von<br />
ihnen beförderte Passagieraufkommen wird in den<br />
kommenden Jahren voraussichtlich jedoch um<br />
ca. 9% pro Jahr wachsen. 130<br />
Im weltweiten Flughafenvergleich hinsichtlich <strong>des</strong><br />
Passagieraufkommens befinden sich nur der Dubai<br />
International Airport (DXB, 37. Rang) und der<br />
Jeddah King Abdulaziz International Airport (JED,<br />
94. Rang) in den Top 100. Mit dem Bau <strong>des</strong> neuen<br />
Flughafens in Dubai wird nach eigenen Angaben <strong>des</strong><br />
Betreibers der weltweit größte Flughafen entstehen.<br />
4.5 Rangfolge der größten Flughäfen<br />
der Welt 2006–2020 131<br />
Im Jahr 2006 waren in der Rangfolge der zwanzig<br />
größten Flughäfen der Welt hinsichtlich <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />
11 Flughäfen der Vereinigten<br />
Staaten vertreten. 132 Dabei standen die Flughäfen<br />
Atlanta und Chicago weltweit an der Spitze. Zwar<br />
werden auch im Jahr 2020 beide hinter dem aufstre-<br />
benden Flughafen Peking weiterhin zu den fünf<br />
größten Flughäfen der Welt zählen, allerdings werden<br />
dann nur noch sieben US-amerikanische Flughäfen<br />
unter den zwanzig größten Flughäfen der Welt<br />
platziert sein. Alle übrigen US-amerikanischen Flughäfen<br />
werden ihre Plätze an asiatische Flughäfen<br />
verlieren. So werden im Jahr 2020 die asiatischen<br />
Flughäfen Shenzhen, Jakarta und Guangzhou unter<br />
den zwanzig weltweit größten Flughäfen rangieren.<br />
Darüber hinaus wird China im Jahr 2020 die USA als<br />
weltweit größten Luftverkehrsmarkt abgelöst haben<br />
und mit Dubai wird dann auch ein Flughafen aus<br />
dem Nahen Osten in der Rangfolge der zwanzig<br />
weltweit größten Flughäfen vertreten sein. [Abb. 3]<br />
Anzumerken ist ferner, dass die europäischen und<br />
insbesondere der deutsche Flughafen Frankfurt bei<br />
unzureichenden Kapazitäten ihrer Luftverkehrsinfra-<br />
2006<br />
Nr. Flughafen<br />
1 Atlanta ATL<br />
2 Chicago ORD<br />
3 London LHR<br />
4 Tokio HND<br />
5 Los Angeles LAX<br />
6 Dallas DFW<br />
7 Paris CDG<br />
8 Frankfurt FRA<br />
9 Peking PEK<br />
10 Denver DEN<br />
11 Las Vegas LAS<br />
12 Amsterdam AMS<br />
13 Madrid MAD<br />
14 Hongkong HKG<br />
15 New York JFK<br />
16 Bangkok BKK<br />
17 Houston IAH<br />
18 Phoenix PHX<br />
19 Newark EWR<br />
20 Detroit DTW<br />
2020<br />
Nr. Flughafen<br />
1 Peking PEK<br />
2 Atlanta ATL<br />
3 Tokio HND<br />
4 Paris CDG<br />
5 Chicago ORD<br />
6 London LHR<br />
7 Madrid MAD<br />
8 Shenzhen SZX<br />
9 Bangkok BKK<br />
10 Dubai DXB<br />
11 Hongkong HKG<br />
12 Frankfurt FRA<br />
13 Amsterdam AMS<br />
14 Los Angeles LAX<br />
15 Jakarta CGK<br />
16 Dallas DFW<br />
17 Las Vegas LAS<br />
18 Houston IAH<br />
19 Guangzhou CAN<br />
20 Phoenix PHX<br />
Nordamerika Asien/Pazifik Europa Naher Osten<br />
Abb. 3: Die 20 größten Flughäfen der Welt 2006 und 2020<br />
gemessen am Passagieraufkommen<br />
Quelle: Abschätzung anhand der Passagieraufkommen 2006<br />
und prognostizierter Wachstumsraten; ACI 2007, IATA 2007,<br />
ICAO 2007, Boeing 2006 und Airbus 2007
84<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
struktur gegenüber der für 2020 prognostizierten<br />
Rangfolge im internationalen Vergleich noch weitere<br />
Positionen einbüßen würden. In Bezug auf <strong>Deutschland</strong><br />
ist Frankfurt der einzige Flughafen, der im Jahr<br />
2020 unter den zwanzig größten Flughäfen weltweit<br />
5. Perspektiven der Flugsicherung<br />
Die Forderung nach einer strukturellen und technischen<br />
Modernisierung der Flugsicherung im internationalen<br />
Kontext gewinnt vor dem Hintergrund<br />
<strong>des</strong> prognostizierten Wachstums <strong>des</strong> weltweiten<br />
Luftverkehrs zunehmend an Bedeutung. Als übergeordnete<br />
Ziele werden dabei eine weitere Verbesserung<br />
von Sicherheitsstandards, die Steigerung<br />
der Gesamteffizienz, eine Optimierung vorhandener<br />
Kapazitäten sowie eine Verringerung flugsicherungsbedingter<br />
Verspätungen diskutiert. Luftverkehr<br />
ist gekennzeichnet durch grenzüberschreitenden,<br />
internationalen Verkehr. Deshalb widersprechen<br />
nationale sowie regionale Sonderwege bei der Ausgestaltung<br />
<strong>des</strong> Flugverkehrsmanagementsystems<br />
der optimalen Nutzung <strong>des</strong> weltweiten Luftraums.<br />
An den in diesem Bericht berücksichtigten Luftverkehrsstandorten<br />
zeigt sich ein uneinheitliches Bild<br />
in Bezug auf die Strukturen und Entwicklungen der<br />
Systeme <strong>des</strong> Flugverkehrsmanagements.<br />
5.1 Europa<br />
In Europa sind die Organisation der Flugsicherungsdienste<br />
betreffend künftig mehrere Szenarien<br />
denkbar. Die zügige Umsetzung <strong>des</strong> Single European<br />
Sky würde CO2-Emissionen reduzieren und<br />
somit einen direkten Beitrag zum Klimaschutz leisten.<br />
Ineffizienzen im europäischen Luftraum führen<br />
insgesamt zu jährlichen Mehrkosten von mehr als<br />
4Mrd. EUR 133 und ca. 16Mio. Tonnen vermeidbaren<br />
CO2-Emissionen 134 . Die letztendliche Regelung<br />
platziert sein wird. Vor dem Hintergrund <strong>des</strong> dargestellten<br />
Luftverkehrswachstums in anderen Regionen<br />
der Welt – insbesondere in Asien und im Nahen<br />
Osten – wird Frankfurt seinen achten Platz verlieren<br />
und im Jahr 2020 Position 12 belegen.<br />
zur Ablösung <strong>des</strong> ineffizienten Status Quo einer<br />
zersplitterten Flugsicherungslandschaft wird dabei<br />
vermutlich auf einem Kontinuum zwischen den<br />
zwei Extremen eines europaweiten, permanenten<br />
Monopols und eines Ausschreibungswettbewerbs<br />
für Konzessionen von Gebietsmonopolen liegen.<br />
Bei Letzterem könnte sich eine überschaubare<br />
Anzahl von Anbietern von Flugsicherungsdienstleistungen<br />
am Markt etablieren, die bei Ausschreibungen<br />
für die Bewirtschaftung von Lufträumen – möglicherweise<br />
der Functional Airspace Blocks (FABs) –<br />
miteinander über den Einsatz unterschiedlicher<br />
Verfahren und Standards konkurrieren und auf<br />
diesem Wege die Effizienz <strong>des</strong> Systems erhöhen.<br />
Hierbei entstünden allerdings leichte Effizienzverluste<br />
an den Übergangsstellen der einzelnen Flugsicherungssysteme<br />
in Europa. Im anderen Extremfall<br />
könnte eine Unternehmung mit einem einheitlichen<br />
Verfahren und harmonisierten Standards –<br />
ohne diese Reibungs- und Effizienzverluste aber<br />
unter Inkaufnahme der volkswirtschaftlichen<br />
Kosten eines Monopols – den gesamten europäischen<br />
Markt bedienen.<br />
Zur Frage, welche Lösung für den Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />
in Europaletztendlich<br />
zu favorisieren ist, wären detailliertere, gleichwohl<br />
ausgesprochen komplexe und schwierige Kosten-<br />
Nutzen-Abwägungen wünschenswert. Die politischen<br />
Entscheidungsträger sollten sich nach einer<br />
angemessenen Bewertungsphase auf die für das<br />
Gesamtsystem beste Lösung verständigen und die<br />
dafür notwendigen Schritte einleiten.<br />
133 Davon entfallen allein 2,4Mrd. EUR direkt auf Ineffizienzen im europäischen Luftraum (z.B. Kerosinkosten für Umwege und<br />
Warteschleifen).<br />
134 Vgl. Europäische Kommission, 2008, Mehr Sicherheit und Effizienz im Flugverkehr, in: EU-Nachrichten, Nr.23, 26. Juni 2008, S.2.<br />
135 Im Einzelnen sind dies die Verordnungen (EG) Nr. 549/2004 (Rahmenverordnung), Nr. 550/2004 (Flugsicherungsdienste-<br />
Verordnung), Nr. 551/ 2004 (Luftraum-Verordnung) und Nr. 552/2004 (Interoperabilitäts-Verordnung) vom 10.03.2004.
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 85<br />
Die Abschätzungen, inwieweit und wann es zum<br />
Einheitlichen Europäischen Luftraum kommen wird,<br />
sind derzeit sehr unterschiedlich. Dem Bedarf nach<br />
Effizienzsteigerungen, der durch das allgemeine<br />
Wachstum im Luftverkehrssektor, die Notwendigkeit<br />
zur Reduktion von Emissionen und die steigenden<br />
Energiekosten ausgelöst wird, wird durch einige<br />
Entwicklungen Rechnung getragen. Positiv hervorzuheben<br />
ist beispielsweise, dass sämtliche Luftfahrtbereiche<br />
in diesem Projekt erstmals zu einer Zusammenarbeit<br />
bereit waren und der gewählte Ansatz<br />
nachfrage- und serviceorientiert ist. Der bestehende<br />
Führungsanspruch Europas im Bereich Air Traffic<br />
Control (ATC) und Air Traffic Management (ATM)<br />
sowie das hohe Sicherheitsbewusstsein im europäischen<br />
Luftverkehr („flight safety“) sollte ebenfalls<br />
dazu beitragen, dass es zur Schaffung eines Single<br />
European Sky (SES) kommen wird.<br />
Die Einbeziehung sämtlicher Mitgliedstaaten wird<br />
in dieser Frage von erheblicher Bedeutung sein.<br />
Bisher haben die Länder in Fragen der technischen<br />
Umsetzung eine Verlagerung der nationalen Aufgaben<br />
auf die europäische Ebene akzeptiert. Dies<br />
ermöglicht den technischen Aufbau eines Flugsicherungssystems,<br />
das mit den finanziellen und<br />
rechtlichen Mitteln der EU unterstützt wird. Vor<br />
dem Hintergrund der optimalen Lenkung der Verkehrsströme<br />
ist ein weiterer Vorteil, dass bei der<br />
Konzeption <strong>des</strong> gemeinsamen Luftraums keine<br />
Einschränkung auf den geographischen Ausdehnungsbereich<br />
der EU vorgenommen wurde. So ist<br />
es möglich, dass sich weitere Staaten (Stichworte:<br />
ECAA oder EuroMed) an dem Projekt beteiligen.<br />
Allerdings sind auf dem Weg zu einem Single<br />
European Sky neben den allgemeinen Entwicklungen<br />
im Luftverkehrssektor (Konjunkturabhängigkeit,<br />
steigen<strong>des</strong> Umweltbewusstsein) auch verschiedene<br />
Herausforderungen zu meistern. Die<br />
Vorschläge der SESAR-Definitionsphase beziehen<br />
sich überwiegend auf theoretische Problemstellungen.<br />
Damit der gemeinsame Luftraum Wirklichkeit<br />
werden kann, besteht eine zentrale Aufgabe bei<br />
der Implementierung eines einheitlichen Luftraums<br />
darin, dass sämtliche geplanten und später beschlossenen<br />
Änderungen in allen Mitgliedstaaten<br />
zeitgleich umgesetzt werden müssen. Wie schwierig<br />
ein derartiges Unterfangen ist, zeigt sich derzeit<br />
bei der Etablierung der FABs. Für diese Vorläufer<br />
eines einheitlichen europäischen Luftraums existie-<br />
ren selbst auf der Ebene der EU-Kommission keine<br />
Regeln für deren Implementierung.<br />
Ferner gilt es, eine Lösung für die militärische Flugsicherung<br />
zu finden (Stichwort: „flexible use of<br />
airspace“). Eine isolierte Abwicklung und Organisation<br />
<strong>des</strong> militärischen Luftverkehrs in Europa brächte<br />
aufgrund der unflexiblen Nutzung <strong>des</strong> Luftraums<br />
für unterschiedliche Zwecke große Kapazitäts- und<br />
Effizienzverluste mit sich. Eine Integration der militärischen<br />
und zivilen Flugsicherung ist möglich,<br />
dies zeigen die Beispiele <strong>Deutschland</strong> und Schweiz.<br />
Allerdings ist es aus neutralitätspolitischen Aspekten<br />
nur schwer vorstellbar, dass die europäischen<br />
Staaten im Falle einer Bewirtschaftung ihres Luftraums<br />
ihre militärische Flugsicherung einem ausländischen<br />
Unternehmen übertragen werden.<br />
Neben diesen rechtlichen und organisatorischen<br />
Aufgaben gilt es auch, einige finanzielle Aspekte zu<br />
berücksichtigen. Ob ein Projekt wie die Schaffung<br />
eines einheitlichen europäischen Luftraums gelingen<br />
kann, wird auch vom Engagement und der finanziellen<br />
Beteiligung der Luftfahrtindustrie abhängen. Das<br />
finanzielle Engagement der Industrie erscheint im<br />
Hinblick auf die Bereitstellung von Ressourcen für<br />
die Forschung unverzichtbar. Zumal die vorgesehene<br />
Arbeitsteilung Boden/Luft im Bereich „Avionik“<br />
erhebliche Vorinvestitionen der Flugzeughalter<br />
beziehungsweise Fluggesellschaften verlangt.<br />
5.2 <strong>Deutschland</strong><br />
Die entscheidenden Anforderungen und Aufgaben<br />
für die Zukunft für die Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong><br />
(und die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH als<br />
nationalem Dienstleister) im Bereich der Flugsicherung<br />
ergeben sich aus den Verordnungen zur Verwirklichung<br />
<strong>des</strong> Single European Sky, 135 die das<br />
Verständnis zu den Tätigkeiten in der Flugsicherung<br />
Europas grundlegend geändert haben.<br />
Eine Reihe von mit der Flugsicherung in Zusammenhang<br />
stehenden Tätigkeiten sollen in Europa<br />
zukünftig verstärkt in Konkurrenz zu anderen Flugsicherungsorganisationen<br />
erbracht werden. Damit<br />
die DFS diese Aufgaben übernehmen und sich am<br />
Wettbewerb um diese Dienstleistungen wird beteiligen<br />
können, sind allerdings einige gesetzliche<br />
Änderungen unabdingbar. Im Gegensatz zu den
86<br />
II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
anderen europäischen Organisationen, die bereits<br />
heute aufgrund der jeweils geltenden gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen in der Lage sind, eigenständig<br />
ihre Dienste auch in anderen Ländern zu erbringen,<br />
Kooperationen und Beteiligungen einzugehen<br />
sowie unternehmerische Wettbewerbsgeschäfte<br />
zu tätigen, enthält das deutsche Luftverkehrsgesetz<br />
keinerlei wettbewerbliche Aspekte.<br />
Die europäische Konstruktion mit wettbewerblichen<br />
Elementen ist dem deutschen Recht in seinem<br />
Verständnis von Flugsicherung als Hoheitsaufgabe<br />
sogar fremd. In diesem Bereich besteht<br />
eindeutiger Handlungsbedarf.<br />
Um mit anderen Anbietern in Wettbewerb treten<br />
zu können, ist ein unabhängiges wirtschaftliches<br />
Agieren der DFS Grundvoraussetzung. Aufgrund<br />
der derzeitigen Stellung der DFS als bun<strong>des</strong>eigene<br />
Luftverkehrsverwaltung ist unternehmerisches<br />
Handeln allerdings kaum möglich. Beispielsweise<br />
sind Beteiligungen, die der Realisierung von<br />
Skaleneffekten und damit der Erzielung von Einsparungen<br />
dienen könnten, nach den derzeit geltenden<br />
Vorgaben der Bun<strong>des</strong>haushaltsordnung<br />
einem strengen Prüfverfahren zu unterziehen.<br />
Das bedeutet letztlich, dass Verbindungen zwischen<br />
den europäischen Flugsicherungsorganisationen<br />
unter Beteiligung der DFS kaum zeitgerecht<br />
umzusetzen sind, solange Staatsverträge oder die<br />
Genehmigung <strong>des</strong> in diesem Fall verantwortlichen<br />
Bun<strong>des</strong>finanzministeriums ausstehen.<br />
Damit sich die DFS dem internationalen Wettbewerb<br />
im Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />
erfolgreich stellen kann, wird es erforderlich sein,<br />
durch eine Rechts- und Strukturanpassung sowie<br />
Kapitalprivatisierung die Konkurrenzfähigkeit der<br />
DFS zu erhalten und zu stärken.<br />
5.3 Vereinigte Staaten von Amerika<br />
Die Air Transport Association of America (ATA)<br />
bemängelt, dass mit der veralteten Technik <strong>des</strong> USamerikanischen<br />
Flugsicherungssystems keine adäquate<br />
Flugverkehrskontrolle seitens der Lotsen<br />
mehr möglich sei. Folglich würden Flugzeuge auf<br />
suboptimale Routen gelenkt, potenzielle Zeitersparnisse<br />
ließen sich ebenso wenig realisieren wie<br />
die daraus resultierenden Verringerungen von<br />
Schadstoffemissionen. 136 Die Notwendigkeit der<br />
Modernisierung der Flugsicherung ist in den Vereinigten<br />
Staaten weitestgehend anerkannt. So wurde<br />
auf staatlicher Seite im Jahr 2005 ein Programm<br />
namens NextGen (Next Generation Air Transport<br />
System) entwickelt, welches das Ziel verfolgt, in<br />
den nächsten 20 Jahren nicht nur die Flugsicherung<br />
in den USA sondern das gesamte Lufttransportsystem<br />
zu modernisieren. 137<br />
Die Kosten für dieses Projekt belaufen sich auf<br />
geschätzte 15Mrd. USD. Der Realisierung <strong>des</strong><br />
Projekts und der Verbesserung der Situation steht<br />
jedoch die seit Jahren herrschende Uneinigkeit<br />
zwischen den unterschiedlichen politischen Gruppierungen<br />
und den zahlreichen Lobbyvereinigungen<br />
entgegen. 138 Den Kern der Auseinandersetzungen<br />
bilden die Governance-Struktur 139 sowie<br />
das Finanzierungssystem der Federal Aviation<br />
Administration (FAA). Eine möglichst baldige<br />
Beilegung dieses Konfliktes erscheint zur Sicherung<br />
einer langfristig funktionsfähigen Flugsicherung<br />
in den Vereinigten Staaten erforderlich.<br />
136 Vgl. Air Transport Association of America (2007): Balancing the Aviation Equation – 2007 Economic Report, S.15.<br />
137 Vgl. Joint Planning and Development Office (2007): Concepts of Operations for the Next Generation Air Transport System,<br />
Version 2.0, 13.06.2007.<br />
138 Vgl. ter Kuile (2008): Are we at the dawn of a new era for Global Air Traffic Management, Amsterdam.<br />
139 Obwohl in zahlreichen Studien die Privatisierung der Flugsicherung in den USA angemahnt wurde, konnte bisher keine Entscheidung<br />
in dieser Frage herbeigeführt werden. Vgl. Executive Oversight Committee (1994): Air Traffic Control Corporation<br />
Study, Report to the US Secretary of Transportation. US Department of Transportation, Washington, DC; National Civil Aviation<br />
Review Commission (1997): Avoiding Aviation Gridlock & Reducing the Accident Rate. NCARC, Washington; Poole/Butler<br />
(2001): How to commercialize air traffic control, Reason Public Policy Institute, Los Angeles (Policy Study 278)<br />
http://www.rppi.org/ps278.htm.<br />
140 Vgl. International Business Strategies (2005): Air Traffic Control in India, Gaithersburg; International Business Strategies (2004):<br />
Air Traffic Control Market in China, Gaithersburg, S.5 ff.
5.4 Asien<br />
European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 87<br />
In Asien wird das stark wachsende Luftverkehrsaufkommen<br />
ähnlich wie im Nahen Osten unzureichend<br />
durch Flugverkehrsmanagementsysteme unterstützt.<br />
Eine effektive regionale Koordination zwischen den<br />
unterschiedlichen Akteuren erscheint allerdings aufgrund<br />
der enormen Wachstumsraten unverzichtbar,<br />
wenn ein Erreichen der Kapazitätsgrenzen <strong>des</strong> asiatischen<br />
Luftraums vermieden werden soll. 140<br />
Um den regulatorischen und den zivilen sowie militärischen<br />
Anforderungen gerecht werden zu können<br />
wird zunehmend die Forderung nach einem<br />
starken institutionellen Rahmen laut. 141 Unabhängig<br />
von den Herausforderungen einer regionalen<br />
Zusammenarbeit haben China und Indien auch<br />
mit individuellen Problemen im Bereich ihrer Flugsicherungen<br />
zu kämpfen. Für China wird zukünftig<br />
aufgrund <strong>des</strong> dortigen Luftverkehrswachstums<br />
ein steigender Bedarf an Fluglotsen erwartet. Vor<br />
diesem Hintergrund wird eine angemessene sowie<br />
zeitnahe Rekrutierung und vor allem Ausbildung<br />
von zahlreichen Mitarbeitern notwendig. 142<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass die Fluglotsen in<br />
China häufig vermeiden, in den weniger attraktiven<br />
westlichen Provinzen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> oder aber in<br />
den arbeitsreichen ATC-Centern in Peking, Schanghai<br />
und Guangzhou eingesetzt zu werden.<br />
5.5 Naher Osten<br />
Die Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens (Vereinigte Arabische<br />
Emirate, Katar, Bahrain) sehen sich zukünftig<br />
hinsichtlich der Thematik der Flugsicherung folgenden<br />
Problemen gegenüber: Die Golfregion zeichnet<br />
sich derzeit durch ein beispielloses Wachstum bei<br />
der Anzahl der Flugbewegungen aus, 143 welches in<br />
absehbarer Zeit zu Kapazitätsengpässen seitens der<br />
lokalen Flugsicherungen führen wird. Während die<br />
Fluggesellschaften wie Emirates, Etihad sowie Qatar<br />
Airways erhebliche Wachstumsraten ihrer Passagieraufkommen<br />
verzeichnen und die einzelnen Golf-<br />
Staaten in riesige Flughafenprojekte investieren, ist<br />
auffällig, dass Investitionen in die Flugsicherung<br />
und die entsprechende Infrastruktur am Boden und<br />
in der Luft zur Gewährleistung notwendiger Kapazitäten<br />
im Luftraum weitgehend fehlen. 144<br />
Zudem leidet der Nahe Osten – in ähnlicher Form<br />
wie Europa – unter der Fragmentierung <strong>des</strong> Luftraums.<br />
Diese resultiert unter anderem aus einer<br />
starken militärischen Präsenz mit einem hohen<br />
Bedarf an Lufträumen für die militärische Nutzung.<br />
Sollten die Staaten <strong>des</strong> Nahen Ostens in der nahen<br />
Zukunft nicht in der Lage sein, ein regionales Projekt<br />
zur Optimierung <strong>des</strong> Luftraums zu initiieren,<br />
wird das Luftverkehrswachstum in der Golf-Region<br />
schnell an seine Grenzen stoßen.<br />
141 Vgl. ter Kuile (2008), a.a.O.<br />
142 Vgl. Vijayaraghavan (2005): A Shortage of Air Traffic Controllers in China, India and The Philippines, Frost&Sullivan, Palo Alto.<br />
143 Vgl. Airbus (2006): General Market Forecast 2006–2025, Blagnac, S.54 f.<br />
144 Vgl. ter Kuile (2008), a.a.O.
III. Schlussfolgerungen<br />
airconomy<br />
Oliver Wyman<br />
European Center for Aviation Development – ECAD<br />
1. Zusammenfassung<br />
In <strong>Deutschland</strong> gibt es kein großes Luftverkehrsdrehkreuz<br />
mit einem originären Flugreiseaufkommen<br />
der Dimension von z.B. London oder Paris.<br />
Nur mit einer solchen Nachfragestruktur wäre eine<br />
strategische Konzentration auf die Bedienung originärer<br />
Luftverkehre von und nach <strong>Deutschland</strong><br />
sinnvoll. Andererseits ist kein anderer Luftverkehrsstandort<br />
in Europa ähnlich stark aufgestellt wie<br />
<strong>Deutschland</strong>, um Umsteigepassagiere zu bedienen<br />
und damit Flugverkehr zu bündeln. Dabei erweist<br />
sich das Netz aus 15 internationalen Flughäfen in<br />
den dezentralen Wirtschaftsräumen <strong>Deutschland</strong>s<br />
im Verbund mit den beiden Hubs in Frankfurt und<br />
München 1 sowie den beteiligten deutschen Fluggesellschaften<br />
als hoch synergetisch.<br />
Ein leistungsfähiger Luftverkehr ist im internationalen<br />
Wettbewerb der Standorte gerade für die<br />
exportorientierte und polyzentrische Wirtschaft in<br />
<strong>Deutschland</strong> von größter Bedeutung. Für die<br />
zunehmend international ausgerichteten Unternehmen<br />
in <strong>Deutschland</strong> stellen effiziente und weltweit<br />
III. Schlussfolgerungen 89<br />
vernetzte Flughäfen entscheidende Aspekte weit<br />
reichender Investitions- und Standortentscheidungen<br />
dar. Eine internationale Studie kam beispielsweise<br />
zu dem Ergebnis, dass pro einer Million<br />
Passagiere rechnerisch etwa 4.750 Arbeitsplätze<br />
generiert werden. 2<br />
Die hohe Leistungsfähigkeit im Umsteigeverkehr<br />
markiert gleichzeitig einen wunden Punkt <strong>des</strong><br />
<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong>: Umsteigeverkehre<br />
können international ausweichen, wenn die<br />
operativen, regulativen und infrastrukturellen Voraussetzungen<br />
der heutigen Leistungsfähigkeit nicht<br />
gewährleistet werden können. Ein reduziertes Luftverkehrsangebot<br />
sowie geringere Verbindungshäufigkeiten<br />
wären unausweichlich und die Folgen<br />
für die Exportfähigkeit und den Arbeitsmarkt in<br />
<strong>Deutschland</strong> gravierend. Damit ist der deutsche<br />
Luftverkehrsmarkt durch Verzerrungen im Wettbewerb<br />
um Umsteigepassagiere oder durch infrastrukturelle<br />
Defizite leichter verwundbar als seine<br />
Wettbewerber.<br />
1 Kategorisierung der DFS mit 17 internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>. An anderen Stellen in diesem Bericht werden u.a.<br />
die Kategorisierungen der ADV oder <strong>des</strong> DLR mit über 20 internationalen Flughäfen benutzt. Da nahezu alle im Folgenden<br />
analysierten Vernetzungseffekte durch die 17 nach DFS-Kategorisierung beschriebenen internationalen Flughäfen erfolgen,<br />
folgt dieser Teil <strong>des</strong> Berichtes aus pragmatischen Gründen der Kategorisierung der DFS.<br />
