Verringerung der Druckberührzeit beim Gesenkschmieden durch ...

Verringerung der Druckberührzeit beim Gesenkschmieden durch ... Verringerung der Druckberührzeit beim Gesenkschmieden durch ...

06.03.2013 Aufrufe

Beim Schmieden sind die erheblichen thermischen Belastungen der Gesenke maßgeblich für deren Verschleiß verantwortlich. Es ist daher erforderlich, die Betriebstemperatur des Gesenks möglichst niedrig zu halten. Die Betriebstemperatur wird u. a. durch die Dauer des Kontakts zwischen Werkzeug und Werkstück, die Druck- FACHBEITRÄGE Verringerung der Druckberührzeit beim Gesenkschmieden durch ein hydraulisches Überlastsystem Dipl.-Ing. Lutz Barnert, Dipl.-Ing. Helge Dähndel, Dipl.-Ing. Christian Hornhardt, IFUM Hannover und Dr.-Ing. Stefan Franzke, Dipl.-Ing. Peter Hustedt, Dipl.-Ing. Hans-Christoph Altmann, IPH Hannover Schmiedegesenke unterliegen aufgrund der hohen Rohteiltemperaturen von 1 250 °C und der hohen Kontaktdrücke im Schmiedeprozess großen thermomechanischen Belastungen. Diese können zu einem Problem werden, wenn die Betriebstemperaturen die Anlasstemperaturen des Werkzeugwerkstoffs übersteigen. Die Betriebstemperatur (siehe Bild Seite 25 unten) des Schmiedegesenks stellt das Gleichgewicht der dem Gesenk zu- und abfließendenWärmeströme dar. Der Wärmezustrom zum Gesenk entsteht in der kurzen Druckberührzeit zwischen Werkstück und Gesenk und ist aufgrund des gro- ßenTemperaturunterschieds der Kontaktpartner sehr intensiv. SCHMIEDE-JOURNAL MÄRZ 2002 Wärmeabfluss tritt während der Dauer des gesamten Umformzyklusses auf, indem das Gesenk Wärme durch Konvektion und Abstrahlung an die Umgebung abgibt. berührzeit, beeinflusst. Eine Möglichkeit, die Druckberührzeit bei einem bestehenden Prozess zu verringern, besteht im Einsatz eines hydraulischen Freischaltzylinders, welcher kurz vor dem Erreichen des unteren Totpunkts der Schmiedepresse die Druckberührphase durch eine gezielte Entlastung vorzeitig beendet. Einfluss der Druckberührzeit auf die Temperaturen an der Gesenkoberfläche am Ende der Umformung (Zahnradmatrize nach 18 Schmiedezyklen) Prinzipieller Aufbau des Freischaltzylinders mit den einzelnen Elementen und Beschreibung der Funktion bei Schalten [Quelle: Fa. Hydrotool] 24 Die Betriebstemperatur des Gesenks ist umso kleiner, je größer das Verhältnis zwischen der Dauer des Umformzyklusses und der Druckberührzeit ist. Eine Möglichkeit, die Betriebstemperatur zu senken, ist die Verkürzung der Druckberührzeit. Modellrechnung mit der Finite-Elemente- Methode Das Bild oben zeigt an einem Beispiel den Einfluss der Druckberührzeit auf die Oberflächentemperatur einer Zahnradmatrize. Die Ergebnisse wurden rechnerisch mit der Finite-Elemente-Methode in einem thermomechanisch gekoppelten Modell ermittelt. Die Temperaturen an der Gesenkoberfläche wurden für jeweils 18 Schmiedezyklen unter

Beim Schmieden sind die erheblichen<br />

thermischen Belastungen <strong>der</strong> Gesenke maßgeblich<br />

für <strong>der</strong>en Verschleiß verantwortlich. Es<br />

ist daher erfor<strong>der</strong>lich, die Betriebstemperatur<br />

des Gesenks möglichst niedrig zu halten.<br />

Die Betriebstemperatur<br />

wird u. a. <strong>durch</strong><br />

die Dauer<br />

des Kontakts<br />

zwischen<br />

Werkzeug und<br />

Werkstück,<br />

die Druck-<br />

FACHBEITRÄGE<br />

<strong>Verringerung</strong> <strong>der</strong> <strong>Druckberührzeit</strong><br />

<strong>beim</strong> <strong>Gesenkschmieden</strong> <strong>durch</strong> ein<br />

hydraulisches Überlastsystem<br />

Dipl.-Ing. Lutz Barnert, Dipl.-Ing. Helge Dähndel, Dipl.-Ing. Christian Hornhardt,<br />

