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Simulieren geht über Probieren

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<strong>Simulieren</strong><br />

<strong>geht</strong> <strong>über</strong><br />

<strong>Probieren</strong><br />

Auswertung: Plastische Verformung bei unterschiedlichen<br />

Umformgraden<br />

Die technologischen Anforderungen an<br />

Schmiedeteile werden zunehmend komplexer.<br />

Im krassen Gegensatz dazu steht der Zwang,<br />

Kosten und Entwicklungszeiten zu minimieren.<br />

Unternehmen, die auch zukünftig erfolgreich<br />

ihre Position behaupten wollen, sind<br />

daher mehr denn je gezwungen, den gesamten<br />

Entwicklungs- und Fertigungsprozeß zu <strong>über</strong>denken<br />

und effizienter zu gestalten.<br />

Ca. 70 % der gesamten Produktionskosten<br />

werden heute bereits in der Entwicklungsphase<br />

festgelegt. Die Devise für die Umgestaltung<br />

der Prozesse muß also lauten: „Wissen verschaffen,<br />

bevor Kosten entstehen“. Je mehr<br />

Informationen <strong>über</strong> Produkt und Fertigung<br />

schon in der Entwicklungsphase zur Verfügung<br />

stehen, desto höher ist die Zeit- und<br />

Kostenersparnis in den folgenden Phasen, indem<br />

z. B. die Anzahl der Konstruktionsänderungen<br />

und Versuche reduziert werden können.<br />

SCHMIEDE-JOURNAL MÄRZ 2001<br />

SPEKTRUM<br />

Dipl.-Ing. Ulrich Feldhaus, Düsseldorf<br />

Computergestützte Simulationssysteme für die Massivumformung<br />

sollen die Entwickler in den Schmieden dabei<br />

unterstützen, frühzeitig neue Technologien zu evaluieren und<br />

in die Fertigung zu integrieren, um so den Produktionsprozess<br />

zu optimieren. Über positive Erfahrungen mit<br />

dem Einsatz von Simulationssystemen für die<br />

Massivumformung berichtet dieser Beitrag.<br />

Integrierte virtuelle Produktdatenmodelle<br />

tragen<br />

wesentlich dazu bei, das bestehende<br />

Informationsdefizit<br />

zu eliminieren und Knowhow<br />

abteilungs<strong>über</strong>greifend<br />

verfügbar zu machen. Dazu<br />

werden alle entwicklungsund<br />

fertigungsrelevanten Informationen<br />

EDV-mäßig erfaßt,<br />

gesammelt und mit entsprechenden<br />

Systemen<br />

(EDM/PDM) den beteiligten<br />

Abteilungen und Personen<br />

verfügbar gemacht.<br />

Der erste Schritt in diese<br />

Richtung ist es, die vorhandenen<br />

CAD-Daten umfassender<br />

als bisher zu nutzen. Zwar<br />

setzen alle namhaften<br />

Schmiedeunternehmen heute<br />

bereits 3D-CAD- und CAM-<br />

Systeme für die computergestützte<br />

Konstruktion und Fertigung<br />

ein, doch nicht immer<br />

werden diese Daten auch in<br />

anderen Entwicklungsphasen<br />

genutzt. In das Zentrum des<br />

Interesses rückt daher die Verwendung von<br />

Werkzeugen, die es erlauben, Kreativität und<br />

Erfahrung der Fachleute verstärkt bereits früh<br />

in die Entwicklung einfließen zu lassen. Prädestiniert<br />