2 Vgl. Airports Council International (ACI) Europe (1998), Creating Employment and Prosperity in Europe, Brüssel, S.2.
90<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Für den Erhalt der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Luftverkehrs-Wertschöpfungskette<br />
in <strong>Deutschland</strong> sind<br />
der langfristig ausgerichtete und stetige Ausbau<br />
der Luftverkehrsinfrastruktur am Boden und in der<br />
Luft, höchste Prozesseffizienzen sowie die aktive<br />
Weiterentwicklung <strong>des</strong> Verbun<strong>des</strong> unabdingbare<br />
Voraussetzungen. Das übergreifende Ziel muss<br />
die zukunftssichere Weiterentwicklung <strong>des</strong> hoch-<br />
2.1 Kriterien der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
Die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> bemisst sich vor allem an zwei<br />
Zielen:<br />
■ Die in <strong>Deutschland</strong> ansässigen Unternehmen<br />
der Luftverkehrswertschöpfungskette müssen<br />
dauerhaft wettbewerbsfähig sein können. Es<br />
wird aufgezeigt, dass die besondere Position<br />
<strong>des</strong> deutschen Luftverkehrs im internationalen<br />
Umsteigeverkehr einen besonders hohen<br />
Kosten- und Effizienzdruck mit sich bringt.<br />
Wettbewerbsfähige Faktorkosten müssen<br />
also niedriger sein als an anderen Luftverkehrsstandorten.<br />
■ Der Wirtschaftsstandort <strong>Deutschland</strong> muss<br />
sich auf ein hoch leistungsfähiges Luftverkehrssystem<br />
mit weltweiter Vernetzung verlassen<br />
können. Es wird analysiert, in welchem<br />
Maß die Verbundeffekte aller deutschen Flughäfen<br />
mit den beiden Drehscheiben in Frankfurt<br />
und München und den Netzarchitekturen<br />
der Airlines Voraussetzung dafür sind, dass<br />
die deutsche Wirtschaft global die herausragende<br />
Rolle spielen kann, die sie heute erreicht<br />
hat.<br />
Kein anderer Luftverkehrsmarkt in Europa ist so<br />
leistungsstark in seiner Vernetzung – und gleichzeitig<br />
so abhängig davon<br />
Anders als Paris oder London mit ihrem jeweils sehr<br />
starken Originäraufkommen an Luftverkehr kann<br />
in <strong>Deutschland</strong> kein Flughafen auf ein auch nur<br />
gradig synergetischen Verbundcharakters der internationalen<br />
Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> sowie der<br />
beiden Hubs in Frankfurt und München sein. Angesichts<br />
der dezentralen Wirtschafts- und Siedlungsstruktur<br />
in <strong>Deutschland</strong> ist dieser Systemverbund<br />
Erfolgsfaktor Nummer Eins für ein breites<br />
und dichtes Flugangebot aus der Fläche in die<br />
ganze Welt.<br />
2. Organisation Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> heute<br />
annähernd ähnlich großes Aufkommen lokaler<br />
Nachfrage nach Flugverbindungen setzen. Der<br />
deutsche Luftverkehr kann sich damit nicht vorrangig<br />
auf Nachfrage konzentrieren, die an einem<br />
Standort in <strong>Deutschland</strong> entsteht oder diesen zu<br />
seinem Ziel hat. Vielmehr verdankt der deutsche<br />
Luftverkehrsmarkt seine internationale Bedeutung<br />
der überlegenen Fähigkeit, ein logistisches Luftverkehrsnetzwerk<br />
anzubieten. So werden Umsteigeverkehre<br />
angezogen und effizient über die beiden<br />
deutschen Hubs Frankfurt und München verteilt.<br />
Abbildung 1 vergleicht das originäre, d.h. am Ort<br />
entstehende Passagieraufkommen an den wichtigen<br />
europäischen Hubs. Zugleich wird die Populationsgröße<br />
im Einzugsbereich dieser Flughäfen<br />
gezeigt. Der Unterschied ist bedeutsam: Das Originäraufkommen<br />
zeigt die tatsächliche Größe<br />
der Luftverkehrsnachfrage in dieser Region auf,<br />
also die effektive Marktgröße. Im Unterschied<br />
hierzu zeigt die Population <strong>des</strong> Einzugsgebietes<br />
(„Catchment-area“) das maximale Potenzial<br />
zukünftiger Marktentwicklung. Wichtig sind beide<br />
Kennzahlen. Die Betrachtung einzig <strong>des</strong><br />
Einzugsgebietes übersieht leicht, dass die Einzugsgebiete<br />
benachbarter Flughäfen mitunter stark<br />
überlappen. In der Folge rechnen sich oft mehrere<br />
Flughäfen das gleiche Einzugsgebiet zu. Andererseits<br />
verstellt eine Betrachtung nur der Größe <strong>des</strong><br />
aktuellen Originäraufkommens leicht den Blick auf<br />
Entwicklungspotenziale. [Abb. 1]<br />
Für die Beurteilung der Frage, inwiefern ein Standort<br />
auf Originärnachfrage setzen kann bzw. auf<br />
Umsteigeverkehre setzen muss, ist allerdings nicht
primär die Größe <strong>des</strong> Einzugsgebietes entscheidend,<br />
sondern die Zahl der regelmäßig fliegenden<br />
Geschäfts- und Privatreisenden in dieser Region.<br />
Im bevölkerungsmäßig außerordentlich starken<br />
Einzugsgebiet von Frankfurt ist, beispielsweise, die<br />
effektive Nachfrage nach Luftverkehrsverbindungen<br />
auf ein relativ kleines, aber zahlungskräftiges<br />
Segment der Bevölkerung beschränkt. Die Einzugsgebiete<br />
von Paris und insbesondere London sind<br />
kleiner als Frankfurt, repräsentieren aber eine<br />
erheblich flugreise-aktivere Bevölkerungs- bzw.<br />
Geschäftsstruktur.<br />
Um die Möglichkeiten und Grenzen einer auf<br />
Originärverkehr zielenden Strategie für den deutschen<br />
Luftverkehrsmarkt zu verstehen, ist also vor<br />
allem die Betrachtung der tatsächlichen Marktgröße,<br />
also <strong>des</strong> Umfangs der originär am Standort<br />
entstehenden Nachfrage, relevant. Hierbei ist zu<br />
berücksichtigen, dass die Originärnachfrage insgesamt<br />
in <strong>Deutschland</strong> durchaus sehr groß sein mag,<br />
dass sich diese Nachfrage aber auf im europäischen<br />
Vergleich sehr viele Wirtschafts- und Siedlungszen-<br />
Marktgröße Originäreinsteiger [in Mio.] Größe Einzugsgebiet [in Mio.]<br />
53,5 STN LGW LHR<br />
30,9<br />
ORY<br />
16,7<br />
14,2<br />
12,3<br />
10,1<br />
CDG<br />
6,5<br />
5,6<br />
London<br />
Paris<br />
Madrid<br />
Amsterdam<br />
Frankfurt<br />
München<br />
Zürich<br />
Wien<br />
Der deutsche Luftverkehrsmarkt<br />
muss vernetzte Angebote für<br />
Umsteigeverkehre entwickeln<br />
60 40 20 0 0 20 40 60<br />
Abb. 1: Größe der Lokalmärkte und der Einzugsgebiete der wichtigsten Hub-Standorte in Europa<br />
Die Werte für Originäreinsteiger beziehen sich auf 2006, die Werte für Einzugsgebiete auf 2005. Die Originäreinsteiger für<br />
Madrid beziehen sich auf 2007.<br />
7<br />
14<br />
20<br />
25<br />
25<br />
III. Schlussfolgerungen 91<br />
tren verteilt. Der Vergleich der Originärverkehrsstärke<br />
in Europa (Abbildung 1) zeigt, dass in der<br />
Folge an den Hub-Standorten in <strong>Deutschland</strong> nur<br />
vergleichsweise geringes Originäraufkommen<br />
vorherrscht. Der deutsche Luftverkehrsmarkt kann<br />
und darf strategisch also nicht auf lokal verdichtete<br />
Originärverkehre wie in Paris oder London setzen,<br />
sondern muss vernetzte Angebote für Umsteigeverkehre<br />
entwickeln.<br />
Eine solche Strategie hat zudem den Vorteil, dass<br />
dadurch sowohl eine Reihe innerdeutscher als auch<br />
internationaler Flugverbindungen überhaupt erst<br />
ökonomisch angeboten werden können. So kann ein<br />
hohes Maß internationaler Erreichbarkeit <strong>des</strong> deutschen<br />
Wirtschaftsraums und seiner Teilräume gewährleistet<br />
werden. Insofern ist die Stärke <strong>des</strong> Umsteigeverkehrs<br />
für <strong>Deutschland</strong> eine ganz wesentliche<br />
Quellen: Originäreinsteiger: ACI, airconomy; Einzugsgebiet: Aéroports de Paris (AdP). Die Größe <strong>des</strong> Einzugsgebietes von<br />
Madrid ist nicht bekannt. „Einzugsgebiet“ ist definiert als die Zahl der Bewohner in einem Radius von 200 km um den betreffenden<br />
Flughafen. Das Originäraufkommen ist der Betrag der p.a. am angegebenen Flughafen originär abfliegenden Passagiere.<br />
25<br />
35
92<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Voraussetzung dafür, die Angebotsvielfalt für die<br />
originär in <strong>Deutschland</strong> entstehende Nachfrage<br />
wirtschaftlich realisieren zu können. [Abb. 2]<br />
Das Segment der Originärnachfrage ist nur eines<br />
von zwei großen Verkehrssegmenten. Das zweite<br />
Segment bilden die umsteigenden Passagiere.<br />
Dieses Segment wird in seiner Bedeutung häufig<br />
unterschätzt. Die Bedeutung <strong>des</strong> Umsteigeverkehrs<br />
spiegelt sich aber z.B. in einer Rate von über 50%<br />
umsteigender Passagiere in Frankfurt wider. In<br />
Abbildung 2 werden <strong>des</strong>halb die Volumina der an<br />
den europäischen Hubs umsteigenden Passagiere<br />
miteinander verglichen. Während <strong>Deutschland</strong>, wie<br />
oben dargelegt, aufgrund der multizentrischen<br />
Wirtschaftsstruktur nur bedingt auf Originäraufkommen<br />
setzen kann, zeigt dieser Vergleich die<br />
hervorragende Marktposition <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems<br />
im nicht weniger wichtigen Segment<br />
der Umsteigeverkehre. Durch die hervorragende<br />
Vernetzung mit den anderen deutschen und<br />
mit europäischen Flughäfen transferiert kein anderer<br />
Hub in Europa mehr Umsteigepassagiere als<br />
Frankfurt, erst mit deutlichem Abstand gefolgt von<br />
London Heathrow. Der junge Hub München hat<br />
sich bereits auf einen sechsten Platz im europäischen<br />
Wettbewerb um Umsteigepassagiere vorgeschoben.<br />
Zusammen ziehen Frankfurt und München<br />
mehr Umsteigepassagiere an als Paris Charles<br />
de Gaulle und Amsterdam zusammen und 50%<br />
mehr als London Heathrow. In internationalen<br />
Passagierbefragungen rangiert München als einer<br />
der weltweit beliebtesten Umsteigeflughäfen und<br />
Frankfurt<br />
London Heathrow<br />
Paris Charles de Gaulle<br />
Amsterdam<br />
Madrid<br />
München<br />
Abb. 2: Umsteigende Passagiere an wichtigen europäischen Hubs 2006 (in Tsd.)<br />
Quellen: ACI (Werte für FRA, LHR, AMS, MUC), airconomy (Werte für MAD, CDG)<br />
0<br />
5.000<br />
wurde bereits zum vierten Mal in Folge zum besten<br />
Flughafen in Europa gewählt. 3 Die Stärke <strong>des</strong><br />
Standortes <strong>Deutschland</strong> im europäischen Vergleich<br />
der Umsteigeverkehre ist unerreicht.<br />
Umsteigende Passagiere entscheiden sich für oder<br />
gegen eine bestimmte Routenführung im Wesentlichen<br />
aufgrund von drei Kriterien: Produktangebot,<br />
Preis und Umsteigekomfort.<br />
■ Welcher Flugplan ist optimal hinsichtlich der<br />
angebotenen Destinationen, der Flugdichte,<br />
der Abflugtage, -zeiten und -frequenzen<br />
sowie erforderlicher Umsteigezeiten, etc?<br />
■ Welcher Reiseweg ist am billigsten?<br />
■ Welcher Reiseweg bietet den größten<br />
Umsteige-Komfort, also insbesondere schnelle<br />
und reibungslose Umsteigeabläufe, gute<br />
Lounges, ansprechen<strong>des</strong> Ambiente <strong>des</strong> Flughafens?<br />
Alle drei Dimensionen eines qualitativ hochwertigen<br />
Angebotes müssen zusammenkommen, um<br />
<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> zu erreichen bzw. abzusichern.<br />
Für Flughäfen und Fluggesellschaften als<br />
Anbieter ist dabei ökonomisch entscheidend, die<br />
fixen Kosten aus Infrastruktur und z.B. Flugzeugflotte<br />
durch einen möglichst attraktiven Flugplan<br />
auszugleichen, so dass dieser ohne Zugeständnisse<br />
an den Preis vom Markt aufgenommen wird. Die<br />
Nachfragesicht hat naturgemäß ein Interesse,<br />
zwischen möglichst attraktiven Flugplänen zu möglichst<br />
niedrigen Preisen auswählen zu können. Für<br />
10.400<br />
18.295<br />
17.604<br />
16.473<br />
23.570<br />
10.000 15.000 20.000<br />
27.783<br />
25.000<br />
30.000
die multizentrische und weltweit vernetzte deutsche<br />
Exportwirtschaft besteht aber keine Alternative<br />
zu einem insgesamt erstklassigen Angebot an<br />
dichten Flugverbindungen in die ganze Welt. Die<br />
Infrastrukturpolitik hat einen erheblichen Einfluss<br />
auf die mögliche Vielzahl und Vielfalt von Flugverbindungen<br />
wie auch auf regulative Einschränkungen,<br />
diese zu nutzen. Dies ist vor allem begründet<br />
in der Verantwortung der Infrastrukturpolitik für<br />
Kapazität und Kapazitätsentwicklungen bei Flughäfen<br />
und der Flugsicherung.<br />
Auf die Preisbildung hat Luftverkehrspolitik innerhalb<br />
der EU keinen Einfluss, dort ist die Preissetzung<br />
liberalisiert. Außerhalb der EU gelten bilaterale<br />
Vereinbarungen zwischen Staaten, die nach<br />
teilweise sehr komplizierten Verfahren die möglichen<br />
Preise regeln. Open-Skies-Abkommen sind wichtige,<br />
aber nur vereinzelte Schritte in die richtige<br />
Richtung. Immerhin: Der Luftverkehr zwischen der<br />
EU und den USA ist hinsichtlich Preisbildung und<br />
Angebotsmenge bereits umfassend liberalisiert.<br />
Preisgestaltung bleibt in einem liberalisierten Markt<br />
eine unternehmerische Kernaufgabe und sollte nur<br />
dann Gegenstand luftverkehrspolitischer Überlegungen<br />
sein, wenn es um die ordnungspolitische<br />
Sicherung der Chancengleichheit insgesamt und<br />
die gebotene Entwicklung von Wettbewerb auf<br />
jeder Stufe entlang der Wertschöpfungskette geht.<br />
Es darf aber nicht übersehen werden, dass die<br />
regulierten Kostenbestandteile, also insbesondere<br />
Luftsicherheitsgebühren, Flughafenentgelte oder<br />
Flugsicherungsgebühren mögliche Preisspielräume<br />
für deutsche Marktteilnehmer stärker begrenzen,<br />
als dies vor allem bei außereuropäischen Wettbewerbern<br />
der Fall ist. 4 Dies ist immer dann ein Wettbewerbsnachteil<br />
<strong>des</strong> Standortes <strong>Deutschland</strong>, wenn<br />
deutsche Luftverkehrsunternehmen im direkten<br />
Wettbewerb stehen mit Unternehmen aus weniger<br />
regulierten Standorten, an denen die standortspezifischen<br />
Kosten für den Luftverkehr vielfach durch<br />
günstigere Lohnkosten, Steuern und Abgaben<br />
deutlich unter dem Niveau in <strong>Deutschland</strong> liegen.<br />
Diesbezüglich sei auch auf die entsprechende<br />
Diskussion im Teil II.2.6 „Ordnungspolitische und<br />
gesetzliche Rahmenbedingungen“ verwiesen.<br />
Gleiches gilt für die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der<br />
3 Skytrax 2004, 2005, 2006, 2007.<br />
4 Siehe Kapitel II.2.5 Ordnungspolitische und gesetzliche Rahmenbedingungen.<br />
III. Schlussfolgerungen 93<br />
Aspekte <strong>des</strong> Umsteige-Komforts einer Reise: Hier<br />
greifen rechtlich vorgegebene Sicherheitsprozeduren<br />
zum Teil sehr tief in alle möglichen Passagierprozesse<br />
ein. Es bleibt unternehmerische Verantwortung,<br />
Passagierprozesse wettbewerbsfähig zu<br />
gestalten. Es bleibt politische Verantwortung, die<br />
Rahmenbedingungen hierzu frei von Diskriminierungen<br />
oder Wettbewerbsbeschränkungen zu halten.<br />
Deutsche Luftverkehrsunternehmen sind<br />
insgesamt in allen drei Dimensionen – Produktangebot,<br />
Preis, Umsteigekomfort – wettbewerbsfähig<br />
aufgestellt. Deutsche Fluggesellschaften gelten als<br />
besonders zuverlässig, die Deutsche Flugsicherung<br />
gilt als einer der sichersten Anbieter der Welt. Die<br />
Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> sind ausgesprochen gut<br />
miteinander vernetzt. München gilt als einer der<br />
beliebtesten, und Frankfurt als einer der größten<br />
Umsteigeflughäfen weltweit. Düsseldorf und sein<br />
Einzugsgebiet tief in das Ruhrgebiet hinein ist ein<br />
positives Beispiel dafür, wie die Nachfrage auch für<br />
einzelne Langstrecken außerhalb der großen Hubs<br />
entstehen und sich entwickeln kann. Andere deutsche<br />
Verkehrsflughäfen bedienen die Nachfrage<br />
der Passagiere bedarfsgerecht über Direktflüge<br />
oder Verbindungen über die großen Drehkreuze.<br />
Wegen der herausragenden Relevanz der infrastrukturellen<br />
Rahmenbedingungen im globalen<br />
Wettbewerb um umsteigende Passagiere steht<br />
dieser Aspekt in diesem Bericht im Vordergrund.<br />
Eine dichte und weltweite Vernetzung <strong>des</strong> Flugangebotes<br />
ist für die deutsche Wirtschaft insgesamt<br />
strukturell unverzichtbar. Wegen der großen<br />
Bedeutung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen<br />
für eine solche Vernetzung wird im Folgenden<br />
die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> vor allem anhand der<br />
stabilen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> Flugangebotes<br />
überprüft.<br />
Stärke im Wettbewerb um umsteigende Passagiere<br />
erfordert große Drehkreuze. Die Flugpläne an diesen<br />
Hubs werden dabei so gestaltet, dass die ankommenden<br />
und abfliegenden Flugsegmente wichtiger<br />
Umsteigeverbindungen zeitlich nah beieinander<br />
liegen. Ein einzelner Langstreckenflug wird z.B. in<br />
Frankfurt auf diese Weise von bis zu 75 Zubringer-
94<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
outbound<br />
inbound<br />
0<br />
Abb. 3: Flugplanprofile der Flughäfen Frankfurt (links) und München (rechts)<br />
Jeder Flug wird durch ein kleines Quadrat dargestellt. Die Farbe <strong>des</strong> Quadrates zeigt die Richtung <strong>des</strong> betreffenden Fluges an<br />
(rot=Osten, gelb=Süden, grün=Westen, blau=Norden). Abflüge sind oberhalb der durchgehenden horizontalen Linie<br />
dargestellt, Ankünfte entsprechend unterhalb. Die horizontale Linie zeigt den Tagesverlauf von Mitternacht bis Mitternacht<br />
an, wobei jeder vertikale Strich eine volle Stunde markiert.<br />
Quelle: airconomy, OAG 2007<br />
6 12 18 23 0 6 12 18 23<br />
flügen 5 „gefüttert“, die gleichzeitig natürlich Passagiere<br />
mit Reiseziel Frankfurt befördern. [Abb. 3]<br />
Abbildung 3 zeigt die Flugplanprofile für Frankfurt<br />
und München. Insbesondere am Beispiel München<br />
wird dabei deutlich, wie konsequent diese Hubs auf<br />
optimale Verbindungen (Konnektivität) für Umsteigepassagiere<br />
getrimmt sind. Ohne die Möglichkeit,<br />
Passagiere und Gepäck schnell durch alle Sicherheitskontrollen,<br />
durch alle operativen Prozeduren<br />
<strong>des</strong> Weges vom Ankunfts- zum Abflug-Gate zu<br />
schleusen, könnten keine effizienten Hub-Strukturen<br />
aufgebaut werden.<br />
Tageszeit Tageszeit<br />
outbound<br />
inbound<br />
Im europäischen Querschnitt zeigt sich (Abbildung<br />
4), dass die beiden deutschen Hubs Frankfurt und<br />
München zwar eine sehr große Zahl wettbewerbsfähiger<br />
Umsteigeverbindungen 6 anbieten können,<br />
aber z.B. deutlich hinter Paris Charles de Gaulle<br />
liegen. 7 Paris Charles de Gaulle nutzt also die sehr<br />
komfortable Kombination von sehr großer Originärnachfrage,<br />
großer Kapazität (mit 4 Bahnen<br />
weist Paris Charles de Gaulle deutlich mehr Kapazität<br />
auf als Frankfurt oder München) und europäischer<br />
Spitzenposition in Konnektivität (= Umsteigepassagiere)<br />
dafür, aus der Gesamtnachfrage die<br />
jeweils profitabelsten Passagiere herauszusuchen.<br />
5 Beispiel: LH 502 Frankfurt–Sao Paulo wird täglich von 74 nach Standard-Kriterien wettbewerbsfähigen LH-Zubringerflügen<br />
bedient. Tatsächlich (Quelle: IATA Buchungsdaten) nehmen viele Passagiere für diesen Flug aber auch längere Umsteigezeiten in<br />
Frankfurt in Kauf und bilden so noch einmal deutlich mehr tatsächlich gebuchte Verbindungen (bis zu 100). Ähnliche Zahlen<br />
ergeben sich beispielsweise auch für die Abendflüge nach Singapur oder Johannesburg.<br />
6 Eine Verbindung ist dann wettbewerbsfähig, wenn sie a) nach der Min<strong>des</strong>tumsteigezeit (MCT) und innerhalb eines nach Short-,<br />
Medium- und Longhaul differenzierten Zeitfensters liegt, und b) wenn es im gleichen Zeitraum keine schnellere Verbindung gibt.<br />
7 Es wurden nur operative Verbindungen innerhalb <strong>des</strong> Netzes einer Fluggesellschaft (online) und keine Marketing-Verbindungen<br />
(co<strong>des</strong>hares) ausgewählt, weil die absolute Anzahl der (kapazitätsgewichteten) Verbindungen innerhalb <strong>des</strong> Netzes einer<br />
Fluggesellschaft auf den europäischen Flughäfen mit einem r 2 von 0.94 die statistisch höchste Erklärungskraft für die empirischen<br />
Umsteigezahlen europäischer Flughäfen (ACI 2006) aufweist.<br />
8 Dies macht Sinn angesichts der Arbeitsteilung mit dem benachbarten Hub Amsterdam: Paris Charles de Gaulle konzentriert sich<br />
auf höherwertige Umsteigeverkehre, Amsterdam eher auf niedrigpreisige (aber nicht nur) Umsteigeverkehre.
