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Die Auskunftspflicht Dritter und von Behörden nach Art

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<strong>Die</strong> <strong>Auskunftspflicht</strong> <strong>Dritter</strong> <strong>und</strong> <strong>von</strong> <strong>Behörden</strong><br />

<strong>nach</strong> <strong>Art</strong>. 91 Abs. 4 <strong>und</strong> 5 SchKG<br />

Publikation in «Der Schweizer Treuhänder», 4/1998<br />

<strong>von</strong> Peter Amberg, Solothurnischer Notar,<br />

Vizedirektor, Leiter <strong>und</strong> Koordinator Bereich SchKG<br />

der KPMG Aarau<br />

So kontrovers die <strong>Auskunftspflicht</strong> <strong>nach</strong> <strong>Art</strong>. 91 SchKG für<br />

Ämter <strong>und</strong> <strong>Behörden</strong> bereits im Vernehmlassungsverfahren<br />

aufgenommen wurde, so kontrovers wird sie heute <strong>von</strong><br />

<strong>Behörden</strong> angewendet. So hört man landauf <strong>und</strong> -ab Klagen<br />

<strong>von</strong> Betreibungsbeamten, dass vor allem die Arbeitsämter<br />

aus Gründen des Datenschutzes keine Auskunft mehr erteilen,<br />

ob Schuldner stempeln <strong>und</strong> Arbeitslosengelder beziehen oder<br />

nicht.<br />

1. <strong>Die</strong> gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen<br />

1.1 Der Wortlaut des Gesetzes<br />

Mit der Revision des B<strong>und</strong>esgesetzes über Schuldbetreibung<br />

<strong>und</strong> Konkurs (SchKG) wurden in <strong>Art</strong>ikel 91 Absatz 4 <strong>und</strong> 5 die<br />

folgenden Bestimmungen in Kraft gesetzt:<br />

Abs. 4:<br />

«Dritte, die Vermögensgegenstände des Schuldners verwahren<br />

oder bei denen dieser Guthaben hat, sind bei Straffolge<br />

(<strong>Art</strong>. 324 Ziff. 5 StGB) im gleichen Umfang auskunftspflichtig<br />

wie der Schuldner».<br />

Abs. 5:<br />

«<strong>Behörden</strong> sind im gleichen Umfang auskunftspflichtig<br />

wie der Schuldner».<br />

1.2 <strong>Die</strong> Entstehung dieser Bestimmungen<br />

1.2.1 <strong>Die</strong> B<strong>und</strong>esgerichtspraxis<br />

In langjähriger, konstanter Rechtsprechung hat das B<strong>und</strong>esgericht<br />

die <strong>Auskunftspflicht</strong> <strong>Dritter</strong>, die Vermögensgegenstände<br />

des Schuldners verwahren oder bei denen dieser Guthaben<br />

hat, stets bejaht.<br />

So wird in BGE 66 III 30 ff (französischer Text) unmissverständlich<br />

festgehalten: «Il convient donc d’admettre que la disposition<br />

de l’art. 91 al. 2 LP est également applicable par analogie<br />

aux tiers, s’il est prouvé qu’ils détiennent des biens du débiteur».<br />

In späteren Entscheiden (75 III 109, 102 III 8 usw.) hat<br />

das B<strong>und</strong>esgericht diese Praxis stets bestätigt.<br />

1.2.2 Botschaft des B<strong>und</strong>esrates<br />

Exakt auf diese konstante Rechtsprechung stützte sich der<br />

B<strong>und</strong>esrat in seiner Botschaft über die Änderung des SchKG,<br />

wenn er diese <strong>Auskunftspflicht</strong> in einem Absatz 4 ins Gesetz<br />

aufnehmen wollte. Es wird auch ganz klar darauf verwiesen,<br />

dass im Pfändungsverfahren auch das Bankgeheimnis keine<br />

Geltung haben könne.<br />

Bei der <strong>Auskunftspflicht</strong> <strong>von</strong> <strong>Behörden</strong> wird sogar <strong>von</strong> einer<br />

uneingeschränkten Pflicht gesprochen. Es wird – dies jedoch<br />

nur als Beispiel <strong>und</strong> nicht als abschliessende Aufzählung –<br />