dazu sind Systeme für die computergestützte<br />

Bauteilanalyse und Fertigungssimulation.<br />

Wo liegen die Vorteile der Simulation?<br />

Die Entwicklungpläne werden heute fast<br />

ohne Reserven kalkuliert. So wird das Risiko,<br />

ohne Erfolgsgarantie zusätzlich Zeit und<br />

Kosten zu investieren, meist nur ungern eingegangen.<br />

Mit der computergestützten Umformsimulation<br />

können mit relativ geringem Arbeitsaufwand<br />

neue Verfahren, Materialien etc.<br />

schnell und kostengünstig am Computer auf<br />

ihre Einsetzbarkeit getestet werden. Der<br />

Entwickler hat zusätzlich den Vorteil, nicht nur<br />

30<br />

schnell zu erkennen, ob etwas funktioniert oder<br />

nicht, sondern kann dar<strong>über</strong> hinaus detailliert<br />

die Zusammenhänge analysieren, die zu dem<br />

vorliegenden Resultat geführt haben. Dazu<br />

kann er zu jedem Zeitpunkt der Simulation „in“<br />

den Umformvorgang oder „in“ das Bauteil hineinsehen.<br />

So können leicht mehrere Varianten<br />

analysiert und verglichen werden. Das<br />

Erarbeiten einer optimierten Lösung erfolgt<br />

wesentlich zielgerichteter und die Entwickler<br />

erhalten die größtmögliche Sicherheit, daß ihr<br />

Konzept auch in die Praxis umsetzbar ist.<br />

Simulation – wie funktioniert das?<br />

Die Anfänge der computergestützten Analyse<br />

gehen auf die 50er Jahre zurück. Seitdem<br />

werden diese Systeme, die <strong>über</strong>wiegend nach<br />

der Finite Elemente Methode (FEM) arbeiten,<br />

mit wachsendem Erfolg für die Untersuchung<br />

komplexer hochbeanspruchter Bauteile eingesetzt.<br />

Es dauerte jedoch relativ lange, bis eine<br />

praktikable Lösung auch für die Umformsimulation<br />

verfügbar war, denn die FE-Methode<br />

ließ sich nicht ohne weiteres auf diese Problematik<br />

anwenden. Zwar wurden recht<br />

schnell Systeme vorgestellt, die zufriedenstellende<br />

Simulationsergebnisse lieferten, sie<br />

benötigten dazu jedoch teilweise mehrere Tage<br />

auf teuren High-End-Computern und waren so<br />

nicht geeignet für die industrielle Praxis.<br />

Erst in den letzten Jahren wurden Problemlösungen<br />

entwickelt. Bei MSC.Software<br />

wurde z. B. in dem Simulationsprogramm<br />

MSC.Superforge ein anderer mathematischer<br />

Ansatz benutzt (Finite Volumen Methode).<br />

Mit dem Resultat, daß die Laufzeiten nun in<br />

der Größenordnung von einigen Stunden<br />

lagen.<br />

Für eine Umformsimulation werden im wesentlichen<br />

vier Arbeitsschritte durchlaufen:<br />

Die grafische Geometrieaufbereitung, die Eingabe<br />

der Prozeßparameter, die eigentliche<br />

Berechnung und die Ergebnisauswertung.<br />

Die Bedienung erfolgt <strong>über</strong> eine grafische<br />

Menüoberfläche, deren Aufbau und Syntax<br />

sich an der Praxis orientiert und dem Benutzer<br />

keine besonderen EDV-Kenntnisse abverlangt.