Mit anderen Worten: Paris Charles de Gaulle<br />
schöpft sein Potenzial an Umsteigepassagieren<br />
noch nicht voll aus, sondern konzentriert sich auf<br />
hochwertige Verkehre. 8 In Abbildung 4 wird<br />
gezeigt, dass München zwar mehr Umsteigeverbindungen<br />
anbietet als Frankfurt. Allerdings werden<br />
für diese Verbindungen in München typischerweise<br />
deutlich kleinere Flugzeuge eingesetzt als in<br />
Frankfurt und diese sind fokussiert auf europäische<br />
Umsteigeverkehre. Hinzu kommt, dass aus München<br />
heraus auch nicht so viele Langstreckenziele<br />
angeboten werden wie aus Frankfurt. Frankfurt<br />
bleibt der primäre Langstrecken-Hub in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Dort, wo aus München Langstrecken angeboten<br />
werden, kommen typischerweise eher kleinere<br />
Langstrecken-Flugzeuge zum Einsatz.<br />
Insgesamt arbeitet München folglich mit einer<br />
kleinteiligeren Zu- und auch Abbringerstruktur als<br />
Frankfurt. [Abb. 4]<br />
Ohne diese herausragende Stärke in der Vernetzung<br />
mit anderen Flughäfen und damit der Anziehung<br />
und Bedienung umsteigender Passagiere<br />
könnte in <strong>Deutschland</strong> kein Hub existieren. Die<br />
enorme Breite <strong>des</strong> Flugangebotes, die durch die<br />
Konzentration von Umsteigeverbindungen auf die<br />
Hubs in Frankfurt und München erzeugt wird,<br />
kommt dabei vor allem den dezentralen Flughäfen<br />
in <strong>Deutschland</strong> zugute. Es sind vor allem die vielen<br />
dezentralen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>, die sich<br />
durch ihre Vernetzung mit den beiden Hubs Frank-<br />
Paris Charles de Gaulle<br />
München<br />
Frankfurt<br />
Amsterdam<br />
Madrid<br />
London Heathrow<br />
Dubai<br />
0<br />
4<br />
III. Schlussfolgerungen 95<br />
furt und München eine optimale Vernetzung mit<br />
nahezu allen Metropolen und Wirtschaftszentren<br />
der ganzen Welt erschließen und sichern.<br />
Weiter unten wird durch eine umfangreiche Simulation<br />
belegt, dass ohne die Bündelungsfunktion<br />
der Hubs die vielen Wirtschafts- und Siedlungszentren<br />
in <strong>Deutschland</strong> nur sehr eingeschränkt Anschluss<br />
an die Zentren und Wachstumsmotoren<br />
dieser Welt erhalten könnten. Die sehr hohe Konnektivität<br />
an den Hubs erfüllt also eine doppelte<br />
Funktion: Sie sichert die Zukunftsfähigkeit der<br />
Hub-Standorte und sie ist unabdingbare Voraussetzung<br />
zur globalen Vernetzung der dezentralen<br />
deutschen Flughäfen.<br />
Ökonomisch hat diese Stärke für die Marktteilnehmer<br />
am deutschen Luftverkehrsmarkt wichtige<br />
Konsequenzen:<br />
■ Die Zahlungsbereitschaft umsteigender<br />
Passagiere ist typischerweise geringer als<br />
diejenige von originären Passagieren. Die<br />
Effizienz von Umsteigesystemen muss also<br />
deutlich besser sein als diejenige von vorrangig<br />
auf Originäraufkommen konzentrierten<br />
Systemen. Lediglich gleiche Kosteneffizienz<br />
wäre nicht wettbewerbsfähig. Angesichts<br />
der hohen Abhängigkeit vom Umsteigeverkehr<br />
ist die gesamte deutsche Luftverkehrs-<br />
Wertschöpfungskette <strong>des</strong>halb einem beson-<br />
20 30 40<br />
Abb. 4: Wettbewerbsfähige Umsteigeverbindungen pro Woche (in Tsd.) an wichtigen europäischen Hubs<br />
Quelle: OAG, airconomy; Stand: Sommer 2007<br />
10<br />
18<br />
20<br />
28<br />
34<br />
39<br />
50<br />
50
96<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
ders hohen Kosten- und Effizienzdruck<br />
ausgesetzt.<br />
■ Der Wettbewerb um Umsteigepassagiere ist<br />
größer als derjenige um Originäraufkommen,<br />
da auf nahezu allen Umsteigemärkten die<br />
Wahl zwischen mehreren Umsteigemöglichkeiten<br />
besteht. Für den Flug von Hamburg<br />
nach Istanbul gibt es beispielsweise insgesamt<br />
9 qualifizierte Reisewege.<br />
2.2 Effizienz <strong>des</strong> Gesamtsystems<br />
Diese Leistungsstärke beruht auf einem effizienten<br />
Gesamtsystem mit sehr hohen Synergien<br />
zwischen den Flughäfen und den beiden Hubs<br />
in <strong>Deutschland</strong><br />
Die heutige Stärke <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems<br />
im internationalen Wettbewerb um Umsteigeverkehre<br />
hängt vor allem von vier Faktoren ab:<br />
■ Einem exzellenten Zusammenspiel zwischen<br />
den beiden deutschen Hubs und den anderen<br />
internationalen Flughäfen in den vielen Wirtschaftsregionen<br />
<strong>Deutschland</strong>s, zusammen mit<br />
den Netzarchitekturen der in <strong>Deutschland</strong><br />
ansässigen Linien-, Ferien- und Low-Cost-<br />
Fluggesellschaften;<br />
■ Einer intensiven Vernetzung der deutschen<br />
Flughäfen und Fluggesellschaften mit anderen<br />
Flughäfen und Fluggesellschaften in<br />
Europa und dem Rest der Welt;<br />
■ Höchster Effizienz aller Prozesse, die von<br />
umsteigenden Passagieren und ihrem Gepäck<br />
sowie den an Umsteigeverbindungen beteiligten<br />
Flugzeugen (Priorisierung der Anflugreihenfolge,<br />
Gatebelegung etc.) durchlaufen<br />
werden;<br />
■ Wettbewerbsfähigen Preisen.<br />
Bewertung der Synergien aus dem Zusammenspiel<br />
der deutschen Hubs und der internationalen Flughäfen:<br />
Eine korrekte Einschätzung der Synergieeffekte aus<br />
dem Verbund der internationalen Flughäfen in<br />
<strong>Deutschland</strong> mit den beiden Hubs in Frankfurt und<br />
München ist von erheblicher Bedeutung, um in<br />
der weiteren Entwicklung und Stärkung dieses Verbundsystems<br />
die richtigen Schwerpunkte setzen zu<br />
können, Fehlallokation von Mitteln zu vermeiden<br />
und um die Folgewirkungen möglicher Gefährdungen<br />
der Synergie-Effekte frühzeitig und realistisch<br />
einschätzen zu können.<br />
Die internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong><br />
bedienen heute schon aus sehr vernünftigen Gründen<br />
andere europäische Hubs. Auch beispielsweise<br />
Lufthansa fliegt „Punkt-zu-Punkt“ von z.B. Hamburg<br />
nach London oder Paris. Und selbstverständlich<br />
gibt es eine Vielzahl sehr wohl begründeter<br />
Nonstop-Verbindungen, sowohl innerdeutsch als<br />
auch zwischen deutschen und anderen europäischen<br />
Flughäfen. Tatsächlich versucht z.B. Air<br />
France in Paris Charles de Gaulle, Umsteigeverbindungen<br />
zwischen Kurzstrecken zu verhindern,<br />
indem für derartige Verbindungen die Min<strong>des</strong>t-<br />
Umsteigezeiten flugplantechnisch unterschritten<br />
werden und fördert auf diese Weise dezentrale<br />
Flüge „an Paris Charles de Gaulle vorbei“. Damit<br />
will Air France vermeiden, dass ökonomisch grenzwertige<br />
und auch ökologisch angreifbare Kurzstrecken-Umsteigeverbindungen<br />
hochwertige Slots<br />
blockieren. Hinzu kommt, dass der Flughafen<br />
Charles de Gaulle intermodal v.a. auch mit dem<br />
Hochgeschwindigkeitszug TGV sehr gut angebunden<br />
ist und so für Kurzstreckenverbindungen<br />
zunehmend attraktive Alternativen für die Reisenden<br />
bestehen. Die Frage nach den Verbundsynergien<br />
zwischen den internationalen Flughäfen in<br />
<strong>Deutschland</strong> und Frankfurt bzw. München untersucht<br />
also die optimale Balance zwischen nachfrage-<br />
und wettbewerbsgerechten dezentralen Flügen<br />
einerseits und den ebenso begründeten Verbindungen<br />
über die beiden deutschen Hubs andererseits.<br />
Es soll weder das eine noch das andere in Frage<br />
gestellt, sondern vielmehr der allseitige Nutzen und<br />
die optimale Lage der Balance festgestellt werden.<br />
Wie groß sind die Synergieeffekte aus dem Verbund<br />
der internationalen Flughäfen und der Hubs<br />
in Frankfurt und München? Wie groß ist der Nutzen<br />
für die dezentralen Flughäfen und die beiden<br />
Hubs in <strong>Deutschland</strong>? Wie viele Verbindungen von<br />
den internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong><br />
können nur durch die beiden Hubs, aber nicht,<br />
beispielsweise, durch andere europäische Hubs<br />
dargestellt werden? Die Methode der Wahl zur<br />
Beantwortung dieser Frage besteht in einer Simulation<br />
eines Szenarios, in welchem all diejenigen<br />
Flüge, die heute aus den internationalen Flughäfen
in <strong>Deutschland</strong> nach Frankfurt oder München<br />
fliegen, in einem konstruierten Szenario statt<strong>des</strong>sen<br />
direkt nach London Heathrow, Amsterdam, Paris<br />
Charles de Gaulle oder Dubai fliegen und dort<br />
Umsteigeverbindungen in die Welt aufbauen. 9 Wie<br />
viele Umsteigeverbindungen bleiben für die Flughäfen<br />
in der deutschen Fläche bestehen? Wie viele<br />
entstehen zusätzlich an den Alternativ-Hubs? Wie<br />
viele gingen verloren? Was würde ein solches<br />
Szenario im Ergebnis für die Zukunftsfähigkeit der<br />
beiden deutschen Hubs bedeuten?<br />
Die deutschen Flughäfen und Fluggesellschaften<br />
sind selbstverständlich nicht nur untereinander<br />
intensiv vernetzt, sondern min<strong>des</strong>tens genauso mit<br />
Flughäfen anderswo in Europa. Für das Netz z.B.<br />
der Lufthansa ist solch eine europa- und sogar<br />
weltweite Vernetzung ohne Alternative. Wenn in<br />
diesem Bericht aber die Synergieeffekte der deutschen<br />
Flughäfen als Verbundsystem im Vordergrund<br />
stehen und als solches Verbundsystem für<br />
die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> bewertet werden, dann stellt<br />
dies keine Schmälerung der Bedeutung der Vernetzungseffekte<br />
deutscher Marktteilnehmer in Europa<br />
oder dem Rest der Welt dar, sondern resultiert<br />
allein aus dem Untersuchungsgegenstand dieses<br />
Berichtes.<br />
In einem Computermodell wurden <strong>des</strong>halb alle<br />
insgesamt 3.304 wöchentlichen Flüge 10 aller internationalen<br />
Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> nach Frankfurt<br />
und München Schritt für Schritt von Frankfurt<br />
und München abgekoppelt und statt<strong>des</strong>sen nach<br />
London Heathrow, Amsterdam, Paris Charles de<br />
Gaulle oder Dubai umgeleitet. 11 Auf diese Weise<br />
konnten die Auswirkungen dieser Verkehrs-<br />
Umsteuerung sowohl für die internationalen Flughäfen<br />
in <strong>Deutschland</strong>, für Frankfurt und München,<br />
und schließlich auch für London Heathrow,<br />
Amsterdam, Paris Charles de Gaulle und Dubai<br />
quantitativ bewertet werden (Es wurde nicht unter-<br />
sucht, ob und in welchem Maß die geschilderten<br />
„Umleitungen“ durch zeitlich nachgelagerte Reaktionen<br />
anderer Verkehrsträger (Bahn, Flughäfen<br />
oder Fluggesellschaften) die gezeigten Effekte<br />
möglicherweise noch verstärkt oder auch gemildert<br />
werden könnten.). Die Methodik der Simulation<br />
wird im Kasten auf Seite 105 genauer dargestellt.<br />
Die Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> hängen unaustauschbar<br />
mit einem Viertel ihres Angebotes an<br />
den Hubs in Frankfurt und München. Diese hängen<br />
mit drei Vierteln ihres Angebotes an der<br />
Zuführung von Flügen und somit Passagieren<br />
durch die anderen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Die Ergebnisse der Simulation zeigen:<br />
III. Schlussfolgerungen 97<br />
■ Rund drei Viertel (76%) aller Umsteigeverbindungen,<br />
die heute aus den untersuchten<br />
internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong><br />
über Frankfurt oder München angeboten<br />
werden, blieben auch dann erhalten, wenn<br />
diese statt<strong>des</strong>sen Alternativ-Hubs benutzen<br />
würden. Diese Verbindungen sind nicht<br />
abhängig von Frankfurt oder München und<br />
können ohne Einbußen an Verbindungsgüte<br />
oder -vielfalt substituiert werden. Allerdings<br />
könnten für rund ein Viertel aller heute angebotenen<br />
und nachgefragten Verbindungen<br />
aus den untersuchten internationalen Flughäfen<br />
in <strong>Deutschland</strong> keine gleichwertigen<br />
Verbindungen über die genannten Alternativ-<br />
Hubs generiert werden und könnten somit<br />
nicht mehr angeboten werden.<br />
■ Ohne die vielen Flüge aus den internationalen<br />
Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> (die in der Simulation<br />
zu den Alternativ-Hubs umgeleitet wurden)<br />
würden die beiden Hubs in Frankfurt<br />
und München allerdings um die Hälfte<br />
(optimistische Annahmen 12 ) bis zu drei Viertel<br />
(realistische Annahmen) <strong>des</strong> Ausgangswertes<br />
implodieren.<br />
9 Ein solches Szenario ist weder realistisch noch empfehlenswert. Es wird hier lediglich als Maßstab benutzt, um die Stärke <strong>des</strong><br />
bestehenden Verbundsystems im Sinne von Opportunitätskosten gegenüber einem Szenario ohne diesen Verbundcharakter<br />
bemessen zu können.<br />
10 Basis: OAG Flugplan für die Woche vom 17. bis 23.09.2007.<br />
11 Um den Netto-Effekt umfangreicher Flugplanänderungen zu analysieren, müssen alle anderen Rahmenbedingungen im Laufe<br />
der Simulation konstant gehalten werden. Es darf also insbesondere nicht unterstellt werden, dass zusätzlich zu den umgesteuerten<br />
Flügen auch Ticketpreise geändert werden oder sich die Nachfrage nach bestimmten Verbindungen verändert.
98<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
■ Die begünstigten Wettbewerberflughäfen<br />
London Heathrow, Amsterdam, Paris Charles<br />
de Gaulle und Dubai könnten, bereichert<br />
um eine Vielzahl von Zubringerflügen aus<br />
<strong>Deutschland</strong>, eine erhebliche Ausweitung<br />
ihres Verbindungsportfolios erwarten. 13<br />
Im Kern belegt diese Simulation das hoch synergetische<br />
Wechselspiel zwischen den beiden deutschen<br />
Hubs, den dezentralen Flughäfen und den<br />
Fluggesellschaften in <strong>Deutschland</strong>. Die Ergebnisse<br />
zeigen insbesondere den Nutzen, den die beiden<br />
Hubs Frankfurt und München zur Sicherstellung<br />
eines zukunftsfähigen und nachfragegerechten<br />
Flugangebotes aus den dezentralen internationalen<br />
Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> darstellen. Die<br />
polyzentrische Wirtschafts- und Siedlungsstruktur<br />
in <strong>Deutschland</strong> erfordert große und zentrale<br />
Luftverkehrsdrehkreuze, um den Privat- und<br />
Geschäftsreisenden aus der gesamten deutschen<br />
Fläche ein zukunftsfähiges Luftverkehrsangebot<br />
in der erforderlichen Dichte und Breite anbieten<br />
zu können.<br />
Der Mehrwert dieses Verbundsystems für die<br />
Angebotsdichte und -vielfalt an allen deutschen<br />
Flughäfen, auch und insbesondere an den kleinen<br />
Flughäfen, kann kaum unterschätzt werden. Die<br />
Simulationsergebnisse zeigen sehr klar: Die beiden<br />
deutschen Hubs stellen den idealen Hebel dar, um<br />
für alle Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> eine nachfragegerechte<br />
Zahl von Verbindungen in alle Welt<br />
sicherzustellen. Diese Funktion kann, so zeigen<br />
die Simulationsergebnisse außerdem, nicht durch<br />
andere Drehkreuze außerhalb <strong>Deutschland</strong>s<br />
ersetzt werden. Für Fluggäste aus <strong>Deutschland</strong><br />
gibt es zu dem Verbundsystem der beiden Hubs<br />
und dezentralen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> keine<br />
zukunftsfähige Alternative. Weder können Frank-<br />
furt oder München ersetzt werden durch andere,<br />
nur scheinbar alternative Umsteigeflughäfen,<br />
noch können die beiden deutschen Hubs auf die<br />
Zufütterung von Verkehrsaufkommen durch die<br />
anderen internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong><br />
verzichten.<br />
Die Synergien <strong>des</strong> Verbundsystems der Flughäfen<br />
und Hubs in <strong>Deutschland</strong> sichern Arbeitsplätze<br />
Durch direkte, indirekte, induzierte und katalytische<br />
Effekte <strong>des</strong> Luftverkehrs entstehen eine<br />
große Zahl von Arbeitsplätzen, sowohl bei Luftverkehrsunternehmen<br />
selbst als auch bei den<br />
Unternehmen, die auf Luftverkehr angewiesen<br />
sind. Dieser enge Zusammenhang gilt für die<br />
internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> wie<br />
auch für die beiden Hubs. Die Größenordnung<br />
dieses Arbeitsplatzeffektes kann abgeschätzt werden,<br />
wenn man sich beispielsweise vor Augen<br />
hält, dass der Ausbau <strong>des</strong> Frankfurter Flughafens<br />
etwa 100.000 zusätzliche Arbeitsplätze insgesamt<br />
erwarten lässt. 14<br />
Die herausragende Bedeutung eines starken Luftverkehrs<br />
für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung<br />
ist wissenschaftlich gut untersucht, fundiert und<br />
vielfach beschrieben. Die wichtigsten Ergebnisse:<br />
■ Weltweit werden pro 1Mio. abgefertigte<br />
Passagiere im Schnitt fast 950 Mitarbeiter<br />
direkt beschäftigt. 15<br />
■ Durch indirekte und induzierte Effekte werden<br />
pro 1Mio. abgefertigte Passagiere im Schnitt<br />
rund 2Tsd. weitere Arbeitsplätze geschaffen. 16<br />
■ Aus den katalytischen Wirkungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
resultieren zusätzlich Beschäftigungseffekte,<br />
die sich umgerechnet auf<br />
ca. 1.800 Beschäftigte pro 1Mio. Passagiere<br />
12 Optimistische Annahme: Die Flüge aus Frankfurt oder München hinaus können aufrecht erhalten werden, auch wenn die<br />
Zubringerflüge aus internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> nicht mehr zufüttern. Realistische Annahme: Flüge aus Frankfurt<br />
oder München hinaus müssen dann gestrichen werden, wenn die Zufütterung umsteigender Passagiere durch umgesteuerte<br />
Flüge aus den internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> Min<strong>des</strong>tschwellenwerte unterschreitet.<br />
13 Zu realisieren wäre diese Ausweitung an den Wettbewerberhubs allerdings nur unter der Annahme entweder infrastruktureller<br />
Ausweitungen, <strong>des</strong> Einsatzes größerer Flugzeuge oder einer Kombination beider Hebel, die oftmals an politischen bzw. physiogeographischen<br />
Randbedingungen scheitern würden.<br />
14 Quelle: http://www.ausbau.fraport.de/cms/default/rubrik/5/5828.arbeitsplaetze.htm.<br />
15 Vgl. Airport Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004): The social and economic impact of airports in Europe,<br />
Brüssel, S.8.
eziffern lassen. 17 Der Weltluftverkehrsverband<br />
IATA hat in diesem Zusammenhang<br />
festgestellt, dass für die untersuchten europäischen<br />
Flughäfen ein 10%-iger Anstieg der<br />
Konnektivität an einem Hub das BIP <strong>des</strong><br />
entsprechenden Standortes langfristig um<br />
1,1% anheben kann. 18<br />
Dieser Hinweis auf die beschäftigungspolitische<br />
Hebelwirkung <strong>des</strong> Luftverkehrs ist vor dem Hintergrund<br />
der aufgezeigten Synergieeffekte <strong>des</strong><br />
Verbundsystems <strong>des</strong>halb von erheblichem Belang,<br />
da sich jede Schwächung der Verbundsynergien<br />
spürbar auf die Beschäftigungslage auswirken<br />
dürfte. Auch wenn der beschäftigungspolitische<br />
Effekt der Verbundsynergien nicht exakt zu beziffern<br />
ist, kann an den negativen Folgen für die<br />
Arbeitsplätze in Luftverkehrsunternehmen wie<br />
auch in Unternehmen, die auf einen leistungsstarken<br />
Luftverkehr angewiesen sind, kein Zweifel<br />
bestehen:<br />
Eine Verwässerung der Verbundeffekte hätte nicht<br />
nur unmittelbare Konsequenzen für Passagiere und<br />
die betroffenen Flughäfen. Die deutsche Exportwirtschaft<br />
hängt elementar an der Leistungsfähigkeit<br />
eines weltweit und dicht geknüpften Flugnetzes,<br />
sowohl für Passage als auch für Fracht. Jede<br />
Verschlechterung dieser Vernetzung schwächt nicht<br />
nur den deutschen Luftverkehr, sondern schlägt<br />
ungebremst auf die logistische Vernetzung und<br />
Vernetzbarkeit der international ausgerichteten<br />
deutschen Wirtschaft insgesamt durch.<br />
Eine hinreichende Luftverkehrsanbindung als<br />
Standortfaktor für Investitions- und Standortentscheidungen<br />
international ausgerichteter Unternehmen<br />
spielt eine zentrale Rolle hinsichtlich der<br />
zukünftigen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der deutschen<br />
Volkswirtschaft. Im internationalen Wettbewerb<br />
der Regionen wird die effiziente Nutzung der<br />
III. Schlussfolgerungen 99<br />
regionalen Ressourcen von entscheidender Bedeutung<br />
sein. So könnte eine unzureichende Luftverkehrsanbindung<br />
<strong>Deutschland</strong>s und seiner Teilräume<br />
zukünftig zum limitierenden Faktor der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>s und seiner Teilräume<br />
werden. Mit entsprechend negativen Konsequenzen<br />
wäre zu rechnen. Zu einer vertieften Darstellung<br />
der volkswirtschaftlichen Effekte <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
in <strong>Deutschland</strong> sei auf das entsprechende<br />
Kapitel III.3 verwiesen.<br />
Ein Aspekt verdient besondere Beachtung: Der Verfall<br />
der Angebotsbreite an den Hubs ist sehr viel<br />
stärker ausgeprägt als an den anderen internationalen<br />
Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>. Die Ursachen<br />
hierzu als auch die Folgen erfordern eine eingehende<br />
Erörterung:<br />
Die Folgen:<br />
Ein einmal eingetretener Verfall der Angebotsbreite<br />
als Folge einer Umsteuerung der Verkehre an den<br />
beiden deutschen Hubs vorbei wird sehr schnell<br />
irreversibel, da sich ein scheinbar begrenzter Schaden<br />
für eine punktuelle originäre Nachfrage an<br />
den Hubs sehr viel schneller und sehr viel stärker<br />
bemerkbar macht. 19 Die Konsequenzen für die<br />
Leistungsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft<br />
und die stabile Sicherheit der vom Luftverkehr<br />
direkt oder indirekt abhängigen Arbeitsplätze<br />
wären evident.<br />
Die Ursachen:<br />
Zwei Effekte sind zu unterscheiden: Für die Erosion<br />
der Angebotsbreite an den dezentralen Flughäfen<br />
sind schlichtweg die zunehmenden Umwege und<br />
damit Verlust der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> vieler<br />
Verbindungen verantwortlich. Für den vergleichsweise<br />
deutlicheren Verfall der Angebotsbreite an<br />
den Hubs sind komplizierte, aber in ihrer Wirkung<br />
sehr starke Hebelwirkungen der miteinander verknüpften<br />
Flüge an Hubs verantwortlich.<br />
16 Vgl. Airport Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004), a.a.O., S.9.<br />
17 Vgl. Airports Council International (ACI) Europe (1998), a.a.O., S.2.<br />
18 International Air Transport Association (IATA) (2006): Airline Network Benefits – Measuring the additional benefits generated by<br />
airline networks for economic development. IATA Economics Briefing No.3.<br />
19 Es sei an dieser Stelle betont, dass verlorene Marktanteile an den Hubs zwar durch Kampfpreise teilweise ausgeglichen werden<br />
können. Diesen Effekt zu simulieren würde aber bedeuten, nicht mehr Synergien in Form von Verbundeffekten zu untersuchen,<br />
sondern die Folgen von Preiskriegen. Dies ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. In dieser Untersuchung müssen Kapazitäts-<br />
und Preiseffekte strikt auseinandergehalten werden.