IFUM Hannover und Dr.-Ing. Stefan Franzke, Dipl.-Ing. Peter Hustedt,<br />

Dipl.-Ing. Hans-Christoph Altmann, IPH Hannover<br />

Schmiedegesenke<br />

unterliegen aufgrund<br />

<strong>der</strong> hohen Rohteiltemperaturen<br />

von<br />

1 250 °C und <strong>der</strong> hohen Kontaktdrücke im<br />

Schmiedeprozess großen thermomechanischen<br />

Belastungen. Diese können zu einem Problem<br />

werden, wenn die Betriebstemperaturen die<br />

Anlasstemperaturen<br />

des Werkzeugwerkstoffs<br />

übersteigen.<br />

Die Betriebstemperatur<br />

(siehe Bild<br />

Seite 25 unten) des<br />

Schmiedegesenks<br />

stellt das Gleichgewicht<br />

<strong>der</strong> dem<br />

Gesenk zu- und abfließendenWärmeströme<br />

dar. Der Wärmezustrom<br />

zum Gesenk<br />

entsteht in <strong>der</strong><br />

kurzen <strong>Druckberührzeit</strong><br />

zwischen Werkstück<br />

und Gesenk und<br />

ist aufgrund des gro-<br />

ßenTemperaturunterschieds <strong>der</strong> Kontaktpartner<br />

sehr intensiv.<br />

SCHMIEDE-JOURNAL MÄRZ 2002<br />

Wärmeabfluss tritt während <strong>der</strong> Dauer des<br />

gesamten Umformzyklusses auf, indem das<br />

Gesenk Wärme <strong>durch</strong> Konvektion und Abstrahlung<br />

an die Umgebung abgibt.<br />

berührzeit, beeinflusst. Eine Möglichkeit,<br />

die <strong>Druckberührzeit</strong> bei einem bestehenden<br />

Prozess zu verringern, besteht im Einsatz<br />

eines hydraulischen Freischaltzylin<strong>der</strong>s,<br />

welcher kurz vor dem Erreichen des unteren<br />

Totpunkts<br />

<strong>der</strong> Schmiedepresse<br />

die<br />

Druckberührphase<br />

<strong>durch</strong><br />

eine gezielte<br />

Entlastung<br />

vorzeitig<br />

beendet.<br />

Einfluss <strong>der</strong> <strong>Druckberührzeit</strong> auf die Temperaturen an <strong>der</strong> Gesenkoberfläche am Ende <strong>der</strong><br />

Umformung (Zahnradmatrize nach 18 Schmiedezyklen)<br />

Prinzipieller Aufbau des Freischaltzylin<strong>der</strong>s mit den einzelnen Elementen und Beschreibung <strong>der</strong><br />

Funktion bei Schalten [Quelle: Fa. Hydrotool]<br />

24<br />

Die Betriebstemperatur<br />

des Gesenks ist<br />

umso kleiner, je größer<br />

das Verhältnis zwischen<br />

<strong>der</strong> Dauer des Umformzyklusses und <strong>der</strong><br />

<strong>Druckberührzeit</strong> ist. Eine Möglichkeit, die Betriebstemperatur<br />

zu senken, ist die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> <strong>Druckberührzeit</strong>.<br />

Modellrechnung mit<br />

<strong>der</strong> Finite-Elemente-<br />

Methode<br />

Das Bild oben zeigt<br />

an einem Beispiel den<br />

Einfluss <strong>der</strong> <strong>Druckberührzeit</strong><br />

auf die<br />

Oberflächentemperatur<br />

einer Zahnradmatrize.<br />

Die Ergebnisse<br />

wurden rechnerisch<br />

mit <strong>der</strong> Finite-Elemente-Methode<br />

in<br />

einem thermomechanisch<br />

gekoppelten<br />

Modell ermittelt. Die<br />

Temperaturen an <strong>der</strong><br />

Gesenkoberfläche<br />

wurden für jeweils 18<br />

Schmiedezyklen unter


Variation <strong>der</strong> <strong>Druckberührzeit</strong> berechnet. Als<br />

Ausgangswert für die <strong>Druckberührzeit</strong> wurde<br />

60 ms angesetzt. Dieser Wert wurde anschließend<br />

um 40 % auf 35 ms reduziert.<br />

Durch die Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Druckberührzeit</strong><br />

reduziert sich die berechnete Temperatur<br />

an <strong>der</strong> Gesenkoberfläche von 780 °C auf<br />

440 °C. Diese Temperaturvermin<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong><br />