Nachdem die Geometriedaten aus dem<br />

CAD-System eingelesen und entsprechend<br />

ihrer Einbaulage positioniert wurden, erfolgt<br />

die Eingabe der Technologiedaten (Pressencharakteristik<br />

und -daten, Materialdaten und<br />

Temperaturen) sowie die Angabe, in wie viele<br />

Zeitschritte der Umformvorgang unterteilt<br />

werden soll. Ist danach die Berechnung einmal<br />

gestartet, kann der Entwickler die Ergebnisse<br />

für jeden abgeschlossenen Zeitschritt noch<br />

während der Berechnung begutachten und<br />

frühzeitig die Simulation abbrechen, sollten<br />

Eingabefehler vorliegen oder aber der Trend in<br />

eine falsche Richtung laufen.<br />

All diese Schritte können in 30 bis 60 Minuten<br />

bewerkstelligt werden, die Berechnung<br />

selbst kann je nach Komplexität einige Stunden<br />

in Anspruch nehmen. Für jeden berechneten<br />

Zeitschritt werden dabei die Spannungen,<br />

Verformungen, Kräfte, Temperaturen etc.<br />

gespeichert und sind so jederzeit wieder abrufbar.<br />

Ebenso können die Technologiedaten<br />

in einer Datenbank<br />

gespeichert und bei späteren<br />

Berechnungen wieder abgerufen<br />

werden.<br />

Die eigentliche Arbeit für den<br />

Entwickler ist jedoch die Auswertung<br />

und Interpretation der<br />

Ergebnisse. Mit dem sogenannten<br />

Postprocessor kann er zwischen<br />

einer Vielzahl von Darstellungsarten<br />

wählen, die es erlauben, alle<br />

Bereiche und Komponenten in beliebiger<br />

Kombination nach unterschiedlichen<br />

Kriterien detailliert<br />

zu untersuchen (Bild auf Seite 30)<br />

und die Ergebnisse <strong>über</strong>sichtlich,<br />

z. B. als Animation, darzustellen.<br />

Die praktischen Erfahrungen<br />

im Betrieb<br />

All das hört sich wunderbar an, aber wie<br />

sieht die praktische Umsetzung aus? Viele<br />

Praktiker konnten sich anfangs nur schwer vorstellen,<br />

wie so ein komplexes System in den<br />

Tagesablauf integriert werden könnte, ohne<br />

<strong>über</strong> fundiertes EDV-Wissen zu verfügen. Die<br />

Praxis beweist jedoch, daß diese Befürchtungen<br />

unbegründet sind, und so sind die positiven<br />

Erfahrungen, die man z. B. bei der Firma<br />

TRW Presswerk Krefeld bis heute gesammelt<br />

hat, durchaus kein Einzelfall.<br />

Für die Konstrukteure bei TRW in Krefeld<br />

bedeutete der Einstieg in die Simulation das<br />

Betreten von völligem Neuland. Man verfolgte<br />

daher einen pragmatischen Ansatz, um die<br />

Tauglichkeit des eingesetzten Systems<br />

MSC.SuperForge der Firma MSC.Software,<br />

installiert auf einer Compaq SP700 NT-Workstation<br />

mit zwei 500 MHz Pentium III-Prozessoren,<br />

für die Auslegung von Schmiedewerkzeugen<br />

zu testen.<br />

Die Schulung anhand eines in der<br />

Produktion befindliches Schmiedeteils nahm<br />

nicht mehr als einen Nachmittag in Anspruch.<br />

SPEKTRUM<br />

Verantwortlich für die schnelle Einarbeitung<br />

ist u. a. die praxisorientierte Benutzeroberfläche,<br />

die durch ihre schmiedespezifische<br />

Syntax dem Fachmann keinerlei Rätsel aufgibt.<br />

Die Geometrien wurden direkt aus dem<br />

CAD-System Pro/E als 3D-STL-Daten <strong>über</strong>nommen<br />

und ohne weitere Nachbearbeitung in<br />

MSC.SuperForge verwendet. Um einen<br />

Parameterabgleich vorzunehmen und Vertrauen<br />

in die Simulation zu erarbeiten, befaßte<br />

man sich anfangs mit Teilen aus der laufenden<br />

Produktion. Schon bald ging man jedoch<br />

daran, auch Neuteile zu analysieren. Auf der<br />

Basis der Simulationsergebnisse wurden<br />

Werkzeuge bestellt und die Ergebnisse anhand<br />

von Versuchsschmiedungen verifiziert. Im<br />

Schnitt waren bereits nach zwei Simulationsiterationen<br />

die Ergebnisse für optimierte<br />

Schmiedeabläufe vorhanden. In ca. 6 Wochen<br />

wurden so insgesamt 6 komplexe 3D-Schmie-<br />

Doppelschmiedeteil in der Presse Bilder: TRW<br />

deteile durchsimuliert. Dabei handelte es sich<br />