100<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Im Einzelnen:<br />
Die Passagiere an den dezentralen Flughäfen<br />
verlieren Angebotsbreite, weil sie<br />
größere Umwege und damit Reisezeiten<br />
in Kauf nehmen müssen, wenn sie auf<br />
Frankfurt oder München als Drehkreuz<br />
verzichten müssen. Vor allem Frankfurt<br />
ist verkehrsgeographisch ideal gelegen<br />
und sehr gut an das Straßen- und Schienennetz<br />
angebunden, um nahezu der<br />
gesamten in <strong>Deutschland</strong> entstehenden<br />
Flugnachfrage optimale Wegeführung<br />
anbieten zu können. München ist – aus<br />
verkehrsgeografischer Sicht – nicht ganz<br />
so ideal gelegen wie Frankfurt, aber<br />
immer noch deutlich günstiger als weiter<br />
entfernte Umsteigepunkte außerhalb<br />
<strong>Deutschland</strong>s. In Abbildung 5 wird dies<br />
beispielhaft am Markt Leipzig–Schanghai<br />
(LEJ–PVG) dargestellt: Der Weg<br />
über München stellt einen (im Vergleich<br />
zu einem hypothetischen Direktflug)<br />
Umweg von 566 km dar, derjenige über<br />
Amsterdam bereits von 889km. Der<br />
Flug über Dubai (DXB) würde einem<br />
Umweg von 2.535km entsprechen.<br />
Werden alle heute aus <strong>Deutschland</strong><br />
heraus angebotenen Städtepaare weltweit<br />
betrachtet und werden diese Städtepaare<br />
modell-analytisch gezwungen,<br />
über Frankfurt, München, Amsterdam,<br />
Paris Charles de Gaulle oder London<br />
Heathrow zu fliegen, dann bestätigt<br />
auch diese Analyse die verkehrsgeografisch<br />
überlegene Lage der beiden deutschen<br />
Hubs für alle deutschen Umsteigeverkehre<br />
[Abb. 5 und 6].<br />
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile:<br />
Der im Vergleich sehr viel heftigere Verfall der<br />
Angebotsbreite an den beiden deutschen Hubs<br />
als Folge einer Umsteuerung zu Wettbewerber-<br />
Hubs liegt an einem höchst wirksamen Hebeleffekt<br />
(Abbildung 7): Angenommen, eine kleine<br />
Fluggesellschaft hat genau ein Flugzeug und<br />
bedient damit an einem kleinen Flughafen einen<br />
Umweg via Amsterdam (889 km)<br />
Umwege* (in km)<br />
3.000<br />
2.500<br />
2.000<br />
1.500<br />
1.000<br />
500<br />
0<br />
London<br />
Heathrow<br />
Leipzig (LEJ)<br />
Umweg via München (566 km)<br />
Schanghai (PVG)<br />
Paris Amsterdam Frankfurt<br />
Charles<br />
de Gaulle<br />
Hin- und Rückflug zu einem Ziel pro Tag, dann könnte<br />
diese Fluggesellschaft mit dieser Ausstattung<br />
also genau eine Umsteigeverbindung generieren.<br />
Mit einem weiteren Flugzeug könnte diese Modell-<br />
Fluggesellschaft schon vier Verbindungen erzeugen,<br />
mit drei Flugzeugen bereits neun. Der Zusammenhang<br />
zwischen der Anzahl der ankommenden<br />
Flüge und der Anzahl der möglichen Verbindungen<br />
ist also exponentiell. Dieser exponentielle Zusammenhang<br />
wirkt nicht nur positiv. Der Satz „Verkehr<br />
treibt Verkehr“ gilt nämlich auch andersherum:<br />
20 Eine Gewichtung der betrachteten Umsteigemärkte nach Kapazitäten und Frequenzen auf den betrachteten Umsteigemärkten<br />
führt zu anderen Zahlenwerten, aber dem gleichen Ergebnisbild und gleichen Schlussfolgerungen.<br />
2.535<br />
Dubai<br />
1.579<br />
1.462<br />
889<br />
614<br />
566<br />
München<br />
Abb. 5: Logik geringer Umwege aus deutschen Flughäfen am Beispiel<br />
<strong>des</strong> Marktes Leipzig–Schanghai<br />
Quelle: airconomy.*Verglichen mit der direkten Großkreisentfernung<br />
LEJ–PVG
Umwege (in km)<br />
4.000<br />
3.000<br />
2.000<br />
1.000<br />
0<br />
1.210<br />
Frankfurt<br />
1.831<br />
2.171<br />
3.121<br />
München Amsterdam Paris<br />
Charles<br />
de Gaulle<br />
4.131<br />
London<br />
Heathrow<br />
Abb.6: Verkehrsgeografische Güte der europäischen Hubs, gemessen<br />
am jeweils notwendigen Umweg zur Bedienung aller aus <strong>Deutschland</strong><br />
erreichbaren Umsteigemärkte 20<br />
Quelle: airconomy<br />
Abflüge<br />
Ankünfte<br />
Abflüge<br />
Ankünfte<br />
Abflüge<br />
Ankünfte<br />
Ankünfte<br />
1<br />
Verbindungen<br />
1<br />
2 4<br />
3 9<br />
Abb. 7: Die Zahl der möglichen Verbindungen an einem Flughafen steigt<br />
überproportional zur Zahl der zugrunde liegenden Flugbewegungen<br />
Quelle: airconomy<br />
III. Schlussfolgerungen 101<br />
Jeder abgekoppelte Flug in Frankfurt<br />
oder München zerstört eine Vielzahl<br />
vorher möglicher Verbindungsmöglichkeiten.<br />
Aufstieg und Fall eines Hubs<br />
gehorchen nicht einfachen „je-<strong>des</strong>to“,<br />
sondern gehebelten „je-<strong>des</strong>to überproportional“<br />
Gesetzen. [Abb. 7]<br />
Die Passagiere honorieren die größere<br />
Angebotsbreite der Hubs (Abbildung 8)<br />
mit weit überproportionaler Bevorzugung<br />
großer Hubs: Die Anzahl der Umsteigepassagiere<br />
an den europäischen<br />
Flughäfen steigt exponentiell mit der<br />
Anzahl der Flugbewegungen an den<br />
jeweiligen Flughäfen. Eine Verdopplung<br />
der Anzahl der Flugbewegungen an<br />
einem Flughafen geht in Europa im<br />
Schnitt einher mit einer mehr als Versechsfachung<br />
der Zahl der Umsteigepassagiere<br />
am gleichen Flughafen. Das<br />
Ganze ist bedeutend mehr als die Summe<br />
seiner Teile. Im Ergebnis erhalten<br />
größere Flughäfen also einen weitaus<br />
größeren Anteil am Markt der Umsteigepassagiere,<br />
als ihnen nach Kapazitätsanteil<br />
zusteht. Mit anderen Worten: Das<br />
Wachstum der großen Hubs verstärkt<br />
sich selbst. [Abb. 8; umseitig]<br />
Dieser „Hub-Effekt“, also die überproportionale<br />
Bevorzugung großer Hubs<br />
durch Umsteigepassagiere, hat fundamentale<br />
Bedeutung für die Strategien<br />
von Hub-Flughäfen und Netzwerkfluggesellschaften<br />
gleichermaßen:<br />
Der Hub-Effekt gestattet keinen Gleichgewichtspunkt,<br />
keine strategische Position<br />
der Stabilität. Ab einem bestimmten<br />
Schwellenwert, der im Jahr 2006 ungefähr<br />
bei 7Tsd. wöchentlichen Flugbewegungen<br />
lag, beschert der Hub-Effekt<br />
einem Flughafen mit jedem zusätzlichen<br />
Flug eine überproportional ansteigende<br />
Zahl an Umsteigepassagieren. Unterhalb<br />
dieses Schwellenwertes ist der Effekt<br />
genau andersherum, weil der überproportionale<br />
Anteil der Hubs am Markt der<br />
Umsteigepassagiere unweigerlich zu<br />
Lasten der kleineren Flughäfen unter-
102<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
halb dieses Schwellenwertes geht. Die Position in<br />
der Nähe dieses Schwellenwertes ist also sehr<br />
instabil, weil der Hub-Effekt immer entweder pro<br />
oder contra arbeitet und dadurch strategisches<br />
Niemandsland in der Nähe der Schwelle erzeugt.<br />
Es erfordert also große Kraftanstrengungen (sprich:<br />
Investitionen) und langen Atem, um auch einen<br />
großen Flughafen gegen die Kraft <strong>des</strong> Hub-Effekts<br />
über diese Schwelle zu heben und zu einem tatsächlichen<br />
Hub werden zu lassen. Jenseits dieser<br />
Schwelle wird Wachstum dann wieder deutlich<br />
leichter, da der Hub-Effekt nun schiebt anstatt zu<br />
bremsen. Der Flughafen Mailand Malpensa ist<br />
jüngst an eben dieser Schwelle gescheitert: Die<br />
Investitionen allein schon für den – letztendlich<br />
erfolglosen – Versuch, diesen Flughafen über die<br />
„Hub-Schwelle“ zu heben, haben zur Krise der<br />
Alitalia erheblich beigetragen. Die einzigen Hubs,<br />
denen es in den vergangenen 20 Jahren gelungen<br />
Verdopplung<br />
= Faktor 6<br />
Anzahl Umsteiger<br />
[in Tsd.] p.a.<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
CPH<br />
ZRH VIE<br />
ATH MXP<br />
LGW<br />
HEL OSL<br />
BRU DUS<br />
ist, diese Hürde zu nehmen, sind München und<br />
Madrid. Genauso, wie der Hub-Effekt es schwer<br />
macht, die Schwelle in die Hub-Liga zu überschreiten,<br />
schützt derselbe Effekt die Hubs davor, in die<br />
Nähe der Schwelle abzurutschen. Es hat in Europa<br />
bisher keinen Fall eines Herausfallens aus der Top-<br />
Liga der europäischen Hubs gegeben. 21<br />
Ein großer Hub ist stärker als zwei Hubs der jeweils<br />
halben Größe (x 2 > 2(x/2) 2 ). Das bedeutet, dass<br />
Netzwerkfluggesellschaften grundsätzlich wenige,<br />
aber dafür größere Hubs bevorzugen. Ein weiteres<br />
Flugzeug für Lufthansa in Frankfurt oder München<br />
zeigt einen wesentlich stärkeren Wachstumsimpuls<br />
als die gleiche Kapazität an einem Nicht-Hub. Dies<br />
wiederum erklärt, weshalb auch eine große Zahl<br />
dezentraler Flughäfen strukturell und grundsätzlich<br />
die Angebotsbreite auch nur eines großen Hubs<br />
nicht ausgleichen können. <strong>Deutschland</strong> mit gleich<br />
0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000<br />
Verdopplung =<br />
Faktor 2<br />
Selbstverstärken<strong>des</strong><br />
Wachstum<br />
der großen<br />
Hubs<br />
Abb. 8: Verkehr treibt Verkehr: Die Anzahl der Umsteigepassagiere steigt überproportional zur Zahl der zugrunde liegenden<br />
Flugbewegungen<br />
Signifikanzniveau <strong>des</strong> Zusammenhangs: r 2 =0,93<br />
Quelle: Umsteigerdaten: ACI 2006, Flugbewegungen: OAG 2006 21 (Stand: Sommer 2007), Analyse: airconomy<br />
AMS<br />
MUC<br />
FRA<br />
LHR<br />
CDG<br />
MAD<br />
8<br />
12.000<br />
Anzahl Flugbewegungen<br />
pro Woche
zwei Hubs in der europäischen Hub-Liga ist damit<br />
für den internationalen Wettbewerb um Umsteigepassagiere<br />
ganz hervorragend aufgestellt. Das<br />
deutsche Verbundsystem hat aus einer schwierigen<br />
strategischen Ausgangslage – ein multizentrisches<br />
Wirtschaftssystem – einen überlegenen Wettbewerbsvorteil<br />
für das Segment der Umsteigeverkehre<br />
geschaffen.<br />
In Abbildung 8 ist erkennbar, dass einige Flughäfen<br />
und Hubs deutlich oberhalb der „exponentiellen<br />
Durchschnittsfunktion“ liegen, andere hingegen<br />
deutlich darunter. Dies kann zwei Ursachen haben:<br />
■ Zum Einen gelingt es einigen Flughäfen<br />
(z.B. Zürich), eine geringe Anzahl von Flugbewegungen<br />
auszugleichen durch konnektivitäts-förderliche<br />
Flugplanstrukturen. Anderen,<br />
z.B. Madrid, gelingt das zumin<strong>des</strong>t<br />
(noch) nicht im gleichen Maß.<br />
■ Zum Anderen ist auch die Größe der eingesetzten<br />
Flugzeuge entscheidend: Auch bei<br />
sehr guter Konnektivität können nicht mehr<br />
Passagiere umsteigen, als die Flugzeuge Platz<br />
bieten. Insofern erklärt sich das hohe Umsteigevolumen<br />
von London Heathrow eher aus<br />
der sehr großen Durchschnittsgröße der<br />
eingesetzten Flugzeuge. Gleichzeitig zeigt<br />
sich das Entwicklungspotenzial von München<br />
durch den Einsatz größerer Flugzeuge.<br />
Die beiden deutschen Hubs nehmen europäische<br />
Spitzenpositionen ein, und der Verbund der deutschen<br />
Hubs, der deutschen internationalen Flughäfen<br />
und Fluggesellschaften funktioniert ausgezeichnet:<br />
Dies darf jedoch nicht den Blick darauf<br />
verstellen, dass dies eine Strategie ohne Auffangnetz<br />
ist: In <strong>Deutschland</strong> gibt es keine Hubs mit<br />
Einzugsgebieten der Mächtigkeit von London oder<br />
Paris mit ihren sehr großen Volumina an Originärnachfrage,<br />
die starken Luftverkehr auch dann<br />
tragen können, wenn Umsteigeverkehre einmal<br />
abschmelzen sollten.<br />
Die Stärke <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems im<br />
Umsteigesegment ist gleichzeitig seine Achillesferse.<br />
Der deutsche Luftverkehrsmarkt ist strategisch leicht<br />
III. Schlussfolgerungen 103<br />
verwundbar, falls die Voraussetzungen zu fairem<br />
und infrastrukturell angemessen ausgestattetem<br />
Wettbewerb mit anderen europäischen oder globalen<br />
Konkurrenten nicht mehr erfüllt werden. In<br />
diesem Wettbewerb aber ist der deutsche Markt<br />
wegen seines relativen Mangels an Originärnachfrage<br />
an den Hub-Standorten deutlich größerer Fallhöhe<br />
ausgesetzt als seine Wettbewerber mit starkem<br />
Originäraufkommen. <strong>Deutschland</strong> hat ein sehr viel<br />
stärker ausgeprägtes Interesse an global fairen<br />
Wettbewerbsbedingungen im Luftverkehr und an<br />
erstklassiger Infrastruktur als seine Wettbewerber.<br />
2.3 Transfer-Effizienz<br />
Bewertung der Transfer-Effizienz deutscher Flughäfen<br />
und Hubs im europäischen Wettbewerb:<br />
Eine detaillierte Analyse der jährlichen Entwicklung<br />
der Umsteige-Volumina auf europäischen Flughäfen<br />
zeigt, dass die Zahl zusätzlicher Flugbewegungen<br />
prozentual stärker gestiegen ist als die Zahl zusätzlicher<br />
Umsteigepassagiere. Dies bedeutet, dass die<br />
Zahl der umsteigenden Passagiere pro Flugbewegung<br />
stetig sinkt. Die Transfer-Effizienz erodiert also.<br />
Hierfür gibt es drei mögliche Erklärungen:<br />
■ Der Wettbewerb um Umsteigepassagiere<br />
nimmt zu.<br />
■ Begrenzte Infrastrukturkapazitäten (am<br />
Boden wie in der Luft) wirken sich zunehmend<br />
restriktiv aus.<br />
■ Die Zunahme von Punkt-zu-Punkt-Verkehren<br />
kann den Hubs ehemals umsteigende<br />
Passagiere entziehen.<br />
In allen drei Fällen sind die Schlussfolgerungen aber<br />
die gleichen: Das Luftverkehrssystem in <strong>Deutschland</strong><br />
muss im Wettbewerb um Umsteigepassagiere<br />
in Europa immer führend sein und muss dauerhaft<br />
und zukunftsfähig alle operativen, regulativen<br />
und infrastrukturellen Voraussetzungen erfüllen<br />
können.<br />
Werden die europäischen Hubs untereinander<br />
hinsichtlich ihrer Transfer-Effizienz verglichen<br />
21 Die Flughäfen Zürich, Brüssel oder Mailand Malpensa haben zwar Rückschläge erlitten, waren aber nie in der Position der Top-<br />
Hubs mit selbstverstärkendem Wachstum (7Tsd. wöchentliche Flugbewegungen).
104<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
(gemessen als Umsteigepassagiere<br />
pro Flugbewegung),<br />
dann zeigen sich zwei bemerkenswerte<br />
Ergebnisse [Abb. 9]:<br />
Umsteigepassagiere<br />
pro Flugbewegung<br />
Es ist gleichzeitig zu beobachten, dass in Europa<br />
neue Strecken eher als Punkt-zu-Punkt-Verkehre<br />
und weniger über Hubs aufgelegt werden: Punktzu-Punkt-Strecken<br />
sind im Zeitraum 2002 bis<br />
2006 um 12,4% gewachsen, an Hubs andockende<br />
Strecken sind demgegenüber im gleichen Zeitraum<br />
um lediglich 8,6% gewachsen. Auch hier gibt es<br />
zwei mögliche Triebfedern für diese Beobachtung:<br />
70<br />
■ Der größte Zugewinn<br />
der Transfer-Effizienz ist<br />
auf dem Flughafen<br />
60<br />
FRA<br />
München zu beobachten.<br />
Auch wenn Mün-<br />
50<br />
LHR<br />
chen noch nicht die<br />
AMS<br />
Transfer-Effizienz der<br />
40<br />
MAD<br />
größeren Hubs erreicht<br />
CDG<br />
hat: Auf den mit konstanter<br />
Kapazität operierenden<br />
Hubs (Lon-<br />
30<br />
MUC<br />
don Heathrow, Amsterdam,<br />
Frankfurt) hat sich<br />
20<br />
die Umsteige-Effizienz<br />
kaum verbessert, in<br />
Amsterdam hat sie sich<br />
sogar verschlechtert.<br />
10<br />
2002 2003 2004 2005 2006<br />
Jahr<br />
■ In Frankfurt werden<br />
mehr Umsteigepassagiere<br />
pro Flugbewegung<br />
gezählt als an<br />
irgendeinem anderen<br />
Flughafen in Europa, aller-<br />
Abb. 9: Transfer-Effizienz europäischer Hubs<br />
Quelle: airconomy. Für Paris Charles de Gaulle liegen nur Werte für 2006 vor, der<br />
2006er Wert für Madrid ist auf Basis <strong>des</strong> 2007er-Wertes geschätzt.<br />
dings auf stagnierendem Niveau.<br />
■ Low-Cost-Fluggesellschaften vermeiden<br />
Hubs nach Möglichkeit. Das starke Wachstum<br />
der LCC in den vergangenen Jahren<br />
schlägt sich von daher klar in einem starken<br />
Wachstum dezentraler Strecken nieder.<br />
■ Begrenzte Infrastrukturkapazitäten an den<br />
Hubs in Europa erzeugen Ausweichbewegungen<br />
hin zu dezentralen Strecken.<br />
22 An anderen Stellen in diesem Bericht wird standardmäßig eine Juli-Woche aus den Jahren 2002, 2004, 2006 oder 2007 herangezogen.<br />
Aus technischen Gründen wurde für diese Simulation die beschriebene September-Woche ausgewählt. Diese Woche<br />
ist min<strong>des</strong>tens ebenso repräsentativ für das untersuchte Verkehrsgeschehen wie eine Woche im Juli.<br />
23 Anzahl durchschnittlicher Anschlüsse pro Tag Leipzig–Frankfurt in Frankfurt: 21. Vergleichswert für Leipzig–München: durchschnittlich<br />
13, maximal 17 Anschlussmöglichkeiten.<br />
24 Flüge von Frankfurt bzw. München wurden in der Simulation dann gestrichen, wenn mehr als 75% der ursprünglich zufütternden<br />
Sitzkapazität entfallen war. Dies entspricht etwa einem Sitzladefaktor von 65%.<br />
25 Wird in der Simulation zunächst auf kleineres Gerät getauscht bevor schließlich gestrichen wird, führt dies lediglich zu einer<br />
Verlangsamung der Erosion, nicht zu einem anderen Endergebnis.Das gleiche gilt, wenn mit milderen Schwellen zum Streichen<br />
gearbeitet wird, also etwa einer Schwelle von 50% anstatt 75%.
2.4 Methodik der Simulation<br />
In einem komplexen Simulationsmodell wurden im ersten Schritt<br />
hypothetisch alle innerdeutschen Flugverbindungen mit dem<br />
Ziel Frankfurt oder München, die in der Woche vom 24. bis 30.<br />
September 2007 22 stattfanden, Schritt für Schritt von den beiden<br />
Hubs abgekoppelt. Im zweiten Schritt wurden diese Flüge<br />
dann statt<strong>des</strong>sen nach London Heathrow, Amsterdam, Paris<br />
Charles de Gaulle oder Dubai umgeleitet. Nur auf diese Weise<br />
können die Folgen von Kapazitätsveränderungen auf bestimmten<br />
Strecken ceteris paribus berechnet werden, also unter der<br />
oben geforderten Annahme konstanter Nebenbedingungen<br />
(Preise, Nachfragevolumen, Flughafenkapazitäten etc.).<br />
Dabei ist darauf geachtet worden, dass diese umgesteuerten<br />
Flüge möglichst optimal (hinsichtlich Zeitlagen, Direktionalität,<br />
Konnektivität etc.) an London Heathrow, Amsterdam,<br />
Paris Charles de Gaulle oder Dubai angebunden werden und<br />
dort als online-Verbindungen (also nicht lediglich als sogenannte<br />
Co<strong>des</strong>hares) mit den betreffenden Homebase-Fluggesellschaften<br />
verbinden konnten. Lufthansa-Flüge aus Hamburg<br />
nach Frankfurt, beispielsweise, wurden also als „AF“<br />
umcodiert und von Hamburg nach Paris Charles de Gaulle<br />
geschickt, um dort optimal verbinden zu können. Auf diese<br />
Weise konnten mit dem Simulationsmodell die Effekte auf die<br />
Angebotsbreite für die Passagiere an allen internationalen<br />
Flughäfen im Detail bewertet werden. Dabei wurden die<br />
betroffenen 3.304 Flüge schrittweise umgeleitet. Die Folgen<br />
je<strong>des</strong> einzelnen Schrittes konnten so nachvollzogen und<br />
hinsichtlich der Konsequenzen für die Angebotsbreite an den<br />
betroffenen Flughäfen bewertet werden. Ausgewertet wurde<br />
dabei die jeweilige Anzahl wettbewerbsfähiger Verbindun-<br />
Bedeutung <strong>des</strong> Luftverkehrs für die langfristige<br />
wirtschaftliche <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>Deutschland</strong>s<br />
Der Luftverkehrsektor hat eine zentrale Bedeutung<br />
für die Volkswirtschaft <strong>Deutschland</strong>s und für deren<br />
zukünftige <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong>. Dazu tragen auf<br />
der einen Seite unmittelbar die Luftverkehrsunternehmen<br />
und ihre Zulieferer durch Investitionen und<br />
die daraus resultierenden Wertschöpfungs-, Beschäftigungs-<br />
und Einkommenseffekte bei. Ergänzt<br />
werden diese auf der anderen Seite um die mittel-<br />
III. Schlussfolgerungen 105<br />
gen. Sämtliche Kriterien einer wettbewerbsfähigen Verbindung<br />
wurden selbstverständlich über alle Analyseschritte<br />
hinweg konstant gehalten. An den Hubs wurden zwei verschiedene<br />
Effekte <strong>des</strong> Abkoppelns von Flügen untersucht:<br />
Verlust an Konnektivität: An einem einzigen Flug Leipzig –<br />
Frankfurt hängen in Frankfurt bis zu 27 23 , Anschlussmöglichkeiten<br />
in die Welt. Wird nun ein einziger Flug Leipzig –<br />
Frankfurt gestrichen, dann gehen damit auch bis zu<br />
27 Anschluss-Verbindungen verloren.<br />
Verlust an Sitzladefaktor: Eine wichtige Verbindung in Frankfurt,<br />
die aus Leipzig heraus genutzt wird, ist die Langstrecke<br />
nach Philadelphia (PHL). Wenn dieser Flug nach Philadelphia<br />
nun nicht nur die Umsteigepassagiere aus Leipzig, sondern<br />
auch darüber hinaus immer mehr Passagiere anderer Zubringerflüge<br />
aus <strong>Deutschland</strong> verliert, dann ist dieser Langstreckenflug<br />
irgendwann nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Normalerweise<br />
wird eine Fluggesellschaft bestrebt sein, ein nicht<br />
mehr wirtschaftliches Flugzeug zunächst gegen ein Flugzeug<br />
geringerer Sitzkapazität auszutauschen oder die Bedienungsfrequenz<br />
zu reduzieren. Wenn aber nach und nach alle innerdeutschen<br />
Flüge nach Frankfurt und München abgeschnitten werden,<br />
dann besteht diese Methode der punktuellen „Reparatur“<br />
nicht mehr, zumal eine Fluggesellschaft keinen unbegrenzten<br />
Vorrat an stetig kleineren Flugzeugen vorhalten kann. In der<br />
durchgeführten Simulation wurden <strong>des</strong>halb entsprechend<br />
betroffene Anschlussflüge gestrichen. Um das Ergebnis <strong>des</strong><br />
vollständigen Abkoppelns von innerdeutschen Zubringerflügen<br />
zu bestimmen, muss also zusätzlich (aber im Ergebnis getrennt<br />
auszuweisen) die Streichung unwirtschaftlich werdender<br />
24, 25<br />
Verbindungen im Simulationsmodell vorgesehen werden.<br />
3. Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort <strong>Deutschland</strong><br />
baren Effekte, die durch die Nutzung der Luftverkehrsanbindung<br />
durch Unternehmen anderer Wirtschaftszweige<br />
generiert werden. Nicht zuletzt ist<br />
darauf hinzuweisen, dass, der Stellung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
vorgeschaltet, die Hersteller der Flugzeugindustrie<br />
in erheblichem Maße Investitions-, Wertschöpfungs-<br />
und Beschäftigungsbeiträge für die<br />
bun<strong>des</strong>deutsche Volkswirtschaft leisten.<br />
Wissenschaftlich wird weiter differenziert und die<br />
folgende Kategorisierung der volks- und
106<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
regionalwirtschaftlichen Effekte <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
vorgenommen:<br />
Kategorien der volks- und regionalwirtschaftlichen<br />
Effekte <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
Effekte der Erstellung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
Direkte Effekte. Investitionen, Produktion, Beschäftigung,<br />
Wertschöpfung und Einkommen der Fluggesellschaften, Flughafenbetreiber<br />
und anderer Unternehmen auf den jeweiligen<br />
Flughäfen selbst. Anstoß der ökonomischen Wirkungskette.<br />
Indirekte Effekte. Investitionen, Produktion, Beschäftigung,<br />
Wertschöpfung und Einkommen auf Grund von Auftragsvergaben<br />
der Unternehmen und Betriebe auf den Flughäfen an<br />
Dienstleister und Lieferanten.<br />
Induzierte Effekte. Investitionen, Produktion, Beschäftigung,<br />
Wertschöpfung und Einkommen resultierend aus der<br />
- Konsumnachfrage aus dem Erwerbseinkommen der<br />
Beschäftigten auf den Flughäfen<br />
- Konsumnachfrage aus den Erwerbseinkommen der bei den<br />
Lieferanten <strong>des</strong> Flughafenbetriebes Beschäftigten<br />
Effekte der Verwendung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
Katalytische Effekte. Investitionen, Produktion, Beschäftigung,<br />
Wertschöpfung und Einkommen durch Unternehmen,<br />
für deren Investitions- und Standortentscheidungen Luftverkehrsanbindung<br />
von Bedeutung ist.<br />
Quelle: in Anlehnung an Hujer/Kokot/Zeiss/Rürup/Mehlinger<br />
(2004)<br />
Zu den direkten, indirekten und induzierten volksund<br />
regionalwirtschaftlichen Effekten <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
liegt mittlerweile eine Reihe empirischer<br />
Untersuchungen vor. 26 Insbesondere die Verwendung<br />
von Input-Output-Analysen zur Abschätzung<br />
der indirekten und induzierten Einkommens- und<br />
Beschäftigungseffekte ist mittlerweile als wissenschaftlich<br />
allgemein anerkannter Untersuchungsansatz<br />
etabliert. 27<br />
An den Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> verlief die Entwicklung<br />
der direkten Investitionen, Wertschöpfung,<br />
und Beschäftigung in den vergangenen Jahrzehnten<br />
sehr dynamisch. Dabei verlief die Beschäftigtenentwicklung<br />
bis Ende der 1980er Jahre weitgehend<br />
proportional zur Entwicklung <strong>des</strong> Passagier- und <strong>des</strong><br />
Frachtaufkommens sowie zur Zahl der Flugbewegungen<br />
an den Flughäfen. Infolge <strong>des</strong> zunehmenden<br />
Wettbewerbsdrucks durch die Liberalisierung<br />
<strong>des</strong> europäischen Luftverkehrs wurden etwa seit<br />
Anfang der 1990er Jahre insbesondere durch Luftverkehrsgesellschaften<br />
Effizienzsteigerungen der<br />
Beschäftigung erzielt.<br />
Durch Flughafenbetreiber, Fluggesellschaften und<br />
weitere auf Flughäfen ansässige Unternehmen beispielsweise<br />
der Bereiche Catering oder Bodenabfertigung<br />
werden im internationalen Durchschnitt<br />
und auch an den Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> pro<br />
1Mio. abgefertigte Passagiere durchschnittlich<br />
ca. 950 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen direkt<br />
beschäftigt. 28 Die Beschäftigungsintensität variiert<br />
26 Airports Council International (ACI) (2004): The Social and Economic Impact of Airport in Europe; Baum/Schneider/Esser/Kurte<br />
(2005): Wirtschaftliche Effekte der Airports Berlin Brandenburg International BBI, Köln; Baum/Kurte/Schneider (1998): Der volkswirtschaftliche<br />
Nutzen <strong>des</strong> Flughafens Köln/Bonn; Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie (2002):<br />
Der Flughafen München und sein Umland, München; Bulwien (1998): Wirtschaftliche Auswirkungen <strong>des</strong> Flughafens Nürnberg,<br />
Unterföhring; Bulwien (1998): Wirtschaftsfaktor Flughafen München, Unterföhring; Empirica (1996): Die Bedeutung <strong>des</strong> Flughafens<br />
Hamburg für die Metropolregion; Heuer/Klophaus (2006): Regionalökonomische Bedeutung und Perspektiven <strong>des</strong> Flughafens<br />
Zweibrücken, Birkenfeld; Heuer/Klophaus/Schaper (2005): Regionalökonomische Auswirkungen <strong>des</strong> Flughafens Frankfurt-Hahn<br />
für den Beobachtungszeitraum 2003–2015, Birkenfeld; Hübl/Hohls-Hübl/Wegener/Schaffner (2001): Hannover Airport – Ein<br />
Impulsgeber für die Region, Hannover; Hübl/Hohls-Hübl/Wegener/Kramer (1994): Der Flughafen Hannover-Langenhagen als<br />
Standort- und Wirtschaftsfaktor, Hannover; Hujer/Kokot/Zeiss/Rürup/Mehlinger (2004): Einkommens- und Beschäftigungseffekte<br />
<strong>des</strong> Flughafens Frankfurt/M; Klophaus (2006): Regionalökonomische Auswirkungen und Perspektiven <strong>des</strong> Flughafens Kassel-<br />
Calden, Birkenfeld; Malina/Wollersheim/Peltzer (2006): Die regionalwirtschaftliche Bedeutung <strong>des</strong> Dortmund Airports, Dortmund.<br />
27 Hujer/Kokot/Mehlinger/Rürup (2001): Einkommens- und Beschäftigungseffekte <strong>des</strong> Flughafens Frankfurt Main – Ausbau<br />
Flughafen Frankfurt Main, Gutachten G19.1, Frankfurt; Batey/Madden/Scholefield (1993): Socio-economic impact assessment<br />
of large-scale projects using input-output analysis: a case study of an airport, in: Regional Studies 27, S.179–191.<br />
28 Airports Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004): The social and economic impact of airports in Europe,<br />
Brüssel, S.8.