Gesenkoberfläche ist von<br />

großer Bedeutung für die<br />

Gesenkstandzeit, da bei <strong>der</strong><br />

verringerten Temperatur<br />

schädliche Anlasseffekte stark<br />

reduziert werden.<br />

Funktionsprinzip und Aufbau<br />

des Freischaltzylin<strong>der</strong>s<br />

Die <strong>Druckberührzeit</strong> kann<br />

<strong>durch</strong> den Einsatz eines hydraulisch<br />

wirkenden Freischaltzylin<strong>der</strong>s<br />

erheblich verkürzt<br />

werden, indem dieser <strong>beim</strong><br />

Erreichen des unteren Totpunkts<br />

die Presse schnell entlastet.<br />

Der Aufbau eines Freischaltzylin<strong>der</strong>s<br />

<strong>der</strong> Firma<br />

Hydrotool (Breitenbrunn) und dessen Funktionsprinzip<br />

sind in dem Bild Seite 24 unten dargestellt.<br />

Der Freischaltzylin<strong>der</strong> besitzt zwei entgegengesetzt<br />

wirkende ölgefüllte Kammern. Die<br />

beiden Kammern werden als Zylin<strong>der</strong>raum und<br />

Steuerraum bezeichnet, wobei die Zylin<strong>der</strong>fläche<br />

im Steuerraum größer ist, als im Zylin<strong>der</strong>raum.<br />

Vor und während <strong>der</strong> Umformung<br />

wirkt <strong>der</strong> Vorspanndruck p vor<br />

im Zylin<strong>der</strong>raum <strong>der</strong> Umformkraft<br />

entgegen. Übersteigt <strong>der</strong><br />

Druck im Zylin<strong>der</strong> einen<br />

bestimmten Wert, gibt <strong>der</strong><br />

Kolben die Dichtung frei, worauf<br />

ein Druckausgleich stattfindet.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> größeren<br />

Fläche auf Seiten des Steuerraums<br />

wird <strong>der</strong> Kolben daraufhin<br />

aktiv zurückgezogen.<br />

Der verwendete Freischaltzylin<strong>der</strong><br />

ist bis zu einer Schaltlast<br />

von 1 000 kN steuerbar.<br />

Der Schaltweg beträgt 5 mm.<br />

Dieser Weg reicht aus, um die<br />

elastische Pressenauffe<strong>der</strong>ung<br />

zu kompensieren und das<br />

Werkzeug zu entlasten.<br />

Versuchs<strong>durch</strong>führung<br />

Im Versuch wurde <strong>der</strong> Einfluss des Freischaltzylin<strong>der</strong>s<br />

auf die <strong>Druckberührzeit</strong> während<br />

des Umformprozesses verifiziert. Dazu<br />

wurde <strong>der</strong> beschriebene Freischaltzylin<strong>der</strong> in<br />

eine Spindelschlagpresse PSR 160 <strong>der</strong><br />

Maschinenfabrik Müller Weingarten mit einer<br />

Nennschlagkraft von 2 500 kN integriert.<br />

Für die Versuche wurde ein Werkzeug zum<br />

Schmieden mit Grat eingesetzt. Es wurden<br />

Werkstücke aus C45 (1.0503) mit einem<br />

FACHBEITRÄGE<br />

Durchmesser von 30 mm und einer Länge von<br />

40 mm verwendet. Die Schmiedetemperatur<br />

betrug 1250 °C. Die Temperaturen <strong>der</strong><br />

Gesenke wurden ebenso wie die Drücke im<br />

Freischaltzylin<strong>der</strong> für jeden Schmiedezyklus<br />

gemessen.<br />

Verlauf <strong>der</strong> Stößelkraft, Stößelweg und Druck im Zylin<strong>der</strong> für hohen Druck<br />

im Zylin<strong>der</strong> (kein Schalten des Systems, links) sowie geringeren Druck im<br />

Zylin<strong>der</strong> (Schalten, rechts)<br />

Vergleich <strong>der</strong> Messungen mit und ohne<br />

Funktion des Freischaltzylin<strong>der</strong>s<br />

Zunächst wurde das Schmieden ohne Verwendung<br />

<strong>der</strong> Freischaltfunktion <strong>durch</strong>geführt<br />

(Bild oben, linkes Diagramm). Dazu wurde <strong>der</strong><br />

Druck im Arbeitszylin<strong>der</strong> auf 310 bar eingestellt.<br />

Dies entspricht einer Schaltkraft von<br />

950 kN und liegt damit oberhalb <strong>der</strong> notwendigen<br />

Umformkraft. Mit Hilfe eines optischen<br />

Verlauf <strong>der</strong> Betriebstemperaturen am Untergesenk als Indikator für den eingebrachten<br />

Wärmestrom vom Werkstück in die Werkzeuge Bil<strong>der</strong>: IFUM/IPH<br />