auf das somit nicht mehr geltende Steuergeheimnis im<br />

Zwangsvollstreckungsverfahren verwiesen. Es fehle an einem<br />

schützenswerten Interesse des Steuerpflichtigen <strong>und</strong> damit<br />

des Betreibungsresp. Pfändungsschuldners. Somit könne<br />

weder er noch die Steuerbehörden (oder auch andere<br />

<strong>Behörden</strong>) sich auf das Amtsgeheimnis berufen.<br />

1.2.3 <strong>Die</strong> Behandlung im Parlament<br />

Sowohl in den zuständigen Kommissionen als auch im<br />

National- <strong>und</strong> Ständerat führten diese neuen Bestimmungen<br />

zu keinen Diskussionen. Lediglich Prof. Dr. iur. Lutz Krauskopf<br />

(damals vom B<strong>und</strong>esamt für Justiz) führte während der<br />

Behandlung der SchKG-Revision in der Kommission des Nationalrates<br />

aus, dass «die Mitwirkungspflichten <strong>Dritter</strong> neu auch<br />

für die Pfändung genau umschrieben sind. Für das Pfändungsverfahren<br />

wurden diese Pflichten <strong>von</strong> Rechtsprechung <strong>und</strong><br />

Lehre aus <strong>Art</strong>ikel 232 Abs. 2 Ziffer 4 hergeleitet. Absatz 5 bringt<br />

eine echte Neuerung. <strong>Behörden</strong> unterstehen dem<strong>nach</strong> wie der<br />

Schuldner selbst einer umfassenden <strong>Auskunftspflicht</strong>. <strong>Die</strong> neue<br />

<strong>Auskunftspflicht</strong> wurde im Vemehmlassungsverfahren kontrovers<br />

aufgenommen. Vor allem hat die Expertenkommission an<br />

die Steuerbehörden gedacht. Im Stadium der Pfändung sind<br />

allfällige Rechtsmittel des Schuldners beseitigt. Es ist nicht<br />

einzusehen, wieso das Betreibungsamt nicht die Möglichkeit<br />

haben sollte, auch bei <strong>Behörden</strong> Vermögenswerten des<br />

Schuldners <strong>nach</strong>forschen zu können».<br />

1


2. <strong>Die</strong> Praxis<br />

2.1 Gr<strong>und</strong>sätzliches<br />

<strong>Die</strong> <strong>Auskunftspflicht</strong> <strong>Dritter</strong> – <strong>und</strong> hier insbesondere der<br />

Banken – hat sich in der Praxis sicher auch auf Gr<strong>und</strong> der<br />

Rechtsprechung schon vor der Revision des SchKG eingespielt.<br />

Schwierigkeiten für die Vollzugsbeamten tauchten eher selten<br />

auf. <strong>Die</strong>s dürfte auch heute so sein.<br />

2.2 <strong>Behörden</strong>auskunftspflicht<br />

So kontrovers diese <strong>Auskunftspflicht</strong> für Ämter <strong>und</strong> <strong>Behörden</strong><br />

bereits im Vernehmlassungsverfahren aufgenommen wurde,<br />

so kontrovers wird sie heute <strong>von</strong> <strong>Behörden</strong> angewendet. So<br />

hört man landauf <strong>und</strong> -ab Klagen <strong>von</strong> Betreibungsbeamten,<br />

dass vor allem die Arbeitsämter aus Gründen des Datenschutzes<br />

keine Auskunft mehr erteilen, ob Schuldner stempeln <strong>und</strong><br />

Arbeitslosengelder beziehen oder nicht (siehe u. a. Paul Angst<br />

in Blätter für Schuldbetreibung <strong>und</strong> Konkurs, 1997, S. 210).<br />

<strong>Die</strong> Arbeitsämter stützen sich bei ihrer Weigerung auf eine<br />

Weisung des B<strong>und</strong>esamtes für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit<br />

(BWA, vormals B<strong>und</strong>esamt für Industrie, Gewerbe <strong>und</strong> Arbeit<br />

BIGA) aus dem Jahre 1997: «..., dass laut Stellungnahme des<br />

Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten vom 9. April 1997<br />

die Bekanntgabe <strong>von</strong> Personendaten durch die Durchführungsstellen<br />

der Arbeitslosenversicherung in <strong>Art</strong>. 125 AVIV (Arbeitslosenversicherungsverordnung)<br />

abschliessend geregelt sei,<br />

bzw. dass die in <strong>Art</strong>.97 AVIG (Arbeitslosenversicherungsgesetz)<br />

statuierte absolute Schweigepflicht Vorrang habe vor <strong>Art</strong>. 91<br />