zwischen den einzelnen Flughäfen. Dies hat seine<br />
Ursache vor allem in der je nach Flughafentyp 29<br />
unterschiedlichen Nutzungsstruktur. In <strong>Deutschland</strong><br />
liegt die Spanne pro 1Mio. Fluggäste zwischen ca.<br />
830 und ca. 1.500 Beschäftigten. Auf den internationalen<br />
Verkehrsflughäfen <strong>Deutschland</strong>s waren im<br />
Jahr 2006 insgesamt rund 160 Tsd. Mitarbeiter beschäftigt.<br />
30 Davon entfielen etwa 60% auf die beiden<br />
Hub-Flughäfen Frankfurt und München. Die<br />
direkt an Flughäfen beschäftigten Mitarbeiter arbeiten<br />
überwiegend in den Bereichen Flugbetrieb, Wartung<br />
und Instandhaltung, Sicherheit, Verwaltung,<br />
Planung, Warenverkauf und sonstigen Dienstleistungen<br />
sowie beim fliegenden Personal. Der Anteil von<br />
Verwaltungstätigkeiten ist an den deutschen Flughäfen<br />
relativ gering. 31 Die Deutsche Lufthansa beschäftigt<br />
in <strong>Deutschland</strong> als Konzern insgesamt etwa<br />
65Tsd. Mitarbeiter. 32<br />
Analysen zeigen, dass durch die Beschäftigten im<br />
Luftverkehr und deren direkte Einkommen durch<br />
Wiederverausgabung regionale und gesamtwirtschaftliche<br />
Beschäftigungseffekte entstehen und<br />
damit wiederum das Einkommen sowie die Wertschöpfung<br />
in einer Region oder der Gesamtwirtschaft<br />
gesteigert werden. Die nachfolgende Tabelle<br />
ermöglicht einen Überblick über die ermittelten<br />
Beschäftigungsmultiplikatoren deutscher Flughäfen.<br />
Die Werte der Multiplikatoren für die indirekten<br />
und induzierten Beschäftigungseffekte liegen<br />
hier in einer Spannweite von 0,7 bis 2,31 auf regionaler<br />
und von 1,1 bis 3,04 auf gesamtwirtschaftlicher<br />
Ebene. [Tab. 1]<br />
Durch indirekte und induzierte Effekte werden pro<br />
1Mio. Passagiere rechnerisch etwa 2Tsd. Beschäftigte<br />
generiert. 33 Zur Schätzung der zukünftigen<br />
Beschäftigungsentwicklung <strong>des</strong> Luftverkehrs in<br />
<strong>Deutschland</strong> werden üblicherweise in wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen Befragungen der an den<br />
Flughäfen ansässigen Unternehmen durchgeführt.<br />
Die befragten Unternehmen machen dabei in<br />
Kassel-Calden (2005)<br />
Dortmund (2005)<br />
Zweibrücken (2004)<br />
Berlin (2004)<br />
Hahn (2003)<br />
München (2000)<br />
Frankfurt/M. (1999)<br />
Hannover (1999)<br />
München (1996)<br />
Köln/Bonn (1996)<br />
Nürnberg (1996)<br />
Hamburg (1994)<br />
Hannover (1993)<br />
Tab.1: Beschäftigungsmultiplikatoren/Vergleich von<br />
Flughafen-Studien (nach Analyse-Jahr)<br />
Quelle: ECAD. *1,62 (mit Stadt München)<br />
III. Schlussfolgerungen 107<br />
Beschäftigungsmultiplikatoren<br />
gesamtwirtschaftl. regional<br />
Abhängigkeit der Kapazitätsentwicklungen der<br />
Flughäfen Angaben zu ihrer zukünftigen Beschäftigungsentwicklung<br />
und ihrer Investitionstätigkeit.<br />
Nach den Ergebnissen der in den letzten Jahren<br />
erstellten Untersuchungen könnte die Zahl der direkt<br />
an den Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> Beschäftigten bis<br />
2020 um ca. 50% ansteigen. 34<br />
Für den Flughafen Frankfurt Main wird ein Wachstum<br />
von derzeit etwa 70 Tsd. auf etwa 95 Tsd. direkt<br />
beschäftigte Mitarbeiter im Jahr 2020 prognostiziert.<br />
Am Flughafen München soll die Zahl der Mitarbeiter<br />
im selben Zeitraum auf etwa 41Tsd. ansteigen.<br />
Katalytische Effekte der Verwendung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
Über die direkten, indirekten und induzierten wirtschaftlichen<br />
Effekte durch die Erstellung <strong>des</strong> Luft-<br />
29 Beispielsweise die Kategorisierung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) in Quartiär-, Tertiär-, Sekundärund<br />
Primärflughäfen.<br />
30 Kalkulation auf der Grundlage von Angaben von www.adv-net.org.<br />
31 Vgl. Hujer/Kokot/Zeiss/Rürup/Mehlinger (2004), a.a.O.; www.munich-airport.de.<br />
32 Deutsche Lufthansa AG (2008), a.a.O., S.61f.<br />
33 Vgl. Airports Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004), a.a.O.<br />
34 Vgl. Hujer/Kokot/Zeiss/Rürup/Mehlinger (2004), a.a.O.<br />
2,40<br />
1,80<br />
1,30<br />
1,10<br />
1,40<br />
1,90<br />
1,77<br />
2,20<br />
2,01<br />
3,04<br />
1,96<br />
1,70<br />
2,00<br />
0,70<br />
1,10<br />
0,80<br />
0,90<br />
0,70<br />
0,86<br />
1,16<br />
1,40<br />
1,31*<br />
2,31<br />
1,46<br />
1,30<br />
1,50
108<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
verkehrs hinaus werden in Regionen mit guter<br />
Luftverkehrsanbindung so genannte katalytische<br />
Investitions-, Wertschöpfungs- Einkommens- und<br />
Beschäftigungseffekte generiert. Sie entstehen durch<br />
Unternehmen anderer Wirtschaftszweige, die nicht<br />
an der Erstellung der Luftverkehrsanbindung beteiligt<br />
sind, diese aber für ihre Geschäftstätigkeit<br />
nutzen. Diesen katalytischen Effekten kommt im<br />
Kontext der ökonomischen Internationalisierung im<br />
Hinblick auf die langfristige wirtschaftliche <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
von Volkswirtschaften und Regionen<br />
eine zunehmend größere Bedeutung zu.<br />
In den vergangenen Jahren konnte eine fortschreitende<br />
Internationalisierung der Güter-, Kapital- und<br />
Arbeitsmärkte festgestellt werden. Diese als „Globalisierung“<br />
bezeichnete Zunahme internationaler<br />
Wirtschaftsaktivitäten hatte mehrere von einander<br />
abhängige Ursachen:<br />
■ die Beseitigung von Zoll- und Handelsbarrieren,<br />
■ der Ausbau internationaler Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien,<br />
■ der folglich in zahlreichen Wirtschaftszweigen<br />
gestiegene internationale Wettbewerb,<br />
■ eine in vielen Wirtschaftszweigen verminderte<br />
Fertigungstiefe,<br />
■ eine Internationalisierung der Bezugs- und<br />
Absatzmärkte sowie<br />
■ die Verbesserung der internationalen<br />
Transportstrukturen.<br />
Die aufgezeigte Entwicklung führte auch in <strong>Deutschland</strong><br />
zu einer stark steigenden internationalen Mobilität<br />
im Personen- und im Frachtverkehr, insbesondere<br />
zu den wirtschaftlichen Ballungsräumen Europas<br />
und anderer Kontinente. Ein wachsender Teil dieser<br />
internationalen Mobilität beansprucht Luftverkehr<br />
als geeigneten Verkehrsträger mit kurzen Reisezeiten,<br />
mit einer großen Zahl an Destinationen und mit<br />
hohen Verbindungsfrequenzen. Eine gute Luftverkehrsanbindung<br />
stellt einen existenziellen und allenfalls<br />
schwer substituierbaren Standortfaktor für die<br />
zunehmend internationaler ausgerichteten Unternehmen<br />
dar. Effiziente Luftverkehrsangebote<br />
ermöglichen oder erleichtern Unternehmen den<br />
Zugang zu und die Erschließung von Bezugs- und<br />
Absatzmärkten im Ausland. Dadurch können Unternehmen<br />
an gut durch Luftverkehr erschlossenen<br />
Standorten in den Flughafenumlandregionen so<br />
genannte Produktivitätseffekte der Produktionsfaktoren<br />
Arbeit-, Kapital und Boden erzielen. 35 So<br />
können Luftverkehrsanbindung nutzende Unternehmen<br />
Kosteneinsparungen erzielen und ihre Wettbewerbspositionen<br />
verbessern.<br />
In diesem Zusammenhang ist die weitgehende<br />
Nicht-Substituierbarkeit von Verkehr insgesamt<br />
und im hier betrachteten Fall von Luftverkehr für<br />
den Standort <strong>Deutschland</strong> herauszustellen. Diese<br />
gilt umso mehr für international ausgerichtete<br />
Unternehmen, die bei ihrer Standortwahl in besonderem<br />
Maße auf die auch durch Luftverkehr<br />
gewährleistete schnelle Erreichbarkeit kontinentaler<br />
und interkontinentaler Ziele Wert legen.<br />
Auch wenn heute neue Möglichkeiten der Interaktion<br />
durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
bestehen und Unternehmen<br />
diese verstärkt als Mittel zur Kosteneinsparung nutzen,<br />
so bleibt dennoch ein erheblicher Bedarf an<br />
direkten persönlichen Kontakten. Die unverzügliche<br />
Realisierung von Terminen an auch entfernter<br />
gelegenen Auslandsstandorten ist für strategische<br />
und verbindliche unternehmerische Entscheidungsprozesse<br />
heute mehr denn je von Wichtigkeit. Kurze<br />
Lieferzeiten, schnelle Umschlagzeiten und die termingerechte<br />
Anlieferung von Fracht sind für zeitkritische<br />
und hochwertige Güter (z.B. der chemischen<br />
und pharmazeutischen Industrie, der elektrotechnischen<br />
Industrie, Ersatzteillieferung im Maschinenund<br />
Anlagenbau etc.) besonders wichtig.<br />
Die Bedeutung von Luftverkehrsanbindung als<br />
Standortfaktor beeinflusst demnach unternehmerische<br />
Entscheidungsträger bei deren langfristigen<br />
Standort- und Investitionsentscheidungen. Dies<br />
impliziert entsprechende Standort- bzw. Investitionseffekte<br />
zugunsten der gut durch Luftverkehr<br />
erschlossenen Regionen und Volkswirtschaften.<br />
35 Vgl Baum/Schneider/Esser/Kurte (2004): Standortfaktor Flughafen Frankfurt Main. Bedeutung für die Struktur, Entwicklung<br />
und <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Wirtschaft der Region Frankfurt/Rhein-Main. – Ausbau Flughafen Frankfurt Main, Gutachten<br />
G19.2., Köln; International Air Transport Association (IATA) (2007): Aviation Economic Benefits – Measuring the economic rate<br />
of return on investment in the aviation industry. IATA Economics Briefing No 8.
Abb. 10: Internationale Luftverkehrsanbindung und internationale Direktinvestitionsbestände der Länder der Welt 2005<br />
Quelle: Eigene Berechnungen ECAD, OAG, Weltbank<br />
Abbildung 10 zeigt dazu die langfristig akkumulierten<br />
internationalen Direktinvestitionsbestände 36<br />
der Länder der Welt sowie das Maß ihrer internationalen<br />
Luftverkehrsanbindung. Es wird deutlich,<br />
dass die Länder der Welt mit guter Luftverkehrsanbindung<br />
überdurchschnittlich hohe Direktinvestitionsbestände<br />
mit entsprechenden Wertschöpfungs-,<br />
Beschäftigungs- und Einkommenseffekten zu<br />
verzeichnen haben. [Abb. 10]<br />
Abbildung 11 zeigt die zeitliche Veränderung der<br />
internationalen Luftverkehrsanbindung und der<br />
Direktinvestitionsbestände nach Ländern. Es wird<br />
deutlich, dass es offenbar die Länder mit einer in<br />
Ausländische Direktinvestitionen<br />
bezogen auf BIP<br />
III. Schlussfolgerungen 109<br />
Auslandsflüge pro<br />
1.000 Einwohner 2005<br />
Bestände 2005<br />
≤ 0,23<br />
15,0%<br />
≤ 1,29<br />
6,0% ≤ 7,16<br />
1,5%<br />
≤ 39,78<br />
≤ 300,00<br />
den letzten Jahren überdurchschnittlichen Verbesserung<br />
ihrer internationalen Luftverkehrsanbindung<br />
sind, die gleichzeitig einen überdurchschnittlichen<br />
Anstieg ihrer Direktinvestitionsbestände<br />
verzeichnen konnten. [Abb. 11; umseitig]<br />
Die unternehmensbezogene Produktivitätskapazität<br />
kann insbesondere durch zwei Faktoren gesteigert<br />
werden. Zum einen können Märkte durch unternehmensbezogene<br />
Investitionen erweitert werden. Zum<br />
zweiten kann Produktivität dadurch stimuliert werden,<br />
dass der Luftverkehr den Zugang zu neuen<br />
Produktionstechnologien und effizienteren Zulieferern<br />
schafft. Der Zusammenhang zwischen Luftver-<br />
36 Direktinvestitionen sind Vermögensanlagen im Ausland von inländischen Investoren mit dem Ziel der Einflussnahme auf die<br />
Geschäftstätigkeiten im Ausland. Es fließen also nicht nur Kapital sondern auch Wissen und Technologie. Vgl. Deutsche Bun<strong>des</strong>bank<br />
(1978), Umschwung in der Bilanz der Direktinvestitionen, Monatsberichte der Deutschen Bun<strong>des</strong>bank, Nr. 10, S.31.
110<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
kehrsanbindung und der Höhe der langfristigen<br />
Investitionen und der Produktivität in den EU-Staaten<br />
lässt sich wie folgt beschreiben: 37<br />
■ Luftverkehrsanbindung kann eine signifikante,<br />
positive Auswirkung auf die langfristige Wirtschaftsleistung<br />
von Regionen und Volkswirtschaften<br />
haben. Sie weist einen ursächlichen<br />
Zusammenhang zur Höhe der langfristigen<br />
Investitionen als auch der langfristigen Produktivität<br />
in einer Volkswirtschaft auf.<br />
■ In den untersuchten EU-Staaten kann ein<br />
10%-iger Anstieg der Luftverkehrsanbin-<br />
Ausländische Direktinvestitionen<br />
bezogen auf BIP (in USD)<br />
Veränderung in Prozentpunkten<br />
1997–2005<br />
Auslandsflüge pro 1.000 Einwohner<br />
Entwicklung 1997– 2005 absolut<br />
Abb.11: Veränderung der internationalen Luftverkehrsanbindung und internationale Direktinvestitionsbestände der Länder<br />
der Welt 1997 bis 2005 – Quelle: Eigene Berechnungen ECAD, OAG, Weltbank<br />
dung 38 das Bruttoinlandsprodukt langfristig<br />
um 1,1% erhöhen.<br />
In einer von der International Air Transport Association<br />
(IATA) begleiteten detaillierten statistischen<br />
Analyse wurde die Beziehung zwischen der Anbindung<br />
eines Lan<strong>des</strong> an den globalen Luftverkehr und<br />
seiner gesamtwirtschaftlichen Produktivität untersucht.<br />
Die Analyse erstreckte sich über 48 Länder<br />
der Welt – sowohl entwickelte als auch unterentwickelte<br />
Volkswirtschaften – und über den Zeitraum<br />
von 1996 bis 2005. 39 Ähnlich der vorhergehend<br />
dargelegten Studie wurde eine statistisch<br />
37 Vgl. International Air Transport Association (IATA) (2006): Airline Network Benefits – Measuring the additional benefits generated<br />
by airline networks for economic development, IATA Economics Briefing No 3., S.27.<br />
38 Zur Bestimmung der Qualität der Luftverkehrsanbindung wurde in dieser Studie ein so genannter Connectivity Index genutzt,<br />
der die Zahl und die ökonomische Bedeutung der von einem Flughafen bedienten Destinationen sowie die Frequenz der damit<br />
verbundenen Flüge und die gewichtete Zahl der auf den Flügen verfügbaren Sitzplätze zu einer Kennziffer aggregiert.<br />
9,0<br />
3,0<br />
0,7<br />
≤ 0,01<br />
≤ 0,12<br />
≤ 1,17<br />
≤ 3,00<br />
> 3,00
signifikante positive Beziehung zwischen der Luftverkehrsanbindung<br />
und <strong>des</strong> Produktivitätsniveaus<br />
ermittelt. Ein 10%-iger Anstieg der Luftverkehrsanbindung<br />
kann die Produktivität langfristig um<br />
0,07% erhöhen. Daraus lässt sich die Schlussfolgerung<br />
ziehen, dass zwischen der Luftverkehrsanbindung<br />
eines Lan<strong>des</strong> und seiner Wirtschaftsentwicklung<br />
ein synergetischer und wechselseitiger Zusammenhang<br />
besteht. 40<br />
Eine hohe, auch internationale Mobilität fördert<br />
auch das gesamtwirtschaftliche und regionale Innovationsniveau.<br />
Theoretische und empirische Forschungsergebnisse<br />
belegen, dass durch Luftverkehr<br />
realisierte räumliche Interaktionen zwischen – durchaus<br />
auch sehr unterschiedlichen – Wirtschaftssubjekten<br />
den Austausch, die (Weiter-)Entwicklung und<br />
die räumliche Diffusion von Ideen, technologischem<br />
Fortschritt, Verfahrens- und Prozessinnovationen<br />
und insgesamt die Herausbildung eines regionalen<br />
bzw. gesamtwirtschaftlichen innovativen Milieus<br />
fördern. 41 Diese langfristigen Wirkungen werden<br />
als Innovationseffekte bezeichnet.<br />
Auf Unternehmensbefragungen basierende Untersuchungen<br />
zur Bedeutung von Luftverkehrsanbindung<br />
als Standortfaktor für Unternehmen zeigen<br />
folgende Ergebnisse:<br />
■ Je näher ein Unternehmen an einem Flughafen<br />
gelegen ist, <strong>des</strong>to höher ist die Bedeutung, die<br />
es ihm beimisst. 42<br />
■ Luftverkehrsanbindung besitzt für Unternehmen<br />
<strong>des</strong> Dienstleistungssektors tendenziell<br />
eine größere Bedeutung als für Unternehmen<br />
<strong>des</strong> produzierenden und verarbeitenden<br />
Gewerbes. 43<br />
III. Schlussfolgerungen 111<br />
■ Bei unternehmerischen Standortentscheidungen<br />
im Falle von Neuansiedlungen ist Luftverkehrsanbindung<br />
von zunehmend größerer<br />
Bedeutung. Als noch wichtigere Standortfaktoren<br />
gelten neben der Anbindung an das<br />
Straßennetz lediglich der Zugang zu Märkten<br />
und Kunden sowie die Verfügbarkeit qualifizierter<br />
Arbeitskräfte. 44<br />
■ Bei Einschränkungen von Drehscheibenfunktionen<br />
und damit einhergehend einem Rückgang<br />
der Vielfalt und Häufigkeit von Direktverbindungen<br />
erwarten die Unternehmen Verluste an<br />
Arbeitszeit und zusätzliche Übernachtungskosten.<br />
Dabei spielen insbesondere Verbindungen<br />
in Tagesrandzeiten eine Rolle, die die Möglichkeit<br />
<strong>des</strong> Hin- und Rückflugs zu bestimmten<br />
Zielen innerhalb eines Tages ermöglichen.<br />
■ Mit Standortverlagerungen würden vor allem<br />
reiseintensive Unternehmen reagieren. Dazu<br />
gehören Unternehmen der unternehmensorientierten<br />
Dienstleistungen, ebenso aber<br />
auch Teile <strong>des</strong> verarbeitenden Gewerbes.<br />
■ Unzureichende Luftverkehrs-Kapazitäten<br />
könnten sich dämpfend auf die wirtschaftliche<br />
Entwicklung auswirken. Je nach Ausmaß der<br />
Kapazitätsengpässe kann von einem 2,5 bis<br />
3% geringeren Bruttoinlandsprodukt ausgegangen<br />
werden. 45<br />
Aus den oben beschriebenen katalytischen Wirkungen<br />
resultieren erhebliche Beschäftigungseffekte, die<br />
sich umgerechnet auf ca. 1.800 Beschäftigte pro<br />
1Million Passagiere beziffern lassen. 46<br />
39 Vgl. International Air Transport Association (IATA) (2007), a.a.O., S.4.<br />
40 Vgl. International Air Transport Association (IATA) (2007), a.a.O., S.34.<br />
41 Vgl. Camagni (1991): Innovation networks. Spatial perspectives, London, Belhaven; Maillat/Quevit/Senn (1993): Réseaux<br />
d’ innovation et milieux innovateurs: un pari pour le développement régional, Neuchâtel; Maillat (1998): Vom ‘Industrial District’<br />
zum innovativen Milieu: ein Beispiel zur Analyse der lokalisierten Produktionssyteme, „Geographische Zeitschrift“, 86, S.1–15.<br />
42 Vgl. Airports Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004), a.a.O., S.6 ff.; Eurocontrol (2005): The Economic Catalytic<br />
Effects of Air Transport in Europe. Final Report by Oxford Economic Forecasting, SEE Report No EEC/SEE/2005/004. S.33ff.<br />
43 Vgl. Pagnia (1992): Die Bedeutung von Verkehrsflughäfen für Unternehmungen: eine exemplarische Untersuchung der Flughäfen<br />
Düsseldorf und Köln/Bonn für Nordrhein-Westfalen, Frankfurt am Main; Airports Council International (ACI)<br />
Europe/York Consulting (2004), a.a.O., S.7; Eurocontrol (2005), a.a.O., S.33ff.<br />
44 Vgl. Cushman & Wakefield (2005): European Cities Monitor 2005, New York; Cushman & Wakefield (2006): European Cities Monitor<br />
2006, New York. Cushman & Wakefield (2007): European Cities Monitor 2007, New York; Eurocontrol (2005), a.a.O., S.33ff.<br />
45 Airports Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004), a.a.O., S.10.<br />
46 Airports Council International (ACI) Europe (1998): Creating Employment and prosperity in Europe, Brüssel.
112<br />
III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Fazit<br />
Die allgemeine volkswirtschaftliche Bedeutung <strong>des</strong><br />
Luftverkehrs ist grundsätzlich anerkannt und wurde<br />
durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen<br />
belegt. Eine hinreichende Luftverkehrsanbindung<br />
als Standortfaktor für Investitions- und Standortentscheidungen<br />
international ausgerichteter Unternehmen<br />
spielt zusätzlich eine zentrale Rolle hinsichtlich<br />
der zukünftigen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der deutschen<br />
Volkswirtschaft. Dieser Beziehung wurde bislang jedoch<br />
sowohl in der gesellschaftspolitischen Diskussion<br />
als auch von wissenschaftlicher Seite nicht in<br />
ihrer vollen Tragweite Aufmerksamkeit gewidmet.<br />
Insbesondere Flughäfen und Fluggesellschaften mit<br />
internationalen Drehkreuzen und einem entsprechenden<br />
Umsteigeaufkommen können eine große<br />
Zahl internationaler Destinationen mit hoher Verbindungsdichte<br />
bedienen. Dies ermöglicht einen deutlich<br />
verbesserten Zugang zu internationalen Güter-,<br />
Kapital und Arbeitsmärkten. Dieser verbesserte<br />
Marktzugang stellt für die zunehmend international<br />
ausgerichteten Unternehmen Anreize für Standortund<br />
Investitionsentscheidungen zugunsten der<br />
Flughafenumlandregionen in <strong>Deutschland</strong> dar. Die<br />
Raum-Zeit-Konvergenz <strong>des</strong> internationalen Transport-<br />
und Kommunikationswesens stellt gewissermaßen<br />
die „Hardware-Voraussetzung“ für ökonomische<br />
und gesellschaftliche Internationalisierung dar. 47<br />
Die Zusammenhänge zwischen den Kapazitäten<br />
der Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> und der internationa-<br />
len <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Flughafenumlandregionen<br />
und der deutschen Volkswirtschaft insgesamt<br />
sind offenbar erheblich. Dabei ist es sicherlich<br />
nicht so, dass Luftverkehrsanbindung und ein<br />
hohes Maß an internationaler Erreichbarkeit automatisch<br />
ein hohes Maß an Produktivität, Investitionen,<br />
Wertschöpfung, Beschäftigung und Innovation<br />
zur Folge hat. Dennoch stellt die Erschließung<br />
von Standorten und Regionen eine wenn<br />
auch nicht allein hinreichende, aber doch unbedingt<br />
notwendige Voraussetzung für die Erstellung<br />
und internationale Vermarktung von Gütern und<br />
Dienstleistungen dar. Daraus resultieren entsprechende<br />
Anforderungen an die Kapazitäten moderner<br />
und effizienter Luftverkehrsinfrastruktureinrichtungen.<br />
Im internationalen Wettbewerb der Regionen<br />
wird die effiziente Nutzung der regionalen<br />
Ressourcen von entscheidender Bedeutung sein.<br />
So könnte eine unzureichende Luftverkehrsanbindung<br />
<strong>Deutschland</strong>s und seiner Teilräume zukünftig<br />
zum limitierenden Faktor der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>s und seiner Teilräume werden.<br />
Mit entsprechend negativen Konsequenzen ist zu<br />
rechnen.<br />
Der Handlungs- und Gestaltungsspielraum zur<br />
Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen<br />
in <strong>Deutschland</strong> und daraus resultierender<br />
Wertschöpfung, Beschäftigung und Wohlstand ist<br />
begrenzt. Umso mehr sollte zukünftig die Aufmerksamkeit<br />
ausdrücklich auf die Kapazitäten <strong>des</strong><br />
Luftverkehrs als dem Verkehrsträger der international<br />
vernetzten Wirtschaft gerichtet werden.<br />
47 Vgl. Blotevogel (2000): Die Globalisierung der Geographie, in Blotevorgel/Ossenbrügge/Wood (Hrsg.), Lokal verankert – weltweit<br />
vernetzt. 52. deutscher Geographentag Hamburg, Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen, Stuttgart, S.15–29.