Wegsensors am Freischaltzylin<strong>der</strong> konnte<br />

nachgewiesen werden, dass <strong>der</strong> Freischaltzylin<strong>der</strong><br />

keinen messbaren Einfluss auf die<br />

Gesamtsteifigkeit des Werkzeugsystems hat.<br />

Um den Freischaltzylin<strong>der</strong> zu aktivieren,<br />

wurde <strong>der</strong> Zylin<strong>der</strong>druck auf 220 bar eingestellt<br />

(Bild oben, rechtes Diagramm), was einer<br />

Auslösekraft von etwa 650 kN entspricht. Ein<br />

Schalten des verwendeten Freischaltzylin<strong>der</strong>s<br />

erfolgt bei einer Druckerhöhung im Zylin<strong>der</strong><br />

auf das 1,5-fache des Vorspanndrucks. Weg-<br />

messungen am Kolben und <strong>der</strong> Kraftverlauf<br />

zeigen, dass die Entlastung innerhalb von 3-4<br />

ms erfolgt ist. Die <strong>Druckberührzeit</strong> wurde<br />

<strong>durch</strong> die schnelle Entlastung <strong>der</strong> Werkzeuge<br />

nach <strong>der</strong> Umformung um 25 ms verkürzt.<br />

Reduzierung <strong>der</strong> Gesenktemperatur bei<br />

Verwendung des Freischaltzylin<strong>der</strong>s<br />

Es wurden je zwei Serien<br />

von zunächst 70 und dann 30<br />

Teilen geschmiedet. Durch die<br />

<strong>Verringerung</strong> <strong>der</strong> <strong>Druckberührzeit</strong><br />

bei Verwendung <strong>der</strong> Freischaltfunktion<br />

konnte die<br />

Werkzeugtemperatur im Gesenkinneren<br />

und an <strong>der</strong> Oberfläche<br />

entscheidend verringert<br />

werden. Dies geht aus <strong>der</strong><br />

Temperaturmessung mittels<br />

Thermoelementen hervor. Dargestellt<br />

sind die Verläufe <strong>der</strong><br />

Betriebstemperaturen des Untergesenks<br />

für Serien mit und<br />

ohne Funktion des Freischaltzylin<strong>der</strong>s<br />

im Bild unten. Untergesenke<br />

sind wegen <strong>der</strong> Liegezeit<br />

<strong>der</strong> Werkstücke in <strong>der</strong> Gravur thermisch<br />

stärker belastet als Obergesenke.<br />

Es ist deutlich zu erkennen, dass <strong>der</strong> Temperaturanstieg<br />

trotz gleicher Liegezeit bei Einsatz<br />

des Freischaltzylin<strong>der</strong>s geringer ist. Ausgehend<br />

von Raumtemperatur bei Versuchsbeginn werden<br />

nach 70 Schmiedezyklen bereits ca.<br />

100 °C gemessen, wohingegen bei Einsatz des<br />

Freischaltzylin<strong>der</strong>s nur 70 °C erreicht werden.<br />

Diese Temperaturverläufe wurden<br />

bei weiteren Versuchen<br />

bestätigt.<br />

Ausblick<br />

Die Wirksamkeit des Prinzips<br />

des Freischaltzylin<strong>der</strong>s zur<br />

Reduzierung <strong>der</strong> Werkzeugtemperatur<br />

<strong>durch</strong> Verkürzung<br />

<strong>der</strong> <strong>Druckberührzeit</strong> konnte<br />

nachgewiesen werden. Das Ziel<br />

weiterer Untersuchungen ist es<br />

die gewonnenen Ergebnisse in<br />

<strong>der</strong> schmiedeindustriellen Praxis<br />

umzusetzen. Die verringerte<br />

Werkzeugtemperatur lässt eine<br />

Vergrößerung <strong>der</strong> Gesenkstandzeit<br />

und damit einen wirtschaftlicheren<br />

Betrieb des<br />

Schmiedeprozesses erwarten. ■<br />

Die hier dargestellten Ergebnisse wurden<br />

im Son<strong>der</strong>forschungsbereich 489<br />

"Prozesskette zur Herstellung präzisionsgeschmiedeter<br />

Hochleistungsbauteile" in den<br />

Teilprojekten B1 (Prozessführung) und B2<br />

(Werkzeuge/Maschinen) ermittelt. Dieser<br />

SFB mit insgesamt 13 Teilprojekten wird<br />

seit Anfang 2000 an <strong>der</strong> Universität<br />

Hannover <strong>durch</strong>geführt.<br />

25 SCHMIEDE-JOURNAL MÄRZ 2002

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