Abs. 5 SchKG».<br />

2.3 Vorrang der neuen SchKG-Bestimmungen<br />

Bereits auf Gr<strong>und</strong> der Ausführungen unter Ziffer I., 2. lit. a <strong>und</strong><br />

b oben sollte eigentlich der Vorrang der neuen SchKG-Bestimmungen<br />

bewiesen sein.<br />

Betrachtet man nun die einander widersprechenden Bestimmungen<br />

des SchKG (<strong>Art</strong>. 91 Abs. 4 <strong>und</strong> 5) mit denjenigen des<br />

AVIG (<strong>Art</strong>. 97) <strong>und</strong> der AVIV (<strong>Art</strong>. 125) unter dem Legalitätsprinzip,<br />

so ergibt sich dieser Vorrang eindeutig zu Gunsten des<br />

SchKG. <strong>Die</strong> Rechtstheorie <strong>und</strong> die Staatsrechtslehre haben<br />

Kollisionsregeln entwickelt, die dafür sorgen, dass solche Widersprüche<br />

aufgelöst werden. Hier gelten vor allem folgende<br />

wichtigste Gr<strong>und</strong>sätze:<br />

� <strong>Die</strong> Norm höherer Stufe geht der Norm tieferer Stufe<br />

vor (z. B. das formelle Gesetz der Verordnung).<br />

� <strong>Die</strong> jüngere Norm geht der älteren Norm gleicher<br />

Stufe vor.<br />

(Siehe dazu auch Yvo Hangartner, Gr<strong>und</strong>züge des Schweizerischen<br />

Staatsrechts, Band I, 24, S. 196.)<br />

<strong>Die</strong> Normen SchKG als formelles B<strong>und</strong>esgesetz sind somit<br />

höher eingestuft als diejenigen der Arbeitslosenversicherungsverordnung.<br />

Sowohl das SchKG als auch das AVIG sind formelle<br />

Gesetze <strong>und</strong> als solche auf gleicher Stufe. <strong>Die</strong> Revision des<br />

SchKG trat am 1. Januar 1997 in Kraft. <strong>Art</strong>. 125 des AVIG wurde<br />

letztmals auf den 1. Januar 1992 revidiert. <strong>Die</strong> neue Norm<br />

des SchKG ist somit die jüngere <strong>und</strong> geht der älteren Norm<br />

des AVIG vor.<br />

Das Bezirksgericht Zürich hält in einem Entscheid über die<br />

<strong>Behörden</strong>auskunftspflicht fest, dass der Gesetzgeber aus verschiedenen<br />

Gründen die Bestimmung im SchKG den älteren<br />

Gesetzen hat vorgehen lassen wollen. Wenn das AHVG (AHV-<br />

Gesetz; hier ging es um die <strong>Auskunftspflicht</strong> einer Ausgleichskasse)<br />

Vorrang hätte, so müsste auch allen andern in Spezialgesetzen<br />

vorgesehenen Schweigepflichten Vorrangstellung<br />

zukommen. In diesem Fall, wäre aber <strong>Art</strong>. 91 Abs. 5 absolut<br />

wirkungslos, da praktisch alle <strong>Behörden</strong> an irgendeine spezialgesetzliche<br />

Schweigepflicht geb<strong>und</strong>en sind. <strong>Die</strong>se neue Norm<br />

ist deshalb für die AHV-Ausgleichskasse verbindlich (<strong>und</strong> somit<br />

auch für die Arbeitsämter – Anmerkung des Autors). Aufgr<strong>und</strong><br />

dieses zwingenden Charakters dürfe die Behörde auch keine<br />

Interessenabwägungen mehr vornehmen (siehe auch Paul<br />

Angst, Blätter für Schuldbetreibung <strong>und</strong> Konkurs, 1997,<br />

S. 210f).<br />

<strong>Die</strong>se Argumentation ist mehr als einleuchtend, weshalb eigentlich<br />

nicht verständlich ist, dass die Diskussion über diese<br />

Frage zwischen dem B<strong>und</strong>esamt für Justiz auf der einen <strong>und</strong><br />

dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragten <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esamt<br />

für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit auf der anderen Seite noch<br />

im Gange ist.<br />

NotariatOlten Amberg Peter<br />

Solothurnischer Notar<br />

Eidg. dipl. Immobilientreuhänder<br />

Baslerstrasse 66<br />

Postfach<br />

CH-4603 Olten<br />

Telefon +41 (0)62 207 40 30<br />

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