IV. Resümee und<br />
Handlungsempfehlungen<br />
airconomy, Oliver Wyman<br />
1. Zusammenfassung<br />
Vor dem Hintergrund der Analysen gibt das vierte<br />
Kapitel Handlungsempfehlungen für eine zukunftsfähige<br />
Luftverkehrspolitik in <strong>Deutschland</strong>. Dabei ist<br />
die Frage zu beantworten, wie die föderalen Instrumente<br />
(Zuständigkeiten der Länder für Flughafenpolitik<br />
im Zuge einer Bun<strong>des</strong>auftragsverwaltung)<br />
zusammen mit denjenigen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und der EU-<br />
Kommission so genutzt werden können, dass sie<br />
das deutsche Luftverkehrssystem optimal für den<br />
globalen Wettbewerb und seine Entscheidungsstrukturen<br />
positionieren.<br />
■ Zukunftsfähige und einvernehmliche Luftverkehrsstrategie<br />
für die Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> definieren<br />
und mit Maßnahmen hinterlegen.<br />
Kernpunkte dieser Strategie sind insbesondere<br />
verzerrungsfreie nationale und internationale<br />
Wettbewerbsbedingungen sowie die<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 113<br />
Verabschiedung eines Flughafenkonzeptes<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>, das eine zukunftsweisende,<br />
koordinierte Entwicklung ermöglicht.<br />
Bei der Strategie-Definition ist die Bedeutung<br />
einer engen Systempartnerschaft über die<br />
gesamte Luftverkehrs-Wertschöpfungskette<br />
zu berücksichtigen.<br />
■ Infrastrukturprojekte, die für die Entwicklung<br />
der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> von erheblicher<br />
Bedeutung sind, priorisieren. Dazu zählt u.a.<br />
der nachfragegerechte Ausbau von Flughäfen<br />
und ihrer intermodalen Anbindung.<br />
■ Konsequente Umsetzung der Harmonisierung<br />
und effiziente Nutzung <strong>des</strong> europäischen<br />
Luftraums (Single European Sky).<br />
■ Forschung und Lehre zu den Themen <strong>des</strong><br />
Luftverkehrs in <strong>Deutschland</strong> erweitern,<br />
fokussieren und finanziell stärken.
114<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
2. Starke Position durch hervorragende Vernetzung<br />
im deutschen Luftverkehr halten<br />
Die verschiedenen Untersuchungen zeigen zwei<br />
Sachverhalte sehr klar:<br />
■ Das deutsche Luftverkehrssystem ist heute<br />
insgesamt wettbewerbsfähig.<br />
■ Die Wettbewerbsstärke ist begründet, erstens,<br />
in der optimalen Ausnutzung der vorhandenen<br />
Infrastruktur, zweitens, in der<br />
überlegenen Effizienz der Beförderung umsteigender<br />
Passagiere, und drittens, in den<br />
sehr hohen Synergieeffekten zwischen den<br />
beiden deutschen Hubs und den „dezentralen“<br />
Flughäfen.<br />
Diese Wettbewerbsvorteile kommen weder umsonst<br />
noch sind sie ungefährdet. Umsteigende<br />
Passagiere sind in der Wahl ihrer Umsteigeorte frei.<br />
Sie können sich sehr schnell und einfach auf andere<br />
Umsteige-Hubs außerhalb <strong>Deutschland</strong>s umorientieren.<br />
Gründe könnten schnellere, pünktlichere,<br />
billigere oder angenehmere Umsteigeprozesse<br />
(Sicherheitskontrollen, Gepäckbeförderung, Check-<br />
In, Duty-Free etc.) an anderen Flughäfen sein.<br />
Planungs- und Genehmigungsprozesse für Infrastrukturentwicklungen<br />
laufen in anderen Ländern<br />
oft erheblich schneller. Es soll <strong>des</strong>halb kurz beleuchtet<br />
werden, an welche operativen, strategischen<br />
und regulativen Voraussetzungen die zukunftsfähige<br />
Wettbewerbsstärke <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems<br />
gebunden ist.<br />
Erstens: Transfer-Effizienz braucht ausreichend<br />
und damit bedarfsgerecht wachsende Infrastruktur<br />
Wie oben dargelegt, erfordert die Abhängigkeit <strong>des</strong><br />
deutschen Luftverkehrssystems vom Umsteigeverkehr<br />
überlegene Konnektivität der Flugplanstrukturen,<br />
überlegene Verbindungen zwischen der deutschen<br />
Fläche und den beiden Hubs und überlegene<br />
Prozesseffizienz. Es wurde insbesondere aufgezeigt,<br />
wie sensibel der Erfolg und die Wachstumsperspektiven<br />
von Hubs vom Umfang der zugrundeliegenden<br />
Flugbewegungen bestimmt werden<br />
und wie restriktiv sich Infrastrukturbeschränkungen<br />
auswirken. All dies belegt die überragende Bedeutung<br />
qualitativ hochwertiger und ausreichender<br />
Infrastruktur. Infrastrukturdefizite am Boden oder<br />
im Luftraum treffen die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />
deutschen Luftverkehrssystems härter als andere.<br />
Infrastrukturvorhaben wie z.B. die überaus zügigen<br />
und gewaltig dimensionierten Flughafen-Neubauten<br />
in der Golf-Region bedrohen die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
<strong>des</strong> deutschen und europäischen Luftverkehrssystems<br />
dabei im Kern. Hinzu kommt, dass<br />
solche neuen und sehr schnell wachsenden Infrastrukturprojekte<br />
nicht nur, politisch gefordert und<br />
gefördert, schneller umgesetzt werden. Min<strong>des</strong>tens<br />
ebenso ausschlaggebend ist die Tatsache, dass,<br />
politisch gefordert und gefördert, die beteiligten<br />
Flughäfen, Fluggesellschaften und, wenn auch<br />
zeitlich verzögert, Flugsicherungsorganisationen<br />
der gleichen Strategie folgen.<br />
Die wettbewerblich und ordnungspolitisch angemessene<br />
Reaktion hierauf kann nur der langfristig<br />
ausgerichtete und zügige Ausbau der Infrastruktur<br />
<strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems sein. Begrenzte<br />
Mittel müssen <strong>des</strong>halb länderübergreifend priorisiert<br />
Engpässe beseitigen und buchstäblich „Luft<br />
schaffen“. Luftverkehrs-Standorte müssen substanzielle<br />
und dauerhaft belastbare Wettbewerbsvorteile<br />
bieten oder sie verlieren ihre Zukunftsfähigkeit.<br />
Dabei wird eines oft vergessen: Zwar<br />
kann es Stimulierungseffekte auf Nachfrage durch<br />
zusätzliche Flugangebote geben. Dies darf aber<br />
nicht davon ablenken, dass Infrastruktur grundsätzlich<br />
nach tatsächlichem Bedarf ausgebaut werden<br />
muss. Die Nachfrage muss über das Angebot<br />
entscheiden, nicht umgekehrt.<br />
Zweitens: Überlegene Transfer-Effizienz braucht<br />
überlegene Prozess-Effizienz<br />
Transfer-Wettbewerb ist vor allem ein Wettbewerb<br />
um Zeitvorteile. Dabei ist ein Umsteigeflug<br />
erst dann wirklich schnell, wenn eine im veröffentlichten<br />
Flugplan als schnell beworbene<br />
Verbindung auch tatsächlich und regelmäßig so<br />
schnell bedient wird wie vom Passagier erwartet.<br />
Insofern gehören höchste Prozess-Disziplin und<br />
höchste Prozess-Effizienz gerade im Zusammen-
hang mit Umsteigeverkehren untrennbar zusammen.<br />
Eine maßgebliche Voraussetzung ist beispielsweise<br />
ein reibungsloser Gepäckförderprozess.<br />
Der Faktor Zeit als Schlüsselkriterium für die Weiterentwicklung<br />
aller Abläufe im Zusammenhang<br />
mit Umsteigeverkehren ist kritisch und darf nicht<br />
verwässert werden.<br />
Dabei darf die Perspektive nicht auf die unmittelbaren<br />
Passagierprozesse verengt werden: Eine dem<br />
Wettbewerb überlegene Transfer-Effizienz kann<br />
nur gelingen, wenn alle Flugsicherungs-, Fluglinienund<br />
Flughafenprozesse optimal und ganzheitlich<br />
aufeinander abgestimmt sind. Ein Beispiel hierzu:<br />
Aus operativer Sicht gibt es vor allem einzelne<br />
„Flüge“: Flüge kommen an und fliegen wieder ab,<br />
Flüge müssen abgefertigt werden. Prozesse aber,<br />
die lediglich „Flüge“ optimieren, verfehlen das Ziel:<br />
Es kommt entscheidend darauf an, Verbindungen<br />
zu optimieren, zu beschleunigen, zu stabilisieren.<br />
Dazu müssen alle Beteiligten den Wert von Flugverbindungen<br />
kennen, um Flüge als Bausteine von<br />
Verbindungen richtig priorisieren zu können. Die<br />
Verbindungswertigkeit als durchgängiges Kriterium<br />
aller Prozesse einer Wertschöpfungskette bietet<br />
noch Spielräume zur Verbesserung der Position <strong>des</strong><br />
deutschen Luftverkehrsmarktes im Wettbewerb um<br />
Transferpassagiere.<br />
Wenn Transfer-Effizienz also ganz wesentlich Wettbewerb<br />
um Zeitvorteile ist, dann müssen Umsteigeverbindungen<br />
in möglichst kurzer Zeit produziert<br />
werden können. Dabei gelten flughafenspezifische<br />
Min<strong>des</strong>tzeiten für Umsteigeverbindungen, die im<br />
Umsteige-Angebot der Fluggesellschaften nicht<br />
unterschritten werden dürfen. Wird die durchschnittliche<br />
effektive Umsteigezeit aller sinnvollen<br />
Verbindungen an verschiedenen relevanten Flughäfen<br />
und Hubs in Europa verglichen, dann liegt<br />
München mit einer effektiven durchschnittlichen<br />
Umsteigezeit von 60 Minuten klar an der Spitze,<br />
gefolgt von Wien mit 65 Minuten (obwohl die<br />
Min<strong>des</strong>tumsteigezeit in Wien mit 25 Minuten um<br />
5 Minuten kürzer ist als in München). Paris Charles<br />
de Gaulle folgt mit einer effektiven Umsteigezeit<br />
von im Schnitt 84 Minuten, Amsterdam mit<br />
89 Minuten, Frankfurt mit 92 Minuten und schließlich<br />
London als langsamster Umsteige-Hub deutlich<br />
1 Quelle: OAG 2007.<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 115<br />
abgeschlagen mit 111 Minuten. Zum Vergleich: die<br />
sehr viel größeren Hubs in den USA liegen im Bereich<br />
von 67 Minuten (Detroit) bis 75 Minuten<br />
(Chicago O’Hare). 1 US-Hubs sind sowohl größer<br />
als auch gleich schnell oder sogar schneller als ihre<br />
europäischen Pendants. Es ist also nicht die reine<br />
Größe, die einen Hub langsam macht, sondern vor<br />
allem Prozess-Ineffizienz und unzureichende Infrastruktur.<br />
Gerade kapazitiv unzureichende Infrastrukturen<br />
schlagen sich sehr leicht und stark in<br />
Verspätungen und langen Durchlaufzeiten kritischer<br />
Prozesse nieder.<br />
Die meisten europäischen Hubs leiden unter infrastrukturellen<br />
Einschränkungen, die je<strong>des</strong> einzelne<br />
Hubsystem langsam macht. Dies ist besonders<br />
augenfällig, wenn der Unterschied zwischen dem<br />
erst jüngst ausgebauten und sehr schnellen Hub<br />
München und dem vergleichsweise langsameren in<br />
Frankfurt verglichen wird, <strong>des</strong>sen Ausbau mehr als<br />
überfällig ist. Dieses Beispiel zeigt, wie unzureichende<br />
Infrastruktur sich in Zeitnachteile übersetzt<br />
und diese sich schließlich in Wettbewerbsnachteile<br />
manifestieren können. Umso wichtiger ist, dass<br />
diese ohnehin schon nur noch unterdurchschnittlichen<br />
Umsteigezeiten im internationalen Wettbewerb<br />
um Zeitvorteile nicht durch neue regulative<br />
Auflagen weiter belastet werden.<br />
Drittens: Transfer-Effizienz braucht die Synergien<br />
<strong>des</strong> Verbund-Systems<br />
Das Verbundsystem mit seinen offenkundigen<br />
Vorteilen für alle muss mit allem Nachdruck weiterentwickelt<br />
werden. Dieser Verbund ist nicht <strong>des</strong>halb<br />
entstanden, weil seine Sinnhaftigkeit zentral<br />
geplant worden wäre. Der Verbundeffekt ist <strong>des</strong>halb<br />
entstanden, weil er für Passagiere und kleine<br />
wie große Flughäfen sowie die Netzwerkfluggesellschaften<br />
in <strong>Deutschland</strong> ökonomisch vorteilhaft<br />
(und diese Vorteilhaftigkeit offensichtlich) ist. Dies<br />
ist angesichts der föderalen Verantwortlichkeiten<br />
für den Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong> nicht selbstverständlich.<br />
Das föderale Prinzip hat einen erheblichen Anteil<br />
an der sehr guten Infrastruktur in den Ländern<br />
und Wirtschaftsregionen. Die übergreifenden
116<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Gestaltungsinstrumente in <strong>Deutschland</strong> sind aber<br />
weder materiell noch hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit<br />
ausreichend stark, um die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
im Umsteigeverkehr wirksam absichern<br />
zu können. Dadurch kommt es zu Zeitverlusten,<br />
hohen Planungskosten und fehlgeleiteten Investitionen<br />
in fragwürdige Infrastrukturprojekte.<br />
Gestaltungsinstrumente wie das Flughafenkonzept<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und der Masterplan Güterverkehr<br />
und Logistik sind <strong>des</strong>halb Schritte in die<br />
richtige Richtung. Diese Instrumente müssen aber<br />
sowohl materiell als auch hinsichtlich ihrer politischen<br />
Verbindlichkeit verstärkt werden, um die<br />
<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> mit zentral gesteuerten<br />
Märkten in anderen europäischen Ländern dauerhaft<br />
aufrecht erhalten zu können. Solche übergeordneten<br />
Gestaltungsinstrumente müssen dabei<br />
jeder Versuchung widerstehen, Rahmenbedingungen<br />
der internationalen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der<br />
Luftverkehrs-Wertschöpfungskette in <strong>Deutschland</strong><br />
durch zusätzliche Auflagen weiter zu<br />
erschweren.<br />
Luftverkehr braucht Nachtflüge<br />
Drei Nachfragesegmente erfordern Nachtflüge:<br />
■ Langstreckenflüge müssen aus <strong>Deutschland</strong><br />
nachts abfliegen, damit Fluggäste am Zielort<br />
zur nachgefragten Zeit ankommen oder umsteigen<br />
können, oder sie müssen nachts<br />
ankommen dürfen, wenn sie nachgefragte<br />
Abflugzeiten bedienen wollen. Zugleich müssen<br />
Langstreckenflüge nachfragegerecht<br />
durch Zu- und Abbringerflüge bedient werden<br />
können. Durch Nachtflugverbote wird<br />
Nachfrage nicht „umgewöhnt“, sondern zu<br />
bzw. über Wettbewerberstandorte umgeleitet.<br />
Beispielsweise werden über Dubai heute<br />
schon sehr viele Umsteigeverbindungen über<br />
Nacht angeboten und entziehen so dem<br />
deutschen Luftverkehrssystem wichtige<br />
Nachfrage. Abflüge aus der Golfregion nach<br />
<strong>Deutschland</strong> starten typischerweise schon<br />
gegen 2.00 oder 3.00 Uhr in der Nacht, um<br />
zu Geschäftsbeginn in <strong>Deutschland</strong> ankommen<br />
oder die erste Welle der Umsteigemöglichkeiten<br />
erreichen zu können. Der Rückflug<br />
in die Golfregion startet dann optimal zu Geschäftsbeginn<br />
am Morgen. Der umgekehrte<br />
Fall ist nicht möglich.<br />
■ Luftfracht ist per Definition zeitkritisch. Immer<br />
mehr werden Lieferzeiten am frühen Morgen<br />
verlangt, die nur möglich sind, wenn die<br />
(insbesondere z.B. verderbliche) Fracht über<br />
Nacht zum Zielort geflogen werden kann. Die<br />
gesamten Logistikketten der großen Produktionsunternehmen<br />
am Export-Standort<br />
<strong>Deutschland</strong> werden heute auf just-in-time<br />
feingesteuert. Dabei sind die Logistikketten<br />
typischerweise über viele beteiligte Unternehmen<br />
verteilt. Der Golf in Wolfsburg kann nur<br />
dann pünktlich ausgeliefert werden, wenn die<br />
Chips aus Übersee für die Produktion der<br />
elektronischen Motorsteuerung in Stuttgart<br />
auf die Minute pünktlich angeliefert werden<br />
und das Steuerungsmodul dann pünktlich in<br />
Wolfsburg ankommt. Pünktlichkeit ist Voraussetzung<br />
für das notwendige Ineinandergreifen<br />
der vielfach verketteten, modernen<br />
Produktionsverfahren und Transportwege.<br />
Luftfracht ist die einzige Möglichkeit, eine<br />
solche Pünktlichkeit für Transporte über längere<br />
Distanzen und/oder mit der Notwendigkeit<br />
sehr kurzer Transportzeiten sicherzustellen.<br />
Nachtflugverbote brechen solche Ketten<br />
aber rücksichtslos und mit erheblichen potenziellen<br />
Folgewirkung auf die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
aller betroffenen Produktionsketten<br />
auf. Auch hier gilt: Nachtflugverbote reduzieren<br />
nicht die Nachfrage, sondern verlagern sie<br />
lediglich. Nachtflugverbote können die Standortqualität<br />
und damit Standortentscheidungen<br />
erheblich beeinflussen.<br />
■ Ferienflüge können wegen der relativ langen<br />
Flugwege von <strong>Deutschland</strong> zu den typischen<br />
Mittelmeer<strong>des</strong>tinationen (2 bis 5 Stunden)<br />
nur dann eine wirtschaftlich vertretbare Flugzeugauslastung<br />
erreichen, wenn die Flüge<br />
sehr früh am Morgen starten, im Laufe <strong>des</strong><br />
Tages mehrere vollständige Umläufe (häufig<br />
zu unterschiedlichen Destinationen mit<br />
unterschiedlicher Fluglänge als wichtigem<br />
Optimierungsinstrument) in die Zielgebiete<br />
fliegen und sehr spät am Abend wieder in<br />
<strong>Deutschland</strong> landen können. Reicht die Zeit<br />
nicht mehr für einen weiteren vollständigen<br />
Umlauf wegen zu knapper Nachtflugbeschränkungen,<br />
muss das Flugzeug am Boden<br />
bleiben, Passagiere können nicht mehr transportiert<br />
werden. Damit reduziert sich die
Flugzeugauslastung schlagartig um viele<br />
Stunden (dem Äquivalent eines fast vollständigen<br />
Umlaufes), die Flugkosten würden unweigerlich<br />
nach oben schnellen und Umsätze<br />
entfallen.<br />
Die herausragende Bedeutung von Langstreckenverkehren,<br />
Luftfracht und Ferienflügen für den<br />
Standort <strong>Deutschland</strong> ist in den vorigen Kapiteln<br />
ausführlich belegt worden. Es sei <strong>des</strong>halb an dieser<br />
Stelle nur ein Aspekt hinzugefügt: Nachtflugeinschränkungen<br />
sollten vorrangig Innovationsdruck<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 117<br />
auf leisere Flugzeuge ausüben und solche Innovationen<br />
belohnen. Eine Zulassung nächtlicher Frachtflüge<br />
bei gleichzeitigem Verbot von Passagierflügen<br />
ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern setzt<br />
sehr einseitig auf das innovationsfeindliche Instrumentarium<br />
einfacher Verbote. Allen Beteiligten<br />
wäre im Sinne einer nachhaltigen Lösung viel besser<br />
gedient, wenn auch für die Nachtzeit Lärm-Schwellenwerte<br />
definiert würden, die dann qua Innovationsdruck<br />
positive Beschäftigungseffekte auslösen<br />
und nächtlichem Luftverkehr am Standort <strong>Deutschland</strong><br />
eine Perspektive erhalten könnten.<br />
3. Gibt es noch einen „deutschen Luftverkehrsmarkt“?<br />
Wie weiter oben dargelegt, reichen die relevanten<br />
Einzugsgebiete deutscher Flughäfen oft sehr weit<br />
über die deutschen Grenzen hinaus. Umgekehrt<br />
reicht z.B. das Einzugsgebiet <strong>des</strong> Flughafens<br />
Amsterdam bis tief ins Ruhrgebiet hinein. Die<br />
weit überwiegende Zahl der Destinationen der<br />
Lufthansa liegt außerhalb <strong>Deutschland</strong>s. Durch<br />
den Erwerb der Swiss mit ihrem Hub in Zürich<br />
(ZRH) hat die Lufthansa sogar einen bedeutenden<br />
Hub außerhalb (wenn auch luftverkehrsrechtlich<br />
quasi innerhalb) der EU in ihr Netz integriert.<br />
Sicher gibt es noch einen spezifisch deutschen<br />
Absatzmarkt. Aber auch hier verwischen die<br />
Grenzen durch den weltweit zentralisierten Einkauf<br />
von Reiseleistungen der großen Konzerne.<br />
Die Vorstellung eines „deutschen Luftverkehrsmarktes“<br />
ist also angesichts heutiger Marktwirklichkeit<br />
weitgehend irreal.<br />
Eine global im Wettbewerb stehende Luftverkehrsgesellschaft<br />
kann heute nur noch unter sehr günstigen<br />
Bedingungen auf ein Netz mehrerer großer<br />
Hubs verzichten. Mit der Notwendigkeit, eigene<br />
Märkte über Allianzen, Kooperationen oder Zukäufe<br />
auch geografisch erheblich zu vergrößern, stellt<br />
sich für Lufthansa, Air France-KLM oder British<br />
Airways immer häufiger die Frage, inwiefern ein<br />
ausgeweitetes Netz auch durch zusätzliche Hubs<br />
ausgestattet werden muss bzw. bestehende Hubs<br />
im Zuge von Akquisitionen erhalten werden sollen.<br />
Wie ihre Wettbewerber auch ist Lufthansa längst<br />
vom Single-Hub-„National Carrier“ zur europäischen<br />
Fluggesellschaft mit einem Multi-Hub-Netzwerk<br />
gewachsen.<br />
Luftverkehrspolitik als Standortpolitik muss also<br />
deutsche Marktteilnehmer für den internationalen<br />
Wettbewerb stärken. Deutsche Luftverkehrs-<br />
Standortpolitik muss die Rahmenbedingungen<br />
dazu schaffen, dass sich die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
deutscher Teilnehmer am internationalen Wettbewerb<br />
in möglichst viele und möglichst qualifizierte<br />
Arbeitsplätze in <strong>Deutschland</strong> übersetzt. Darüber<br />
hinaus dürfen durch regulatorische Eingriffe keine<br />
Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Zu einer<br />
solchen Standortpolitik für den Luftverkehr gehört<br />
die gezielte Förderung von Forschung und Lehre<br />
aller Luftverkehrsthemen, nicht nur im technischen,<br />
sondern zunehmend auch im betriebs- und volkswirtschaftlichen<br />
Kontext.