um 3 Flansch- und 3 Schaftschmiedeteile.<br />

Nur ideeller Nutzen?<br />

Laut TRW Presswerk Krefeld wären ohne<br />

Hilfe der Simulationen deutlich mehr Versuchsschmiedungen<br />

erforderlich gewesen, um<br />

zu gleichen Optimierungsergebnissen zu kommen.<br />

Nach Firmenschätzungen konnten innerhalb<br />

der Erprobungsphase 11 Versuchsschmiedungen<br />

eingespart werden, was einer Einsparung<br />

von ca. 60 TDM Kosten entspräche.<br />

Noch gravierender fiel die Reduzierung der<br />

Entwicklungszeiten aus: Laut einer konservativen<br />

Schätzung konnten ca. 3 Wochen pro Bauteil<br />

eingespart werden, die ansonsten durch die<br />

Fertigung von Erprobungswerkzeugen angefallen<br />

wären. Insgesamt betrug die in der<br />

Erprobungsphase erwirtschaftete Gesamteinsparung<br />

ca. 30 Wochen Entwicklungszeit.<br />

Auch beim Materialeinsatz konnten deutliche<br />

Einsparungen erzielt werden. Beim Anlauf<br />

eines komplizierten Neuteils wurde schon vor<br />

der ersten Versuchsschmiedung eine Materialreduktion<br />

von ca. 20 Prozent gegen<strong>über</strong> der<br />

konservativen Fertigungsplanung erzielt. Bei<br />

einer Losgröße von ca. 500000 Stück pro Jahr<br />

entspräche das einer Kosteneinsparung von ca.<br />

125 TDM pro Jahr. Diese Materialreduzierung<br />

wäre ohne Simulation nur mit ca. 3 kostenintensiven<br />

Versuchsschmiedungen möglich<br />

gewesen, da zur Umformung jeweils ein verändertes<br />

Reckwerkzeug mit 4 Stufen erforderlich<br />

gewesen wäre.<br />

Innerhalb der Erprobungsphase wurden<br />

mehrere Schmiedeprozesse mit Hilfe von<br />

MSC.SuperForge auf ihre schmiedetechnische<br />

Machbarkeit untersucht. Darunter befindet<br />

sich z. B. die Umstellung eines Bauteils von<br />

einer Einzelschmiedung mit Kaltabgratung auf<br />

eine Doppelschmiedung mit Warmabgratung<br />

(siehe Bild) und die unkonventionelle<br />

Schmiedung eines Flanschbauteils, bei der<br />

man Erkenntnisse für die Umformung erhielt,<br />

die <strong>über</strong> das bisherige Schmiedeverständnis<br />

hinausgingen.<br />

Perspektiven<br />

Der Markt für die Umformsimulation<br />

ist <strong>über</strong>schaubar, und so<br />

haben die Softwareentwickler<br />

engen Kontakt zu ihrem Zielmarkt<br />

und können entsprechend schnell<br />

auf Wünsche und Forderungen reagieren.<br />

Die hochkomplexe Thematik<br />

und die relativ niedrigen Stückzahlen<br />

spiegeln sich letztendlich<br />

jedoch auch in den Kosten für solche<br />

Systeme wider. Speziell für<br />

kleinere Betriebe sind die Anfangsinvestitionen<br />

erheblich. Der Nutzen<br />

der Umformsimulation ist jedoch<br />

inzwischen unbestritten. Die erzielbaren<br />

technologischen Fortschritte<br />

und die Einsparmöglichkeiten werden<br />

sicherlich dazu führen, daß<br />

immer mehr Unternehmen zukünftig auf die<br />

neuen Möglichkeiten zurückgreifen werden.<br />

Die Anwender dieser Technologie stehen<br />

denn auch voll hinter ihrer Entscheidung. So<br />

hat das TRW Presswerk Krefeld aufgrund der<br />

Erfolge mit MSC.SuperForge ehrgeizige Pläne<br />

für die Zukunft: Sämtliche der ca. 20 Neuteile<br />

pro Jahr sollen schon in der Phase der<br />

Werkzeugkonstruktion analysiert und optimiert<br />

werden. Dabei stehen die Prozeßsicherheit,<br />

die Minimierung des Materialeinsatzes<br />

und die Erhöhung der Standzeiten im<br />

Vordergrund.<br />

Besonders angetan ist man bei TRW am<br />

Ende der Erprobungsphase von der leichten<br />

Handhabbarkeit des Simulationsprogramms,<br />

der Simulationsmöglichkeit vieler unterschiedlicher<br />

Produkte sowie von dem schnellen<br />

Zugriff auf Ergebnisse. Man ist zuversichtlich,<br />

daß sich MSC.SuperForge schon bei alleiniger<br />

Betrachtung der mit Hilfe dieses Programms<br />

realisierten Materialeinsparungen und Standzeitenerhöhungen<br />

in ca. 6 Monaten amortisieren<br />

wird.<br />

31 SCHMIEDE-JOURNAL MÄRZ 2001<br />

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