118<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
4. Die Hubs in <strong>Deutschland</strong> werden international<br />
zunehmend austauschbar<br />
Der Druck auf Luftverkehrs-Standortpolitik steigt.<br />
Durch die Konsolidierung der Luftverkehrsunternehmen<br />
weltweit entstehen Strukturen, in denen<br />
lokale Standorte zunehmend austauschbar werden.<br />
In den USA hat Delta Air Lines ihre Drehscheiben-Operations<br />
in Dallas Fort Worth kurzerhand<br />
auf die Größe eines Regionalflughafens<br />
zurückdimensioniert (American Airlines bleibt aber<br />
unverändert stark in Dallas Fort Worth), da dieser<br />
Hub für Delta ökonomisch nicht mehr zu rechtfertigen<br />
war. US Airways hat ähnlich radikal seinen<br />
Hub in Pittsburgh zurückgestutzt. Im Zuge der<br />
gegenwärtigen Zusammenschluss-Verhandlungen<br />
zwischen Delta Air Lines und Northwest Airlines<br />
wird offen die Schließung der Hubs in Cincinnati<br />
und Memphis erwogen. Im Zuge der Sanierung<br />
Die Europäische Union hat mit großer Kraftanstrengung<br />
in 2004 das Paket „Single European Sky I“<br />
verabschiedet und damit den Weg bereitet für eine<br />
substanzielle Vereinheitlichung <strong>des</strong> europäischen<br />
Luftraums. Das jüngst vorgelegte Paket „Single<br />
European Sky II“ hat die Entschlossenheit der EU-<br />
Kommission zu konkreten Schritten nochmals betont<br />
und verstärkt. Gleichwohl besteht Sorge angesichts<br />
der bestenfalls schleppenden Entwicklung dringend<br />
notwendiger Modernisierungen der Geschäfts- und<br />
Governance-Modelle und auch technischer Infrastrukturen<br />
im Bereich der europäischen Flugsicherung.<br />
SES I und SES II formulieren Ziele und Kriterien,<br />
zeichnen aber kein konkretes gesamtheitliches<br />
Szenario zukünftiger Entwicklung. Einerseits lässt<br />
dies Gestaltungsspielräume offen, andererseits lädt<br />
dies zu sehr langen Konsensbildungsprozessen ein.<br />
Manche dieser Konsensbildungsprozesse sind bereits<br />
gescheitert (z.B. CEATS, Central European Air Traffic<br />
Services). In der Sache ist trotz SES I und SES II in<br />
Europa zu wenig Messbares geschehen. In 2007<br />
der Swiss wurde die Drehscheibe Genf praktisch<br />
aufgelöst. Es besteht kein Zweifel: Die großen<br />
Multi-Hub-Systeme führen zu immer größerer<br />
Austauschbarkeit der einzelnen Hubs. Diese Beispiele<br />
zeigen, dass die Daseinsberechtigung von<br />
Luftverkehrsstandorten heute sehr schnell in Frage<br />
gestellt werden kann, wenn diese Standorte ihre<br />
<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> eingebüßt haben. Und<br />
immer weniger taugt die nationale oder regionalpolitische<br />
Karte als Stich, um Standorte gegen<br />
ökonomische Vernunft aufrechtzuerhalten. Es<br />
kommt also entscheidend darauf an, die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
der Kapazität, Infrastruktur, Kosten<br />
und nicht zuletzt die intermodale Anbindung der<br />
Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> konsequent zu erhalten<br />
und auszubauen.<br />
5. Dringend erforderliche Reformen zur Effizienzsteigerung<br />
der Nutzung von Lufträumen in Europa werden nicht<br />
umgesetzt<br />
mahnte der Bericht der „High Level Group“ im<br />
Auftrag der EU-Kommission sehr nachdrücklich<br />
konkrete Schritte und einen klaren Zeitplan der<br />
Umsetzung an – bislang ohne Folgen. Alle Flugsicherungsunternehmen<br />
(Air Navigation Service Provider,<br />
ANSP) und Regierungen der Mitgliedsländer beraten<br />
intensiv die Möglichkeiten, größere und einheitliche<br />
Lufträume zu schaffen (sog. Functional Airspace<br />
Blocks, FABs), vielfach ohne aber bisher über das<br />
Beratungsstadium hinauskommen zu können.<br />
Die Bemühungen der DFS Deutsche Flugsicherung<br />
GmbH als einem der größten ANSP in Europa, seine<br />
europäische Handlungsfähigkeit in einem SES-Szenario<br />
durch eine Kapital-Teilprivatisierung überhaupt<br />
erst herzustellen, sind aufgrund verfassungsrechtlicher<br />
Vorbehalte auf Eis gelegt worden. Nicht einmal<br />
die Fußfesseln der Bun<strong>des</strong>haushaltsordnung wurden<br />
gelockert. Hinzu kommt, dass die nur noch begrenzte<br />
Legislatur <strong>des</strong> EU-Parlamentes und damit der<br />
gegenwärtigen Kommission keine große Hoffnung
auf Beschlüsse zur Umsetzung von SES II und einen<br />
detaillierteren Rechtsrahmen für die Schaffung von<br />
FABs begründen können. Ungeachtet aller Diskussionen<br />
über die Ausgestaltung von FABs, über Technologien<br />
wie „SESAR“, über geeignete oder ungeeignete<br />
Verantwortungsstrukturen für SES wird es<br />
höchste Zeit, endlich zu entscheiden und umzusetzen.<br />
Hierbei geht es auch um Fragen, die für die an<br />
SES beteiligten Flugsicherungsorganisationen ausge-<br />
Ebenso wie es innerhalb Europas keinen deutschen,<br />
sondern nur noch einen integrierten europäischen<br />
Luftverkehrsmarkt gibt, werden auch die Entscheidungsstrukturen<br />
und Entscheidungskriterien im<br />
Luftverkehr immer globaler. Für den Standort ist<br />
dabei entscheidend, dass die Ausweitung der Sichtund<br />
Handlungsweise auf den globalen Wettbewerb<br />
nicht vorrangig aus partikulärem Interesse, sondern<br />
aus den Erfordernissen der gesamten Wertschöpfungskette<br />
heraus vorangetrieben wird. Deshalb ist<br />
die Systempartnerschaft zwischen Fluggesellschaften,<br />
Flughäfen, Flugsicherung und der Administration<br />
entscheidend wichtig für das Entwickeln und<br />
Durchsetzen von Standortvorteilen. Gleichwohl<br />
aber holen andere Standorte, insbesondere Frankreich,<br />
hier sehr schnell auf und der Vorsprung <strong>des</strong><br />
deutschen Systems in dieser Hinsicht schmilzt rapide.<br />
Umso mehr kommt es darauf an, das Zusammenspiel<br />
der deutschen Akteure beispielsweise auch<br />
im europäischen Kontext zu stärken. Dies gilt insbesondere<br />
vor dem Hintergrund, dass zwischen allen<br />
großen europäischen Netzwerkfluggesellschaften<br />
und Hubs Interessensgleichheit besteht, die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> Europa<br />
insgesamt gegenüber aufstrebenden Standorten<br />
beispielsweise in der Golf-Region oder in Asien zu<br />
stärken. Hier einen Schulterschluss zu erzielen, liegt<br />
aus den genannten Gründen im deutschen Interesse<br />
mehr noch als in demjenigen der anderen europäischen<br />
Luftverkehrsstandorte.<br />
An den Schaltstellen <strong>des</strong> internationalen Luftverkehrs<br />
sind deutsche Passagiere und Flughäfen eine<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 119<br />
glichene Rahmenbedingungen auf EU-Ebene fördern.<br />
Für die Lösung der massiven Engpassprobleme<br />
im Luftraum über Europa gibt es keine Lösungen auf<br />
der Ebene der Mitgliedsländer, sondern nur auf der<br />
Ebene Europas. <strong>Deutschland</strong> mit seiner zentralen<br />
verkehrsgeografischen Lage hat ein vitales Interesse<br />
daran, sehr rasch Planungs- und Handlungssicherheit<br />
herzustellen – mehr als fast alle anderen Mitgliedsländer<br />
der EU.<br />
6. Wie föderal können die regulativen Entscheidungsstrukturen<br />
im deutschen Luftverkehr bleiben angesichts<br />
einer rapide globalisierenden Luftverkehrsindustrie?<br />
Entscheidungsgröße unter mehreren, wenn nicht<br />
unter vielen anderen. Weiter oben wurde die zunehmende<br />
Austauschbarkeit der Einzelmärkte in<br />
diesem Zusammenhang diskutiert. Die weltweiten<br />
Allianzen Star Alliance, Sky Team oder One World<br />
globalisieren die Regeln der Ressourcenallokation<br />
und Entscheidungsfindung weiter. Währungsrisiken<br />
sind für die Bilanzen der Luftverkehrsgesellschaften<br />
von derart fundamentaler Bedeutung geworden,<br />
dass Standortfragen zunehmend auch unter dem<br />
Gesichtspunkt <strong>des</strong> „risk exposure“ diskutiert werden.<br />
Es sind global orientierte Fragen wie z.B. nach den<br />
„National Ownership Clauses“, also der luftverkehrsrechtlichen<br />
Bindung von Verkehrsrechten an „nationale“<br />
Eigentumsstrukturen, deren Beantwortung die<br />
globale Branchenstruktur bestimmen werden.<br />
Auch Flughafenbetreiber investieren inzwischen<br />
global, nicht zuletzt um Abhängigkeiten von einzelnen<br />
Standorten auszugleichen. Die Kapitalmärkte<br />
haben ihren Druck in dieser Richtung zumin<strong>des</strong>t<br />
auf die privatisierten Flughäfen in den letzten<br />
Jahren deutlich erhöht.<br />
Passagier-Umsteigeverkehre dürfen nicht mit<br />
LKW-Transitverkehren verwechselt werden<br />
Passagier-Umsteigeverkehre und LKW-Transitverkehre<br />
sind strukturell, strategisch und ökonomisch<br />
nicht vergleichbar. Die Gründe, internationale<br />
LKW-Transitverkehre in der aktuellen verkehrspolitischen<br />
Diskussion in <strong>Deutschland</strong> in Frage zu<br />
stellen, mögen kontrovers zu diskutieren sein. Es
120<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
kann allerdings keinen Zweifel an der zwingenden<br />
Notwendigkeit und immensen Werthaltigkeit umsteigender<br />
Passagiere für den Luftverkehrsstandort<br />
<strong>Deutschland</strong> geben. Weiter oben wurde die hohe<br />
Bedeutung von Umsteigeverkehren im deutschen<br />
Systemverbund der Flughäfen und Hubs belegt.<br />
Die gleiche Logik gilt für international umsteigende<br />
Fluggäste: Sie sind Voraussetzung für die wirtschaftliche<br />
Darstellbarkeit sehr vieler Verbindungen,<br />
die ansonsten den Geschäfts- und Privatreisenden<br />
aus den internationalen Flughäfen in<br />
<strong>Deutschland</strong> nicht zur Verfügung stünden. Die<br />
originäre Nachfrage nach Punkt-zu-Punkt-Verbindungen<br />
reicht vielfach nicht aus, um solche Flüge<br />
wirtschaftlich betreiben zu können. Die Vernetzung<br />
<strong>des</strong> Flugangebotes für Passagiere in <strong>Deutschland</strong><br />
mit internationalen Umsteigepassagieren ist daher<br />
zwingende Voraussetzung und im vitalsten Interesse<br />
eines dichten und breiten Angebotes für Nachfrage,<br />
die in <strong>Deutschland</strong> entsteht oder hier ihr Ziel<br />
hat. Im Übrigen beträgt der Anteil der International-nach-International<br />
in Frankfurt oder München<br />
angebotenen Flugverbindungen in Frankfurt mit<br />
63% und München mit 57% aller Verbindungen<br />
sogar deutlich weniger als in Amsterdam mit 98%,<br />
Paris Charles de Gaulle 74%, London Heathrow<br />
7. Was zu tun ist<br />
Vor dem Hintergrund aller geschilderten Analysen<br />
und Schlussfolgerungen ist die Frage zu stellen, wie<br />
die föderalen Instrumente (Zuständigkeiten der<br />
Länder für Flughafenpolitik im Zuge einer Bun<strong>des</strong>auftragsverwaltung)<br />
zusammen mit denjenigen <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong> und der EU-Kommission so genutzt werden<br />
können, dass sie das deutsche Luftverkehrssystem<br />
optimal für den globalen Wettbewerb und seine<br />
Entscheidungsstrukturen positionieren.<br />
Das folgende Maßnahmenpaket soll dazu beitragen,<br />
die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> zu erhalten und auszubauen:<br />
Zukunftsfähige Luftverkehrsstrategie definieren<br />
Eine klare und einvernehmliche Strategie für die<br />
zukunftsfähige Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> ist unverzichtbar. Ein zukunfts-<br />
72%. Lediglich Madrid hängt mit 22% seiner<br />
Verbindungen von International-International<br />
Verbindungen ab. Im Kapitel I. 2.4.1 dieses Berichtes<br />
werden die entsprechenden Nachfragezahlen<br />
genannt. Hinzu kommt, dass auch international<br />
umsteigende Passagiere den in <strong>Deutschland</strong> ansässigen<br />
Luftverkehrsgesellschaften Umsätze<br />
bescheren, auf den Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> in<br />
erheblichem Umfang gastronomische und andere<br />
Handelsangebote in Anspruch nehmen, und sich<br />
durch Gebühren für Starts, Landungen und Flugsicherungsleistungen<br />
positiv im Bruttoinlandsprodukt<br />
niederschlagen und somit einen wichtigen<br />
Beitrag zur Wertschöpfung leisten.<br />
Der Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> kann auf<br />
international umsteigende Verkehre ohne ganz<br />
erhebliche Einbußen für Passagiere von und nach<br />
<strong>Deutschland</strong> nicht verzichten. International umsteigende<br />
Verkehre sind conditio sine qua non für den<br />
Bestand und die Zukunftsfähigkeit eines nachfragegerechten<br />
Flugangebotes an Privat- und Geschäftsreisende<br />
in der Fläche <strong>Deutschland</strong>s. Mögliche<br />
Schlussfolgerungen aus der oben dargelegten<br />
LKW-Debatte dürfen also nicht auf das Thema<br />
Luftverkehr übertragen werden.<br />
fähiger Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> braucht<br />
eine umfassende und explizite Vorstellung darüber,<br />
■ wie sich die deutschen, europäischen und<br />
globalen Luftverkehrsmärkte entwickeln,<br />
welche Verkehrssegmente wie stark wachsen<br />
oder schrumpfen werden und welches die<br />
Treiber dieser Trends sind,<br />
■ wie sich miteinander im Wettbewerb stehende<br />
europäische oder andere relevante Luftverkehrsstandorte<br />
angesichts ihrer jeweiligen<br />
Stärken, Schwächen und Möglichkeiten entwickeln<br />
und im Wettbewerb bewegen können,<br />
■ mit welchen spezifischen Stärken der Standort<br />
<strong>Deutschland</strong> sich diesen Entwicklungen gegenüber<br />
aufstellen muss und welche Stärken<br />
hierzu ausgebaut werden müssen,<br />
■ welches die infrastrukturellen, regulativen<br />
und wettbewerblichen Voraussetzungen einer
erfolgreichen Positionierung in einem zukünftigen<br />
Wettbewerbsgefüge sein werden und<br />
wie diese Voraussetzungen am Standort<br />
<strong>Deutschland</strong> erfüllt werden können.<br />
Aus diesen Aspekten <strong>des</strong> strategischen „Schachspiels“<br />
muss der Weg und müssen die Maßnahmen<br />
und realistischen Meilensteine abgeleitet werden, die<br />
diese Strategie politisch und operativ unterlegen.<br />
Ganz wesentliche Inhalte einer zukunftsweisenden<br />
Strategie für den Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong><br />
müssen die Notwendigkeiten verzerrungsfreier<br />
Wettbewerbsbedingungen am Standort und im<br />
internationalen Wettbewerb ebenso beinhalten wie<br />
die Bedeutung enger Systempartnerschaft über die<br />
gesamte Luftverkehrs-Wertschöpfungskette am<br />
Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong>:<br />
■ Ein fairer und verzerrungsfreier Wettbewerb<br />
in allen Bereichen <strong>des</strong> Luftverkehrs an und<br />
zwischen den Standorten ist Voraussetzung<br />
für ein nachhaltiges Wachstum. Die Liberalisierung<br />
hat die positive Entwicklung der<br />
Luftverkehrswirtschaft befördert. Einseitige<br />
Zusatzbelastungen oder Ungleichbehandlungen<br />
müssen verhindert werden: Derartige<br />
Ansätze auf nationaler oder europäischer<br />
Ebene verschlechtern die Position der deutschen<br />
Luftverkehrsgesellschaften im Vergleich<br />
zu internationalen Wettbewerbern und<br />
gefährden die Wachstums- und Arbeitsplatzperspektiven.<br />
Daher sind staatliche Eingriffe<br />
wie zusätzliche einseitige Steuern oder Subventionen<br />
abzulehnen.<br />
■ Die Luftverkehrs-Wertschöpfungskette in<br />
<strong>Deutschland</strong> ist deutlich unterschiedlichen<br />
Fortschritten der Liberalisierung wie auch der<br />
Wettbewerbsintensität ausgesetzt. Das Wettbewerbsprinzip<br />
muss über die gesamte Wertschöpfungskette<br />
im Luftverkehr weiterentwickelt<br />
und ausgeglichen werden. Dies verlangt<br />
u.a. ein bedarfs- und nachfrageorientiertes<br />
sowie nach marktwirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten ausgerichtetes Agieren aller<br />
wirtschaftlichen Akteure sowie eine sinnvolle<br />
Aufgabenteilung zwischen Privatwirtschaft<br />
und Luftverkehrspolitik.<br />
Jede Strategie braucht ein Nachverfolgen der<br />
Maßnahmen und Meilensteine. Hierzu ist ein<br />
regelmäßiges und strukturiertes Monitoring der<br />
Umsetzungs-Fortschritte erforderlich.<br />
Infrastrukturprojekte priorisieren<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 121<br />
Die föderale Struktur der Verantwortlichkeiten für<br />
den Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong> birgt das latente<br />
Risiko, diejenigen Infrastrukturprojekte, die für die<br />
internationale <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der übergreifenden<br />
Wertschöpfungskette in <strong>Deutschland</strong><br />
erheblich sind, nicht früh und nicht klar genug zu<br />
erkennen und in der Folge nicht angemessen zu<br />
priorisieren. Es ist <strong>des</strong>halb Voraussetzung für die<br />
Zukunftsfähigkeit <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>, diejenigen Infrastrukturprojekte, die<br />
für die Entwicklung der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong> von erheblicher<br />
Bedeutung sind, früh zu erkennen und zu<br />
priorisieren. Luftverkehrsinfrastruktur muss generell<br />
zu wettbewerbsfähigen Kosten erstellt und<br />
angeboten werden können. Dafür sind länderübergreifende<br />
Instrumente ebenso notwendig<br />
wie politische Durchsetzbarkeit der gesetzten<br />
Prioritäten.<br />
Schwerpunktthemen konkretisieren<br />
Wichtigstes Schwerpunktthema bleibt der nachfragegerechte<br />
Ausbau der Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Als außerdem besonders förderungswürdig<br />
erachtete Infrastrukturmaßnahmen können<br />
dabei grundsätzlich Intermodalanschlüsse von<br />
Bahn, Straße und Flughäfen, oder gezielte Verbesserungen<br />
an bestehenden Flughäfen betreffen<br />
(wie z. B. den ICE-Anschluss <strong>des</strong> neuen<br />
Berliner Flughafens, die Schienenfernverkehrsanbindung<br />
<strong>des</strong> Flughafens München oder den<br />
Ausbau von Flughäfen). Wesentlich ist, dass<br />
sämtliche Maßnahmen konkret benannt und<br />
umfassend unterlegt werden.<br />
Konsequente Umsetzung von Single European Sky<br />
Der gesamte Luftverkehrsmarkt in Europa hat ein<br />
vitales Interesse an einer Harmonisierung und<br />
effizienteren Nutzung <strong>des</strong> europäischen Luftraums.<br />
Alle Entscheidungsträger und Akteure der gesamten<br />
Luftverkehrs-Wertschöpfungskette in <strong>Deutschland</strong><br />
drängen auf die konsequente und rasche<br />
Umsetzung der in den beiden Single-European-<br />
Sky-Paketen definierten Maßnahmen.
122<br />
IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Rolle <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> stärken<br />
Der Bund steht in besonderer Verantwortung für<br />
die Definition und Umsetzung einer zukunftsfähigen<br />
Luftverkehrsstrategie für den Standort<br />
<strong>Deutschland</strong>. Um diese Verantwortung wahrnehmen<br />
zu können, müssen ihm die dazu notwendigen<br />
Instrumente zu Gebote stehen.<br />
Nicht nur bei der Strategiedefinition, sondern auch<br />
zur erfolgreichen Umsetzung der entsprechenden<br />
Maßnahmen kommt dem Bund als Moderator und<br />
im Zuge der Bun<strong>des</strong>auftragsverwaltung verantwortlichem<br />
Organ eine besondere Bedeutung zu.<br />
Die als prioritär identifizierten Infrastrukturmaßnahmen<br />
sollen durch Herausstellung im Flughafenkonzept<br />
der Bun<strong>des</strong>regierung Vorrangstatus in den<br />
politischen und administrativen Genehmigungsprozessen<br />
erhalten. Darüber hinaus soll das Flughafenkonzept<br />
eine materielle und planungsrechtliche<br />
Verbindlichkeit erhalten, die bisher weder ausreichend<br />
eingefordert noch angemessen zugestanden<br />
wurde. Das Flughafenkonzept darf nicht der einzi-<br />
ge Hebel einer umfassenden Strategie bleiben:<br />
Ohne ein angepasstes Planungsrecht z.B. bleiben<br />
die Spielräume einer zukunftsfähigen Standortstrategie<br />
zu eng.<br />
Forschung stärken<br />
Forschung und Lehre in <strong>Deutschland</strong> zu den nicht<br />
technologiebestimmten Themen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
stehen noch immer nicht im Einklang mit der globalen<br />
Bedeutung <strong>des</strong> Luftverkehrs für den Wirtschaftsstandort<br />
<strong>Deutschland</strong>. Dies gilt für Themen<br />
zu den volkswirtschaftlichen Effekten <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />
über betriebswirtschaftliche Aspekte der<br />
Luftverkehrs-Logistik bis hin zu interdisziplinären<br />
Ansätzen allgemeiner Netztheorie. Die Spitzenforschung<br />
zu Themen der Luftverkehrswirtschaft in<br />
den USA setzt einerseits Standards, ist aber nur<br />
begrenzt auf europäische Verhältnisse übertragbar.<br />
Hier besteht konzertierter Handlungsbedarf zwischen<br />
Bund, Ländern und den „Clustern“ der Luftverkehrswirtschaft<br />
(Flughäfen, Fluggesellschaften,<br />
Flugsicherung) in <strong>Deutschland</strong>.
Glossar<br />
Anforderungsverkehr<br />
Gewerbliches Beförderung von Personen oder<br />
Gütern im Nicht-Linienverkehr für Dritte mit Flugzeugen<br />
über 5,7 Tonnen höchstzulässigem Startgewicht<br />
(aMTOW). Anforderungs- und a Trampverkehr<br />
mit Flugzeugen bis einschl. 5,7Tonnen<br />
MTOW wird dem a Taxiverkehr zugeordnet.<br />
ACI<br />
Airports Council International, 1991 gegründete<br />
Weltorganisation der Flughäfen. Vorrangiger<br />
Zweck: Interessenvertretung und Förderung der<br />
Zusammenarbeit zwischen den Flughäfen mit dem<br />
Ziel, den Luftverkehr global sicherer, effizienter und<br />
umweltverträglicher zu gestalten.<br />
ADV<br />
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen,<br />
1947 gegründeter Dachverband der deutschen Verkehrsflughäfen<br />
mit Sitz in Berlin, vertritt als Bun<strong>des</strong>verband<br />
der deutschen Flughäfen die gemeinsamen<br />
Interessen der Mitglieder und setzt sich für ein<br />
leistungsstarkes deutsches Flughafensystem ein.<br />
Allgemeine Luftfahrt (General Aviation)<br />
Ziviler Luftverkehr mit Ausnahme <strong>des</strong> von Linienfluggesellschaften<br />
(a Netzwerkfluggesellschaften) und<br />
a Ferienfluggesellschaften durchgeführten Verkehrs.<br />
AMS<br />
Flughafen Amsterdam<br />
ANSP<br />
Air Navigation Service Provider, Flugsicherungsorganisationen,<br />
z.B. in <strong>Deutschland</strong>: DFS Deutsche<br />
Flugsicherung GmbH.<br />
AOPA<br />
Aircraft Owners and Pilots Association, ist in über<br />
50 Ländern vertreten und mit mehr als 450.000<br />
Mitgliedern die größte Pilotenvereinigung der<br />
Welt. In ihr sind Piloten und Flugzeugeigentümer<br />
der a Allgemeinen Luftfahrt organisiert. Alle<br />
Ländervertretungen der AOPA gehören der IAOPA<br />
an, dem internationalen Dachverband.<br />
ATC<br />
Air Traffic Control, Flugsicherung.<br />
ATFM<br />
Air Traffic Flow Management, Verkehrsflussregelung,<br />
Planung und Steuerung der Flugverkehrsmenge<br />
mit dem Ziel, einen sicheren, geordneten<br />
und hohen Verkehrsfluss zu gewährleisten. Dafür<br />
müssen (1) die maximale Ausnutzung vorhandener<br />
Kapazitäten sichergestellt und (2) durch Regulierung<br />
<strong>des</strong> Verkehrs Überlastsituationen in einzelnen<br />
Verkehrsräumen vermieden werden.<br />
ATM<br />
Air Traffic Management, Flugverkehrsmanagement,<br />
dient der Sicherstellung einer sicheren<br />
und effizienten Bewegung von Luftfahrzeugen<br />
während allen Phasen ihres Betriebes am Boden<br />
und in der Luft.<br />
ATR 42<br />
Die ~ ist das kleinere Modell von zwei Turboprop-<br />
Regionalverkehrsflugzeugen <strong>des</strong> französisch-italienischen<br />
Herstellerkonsortiums Avions de Transport<br />
Régional.<br />
Ausladung<br />
Im Bereich der Luftfracht und Luftpost wird<br />
der Begriff ~ analog zum Begriff a Aussteiger<br />
benutzt.<br />
Aussteiger<br />
Im verkehrlichen Sinne sind ~ Passagiere, die am<br />
betrachteten Flugplatz ihren Hin- oder Rückflug<br />
beenden oder als a Umsteiger zur Fortsetzung<br />
ihrer Flugreise auf ein anderes Flugzeug (dort als<br />
a Einsteiger) wechseln.<br />
Bedarfsverkehr<br />
Siehe a Charterverkehr, a Gelegenheitsverkehr<br />
CAGR<br />
Compound Annual Growth Rate, Wert <strong>des</strong> durchschnittlichen<br />
Wachstums über einen spezifizierten<br />
Zeitabschnitt.<br />
Catchment Area<br />
Siehe a Einzugsgebiet<br />
CDG<br />
Flughafen Paris Charles de Gaulle<br />
Glossar 123
124<br />
Glossar <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Chapter 11<br />
~ ist ein Abschnitt <strong>des</strong> Insolvenzrechts der USA.<br />
Der Begriff bezeichnet in der angelsächsischen<br />
Finanz- und Rechtssprache die Insolvenz eines<br />
Unternehmens. Ein Unternehmen, das nach Chapter<br />
11 Insolvenz beantragt, strebt eine Reorganisation<br />
und Restrukturierung seiner Schulden, Leasingvereinbarungen,<br />
Kontrakte, sowie seines<br />
Kapitals und anderweitiger finanzieller Verpflichtungen<br />
an. Mit dem Insolvenzantrag nach Chapter<br />
11 sollen bis zum Abschluss der Reorganisation<br />
rechtliche Schritte der Gläubiger gegen den Schuldner<br />
unterbunden werden.<br />
Charterverkehr<br />
Siehe a Gelegenheitsverkehr, auch Bedarfsverkehr,<br />
im Gegensatz zum Linien- und Ferienflugverkehr<br />
eine nur gelegentlich bzw. zu bestimmten Anlässen<br />
betriebene Beförderung von Personen und Gütern,<br />
~ wird im internationalen Luftrecht auch als nonscheduled-traffic<br />
bezeichnet. Weitere Segmente<br />
<strong>des</strong> Charterverkehrs sind Taxiflüge, Rundflüge,<br />
gewerbliche Schulflüge sowie die übrigen gewerblichen<br />
Flüge ohne Personenbeförderung, wie z.B.<br />
Bildflüge, Reklameflüge, land- und forstwirtschaftliche<br />
Flüge.<br />
Chicagoer Abkommen<br />
Das ~ wurde 1944 auf der Konferenz von Chicago<br />
unterzeichnet und enthält die wichtigsten Grundsätze<br />
für die Abwicklung <strong>des</strong> internationalen Luftverkehrs.<br />
Das Abkommen regelt die Rechte und<br />
Pflichten der Vertragsstaaten für den Bereich <strong>des</strong><br />
internationalen Luftverkehrs und verpflichtet die<br />
Staaten zur Aufnahme internationaler Standards<br />
und Empfehlungen im Hinblick auf die Regelung<br />
<strong>des</strong> Luftverkehrs.<br />
Co<strong>des</strong>haring<br />
Abkommen zwischen zwei Fluggesellschaften, das<br />
einer Fluggesellschaft erlaubt, einen Flug unter der<br />
eigenen Flugnummer zu verkaufen, obwohl er teilweise<br />
oder ganz von der anderen Fluggesellschaft<br />
durchgeführt wird. Beide Gesellschaften treten<br />
dabei selbständig am Markt auf, da der Flug nicht<br />
nur unter der operativen Flugnummer, sondern<br />
gleichzeitig auch unter einer oder mehreren Marketingflugnummern<br />
verkauft wird. Für Plätze, die ein<br />
Partner auf Flugzeugen <strong>des</strong> anderen Partners<br />
verkauft, erhält er nach einem Schlüssel einen<br />
Prozentsatz aus dem Ticketpreis als Entgelt.<br />
CRJ<br />
Canadair Regional Jet, ist ein zweistrahliges Regionalverkehrsflugzeug<br />
<strong>des</strong> kanadischen Flugzeugherstellers<br />
Bombardier. Zu den anfangs nur fünfzigsitzigen<br />
Varianten <strong>des</strong> Tiefdeckers kamen im<br />
Laufe der Jahre immer wieder verlängerte Varianten<br />
heraus, zuletzt der CRJ1000 für bis zu 104<br />
Passagiere.<br />
Drehkreuzflughafen<br />
Siehe a Hub<br />
ECAA<br />
European Common Aviation Area, Initiative der<br />
EU mit dem Ziel, u. a. die südosteuropäischen EU-<br />
Nachbarstaaten in den EU-Luftverkehrsbinnenmarkt<br />
zu integrieren. Daher wurden im Dezember<br />
2004 Verhandlungen mit den folgenden acht Staaten<br />
begonnen: Albanien, Bosnien-Herzegowina,<br />
Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Rumänien, Serbien<br />
Montenegro und die UN-Vertretung im Kosovo.<br />
Einladung<br />
Im Bereich der Luftfracht und Luftpost wird der<br />
Begriff ~ analog zum Begriff a Einsteiger benutzt.<br />
Einsteiger<br />
Als ~ werden alle Passagiere bezeichnet, die aOriginäreinsteiger<br />
oder a Umsteiger sind.<br />
Einzugsgebiet<br />
a) Anzahl der Bewohner in einem Umkreis um einen<br />
Flughafen. Dieser Umkreis wird entweder<br />
durch Entfernung oder notwendige Fahrzeit definiert.<br />
Problematik: Nach dieser Definition überlappen<br />
die Einzugsgebiete z.B. der deutschen Flughäfen<br />
erheblich und mehrfach.<br />
b) Anzahl der tatsächlichen Originäreinsteiger p.a.<br />
eines Flughafens als Maßstab der effektiven lokalen<br />
Marktgröße. Problematik: Statische Betrachtung.<br />
Das Potenzial zur Marktausweitung durch z.B.<br />
niedrigere Preise wird so nicht erfasst.<br />
I.d.R. sind beide Kennzahlen nebeneinander zu<br />
betrachten, um je nach Fragestellung die richtigen<br />
Schlussfolgerungen ziehen zu können.<br />
Eurocontrol<br />
Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt<br />
mit Sitz in Brüssel. Sie wurde 1960 gegründet<br />
und hat zur Zeit 38 Mitgliedsstaaten. Ihre Haupt-
aufgabe ist die Durchführung der Flugsicherungsdienste<br />
im Oberen Luftraum mit Area Control Centern<br />
(z.B. in Maastricht, Karlsruhe, Zürich, Wien).<br />
Ferienfluggesellschaften (Ferienflugverkehr)<br />
auch: Touristikfluggesellschaften, Charterfluggesellschaften,<br />
fliegen touristische Mittel- und Langstreckenziele,<br />
in der Regel im a Point-to-Point-<br />
Verkehr an und sind entweder Teil von Reisekonzernen<br />
oder stark von Reiseveranstaltern abhängig.<br />
Mittlerweile hat sich auch der Begriff „touristischer<br />
Linienflug“ etabliert. Hintergrund ist, dass der<br />
Begriff „Charter“ einen verkehrsrechtlich als<br />
a Gelegenheitsluftverkehr durchgeführten Flug<br />
bezeichnet, während die meisten von Ferienfluggesellschaften<br />
angebotenen Flüge heute unter<br />
Linienrechten durchgeführt werden.<br />
Flug<br />
Ein ~ ist einerseits der eigentliche Beförderungsvorgang<br />
im Luftverkehr zwischen zwei Flughäfen. In<br />
der Statistik erscheint er in Form von zwei Flugbewegungen,<br />
nämlich Start und Landung. Andererseits<br />
erscheinen in den Flugplänen der Fluggesellschaften<br />
auch Flüge, die aus mehreren Etappen<br />
bestehen. In einer flughafenbezogenen Betrachtung<br />
wird der Begriff „Flug“ auch für Flugbewegungen,<br />
insbesondere Starts, verwendet.<br />
Fluggast<br />
Im Sinne der Flughafenstatistik werden a Einsteiger,<br />
a Aussteiger und Transitpassagiere (a Transitaufkommen)<br />
als Fluggäste zusammengefasst.<br />
Flugsicherungsdienste-Verordnung<br />
„Verordnung (EG) Nr. 550/2004 <strong>des</strong> Europäischen<br />
Parlamentes und <strong>des</strong> Rates vom 10. März 2004<br />
über die Erbringung von Flugsicherungsdiensten im<br />
Einheitlichen Europäischen Luftraum“. Sie verfolgt<br />
das Ziel, die EU-weite Anwendung gemeinsamer<br />
Standards für Flugsicherungsdienste zu gewährleisten.<br />
In der Verordnung werden Regeln für die<br />
Zertifizierung von Flugsicherungsorganisationen<br />
festgelegt. Weiterhin schafft die Verordnung den<br />
Rahmen für eine transparente Gebührenregelung<br />
für Flugsicherungsdienste.<br />
Fracht an Bord/Post an Bord<br />
Im Bereich der Luftfracht und Luftpost werden die<br />
Begriffe ~ analog zum Begriff a Passagiere an<br />
Bord benutzt.<br />
Frachttonnenkilometer<br />
Transport einer Tonne Fracht über einen Kilometer.<br />
FTK<br />
a Frachttonnenkilometer<br />
Funktionale Luftraumblöcke/<br />
Functional Airspace Blocks (FABs)<br />
Funktionale Luftraumblöcke gehören zu den wichtigsten<br />
Instrumenten zur systematischen Strukturierung<br />
<strong>des</strong> Luftraums mittels einer grenzüberschreitenden<br />
Integration, d. h. die Einteilung <strong>des</strong> Luftraums<br />
erfolgt nach betrieblichen Anforderungen.<br />
Gelegenheitsluftverkehr<br />
a siehe Charterverkehr<br />
Gesamtaufkommen<br />
Das ~ eines betrachteten Flugplatzes besteht aus<br />
dem a Originäraufkommen, dem a Umsteigeaufkommen<br />
und der Menge <strong>des</strong> a Transitaufkommens.<br />
Gilt gleichermaßen für Passagiere wie für<br />
Fracht.<br />
Gewerblicher Luftverkehr<br />
Umfasst den Teil <strong>des</strong> gesamten Luftverkehrs, der<br />
im Auftrag Dritter gegen Entgelt durchgeführt<br />
wird. Der ~ umfasst den a Linienverkehr (auch<br />
touristische Linienflüge, a Ferienflugverkehr) und<br />
den a Charterverkehr. Andere Luftverkehre zählen<br />
zum nichtgewerblichen Luftverkehr (z.B. private<br />
Reiseflüge, Flüge im Werkverkehr, Segel-, Sport-,<br />
Werkstatt-, Überführungs-, Militärflüge).<br />
G7-Staaten<br />
Zusammenschluss der sieben wichtigsten Industriestaaten<br />
(USA, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien,<br />
Frankreich und <strong>Deutschland</strong>). Die Staats- und<br />
Regierungschefs der jeweiligen Länder sowie seit<br />
1977 der Präsident der Europäischen Kommission<br />
treffen sich mehrmals (unregelmäßig) im Jahr zum<br />
Weltwirtschaftsgipfel. Seit 1994 nimmt auch der<br />
Präsident Russlands als gleichberechtigter Partner<br />
an den Beratungen zu politischen Fragen teil; seit<br />
1998 ist Russland formell „Vollmitglied“ der Gruppe<br />
der Sieben (G8).<br />
Hedging<br />
Sammelbegriff für verschiedene Maßnahmen zur<br />
Absicherung von Vermögen gegen Verluste. Als<br />
Fuel Hedging bezeichnet man den strukturierten<br />
Glossar 125
126<br />
Glossar <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Einsatz von derivativen Finanzprodukten (z.B. Termingeschäfte<br />
und Optionen auf Rohöl und/oder<br />
Ölprodukte), um eine (Teil-)Kompensation bei<br />
Treibstoffpreisveränderungen zu erreichen.<br />
Hub-Flughafen<br />
Siehe a Drehkreuz<br />
(engl. für Radnabe) Zentraler Verkehrsknotenpunkt,<br />
bzw. der „Umsteigeflughafen“ einer Netzwerkfluggesellschaft.<br />
Fluggäste sowie Güter werden zunächst<br />
von ihrem Abflugsort zum Umsteigeflughafen der<br />
Fluggesellschaft (dem Hub) transportiert, um von<br />
dort mit Passagieren und Gütern aus anderen Abflugsorten<br />
– aber mit dem gleichen Ziel – zu ihrem<br />
Zielort zu fliegen. Wesentliches Merkmal eines Hub-<br />
Flughafens ist somit die Bündelung von Verkehren.<br />
ICAO<br />
International Civil Aviation Organization, Bezeichnung<br />
für die internationale Zivilluftfahrt-Organisation.<br />
Sie ist eine Sonderorganisation der Vereinten<br />
Nationen und hat die Aufgabe, einheitliche Regelmäßigkeit<br />
und Wirtschaftlichkeit <strong>des</strong> internationalen<br />
Luftverkehrs zu erarbeiten und weiter zu entwickeln.<br />
Die ICAO gibt unter anderem Richtlinien<br />
zur Meldung von Flugbetriebsdaten an Behörden<br />
und Institutionen heraus. Die ICAO wurde 1944<br />
gegründet und nahm im April 1947 ihre offizielle<br />
Arbeit auf.<br />
IFR<br />
Instrument Flight Rules, Instrumentenflugregelungen,<br />
festgelegte Abläufe für Flüge, bei denen die<br />
Kontrolle der Fluglage ausschließlich über die Fluginstrumente<br />
ohne jeden Bezug nach außen durchgeführt<br />
werden. Dies erfordert sowohl eine Zusatzausbildung<br />
<strong>des</strong> Piloten (Instrumentenflugberechtigung)<br />
als auch eine entsprechende Ausstattung<br />
<strong>des</strong> Flugzeugs. Flüge nach IFR finden in der Regel<br />
(in <strong>Deutschland</strong> immer) unter der Kontrolle von<br />
Fluglotsen statt (kontrollierter Flug).<br />
Inbound<br />
Alle landenden Flugzeuge auf dem betrachteten<br />
Flughafen.<br />
Inlandsverkehr<br />
Nationaler Verkehr<br />
Interkont-/Interkontinental-Verkehr<br />
~ bezeichnet Mittel- und Langstreckenverkehre zu<br />
anderen Kontinenten ab dem betrachteten Flughafen,<br />
wird i.d.R. mit Großraumfluggerät durchgeführt.<br />
Internationaler Verkehr<br />
Beförderung von Passagieren, Fracht und Post<br />
von/nach oder zwischen Ländern.<br />
Intraregionale Flüge<br />
Flüge zwischen den Städten einer bestimmten Region<br />
LEJ<br />
Flughafen Leipzig<br />
LGW<br />
a) Luftfahrtgesellschaft Walter, ist eine deutsche<br />
Regionalfluggesellschaft mit Sitz in Dortmund.<br />
b) Flughafen London Gatwick<br />
Liberalisierung im Luftverkehr<br />
Abbau von staatlichen Eingriffen und Vorschriften<br />
im Luftverkehrsmarkt. Seit Ende der 1970er Jahre<br />
in den USA und seit Ende der 1980er Jahre in Europa<br />
zu beobachtende Politikstrategie.<br />
Linienverkehr<br />
Regelmäßige Flugverbindung zur gewerblichen Beförderung<br />
von Personen, Fracht und Post, für die<br />
dem Luftfahrtunternehmen eine entsprechende<br />
Genehmigung erteilt wurde, wobei für jeden Flug<br />
der Öffentlichkeit Sitzplätze zum Einzelkauf entweder<br />
bei den Luftfahrtunternehmen oder <strong>des</strong>sen<br />
bevollmächtigten Agenturen angeboten werden.<br />
LHR<br />
Flughafen London Heathrow<br />
Low-Cost-Fluggesellschaften<br />
Luftverkehrsgesellschaften, die ihre Flüge aus<br />
Marketingzwecken vor allem bei frühzeitiger<br />
Buchung mit niedrigen Preisen anbieten und im<br />
Kurz- und Mittelstreckenverkehr bei hoher Auslastung<br />
und niedrigen Betriebskosten operieren.<br />
Geringe Betriebskosten werden z.B. durch niedrige<br />
Vertriebskosten (Internetbuchung und Verzicht auf<br />
Ausstellung von Flugscheinen), kurze Bodenzeiten<br />
(weit- gehender Verzicht auf Cleaning etc.), den<br />
ausschließlichen Einsatz im Punkt-zu-Punkt-Verkehr,<br />
die Verwendung von Maschinen eines Typs<br />
(geringere Wartungskosten) und Konzentration<br />
auf kurze Flugstrecken erreicht.
Luftverkehrsgesellschaft<br />
Unternehmen, das Beförderungsdienstleistungen<br />
unter Nutzung <strong>des</strong> Verkehrsmittels „Flugzeug“<br />
erbringt.<br />
(Luft-) Verkehrsleistung (Personen, Fracht)<br />
Maß im Personen- und Güterverkehr, bei dem die<br />
Anzahl der beförderten Personen bzw. die Masse<br />
<strong>des</strong> beförderten Gutes mit der jeweils zurückgelegten<br />
Entfernung multipliziert wird.<br />
MAD<br />
Flughafen Madrid<br />
Maximum Take Off Weight (MTOW)/<br />
Maximum Take Off Mass (MTOM)<br />
Maximal zulässiges Startgewicht für ein bestimmtes<br />
Flugzeugmuster. Es ist abhängig von dem Flugzeugmuster<br />
selbst und den sonstigen äußeren<br />
Einflüssen, z.B. Wetterbedingungen, Startbahnbeschaffenheit.<br />
Im Gegensatz zum MLAW (Maximum<br />
Landing Weight).<br />
Minimum Connecting Time (MCT)<br />
Bezeichnet die an einem Flughafen festgelegte<br />
Min<strong>des</strong>tumsteigezeit, für die ein Passagier- und<br />
Gepäcktransfer gewährleistet wird.<br />
MUC<br />
Flughafen München<br />
Multi-Hub-Strategie<br />
Im Rahmen einer ~ nutzt eine Fluggesellschaft<br />
mehrere Flughäfen als a Hubs; im Fall <strong>des</strong> Double<br />
Hubbing werden zwei Hubs betrieben. Oft wird<br />
von einer Fluggesellschaft zusätzlich zum zentralen<br />
Hub ein weiterer Sekundär-Hub eingerichtet. So<br />
betreibt Lufthansa z.B. München als Sekundär-Hub<br />
zum zentralen Hub Frankfurt.<br />
NBAA<br />
National Business Aviation Association, 1947<br />
gegründeter Dachverband der Unternehmen der<br />
a Allgemeinen Luftfahrt mit Sitz in Washington,<br />
D.C.<br />
Netzwerkfluggesellschaften<br />
Auch: Linienfluggesellschaften, sind international<br />
agierende Fluggesellschaften mit einer globalen<br />
Marktpräsenz, die in der Regel über ein Netzwerksystem<br />
mit Zu- bzw. Abbringerflügen zu ihren<br />
aHubs verfügen. Weitere Merkmale sind unter<br />
anderem ein hohes Serviceniveau (2-/3-Klassenkonzept),<br />
ein nationales und internationales<br />
Streckennetz, ein Flottenmix aus Kurz-, Mittel- und<br />
Langstreckenflugzeugen mit unterschiedlicher<br />
Kapazität sowie z.T. das Eingehen internationaler<br />
Kooperationen und strategischer Allianzen sowie<br />
zusätzlicher bilateraler Kooperationen mit Regionalfluggesellschaften<br />
zur Ergänzung <strong>des</strong> eigenen<br />
Streckennetzes.<br />
Open-Sky-Abkommen<br />
Liberale Luftverkehrsabkommen zwischen Staaten.<br />
Ein Beispiel hierfür ist das zwischen der EU und den<br />
USA im Jahr 2007 geschlossene Abkommen, das<br />
den Fluggesellschaften der 27 EU-Staaten und der<br />
USA erlaubt, künftig von jedem Flughafen der EU<br />
jede Stadt in den USA anfliegen zu können und<br />
umgekehrt. Die Vereinbarung ersetzt zudem eine<br />
Vielzahl zwischenstaatlicher Abkommen.<br />
Open-Sky-Politik<br />
Postulierter Grundsatz einer Politik <strong>des</strong> „offenen<br />
Himmels“. Von den USA in Anlehnung an die<br />
Transport-Vereinbarung <strong>des</strong> a Chicagoer Abkommens<br />
geschaffen. Ziel ist die Ausdehnung der<br />
Deregulation im US-Binnenmarkt auf die bilateralen<br />
Luftverkehrsabkommen. Auch die EU verfolgt<br />
diesen Grundsatz.<br />
Originäraufkommen<br />
Als ~ eines betrachteten Flughafens wird die<br />
Menge der a Einsteiger und der a Aussteiger<br />
bezeichnet.<br />
Originäreinsteiger<br />
Passagiere, die am betrachteten Flugplatz ihren<br />
Hin- oder Rückflug beginnen.<br />
ORY<br />
Flughafen Paris Orly<br />
Outbound<br />
Alle startenden Flüge ab dem betrachteten Flughafen.<br />
Pauschalflugreiseverkehr<br />
a siehe Ferienflugverkehr<br />
PKM<br />
Siehe a RPK<br />
Glossar 127
128<br />
Glossar <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Point-to-Point-Verkehr/Punkt-zu-Punkt-Verkehr<br />
Als ~ wird eine Direktverbindung bzw. unmittelbare<br />
Verbindung zwischen zwei Punkten (Point to<br />
Point) oder Orten (von A nach B) bezeichnet, im<br />
Gegensatz zum Hub-and-Spoke-System, das auf<br />
min<strong>des</strong>tens einem großen a Hub pro Fluggesellschaft<br />
basiert, von dem alle Ziele angeflogen<br />
werden.<br />
PVG<br />
Flughafen Schanghai<br />
Quelle-Ziel-Verkehr bzw. -Strom<br />
Verkehrsstrom, der durch einen Herkunftsflughafen<br />
bzw. -ort und einen Endzielflughafen bzw. Endzielort<br />
charakterisiert wird. Mit diesen Angaben ist<br />
keine Aussage über die Route (Direktverbindung<br />
oder Umsteigeverbindung) verbunden.<br />
Regionalfluggesellschaften<br />
~ bezeichnen Fluggesellschaften, auf die in der<br />
Regel folgende Merkmale zutreffen: Einsatz von<br />
Flugzeugen mit einer Sitzplatzkapazität von bis<br />
zu 100 Sitzen (z.T. Einsatz von Turboprop-Flugzeugen),<br />
Linienverkehr, kürzere Flugstrecken im<br />
Inlands- oder Kontinentalverkehr, Zubringerdienste<br />
zwischen Regionalzentren und internationalen<br />
Verkehrsflughäfen, eigenständiger dezentraler<br />
a Punkt-zu-Punkt-Verkehr und Einsatz eines<br />
Ein- oder Zwei-Klassen-Beförderungskonzeptes.<br />
Reise<br />
Unter einer ~ wird eine vorübergehende Ortsveränderung<br />
verstanden, die von einem Herkunftsort<br />
zu einem oder mehreren Zielorten und (meistens)<br />
wieder zurück zum Ausgangspunkt führt. Übertragen<br />
auf den Luftverkehr bedeutet dies, dass eine<br />
Flugreise aus min<strong>des</strong>tens zwei Flügen, nämlich<br />
Hinflug und Rückflug besteht. Ein Flugreisender<br />
tritt somit auf seinem Hin- und Rückweg in der<br />
Luftverkehrsstatistik mehrfach als a Fluggast in<br />
Erscheinung.<br />
RPK<br />
Revenue Passenger Kilometers, auch PKM (Passenger<br />
Kilometers Transported), internationaler Begriff<br />
für die verkaufte Passageleistung. Transport eines<br />
Passagiers inkl. Gepäck über einen Kilometer<br />
SESAR<br />
Single European Sky a ATM Research Programme,<br />
ist eine von der Europäischen Kommission und Eurocontrol<br />
ins Leben gerufene europäische Initiative zur<br />
Vereinheitlichung, Harmonisierung und Synchronisierung<br />
der Dienste im Rahmen <strong>des</strong> europäischen<br />
Flugverkehrsmanagements. Für diese Ziele wurden<br />
erstmals in der europäischen Flugverkehrsgeschichte<br />
alle am Flugverkehr beteiligten Partner beteiligt. Dies<br />
sind zivile und militärische Flugsicherungsorganisationen,<br />
nationale und internationale Organisationen der<br />
Legislative, Flugzeugindustrie, Fluglinien, Flugzeugbetreiber<br />
und -nutzer sowie weitere betroffene<br />
Partner am Boden und in der Luft.<br />
Single European Sky<br />
~ beschreibt die Bestrebungen der Europäischen<br />
Kommission seit Ende der 1990er Jahre, den europäischen<br />
Luftraum unter dem Gesichtspunkt der<br />
Optimierung der Verkehrsströme neu zu strukturieren<br />
und dabei u.a. <strong>des</strong>sen Zersplitterung durch<br />
nationale Lan<strong>des</strong>grenzen und Interessen aufzulösen,<br />
indem eine begrenzte Anzahl von a Funktionalen<br />
Luftraumblöcken geschaffen wird. Das<br />
Projekt wird durch a Eurocontrol innerhalb <strong>des</strong><br />
EU- Projekts a SESAR mit den Projektpartnern<br />
und in enger Abstimmung mit der a ICAO<br />
durchführt.<br />
Single-Hub-Strategie<br />
~ bedeutet, dass eine Fluggesellschaft nur einen<br />
aHub betreibt.<br />
Slot<br />
~ bezeichnet allgemein ein Zeitfenster, in dem ein<br />
Flugzeug eine Flugbewegung vollzieht. ~ können<br />
Start-, Lande-, Einflug- oder Überflugzeiten sein.<br />
Airport ~ werden als Start- bzw. Landezeiten über<br />
die Flughafenkoordinatoren der jeweiligen Länder<br />
und über Slotkonferenzen der IATA halbjährlich<br />
den Ländern im Voraus zugeteilt und stellen ihrem<br />
Charakter nach Planungswerte dar, die die beschränkten<br />
Flughafenkapazitäten optimal auf die<br />
Fluggesellschaften verteilen sollen. Am Flugtag<br />
selbst wird bei der CFMU (Central Flow Management<br />
Unit) der Eurocontrol in Brüssel ein Airway ~<br />
beantragt, der aufgrund der aktuellen Verkehrssituation<br />
zugeteilt wird und aktuelle Verhältnisse<br />
(z.B. Wetter, Überlastung <strong>des</strong> Luftraums u.Ä.)<br />
berücksichtigt.<br />
Sonstiger gewerblicher Verkehr<br />
Rundflüge, gewerbliche Schulflüge, Bildflüge,
Reklameflüge, Land- und forstwirtschaftliche<br />
Flüge, u.a.<br />
STN<br />
Flughafen London Stansted<br />
Streckenziel (-flughafen)<br />
Mit ~ wird der dem Startflughafen nächstfolgende<br />
Flughafen bezeichnet, auf dem ein Passagier<br />
aus dem Flugzeug steigt, um entweder als<br />
a Umsteiger mit einem anderen Flugzeug unter<br />
anderer Flugnummer weiterzufliegen oder um das<br />
Luftverkehrssystem zu verlassen. Im zweiten Fall<br />
sind Streckenzielflughafen und Endzielflughafen<br />
identisch.<br />
SXF<br />
Flughafen Berlin Schönefeld<br />
Taxiflüge<br />
Beförderung von Personen, Fracht und Post im<br />
aGelegenheitsverkehr auf Einzelanforderungen<br />
<strong>des</strong> Bestellers mit Flugzeugen beliebiger Größe, die<br />
in dieser Flugart angemeldet werden. Zusätzlich<br />
sind hier auch Flüge im a Anforderungs- bzw.<br />
aTrampverkehr mit Flugzeugen bis einschließlich<br />
5,7t a MTOW zu melden. Leer- und Bereitstellungsflüge<br />
in dieser Flugart sind, wie in allen Flugarten,<br />
Überführungsflüge.<br />
THF<br />
Flughafen Berlin Tempelhof<br />
Trampverkehr<br />
Siehe a Anforderungsverkehr<br />
Transitaufkommen<br />
Fluggäste bzw. Fracht, deren Flugreise nach einer<br />
Zwischenlandung mit demselben Flugzeug und in<br />
der Regel unter gleich bleibender Flugnummer<br />
fortgesetzt wird.<br />
TXL<br />
Flughafen Berlin Tegel<br />
Umladung<br />
Im Bereich der Luftfracht und Luftpost wird der<br />
Begriff ~ analog zum Begriff a Umsteiger benutzt.<br />
Umsteigeaufkommen<br />
Als ~ eines betrachteten Flughafens wird die<br />
Menge der a Umsteiger bezeichnet.<br />
Umsteiger<br />
Passagiere, die am betrachteten Flugplatz aus<br />
einem Flugzeug aussteigen, um anschließend ihren<br />
a Flug mit einem (anderen) Flugzeug fortzusetzen.<br />
In der Statistik tauchen ~ daher meist zweimal auf,<br />
erst als a Aussteiger, dann wieder als aEinsteiger.<br />
Glossar 129
Autoren<br />
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)<br />
in der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
Flughafenwesen und Luftverkehr<br />
Leitung Prof. Dr. Johannes Reichmuth<br />
Linder Höhe<br />
51147 Köln<br />
Tel. +49 2203 601 2180<br />
luftverkehr.koeln@dlr.de<br />
www.dlr.de/fw<br />
European Center for Aviation Development – ECAD GmbH<br />
Dr. Andreas Arndt<br />
Dr. Martin Harsche<br />
Lise-Meitner-Str. 10<br />
64293 Darmstadt<br />
Tel. +49 6151 3605 400<br />
info@ecad-aviation.de<br />
www.ecad-aviation.de<br />
airconomy GmbH & Co.KG.<br />
Dr. Philipp Goedeking<br />
Partner, Geschäftsführer<br />
Frankfurt Airport Center 1<br />
60549 Frankfurt am Main<br />
Tel. +49 69 690 27080<br />
goedeking@airconomy.com<br />
www.airconomy.com<br />
Prof. Dr. Karsten Leibold<br />
Internationale Fachhochschule Bad Honnef<br />
Lehrstuhl für Luftverkehrsmanagement<br />
Mühlheimer Str. 38<br />
53604 Bad Honnef<br />
Tel. +49 2224 9605 102<br />
info@fh-bad-honnef.de<br />
Prof. Leibold ist zudem Partner der airconomy GmbH & Co.KG.<br />
Oliver Wyman<br />
Dott. Stefano Sala<br />
Partner<br />
1, Grosvenor Place<br />
London SW 1X7HJ<br />
Great Britain<br />
Tel. +44 20 7235 5444<br />
www.oliverwyman.com<br />
Autoren 131
132<br />
Impressum <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Impressum<br />
Im Auftrag der<br />
Initiative „Luftverkehr für <strong>Deutschland</strong>“<br />
Projektbüro<br />
DFS Deutsche Flugsicherung GmbH<br />
Politische Angelegenheiten, VKU<br />
Am DFS-Campus 10<br />
63225 Langen<br />
Tel. +49 6103 7074175<br />
info@initiative-luftverkehr.de<br />
www.initiative-luftverkehr.de<br />
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Sabine Hellberg<br />
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Druck im November 2008<br />
Jede Autorengruppe zeichnet für das von ihr bearbeitete Kapitel verantwortlich und überlässt die anderen<br />
Kapitel der Kompetenz der anderen Autoren.<br />
Die Grafik <strong>des</strong> Titelbil<strong>des</strong> zeigt Direktverbindungen, die von deutschen Flughäfen aus angeboten werden.<br />
Als Direktverbindung wird ein Beförderungsangebot zwischen zwei Städten ohne Umsteigen bezeichnet.<br />
Dabei kann es sich um einen Non-stop-Flug oder einen Mehrsektorenflug mit einer oder mehreren<br />
Zwischenlandungen handeln.<br />
Quelle: OAG, Woche vom 19.–25. Mai 2008.